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200 Jahre Krupp - WESTSELLER

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<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong><br />

KRUPP<br />

Eine Sonderveröffentlichung der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG in Zusammenarbeit mit der WAZ Mediengruppe<br />

Der Visionär<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach stellte die Weichen<br />

für die Zukunft. Seiten 6/7<br />

Weltunternehmen<br />

mit Tradition<br />

Sonntag, 20. November 2011<br />

Herr der Ringe<br />

Berthold Beitz verwaltet das<br />

<strong>Krupp</strong>-Erbe und bewahrt die<br />

Tradition. Seiten 8/9


2|<br />

INHALT<br />

3 Berthold Beitz: Tradition und Moderne<br />

4/5 Eine Familie macht Geschichte<br />

6/7 Der letzte <strong>Krupp</strong><br />

8/9 Der Herr der drei Ringe<br />

10/11 Drei Ringe für die Zukunft<br />

12 Gerhard Cromme: Erfolgreiche Verbindung<br />

13 Ein stolzes Vermächtnis<br />

14/15 Weltweite Spuren<br />

16/17 Die starken Frauen<br />

18/19 Der Lehrling und der Chef<br />

20/21 Ein Mythos in Bildern<br />

22/23 <strong>Krupp</strong> verwurzelt in der Region<br />

24/25 Auch der Kaiser war zu Gast<br />

26/27 <strong>Krupp</strong> und die Großen der Welt<br />

28/29 Weltausstellungen als Tor zu neuen Märkten<br />

30/31 Mensch im Mittelpunkt<br />

32/33 Von der Tauchkugel bis zur Zahnprothese<br />

34/35 Auf den Spuren von <strong>Krupp</strong><br />

36/37 Die Legende Beitz<br />

38 Interview Heinrich Hiesinger<br />

39 Besonderes Unternehmen<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong>. Sonderveröffentlichung der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG,<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> Allee 1, 45143 Essen, in Zusammenarbeit mit der<br />

WAZ Mediengruppe<br />

Redaktion: Wolfgang Ibel, Lothar Petzold<br />

Mitarbeit: Werner Abelshauser, Hans-Willy Bein, Bärbel Brockmann,<br />

Susanne Brzuska, Peter Hahne, Thorsten Heck, Ingrid Janssen, Björn<br />

Lohmann, Thomas Mendle, Denise Ohms (Foto), Thomas Rünker<br />

Produktion: Christoph Brunswick, Lena Wannigmann<br />

Produktmanagement WAZ: Mirco Striewski (Ltg), Philipp Jann<br />

Alle Abbildungen: Historisches Archiv <strong>Krupp</strong> (außer S. 2 o., S. 8,<br />

S. 12, S. 19, S. 23, S. 25, S. 30 u., S. 31, S. 34-35, S. 38)<br />

Druck: WAZ Druck, Theodor-Heuss-Straße 77, 47167 Duisburg<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Weltstar spielt<br />

zum Jubiläum<br />

Auch der Bundespräsident kommt zur <strong>200</strong>-Jahr-Feier<br />

So wie man es von<br />

<strong>Krupp</strong> gewohnt ist,<br />

zeigt man sich auch<br />

bei dem großen Jubiläum<br />

bescheiden. Bei einem<br />

Festakt in der Villa Hügel<br />

in Essen, wird man im<br />

kleinen Rahmen die lange<br />

und großartige Geschichte<br />

von <strong>Krupp</strong> würdigen.<br />

Es wird mit Stil gefeiert.<br />

Alleine die beeindruckende<br />

Villa Hügel mit ihren<br />

imposanten Räumlichkeiten, den riesigen<br />

Türen, dem prächtigen Blick auf den<br />

Baldeneysee und in den Park bietet ein<br />

großartiges Ambiente. Etwa <strong>200</strong> Gäste –<br />

passend zum Jubiläum – werden am 20.<br />

November, dem offiziellen Gründungsdatum<br />

der Firma <strong>Krupp</strong>, dem heutigen<br />

Weltkonzern gratulieren.<br />

Als Festredner angekündigt: Bundespräsident<br />

Christian Wulff und NRW-<br />

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.<br />

Auf der Gästeliste der Alfried <strong>Krupp</strong><br />

von Bohlen und Halbach-Stiftung stehen<br />

neben Repräsentanten der deutschen<br />

Politik und Top-Managern auch einige<br />

<strong>Krupp</strong>ianer, die sich neben Berthold Beitz<br />

Daniel Barenboim spielt zum <strong>Krupp</strong>-Jubiläum.<br />

wahrscheinlich am besten an die vergangenen<br />

<strong>Jahre</strong> erinnern können.<br />

Eröffnet wird die Jubiläums-Veranstaltung<br />

von Berthold Beitz. Festredner sind<br />

Bundespräsident Christian Wulff, NRW-<br />

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft,<br />

Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß,<br />

Konzernbetriebsratschef Thomas Schlenz<br />

und Thyssen<strong>Krupp</strong>-Aufsichtsratsvorsitzender<br />

Gerhard Cromme.<br />

Auf besonderen Wunsch von Berthold<br />

Beitz wird als musikalisches Highlight<br />

der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim<br />

spielen. Aufgrund der persönlichen<br />

Verbundenheit zu Beitz hat der Weltstar<br />

spontan zugesagt und wird mit Werken<br />

von Schubert den Festakt untermalen.◄<br />

Das kolorierte Lichtbild auf Seite 1 zeigt das<br />

Gießen einer 50 Tonnen schweren Stahlbramme<br />

aus zwei Pfannen, um 1902. Zeichnung<br />

unten: Die Gussstahlfabrik von <strong>Krupp</strong>. Ein<br />

kolorierter Druck von Franz Lohe, um 1890.


<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

<strong>Krupp</strong> – Tradition und Moderne<br />

Ein Geleitwort von Berthold Beitz<br />

Im Jahr 1811, vor <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong>n, gründete<br />

Friedrich <strong>Krupp</strong> in Essen eine<br />

Gussstahlfabrik. Die Anfänge des<br />

Unternehmens waren schwierig. Friedrich<br />

<strong>Krupp</strong> häufte Schulden an, und auch<br />

sein Sohn und Nachfolger Alfred <strong>Krupp</strong><br />

machte ein Jahrzehnt lang Verluste und<br />

war auf die Unterstützung seiner Familie<br />

angewiesen. Erst in den späten 1830er<br />

<strong>Jahre</strong>n wendete sich das Blatt und<br />

aus einer unbedeutenden Firma in der<br />

preußischen Provinzstadt Essen wurde ein<br />

international tätiges Unternehmen, dessen<br />

wirtschaftlicher Erfolg mit einer besonderen<br />

sozialen Fürsorge für die Mitarbeiter<br />

einherging.<br />

Die Geschichte von <strong>Krupp</strong> hat auch<br />

die Geschichte der Stadt Essen geprägt.<br />

Essen ist mit <strong>Krupp</strong> groß geworden. Die<br />

Stadt hat aber auch unter <strong>Krupp</strong> gelitten.<br />

So galten die alliierten Bombenangriffe,<br />

die seit 1943 ganz Essen trafen, wohl<br />

eigentlich den <strong>Krupp</strong>schen Werken. Der<br />

Wiederaufbau in der Nachkriegszeit war<br />

mühsam und wäre ohne die sprichwörtlich<br />

gewordenen „<strong>Krupp</strong>ianer“ nicht möglich<br />

gewesen. Wer auf <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> Firmengeschichte<br />

zurückblickt, möchte gern die<br />

guten Seiten sehen. Aber es ist richtig, sich<br />

auch an die Zeiten zu erinnern, in denen<br />

es unsicher war, ob man die nächsten zwei<br />

<strong>Jahre</strong> übersteht.<br />

Viele deutsche Traditionsunternehmen<br />

haben den Wandel der Zeiten nicht<br />

überstanden, sind untergegangen, wurden<br />

geschlossen oder verkauft. <strong>Krupp</strong> ist geblieben<br />

und gegenwärtig. Der Name wurde<br />

erhalten, Traditionen wurden gewahrt.<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, der letzte persönliche<br />

Inhaber des Unternehmens, hat 1967 testamentarisch<br />

die Gründung der gemeinnützigen<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung verfügt und damit die<br />

Weichen für die Zukunft gestellt.<br />

Die Stiftung ist heute die größte Einzelaktionärin<br />

des Unternehmens Thyssen<strong>Krupp</strong>.<br />

Dessen Einheit möglichst zu<br />

wahren, ist eine ihrer Aufgaben, und für<br />

die Erfüllung dieser Aufgabe ist sie gelobt<br />

und gescholten worden. Es ändert nichts<br />

am Ergebnis: Thyssen<strong>Krupp</strong> ist heute einer<br />

der größten Technologiekonzerne Europas<br />

und ein, wie es in der Sprache moderner<br />

Manager wohl heißt, „global player“. Firmensitz<br />

ist wieder Essen.<br />

Die <strong>Krupp</strong>-Stiftung ist dem Gemeinwohl<br />

verpflichtet. Sie verwendet ihre Erträge<br />

für gemeinnützige Vorhaben. Durch<br />

das Wirken der Stiftung steht der Name<br />

<strong>Krupp</strong> für medizinische Versorgung, Kultur,<br />

Bildung und wissenschaftlichen Fortschritt.<br />

Es gibt markante Orte, die <strong>Krupp</strong>sche<br />

Tradition repräsentieren und von<br />

denen manche dem Traditionsbewusstsein<br />

der Stiftung viel zu verdanken haben: Villa<br />

Hügel, das <strong>Krupp</strong>-Krankenhaus, die Siedlung<br />

Margarethenhöhe, der Alfried <strong>Krupp</strong>-<br />

Saal in der Philharmonie oder das von der<br />

Stiftung finanzierte Museum Folkwang. Es<br />

gibt aber auch wissbegierige <strong>Krupp</strong>-Stipendiaten<br />

an Essener Schulen, an deutschen<br />

Hochschulen oder an der amerikanischen<br />

Stanford University, die eine Förderung<br />

durch die Stiftung erhielten und die für<br />

den Mut stehen, die Herausforderungen<br />

der Zukunft anzunehmen.<br />

„Vorstellungen einer falsch verstandenen<br />

Tradition“, so hat es Alfried <strong>Krupp</strong><br />

einmal ausgedrückt, „dürfen uns nicht<br />

hindern, zu neuen Wegen zu finden.“<br />

|3<br />

Mein Dank gilt den <strong>Krupp</strong>ianern und<br />

allen, die diese neuen Wege mitgegangen<br />

sind.<br />

Berthold Beitz<br />

Vorsitzender des Kuratoriums<br />

der Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen<br />

und Halbach-Stiftung


4| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Gustav und Bertha <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach mit<br />

ihrem Sohn Alfried beim Ausritt, um 1911.<br />

Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong> und Margarethe von Ende als<br />

Brautpaar, 1882.<br />

Alfred <strong>Krupp</strong>, Essen, um 1875. Foto: Heinrich Fleischhauer<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

im Wandel der Zeit<br />

Eine Familie<br />

macht<br />

Geschichte<br />

1811 wurde in Essen der Grundstein<br />

für ein Weltimperium gelegt<br />

Man schreibt das Jahr 1587, als ein<br />

niederländischer Zuwanderer<br />

namens Arndt <strong>Krupp</strong> erstmals<br />

im Verzeichnis der Kaufmannsgilde der<br />

ziemlich unbedeutenden kleinen Landstadt<br />

Essen auftaucht. Formell ist Essen<br />

ein reichsunmittelbares Stift, regiert von<br />

einer Äbtissin, doch will das im beginnenden<br />

Zeitalter absolutistischer Großstaaten<br />

nicht viel bedeuten. Die <strong>Krupp</strong>s allerdings<br />

wissen ihre Chancen zu nutzen. In kurzer<br />

Zeit sind sie durch Wohlstand und Heirat<br />

in die städtische Oberschicht gelangt,<br />

immer wieder über zwei Jahrhunderte lang<br />

werden sie in ehrenamtliche Verwaltungsfunktionen<br />

gewählt. 1799 erwirbt Helene<br />

Amalie <strong>Krupp</strong> das zweitälteste Eisenwerk<br />

des später so genannten Ruhrgebiets, die<br />

Gutehoffnungshütte – es ist der erste Ausflug<br />

der Kaufmannsfamilie in das industrielle<br />

Metier.<br />

Das ist die Ausgangslage, als sich 1811<br />

der 24 <strong>Jahre</strong> alte Friedrich <strong>Krupp</strong> anschickt,<br />

dem Geheimnis des englischen<br />

Gussstahls auf die Spur zu kommen. Mit<br />

geerbtem und geliehenem Geld und einigen<br />

Erfahrungen in der Eisenhütte seiner<br />

Großmutter gründet Friedrich in der Essener<br />

Innenstadt eine kleine Stahlschmelze.<br />

Die ersten Fabrikgebäude entstehen „an<br />

der Walkmühle“ in Altenessen. Die Versu-<br />

1811<br />

Der Anfang<br />

1587 werden die <strong>Krupp</strong>s in Essen das erste<br />

Mal erwähnt. Am 20. November 1811<br />

gründet Friedrich <strong>Krupp</strong> in Essen eine<br />

Gussstahlfabrik.<br />

che sind nur bedingt von Erfolg gekrönt,<br />

aber heute ist sich die Forschung einig:<br />

Friedrich <strong>Krupp</strong>, der bereits 1826 starb,<br />

war zwar überoptimistisch und vertraute<br />

den falschen Partnern, aber er schuf die<br />

Keimzelle für einen noch heute bestehenden<br />

Weltkonzern.<br />

Durchbruch mit<br />

wichtigen Erfi ndungen<br />

Seinem erst 14-jährigen Sohn Alfred ist<br />

es vorbehalten, zum eigentlichen Architekten<br />

dieses Unternehmens zu werden.<br />

Münzstempel, Walzen und Werkzeuge<br />

sind seine ersten Produkte. Die <strong>Jahre</strong> nach<br />

1850 brachten dann den Durchbruch mit<br />

zwei wichtigen Erfindungen: Der nahtlose<br />

Eisenbahnradreifen senkte mit einem<br />

Schlag die Unfallhäufigkeit dieses noch<br />

jungen Verkehrsmittels, die Kanone aus<br />

Gussstahl revolutionierte die Waffentechnik.<br />

Alfred <strong>Krupp</strong>s unternehmerischer<br />

Genius, sein Gespür vor allem für den<br />

Wert dessen, was später Öffentlichkeitsarbeit<br />

heißen wird, macht aus einer Firma<br />

schließlich einen Mythos. Als Mensch<br />

wenig gewinnend, oft schroff im Auftreten<br />

und auf einen rigiden Herr-im-Haus-<br />

Standpunkt pochend, setzt er andererseits<br />

Maßstäbe bei der sozialen Absicherung


seiner Arbeiter. Mit einer zufriedenen<br />

Stammarbeiterschaft, so Alfred <strong>Krupp</strong>s<br />

Kalkül, lassen sich die Qualitätsmaßstäbe<br />

halten und revolutionäre Umtriebe von<br />

der Fabrik fern halten. Mit dem Bau der<br />

Villa Hügel als Wohnsitz und Firmenrepräsentanz,<br />

setzt Alfred <strong>Krupp</strong> ein machtvolles<br />

Zeichen bürgerlichen Stolzes, das<br />

bis heute Bestand hat.<br />

In vielen Unternehmenschroniken<br />

ist die dritte Eigentümer-Generation die<br />

Problematische. Nicht so bei den <strong>Krupp</strong>s.<br />

Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong>, der einzige Sohn,<br />

ist zwar aus weicherem Holz geschnitzt,<br />

hat aber eigene Talente, die das Unternehmen<br />

nach dem Tod von Alfred 1887 gut<br />

gebrauchen kann: Er sieht die Chancen<br />

des wissenschaftlichen Zeitalters klarer als<br />

sein Vater, und er nutzt die Möglichkeiten<br />

der guten Konjunktur des späten Kaiserreichs,<br />

um aus <strong>Krupp</strong> einen wirklichen<br />

Konzern mit Zweigbetrieben weit über<br />

Essen hinaus zu schmieden. Das Hüttenwerk<br />

in Duisburg-Rheinhausen ist seine<br />

bedeutendste Gründung. Friedrich Alfred<br />

<strong>Krupp</strong> stirbt 1902 erst 48-jährig unter<br />

Umständen, die in die Mediengeschichte<br />

eingegangen sind. Gerüchte über seine<br />

angebliche Homosexualität gelangen aus<br />

seinem Lieblingsdomizil, der Insel Capri,<br />

nach Deutschland und lösen einen Pres-<br />

1812<br />

Die Zukunft<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> wird am 26.4.1812 geboren.<br />

Im selben Jahr werden der Schmelzbau<br />

und ein Hammerwerk an der Walkmühle<br />

in Altenessen errichtet.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

seskandal aus, der seinen Tod zur Folge<br />

hat – ob durch eigene Hand oder aufgrund<br />

seiner seit jeher angeschlagenen Gesundheit,<br />

ist bis heute nicht völlig geklärt.<br />

Die älteste Tochter Bertha <strong>Krupp</strong> ist zu<br />

diesem Zeitpunkt erst 16, doch dass eine<br />

Frau einen solchen Konzern leitet, wäre<br />

für die Zeitgenossen auch dann undenkbar,<br />

wenn Bertha bereits ein reiferes Alter<br />

besäße. So fügt es<br />

sich, dass die Alleinerbin<br />

bei einer Reise<br />

nach Rom 1906 den<br />

Diplomaten Gustav<br />

von Bohlen und Halbach<br />

kennenlernt und<br />

dieser nach der Heirat<br />

rasch in die Rolle des<br />

Firmenleiters hineinwächst. Dank einer<br />

Sondergenehmigung Kaiser Wilhelm II.<br />

darf der Ehegatte den Namen <strong>Krupp</strong> vor<br />

seinen eigenen stellen – ein Recht, das<br />

auf den jeweils erstgeborenen männlichen<br />

Nachfolger übergeht. Diese Regelung<br />

macht es möglich, dass Familie und<br />

Firma auch nach außen weiter als Einheit<br />

auftreten können, was für den Mythos, der<br />

um das Unternehmen gestrickt wird, nicht<br />

unbedeutend ist.<br />

Gustav <strong>Krupp</strong> muss, was niemand ahnen<br />

konnte, das Unternehmen durch seine<br />

„Der Zweck der Arbeit soll<br />

das Gemeinwohl sein, dann<br />

bringt Arbeit Segen, dann<br />

ist Arbeit Gebet.“<br />

schwerste Periode führen. Bis 1914 erfreut<br />

sich <strong>Krupp</strong> einer beständigen Hochkonjunktur,<br />

der Erste Weltkrieg führt zu einer<br />

beispiellosen Ausweitung der Rüstungsproduktion,<br />

die Niederlage Deutschlands<br />

dann zum Beinahe-Zusammenbruch auch<br />

der Firma. Durch das Verbot der Siegermächte,<br />

Waffen zu produzieren, muss<br />

<strong>Krupp</strong> sich in der Weimarer Republik<br />

komplett neu erfin-<br />

den, was nur unter<br />

Mühen und einem<br />

finanziellen Balanceakt<br />

gelingt. Durch<br />

die Bomben des<br />

Zweiten Weltkriegs<br />

und der anschließenden<br />

Demontage<br />

verschonter Werksanlagen scheint das<br />

Schicksal <strong>Krupp</strong>s nach 1945 besiegelt.<br />

Nicht Gustav allein, auch sein erstgeborener<br />

Sohn Alfried wird dieses Kapitel<br />

zu erleiden haben. Alfried <strong>Krupp</strong> wird<br />

die Lage gleichwohl meistern und einen<br />

neuen Anfang schaffen. Es ist die fünfte<br />

und letzte <strong>Krupp</strong>-Generation, die direkte<br />

Verantwortung für das Unternehmen trägt.<br />

Mit Alfrieds Sohn Arndt, der zu Gunsten<br />

der Gründung einer Stiftung auf sein Erbe<br />

verzichtete, stirbt die Familie in direkter<br />

Linie aus.◄<br />

Alfred <strong>Krupp</strong>, Februar 1873<br />

1817<br />

Die Qualität<br />

Ein Ölgemälde<br />

von<br />

George Harcourt<br />

zeigt<br />

die Familie<br />

<strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und<br />

Halbach,<br />

1930.<br />

Die Königliche Münze in Düsseldorf<br />

bestätigt die Qualität des <strong>Krupp</strong>schen<br />

Stahls. <strong>Krupp</strong> produziert Münzstempel,<br />

Walzen und Werkzeuge.<br />

|5


6| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

1835<br />

Die erste Dampfmaschine<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> bestellt die erste Dampfmaschine<br />

für die Gussstahlfabrik.<br />

Alfried<br />

<strong>Krupp</strong><br />

von Bohlen<br />

und<br />

Halbach,<br />

1964.<br />

Foto:<br />

Yousuf<br />

Karsh<br />

Die Vorzeichen für ein<br />

glanzvolles Leben stehen<br />

gut, als Alfried von<br />

Bohlen und Halbach<br />

1907 das Licht der Welt<br />

erblickt. Das Unternehmen,<br />

das er einmal erben wird, hat<br />

sich in den letzten zwei Jahrzehnten einer<br />

nahezu beständigen Hochkonjunktur zu<br />

einem Weltkonzern entwickelt, es ist Teil<br />

der wirtschaftlich-industriellen Macht des<br />

späten Kaiserreichs, und nichts deutet darauf<br />

hin, dass sich dies rapide ändern wird.<br />

Der kleine Alfried, das erste Kind von<br />

Bertha und Gustav <strong>Krupp</strong>, wächst in einer<br />

Welt des Überflusses auf, erhält aber auch<br />

die ganze Strenge einer an Pflicht und<br />

Disziplin orientierten Erziehung, wie sie in<br />

der Familie <strong>Krupp</strong> Tradition hat. Von früh<br />

auf darauf gedrillt, eines Tages das größte<br />

deutsche Unternehmen zu besitzen und zu<br />

leiten, gibt es für Alfried noch weniger als<br />

bei seinen Geschwistern Ausbruch aus den<br />

Zwängen eines rigiden Regiments, das vor<br />

allem das Leben auf der Villa Hügel prägt.<br />

Nach dem Abitur studiert der stille,<br />

scheue junge Mann Hüttenkunde. Doch<br />

muss er sich bei <strong>Krupp</strong> auf Geheiß seines<br />

Vaters nebenher mit dem Schmiede- und<br />

Schlosserhandwerk vertraut machen und<br />

dabei wie jeder andere auch am Tor die<br />

Stechuhr drücken.<br />

Ein Leben nach Plan, in dem es<br />

nur einmal ein Ausscheren gibt<br />

Nach dem Abschluss als Diplom-Ingenieur<br />

rückt er 1936 bei <strong>Krupp</strong> in Führungspositionen<br />

ein, doch bleibt er noch<br />

lange ein Lernender, wie es seiner zurückhaltenden<br />

bescheidenen Art entspricht.<br />

Ein Leben nach Plan, in dem es bis ins<br />

höhere Erwachsenenalter nur einmal ein<br />

Ausscheren gibt: 1937 heiratet Alfried von<br />

Bohlen gegen den ausdrücklichen Willen<br />

seiner Eltern die Hamburger Kaufmannstochter<br />

Annelise Bahr. Aus der Ehe geht<br />

1938 Alfrieds einziger Sohn Arndt hervor.<br />

Die kurz darauf erfolgte Scheidung wird,<br />

so heißt es, von Bertha und Gustav <strong>Krupp</strong><br />

mit dem Druckmittel der Enterbung<br />

erzwungen. In einem der seltenen Momente,<br />

in denen er persönliche Gefühle<br />

preisgab, hat Alfried von Bohlen das enge<br />

Korsett seines Daseins einmal so beschrieben:<br />

„Mein Leben hat nie von mir selbst<br />

abgehangen.“<br />

Im Dezember 1943 übertragen seine<br />

Eltern ihm das Unternehmen, in dem zu<br />

1836<br />

Die Krankenkasse<br />

Auf freiwilliger Basis wird eine Kasse für<br />

Krankheits- und Sterbefälle gegründet.


