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Anlage Wolfgang Waitz Auerbach, den 14.02.2011 Obere Bahnhofstr ...

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<strong>Anlage</strong><br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Waitz</strong> <strong>Auerbach</strong>, <strong>den</strong> <strong>14.02.2011</strong><br />

<strong>Obere</strong> <strong>Bahnhofstr</strong>. 36<br />

08209 <strong>Auerbach</strong><br />

Zur statistischen Sonderauswertung der Bundesregierung im Rahmen der Ermittlung<br />

verfassungskonformer Regelleistungen für ALG II-Empfänger<br />

Bei der Betrachtung der von der Bundesregierung beauftragten Sonderauswertungen der EVS mit<br />

<strong>den</strong> unteren 15% und 20% der unteren Einkommensgruppen sind mir einige Ungereimtheiten<br />

aufgefallen.<br />

Nach Angaben der Bundesministerin für Arbeit und Soziales wur<strong>den</strong> alle Haushalte aussortiert, die<br />

Befreiungsgründe für die GEZ aufweisen (alleiniger Bezug ALG-II, Grundsicherung im Alter etc.). Im<br />

Ergebnis zeigt sich, dass 40% der verbliebenen Haushalte weder über Rundfunkgeräte noch über<br />

Fernseher (untere 15%) verfügen. In der Debatte um die neue Gebührenordnung der GEZ hat aber<br />

ein Verantwortlicher die Gebührenerhebung je Haushalt damit verteidigt, dass die Haushalte ohne<br />

Rundfunk und Fernsehen nur einen verschwin<strong>den</strong>d geringen Anteil ausmachen. Sind also 42,1%<br />

ein verschwin<strong>den</strong>d geringer Anteil oder haben es Ihre Mitarbeiter mit der Aussortierung der nur<br />

ALG-II oder Grundsicherung beziehen<strong>den</strong> Haushalte doch nicht so genau genommen? Nach<br />

Untersuchungen des Bundesamtes für Statistik ist dagegen eher eine nahezu 100%-ige<br />

Ausstattung mit Fernsehempfängern zu erwarten.<br />

Auch die Haftpflicht- und Hausratversicherungen, die von der deutschen Sozialgerichtsbarkeit als<br />

ebenso üblich (und notwendig) wie die Kranken- und Rentenversicherung angesehen wer<strong>den</strong>,<br />

haben nur rund 31% der Haushalte. Hier betragen die ermittelten Ausgaben 19,79 Euro monatlich.<br />

Im bisherigen Regelsatz waren für diesen Bereich, zuzüglich eventueller Kontoführungsgebühren,<br />

monatlich 1,05 Euro enthalten, weil, so die Begründung für die doppelte Kürzung, keine<br />

"Maklerkosten im Zusammenhang mit einem Vermögensaufbau" sowie Steuerberatungskosten<br />

und Geldstrafen übernommen wer<strong>den</strong> sollten. Da der neue Regelsatz im wesentlichen dem alten<br />

entspricht, dürften die Bewilligungswerte kaum abweichen. Aber wie sollen mit 1,05 Euro<br />

tatsächliche Kosten von über 19 Euro bezahlt wer<strong>den</strong>?<br />

Auffallend ist auch, dass rund 7% der Haushalte offensichtlich über keinen Stromanschluss<br />

verfügen und 20% kein Telefon haben. Das widerspricht offiziellen Statistiken, führt aber dank der<br />

statistischen Durchschnittsbildung zur Senkung des Regelsatzes.<br />

Es wäre noch nachvollziehbar, dass 0,24% der Haushalte ausschließlich von der Tafel oder<br />

anderweitigen Nahrungsspen<strong>den</strong> leben und deshalb keine Nahrungsmittel kaufen müssen. Aber<br />

deshalb die Nahrungsmittelausgaben für alle anderen um <strong>den</strong> durch diese Haushalte<br />

"eingesparten" Betrag zu kürzen erscheint mir logisch und menschlich nicht begründbar und ist mit<br />

dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Wenn hier der Durchschnitt für von<br />

Ernährungswissenschaftlern ermittelte Kosten für eine gesunde und ausgewogene Ernährung


ermittelt würde, kämen ca. 200 bis 220 Euro monatlich heraus. Was zwar auch knapp bemessen ist<br />

(überwiegend Discounterpreise), aber <strong>den</strong> Forderungen des Gesundheitsministeriums nach<br />

bewusster und gesunder Ernährung mehr entspräche. Hier ergibt sich noch eine Frage, da ca. 35%<br />

der Haushalte Rentnerhaushalte waren. Haben also Lebensweise und Nahrungsbedarf von über<br />

70-jährigen Damen direkten Einfluss auf die Bemessung von Leistungen auch für die Ernährung von<br />

50-jährigen Männern und anderen Erwerbsfähigen gehabt? Auffällig ist je<strong>den</strong>falls, dass beim<br />

Vergleich der 15% zu <strong>den</strong> 20% für Lebensmittel 37,19 Euro, also 33% mehr ausgegeben wur<strong>den</strong><br />

(!!) während die Ausgaben für alkoholische Getränke nur unbedeutend von 46 Cent auf 47 Cent<br />

täglich (reicht für ca. eine Flasche Billigbier), also lediglich um 1,7% stiegen und die Ausgaben für<br />

Tabakwaren von 1,40 Euro auf 1,48 Euro (ca. sieben Zigaretten) täglich, also nur um 6,1%<br />

zunahmen bei einem von 25,8% auf 25% abnehmen<strong>den</strong> Raucheranteil. Hier stellt sich mir die<br />

Frage, ob die auch im Bundestag geäußerte Meinung, mehr Geld für die Bedürftigen würde nur der<br />

Tabak- und Getränkeindustrie zugute kommen, nur üble Nachrede oder schon Verleumdung ist. Es<br />

ist mir auch ein Rätsel, wie das Kaloriendefizit der nicht mehr genehmigten Flasche Bier<br />

ausgeglichen wer<strong>den</strong> soll, wenn nur Mineralwasser zulässig ist und Ernährungskosten gleich<br />

bleiben.<br />

Auch scheint mir bemerkenswert, dass Herr Papier in der Urteilsbegründung vor allem <strong>den</strong><br />

Regelsatz als unzureichend für ein menschenwürdiges Leben beurteilte. Wie kann die<br />

Bundessozialministerin also sicher sein, mit zusätzlichen 5 Euro monatlich die Menschenwürde<br />

herstellen zu können, wenn sogar die Bundesagentur in einer Untersuchung zu dem Schluss<br />

kommt, dass die (alte) Regelleistung zwar der Sicherung der physischen (hier leiblichen) Existenz<br />

genügt, aber die anderen Ziele, wie angemessene Teilhabe, damit nicht zu erreichen sind?<br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Waitz</strong>

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