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Belarus- - Internationales Bildungs

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Innenpolitik<br />

„Das habe ich nicht nötig“<br />

LuKAsCHeNKO WILL KeINe KüNsTLICHe sTAATsPArTeI<br />

(Andrej Alexandrowitsch, Minsk). Alexander Lukaschenko hat im August einer belarussischen „Partei<br />

der Macht“ nach russischem Vorbild eine klare Absage erteilt. Lukschenko meinte, er wolle keine solche<br />

Partei „von oben“ schaffen. somit lässt der Präsident bewusst spielraum für Initiativen „von unten“.<br />

Bereits seit einigen Jahren unternimmt<br />

der belarussische Staat regelmäßig<br />

den einen oder anderen<br />

Versuch, eine „Partei der Macht“<br />

zu schaffen. Da bisher allerdings<br />

kein klarer Befehl vom Präsidenten<br />

kam, sind die Aktivitäten alle im<br />

Sande verlaufen. Das jüngste Beispiel<br />

stammt aus dem Jahre 2004:<br />

Die Grodnoer NGO „Belaja Rus“.<br />

Fabrikchefs, Chefärzte und andere<br />

hochgestellte Staatsbedienstete<br />

schufen die Organisation, die sich<br />

wortgetreu an Slogans wie „Für<br />

ein starkes und blühendes <strong>Belarus</strong>“<br />

hielt. Den Präsidenten schien<br />

das jedoch kalt zu lassen. Alexander<br />

Lukaschenko machte keine<br />

Anstalten, sich persönlich für „Belaja<br />

Rus“ stark zu machen, so dass<br />

die Organisation auf das Grodnoer<br />

Gebiet beschränkt blieb.<br />

Treues VOLK<br />

Im Juni dann machte Lukaschenko<br />

klar, dass er auch weiterhin keine<br />

Partei braucht: „Ich habe das nicht<br />

nötig. Das Volk wird mir sowieso<br />

nie etwas abschlagen“, erklärte<br />

der Staatschef. Allerdings, ließ<br />

Lukaschenko durchblicken, habe<br />

er grundsätzlich nichts dagegen.<br />

Im August dann schien sich der<br />

Präsident von dem Gedanken<br />

doch endgültig verabschiedet zu<br />

haben. „Ich würde in <strong>Belarus</strong> kein<br />

„Einiges <strong>Belarus</strong>“ schaffen“ erklärte<br />

er auf einer Pressekonferenz für<br />

russische Journalisten und spielte<br />

dabei auf die russische Staatspartei<br />

„Einiges Russland“ an. „Ich<br />

als Historiker habe mich dem<br />

Studium des Parteiaufbaus sehr<br />

intensiv während meiner Zeit am<br />

Institut für Marxismus-Leninismus<br />

widmen können. Und eines<br />

habe dabei gelernt: Eine beliebige<br />

Partei oder Organisation wird nur<br />

dann vernünftig funktionieren,<br />

wenn sie nicht von oben künstlich<br />

geschaffen wird. Alles muss von<br />

selber wachsen und reifen.“<br />

sCHWACHe PArTeIeN<br />

Lukaschenko stellte zudem fest,<br />

dass trotz seiner Unterstützung<br />

für „viele einzelne Parteien“ diese<br />

Strukturen „irgendwie nicht wachsen“.<br />

„Ich bin überzeugt, dass es<br />

diese Tendenz auch in Russland<br />

gibt“, meinte der Präsident zu den<br />

Journalisten. Dies sei nur einer der<br />

Gründe, warum es keinen Sinn<br />

mache, eine „Partei der Macht“ zu<br />

gründen. Zudem würde eine solche<br />

Partei in jedem Fall zu einem<br />

Sammelbecken für Staatsangestellte.<br />

„Wozu soll ich heute künstlich<br />

eine Partei schaffen - damit die<br />

Staatsbeamten neben staatlichen<br />

auch noch auf den Sesseln von<br />

Parteien und NGOs sitzen?“ Die<br />

Macht im Lande habe er bereits mit<br />

Hife seiner staatlichen „Vertikale“<br />

ausgezeichnet im Griff, bemerkte<br />

Lukaschenko. „Wenn du die<br />

Macht behalten willst, halte sie mit<br />

Hilfe dieser Vertikale!“ erkäuterte<br />

er den russischen Journalisten.<br />

VOrsICHTIGer sTAATsCHef<br />

Experten vermuten indessen, dass<br />

Lukaschenko schlichtweg Angst<br />

davor hat, seinen Namen mit einer<br />

Partei zu verbinden, da keine von<br />

den heute existierenden sich einer<br />

soliden Popularität erfreue. Zudem,<br />

meinen die politischen Beobachter,<br />

sei die Gefahr einer Blamage<br />

relativ hoch, denn die Zahl der<br />

aktiven Mitglieder einer solchen<br />

Partei zeige der Öffentlichkeit,<br />

wie viele engagierte Mitsreiter der<br />

Präsidenten tatsächlich habe. Sollte<br />

sich der Präsident jedoch seiner<br />

„Vertikale“ bedienen, um Mitglieder<br />

zwangsweise zu rekrutieren,<br />

laufe er Gefahr, einen Koloss auf<br />

tönernen Füßen zu schaffen. Denn<br />

falls der politische Druck auf Lukaschenko<br />

steigt, würde die Partei<br />

ihm keinen nötigen Rückhalt bieten.<br />

Aus diesem Grunde wohl geht<br />

der Präsident nur sehr vorsichtig<br />

mit seiner Jugendorganisation um<br />

- der <strong>Belarus</strong>sischen Republikanischen<br />

Union der Jugend (BRSM).<br />

Lukaschenko scheint sich bewusst<br />

zu sein, dass die Hunderttausenden<br />

von Mitgliedern, die mit<br />

Hilfe administrativen Drucks und<br />

Preisnachlässen für Diskotheken<br />

angeworben wurden, keine sehr<br />

verlässliche Basis für schwere<br />

Stunden sind.<br />

KONTrOLLVerLusT?<br />

Außerdem besteht die Gefahr,<br />

dass die Mitglieder einer solchen<br />

Partei eigenes politisches Engagement<br />

entwickeln, unabhängig<br />

von präsidialen Vorgaben. Längerfristig<br />

könnte die Partei so ihren<br />

Führer „absägen“. Lukaschenko<br />

weiß sehr gut, dass die heute existierenden<br />

Ideologieabteilungen im<br />

Prinzip bereits „Parteiaufgaben“<br />

erfüllen, ohne dabei Gefahr zu laufen,<br />

allzu selbstständig zu werden,<br />

weil sie direkt in die „Vertikale“<br />

eingegliedert sind. Zwar, meinen<br />

Experten, könnte eine „Partei der<br />

Macht“ entstehen, falls beispielsweise<br />

demokratisch eingestellte<br />

Parlamentsabgeordnete die Initiative<br />

dazu ergreifen. Allerdings<br />

erscheint diese Perspektive bei den<br />

passiven, staatstreuen belarussischen<br />

Abgeordneten heutzutage<br />

dermaßen unrealistisch, dass es<br />

tatsächlich keinen Sinn machen<br />

würde, eine künstliche „Partei der<br />

Macht“ zu schaffen.<br />

<strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34

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