Der letzte <strong>Krupp</strong><br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach stellte die Weichen für die Zukunft<br />

dieser Zeit allerdings längst die Rüstungsbürokratie<br />

des NS-Staats den Ton angibt.<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach,<br />

wie er sich nun per Sondergesetz offiziell<br />

nennen darf, erfüllt die großen Hoffnungen,<br />

die Rüstungsminister Albert Speer<br />

in ihn setzt, in keiner Weise. „Es fehlten<br />

ihm praktisch alle Eigenschaften, die das<br />

Regime an einem idealen Betriebsführer<br />

schätzte: robuster Egoismus, blinder<br />

Fanatismus und skrupellose Durchsetzungsfähigkeit“,<br />

urteilt der Historiker<br />

Werner Abelshauser. Alfried <strong>Krupp</strong> hat<br />

keine Berührungsängste zu den Nationalsozialisten,<br />

er steht ihnen aber auch nicht<br />

sonderlich nahe. Sein unmilitärisches<br />

Wesen und Auftreten, die großbürgerliche<br />

Erdung und Erziehung bewahren ihn vor<br />

uneingeschränkter Begeisterung für Hitlers<br />

Weg. Alfried <strong>Krupp</strong> arbeitet ohne große<br />

Begeisterung, aber auch ohne erkennbare<br />

Widerständigkeit im Sinne des NS-Staats<br />

und seiner Ziele – wie<br />

allerdings viele andere<br />

auch.<br />

Durch seinen<br />

Namen und bedingt<br />

durch die Tatsache,<br />

dass die alliierten Sieger<br />

das Unternehmen<br />

und seine Eigentümer<br />

für Wegbereiter des<br />

Nationalsozialismus<br />

halten, wird Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> nach 1945 in<br />

die grotesk übertriebene<br />

Rolle eines politischen<br />

Haupttäters<br />

gedrängt. Am 11. April<br />

1945 wird er in der<br />

Villa Hügel von amerikanischen<br />

Soldaten<br />

verhaftet, 1947 beginnt der Prozess gegen<br />

ihn und zwölf der <strong>Krupp</strong>-Direktoren.<br />

Auf zwölf <strong>Jahre</strong> Haft und Einziehung des<br />

Vermögens lautet das Urteil, das sich im<br />

Wesentlichen auf die Beschäftigung von<br />

1841<br />

Die erste Auslandsvertretung<br />

In Paris erhält die erste<br />

ständige Auslandsvertretung<br />

der Firma ihren Sitz.<br />

Zwangsarbeitern stützt. Ein Verbrechen in<br />

der Tat, aber eines, das im Druck des NS-<br />

Staats seine Grundlage hat und dem sich<br />

kein größeres Unternehmen im Dritten<br />

Reich entziehen konnte. 1951 wird das<br />

Urteil faktisch revidiert, Alfried <strong>Krupp</strong><br />

wird begnadigt und erhält das Besitzrecht<br />

an seinem allerdings kriegszerstörten und<br />

weitgehend zerstü-<br />

ckelten Unternehmen<br />

zurück. Nicht zuletzt<br />

mithilfe seines Generalbevollmächtigten<br />

Berthold Beitz kann<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> das<br />

Wirtschaftswunder der<br />

1950-er <strong>Jahre</strong> nutzen<br />

und <strong>Krupp</strong> wieder<br />

zu einem Unternehmen<br />

von Weltgeltung<br />

machen. Auch die<br />

Ressentiments, die der<br />

Name <strong>Krupp</strong> im Inund<br />

Ausland weiter<br />

hervorruft, weichen<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, 1967<br />

nach und nach einer<br />

sachlicheren Sicht.<br />

Dazu trägt bei, dass<br />

<strong>Krupp</strong> sich als erstes Großunternehmen<br />

1959 zu einer Entschädigung zunächst<br />

jüdischer Zwangsarbeiter bereiterklärt.<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> fühlt sich als Unternehmer<br />

Zeit seines Lebens der sozialen<br />

„Es entspricht der Tradition<br />

des Hauses <strong>Krupp</strong>, erwerbswirtschaftlicheÜberlegungen<br />

– so wichtig sie auch<br />

sind – nie isoliert vom Gebot<br />

der Sozialverpflichtung<br />

des persönlichen Eigentums<br />

zu sehen. Für die Sozialverpflichtung<br />

des Eigentums<br />

hat unsere Firma heute wie<br />

in der Vergangenheit große<br />

Opfer gebracht. Und ich<br />

bekenne offen: Ich bin stolz<br />

darauf.“<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

1843<br />

Das Besteck<br />

Tradition des Hauses <strong>Krupp</strong> verpflichtet.<br />

Dazu gehört auch, dass eine Schließung<br />

unrentabler Betriebsteile allenfalls als<br />

allerletztes Mittel möglich ist. Dies, die<br />

notorisch zu geringe Kapitaldecke und<br />

die Nervosität der Banken führen dazu,<br />

dass <strong>Krupp</strong> ab Mitte der 1960-er <strong>Jahre</strong><br />

in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Die<br />

Bürgschaften, die das Unternehmen dann<br />

tatsächlich nie in Anspruch nimmt, sind<br />

an eine Forderung geknüpft: <strong>Krupp</strong> soll<br />

nicht mehr länger wie eine große Einzelfirma<br />

ohne Rechenschaftspflicht geführt,<br />

sondern gegebenenfalls über den Weg<br />

einer Stiftung in eine Kapitalgesellschaft<br />

umgewandelt werden. Alfrieds einziger<br />

Sohn Arndt macht diesen Weg durch seinen<br />

Erbverzicht möglich.<br />

Die Stiftungslösung unterstreicht die<br />

gemeinnützige Tradition der Familie<br />

<strong>Krupp</strong>, bedeutet sie doch, dass Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> selbst, seine Nachkommen und<br />

zwangsläufig auch die Familie von Bohlen<br />

und Halbach alle Rechte am Unternehmen<br />

aufgeben. Der Mann, der dies möglich<br />

machte, hat die Umsetzung zum 1. Januar<br />

1968 nicht mehr erlebt. Alfried <strong>Krupp</strong>,<br />

dessen Leben einen weiten Bogen schlug<br />

und der Schlösser ebenso kannte wie die<br />

Enge einer Gefängniszelle, stirbt, noch<br />

nicht 60, im Juli 1967.◄<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> entwickelt gemeinsam mit<br />

seinen Brüdern Hermann und Friedrich<br />

ein serienreifes Besteckwalzwerk.<br />

|7<br />

Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und<br />

Halbach<br />

(2. v. l.)<br />

empfängt<br />

Jubilare zum<br />

Tee, 1967.


8| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Wir schreiben den Anfang<br />

der 1950-er <strong>Jahre</strong>. Berthold<br />

Beitz ist 38 <strong>Jahre</strong> alt, hatte<br />

viel erlebt und schon viel<br />

erreicht, als ein Atelier-<br />

Besuch in Essen seinem Leben<br />

eine völlig neue Wendung gibt. Beim<br />

Essener Künstler Jean Sprenger hatte der<br />

Generaldirektor der Hamburger Iduna-<br />

Versicherung eine Skulptur für die neue<br />

Firmenzentrale in Auftrag gegeben und<br />

dabei lernt er per Zufall Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach kennen. Man versteht<br />

sich auf Anhieb gut, und nur wenige<br />

Wochen später erhält Beitz das Angebot,<br />

das er trotz seiner guten Stellung weder<br />

ausschlagen konnte noch wollte: Generalbevollmächtigter<br />

bei <strong>Krupp</strong>, ausgestattet<br />

mit allen Befugnissen, verantwortlich nur<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, dem Eigentümer.<br />

Mit Berthold Beitz betritt ein Mann die<br />

Bühne der Ruhrindustrie, der den Stahl-<br />

Produzenten Bochumer Verein zunächst<br />

für einen Fußballclub hält, der gerne<br />

neuartige Redewendungen wie „okay“ gebraucht,<br />

lieber Jazz hört als Wagner und in<br />

seinem ganzen Auftreten für manchen in<br />

Ehren ergrauten <strong>Krupp</strong>ianer eine einzige<br />

Provokation ist. Seine erste Amtshandlung<br />

soll darin bestanden haben, dem gemächlichen<br />

Paternoster-Aufzug in der Hauptverwaltung<br />

ein höheres Tempo zu verpassen<br />

– eine hübsche Anekdote.<br />

1844<br />

Frischer Wind für<br />

das Unternehmen<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> wollte es genau so.<br />

Frischer Wind musste herein in ein Unternehmen,<br />

das gerade erfolgreich dabei<br />

war, sich aus den äußeren und mentalen<br />

Zerstörungen des Krieges aufzurappeln,<br />

gleichwohl aber in Gefahr stand, in Ehrfurcht<br />

vor sich selbst zu erstarren. Beitz<br />

konnte vergleichsweise unbeschwert von<br />

lähmenden Traditionen handeln, gerade<br />

weil er von außen kam. Er war jung, aber<br />

schon erfahren, smart und clever, selbstbewusst<br />

und locker im Umgang mit der<br />

Öffentlichkeit, charakterlich ungebrochen<br />

und politisch mit blütenweißer Weste ausgestattet.<br />

In dieser Kombination war Beitz<br />

eine Ausnahmeerscheinung im Deutschland<br />

der frühen 1950-er <strong>Jahre</strong>.<br />

Die Goldmedaille<br />

Auf der Berliner Gewerbeausstellung<br />

erhält <strong>Krupp</strong> für seine Produkte die Goldmedaille.<br />

Herr<br />

der drei<br />

Ringe<br />

Berthold Beitz<br />

im Porträt<br />

Das gilt noch mehr für sein Verhalten<br />

in der NS-Zeit. Als junger Erdöl-Manager<br />

im ostpolnischen Galizien hatte Beitz<br />

Juden vor dem Tod gerettet, indem er ihre<br />

Arbeitskraft gegenüber der SS als unentbehrlich<br />

darstellte. Weil dies in vielen<br />

Fällen leicht als Vorwand zu erkennen war<br />

und weil er auch sonst vieles tat, um den<br />

Drangsalierten ihr Leben zu erleichtern,<br />

ging er ein hohes Risiko ein. Einmal zog<br />

1846<br />

Die Eisenbahn<br />

er seinen Kopf nur aus der Schlinge, weil<br />

sich der vernehmende Gestapo-Beamte als<br />

Schulfreund aus gemeinsamen Greifswalder<br />

Jugendtagen entpuppte. Seine jüdischen<br />

Schützlinge konnten nicht fassen,<br />

was geschah. „Als ob ein Engel in die Hölle<br />

kam“, schildert Zygmunt Spiegel, den<br />

Beitz später wiedertrifft, seine Gefühle.<br />

Was hat Beitz motiviert, ins eher<br />

reizlose Nachkriegs-Essen zu kommen?<br />

Die Firma beginnt mit der Herstellung von Eisenbahnachsen<br />

und -federn. Den ersten Großauftrag<br />

erteilt 1849 die Köln-Mindener Eisenbahn: 2400<br />

Trag- und 400 Stoßfedern.


Es ist die von Alfried <strong>Krupp</strong> versprochene<br />

„Freiheit des Handelns“ – der<br />

alles überwölbende Schlüsselbegriff in<br />

seinem Leben. Aber Beitz musste bei<br />

<strong>Krupp</strong> dennoch kennenlernen, dass sich<br />

eine tradierte Unternehmenskultur nicht<br />

einfach überwinden ließ, auch wenn dies<br />

im Einzelfall geboten schien. Das strikte<br />

Festhalten an Kohle und Stahl und an<br />

einigen unrentablen Produktionen wie<br />

1848<br />

Die Revolution<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> wird Alleininhaber der<br />

Gussstahlfabrik. Während der Revolution<br />

von 1848/49 lässt er das Familiensilber<br />

einschmelzen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Berthold Beitz prägte das Unternehmen<br />

<strong>Krupp</strong> wie kaum ein anderer.<br />

Foto: Oliver Müller<br />

Neue Wege für den Handel<br />

Freiheit des Handelns – diesem Motto folgte Berthold Beitz<br />

► auch, als er im Osten Europas und in der Sowjetunion schon<br />

in den 1950-er <strong>Jahre</strong>n Geschäfte anbahnte und sich als Eisbrecher<br />

für das aufschwang, was viel später Entspannungspolitik heißen<br />

wird. Während der Kalte Krieg zwischen den Weltmächten USA<br />

und Sowjetunion seinem Höhepunkt zustrebte, war Beitz’ Handeln<br />

durchaus nicht ohne Risiko und wurde mit viel Misstrauen betrachtet.<br />

Beitz verweigerte sich dieser Logik und führte politische Gespräche<br />

auf höchster Ebene – sehr zum Verdruss von Bundeskanzler Konrad<br />

Adenauer. Von Beitz’ erster Polen-Reise 1958, dem Empfang beim<br />

sowjetischen Staatschef Chruschtschow 1963 führte ein Weg zum<br />

Besuch des SED-Chefs Erich Honecker in der Villa Hügel 1987. Andererseits<br />

ist Beitz geschickt genug, sich nicht naiv für das östliche Lager<br />

vereinnahmen zu lassen, wo das Hofi eren der Firma <strong>Krupp</strong> natürlich<br />

auch politischen Zielen gehorcht.<br />

dem Lkw-Bau führte im Laufe der 1960-er<br />

<strong>Jahre</strong> zu immer höheren Verbindlichkeiten,<br />

und auch das wichtigste neue Standbein<br />

des Konzerns, der Anlagenbau mit<br />

der maßgeschneiderten Projektierung von<br />

Großanlagen, konnte die Probleme nicht<br />

mehr ausgleichen.<br />

Für Beitz war es bitter zu sehen, dass<br />

ihm 1967 durch diese Finanzkrise und<br />

den Tod von Alfried <strong>Krupp</strong> die Kontrolle<br />

über <strong>Krupp</strong> zunächst entglitt und auf<br />

Geheiß der Gläubigerbanken ein „Verwaltungsrat“<br />

das unternehmerische Sagen<br />

hatte. Mit der raschen Konsolidierung<br />

kam Beitz als Vorsitzender des Kuratoriums<br />

der Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung, die damals sämtliche<br />

Anteile hielt, dann aber zurück ins Spiel.<br />

Im Jahr 1970 gelangte er als Vorsitzender<br />

des Aufsichtsrats bei <strong>Krupp</strong> wieder in die<br />

entscheidende Schlüsselposition, von der<br />

aus er beispielsweise die Beteiligung des<br />

Iran einfädeln konnte, die dem Konzern<br />

dringend benötigtes Kapital brachte. Weiter<br />

an der Spitze der Stiftung stehend, ist<br />

er bis heute – inzwischen 98-jährig – die<br />

entscheidende Persönlichkeit im Thyssen-<br />

<strong>Krupp</strong>-Konzern, ohne dessen Votum keine<br />

Frage von größerer Tragweite entschieden<br />

wird. Auch der spektakuläre Neubau der<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong>-Zentrale in Essen, der Um-<br />

1851<br />

Die Weltausstellung<br />

Auf der ersten Weltausstellung in London<br />

erhält <strong>Krupp</strong> die „Council Medal“, den<br />

höchsten Preis.<br />

zug des Gesamtkonzerns von Düsseldorf<br />

in die Ruhrstadt, ist ihm zu verdanken.<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> residiert jetzt genau dort,<br />

wo vor <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong>n die <strong>Krupp</strong>-Geschichte<br />

begann – ein Bild mit großer Symbolkraft.<br />

Beitz war stets ein Einzelgänger, der<br />

die konservative Kameraderie im Unternehmerlager<br />

ebenso ablehnte wie ein allzu<br />

liberales Verständnis von Marktwirtschaft.<br />

Seine Herkunft aus kleinen Verhältnissen<br />

hat es ihm leicht gemacht, in pragmatischen<br />

Gewerkschaftern Partner und<br />

nicht Gegner zu sehen. Seine Konsens-<br />

Orientierung, seine Fähigkeit, Menschen<br />

zu beeindrucken, seine Empathie und<br />

sein nur selten versagender Instinkt haben<br />

sich noch vor einigen <strong>Jahre</strong>n bei der Bewältigung<br />

der Finanzkrise bewährt, als er<br />

Vorstand und Betriebsrat zu einer gemeinsamen<br />

Linie bewegte.<br />

„Liebling der Götter“ – so hat der<br />

Bankier Hermann-Josef Abs den 1913 im<br />

pommerschen Zemmin geborenen Berthold<br />

Beitz einmal genannt. Ein zwiespältiges<br />

Wort, weil es suggerieren könnte, hier<br />

habe jemand unverdientes Glück gehabt.<br />

Berthold Beitz hat in seinem langen Leben<br />

aber vor allem fast immer die richtigen<br />

Entscheidungen getroffen. Das Quäntchen<br />

Glück kam dann hinzu.◄<br />

|9


10|<br />

1853<br />

Die Familie<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> heiratet Bertha Eichhoff aus<br />

Köln. Am 17. Februar 1854 wird Friedrich<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> geboren.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Drei Ringe für<br />

die Zukunft<br />

Vom Stahlwerk bis zum diversifi zierten Unternehmen / Von Hans-Willy Bein<br />

Sibirien lag Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

mitten in Essen.<br />

In einer von seinem übrigen<br />

Betrieb abgetrennten Werkstatt<br />

hatte Alfred <strong>Krupp</strong> die<br />

Entwicklung vorantreiben<br />

lassen, aus Gussstahl nahtlose Radreifen<br />

für Lokomotiven zu schmieden. Die<br />

Erfindung, die <strong>Krupp</strong> sofort zum Patent<br />

anmelden ließ, war so geheim gehalten<br />

worden, dass die hermetisch abgeschlossene<br />

Tüftlerwerkstatt von den <strong>Krupp</strong>ianern<br />

schnell die Bezeichnung „Sibirien“<br />

bekommen hatte. So beschrieb vor einigen<br />

<strong>Jahre</strong>n jedenfalls der Wirtschaftsjournalist<br />

Günter Ogger im Eisenbahn Magazin<br />

die Umstände der Erfindung. Sie war für<br />

<strong>Krupp</strong> so wichtig, dass er drei übereinander<br />

gelegte Radreifen zum Firmenzeichen<br />

auswählte und diese „Drei Ringe“ noch<br />

heute Teil des Firmenlogos sind. Die Ringe<br />

Abgießen<br />

von Kokillen<br />

in einem<br />

<strong>Krupp</strong>-Stahlwerk,<br />

1964.<br />

standen – und stehen – für die technische<br />

Führerschaft und die Güte von <strong>Krupp</strong>-<br />

Erfindungen und Erzeugnissen.<br />

Die Basis der Firma <strong>Krupp</strong> in Essen<br />

war die Herstellung von Gussstahl. Mit<br />

der Einführung neuer,<br />

besonders wirtschaftlicher<br />

Verfahren zur<br />

Stahlherstellung<br />

markiert <strong>Krupp</strong> von<br />

Anbeginn der Industrialisierung<br />

die Spitze<br />

des Fortschritts. In<br />

seinem Essener Werk<br />

gründete Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong> ein<br />

Institut für die wissenschaftliche Stahlforschung.<br />

Die Versuchsanstalt wird bald zu<br />

einem international anerkannten Forschungszentrum<br />

für die erfolgreiche Entwicklung<br />

des Edelstahls. Nirosta bzw. V2A<br />

Stähle werden schon 1912 patentiert und<br />

1854<br />

Das Patent<br />

weltweit zu einem Begriff für nichtrostende<br />

Qualitäten. Knapp 15 <strong>Jahre</strong> später<br />

bringt <strong>Krupp</strong> unter dem Namen Widia ein<br />

besonderes Hartmetall auf den Markt, das<br />

Heim- und Handwerker auch heute noch<br />

als Qualitätsprodukt<br />

für ihre Bohrer und<br />

Bohrköpfe zu schätzen<br />

wissen.<br />

Zur Stahlherstellung<br />

kommen<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, 1967 bei <strong>Krupp</strong> schnell<br />

Schmiedepressen zur<br />

Produktion von Hochdruckkesseln,<br />

Kurbelwellen und anderen<br />

Maschinenteilen. 1929 hatte <strong>Krupp</strong> die<br />

damals größte Schmiedepresse der Welt in<br />

Betrieb genommen, die einen Druck von<br />

15 000 Tonnen erzeugen konnte. Schnell<br />

schon war das rapide wachsende Unternehmen<br />

auch von Radreifen zur Produktion<br />

ganzer Lokomotiven, Lastwagen<br />

und von Rüstungsgütern übergegangen.<br />

Unter dem Namen „Dicke Berta“ wurde<br />

auch ein im Ersten Weltkrieg eingesetztes<br />

Geschütz aus der Rüstungsproduktion von<br />

<strong>Krupp</strong> weltbekannt.<br />

Auch nach den beiden Weltkriegen<br />

findet <strong>Krupp</strong> mit seinen Entwicklungen<br />

schnell wieder Anschluss an die Weltspitze.<br />

Mit einer von dem Unternehmen<br />

hergestellten Tauchkugel, die aus Chrom-<br />

Nickel-Molybdän-Stahl gefertigt wurde,<br />

gelang Jacques Piccard und Don Walsh<br />

1960 der Vorstoß zu der mit fast 11 000<br />

Metern tiefsten bekannten Stelle der<br />

Weltmeere.<br />

Auch heute ist der Thyssen<strong>Krupp</strong>-Konzern<br />

mit vielen seiner Produkte Weltspitze<br />

(s. Kasten). Das gilt für Technologiegüter,<br />

aber auch für Stahl, für den Forscher<br />

„Vorstellungen einer falsch<br />

verstandenen Tradition dürfen<br />

uns nicht hindern, zu<br />

neuen Wegen zu finden.“<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> erhält ein amerikanisches<br />

Patent auf seine nahtlosen Eisenbahnradreifen.<br />

Der Schienenverkehr wird mit<br />

diesen Reifen sicherer und schneller.


und Tüftler auch heute immer neue<br />

Anwendungsfelder erschließen. In einer<br />

Forschungsinitiative für den Fortschritt<br />

im Automobilbau haben Ingenieure aus<br />

dem Thyssen<strong>Krupp</strong>-Konzern zum Beispiel<br />

mehr als 30 neue Lösungen für Karosserie,<br />

Antrieb und Fahrwerk entworfen, hauptsächlich<br />

Stahlqualitäten, die besonders<br />

leicht sind, aber deswegen nichts von ihrer<br />

Festigkeit eingebüßt haben. Hiermit lässt<br />

sich nach Angaben des Unternehmens der<br />

in Produktion und Betrieb der Autos entstehende<br />

Ausstoß des Klimagases CO 2 pro<br />

Automobil um jeweils 5,5 Tonnen verringern.<br />

Leisten kann sich solche Forschungen<br />

und Entwicklungen nur ein finanzkräftiges<br />

Unternehmen: 677 Millionen<br />

Euro hat Thyssen<strong>Krupp</strong> im Geschäftsjahr<br />

2010/11 für Forschung und Entwicklung<br />

ausgegeben.◄<br />

1857<br />

Die Mitarbeiter<br />

Die Belegschaft des Unternehmens<br />

übersteigt erstmals die Marke von 1.000<br />

Beschäftigten.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Mit Stahl an die Weltspitze<br />

Den Anfang machte der Stahl. Mit der reinen Produktion von Guss-<br />

► stahl hielt sich das junge Unternehmen <strong>Krupp</strong> nach der Gründung<br />

1811 aber nicht lange auf, sondern stieß zügig in die Weiterverarbeitung<br />

vor. Ein Meilenstein war der nahtlos geschmiedete Eisenbahnreifen zur<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts. Zur Ausweitung und Sicherung des Absatzes<br />

erschloss sich <strong>Krupp</strong> bald über Deutschland hinaus Märkte in Europa und<br />

in anderen Erdteilen. Als eines der ersten Unternehmen zählte <strong>Krupp</strong> zur<br />

Spitze der europäischen Investitionsgüterindustrie. Das gilt auch heute für<br />

den durch Fusion entstandenen Thyssen<strong>Krupp</strong>-Konzern, der sich als Werkstoff-<br />

und Technologieunternehmen bezeichnet. Aktiv ist der Konzern in<br />

80 Ländern, wo 177.000 Mitarbeiter einen Umsatz von rund 43 Milliarden<br />

Euro erarbeiten. Größter Bereich ist nach wie vor der Stahl, Weltruf hat<br />

das Unternehmen aber ebenso im Spezial- und Großanlagenbau mit Traditionsfi<br />

rmen wie Uhde oder Polysius. Von Chemie- und Raffi nerieanlagen,<br />

über Zementwerke bis zur Fördertechnik zur Gewinnung und dem Transport<br />

von Rohstoffen reicht das Spektrum. Mit vielen Produkten behauptet<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> weltweit führende Positionen. So ist die Tochter Rothe Erde<br />

die Nummer 1 in der Welt bei der Herstellung von Großwälzlagern, die bei<br />

der Produktion von Windkraftanlagen mit ihren riesigen Rotoren benötigt<br />

werden. Nummer 3 ist Thyssen<strong>Krupp</strong> mit seinem sehr lukrativen Geschäft<br />

mit Aufzügen und Fahrtreppen. hwb<br />

1859<br />

Die Rüstungsproduktion<br />

Beginn der Rüstungsproduktion in<br />

größerem Maßstab: 300 Geschützrohr-<br />

blöcke werden vom preußischen Kriegsministerium<br />

bestellt.<br />

|11<br />

Großes Bild:<br />

Mittelschiff<br />

der Satz-<br />

Achsendreherei,<br />

um 1906.<br />

Rechts oben:<br />

Materialprüfung<br />

in<br />

den 1930-er<br />

<strong>Jahre</strong>n.<br />

Rechts<br />

unten:<br />

Versuchsraum<br />

der<br />

„Probieranstalt“<br />

in<br />

Essen, 1912.


