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Belarus- - Internationales Bildungs

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Mehr Waisen und weniger Kriminelle?<br />

<strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34<br />

Innenpolitik<br />

(Andrej Netrebko, Minsk) Alexander Lukaaschenko hat entmündigte eltern durch ein dekret dazu gezwungen,<br />

ab 2007 die staatliche fürsorge für ihre Kinder selber zu bezahlen. Alkoholiker sollen notfalls<br />

zur Arbeit gezwungen werden. Gleichzeitig wird die schnelle entmündigung vereinfacht.<br />

„Es reicht jetzt mit der Schönrednerei<br />

und den theoretischen Überlegungen.<br />

Eltern, die ihre Kinder<br />

gegen Alkohol, Drogen und ein<br />

wildes Leben eingetauscht haben,<br />

sollten nicht nur hart, sondern brutal<br />

behandelt werden!“. Mit diesen<br />

Worten charakterisierte Alexander<br />

Lukaschenko sein neues Dekret,<br />

dass die Staatskasse schonen und<br />

„den sozialen Abstieg von Familien“<br />

verhindern soll.<br />

KINder IN GefAHr<br />

Indes hat der belarussische <strong>Bildungs</strong>minister<br />

Alexander Radkov<br />

erschreckende Zahlen vorgelegt:<br />

26.000 belarussische Kinder werden<br />

von ihren Eltern nicht ausreichend<br />

mit Nahrung und Kleidung<br />

versorgt. Der Staat gebe deshalb<br />

über 60 Mio. Euro jährlich für die<br />

Unterstützung dieser Familien<br />

aus. Somit sei das neue Dekret ein<br />

Schritt in die richtige Richtung, um<br />

unmotivierte und alkoholkranke<br />

Eltern zur Verantwortung zu ziehen<br />

und gleichzeitig das Budget zu<br />

entlasten, findet Radkov. Der Staat<br />

müsse zudem rechtzeitig die Kinder<br />

aus solchen Problemfamilien<br />

herausholen wenn nötig, erklärte<br />

der <strong>Bildungs</strong>minister.<br />

VOLLe NACHZAHLuNG<br />

Momentan wird das Dekret in<br />

der Präsidialadministration überarbeitet.<br />

Zum 1. Januar 2007 soll<br />

es in Kraft treten. Dann werden<br />

entmündigte Eltern den Unterhalt<br />

ihrer Kinder voll tragen müssen.<br />

Der Staat soll zu diesem Zweck<br />

sogar zu einem für <strong>Belarus</strong> neuen<br />

Mittel greifen: bezahlte Zwangsarbeit.<br />

Dies verkündete die stellvertretende<br />

Leiterin der Präsidialadministration,<br />

Natalja Petkewitsch,<br />

auf einer Sitzung zu Fragen des<br />

staatlichen Kinderschutzes.<br />

eNTMüNdIGuNG uNd<br />

GefäNGNIs<br />

Außerdem , erklärte die Vizechefin<br />

der Präsidialadministration,<br />

würden Entmündigungen vereinfacht<br />

werden, um Kinder aus<br />

Problemfamilien zu schützen.<br />

Nach dem Dekret könne nun die<br />

lokale Verwaltung über die Entmündigung<br />

zunächst ohne ein<br />

richterliches Urteil entscheiden.<br />

Erst nach drei Monaten müsse<br />

sich die Behörde entweder an ein<br />

Gericht wenden oder das Kind an<br />

die Familie zurückgeben. Alexander<br />

Lukaschenko bekräftigte, dass<br />

zahlungsunwillige oder -unfähige<br />

Eltern ein Strafverfahren erwarte.<br />

„Wenn sie nicht zahlen können,<br />

dann müssen wir sie - wie grob das<br />

auch klingen mag - ins Gefängnis<br />

stecken und von dort aus arbeiten<br />

schicken.“<br />

KrITIK der OPPOsITION<br />

Vertreter der belarussischen Opposition<br />

halten das Projekt für einen<br />

Fehler. Es könne niemanden vor<br />

der Verwaisung schützen, erklärte<br />

der Vorsitzende der Vereinigten<br />

Bürgerpartei, Anatolij Lebedko.<br />

Seiner Meinung nach müsse der<br />

Staat sich vielmehr darum kümmern,<br />

gute Lebens- und Arbeitsbedinungen<br />

für seine Bürger zu<br />

schaffen. Deren Fehlen bringe die<br />

Menschen dazu zu trinken und<br />

ihre Kinder in Heime abzuschieben.<br />

Die Zahl der Waisenkinder<br />

werde wohl kaum dadurch sinken,<br />

dass man ihre Eltern ins Gefängnis<br />

wirft, bemängelt Lebedko das präsidiale<br />

Dekret.<br />

„sIebeN TAGe dIe WOCHe“<br />

Lukaschenko hingegen ist überzeugt,<br />

dass die Abschreckung<br />

wirken wird. Außerdem könne<br />

der Staatshaushalt durch die<br />

Zahlungen der Eltern entlastet<br />

werden, denn es gebe in <strong>Belarus</strong><br />

genug Arbeit für verantwortungslose<br />

Eltern. „Schickt sie in<br />

die Kolchosen, auf den Bau, lasst<br />

sie schwerste Arbeit verrichten,<br />

unabhängig von ihrer Ausbildung.<br />

Sie sollen arbeiten, 24 Stunden am<br />

Tag, sieben Tage die Woche.“ Der<br />

Staat, meinte Lukaschenko, habe<br />

genug zu tragen an den Kosten für<br />

jene Waisenkinder, deren Eltern<br />

in Erfüllung ihrer bürgerlichen<br />

Pflichten starben. Er könne nicht<br />

auch noch die Kosten für jene tragen,<br />

deren Eltern kein Gefühl für<br />

Verantwortung hätten.<br />

sTAATLICHe KONTrOLLe<br />

Lukaschenko beauftragte deshalb<br />

das Innenministerium damit,<br />

dafür zu sorgen, dass die betroffenen<br />

Eltern am zugewiesenen Arbeitsplatz<br />

erschienen. „Das wird<br />

strengstens kontrolliert werden.<br />

Das Dekret muss funktionieren“,<br />

verkündete Lukaschenko. Auch<br />

das belarussische Arbeitsamt<br />

stehe in der Verantwortung: „Die<br />

Regierung muss das Amt vor konkrete<br />

Aufgaben stellen und es für<br />

deren Erfüllung verantwortlich<br />

machen, ansonsten wird es geschlossen!“,<br />

drohte der Präsident.<br />

Die Rechnung der Staatsführung<br />

muss jedoch nicht unbedingt<br />

aufgehen. Nach Meinung von<br />

Experten werde das Staatsbudget<br />

zwar einerseits durch das Dekret<br />

entlastet. Allerdings rechnen Analytiker<br />

auch mit einem Anstieg<br />

der Staatsausgaben aufgrund der<br />

neuen Gefängnisinsassen. Denn<br />

etwa zehntausend Eltern wären in<br />

<strong>Belarus</strong> ab Januar von dem Dekret<br />

betroffen und dürften sich in naher<br />

Zukunft hinter Gittern wiederfinden.<br />

Eine nicht zu unterschätzende<br />

Belastung für den Staatshaushalt.

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