12|<br />

1861<br />

Das Visuelle<br />

In diesem Jahr wird die Fotoabteilung des<br />

Unternehmens gegründet. Große Werkspanoramen<br />

entstehen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Erfolgreiche Verbindung<br />

von Tradition und Innovation<br />

Von Dr. Gerhard Cromme, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG<br />

Vor <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong>n, am 20. November 1811, gründete<br />

Friedrich <strong>Krupp</strong> in Essen eine Gussstahlfabrik<br />

und legte damit den Grundstein für eines der traditionsreichsten<br />

deutschen Industrieunternehmen. Wenn<br />

ein Unternehmen zwei Jahrhunderte überdauert und<br />

damit viele Umbrüche, Krisen und Neuanfänge meistert,<br />

dann hat es vieles richtig gemacht. Dies kann uns in der<br />

heutigen Zeit, in der manche Manager nur noch auf den<br />

nächsten Quartalsabschluss schauen, Vorbild sein.<br />

Daher lohnt es sich, zu fragen: Was hat <strong>Krupp</strong> über<br />

zwei Jahrhunderte erfolgreich gemacht? Die enorme<br />

Innovationskraft hat das Unternehmen seit jeher ausgezeichnet.<br />

Der nahtlos geschmiedete Eisenbahn-Radreifen<br />

zum Beispiel, mit dem der Aufstieg von <strong>Krupp</strong> begann,<br />

wird auch heute noch - in fortentwickelter Form - in<br />

Windrädern eingesetzt. Eine Erfindung, die damals die<br />

Industrialisierung mitgeprägt hat, hilft heute dabei, unsere<br />

Ressourcen zu schonen und Emissionen zu vermeiden.<br />

Dies ist nur ein Beispiel unter vielen.<br />

Doch die Innovationen alleine wären nichts wert ohne<br />

das richtige Verständnis von Unternehmertum und sozialer<br />

Verantwortung. <strong>Krupp</strong> hat es immer wieder geschafft,<br />

Tradition und Innovation erfolgreich zu verbinden und<br />

damit neue Perspektiven für das Unternehmen und seine<br />

Mitarbeiter zu eröffnen. Bei sich ändernden Rahmenbedingungen<br />

erforderte dies auch oft die Bereitschaft<br />

zu Veränderungen. Nur wer die Zukunft gestaltet, kann<br />

erfolgreich sein.<br />

Dass diese Tradition bis heute fortlebt, verdanken wir<br />

insbesondere Berthold Beitz. Er nimmt seit Jahrzehnten<br />

eine zentrale Rolle bei der Fortführung des Lebenswerkes<br />

der <strong>Krupp</strong>-Familie ein, zunächst ab 1953 als Generalbevollmächtigter<br />

des Firmeninhabers Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach und bis heute als Vorsitzender des<br />

Kuratoriums der Stiftung. Er hat es seit jeher verstanden,<br />

unternehmerische Weitsicht, wirtschaftlichen Erfolg und<br />

soziale Verantwortung in einzigartiger Weise zu verbinden.<br />

Bis heute ist die Stiftung für alle Mitarbeiter von<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> der bewährte Garant für Stabilität und<br />

Kontinuität - unabhängig davon, ob sie von <strong>Krupp</strong>, Thyssen<br />

oder Hoesch kommen. Nach den Zusammenschlüssen<br />

mit Hoesch 1992 und mit Thyssen 1999 entstand mit<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> ein gemeinsames Unternehmen, das die<br />

Tradition aller drei Vorgänger fortführt und seinen eigenen<br />

Weg in die Zukunft geht. Das Beste aus der <strong>Krupp</strong>-<br />

Kultur wird weitergelebt.<br />

Dr. Gerhard Cromme ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG.<br />

Mit der im Mai beschlossenen strategischen Weiterentwicklung<br />

stellt Thyssen<strong>Krupp</strong> die Weichen für eine<br />

erfolgreiche Zukunft. Dies geschieht im Einvernehmen<br />

mit den Arbeitnehmervertretern und unter Wahrung der<br />

Interessen der Mitarbeiter. Wir erleben, dass der Konzern<br />

einmal mehr seine Innovationskraft und Bereitschaft zum<br />

Wandel zeigt, und sich dabei gleichzeitig seiner Verantwortung<br />

gegenüber den Mitarbeitern bewusst ist.<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> wird sich aus seiner neuen Heimat<br />

Essen heraus auch in Zukunft weiterentwickeln. Hierbei<br />

lebt das Unternehmen wie schon seit <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong>n in erster<br />

Linie von seinen Mitarbeitern, von ihrem Engagement<br />

und ihrem Erfindungsreichtum. Lassen Sie uns gemeinsam<br />

daran arbeiten, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.◄<br />

1861<br />

Der Dampfhammer<br />

Der von Alfred <strong>Krupp</strong> entworfene Dampfhammer<br />

„Fritz“ mit 1000 Zentnern Fallgewicht<br />

wird in Betrieb genommen.


1862<br />

Der Stahl<br />

<strong>Krupp</strong> baut das erste Bessemer-Stahlwerk<br />

auf dem Kontinent. Es ermöglicht Massenproduktion<br />

und Schienenherstellung.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Ein stolzes Vermächtnis<br />

<strong>Krupp</strong>-Stiftung ist mit der Förderung von Kultur, Forschung<br />

und Bildung eine feste Größe / Von Bärbel Brockmann<br />

Es war ein historisches Ereignis:<br />

Im Januar vorigen <strong>Jahre</strong>s wurde<br />

der Neubau des Museums Folkwang<br />

in Essen eingeweiht. Die<br />

Baukosten von 55 Millionen Euro trug<br />

allein die Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung. Für die Stiftung war das<br />

eines der größten Einzelförderprojekte in<br />

ihrer Geschichte.<br />

Berthold Beitz, Vorsitzender des Kuratoriums<br />

und des Vorstands der Stiftung,<br />

hatte der Stadt Essen den Neubau <strong>200</strong>7<br />

versprochen – und damit erneut die Verbundenheit<br />

der Stiftung mit der Heimatstadt<br />

des <strong>Krupp</strong>-Konzerns unter Beweis<br />

gestellt.<br />

<strong>Krupp</strong> und die Stadt Essen sind zusammen<br />

groß geworden. Sie haben eine<br />

gemeinsame Geschichte. Die Fördermaßnahmen<br />

der <strong>Krupp</strong>-Stiftung zeigen, dass<br />

<strong>Krupp</strong> den Strukturwandel im Ruhrgebiet<br />

nicht nur überlebt hat, sondern aktiv<br />

mitgestaltet. Angefangen von der Kultur<br />

über die wissenschaftliche Forschung und<br />

Lehre, im Erziehungs- und Bildungswesen,<br />

im Gesundheitsbereich bis hin zum<br />

Sport. In ihrem 43-jährigen Bestehen hat<br />

sie insgesamt mehr als 615 Millionen Euro<br />

für Förderprojekte ausgegeben. Damit<br />

ist sie eine konstante<br />

Größe in der deutschen<br />

Stiftungslandschaft<br />

geworden.<br />

Finanziert wird das<br />

Förderprogramm aus<br />

den Erträgen, also<br />

Dividenden, die die<br />

<strong>Krupp</strong>-Stiftung aus<br />

ihrer Beteiligung an<br />

der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG<br />

bezieht. Sie ist mit<br />

25,3 Prozent an dem<br />

Konzern beteiligt und damit gleichzeitig<br />

die größte Aktionärin. Die <strong>Krupp</strong>-Stiftung<br />

ist das Vermächtnis von Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach. In seinem Testament<br />

legte der letzte persönliche Eigentümer<br />

der Firma Fried. <strong>Krupp</strong> fest, dass die<br />

Stiftung „Ausdruck der dem Gemeinwohl<br />

verpflichteten Tradition des Hauses <strong>Krupp</strong><br />

sein soll“. Gleichzeitig verpflichtete er die<br />

Stiftung, für die Einheit des Unternehmens<br />

zu sorgen. Nach<br />

„Ich habe mich entschlossen,<br />

die Firma über eine<br />

Stiftung, die Ausdruck der<br />

dem Gemeinwohl verpflichteten<br />

Tradition des Hauses<br />

<strong>Krupp</strong> sein soll, in eine<br />

Kapitalgesellschaft umzuwandeln.“<br />

Eintausend Mal Kalifornien<br />

– Essen und<br />

zurück: Vor 29 <strong>Jahre</strong>n<br />

rief Berthold Beitz ein<br />

Stipendienprogramm<br />

ins Leben, in dessen<br />

Rahmen besonders<br />

interessierte Studenten<br />

aus Stanford sechs<br />

oder mehr Monate<br />

als Praktikanten in<br />

Deutschland arbeiten<br />

und Land und Leute<br />

kennenlernen können.<br />

Am 5. Mai kamen die<br />

Stipendiaten des Jahrgangs<br />

2011 nach Essen,<br />

um Berthold Beitz<br />

in der Villa Hügel zu<br />

besuchen. „Star“ der Gruppe war Mary Bauer, die 1000. Stipendiatin (links neben Berthold<br />

Beitz), die als Praktikantin im Museum Folkwang arbeitet. Foto: <strong>Krupp</strong>-Stiftung<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, 1967<br />

seinem Tod 1967<br />

ging das gesamte<br />

Vermögen in die<br />

Stiftung. Seither<br />

werden die Fördermittel<br />

ausschließlich<br />

für gemeinnützige<br />

Zwecke vergeben.<br />

Die Stiftung steht<br />

damit durchaus in einer<br />

längeren Firmen-<br />

Tradition, die einen<br />

Fokus auf das Gemeinwohl legt. Schon<br />

der Sohn des Firmengründers, Alfred<br />

<strong>Krupp</strong>, hatte Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

ein System betrieblicher Sozialleistungen<br />

ins Leben gerufen und außerdem für seine<br />

Arbeiter Wohnungen und ein Kranken-<br />

1863<br />

Die Siedlung<br />

Die Werkssiedlung „Westend“ entsteht am<br />

südlichen Rand des Fabrikgeländes. Sie<br />

besteht aus 136 Wohneinheiten.<br />

haus gebaut – das <strong>Krupp</strong>-Krankenhaus ist<br />

heute im Besitz der Stiftung.<br />

Sein Sohn Friedrich Alfred ergänzte<br />

dieses soziale Engagement später vor<br />

allem durch Investitionen in Bildungsprojekte.<br />

Auf diese Weise erklärt sich das für<br />

Stiftungen in Deutschland eher ungewöhnlich<br />

breite Spektrum der Förderfelder<br />

bei der <strong>Krupp</strong>-Stiftung. Ungewöhnlich<br />

ist auch die Bildung der Stiftung selbst.<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> hat dort nicht nur sein Betriebsvermögen,<br />

sondern auch sein ganzes<br />

Privatvermögen eingebracht. Das war<br />

zumindest für damalige Verhältnisse mehr<br />

als ungewöhnlich. Und: Mit Berthold<br />

Beitz (als Vorsitzender des Vorstands und<br />

des Kuratoriums) gibt es noch jemanden,<br />

der von der ersten Stunde an dabei war<br />

und der auch noch der Testamentsvollstrecker<br />

des Stiftungsgründers war. Das gibt es<br />

nirgendwo anders.◄<br />

|13


14|<br />

1868<br />

Der Konsum<br />

Der drei <strong>Jahre</strong> zuvor von Werksangehörigen<br />

gegründete Arbeiter-Konsumverein<br />

wird von der Firma übernommen und zur<br />

Konsumanstalt.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Weltweite Spuren<br />

Bedeutende <strong>Krupp</strong>-Bauten rund um den Globus / Von Björn Lohmann<br />

Ob im Urlaub an der Copacabana<br />

oder in Paris, ob<br />

bei historischen Ereignissen<br />

wie den Unruhen<br />

in Ägypten oder den Olympischen<br />

Spielen in München: Die Spuren<br />

des Unternehmens <strong>Krupp</strong> begegnen<br />

einem an vielen Orten. In den frühen<br />

<strong>Jahre</strong>n waren es vor allem mächtige<br />

Kanonen wie die in Xiamen, die<br />

weltweit von der Qualität des <strong>Krupp</strong>-<br />

Stahls zeugten. Im 20. Jahrhundert<br />

dann bildete der Stahl die Basis vieler<br />

Bauwerke und <strong>Krupp</strong> exportierte<br />

sogar ganze Industriekomplexe.<br />

In Indien und Chile sind noch<br />

heute Dampflokomotiven aus dem<br />

Jahr 1935 zu besichtigen, die <strong>Krupp</strong><br />

gebaut hat. Im rheinischen Tagebau<br />

arbeitet seit Jahrzehnten ein gigantischer<br />

Bagger aus <strong>Krupp</strong>scher Fertigung.<br />

In Kairo zeugt die Universitätsbrücke<br />

vom Wirken <strong>Krupp</strong>s, ebenso<br />

wie es die Brücke über den Kleinen<br />

Belt tut. In Deutschland setzt das<br />

Radioteleskop in Effelsberg genauso<br />

auf den Stahl des Essener Unternehmens<br />

wie das Dach des Münchener<br />

Olympiastadions.<br />

Vom futuristischen Kulturzentrum<br />

Georges Pompidou in Paris bliebe<br />

ohne die Produkte <strong>Krupp</strong>s wenig übrig,<br />

und auch das heute als Museum<br />

genutzte Fort an der Copacabana in<br />

Rio de Janeiro stünde etwas schutzlos<br />

da.<br />

Wem diese Kolosse nicht genügen,<br />

der findet die vielleicht größten<br />

Spuren des Wirkens der Firma <strong>Krupp</strong><br />

in Form von Zement- und Hüttenwerken,<br />

die <strong>Krupp</strong> beispielsweise in<br />

der Türkei und in Indien errichtet hat,<br />

getreu der Überzeugung von Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach:<br />

„Wohlstand und Frieden setzen Arbeitsplätze<br />

voraus, und diese wiederum<br />

erfordern die Industrialisierung.“<br />

Die Kanone von Xiamen<br />

In benachbarten Dörfern sollen Häuser eingestürzt und<br />

Kühe aus dem Stand einen Meter hoch gesprungen sein, als<br />

sie getestet wurden: die zwei Kanonen von Xiamen. 1893 von<br />

<strong>Krupp</strong> erbaut, existiert eine Kanone noch heute im Fort von<br />

Xiamen in China. Ein Kaliber von 280 Millimetern, eine Gesamtlänge<br />

von fast 14 Metern und eine Reichweite von 16 Kilometern<br />

zeichnen die Geschütze aus. Genug, um die angreifende<br />

japanische Marine im August 1900 das Weite suchen zu lassen,<br />

sobald die Kanonen auf ihre Schiffe gerichtet wurden. Bei<br />

einem erneuten Angriff Japans im September 1937 versenkten<br />

die Kanonen ein gegnerisches Kriegsschiff, bevor die japanische<br />

Marine erneut die Flucht ergriff.<br />

Beschweren müssten sich die Japaner eigentlich bei den<br />

Briten: Die hatten 1841 Xiamen angegriffen und bewiesen, dass<br />

die Chinesen westlichen Kanonen nichts entgegenzusetzen<br />

hatten – was China schließlich dazu bewog, die beiden Geschütze<br />

der Firma <strong>Krupp</strong> zu ordern; 80.000 Unzen Silber hat<br />

jedes gekostet.<br />

Das Dach des Münchener Olympiastadions<br />

Es war bei seinem Bau nach dem steinernen Dach der Welt in<br />

Tibet das größte aller Dächer: Das Zeltdach des Münchener Olympiaparks<br />

überspannt mit Stahl und Plexiglas das Stadion, die Halle<br />

und die Schwimmhalle, insgesamt 74.800 Quadratmeter. 410 Kilometer<br />

Netzseil, 14 Kilometer Randseil und 12 Kilometer Hauptseil<br />

hat <strong>Krupp</strong> dort verbaut. Allein das 460 Meter lange Hauptrandseil<br />

besteht aus 1771 Kilometern Draht – eine Strecke von München bis<br />

Helsinki.<br />

129.000 „Knoten“ verbinden das „Netz“ seit seinem Richtfest<br />

1971, die nötigen statischen Gleichungen enthielten bis zu 10.500<br />

Unbekannte – geringfügig mehr als beim Mathematikunterricht in<br />

der Schule üblich. Ohne Computer wäre dieses Dach nicht möglich<br />

gewesen.<br />

Das Ende der 1990-er <strong>Jahre</strong><br />

sanierte Dach war nicht<br />

der einzige Beitrag <strong>Krupp</strong>s<br />

zum Olympia-Gelände.<br />

<strong>Krupp</strong>-Stahl findet sich auch<br />

im Pressezentrum, in der<br />

Regiekanzel des Stadions, in<br />

der Hochschulsportanlage,<br />

der Trainingshalle und im<br />

anlässlich Olympia errichteten<br />

Parkhaus des ehemaligen<br />

Flughafens München-Riem.<br />

1869<br />

Die Technologie<br />

Der erste Siemens-Martin-Stahlofen in<br />

Deutschland wird auf der Gussstahlfabrik<br />

in Betrieb genommen.


Das Centre Georges Pompidou in Paris<br />

Seinem Erfolg mit dem Dach des Münchener Olympiaparks verdankt<br />

<strong>Krupp</strong> den Auftrag für ein weiteres, noch heute populäres Bauwerk:<br />

das 1976 eröffnete<br />

Centre Georges Pompidou<br />

im Herzen von Paris.<br />

Innen findet sich neben<br />

einer öffentlichen Bibliothek<br />

das Museum für<br />

Moderne Kunst, außen<br />

werden die angrenzenden<br />

Plätze von Straßenkünstlern<br />

bevölkert.<br />

Die einzigartige<br />

Stahlskelettkonstruktion<br />

aus Stahl, Stahlguss und<br />

Schleuderguss verleiht dem sechsstöckigen Gebäude eine Wirkung<br />

zwischen Futurismus und Rohbau. Dazu trägt sicher bei, dass<br />

sämtliche Gebäudetechnik offen installiert wurde und einen bunten<br />

Farbcode erhielt: Tragwerk und Belüftungsrohre sind weiß, Treppen<br />

und Rolltreppen rot, die Elektrik gelb, Wasserrohre grün und Leitungen<br />

der Klimaanlage blau.<br />

Und wer glaubt, der schwerste Stahlkoloss in Paris sei der Eiffelturm,<br />

der sollte sein Urteil noch einmal überdenken: Das Pariser<br />

Wahrzeichen bringt es auf rund 7500 Tonnen Stahl – das Centre<br />

Pompidou wiegt 13.500 Tonnen.<br />

1870<br />

Das Krankenhaus<br />

Die <strong>Krupp</strong>schen Krankenanstalten entstehen<br />

als Lazarett für Verwundete im<br />

deutsch-französischen Krieg.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

1872<br />

Das Grundgesetz<br />

Das „Generalregulativ“ regelt Pfl ichten<br />

und Rechte der Mitarbeiter und legt<br />

Grundzüge der Geschäftsführung und<br />

der betrieblichen Sozialpolitik dar.<br />

|15<br />

Die Brücke über den Kleinen Belt<br />

Wer heute von Jütland auf die dänische Insel<br />

Fünen fährt, nutzt meist die 1970 eröffnete Autobahnbrücke<br />

„Ny Lillebæltsbro“. Doch ein paar Hundert<br />

Meter weiter führt schon seit 1934 eine Brücke aus<br />

Stahl über den Kleinen Belt, gebaut von <strong>Krupp</strong>. 1175<br />

Meter lang ist sie, 825 Meter misst der Stahlüberbau.<br />

In einer Wassertiefe von 35 Metern stehen die mittleren<br />

Pfeiler 220 Meter weit auseinander, 33 Meter<br />

bieten sie den Schiffen an Durchfahrtshöhe, darüber<br />

führen zwei Gleise und eine Straße.<br />

Um den Koloss zu bauen, mussten die Arbeiter auf<br />

dem ersten Pfeiler einen Montagekran errichten, mit<br />

dem dann ein zweiter aufgestellt wurde. Erst so war<br />

es möglich, die Überbauten freischwebend zu montieren.<br />

Das erforderte neben Schwindelfreiheit „sorgfältige<br />

Messungen in Länge, Breite und Höhe, um sicher<br />

zu sein, dass man sich in der Mitte treffen wird“, wie<br />

der Ingenieur Oswald Erlinghagen notierte.<br />

Das Hüttenwerk in Rourkela<br />

Eine Million Tonnen Rohstahl produziert das Stahlwerk<br />

jährlich, 750.000 Tonnen Fertigprodukte, darunter<br />

Grobbleche für Schiff-, Kessel-, Lokomotiv- und Waggonbau,<br />

Feinbleche sowie gewalztes Band, teilweise<br />

zink- oder zinnverziert. Nein, hier im Herzstück des Hüttenwerks<br />

Rourkela im indischen Bundesstaat Orissa produziert<br />

nicht <strong>Krupp</strong> – das, was hier produziert, stammt<br />

vom Essener Konzern. Eine ganze Stahlfabrik hat <strong>Krupp</strong><br />

auf indischen Wunsch gebaut und 1960 eingeweiht. Oder<br />

um mit den Worten von Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach zu sprechen: „Hier auf dem Boden Rourkelas<br />

haben wir auf dem Wege zur Modernisierung Indiens in<br />

aufrichtiger internationaler Zusammenarbeit ein Wahrzeichen<br />

der Schwerindustrie errichtet.“<br />

Anfangs wurde das zwei Milliarden Mark teure Projekt,<br />

an dem auch andere deutsche Firmen mitwirkten, als<br />

das „Stalingrad der deutschen Industrie“ verspottet. Die<br />

Ineffizienz der indischen Selbstorganisation war zunächst<br />

hoch. Doch nach nur wenigen <strong>Jahre</strong>n war Rourkela dank<br />

modernster Technik das rentabelste Hüttenwerk Asiens:<br />

England und Russland, die in Indien ebenfalls Hüttenwerke<br />

gebaut hatten, erwirtschafteten 1965 4,5 und 4,2<br />

Millionen Mark, Rourkela brachte es offiziell auf 7,3 Millionen<br />

– um die Konkurrenz nicht zu sehr zu beschämen,<br />

hatte man Verluste der Düngemittelfabrik in Rourkela<br />

eingerechnet. Tatsächlich kam das Hüttenwerk, wo noch<br />

heute 35.000 Menschen arbeiten, auf 29,4 Millionen<br />

Mark.


16| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Die starken Frauen<br />

Sie hatten großen Anteil am Erfolg des<br />

Unternehmens / Von Thomas Rünker<br />

1872<br />

Die <strong>Krupp</strong>-Frauen waren Managerinnen – nicht nur von<br />

Familie und Villa Hügel, sondern oft genug auch der<br />

Firma selbst. Dabei standen sie meist im Schatten ihrer<br />

Männer, der großen Unternehmer. Zu Unrecht,<br />

denn ohne die Frauen ist <strong>Krupp</strong> undenkbar.<br />

Schon den Erstkontakt zum Werkstoff Stahl verdankt <strong>Krupp</strong><br />

einer Frau: Helene Amalie Ascherfeld (1732-1810) heiratet mit<br />

19 <strong>Jahre</strong>n den Essener Kaufmann Friedrich Jodocus <strong>Krupp</strong><br />

und übernimmt, als dieser schon fünf <strong>Jahre</strong> später stirbt,<br />

dessen Kolonialwaren-Geschäft. Dort beweist sie unternehmerisches<br />

Talent und erwirtschaftet mit der Zeit ein beeindruckendes<br />

Vermögen. Aus einem geplatzten Geldgeschäft<br />

kommt sie zudem in den Besitz der Gutehoffnungshütte im<br />

heutigen Oberhausen – und ihr als Betriebsleiter eingesetzter<br />

Enkel Friedrich lernt dort erstmals die Stahlherstellung<br />

kennen.<br />

Später bildet Helene Amalies Vermögen dann die<br />

finanzielle Grundlage für Friedrich <strong>Krupp</strong>s eigene unternehmerische<br />

Gehversuche. Seit 1808 ist er mit der<br />

Kaufmannstochter Therese Wilhelmi verheiratet. Drei<br />

<strong>Jahre</strong> später verabschiedet er sich vom Handel, um im<br />

neuen Terrain Gussstahl Fuß zu fassen. Bald ist das geerbte<br />

Vermögen aufgebraucht, das schicke Haus verkauft und<br />

die Familie muss in das kleine Aufseherhäuschen auf dem<br />

Werksgelände ziehen. Ein gesellschaftlicher Abstieg, dennoch<br />

ist Therese spätestens jetzt dem Stahl verbunden. Als<br />

Friedrich ihr bei seinem Tod 1826 nur Schulden und eine<br />

vage Idee von der Stahlproduktion hinterlässt, gibt sie nicht<br />

etwa auf, sondern bittet die Verwandtschaft um noch mehr<br />

Geld. Ihr 14-jähriger Sohn Alfred bricht die Schule ab und<br />

steigt in das kleine Unternehmen ein, das erst zehn <strong>Jahre</strong> später<br />

– 25 <strong>Jahre</strong> nach seiner Gründung – erstmals Gewinne macht.<br />

Als Alfred drei <strong>Jahre</strong> nach Thereses Tod 1853 die 18 <strong>Jahre</strong> jüngere<br />

Bertha Eichhoff kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick.<br />

„Wo ich glaubte, ein Stück Gussstahl sitzen zu haben, ist ein Herz“,<br />

schreibt er einem Freund. Sofort verloben sich die beiden, nach einem<br />

Monat wird geheiratet – und neun Monate später kommt Sohn Friedrich<br />

Alfred („Fritz“) zur Welt. Das Familienglück scheint perfekt. Doch Bertha<br />

macht das Leben auf dem lauten Werksgelände zu schaffen. 1873 zieht die<br />

Familie in die repräsentative und deutlich ruhigere Villa Hügel. Aber statt von<br />

Dampfhämmern ist Bertha dort von Alfred genervt, der als cholerisch, schrullig und<br />

in erster Linie mit der boomenden Fabrik verheiratet beschrieben wird.<br />

In dieser angespannten Situation kommt Anfang der 1870-er <strong>Jahre</strong> Margarethe von<br />

Ende auf den Hügel, Tochter des Düsseldorfer Regierungspräsidenten. Alfred ist strikt<br />

Die Expansion<br />

Die Steinkohlenzeche „Hannover“ in Bochum<br />

und die Johanneshütte in Duisburg<br />

werden erworben.<br />

1873<br />

Die Villa<br />

1873 wird die Villa Hügel fertig gestellt.<br />

Das neue Domizil der <strong>Krupp</strong>s hat 269<br />

Zimmer.


1875<br />

Bertha <strong>Krupp</strong>,<br />

geb. Eichhoff,<br />

um 1853.<br />

Die Marke<br />

Drei übereinander gelegte nahtlose Eisenbahnradreifen<br />

werden vom Königlichen<br />

Kreisgericht in Essen als Wort/Bildmarke<br />

der Firma <strong>Krupp</strong> eingetragen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Margarethe <strong>Krupp</strong>, um 1910.<br />

gegen eine Beziehung zwischen Margarethe und<br />

Fritz, weil sie eine Adelige ist. Darüber kommt<br />

es zum endgültigen Zerwürfnis mit seiner Frau<br />

Bertha, die den Hügel für immer verlässt. Unbeirrt<br />

heiraten Margarethe und Fritz 1882, Alfred<br />

gratuliert nur schriftlich. Erst kurz vor seinem<br />

Tod 1887 bereut er sein Verhalten.<br />

Margarethe bringt zwei Töchter zur Welt.<br />

Bertha und Barbara genießen eine vergleichsweise<br />

unbeschwerte Kindheit, wenngleich<br />

Bertha schon früh auf ihre Rolle als Firmen-<br />

Erbin vorbereitet wird. Margarethe organisiert<br />

„den Hügel“, steht einer kleinen Heerschar an<br />

Hauspersonal vor, koordiniert das Programm<br />

aus Besuchen, Empfängen und Privatleben<br />

und repräsentiert den wichtigen Bereich der<br />

<strong>Krupp</strong>schen Wohlfahrtspflege. Ihren Mann<br />

sieht Margarethe indes immer seltener – auch,<br />

weil Friedrich Alfred gerne, oft und lange nach<br />

Capri reist. Zunächst in einer dortigen Zeitung,<br />

dann auch im sozialdemokratischen „Vorwärts“<br />

werden Vorwürfe laut, er unterhalte homosexuelle<br />

Beziehungen. Ein Vorwurf, der 1902 einem gesellschaftlichen<br />

Todesurteil gleichkommt. Margarethe ist<br />

geschockt. Schließlich gibt sie Fritz’ Drängen nach und<br />

begibt sich in ein Nervensanatorium.<br />

Nur sechs Tage später stirbt ihr Mann unter bis heute<br />

mysteriösen Umständen – und Margarethe wird Chefin.<br />

<strong>Krupp</strong>-Alleinerbin ist zwar Bertha, die damit reichste Erbin<br />

Europas. Doch bis zu ihrer Volljährigkeit steht ihre Mutter gut<br />

vier <strong>Jahre</strong> lang dem Werk vor. Und das nicht ungeschickt, wie es<br />

heißt: Margarethe lässt die Direktoren gewähren und zieht allenfalls<br />

im Hintergrund die Fäden.<br />

Im Herbst 1906 heiratet Bertha den Diplomaten Gustav von Bohlen<br />

und Halbach. „Liebe auf den ersten Blick“ sei es bei ihrem Kennenlernen<br />

im Frühjahr in Rom gewesen, heißt es. Bertha und Gustav gründen eine<br />

Therese <strong>Krupp</strong>, um 1830. Bertha <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach, um 1956.<br />

Familie, die zumindest in den ersten Jahrzehnten als eine<br />

der glücklichsten <strong>Krupp</strong>-Familien überhaupt beschrieben<br />

wird. Während er das Werk führt, bringt sie acht Kinder<br />

zur Welt. Auch wenn Bertha und Gustav darauf achten,<br />

ihre Kinder mindestens einmal täglich zu sehen, werden<br />

diese überwiegend vom Personal in der Villa Hügel erzogen.<br />

Schließlich sind Berthas Pflichten gegenüber der Zeit<br />

Margarethes eher noch gewachsen: Neben dem Management<br />

des kruppschen Alltags sind praktisch ständig Gäste<br />

zu bewirten. Auch der Kaiser kommt gern nach Essen.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg geht es wirtschaftlich<br />

bergab. Bertha sitzt jeden Nachmittag mit Gustav am<br />

gemeinsamen Schreibtisch und trifft die wichtigsten<br />

Entscheidungen mit. Nach der Machtergreifung der Nazis<br />

sucht auch Hitler die Nähe der <strong>Krupp</strong>s. Bertha wird ihm<br />

gegenüber anfangs als skeptisch bis ablehnend beschrieben.<br />

Bei späteren Besuchen arrangiert sie sich aber. 1943<br />

übernimmt Alfried die Leitung des Werks, und Bertha<br />

zieht mit dem erkrankten Gustav auf Schloss Blühnbach<br />

bei Salzburg, einst Feriendomizil der Familie. Zwei ihrer<br />

Söhne fallen im Krieg, einer gerät in russische Gefangenschaft,<br />

und Alfried wird später als Kriegsverbrecher verurteilt.<br />

Bis zu seinem Tod 1950 pflegt Bertha in Blühnbach<br />

den von Schlaganfällen und zunehmender Demenz gezeichneten<br />

Gustav und kehrt erst nach der Begnadigung<br />

Alfrieds 1952 nach Essen zurück. Dort öffnet sie die Villa<br />

Hügel für die Öffentlichkeit und pflegt das kruppsche<br />

Erbe. Sie gilt als die „letzte große Dame der <strong>Krupp</strong>s“, die<br />

aber wie ehedem auch Jubilare ehrt und betagte Mieter in<br />

den Werkswohnungen besucht.<br />

Dieser enge Kontakt zur Bevölkerung, ihre Hilfsbereitschaft,<br />

aber auch das wechselhafte Schicksal brachten<br />

ihr viel Anerkennung und Sympathie ein. Zu Tausenden<br />

säumen die Essener die Straße, als im September 1957 ihr<br />

Sarg von der Villa Hügel zum Friedhof gefahren wird. Ein<br />

Abschied, auch von der Ära der großen <strong>Krupp</strong>-Frauen.◄<br />

1875<br />

Die Frauen<br />

<strong>Krupp</strong> gründet zwei Industrieschulen.<br />

Hier können Frauen und schulpfl ichtige<br />

Mädchen Handarbeiten für häusliche<br />

oder berufl iche Zwecke lernen.<br />

|17


18|<br />

Der Lehrling<br />

und der Chef<br />

Wie Wolfgang Gronau vor 50 <strong>Jahre</strong>n<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> begegnete<br />

Unter den Hunderttausenden<br />

<strong>Krupp</strong>-Fotos ist dieses nicht<br />

zufällig für die Ausstellung auf<br />

Villa Hügel ausgewählt und an<br />

prominenter Stelle platziert worden: Die<br />

Szene, wie Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach 1961 mit zwei Lehrlingen in der<br />

Radsatz-Werkstatt plaudert, ist atmosphärisch<br />

dicht, vermittelt einen menschlichen<br />

Eindruck des letzten Alleineigentümers –<br />

und zeigt zwei Auszubildende, von denen<br />

einer munter den Ringschlüssel schwingt<br />

und so fast das Bild beherrscht. Wer waren<br />

die Jungs auf dem Bild, deren Namen der<br />

Fotograf nicht notiert<br />

hatte? Und was ist 50<br />

<strong>Jahre</strong> später aus ihnen<br />

geworden? Einer, der<br />

frühere <strong>Krupp</strong>ianer<br />

Wolfgang Gronau,<br />

heute 66 <strong>Jahre</strong> alt und<br />

erst seit einem Jahr<br />

pensioniert, konnte ausfindig gemacht<br />

werden. Noch heute sieht man: Er ist es<br />

wirklich.<br />

An das Foto und seine Vorgeschichte<br />

kann sich der gebürtige Essener noch ganz<br />

genau erinnern: „Wir Lehrlinge hatten<br />

Werkunterricht, als plötzlich ein Fotograf<br />

in den Raum kam und sagte: ,Alle mal<br />

aufstehen’!“ Es ging, wie sich herausstellte,<br />

um einen Fototermin mit Alfried <strong>Krupp</strong><br />

und rausgeholt wurden dann die beiden<br />

Kleinsten – gezielt, wie Gronau schmunzelnd<br />

vermutet. <strong>Krupp</strong> war selbst kein<br />

Riese und sollte nicht an den langen Lulatschen<br />

hochgucken müssen, die es auch in<br />

der Lehrlingsklasse gab.<br />

„Klar war ich ein bisschen aufgeregt.<br />

Wann kam man dem obersten Chef schon<br />

mal so nahe“, erinnert sich Gronau, der<br />

1883<br />

Die Forschung<br />

„Vorstellungen einer falsch<br />

verstandenen Tradition dürfen<br />

uns nicht hindern, zu<br />

neuen Wegen zu finden.“<br />

Mit der Errichtung eines zweiten Chemischen<br />

Laboratoriums durch Friedrich<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> beginnt die wissenschaftlich<br />

orientierte Stahlforschung.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

das Fräser-Handwerk lernte. Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> fragte dann interessiert nach Herkunft<br />

und Arbeitszufriedenheit und verstand<br />

es offensichtlich, das Eis zu brechen.<br />

Als die Fotografen Gronau aufforderten,<br />

mal ein bisschen den Schlüssel zu bewegen,<br />

ließ sich der damals 16-Jährige nicht<br />

zweimal bitten. Und auf einigen Fotos<br />

lacht er herzlich.<br />

Es war die einzige Chance, Dynamik<br />

ins Bild zu bringen, denn Alfried <strong>Krupp</strong><br />

war kein Mann ausladender Mimik und<br />

Gestik. Im „Stern“, in der WAZ, der NRZ,<br />

auf dem Titel der Firmenbiografie von<br />

Lothar Gall – im-<br />

mer wieder wurden<br />

verschiedene Motive<br />

aus dieser Fotostrecke<br />

gedruckt. Wer die Idee<br />

hatte, den legendären<br />

Eigentümer und<br />

obersten Chef mit den<br />

kleinsten Lehrlingen zusammenzubringen,<br />

ist nicht bekannt. Unter dem Gesichtspunkt<br />

geschickter Öffentlichkeitsarbeit –<br />

schon immer eine Stärke bei <strong>Krupp</strong> – war<br />

es jedenfalls ein genialer und sehr nachhaltiger<br />

Einfall. Und was denkt Wolfgang<br />

Gronau, wenn er dem Foto irgendwo<br />

begegnet? „Ich muss immer schmunzeln.“<br />

Natürlich waren Wolfgangs Eltern stolz.<br />

„Meine Mutter hat die Zeitungsausschnitte<br />

gesammelt“, sagt Gronau, der aus einer<br />

echten <strong>Krupp</strong>ianer-Familie stammt. Schon<br />

der heute 90-jährige Vater arbeitete bei<br />

den Baubetrieben der Firma, Wolfgang<br />

Gronau selbst stellte ein Leben lang elektrische<br />

Komponenten für den Lokomotivbau<br />

her. Auf 37 <strong>Jahre</strong> bei <strong>Krupp</strong> folgten<br />

ab 1994 – nach dem Verkauf der Sparte<br />

– weitere bei Siemens.<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, 1. April 1967<br />

Genau 51 <strong>Jahre</strong> und drei Monate ging Gronau also in<br />

die Werkshallen, erst an der Altendorfer und der Helenenstraße<br />

in Essen, später in Krefeld. „Und das immer<br />

gerne“, wie er betont, „am liebsten hätte ich nach dem Erreichen<br />

der Altersgrenze weitergemacht.“ Ununterbrochen<br />

seit seiner Geburt lebt der 66-Jährige nun auch schon in<br />

<strong>Krupp</strong>-Siedlungen, in Borbeck, in Frohnhausen, jetzt in<br />

Holsterhausen. Seit die Firma sich von ihrem Wohnungsbesitz<br />

weitgehend trennte, gibt es allerdings einen neuen<br />

Vermieter.<br />

War man auch in den 1960-er <strong>Jahre</strong>n noch stolz, ein<br />

<strong>Krupp</strong>ianer zu sein? „Doch, das war ich“, sagt Gronau.<br />

„<strong>Krupp</strong> war ein großer Name, und das war uns auch klar.“<br />

An die Lehrzeit hat der Fräser zudem gute Erinnerungen.<br />

„Kaum ein Unternehmen kannte damals Werkunterricht,<br />

und unsere Meister waren exzellente Fachleute.“ Allerdings,<br />

und auch das ist absolut typisch für das heutige<br />

Essen: Mit Wolfgang Gronau endet die familiäre <strong>Krupp</strong>ianer-Geschichte.<br />

Seine zwei Söhne haben beruflich nichts<br />

mit der Firma zu tun.◄<br />

1886<br />

Der Besuch<br />

Der chinesische Vizekönig<br />

Li Hong-Zhang stattet dem<br />

deutschen Unternehmen<br />

einen Besuch ab.


1890<br />

1961: Alfried <strong>Krupp</strong> in den Maschinenfabriken<br />

in Essen. Links: der junge Lehrling Wolfgang Gronau.<br />

2011: Wolfgang Gronau nach einem erfüllten Berufsleben<br />

heute. Er denkt gerne an <strong>Krupp</strong> zurück. Foto: Ulrich v. Born<br />

Die Stipendien<br />

Gründung der <strong>Krupp</strong>-Stipendien-Stiftung.<br />

Die Stipendien werden für begabte Söhne<br />

der Mitarbeiter ausgelobt für eine bessere<br />

technische Ausbildung.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Man war eben<br />

<strong>Krupp</strong>ianer<br />

Werner Hackbarth erinnert sich<br />

1892<br />

Die Übernahme<br />

<strong>Krupp</strong> übernimmt per<br />

Betriebsüberlassungsvertrag<br />

das Grusonwerk in Magdeburg.<br />

|19<br />

Werner Hackbarth (kl. Bild im Text) hat einen merkwürdigen<br />

Briefbeschwerer: Silbrig schimmernd, schwer wie<br />

eine kleine Hantel und geformt wie ein T, das am Ende<br />

der Senkrechten wieder etwas breiter wird. „Das war<br />

mal eine ganz hervorragende Produktlinie in unserem Werk Rheinhausen“,<br />

sagt der Essener. Briefbeschwerer von <strong>Krupp</strong>? „Nein“. Hackbarth<br />

schmunzelt, dreht das T um und stellt es senkrecht – dann erkennt auch<br />

der Laie das flache Profil einer Eisenbahnschiene, das Hackbarths Post<br />

beschwert. Stahl und Papier – das waren die wesentlichen Elemente im<br />

Berufsleben des heute 80-Jährigen. Von 1958 bis Ende 1987 war der<br />

gebürtige Berliner bei <strong>Krupp</strong> für<br />

Pressearbeit zuständig – zunächst<br />

für Hauszeitschriften wie die „<strong>Krupp</strong><br />

Mitteilungen“, später dann als Sprecher<br />

der Stahlsparte, dem Herz des<br />

<strong>Krupp</strong>-Konzerns.<br />

Wenn Hackbarth davon erzählt,<br />

klingt es nach guter, alter Zeit. Das<br />

ficht den Senior nicht an – schließlich<br />

war es eine gute Zeit bei <strong>Krupp</strong>,<br />

mit allen Höhen und Tiefen. Und<br />

dann holt er das Foto von 1959 hervor,<br />

das die bei <strong>Krupp</strong> geschmiedete<br />

Stahlkugel zeigt, in der der Schweizer<br />

Tiefseeforscher Piccard damals fast 11.000 Meter in den Marianengraben<br />

des Pazifik hinabgetaucht ist – was für ein Symbol des Aufbruchs für<br />

<strong>Krupp</strong> nach Krieg und Zerstörung. „Das war ein Pfund, mit dem <strong>Krupp</strong><br />

für alle im Ruhrgebiet wuchern konnte“, beschreibt es Hackbarth.<br />

Auch später noch durfte Hackbarth über viele <strong>Krupp</strong>-Erfolgsmeldungen<br />

berichten. Zum Beispiel wenn es mit Alfried <strong>Krupp</strong> und Berthold<br />

Beitz zur jährlichen Hannovermesse ging. Aber es gab auch die andere<br />

Seite: Als Hackbarth 1969 im Montanbereich die Leitung der neu<br />

gegründeten Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übernahm, hatte<br />

er wenig später gleich mit einem Grubenunglück und der Stilllegung des<br />

berühmten Bochumer Glockengusses zu tun. Gegenüber seinen Vorgesetzten<br />

setzt er sich nach diesen und ähnlichen Erfahrungen für Transparenz<br />

gegenüber der Öffentlichkeit ein. „Da musste man wirklich Überzeugungsarbeit<br />

leisten, dass man mal die Türen aufmacht und etwa nach<br />

einem Betriebsunfall sofort alles berichtet“, sagt Hackbarth. Zumindest<br />

bei den Journalisten sei diese Offenheit gut angekommen.<br />

Unter den Mitarbeitern habe es damals eine besondere Verbundenheit<br />

gegeben, erinnert sich Hackbarth. Er hatte zwar sein Büro in Bochum,<br />

war aber immer wieder in den verschiedenen Werken an Rhein und<br />

Ruhr unterwegs. „Da war ein gutes Gefühl der Zusammengehörigkeit“,<br />

erinnert er sich, „und eine Vertrauensbasis: Die da oben, die machen das<br />

schon.“ Man war eben <strong>Krupp</strong>ianer. Thomas Rünker◄


20| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Tagung der <strong>Krupp</strong>-Auslandsvertreter in der Villa Hügel,<br />

1961.<br />

<strong>Krupp</strong>-Stand auf der internationalen Kunst- und Gewerbeausstellung<br />

in Dublin, 1865.<br />

Foto: London Stereoscopic & Photographic Company<br />

Fahrversuch mit Feldgeschützen auf dem Schießplatz in<br />

Meppen, um 1910.<br />

28,8-Tonnen-Dampfturbinenläufer, 1961 (Bochumer Verein<br />

für Gussstahlfabrikation).<br />

1893<br />

Die Erfi ndung<br />

Rudolf Diesel, MAN und <strong>Krupp</strong> beschließen<br />

in einem Konsortialvertrag, Diesels<br />

Erfi ndung auszuwerten, um einen Dieselmotor<br />

zu entwickeln.<br />

Ein Mythos<br />

in Bildern<br />

Bemerkenswerte Fotoausstellung<br />

in der Villa Hügel<br />

1896<br />

Die Hütte<br />

Der Mythos <strong>Krupp</strong> lebt bis heute fort, auch<br />

wegen der Fotografien, die das Unternehmen<br />

früh zur Dokumentation, zu Forschungs-<br />

und Werbe-Zwecken eingesetzt<br />

hat. Alfred <strong>Krupp</strong> war eben ein Visionär,<br />

der nicht nur an den Erfolg von Essener Gussstahl glaubte.<br />

Er hat auch die Macht der Bilder früh erkannt. Kein<br />

Unternehmen hat sich so früh und intensiv dem damals<br />

neuen Medium Fotografie zugewandt.<br />

Eine der ältesten der gesammelten Aufnahmen, die die<br />

Ausstellung „<strong>Krupp</strong>. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“<br />

derzeit in der Villa Hügel präsentiert, stammt aus dem<br />

<strong>Jahre</strong> 1849. Es ist eine Daguerreotypie von Alfred <strong>Krupp</strong>,<br />

fast so alt wie die Fotografie selber.<br />

Es ist ein wahrer Bilderschatz, den die Villa Hügel zum<br />

<strong>200</strong>. Firmenjubiläum erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.<br />

Ausgestellt werden 400 Fotografien, ausgewählt aus<br />

sage und schreibe zwei Millionen Aufnahmen, die das<br />

Historische Archiv <strong>Krupp</strong>, 1905 als erstes Wirtschaftsarchiv<br />

in Deutschland gegründet, zusammengetragen hat.<br />

Die Sammlung ist weit mehr als das visuelle Firmengedächtnis.<br />

Sie illustriert Zeit- und Wirtschaftsgeschichte,<br />

sie dokumentiert aber auch Familien- und Fotografiehistorie.<br />

Sie ist das Vermächtnis eines Mannes, der schon<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts erkennt, dass die Marke<br />

<strong>Krupp</strong> ein Gesicht braucht.<br />

Als Alfred <strong>Krupp</strong> 1861 seine „Photographische Anstalt“<br />

in Essen gründet, steckt die Fotografie noch in den<br />

Kinderschuhen. Das Material ist teuer, die Belichtungszeiten<br />

lang, den Porträts sieht man die Anstrengung des<br />

minutenlangen Stillhaltens an. Aber <strong>Krupp</strong> investiert<br />

nicht nur in die Entwicklung des nahtlosen Schmiedens,<br />

er will auch die Fotografie nach vorne bringen. Hugo van<br />

Werden wird der erste Werksfotograf in der Industriegeschichte.<br />

Seine Dienstreisen führen ihn von Essen aus in<br />

die Welt, um die Expansion des Unternehmens festzuhalten.<br />

Sein Meisterstück aber wird eine gigantische, fast<br />

acht Meter große Gesamtansicht der Essener Gussstahlfabrik,<br />

die sich aus mehreren Segmenten zusammensetzt.<br />

Für die neue Friedrich-Alfred-Hütte in<br />

Rheinhausen werden zunächst drei Hochöfen,<br />

ein Hafen, ein Wasserwerk und<br />

Werksbahnanlagen geplant.


Für das von Alfred <strong>Krupp</strong> beauftragte<br />

Prunkstück werden einige hundert Arbeiter<br />

sogar am Sonntag als Statisten aufs<br />

Werksgelände beordert, „weil die Werktage<br />

zu viel Rauch, Dampf und Unruhe<br />

mit sich führen“, wie der Firmenpatron<br />

ebenso perfektionistisch wie weitsichtig zu<br />

bedenken gibt.<br />

Die Aufnahmen von <strong>Krupp</strong> gehen bald<br />

um die Welt wie die Waren, machen auf<br />

Weltausstellungen und Messen Werbung<br />

für die Produkte von der Ruhr. Es sind<br />

Bilder, die die Hitze des geschmolzenen<br />

Stahls, den Lärm der Dampfhämmer, die<br />

Qualität der Produkte, den Schweiß und<br />

die Anstrengung, aber auch den Stolz<br />

des arbeitenden „<strong>Krupp</strong>ianers“ für den<br />

Betrachter spürbar machen sollen.<br />

Denn zwischen den machtvoll inszenierten<br />

Stahlbrammen und Dampfturbinen,<br />

Geschützen und Schaufelradbaggern,<br />

Lokomotiven und Lastkraftwagen gerät<br />

der Mensch nicht aus dem Fokus von<br />

1896<br />

Die Werft<br />

<strong>Krupp</strong> übernimmt<br />

am 19. August die<br />

Germaniawerft<br />

in Kiel.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Firmenphilosophie und Fotografie. Die<br />

von Margarethe <strong>Krupp</strong> gestiftete Gartenstadt<br />

Margarethenhöhe wird zum Musterbeispiel<br />

des frühen sozialen Wohnens,<br />

ein bis heute gern gewähltes Fotomotiv.<br />

Und mancher inzwischen längst verrentete<br />

<strong>Krupp</strong>ianer hat sich in der Ausstellung mit<br />

vergnügtem Erstaunen als junger Lehrling<br />

neben Firmenpatriarchen wie Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach wiedergefunden.<br />

Die privaten Aufnahmen der Familie<br />

<strong>Krupp</strong> sind der zweite, spannende Teil dieser<br />

in 15 Räumen nach Themenschwerpunkten<br />

gehängten Jubiläumsschau. Mit<br />

8000 Aufnahmen haben die Familienbilder<br />

zwar nur einen kleinen Anteil am<br />

gesamten Unternehmensarchiv, aber sie<br />

geben überraschende und eindrucksvolle<br />

Einblicke in das Leben in der Villa Hügel,<br />

diesem illustren Wohn- und Repräsentationsort,<br />

wo der deutsche Kaiser Wilhelm<br />

II. und der thailändische König Bhumibol<br />

1896<br />

Der Kaiser<br />

Kaiser Wilhelm II.<br />

besucht am 27.<br />

Oktober <strong>Krupp</strong>.<br />

im Laufe der <strong>Jahre</strong> ebenso zu Gast sind<br />

wie Adolf Hitler oder Golo Mann.<br />

Nicht nur die Werksfotografen haben<br />

sich für die bewegte Geschichte der Firma<br />

<strong>Krupp</strong> interessiert. Die Ausstellung zeigt<br />

auch Aufnahmen von Fotostars wie Timm<br />

Rautert oder Erich Lessing, der das <strong>Krupp</strong>-<br />

Direktorium mit dem jungen Berthold<br />

Beitz 1955 in der filmreifen Kulisse des<br />

großen Hügel-Saals inszenierte.<br />

Nicht alles blieb der Nachwelt erhalten.<br />

Einige der seit 1905 im Unternehmens-Archiv<br />

gehüteten Bilder gingen bei<br />

den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg<br />

verloren. Manches harrt bis heute der Restaurierung,<br />

Digitalisierung, Aufarbeitung.<br />

Allein der letzte persönliche Firmen-Inhaber<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach<br />

hat mit seiner Leica mehr als 30.000<br />

Dias gemacht. Dem Mythos <strong>Krupp</strong> werden<br />

die Bilder so schnell nicht ausgehen.◄<br />

|21<br />

Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und<br />

Halbach<br />

(links), Berthold<br />

Beitz<br />

(3. von links)<br />

sowie das<br />

<strong>Krupp</strong>-Direktorium<br />

in der<br />

Eingangshalle<br />

der Villa<br />

Hügel im<br />

Jahr 1955.<br />

Foto: Erich<br />

Lessing


22|<br />

1899<br />

Die Bücher<br />

Die <strong>Krupp</strong>sche Bücherhalle wird eröffnet,<br />

und der <strong>Krupp</strong>sche Bildungsverein<br />

entsteht.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

<strong>Krupp</strong> im Dritten Reich<br />

Von Prof. Werner Abelshauser<br />

Die Eheleute <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach – Bertha mehr noch als<br />

Gustav – begegneten der Hitler-Bewegung mit einer Mischung aus Verachtung,<br />

Skepsis und resignativer Fügung in das kleinere Übel. Folglich<br />

spendete das Ehepaar <strong>Krupp</strong> vor der „Machtergreifung“ weder aus der Firmenkasse<br />

noch aus ihrer Privatschatulle der NSDAP auch nur eine Mark. Scharen<br />

von Anklagevertretern haben im Vorfeld der Nürnberger Prozesse in 80 Tonnen<br />

<strong>Krupp</strong>-Akten vergeblich nach Hinweisen gesucht. <strong>Krupp</strong> lehnte es vor 1933 auch<br />

entschieden ab, Hitler persönlich kennenzulernen und ließ den Reichsverband<br />

der deutschen Industrie, dessen Präsident er war, beim Reichspräsidenten gegen<br />

eine Berufung Hitlers ins Kabinett intervenieren.<br />

Umso dramatischer vollzog sich dann nach 1933 der Anpassungsprozess an<br />

die Fakten, die das Regime schuf – obwohl <strong>Krupp</strong> in nahezu allen wirtschaftspolitischen<br />

Fragen nicht mit ihm übereinstimmte. Auf einem Treffen führender<br />

Industrieller mit Hitler versuchte er, den neuen Reichskanzler<br />

dazu zu bewegen, die Staatsausgaben auf den<br />

Stand vor 1900 (!) zurückzufahren. Eine groteske<br />

Fehleinschätzung der Regierungspolitik, die ja gerade<br />

dabei war, sich in Milliardenhöhe neu zu verschulden,<br />

um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. <strong>Krupp</strong><br />

war auch nicht ohne Weiteres bereit, dem Reich erneut<br />

als „Rüstungsschmiede“ zu dienen. Gewiss wäre er für<br />

Marineaufträge an seine seit 1925 praktisch bankrotte<br />

Germaniawerft in Kiel dankbar gewesen. Diese kamen<br />

jedoch – wie alle anderen auch – erst 1935. Bis dahin<br />

fl ossen die Milliardenprogramme zur Arbeitsbeschaffung<br />

im Wesentlichen in zivile Kanäle, von denen die<br />

<strong>Krupp</strong>werke vor allem profi tierten. Der direkte Rüstungsanteil<br />

am Umsatz betrug nämlich 1935/36 nur 10<br />

Prozent. Weitere 10 Prozent indirekter Rüstungsgüter,<br />

wie z.B. Motoren, kamen hinzu. Bis zum Ausbruch des<br />

Krieges gelang es <strong>Krupp</strong>, den zivilen Umsatz noch zu steigern, um nicht am Ende<br />

der Aufrüstung erneut – wie schon nach 1871 und 1918 – in der Sackgasse zu<br />

landen. Selbst im Krieg, als die Entscheidungen des Konzerns weitgehend von der<br />

Wehrmacht und dem Speerschen Rüstungsapparat bestimmt wurden, versuchte<br />

die Konzernleitung immer, die Nachkriegszeit nicht aus dem Blick zu verlieren.<br />

Diese „konservative“ Grundhaltung trug dazu bei, dass 1944 die Bremer Großwerft<br />

Deschimag und das Breslauer Berthawerk vom Speerschen Apparat übernommen<br />

und ihre Leiter ins KZ eingeliefert wurden. Seit 1943 war Alfried <strong>Krupp</strong><br />

in Essen sowieso ein „König ohne Land“, weil die meisten Betriebe ausgelagert<br />

waren und sich seiner Regie immer mehr entzogen.<br />

Dies gilt auch für den Einsatz von Fremdarbeitern und KZ-Häftlingen. Um<br />

sein Auftragssoll zu erfüllen, brauchte <strong>Krupp</strong> vor allem Facharbeiter, keine<br />

Zwangsarbeiter. Kein Wunder, dass sich der Montankonzern 1944 mit Händen<br />

und Füßen gegen den Einsatz von <strong>200</strong>0 weiblichen (!) KZ-Häftlingen wehrte.<br />

Vergeblich. Verantworten musste ihn Alfried <strong>Krupp</strong> vor seinen Nürnberger Richtern.<br />

Nach außen hin war <strong>Krupp</strong> eine Ikone des NS-Regimes und zog den Hass<br />

seiner Gegner auf sich. Dagegen war das Innenverhältnis bestimmt von Opportunismus,<br />

Anpassung und am Ende Ohnmacht. ◄<br />

1902<br />

Das U-Boot<br />

Bau des ersten deutschen<br />

Versuchs-U-Bootes „Forelle“<br />

auf der <strong>Krupp</strong>schen<br />

Germaniawerft.<br />

Verwurzelt<br />

in der<br />

Region<br />

Wie Zeitungsleser <strong>Krupp</strong><br />

in Erinnerung haben<br />

Am Hochofen<br />

„Fast meine gesamte Familie war Zeit ihres Lebens<br />

mit <strong>Krupp</strong> verbandelt. Mein Großvater arbeitete als<br />

Kranführer, mein Schwiegervater bis zu seiner Pensionierung<br />

am Hochofen, mein eigener Vater als Industriekaufmann.<br />

Das neue LD-Werk in Rheinhausen wurde<br />

auch mit seiner rechnerischen Hilfe gebaut. Selbst als<br />

mein Vater schon sehr krank war (er ist 1979 im Alter<br />

von 50 <strong>Jahre</strong>n gestorben), kamen die Kollegen zu uns<br />

nach Hause und er wurde um Rat beim Bau des LD-<br />

Werks gefragt.“ Susanne Ludwig, Duisburg<br />

<strong>Krupp</strong> – ein<br />

Name, der unvergessen<br />

ist.<br />

Das Bild zeigt<br />

Arbeiter am<br />

Chargierwagen,<br />

1899.<br />

Idylle<br />

„Kinderaugen strahlen, wenn das Weihnachtspaket<br />

eintrifft. Ruhige, verträumte Sträßchen mit<br />

viel Idylle und einem kleinen Marktplatz. Unglaube,<br />

wenn der Vater erzählt, dass er <strong>Krupp</strong> beim<br />

Waldlauf sah. Pförtnerhäuschen vor einem gewaltigen<br />

Park mit Schranke und Mann in Uniform.<br />

Praktische Küche mit Einbaumöbeln und ich darf<br />

das Essen in die Durchreiche zum Wohnzimmer<br />

stellen. Das ist <strong>Krupp</strong> für mich.“ Petra Bury, Essen


Beispielhaft<br />

„<strong>Krupp</strong> gehört zum Ruhrgebiet, wie<br />

der Fluss, der dieser Region den Namen<br />

gab: „Die Ruhr“.<br />

Wir älteren Ruhrgebietler haben die<br />

<strong>Krupp</strong>-Geschichte nach 1945 mit all<br />

ihren positiven und negativen Ereignissen<br />

live miterlebt, und das prägt und<br />

verbindet.<br />

<strong>Krupp</strong> gab und gibt vielen Menschen<br />

nicht nur Arbeit, sondern auch der Name<br />

steht für beispielhafte Sozialleistungen,<br />

nach einem <strong>Krupp</strong>schen Leitspruch:<br />

„Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl<br />

sein.“ Dem Unternehmen wünsche<br />

ich zum Jubiläum weiterhin alles Gute.“<br />

Lothar Blum, Duisburg<br />

Die Eisenbahnlinie<br />

„Mich verbindet mit dem Namen <strong>Krupp</strong> der<br />

Bau der 1. Eisenbahnlinie in Kamerun/Afrika,<br />

ehemalige deutsche Kolonie. Mein Schwiegervater<br />

hatte Eisenbahnbau studiert und baute mit<br />

anderen Ingenieuren die ersten Eisenbahnlinien<br />

in Kamerun auf. Im Bahnhof Duala haben wir die<br />

Eisenbahnschienen besichtigt, die die Markierung<br />

„KRUPP 1911“ trugen.“ Jutta Eitel, Essen<br />

1903<br />

Die Aktiengesellschaft<br />

Am 30. Juni wird die Firma Fried. <strong>Krupp</strong><br />

in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.<br />

Bertha <strong>Krupp</strong> ist Eigentümerin.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

In fremden Sprachen<br />

„1980 arbeitete ich als Fremdsprachenkorrespondentin für Spanisch<br />

und Englisch in Essen bei einer Firma, deren Hauptaktionäre die Brüder<br />

Berthold und Harald von Bohlen und Halbach waren, die jüngeren Brüder<br />

von Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach. Ich war erst kurz vorher<br />

nach einem mehrjährigen Aufenthalt aus Spanien zurückgekommen und<br />

beherrschte die Sprache. Im Juni erwartete die Firma <strong>Krupp</strong> den Besuch des<br />

damaligen Staatspräsidenten von Argentinien, Arturo Frondizi, mit einer<br />

Delegation. Da damals auch bei <strong>Krupp</strong> erst wenige Angestellte Spanisch<br />

sprachen, wurden bei uns „Leute“ ausgeliehen, damit alle Herren von<br />

<strong>Krupp</strong> sich mit den Gästen verständigen<br />

konnten, zu denen auch die Damen<br />

gehörten.<br />

Ich wurde Herrn Berthold Beitz zugeteilt,<br />

der für die Betreuung der Damen<br />

zuständig war, und hielt mich immer<br />

in seiner Nähe auf. Beim Mittagsmahl,<br />

das in der oberen Halle der Villa Hügel<br />

eingenommen wurde, saß ich hinter<br />

Frau Frondizi und dolmetschte ihre<br />

Gespräche mit Alfried <strong>Krupp</strong> zur einen<br />

und Berthold Beitz zur anderen Seite.<br />

Es war eine denkwürdige Aufgabe.“<br />

Elisabeth Wansing, Münster<br />

Der Maler<br />

„Mein Vater Friedrich<br />

Wilhelm Ernst Stranz war<br />

noch sehr jung, als er nach<br />

Essen zog und sich dort als<br />

Maler bei der Villa Hügel<br />

vorstellte. Eine junge Frau<br />

stellte ihn als Deckenmaler<br />

ein. Ich war noch ein Kind.<br />

Das Thema bei meinem Vater<br />

war immer nur die Villa<br />

Hügel. Das Deckenmalen<br />

dort war schwer, mehrere<br />

Monate hat mein Vater das gemacht, bevor er aufgeben musste. Ich<br />

bin heute 88 <strong>Jahre</strong> alt und sende Ihnen ein Bild von meinem Vater als<br />

Soldat mit zwei Schwestern von mir.“ Lore Rehwald, Sprockhövel<br />

Vom Kaiser gegrüßt<br />

„Meine Erinnerung aus Erzählungen an <strong>Krupp</strong> verbindet<br />

mich mit Folgendem: Ich bin 1932 geboren und in dem Jahr<br />

starb mein Großvater, ein <strong>Krupp</strong>ianer. Wenn die Familie früher<br />

zusammen war, war <strong>Krupp</strong> immer dabei. Folgendes wurde immer<br />

wieder erzählt: Kaiser Wilhelm besuchte <strong>Krupp</strong> und mein<br />

Großvater hatte Wache. Und wie es so kam, er wurde vom<br />

Kaiser begrüßt. Es war sein größtes Erlebnis. Da ich die erste<br />

Enkelin war, bekam ich als Zweitnamen den Namen Berta.“<br />

Johanna Berta Bernsdorf, Bottrop<br />

1905<br />

Die Geschichte<br />

Im Juni wird die „Geschichtliche Abteilung“<br />

als erstes Unternehmensarchiv<br />

Deutschlands gegründet.<br />

|23<br />

Made in Germany<br />

„Mit dem Namen <strong>Krupp</strong> verbinde ich in erster Linie<br />

die Herstellung und Verarbeitung von Stahl und<br />

die gute Qualität „Made in Germany“. Bewundert<br />

habe ich auch immer die soziale Einstellung gegenüber<br />

den Mitarbeitern und der Region. Das ist heute<br />

nur noch selten zu fi nden.“ Bernd Hofacker, Wenden<br />

Stolz<br />

„<strong>Krupp</strong> ist für mich das<br />

alles überragende Symbol<br />

für das einst so stolze<br />

Industriegebiet.“<br />

Michael Ruthe, Witten<br />

Selbstbinder<br />

„Mit <strong>Krupp</strong> verbinde ich den „Selbstbinder“<br />

(Erntemaschine) auf unserem elterlichen Hof. Es war<br />

eine robuste Maschine.“ Fritz Böckenhoff, Arnsberg


24| <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

1906<br />

Die Hochzeit<br />

Bertha <strong>Krupp</strong> heiratet<br />

den Diplomaten Gustav<br />

von Bohlen und Halbach.<br />

Auch der Kaiser<br />

war zu Gast<br />

Villa Hügel: Früher das herrschaftliche Wohnhaus,<br />

heute kulturelles Zentrum / Von Ingrid Janssen<br />

Beliebtes Postkartenmotiv um 1910, die Villa Hügel.<br />

Die Villa Hügel im Bau 1870.<br />

Ein Stab von 648 Bediensteten sorgte sich 1914 in der Villa Hügel<br />

um die Hofhaltung der <strong>Krupp</strong>s: Kammerdiener und Köche,<br />

Wäscherinnen und Friseure, Kinderfräulein, Stallknechte, Verwalter<br />

und und und. Zu dieser Zeit gehörte das Unternehmen<br />

zweifellos zu den reichsten in Europa. Einflussreiche Persönlichkeiten,<br />

Staatsmänner und gekrönte Häupter gingen in dem luxuriösen<br />

Wohnsitz im Essener Süden ein und aus. Kaiser Wilhelm II. war wiederholt<br />

Gast in der palastähnlichen Villa hoch über der Ruhr, wo sich 269 Zimmer<br />

auf 8100 Quadratmeter Wohnfläche verteilten. Längst war die Villa<br />

Hügel da zu einem wichtigen Schauplatz des gesellschaftlichen Lebens in<br />

Deutschland geworden. Als Firmenpatriarch Alfred <strong>Krupp</strong> 1869 erste Baupläne<br />

vorlegte, war vom späteren Glanz des Hauses noch wenig zu ahnen.<br />

Der Bauherr legte auf Kunst und Prunk wenig Wert. Trotz der gigantischen<br />

Ausmaße des Hauses war Zweckdienlichkeit stets seine Devise. Ihn interessierten<br />

vornehmlich technische Aspekte, weshalb neue Erfindungen von<br />

Anfang an Einzug hielten. Der Haushalt verfügte nicht nur über die erste<br />

moderne Warmluftheizung der Welt, sondern auch über elektrisches Licht,<br />

Speiseaufzüge, eine Telegrafen- und Telefonanlage sowie über ein eigenes<br />

Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk.<br />

Als Alfred <strong>Krupp</strong> 1887 starb, veränderte die Villa Hügel unter dem<br />

Lebensstil der folgenden drei Generationen ihr Gesicht: Kostbare Teppiche<br />

und Polstermöbel dekorierten fortan die Salons, Holztäfelungen und<br />

Malereien zierten Decken und Wände. Zur Unterhaltung der Familie und<br />

ihrer illustren Gäste wurden Tennisplätze, Reitanlagen, Lese- und Spielzimmer<br />

eingerichtet. Selbst ein Gesellschaftshaus mit Kegelbahn fehlte nicht.<br />

Seinen endgültigen großbürgerlichen Schliff bekam das Haus unter Bertha<br />

<strong>Krupp</strong>, der Enkelin des Bauherren, die 1902 mit nur 16 <strong>Jahre</strong>n Alleinerbin<br />

des Weltunternehmens wurde. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Gustav<br />

<strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach erweiterte sie die ohnehin schon prächtige<br />

Ausstattung mit Leidenschaft und Kunstsinn. Im April 1945 wurde das<br />

Anwesen dann von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt.<br />

1952 erhielt es die Familie zurück.<br />

Der Hügelpark – Lustgarten und<br />

Nutzbetrieb<br />

Wie die Villa selbst, so wandelte sich auch das weitläufige Parkgelände<br />

unter den jeweiligen Hausherren. Alfred <strong>Krupp</strong> hatte bei der Planung des<br />

Hügelparks genaue Wünsche gehegt. Er wollte einen „Wald von Bäumen“,<br />

1906<br />

Die Margarethenhöhe<br />

Aus Anlass der Heirat ihrer Tochter stiftet<br />

Margarethe <strong>Krupp</strong> Land und fi nanzielle<br />

Mittel zum Bau der Siedlung Margarethenhöhe.


den er „noch bei Lebzeiten genießen“<br />

konnte. Zur raschen Aufforstung wurden<br />

ausgewachsene Bäume neu eingepflanzt.<br />

Umliegende Städte stellten zahlreiche<br />

etwa 50-jährige Bäume – inklusive einer<br />

kompletten Ulmenallee. Der Grund dafür,<br />

dass der Baumbestand erheblich älter ist<br />

als der Wohnsitz selbst. Die folgenden<br />

Generationen ließen den Park opulent<br />

ausbauen. Gewächs- und Schauhäuser<br />

entstanden, Skulpturen und seltene exotische<br />

Gewächse sorgten für überraschende<br />

Anblicke. Neben seinem Zweck als Lustgarten<br />

sollte der Park dem <strong>Krupp</strong>haushalt<br />

als Landwirtschaftsbetrieb auch nützlich<br />

sein. Es gab Tausende von Obstbäumen<br />

und Beerensträuchern, große Stallungen<br />

und eine Gärtnerei mit Pflanzenzucht. Die<br />

alltäglichen Gepflogenheiten von damals<br />

lassen sich heute nur noch erahnen, der<br />

ursprüngliche Zustand des Parks ist nicht<br />

mehr erhalten. In den 1950-er und 1960er<br />

<strong>Jahre</strong>n, als die Villa Hügel schon nicht<br />

mehr als Wohnsitz diente, wurde er zum<br />

englischen Garten umgestaltet.<br />

Von der Residenz der Schwerindustrie<br />

zum Haus der Kultur<br />

Ab dem Frühjahr 1953 stellte die<br />

Familie <strong>Krupp</strong> den Wohnsitz für kultu-<br />

1912<br />

Das Patent<br />

Die nichtrostenden säure- und hitzebeständigen<br />

Chrom-Nickel-Stähle aus den<br />

<strong>Krupp</strong>-Laboratorien werden patentiert<br />

(„Nirosta“).<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

relle Zwecke zur Verfügung. Gemäß dem<br />

Willen der Erben sollte die Villa zu einem<br />

„kulturellen Mittelpunkt und Ausstellungsort<br />

für die Stadt Essen, ihre Umgebung<br />

sowie für das ganze Ruhrgebiet“<br />

werden. Bis heute zogen insgesamt 51<br />

hochkarätige Präsentationen historischer<br />

Kunstschätze mehr als sechs Millionen<br />

Besucher an. Die Bandbreite der Exponate<br />

und Ausstellungsthemen reicht dabei von<br />

Kultgegenständen aus Indien, Nepal oder<br />

Tibet über Schätze des Barock bis hin zu<br />

flämischen Stillleben und Landschaften.<br />

Schon die erste Schau „Kunstwerke aus<br />

Kirchen, Museums- und Privatbesitz – Der<br />

Essener Münsterschatz“, die im Mai 1953<br />

eröffnete, sahen über 410.000 Kunstinteressierte.<br />

Ein Rekord, der zeigt, wie groß<br />

im Deutschland der Nachkriegszeit das<br />

Bedürfnis nach Kultur und die Neugier<br />

auf das Privathaus der Familie <strong>Krupp</strong><br />

war. Noch ein anderes gesellschaftliches<br />

Großgeschehen machte 1953 Schlagzeilen.<br />

Der französische Star-Couturier Christian<br />

Dior, der im Paris dieser Zeit als Schöpfer<br />

des „neuen Stils“ gefeiert wurde, zeigte<br />

eine Modenschau in den Festsälen „auf<br />

Hügel“. Unter schweren Lüstern wurde<br />

ein Laufsteg aufgebaut für das Defilee<br />

schmal taillierter Abendkleider, weit<br />

Zur Villa Hügel<br />

gehört ein<br />

herrschaftlicher<br />

Park.<br />

schwingender Röcke und Wagenradhüte.<br />

Die deutsche Zeitschrift „Die elegante<br />

Welt“ sprach im Zuge dieses Ereignisses<br />

von einer „Bombe“. Auch in Perioden, in<br />

denen keine Sonderausstellungen gezeigt<br />

werden, ist die Villa Hügel ein starker<br />

Anziehungspunkt. Das Hauptgebäude<br />

mit den Wohnräumen verblüfft angesichts<br />

seines erlesenen Luxus bis heute als<br />

herausragendes Beispiel der Wohnkultur<br />

des Historismus, während das Nebengebäude<br />

als Sitz der Historischen Ausstellung<br />

<strong>Krupp</strong> Einblick in die Familien- und<br />

Firmengeschichte gibt. Hier befindet sich<br />

auch das Historische Archiv <strong>Krupp</strong>, das<br />

älteste deutsche Wirtschaftsarchiv. Villa<br />

und Park stehen heute im Eigentum der<br />

gemeinnützigen Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen<br />

und Halbach-Stiftung.◄<br />

Villa Hügel, Haraldstraße, 45133<br />

Essen, Tel.: 0201/61 62 90, Eintritt<br />

3 Euro, Kinder unter 14 <strong>Jahre</strong>n frei,<br />

Öffnungszeiten: Hügelpark täglich –<br />

auch an Feiertagen – von 8 bis 20 Uhr,<br />

historische Wohnräume und Historische<br />

Ausstellung <strong>Krupp</strong> täglich außer montags<br />

von 10 bis 18 Uhr, www.villahuegel.de<br />

1912<br />

Das Fest<br />

|25<br />

Im August wird das 100-jährige<br />

Bestehen der Firma <strong>Krupp</strong> unter<br />

Anwesenheit von Kaiser<br />

Wilhelm II. gefeiert.


26|<br />

1914<br />

Das Geschütz<br />

Die „Dicke Berta“<br />

kommt im Ersten<br />

Weltkrieg zum Einsatz.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

<strong>Krupp</strong> und die<br />

Großen der Welt<br />

Das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet sah die ganze Erde<br />

schon früh als Markt von morgen / Von Björn Lohmann<br />

Bertha <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach begrüßt Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />

(rechts) in der Villa Hügel am 13. November 1953. Mit dabei Berthold<br />

von Bohlen und Halbach (Mitte).<br />

Ob Monarchen oder Politiker – die deutschen Staatsoberhäupter<br />

pflegen seit Jahrzehnten enge Kontakte zur Villa<br />

Hügel. Als international agierender Stahlproduzent war<br />

<strong>Krupp</strong> von wirtschaftlicher Bedeutung, zumal die Firma in<br />

frühen <strong>Jahre</strong>n auch einen wichtigen Teil der Rüstungsindustrie bildete.<br />

Während Kaiser Wilhelm II. ein wohlgesonnener Gast war, blieb Konrad<br />

Adenauer zunächst ein kritischer Besucher: Die durch Berthold Beitz<br />

intensivierten Kontakte nach Polen und in die Sowjetunion irritierten<br />

den Kanzler in Zeiten des Eisernen Vorhangs. Doch für Beitz galt und<br />

gilt: „Die ganze Erde ist der Markt von morgen.“ Entsprechend pflegte<br />

das Unternehmen <strong>Krupp</strong> schon immer ein mächtiges internationales<br />

Netzwerk.<br />

Doch nicht nur Mächtige waren in der Villa Hügel zu Besuch. Die<br />

Familie <strong>Krupp</strong> pflegte so zahlreiche und verschiedenartige Netzwerke<br />

wie kaum eine andere Unternehmerdynastie: Geschäftspartner, Forscher<br />

und Künstler aus dem In- und Ausland kamen nach Essen, darunter der<br />

Physiker Max Planck, der Architekt Ludwig Mies van der Rohe und der<br />

Pop-Art-Künstler Andy Warhol. Mal handelte es sich um gesellschaft-<br />

1919<br />

Die Lokomotive<br />

<strong>Krupp</strong> entwickelt seine ersten Lastkraftwagen.<br />

Zugleich wird am 6. Dezember<br />

die erste in Essen gebaute Lokomotive<br />

ausgeliefert.<br />

liche Verpflichtungen, mal waren die Beziehungen unternehmerischer,<br />

dann wieder familiärer Natur. Und manche Freundschaft stammte aus<br />

dem Sport, seit Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach 1936 bei der<br />

Olympiade im Segeln Bronze gewonnen hatte.<br />

Das erste überlieferte Erinnerungsfoto einer prominenten Zusammenkunft<br />

war übrigens ein Zufallsprodukt: Es zeigt Alfred <strong>Krupp</strong> und den<br />

preußischen König Wilhelm I., der am 9. Oktober 1861 die Gussstahlfabrik<br />

besichtigt. Gesichter sind kaum zu erkennen, so dass Historiker<br />

vermuten, <strong>Krupp</strong>s Fotograf Hugo van Werden habe auf eigene Faust<br />

versucht, eine Aufnahme zu machen – heimlich durch ein Loch in einer<br />

Gebäudewand.<br />

Kaiser Wilhelm II.<br />

Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen lebte vom 27. Januar<br />

1859 bis zum 4. Juni 1941. Der Sohn der Dynastie der Hohenzollern war<br />

von 1888 bis 1918 der letzte deutsche Kaiser und König von Preußen.<br />

Den <strong>Krupp</strong>s war er stets eng verbunden: Das älteste überlieferte Filmdokument<br />

aus dem Ruhrgebiet zeigt Wilhelm II. im Trauerzug bei der<br />

Beisetzung Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong>s am 26. November 1902.<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />

Konrad Hermann Joseph Adenauer lebte vom 5. Januar 1876 bis zum<br />

19. April 1967. Von 1949 bis 1963 war der studierte Jurist der erste Bundeskanzler<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Für <strong>Krupp</strong> war er kein einfacher Gesprächspartner in Sachen „Osthandel“:<br />

Einmal soll er Berthold Beitz gefragt haben, warum er keine<br />

rote Nelke im Kopfloch trage, damit jedermann wisse, woran er sei.<br />

Vizekönig Li Hong-Zhang<br />

Li Hong-Zhang lebte vom 15. Februar 1823 bis zum 7. November<br />

1901. Der chinesische General beendete mehrere große Rebellionen und<br />

war als „Vizekönig von Zhili“ einer der mächtigsten Chinesen in der Zeit<br />

der Qing-Dynastie.<br />

Bei einem Staatsbesuch in Deutschland traf Li 1896 Fürst Otto von<br />

Bismarck. Auf seiner Reise vertiefte er zudem die Kontakte zu <strong>Krupp</strong>.<br />

Das Unternehmen lieferte den Chinesen mächtige Kanonen und Eisenbahnmaterial.


König Fuad I.<br />

Fuad I. lebte vom 26. März 1868 bis<br />

zum 28. April 1936. Von 1922 bis 1936<br />

war er König von Ägypten.<br />

Vermutlich war es seine Ablehnung<br />

des britischen Einflusses, der ihn mit dem<br />

deutschen Stahlunternehmen <strong>Krupp</strong> zusammenbrachte.<br />

Chou En-Lai<br />

Chou En-Lai – oder auch Zhou Enlai –<br />

lebte vom 5. März 1898 bis zum 8. Januar<br />

1976. Er war ein wichtiger Führer der<br />

Kommunistischen Partei Chinas und von<br />

1949 bis zu seinem Tod Premierminister<br />

der Volksrepublik.<br />

1973 traf Chou En-Lai in Peking auf<br />

Berthold Beitz, der auf Wunsch der chinesischen<br />

Regierung die deutsche Wirtschaftsdelegation<br />

bei ihrem Besuch leitete.<br />

König Bhumibol Adulyadej<br />

Bhumibol Adulyadej der Große, auch<br />

Rama IX. genannt, wurde am 5. Dezember<br />

1927 in den USA geboren. Seit dem 9.<br />

Juni 1946 ist er König von Thailand und<br />

damit das derzeit am längsten amtierende<br />

Staatsoberhaupt der Welt.<br />

Der erfolgreiche Segelsportler ist seit<br />

1950 mit Königin Sirikit verheiratet, mit<br />

der zusammen er auch 1960 Gast in der<br />

Villa Hügel war.<br />

Naser ad-Din Schah von Persien<br />

Naser ad-Din Schah lebte vom 16. Juli<br />

1831 bis zum 1. Mai 1896. Von 1848 bis<br />

zu seiner Ermordung war er Schah von<br />

Persien. Naser ad-Din Schah war mit 25<br />

Frauen verheiratet. Einige begleiteten ihn,<br />

als er 1889 die Villa Hügel besuchte.<br />

Kaiser Haile Selassie I.<br />

Haile Selassie I. lebte vom 23. Juli 1892<br />

bis zum 27. August 1975. Er war von 1930<br />

bis 1936 und 1941 bis 1974 der letzte Kaiser<br />

von Äthiopien.<br />

1954 besuchte Selassie als erstes<br />

ausländisches Staatsoberhaupt die junge<br />

Bundesrepublik Deutschland. Dabei traf er<br />

auch auf Vertreter der <strong>Krupp</strong>-Dynastie.<br />

Nikita Chruschtschow<br />

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow<br />

lebte vom 15. April 1894 bis zum 11.<br />

September 1971. Von 1953 bis 1964 war<br />

er Chef der KPdSU, von 1958 bis 1964<br />

Regierungschef.<br />

1926<br />

Der Werkstoff<br />

Unter dem Namen WIDIA bringt <strong>Krupp</strong><br />

ein gesintertes Hartmetall auf den Markt,<br />

das sich als Werkstoff für Werkzeuge hervorragend<br />

eignet.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Andy Warhol (rechts) besichtigt die Villa Hügel im Mai 1972.<br />

Im Juni 1962 besucht der Staatspräsident der Republik Mali,<br />

Modibo Keïta die Villa Hügel. Von links: Berthold Beitz, Modibo<br />

Keïta und Frau, Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach.<br />

Kaiser Haile Selassie von Äthiopien in der Villa Hügel, 1954.<br />

Von links: Bertha <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach, Kaiser<br />

Haile Selassie, Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach.<br />

1928<br />

Die Schmiedepresse<br />

<strong>Krupp</strong> baut in Essen-Borbeck<br />

die damals größte Schmiedepresse<br />

der Welt mit 15.000 t Presskraft.<br />

|27<br />

Die Gespräche im Kreml mit Berthold<br />

Beitz, die zunächst wirtschaftspolitischen<br />

Charakter hatten und in Deutschland<br />

misstrauisch beäugt wurden, waren letztlich<br />

Wegbereiter für die politische Annäherung<br />

von Ost und West.<br />

Modibo Keïta<br />

Modibo Keïta lebte vom 4. Juni 1915<br />

bis zum 16. Mai 1977. Ursprünglich<br />

Lehrer, regierte er von 1960 bis 1968 als<br />

Staatspräsident Mali. Am 19. November<br />

1968 wurde er durch einen Militärputsch<br />

gestürzt und verbrachte den Rest seines<br />

Lebens in Gefangenschaft.<br />

1962 war Keïta mit seiner Frau zu Besuch<br />

in der Villa Hügel.<br />

Max Planck<br />

Max Karl Ernst Ludwig Planck lebte<br />

vom 23. April 1858 bis zum 4. Oktober<br />

1947. Der deutsche Forscher gilt als<br />

Begründer der Quantenphysik und erhielt<br />

1918 den Physik-Nobelpreis.<br />

Gustav <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach<br />

war Vizepräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft<br />

zur Förderung der Wissenschaften.<br />

Dort traf er auch mit Planck zusammen,<br />

dessen Namen die Gesellschaft seit<br />

1948 trägt.<br />

Andy Warhol<br />

Andrew Warhola jr. lebte vom 6. August<br />

1928 bis zum 22. Februar 1987. Der<br />

US-amerikanische Künstler, Grafiker und<br />

Filmemacher gilt als Mitbegründer der<br />

Pop-Art.<br />

Andy Warhol besuchte die Villa Hügel<br />

1972 aus Anlass der Ausstellung „Ukiyo-E<br />

– Kunst aus Japan“.<br />

Mies van der Rohe<br />

Ludwig Mies van der Rohe lebte vom<br />

27. März 1886 bis zum 17. August 1969.<br />

Der deutsche Architekt gilt als einer der<br />

bedeutendsten Vertreter der Moderne.<br />

1938 wanderte er in die USA aus.<br />

Für <strong>Krupp</strong> entwarf Mies van der Rohe<br />

Anfang der 1960er <strong>Jahre</strong> einen 140 Meter<br />

langen und 64 Meter breiten Stahlskelettbau<br />

mit zwei Innenhöfen als neue<br />

Hauptverwaltung. Sowohl <strong>Krupp</strong> als auch<br />

Beitz stimmten den Entwürfen zu, doch<br />

am Ende wurde das Projekt nicht umgesetzt.◄


28|<br />

1939<br />

Der Krieg<br />

<strong>Krupp</strong> ist Teil der<br />

Kriegswirtschaft<br />

des NS-Regimes.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Weltausstellungen als<br />

Tor zu neuen Märkten<br />

<strong>Krupp</strong> sah die Internationalisierung als<br />

erfolgreichen Weg in die Zukunft / Von Björn Lohmann<br />

Es war ein wahrer Kriegsleviathan,<br />

der 1893 weltweit für<br />

Aufmerksamkeit sorgte: Auf<br />

dem Weg zur Weltausstellung in<br />

Chicago transportierte <strong>Krupp</strong> auf einem<br />

eigens angefertigten Fahrzeug die bislang<br />

größte Kanone der Geschichte durch<br />

mehrere Bundesstaaten der USA, begleitet<br />

von großem medialen Interesse. Mehr als<br />

122 Tonnen wog der Koloss, der Geschosse<br />

von knapp einer Tonne neun Kilometer<br />

weit schießen konnte – und für jeden<br />

Schuss rund eine Vierteltonne Schießpulver<br />

benötigte. Es darf als unstrittig gelten,<br />

welches Ausstellungsstück den Besuchern<br />

des deutschen Pavillons besonders im<br />

Gedächtnis blieb.<br />

Weltausstellungen und die damit zu<br />

erzielende öffentliche Aufmerksamkeit als<br />

Türöffner für neue Märkte – dieses Konzept<br />

hat Alfred <strong>Krupp</strong> früher als andere<br />

Unternehmer erkannt. Viele Firmen vertrieben<br />

ihre Produkte vor allem regional<br />

und sahen keinen Grund, den Konkurrenzvergleich<br />

auf Gewerbeausstellungen<br />

zu riskieren und möglicherweise ihre<br />

regionale Monopolstellung zu gefährden.<br />

Die Essener Gussstahlfabrik hingegen<br />

erzeugte hoch spezialisierte, teure Produkte,<br />

die nach Abnehmern in ganz Deutschland<br />

und im Ausland verlangten. Lange<br />

<strong>Jahre</strong> ließen sich die nötigen Kontakte<br />

nur über Kundenbesuche und langwierige<br />

Briefwechsel etablieren. Die Weltausstellungen<br />

bildeten für <strong>Krupp</strong> eine effizientere<br />

Alternative, die eigenen Produkte zu<br />

bewerben. Zudem boten die dort gewonnenen<br />

Auszeichnungen eine Art amtliche<br />

Bestätigung der Qualität und Solidität des<br />

Unternehmens.<br />

Erstmals nahm <strong>Krupp</strong> 1844 an einer Gewerbeausstellung<br />

teil, der Berliner Zollvereinsausstellung.<br />

Prompt errang <strong>Krupp</strong> eine<br />

goldene Medaille, und obwohl die Firma<br />

Stahl in unterschiedlichen Formen präsentierte<br />

– darunter ein dreitöniges Geläut als<br />

Glockenalternative für arme Kirchengemeinden<br />

–, erregten vor allem die Walzen<br />

die Aufmerksamkeit der Preußen.<br />

International beeindruckte <strong>Krupp</strong> bei<br />

der Londoner Weltausstellung 1851. Um<br />

ihre Fertigkeit zu be-<br />

weisen, präsentierte die<br />

englische Firma Turton<br />

& Söhne dort einen<br />

2400 Pfund schweren<br />

Block aus Gussstahl<br />

– ein „monsterpiece“,<br />

wie die Firma es stolz<br />

nannte. Wenige Tage später – logistische<br />

Probleme hatten ein Eintreffen vor Beginn<br />

der Weltausstellung verhindert – stellte<br />

<strong>Krupp</strong> sein Stück Gussstahl vor: Es wog<br />

4325 Pfund. Erstmals hatte ein deutscher<br />

Fabrikant die Technologieführung der<br />

Engländer in der Stahlherstellung gebrochen.<br />

Bewundert wurde neben vielen<br />

anderen <strong>Krupp</strong>schen Ausstellungsstücken<br />

auch die bald obligatorische Kanone,<br />

und so schrieb <strong>Krupp</strong> nach Hause: „Alle<br />

anwesenden Fürsten mit Einschluss der<br />

Königin von England und Don Miguel von<br />

Portugal haben sich an unserer Krämerbude<br />

ergötzt.“<br />

1855 in Paris war der Gussstahlblock<br />

schon auf 5000 Pfund gewachsen – auf<br />

„Meine Ungeduld ist ein<br />

Crocodil – das lässt sich<br />

nicht bezähmen.“<br />

dem Weg vom Bahnhof zur Ausstellung brachte<br />

er gleich zwei Transporter zum Zusammenbruch<br />

– und die Kanone hatte sich zu einem<br />

12-Pfünder verdoppelt. Vor allem Eisenbahnteile<br />

ergänzten die Pariser Weltausstellung, weltweit<br />

beachtet speziell in Verbindung mit <strong>Krupp</strong>s<br />

10-<strong>Jahre</strong>s-Garantie gegen Achsenbruch – einer<br />

der damals häufigsten Unfallursachen. Die<br />

Eisenbahnteile wurden dann auch ein echter<br />

Verkaufsschlager.<br />

1862 nach London kam <strong>Krupp</strong> bereits als<br />

Berühmtheit, und weil den deutschen Ausstellern<br />

nur ein Drittel der Fläche der Franzosen<br />

zugeteilt worden war, fragte<br />

Alfred <strong>Krupp</strong>, 1863<br />

1940<br />

Die Zerstörung<br />

sogar die „Times“: „Wessen<br />

Fehler ist das? Offenbar<br />

stehen Talg, Spielwaren<br />

und Eingemachtes sehr<br />

hoch in der Achtung der<br />

Kommissarien Ihrer Majestät.“<br />

Trotzdem erzielte<br />

<strong>Krupp</strong> wieder viel Aufmerksamkeit, zumal der<br />

Gussstahlblock inzwischen 20 Tonnen wog und<br />

begleitet wurde von einem 50.000 Pfund schweren<br />

Festungsgeschütz.<br />

Wie sehr <strong>Krupp</strong> gelernt hatte, die Weltausstellungen<br />

öffentlichkeitswirksam zu nutzen, zeigte<br />

sich 1867, als sich auf dem Weg nach Paris erneut<br />

Transportprobleme abzeichneten, diesmal<br />

bei einer Riesenkanone von 100.000 Pfund.<br />

<strong>Krupp</strong> wies an, die Kanone unter allen Umständen<br />

ans Ziel zu bringen, und ergänzte: „Je mehr<br />

Schwierigkeiten und je mehr Umstände, je mehr<br />

Spectacle, bruit und relief für die Fabrik.“ Die<br />

Mühen der frühen Internationalisierung lohnten<br />

sich: 1880 erzielte <strong>Krupp</strong> über alle Produktbereiche<br />

von Walzen bis zu Eisenbahnschienen<br />

rund 70 Prozent der Umsätze im Ausland.◄<br />

Beginn der Luftangriffe auf die Gussstahlfabrik.<br />

Am Ende sind über 30 %<br />

der Essener Werke zerstört.


1943<br />

Die Firma<br />

Die Fried. <strong>Krupp</strong> AG wird per Erlass<br />

Hitlers in eine Einzelfi rma umgewandelt.<br />

Der Inhaber heißt nun Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

1948<br />

Das Urteil<br />

Ein amerik. Militärgericht verurteilt Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> u. a. wegen der Zwangsarbeiterbeschäftigung<br />

zu zwölf <strong>Jahre</strong>n Haft und<br />

Vermögensbeschlagnahme.<br />

|29<br />

Großes Bild: Ein Ausstellungsstand der Firma<br />

<strong>Krupp</strong> in der Maschinenhalle auf der Weltausstellung<br />

in Philadelphia, 1876.<br />

Foto: Centennial Photographic Co.<br />

Kleines Bild: So präsentierte sich die Firma <strong>Krupp</strong><br />

auf der Weltausstellung 1862 in London.


30|<br />

Mensch im<br />

1951<br />

Die Freilassung<br />

Der amerikanische Hochkommissar<br />

John McCloy begnadigt Alfried<br />

<strong>Krupp</strong>. Er wird am 3. Februar<br />

aus der Haft entlassen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Mittelpunkt<br />

Zentrale Bedeutung von<br />

sozialem Engagement / Von Thomas Rünker<br />

Ein neuer Kindergarten auf dem Werksgelände,<br />

gleich hinter der Konzernzentrale? Das hätte<br />

Alfred <strong>Krupp</strong> vermutlich gefallen, wenngleich<br />

ihn vermutlich die modernen, liberalen Erziehungsmethoden<br />

irritiert hätten. Aber schon unter Alfred<br />

<strong>Krupp</strong> gab es in der gerade boomenden Fabrik „Kleinkinderschulen“<br />

– ein vergleichsweise winziger Mosaikstein<br />

im Kosmos des kruppschen Wohlfahrtsbereichs, der sich<br />

unter Alfred fast ähnlich stark ausdehnte wie die industrielle<br />

Produktion der Firma.<br />

Werkswohnungen, Konsumanstalt, Schwimmbad,<br />

Krankenhaus und Leihbüchereien verbesserten den Lebensstandard<br />

der <strong>Krupp</strong>ianer. Zudem versprachen schon<br />

ab Mitte des 19. Jahrhunderts Kranken- und Pensionskassen<br />

den Beschäftigten eine soziale Absicherung. Wer<br />

bei <strong>Krupp</strong> beschäftigt war, hatte ein besseres Leben als<br />

diejenigen, die in die benachbarten Bergwerke einfuhren<br />

oder beim nächsten Bauern arbeiteten.<br />

Dabei waren es nicht einzelne Bausteine, die das<br />

kruppsche Sozialsystem so einzigartig machen – Betriebsrenten<br />

etwa gab es anderswo auch schon früher.<br />

Das Besondere war die Breite des Angebots. In seinen<br />

Glanzzeiten umsorgte <strong>Krupp</strong> seine Arbeiter praktisch von<br />

der Wiege bis zur Bahre.<br />

Als Gründe für dieses herausragende soziale Engagement,<br />

das praktisch alle <strong>Krupp</strong>-Generationen ausgezeichnet<br />

hat, nennen Experten mindestens vier Aspekte, die je<br />

nach Ära unterschiedlich stark ausgeprägt gewesen seien:<br />

Zunächst stand schlicht Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft<br />

im Mittelpunkt. Schon von Friedrich <strong>Krupp</strong> wird<br />

berichtet, wie er kurz nach der Firmengründung Getreide<br />

an seine Arbeiter verteilt hat, als Brot besonders teuer<br />

war. Zunehmend wurde es für <strong>Krupp</strong> aber auch wichtig,<br />

qualifizierte Mitarbeiter zu halten. Also nutzte er neben<br />

hohen Löhnen – die die Konkurrenz überbieten konnte<br />

– gute Sozialleistungen, um die Belegschaft an sich zu<br />

binden. Wer bei <strong>Krupp</strong> kündigte, verlor alle Ansprüche<br />

daran, auch an die Sozialkassen.<br />

Darüber hinaus verfolgten die <strong>Krupp</strong>s mit ihrem Wohl-<br />

fahrtssystem politische Ziele. Einerseits wollte <strong>Krupp</strong> im<br />

aufkommenden Klassenkampf die eigenen Arbeiter durch<br />

Bildung und Erziehung gewissermaßen zu Bürgern machen.<br />

Andererseits sollte etwa das günstige Versorgungsangebot<br />

oder die soziale Absicherung die Gesellschaft<br />

befrieden. So wollte <strong>Krupp</strong> einer Revolution vorbeugen.<br />

Spätestens ab der Wende zum 20. Jahrhundert öffnete<br />

sich das kruppsche Wohlfahrtswesen auch zunehmend<br />

nach außen. Das <strong>Krupp</strong>-Krankenhaus etwa, im Deutsch-<br />

Französischen-Krieg 1870/1871 zunächst als Lazarett<br />

gleich neben dem Werk errichtet, wurde wenig später<br />

zu einer Klinik erweitert, die auch Frauen und Kinder<br />

behandelte. Heute ist sie – am neuen Standort in Essen-<br />

Rüttenscheid und getragen von der Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach-Stiftung – eines der modernsten<br />

Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen. Oder die Siedlung<br />

Margarethenhöhe: Gestiftet aus dem Privatvermögen<br />

von Margarethe <strong>Krupp</strong> sollte ab 1906 im grünen Essener<br />

Süden eine Kleinstadt für Tausende Essener Bürger entstehen.<br />

Anders als in früheren <strong>Krupp</strong>-Siedlungen richtete<br />

sich das Wohnungsangebot an die breite Bevölkerung.<br />

Werksangehörige sollten jedoch angemessen berücksichtigt<br />

werden.<br />

Letztlich wurde bei <strong>Krupp</strong> über <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> Firmengeschichte<br />

die Idee transportiert, dass ein Unternehmen<br />

nicht nur an kurzfristiger Gewinnmaximierung orientiert,<br />

sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Eine<br />

Idee, die sich nach dem Tod Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen<br />

und Halbachs in der nach ihm benannten Stiftung fortsetzt.◄<br />

1953<br />

Die Vollmacht<br />

Berthold Beitz wird<br />

Generalbevollmächtigter<br />

von Alfried <strong>Krupp</strong> von<br />

Bohlen und Halbach.


1953<br />

Bild oben:<br />

Kolonialwaren-Abteilung der<br />

<strong>Krupp</strong>-Konsumanstalt, 1937.<br />

Bild links:<br />

„Chirurgische Klinik, Station<br />

10“ im <strong>Krupp</strong>-Krankenhaus,<br />

Essen, um 1910.<br />

Bild unten links:<br />

Die Siedlung Margarethenhöhe<br />

heute.<br />

Foto: Oliver Müller<br />

Die Ausstellung<br />

In der Villa Hügel, die seit 1945 nicht<br />

mehr als Wohnsitz der Familie genutzt<br />

wird, wird die erste Kunstausstellung<br />

gezeigt.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Besser leben<br />

Interview mit Rainer Metzendorf, Enkel des Architekten<br />

1953<br />

Der Vertrag<br />

Die indische Regierung und die Firma<br />

<strong>Krupp</strong> unterzeichnen einen Vertrag über<br />

den Bau eines Hüttenwerks im indischen<br />

Rourkela.<br />

|31<br />

Was ist das Besondere an der Margarethenhöhe?<br />

Die Margarethenhöhe war keine reine Werkssiedlung mehr, sondern eine Stiftung Margarethe<br />

<strong>Krupp</strong>s für alle Essener Bürger, die sich kein Eigenheim leisten konnten. Sie war ein Vorläufer des<br />

allgemeinen sozialen Wohnungsbaus. So entstand ganz bewusst eine gesellschaftliche Durchmischung.<br />

Erstmals gab es keine reine Arbeiter- oder Beamtensiedlung, sondern eine Verbindung vieler<br />

gesellschaftlicher Schichten.<br />

Und was ist architektonisch herausragend?<br />

Die Siedlung als Gesamtkunstwerk! Die Gartenstadt-Bewegung<br />

mit der Margarethenhöhe war eine bewusste Abkehr von den<br />

Mietskasernen der Industriestädte. Ziel war ein menschenwürdiges,<br />

zweckmäßiges und trotzdem bezahlbares Wohnen. Erstmals<br />

gab es in der Margarethenhöhe in jeder Wohnung ein Bad, WC,<br />

Zentralheizung und ein Lüftungssystem.<br />

Und das war bezahlbar?<br />

Aufgrund des Pilotcharakters der Margarethenhöhe war mein<br />

Großvater von allen Bauverordnungen befreit. So konnte er<br />

etwa die Geschosshöhe von den üblichen 2,80 bis 3 Metern auf<br />

2,50 Meter senken. Zudem war die Margarethenhöhe die erste Rainer Metzendorf.<br />

typisierte Siedlung. Am Anfang gab es nur vier Fenstergrößen und<br />

zwei Treppen – eine rechts und eine links herum. Deren Produktion in Serie half sparen. Insgesamt<br />

lagen die Kosten am Ende 22 Prozent unter denen des damals üblichen Geschosswohnungsbaus.<br />

Dennoch müssen es noch mehr Faktoren gewesen sein, dass auf der Margarethenhöhe etwas<br />

weltweit derart Beachtetes entstanden ist.<br />

Da war zunächst natürlich die günstige Lage, aber auch die soziale Weitsicht und Finanzkraft von<br />

Margarethe <strong>Krupp</strong> und die Tatsache, dass sie mit Metzendorf einen Partner gefunden hatte, der<br />

dieser Aufgabe gewachsen war. Letztlich muss man aber auch das unglaubliche Vertrauen der Stadt<br />

Essen bewundern, die damals eines der größten Bau-Projekte im Reich – die Planung einer Stadt für<br />

12.000 Einwohner von den Grundrissen bis zur Gardinenstange – alleinverantwortlich einem gerade<br />

33-jährigen Architekten übertrug.<br />

Wie war die Zusammenarbeit mit Margarethe <strong>Krupp</strong>?<br />

Hervorragend. Da hat offenbar die Chemie gestimmt. Sie hat sich nicht nur persönlich dafür eingesetzt,<br />

dass Metzendorf den Auftrag bekommt, sondern ist auch später regelmäßig bei ihm im Büro<br />

gewesen, um mit ihm nicht nur über Architektur zu sprechen. Aber auch Robert Schmohl, der Leiter<br />

des <strong>Krupp</strong>-Baubüros, war für meinen Großvater wichtig. Er hat ihm den gesellschaftlichen Zugang<br />

im Ruhrgebiet eröffnet.<br />

Welchen Wert hatte die Margarethenhöhe für Ihren Großvater?<br />

Sie war für ihn zweifellos der Durchbruch. Nicht nur in Essen, wo er danach unter anderem das<br />

Sparkassengebäude (heute Theaterpassage) und das im Krieg zerstörte Schauspielhaus geplant hat,<br />

sondern auch überregional. Er selbst hat die Margarethenhöhe jedenfalls immer als sein „Lebenswerk“<br />

bezeichnet – und sich deshalb auch auf dem nahe gelegenen Südwestfriedhof mit Blick auf<br />

„seine“ Siedlung beerdigen lassen.<br />

Als Enkel von Georg Metzendorf trat Rainer Metzendorf in die Fußstapfen seines Großvaters, den er<br />

indes nie persönlich kennen gelernt hat. Wie Georg arbeitete Rainer Metzendorf als Architekt und<br />

Stadtplaner und erforschte das Lebenswerk des Planers der Margarethenhöhe. Heute wohnt Rainer<br />

Metzendorf in Mainz.◄


32|<br />

1958<br />

Der Osthandel<br />

<strong>Krupp</strong> nimmt erstmals an der Posener<br />

Messe teil, Berthold Beitz reist auf Einladung<br />

des Ministerpräsidenten Mikojan in<br />

die Sowjetunion.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Von der Tauchkugel<br />

bis zur Zahnprothese<br />

<strong>Krupp</strong> als innovativer Technologie-Konzern mit einer<br />

Vielzahl von Ideen und Produkten / Von Thorsten Heck<br />

Oben: Gebissplatten<br />

aus<br />

Wipla-Edelstahl<br />

um 1930.<br />

Links: Schwer-<br />

Lastkraftwagen<br />

„Titan“, Werbeprospekt,<br />

um<br />

1950.<br />

Wer den Namen <strong>Krupp</strong> hört,<br />

denkt zunächst an Stahl und<br />

an den nahtlosen Radreifen.<br />

Doch hätten Sie es gewusst, dass <strong>Krupp</strong><br />

Zahnprothesen produziert hat? <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong><br />

– eine lange Geschichte, mit bekannten<br />

aber auch vielen unbekannten Produkten<br />

und Geschehnissen. Diese Auswahl gibt<br />

einen kleinen Einblick in ungewöhnliche<br />

Daten und Fakten der <strong>200</strong>-jährigen<br />

<strong>Krupp</strong>-Geschichte.<br />

<strong>Krupp</strong> Motorroller<br />

Die Firma <strong>Krupp</strong> baute neben klassischen<br />

Stahlfabrikaten viele weitere<br />

Produkte. Darunter auch einen Motorroller.<br />

Es war der erste Motorroller deutscher<br />

Produktion. 1919 wurde er von <strong>Krupp</strong><br />

unter dem Namen „Motorläufer“ in Essen<br />

produziert. Dieser einsitzige Kleinroller<br />

von nur 1,30 Meter Gesamtlänge hatte<br />

Vorderradantrieb. Der <strong>Krupp</strong> Motorläufer<br />

war mit 185 ccm und 198 ccm Motoren<br />

ausgerüstet. Diese waren links neben dem<br />

Vorderrad angebracht und meist als Viertakter<br />

ausgelegt, die das Vorderrad direkt<br />

antrieben. 1923 endete nach vier <strong>Jahre</strong>n<br />

die Produktion. Die Straßen waren noch<br />

zu schlecht für das neue Gefährt.<br />

Baumbestand der Villa Hügel<br />

Als Alfred <strong>Krupp</strong> den Park um die Villa<br />

Hügel 1873 plante, sollten „etwa 50-jährige,<br />

große, ältere Bäume“ gepflanzt werden.<br />

Alleine 100 ausgewachsene Bäume aus<br />

Mülheim und Gelsenkirchen ließ er<br />

anpflanzen, um noch zu seinen Lebzeiten<br />

den Park im „Endzustand“ zu sehen.<br />

Abgestorbene Bäume wurden kurzerhand<br />

durch „neue alte“ ersetzt, was dazu führte,<br />

dass der Baumbestand im Park der Villa<br />

Hügel erheblich älter ist als die Gesamtanlage.<br />

Heute ist der Park rund 28 Hektar<br />

groß und enthält etwa 7000 Bäume, darunter<br />

Raritäten wie Mammutbäume oder<br />

Libanonzedern.<br />

<strong>Krupp</strong>-Lkw „Titan“<br />

Es war einer der imposantesten Lkws<br />

der Nachkriegszeit: der <strong>Krupp</strong> Titan. Der<br />

ab 1950 gebaute Lastwagen hatte einen<br />

von <strong>Krupp</strong> entwickelten Zweitakt-Dieselmotor<br />

mit 190 PS (ab 1951 mit 210 PS)<br />

unter der markanten Motorhaube. Er war<br />

damit der stärkste deutsche Lkw seiner<br />

Zeit. Die geplante Motorengröße war als<br />

Sechszylinder nach den Richtlinien der<br />

Alliierten Besatzungsmächte nicht erlaubt.<br />

<strong>Krupp</strong> verbaute daher statt dessen zwei<br />

einzeln lauffähige Dreizylindermotoren<br />

hintereinander, die mit einem Zahntrieb<br />

verbunden waren. Wegen des charakteristischen<br />

Geräuschs dieses Motors („<strong>Krupp</strong>krupp-krupp“)<br />

hieß es damals, dass der<br />

<strong>Krupp</strong> Titan der einzige Lkw sei, der<br />

seinen Namen sagen könne.<br />

Tauchkugel für Piccard<br />

Kilometertief tauchen und die Meere erforschen<br />

– das war der Traum der beiden<br />

Schweizer Auguste und Jacques Piccard.<br />

Wie aber dem großen Druck standhalten,<br />

der in solchen Tiefen herrscht?<br />

Eine Kugel leistet den besten Widerstand.<br />

1960 wurde diese in der <strong>Krupp</strong><br />

Schmiede und Gießerei in Essen herge-<br />

1960<br />

Die Tauchkugel<br />

J. Piccard und D. Walsh erreichen mit<br />

einer von <strong>Krupp</strong> hergestellten Tauchkugel<br />

als Erste den tiefsten Punkt des Meeres,<br />

ca. 11.000 m unter dem Meeresspiegel.


1961<br />

Das Ausland<br />

Auguste und<br />

Jacques<br />

Piccard<br />

(links) mit<br />

der von<br />

<strong>Krupp</strong> hergestellten<br />

Tauchkugel<br />

für Tiefseeforschung<br />

auf der Messe<br />

Hannover,<br />

1960.<br />

stellt. Die Wandstärke der Tauchkugel betrug<br />

zwölf Zentimeter. Um die Öffnungen<br />

herum war sie sogar 18 Zentimeter stark.<br />

Sie bestand aus im Vakuum vergossenem<br />

Chrom-Nickel-Molybdän-Stahl und war<br />

so stabil, dass sie erst bei einer Wassertiefe<br />

von 22 Kilometer zerquetscht worden<br />

wäre. Mit einer Tauchtiefe von elf Kilometern<br />

konnte man so die damals tiefste<br />

bekannte Stelle im Meer problemlos erreichen.<br />

Ein bis heute unerreichter Rekord.<br />

Zahnprothese aus Metall<br />

Aus dem korrosionsbeständigen und geschmacksneutralen<br />

V2A-Stahl der <strong>Krupp</strong>-<br />

Werke hat das Unternehmen künstliche<br />

Gebisse hergestellt. Erster Kunde war ein<br />

Berufsmusiker, der nach der Behandlung<br />

wieder Klarinette spielen konnte. Auch<br />

der greise August Thyssen ließ sich von<br />

<strong>Krupp</strong> ein Stahlgebiss liefern – und war<br />

hoch zufrieden. Seit 1925 wurde ein nicht<br />

rostender, säurebeständiger Edelstahl<br />

unter dem Namen Wipla (wie Platin)<br />

verwendet.<br />

Filmabteilung<br />

Bereits 1923 produzierte <strong>Krupp</strong> zusammen<br />

mit der Firma Ernemann einen<br />

„Kinoprojektor“. Die Anfänge des Unternehmensfilms<br />

liegen sogar noch vor dem<br />

Ersten Weltkrieg. 1913 gründete die Fried.<br />

<strong>Krupp</strong> AG eine „Kinematographische Abteilung“.<br />

Sie drehte große Industriefilme<br />

über das Werk und seine Produkte, aber<br />

auch Streifen über den Ruhrbergbau oder<br />

die Unfallverhütung. Selbst touristische<br />

Landschaftsfilme entstanden. <strong>Krupp</strong>-Filme<br />

Das brasilianische Werk <strong>Krupp</strong> Metalúrgica<br />

Campo Limpo wird eingeweiht. Es<br />

stellt vor allem Kurbelwellen und Achsen<br />

für den Automobilbau her.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

wie „Pioniere deutscher Technik“ erlebten<br />

ihre Uraufführung sogar in Großkinos wie<br />

der Essener „Lichtburg“.<br />

Ritterspiel zum 100. Geburtstag<br />

Es hätte so schön sein können, doch<br />

es fand niemals statt. Bertha und Gustav<br />

<strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach hatten<br />

anlässlich des 100. Firmengeburtstages<br />

ein aufwändiges Ritterspiel mit 314 Mitwirkenden<br />

– auch Sohn Alfried – schon<br />

eingeprobt. Mit großem Aufwand wurden<br />

Teile des Hügelgeländes zu einem Festspielort<br />

umgebaut. Alles war bereit für den<br />

Besuch des Kaisers Wilhelm II. Er besuchte<br />

die Villa Hügel auch. Doch am zweiten<br />

Tag der Feier reiste der Kaiser wegen eines<br />

schweren Grubenunglücks nach Bochum<br />

ab und das geplante Ritterspiel entfiel.◄<br />

1963<br />

Der Empfang<br />

Der sowjetische Staats- und Parteichef<br />

Nikita Chruschtschow empfängt Berthold<br />

Beitz in Moskau.<br />

|33<br />

Filmaufnahmen in den Essener Maschinenfabriken<br />

der Firma <strong>Krupp</strong>, 1960.


34|<br />

Auf den<br />

Spuren<br />

von <strong>Krupp</strong><br />

1967<br />

Die Umwandlung<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> gibt bekannt, die Firma in<br />

eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln.<br />

Die Anteile sollen von einer gemeinnützigen<br />

Stiftung gehalten werden.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Im Ruhrgebiet gibt es eine ganz<br />

besondere Rundfahrt / Von Thomas Mendle<br />

Imposante Ausblicke ergeben sich vom Alsumer Berg in Duisburg, dort erinnert<br />

auch ein Gedenkkreuz an die ehemalige Siedlung (o.l., o.r.). Architektonisches<br />

Meisterwerk: das neue Hauptquartier der Thyssen<strong>Krupp</strong> AG.<br />

1968<br />

Die Stiftung<br />

Die Alfried <strong>Krupp</strong><br />

von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung<br />

nimmt ihre Arbeit auf.<br />

Ganz klar – ich bin der Exot<br />

unter den Teilnehmern. Das<br />

Greenhorn. Ein Exil-Schwabe,<br />

der den „Kohlenpott“ bis<br />

dato nur von Bildern und aus den Medien<br />

kennt. Schimanski und seine verwegenen<br />

Einsätze im Revier lassen grüßen! Nun<br />

will ich das Ruhrgebiet aus der Nähe<br />

sehen – und mit ihm eine der schillerndsten<br />

Firmen und Familien in der deutschen<br />

Industriegeschichte. <strong>Krupp</strong> – ein Name<br />

wie Donnerhall.<br />

Also nehme ich teil an der Tour de<br />

<strong>Krupp</strong>, einer von Tour de Ruhr veranstalteten<br />

Busfahrt in die Vergangenheit und<br />

die Gegenwart der Firma und der Menschen,<br />

die sie geprägt haben und von ihr<br />

geprägt wurden.<br />

„Pott-Anfänger? Dann sind Sie bei mir<br />

richtig“, schmunzelt Reiseleiter Christoph<br />

Wilmer. Der Historiker stammt aus Essen,<br />

gehört zu den Experten zum Thema<br />

<strong>Krupp</strong> und kennt das Revier wie seine<br />

Westentasche.<br />

Mit dem typischen Charme der Industriestandorte<br />

im 19. Jahrhundert empfängt


uns die Einfahrt in die „<strong>Krupp</strong>sche Gussstahlfabrik“<br />

in Essen. Rasch öffnet sich der<br />

Raum, und der Blick auf das repräsentative<br />

neue „Quartier“ des heutigen Weltkonzerns<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> tut sich auf, dessen<br />

Mittelpunkt der modern gestaltete Kubus<br />

„Q1“ bildet.<br />

Sichtlich beeindruckt von dem neuen<br />

Ensemble der Quartiergebäude ist Günter<br />

Marwinsky. Der heute 83-Jährige gehört<br />

zu den altgedienten „<strong>Krupp</strong>ianern“. Von<br />

1956 bis 1990 war er bei der Firma beschäftigt<br />

und hat Industrieanlagen in die<br />

Sowjetunion, China und Korea verkauft.<br />

Von den hohen Brücken, die im Innern<br />

geradezu in der Höhe zu schweben scheinen,<br />

bieten sich faszinierende Aussichten<br />

durch die Glasfront bis zur Kokerei Prosper<br />

in Bottrop und zur Arena auf Schalke.<br />

Auf der Autobahn geht es nach Duisburg,<br />

auf den Alsumer Berg. Kurioserweise<br />

eine alte Müllhalde, die heute einer der<br />

beliebtesten Aussichtsberge des Ruhrgebiets<br />

ist. Von dort bietet sich ein imposanter<br />

Blick auf die riesenhaften Anlagen von<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> und die Kokerei Schwel-<br />

1971<br />

Das Radioteleskop<br />

Das seinerzeit größte bewegliche<br />

Radioteleskop der Welt wird in<br />

Effelsberg in der Eifel in Betrieb<br />

genommen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Der Historiker Christoph Wilmer (rechts) veranschaulicht bei einer Führung die<br />

Architektur des neuen Hauptquartiers. Fotos: Thomas Mendle, Denise Ohms<br />

gern. Ich staune nicht schlecht, als eine<br />

riesige weiße Wolke aus dem Ablöschturm<br />

unterhalb steigt. 90 Kubikmeter Wasser<br />

kühlen den frischen, fast 1000 Grad<br />

heißen Koks, der gerade in die Anlage<br />

gefahren wurde. Eine unwirkliche, doch<br />

faszinierende Szene.<br />

Völlig verwandelt hat sich der <strong>Krupp</strong>sche<br />

Standort in Duisburg-Rheinhausen,<br />

wo 1897 zum ersten Mal Stahl produziert<br />

wurde. Heute hingegen ist das Areal einer<br />

der größten Logistikstandorte Europas.<br />

Ich war noch Jugendlicher, als die Arbeitskämpfe<br />

die Medien beherrschten. Rheinhausen<br />

war DER Inbegriff der deutschen<br />

Stahlindustrie. Als der Standort 1987<br />

geschlossen werden sollte, gipfelten die<br />

Auseinandersetzungen gar in der Sperrung<br />

von Brücken und der Besetzung der Villa<br />

Hügel. 1993 schließlich erloschen die<br />

Hochöfen endgültig. Es ist jedoch eine gewisse<br />

Industrieromantik, die der Standort<br />

noch heute verströmt, auch wenn die eigentlichen<br />

Anlagen längst abgerissen sind.<br />

Heute zeugen die Direktorenvillen und<br />

das benachbarte Casino von der Stahlwirt-<br />

1972<br />

Das Dach<br />

<strong>Krupp</strong> Industrie- und<br />

Stahlbau errichtet das<br />

Dach des Olympiastadions<br />

in München.<br />

schaft auf dem Gelände.<br />

Tag zwei der Tour steht ganz im Zeichen<br />

der Familie <strong>Krupp</strong>. Die Fahrt geht<br />

unter anderem zur Villa Hügel und führt<br />

auf den Friedhof in Bredeney. Die letzte<br />

Ruhestätte der <strong>Krupp</strong>-Familienmitglieder<br />

wird von dem großen Sarkophag Alfred<br />

<strong>Krupp</strong>s dominiert. Die Grabstätten haben<br />

sich allerdings nicht immer hier befunden,<br />

wie Wilmer erläutert. Mehrmals mussten<br />

sie der Stadtplanung weichen.<br />

Am Ende der Tour steht eine tiefe<br />

Einsicht in das Phänomen Ruhrgebiet und<br />

in eine Familiengeschichte, die das Revier<br />

entscheidend geprägt hat. Ein Einblick<br />

in eine der faszinierendsten Regionen<br />

Europas. Und der endgültige Wandel eines<br />

persönlichen Klischees zum Positiven.◄<br />

|35<br />

„Es ist nicht nur Wesen der<br />

Wissenschaft, Erkenntnisse<br />

zu veröffentlichen und anderen<br />

nutzbar zu machen.<br />

Es ist ihre naturgegebene<br />

moralische Pflicht, andere,<br />

die Nächsten, die Nachbarn<br />

an dem fortschreitenden<br />

Wissen aktiv teilhaben<br />

zu lassen. Das gilt nicht<br />

zuletzt auf wirtschaftlichem<br />

und technischem Gebiet.“<br />

Alfried <strong>Krupp</strong>, 1962


36|<br />

1973<br />

Die Begegnung<br />

An der Spitze einer deutschen Wirtschaftsdelegation<br />

trifft Berthold Beitz<br />

den chinesischen Ministerpräsidenten<br />

Chou Enlai.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Die Legende Beitz<br />

Interview mit dem Buchautor Joachim Käppner / Von Peter Hahne<br />

Vorbild, Legende, moralische<br />

Instanz – es gibt kaum einen<br />

Wirtschaftsführer in Deutschland,<br />

der eine solche Anerkennung<br />

genießt wie Berthold Beitz. Lange<br />

wollte der Essener Patriarch mit niemandem<br />

über sein Leben sprechen, alles Drängen<br />

war vergebens – bis es dem Journalisten<br />

Joachim Käppner schließlich gelang,<br />

Beitz umzustimmen. Herausgekommen ist<br />

eine Biografie über einen großen Mann,<br />

für die Käppner mit dem Wirtschaftsbuchpreis<br />

2011 ausgezeichnet wurde. Mit<br />

Käppner sprach Peter Hahne.<br />

Herr Käppner, was hat Sie besonders<br />

an der Person Berthold Beitz fasziniert?<br />

Vor allem seine Zeit im Dritten Reich.<br />

Beitz hat als junger Mann Hunderten<br />

jüdischen Zwangsarbeitern in Ostgalizien<br />

das Leben gerettet. Das hat mich sehr<br />

beeindruckt. Zweitens hat mich fasziniert,<br />

dass es im Ruhrgebiet einen Patriarchen<br />

gibt, der für viele Leute ein Vorbild ist.<br />

Berthold Beitz hat hier einen unheimlich<br />

guten Ruf – es gibt nur wenige, die eine<br />

schlechte Meinung von ihm haben.<br />

Hermann Josef Abs, Karl Schiller, Franz Josef<br />

Strauß und Berthold Beitz, 1967 (von links).<br />

Wie erklären Sie sich seinen Heldenmut<br />

in Boryslaw, für den er in Yad<br />

Vashem später als „Gerechter unter den<br />

Völkern“ geehrt wurde?<br />

Es braucht einen sehr starken Willen<br />

und die Unabhängigkeit vom Urteil anderer,<br />

wenn man sich so über alle Konven-<br />

tionen, Zwänge und das soziale Umfeld<br />

hinwegsetzt, um Menschenleben zu retten.<br />

Berthold Beitz verfügt über die innere<br />

Freiheit, das zu tun, was er für moralisch<br />

richtig hält. Ich glaube, das ist eine Sache<br />

der charakterlichen Anlagen und der<br />

Erziehung. Das Beitzsche Elternhaus war<br />

das Gegenteil dessen, was man in dem<br />

Film „Das weiße Band“ sehen konnte,<br />

wo die Charaktere der Kinder frühzeitig<br />

gebrochen und brutalisiert wurden. Das<br />

Kind Berthold Beitz hat von seinen Eltern<br />

ein positives Menschenbild mit auf den<br />

Weg bekommen. Die Kinder fühlten sich<br />

getragen und respektiert, es gab keine Prügelorgien.<br />

Das unterscheidet sich stark von<br />

vielen anderen Elternhäusern jener Zeit.<br />

Welches sind aus Ihrer Sicht seine<br />

größten Lebensleistungen?<br />

Boryslaw ragt so heraus, das kann man<br />

nicht vergleichen. Sehr bedeutsam ist aber<br />

auch seine Vorreiterrolle in der Ostpolitik<br />

während des Kalten Krieges. Beitz war<br />

ein Pionier der Entspannungspolitik und<br />

Schrittmacher bei der Aussöhnung mit Polen.<br />

Die Entschädigung von Zwangsarbeitern<br />

ist aus meiner Sicht seine dritte große<br />

Lebensleistung. Beitz hat Ende der 50-er<br />

<strong>Jahre</strong> schon die Abwehrfront der deutschen<br />

Industrie durchbrochen und Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> überzeugt. <strong>Krupp</strong> – ausgerechnet<br />

<strong>Krupp</strong>! – war der erste deutsche Konzern,<br />

der nach dem Krieg Entschädigungen an<br />

jüdische Zwangsarbeiter aus den Konzentrationslagern<br />

zahlte. Das war 1959 ein<br />

großer Schritt, der meines Erachtens bis<br />

heute nicht richtig gewürdigt wurde.<br />

Beitz größte Leistung als<br />

Unternehmer?<br />

Ihm ist es zu verdanken, dass es <strong>Krupp</strong><br />

– in Form des fusionierten Konzerns Thyssen<strong>Krupp</strong><br />

– heute überhaupt noch gibt. Er<br />

hat mit der Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung Strukturen geschaffen,<br />

die eine feindliche Übernahme Thyssen-<br />

Nikita Chruschtschow (links) empfängt Berthold Beitz in<br />

Moskau, 23. Mai 1963.<br />

<strong>Krupp</strong>s ausschließen. Das schafft Stabilität<br />

und Sicherheit für das Unternehmen und<br />

seine Beschäftigten.<br />

Hat er auch Fehler gemacht?<br />

Natürlich. Man sollte sich vor Verklärungen<br />

hüten. Berthold Beitz blickt auf ein<br />

sehr langes Leben zurück und hat selbstverständlich<br />

auch falsche Entscheidungen<br />

getroffen. Die schwerste Niederlage seines<br />

Lebens war meines Erachtens aber nicht<br />

die <strong>Krupp</strong>-Krise 1967, sondern 20 <strong>Jahre</strong><br />

später Rheinhausen. Da wurde mit dem<br />

1976<br />

Die Beteiligung<br />

Der Staat Iran beteiligt sich mit 25,01 %<br />

am Stammkapital der Fried. <strong>Krupp</strong> GmbH.<br />

<strong>200</strong>3 wird diese Beteiligung auf unter 5 %<br />

zurückgeführt.


Stahlwerk die Seele von <strong>Krupp</strong> geschlossen,<br />

und das hat auch Beitz mitzuverantworten.<br />

Rückblickend muss man sagen, dass<br />

es wohl leider nötig war. Aber es bleibt<br />

die Frage, ob die Schließung nicht vorher<br />

hätte verhindert werden können. Beitz hat<br />

unter Rheinhausen sehr gelitten. Er fragt<br />

sich manchmal, ob sein Vertrauter Alfried<br />

<strong>Krupp</strong>, der 1967 verstorbene letzte Alleininhaber,<br />

ähnlich entschieden hätte wie er.<br />

Bei Rheinhausen sagt Beitz: „Nein. Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> hätte anders entschieden.“<br />

Taugt der Unternehmer Beitz in der<br />

heutigen Zeit noch als Vorbild?<br />

Gerade heute. In Zeiten des Raubtierkapitalismus<br />

und der Bankenkrise stellt sich<br />

sein Wirken in der Rückschau noch positiver<br />

dar. Beitz hat die Macht der Banken<br />

immer abgelehnt – und sich stets für die Arbeitnehmer,<br />

den sozialen Ausgleich und die<br />

Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft<br />

eingesetzt. Das heißt nicht, dass er<br />

nicht ein Unternehmer wäre, der seine Interessen<br />

notfalls knallhart durchsetzen will.<br />

Aber dennoch, diese Ideale sind aktueller<br />

denn je. Es gibt heute, auch bedingt durch<br />

den Krieg, einen Mangel an Vorbildern in<br />

der alten Generation. Bei den wenigen, die<br />

noch da sind – Helmut Schmidt, Richard<br />

von Weizsäcker, Berthold Beitz – schaut<br />

man deshalb umso begieriger, was man von<br />

ihnen lernen kann.◄<br />

JOACHIM KÄPPNER: Berthold Beitz.<br />

Die Biographie. Mit einem Vorwort von<br />

Helmut Schmidt. Berlin Verlag, Berlin 2010<br />

1987<br />

Der Protest<br />

Altbundespräsident Theodor Heuss<br />

(links) und Berthold Beitz (Mitte) im<br />

Gespräch mit dem Architekten Ludwig<br />

Mies van der Rohe (rechts) in der Villa<br />

Hügel am 22. August 1961.<br />

Die Stilllegung des Hüttenwerks in Rheinhausen<br />

wird beschlossen. Die Beschäftigten<br />

demonstrieren mit zahlreichen<br />

Aktionen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach (rechts) mit Berthold Beitz, 1. April 1967.<br />

1992<br />

Die Mehrheit<br />

<strong>Krupp</strong> erwirbt 1991 die Mehrheit an der<br />

Hoesch AG in Dortmund. Per Verschmelzung<br />

wird 1992 die Fried. <strong>Krupp</strong> AG<br />

Hoesch-<strong>Krupp</strong> gegründet.<br />

|37


38|<br />

Eine so lange<br />

Geschichte ist<br />

beeindruckend<br />

Im Interview: Dr. Heinrich Hiesinger<br />

Vorsitzender des Vorstandes von<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong> / Von Lothar Petzold<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong>. Das ist Verantwortung<br />

und Herausforderung zugleich. Was lehrt<br />

eine so lange und reiche Tradition?<br />

Eine so lange und erfolgreiche Geschichte<br />

ist beeindruckend. Es gibt nicht viele Unternehmen,<br />

die eine solche Historie vorweisen<br />

können. Diese Tradition ist überall im Konzern<br />

zu spüren. Es fällt auf, wie stark die Identifikation<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

mit unserer Firma ist und welche Motivation<br />

daraus erwächst. Tradition bedeutet in unserem<br />

Unternehmen aber auch Aufbruch und<br />

Bereitschaft, sich künftigen Erfordernissen<br />

zu stellen, sich zu erneuern und strategisch<br />

weiter zu entwickeln. In den vergangenen<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong>n ist es uns immer wieder gelungen,<br />

Tradition und Innovation zu verbinden. Lange<br />

Geschichte ist ohne ständige Erneuerung nicht<br />

möglich.<br />

Dazu gehört auch ein verantwortungsvoller<br />

Umgang mit den Mitarbeitern?<br />

Auf jeden Fall. Die Sozialpolitik unseres<br />

Unternehmens war immer vorbildlich. Alfred<br />

und Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong> waren nicht nur<br />

unternehmerische Visionäre, sondern haben<br />

auch im sozialen Bereich beispielsweise mit<br />

Krankenkasse, Krankenhaus und Wohnungsbau<br />

Maßstäbe gesetzt. Das Wohl ihrer Beschäftigten<br />

war ihnen immer ein wichtiges Anliegen.<br />

Daraus ergibt sich für jeden Vorstand<br />

und jede Führungskraft von Thyssen<strong>Krupp</strong><br />

eine ganz besondere Verantwortung gegenüber<br />

dem Unternehmen und seinen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern. Wir führen die Tradition<br />

der Unternehmerfamilie <strong>Krupp</strong> fort, indem<br />

wir langfristig und nachhaltig planen, verant-<br />

1999<br />

Die Fusion<br />

Die Thyssen AG und<br />

die Fried. <strong>Krupp</strong> AG<br />

Hoesch-<strong>Krupp</strong> fusionieren<br />

zur Thyssen<strong>Krupp</strong> AG.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

Dr. Heinrich Hiesinger<br />

ist Vorstands-<br />

Vorsitzender von<br />

Thyssen<strong>Krupp</strong>.<br />

wortungsvoll handeln und unserer sozialen<br />

Verantwortung gerecht werden.<br />

<strong>Krupp</strong> war immer für sein soziales<br />

Engagement bekannt. Eigene, moderne<br />

Wohnsiedlungen, der <strong>Krupp</strong>sche Konsum<br />

und zahlreiche weitere Einrichtungen waren<br />

Errungenschaften in der Vergangenheit. Wie<br />

stellt sich das Verhältnis zwischen Belegschaft<br />

und Unternehmen heute dar?<br />

Das Unternehmen <strong>Krupp</strong> hat sich in<br />

schwierigen Phasen immer wieder neu erfunden<br />

– dank seiner hervorragenden Mitarbeiter.<br />

<strong>Krupp</strong>s Wettbewerbsfähigkeit war dabei immer<br />

Voraussetzung und Ergebnis eines vertrauensvollen<br />

Verhältnisses zwischen Belegschaft<br />

und Unternehmen. Auch wenn Produktzyklen<br />

immer kürzer werden und der Wettbewerb<br />

zunimmt, bleibt das eine der Grundfesten<br />

unserer Unternehmenskultur. Vor allem die<br />

Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Deutschland<br />

sehen wir bei Thyssen<strong>Krupp</strong> als eines<br />

der Geheimnisse unserer langen erfolgreichen<br />

Unternehmensgeschichte.<br />

Mit Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit<br />

hat <strong>Krupp</strong> Umbrüche und schwierige<br />

Zeiten erfolgreich überstanden. Inwiefern<br />

knüpfen Sie heute daran an?<br />

Gerade in schwierigen Zeiten sind klare,<br />

langfristige Perspektiven und unternehme-<br />

2010<br />

Die Kunst<br />

Eröffnung des von der Alfried<br />

<strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach-<br />

Stiftung fi nanzierten Neubaus<br />

des Museum Folkwang in Essen.<br />

rischer Mut notwendig. Derzeit ist das wirtschaftliche<br />

Umfeld von einer großen Unsicherheit<br />

geprägt. Die beste Vorbereitung auf einen<br />

möglichen Abschwung ist immer die Beseitigung<br />

eigener Schwachstellen. Umso wichtiger<br />

ist die Umsetzung unserer im Mai beschlossenen<br />

strategischen Weiterentwicklung. Dadurch<br />

werden wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Thyssen<strong>Krupp</strong> nachhaltig verbessern.<br />

Hier sind wir auf einem guten Weg und<br />

machen deutliche Fortschritte.<br />

Wie wichtig ist Innovation? Das Unternehmen<br />

hat immer mit innovativen Produkten<br />

weltweit gepunktet.<br />

Das tun wir auch heute. Ständige Innovation<br />

ist Voraussetzung für Erfolg. Von den nahtlos<br />

geschmiedeten Eisenbahnradreifen bis zu<br />

Großwälzlagern und Ringen in Windenergieanlagen<br />

und Gezeitenkraftwerken führt eine<br />

gerade Linie technologischer Entwicklung.<br />

Dieser Anspruch ist auch in unserem Leitbild<br />

verankert: Wir entwickeln die Zukunft für Sie.<br />

Die Wurzeln des Unternehmens liegen im<br />

Stahl. Sehen Sie darin eine Verpflichtung für<br />

die Zukunft?<br />

Alle drei Unternehmen, in denen Thyssen-<br />

<strong>Krupp</strong> seinen Ursprung hat, sind mit dem<br />

Stahl groß geworden: <strong>Krupp</strong>, Thyssen und<br />

Hoesch. Der Qualitätsflachstahl bildet eine


2010<br />

Das Quartier<br />

tragende Säule unseres diversifizierten<br />

Industriekonzerns. Denken Sie<br />

nur an unsere Großinvestitionen in<br />

Brasilien und in den USA. Das sind<br />

Investitionen für Jahrzehnte. Aber wir<br />

können natürlich viel mehr als Stahl,<br />

und das werden wir verstärkt zeigen.<br />

Schon heute macht der Technologiebereich<br />

unseren Konzern robuster.<br />

Neben dem Stahl: Wie wollen Sie<br />

den Konzern technologisch für die<br />

Zukunft ausrichten?<br />

Heute leben sieben Milliarden<br />

Menschen auf der Erde. Im Jahr 2050<br />

werden es geschätzte neun Milliarden<br />

sein. In 40 <strong>Jahre</strong>n werden zwei Drittel<br />

der Menschheit in stetig wachsenden<br />

urbanen Ballungsräumen leben. Es<br />

wird mehr konsumiert und damit<br />

auch mehr produziert. Dieser steigende<br />

Bedarf nach „mehr“ eröffnet<br />

enorme Wachstumschancen für Thyssen<strong>Krupp</strong>.<br />

Doch die Welt hat nicht<br />

nur Bedarf nach „mehr“, sondern vor<br />

allem nach „besser“. Und gerade hier<br />

liegen die Stärken von Thyssen<strong>Krupp</strong>:<br />

Unsere Engineering-Kompetenz ermöglicht es unseren<br />

Kunden, sich im weltweiten Wettbewerb zu differenzieren<br />

und innovative Produkte wirtschaftlich und<br />

ressourcenschonend herzustellen. Sie tragen dazu bei,<br />

die Nachfrage nach „mehr“ zu befriedigen, und zwar<br />

in einer Art und weise, die „besser“ ist – besser für den<br />

Kunden, besser für die Umwelt, besser für uns alle.<br />

Einige Beispiele?<br />

Wir bieten innovative Hightech-Werkstoffe und<br />

Komponenten für die Automobilindustrie. Sie machen<br />

Autos leichter und mindern dadurch CO2-Emissionen.<br />

Fassadenelemente von Thyssen<strong>Krupp</strong> helfen beim<br />

Energiesparen. Oder unsere Aufzüge, die heute deutlich<br />

weniger Energie verbrauchen, unsere hocheffizienten<br />

Zement- und Düngemittelanlagen, die Wälzlager und<br />

Ringe für Windenergieanlagen. Ein Beispiel für unsere<br />

führende Engineering-Kompetenz sind auch die<br />

Produktionsanlagen für Lithium-Ionen-Zellen. Diese<br />

Aufzählung ließe sich fortführen.<br />

Die Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach-Stiftung<br />

ist mit 25,3 Prozent der größte Anteilseigner des<br />

Konzerns. Wie wichtig ist das für Thyssen<strong>Krupp</strong>?<br />

Es ist ein gutes Gefühl und gibt Sicherheit, einen<br />

starken und verlässlichen Aktionär zu haben, der<br />

langfristig denkt und handelt. Damit ist die Basis für<br />

eine nachhaltige Unternehmensführung geschaffen. Die<br />

Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und Halbach-Stiftung ist<br />

für die Firma ein echter Glücksfall. Das ist meine feste<br />

Überzeugung.◄<br />

Das Thyssen<strong>Krupp</strong> Quartier wird am 17. Juni in<br />

Essen eröffnet. Der Konzern verlegt seinen<br />

Hauptsitz von Düsseldorf nach Essen.<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong><br />

|39<br />

Besonderes Unternehmen<br />

Von Bärbel Brockmann und Hans-Willy Bein<br />

Der Name <strong>Krupp</strong> steht für einen Weltkonzern und gleichzeitig für eine<br />

Familiendynastie. Beides war stets eng miteinander verbunden und ist<br />

es – in gewisser Weise – noch heute.<br />

Basis für den Weltruhm war die kurz nach der Firmengründung im <strong>Jahre</strong><br />

1811 begonnene Herstellung von Gussstahl. Er war der Ausgangspunkt für<br />

breit gefächerte Geschäftsaktivitäten, auf die sich der heutige Thyssen<strong>Krupp</strong>-<br />

Konzern zum Teil noch immer stützt.<br />

Vom Stahl über den Anlagen- und Schiffbau, die Produktion von Aufzügen<br />

bis zu Industrie-Dienstleistungen reicht die Palette des Konzerns mit seinen<br />

über 177.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von über 43 Milliarden<br />

Euro (im Geschäftsjahr <strong>200</strong>9/2010).<br />

1903 war <strong>Krupp</strong> erstmals in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden.<br />

Bis auf ganze vier Aktien blieben aber alle Anteile im Familienbesitz. Über<br />

die Zwischenstation der Fried. <strong>Krupp</strong> GmbH wird das Unternehmen nach der<br />

Übernahme des Konkurrenten Hoesch im März 1992 dann wieder Aktiengesellschaft<br />

und kommt im Januar 1993 schließlich an die Börse.<br />

Längst ist Thyssen<strong>Krupp</strong> angesehenes Mitglied im Deutschen Aktienindex<br />

Dax, einer erlauchten Gesellschaft von 30 führenden Börsenunternehmen.<br />

Ein klassisches Kapitalmarktunternehmen also. Gleichzeitig gilt der Konzern<br />

Börsianern immer noch als eine Art Familienunternehmen – wobei die Rolle<br />

der „Familie“ der Alfried <strong>Krupp</strong> von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung zukommt.<br />

Die Stiftung hält 25,3 Prozent am Unternehmen<br />

und ist mit Abstand der größte Einzelaktionär. Sie<br />

bestimmt im Aufsichtsrat den Weg mit, den das<br />

Unternehmen strategisch geht. Drei Vertreter der<br />

Stiftung passen im Kontrollgremium auf, dass die<br />

Führung des Konzerns den Pfad nicht verlässt, den<br />

der „letzte <strong>Krupp</strong>“, Alfried, seinem Vertrauten und<br />

langjährigen Generalbevollmächtigten Berthold<br />

Beitz 1967 vorzeichnete: die Einheit des Unternehmens<br />

zu wahren.<br />

Als Vorstandsvorsitzender der <strong>Krupp</strong>-Stiftung<br />

hat der inzwischen 98-jährige Beitz die Fäden in<br />

der Hand. Denn mit über einem Viertel der Anteile<br />

verfügt er über eine so genannte Sperrminorität.<br />

Damit kann er Grundsatzentscheidungen, die in der<br />

Hauptversammlung mit einer Drei-Viertel-Mehrheit<br />

beschlossen werden müssen, verhindern. Eine<br />

feindliche Übernahme ist damit quasi ausgeschlos-<br />

Montage des Firmenzeichens<br />

auf der<br />

<strong>Krupp</strong>schen Messehalle,<br />

Hannover, 1961.<br />

sen. Diese Sperrminorität, verbunden mit dem erklärten Ziel, selbstständig zu<br />

bleiben, erklärt auch, warum Thyssen<strong>Krupp</strong> während der Konsolidierungsphase<br />

der weltweiten Stahlindustrie, die vor ein paar <strong>Jahre</strong>n in der Gründung<br />

von ArcelorMittal als neuem Marktführer gipfelte, nicht von internationalen<br />

Wettbewerbern angegriffen wurde. Erst recht hält sie das Interesse der so<br />

genannten Heuschrecken im Zaum, die als Private-Equity-Gesellschaften oder<br />

Hedge-Fonds Unternehmen häufig nur zu dem Zweck übernehmen, sie zu<br />

zerschlagen und in Teilen weiterzuverkaufen.<br />

Auch in punkto Kontinuität erinnert Thyssen<strong>Krupp</strong> eher an ein klassisches<br />

Familienunternehmen als an einen nur von den Launen des Kapitalmarktes<br />

bestimmten Konzern.◄


Tradition verbindet<br />

125 <strong>Jahre</strong> lang stand wenige Meter von hier das Original des <strong>Krupp</strong>schen Stammhauses. 1818/1819<br />

als Betriebsleiterhäuschen für die zweite Schmelzhütte von Friedrich <strong>Krupp</strong> im Niemandsland vor<br />

den Toren Essens gebaut, wurde es schon nach wenigen <strong>Jahre</strong>n zum Wohnsitz der <strong>Krupp</strong>s. Ihr gesamtes<br />

Vermögen, inklusive des imposanten Wohnhauses am Essener Flachsmarkt, war in die Firma<br />

geflossen, die erst Jahrzehnte später begann, Gewinne zu machen. Nach und nach wuchsen Werkstätten,<br />

Schornsteine und Maschinenhallen um das kleine Fachwerkhaus herum. 1873 zogen die<br />

<strong>Krupp</strong>s in die herrschaftliche Villa Hügel, doch das Stammhaus blieb – heimeliger Exot in der großindustriellen<br />

Umgebung – der emotionale Ankerpunkt von Familie und Konzern. Trotz des Umzugs<br />

zum „Hügel“ wurden 1887 Alfred und 1902 auch Friedrich Alfred <strong>Krupp</strong> nach ihrem Tod nicht von<br />

der Villa, sondern vom Stammhaus aus zur letzten Ruhestätte gefahren.<br />

1944 wurde das Stammhaus durch Bombenangriffe zerstört, doch die Wertschätzung blieb<br />

erhalten: 1961 ließ <strong>Krupp</strong> zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum diesen originalgetreuen Nachbau errichten.<br />

Und seit Mitte 2010 der Thyssen<strong>Krupp</strong>-Konzern wieder zu seinen Essener Wurzeln zurückgekehrt<br />

ist, hat das kleine Stammhaus mit dem Glas- und Stahl-Kubus der Zentrale auch wieder<br />

einen adäquaten Nachbarn. (tr)<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krupp</strong>: Vergangenheit & Zukunft

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