Belarus- - Internationales Bildungs
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Kultur & Wissenschaft<br />
„Weg von den Klischees“<br />
(Gerhard ende, berlin) Anfang Oktober hat in berlin das belarussische Kulturfestival „good.by“ stattgefunden.<br />
Hunderte Interessierte konnten eine ganze Woche lang belarussische Kultur erleben: von Performance<br />
über Spielfilm, Dichterlesung bis zur Bilderausstellung war praktisch das gesamt Sprektrum alternativer,<br />
sehenswerter belarussicher Kultur abgedeckt.<br />
„Viele Europäer kennen heute<br />
<strong>Belarus</strong>“, meinte die junge <strong>Belarus</strong>sin<br />
Marija Nestserava, eine<br />
der Hauptorganisatorinnen der<br />
Veranstaltungsreihe, bei der Eröffnung.<br />
Allerdings würden viele<br />
Menschen <strong>Belarus</strong> ausschließlich<br />
als politischen Brennpunkt wahrnehmen.<br />
„Wir wollten den Menschen<br />
zeigen, dass die moderne<br />
belarussische Kultur für sich wertvoll<br />
ist, ohne den Beigeschmack<br />
von Politik.“ Vierzig belarussische<br />
Künstler waren der Einladung von<br />
Nestseravas Kulturinitiative „In<br />
Common“ gefolgt. Die drei jungen<br />
<strong>Belarus</strong>sinnen von „In Common“<br />
hatten das Festival zusammen<br />
mit der deutsch-belarussischen<br />
Studenteninitiative „Lahoda“ aus<br />
Frankfurt an der Oder und der<br />
belarussischen Künstlergruppe<br />
„Funlab“ auf die Beine gestellt.<br />
Das Konzept hatte sowohl den<br />
Fonds „Jugend für Europa“ der EU<br />
als auch die Stiftung „Erinnerung<br />
und Zukunft“ der Bundesregierung<br />
überzeugt.<br />
Auch die etablierte Minsker Theatergruppe<br />
des „Modernen Kunsttheaters“<br />
bekam die Möglichkeit,<br />
ihre Interpretation des Shakespeare-Lustspieles<br />
„Was ihr wollt“<br />
auf die Bühne der Berliner „Brotfabrik“<br />
zu bringen. Fünfzehn<br />
Schauspieler zeigten den Berliner<br />
Zuschauern, dass Shakespeare<br />
auch heute noch Spaß macht,<br />
und brannten ein Feuerwerk aus<br />
Späßen, Gesängen und Klangintermezzos<br />
ab. Ihre Requisiten<br />
waren simpel, doch universal zu<br />
verwenden: Mit Blechtöpfen ließen<br />
sich sowohl Ritterhelme als<br />
auch Brüste darstellen, die neben<br />
Strohalmen als Bärte ein zentrales<br />
Element für die Verwechslungskomödie<br />
waren. Das Publikum bog<br />
sich vor Lachen.<br />
100 Jahre unabhängige Presse<br />
Unter den Künstlern waren auch<br />
Stars der belarussischen Kulturszene<br />
wie die Percussion-Band<br />
„Drum Extasy“. Deren Mitglied<br />
Fillip Tschmyr erklärte, zwar sei<br />
die gesamte belarussiche Kulturszene<br />
mehr oder weniger durch<br />
die angespannte Lage politisiert.<br />
Dennoch unterstrich Tschmyr,<br />
seine Band habe „mit Politik<br />
nichts zu tun“. Ihm pflichtete der<br />
bekannteste postmoderne Dichter<br />
des Landes Andrej Chadanowitsch<br />
bei und freute sich, nicht gleich<br />
mit dem Klischee des Oppositionsdichters<br />
versehen worden zu<br />
sein. „Wir wollten alternativen<br />
Künstlern eine Bühne geben, auf<br />
der sie auch als Künstler wahrgenommen<br />
werden“, unterstrich<br />
Marija Nestserava. Das Festival<br />
war ein voller Erfolg - nun freut<br />
sich Nestserava schon auf weitere<br />
Projekte rund um <strong>Belarus</strong>, die sie<br />
mit ihren Kolleginnen plant.<br />
(Gerhard ende, berlin) die Kulturzeitung „Nascha Niva“ hat dieses Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert.<br />
die deutsch-belarussische Gesellschaft (dbg) organisierte dazu im september Lesungen in berlin.<br />
Die Abende standen unter dem<br />
Motto „100 Jahre Nascha Niva -<br />
eine starke Stimme aus <strong>Belarus</strong>“.<br />
„Denn trotz schwieriger politischer<br />
Bedingungen“, so sagte der<br />
Organisator und Kulturbeauftragte<br />
der dbg, Ingo Petz, „ist es der<br />
Zeitung immer wieder gelungen,<br />
starke journalistische und kulturelle<br />
Stimmen hervorzubringen.“<br />
Mit dieser Meinung stand Petz<br />
nicht alleine. Denn die Veranstaltung<br />
hatte neben der Robert-<br />
Bosch-Stiftung und der Deutschen<br />
Welle als hochkarätige finanzielle<br />
Unterstützer auch die Deutsche<br />
Botschaft Minsk als Schirmherrn<br />
gewinnen können.<br />
In der LiteraturWerkstatt leitete<br />
Rainer Lindner, Vorsitzender der<br />
dbg, den Abend mit einem kurzen<br />
Referat über die Gründungsgeschichte<br />
der Zeitung ein. Der heutige<br />
Chefredakteur von „Nascha<br />
Niva“ Andrej Dynko trug einen<br />
Essay zum Thema „Freiheit“ vor.<br />
Darin kritisierte er vor allem die<br />
Intelligenz in seinem Land, die<br />
sich zwischen 1995 und 2000 von<br />
hehren, doch irrationalen Ideen<br />
habe leiten lassen. Dynko sieht die<br />
Rolle von Nascha Niva darin, „den<br />
Idealisten zu mehr Bodenhaftung“<br />
zu verhelfen. „Und den Realisten<br />
bringen wir ein bisschen das Träumen<br />
und das Fliegen bei. All das<br />
tun wir für ein Ziel: den Aufbau<br />
eines demokratischen <strong>Belarus</strong>.“<br />
Danach trug Andrej Chadanowitsch,<br />
einer der bekanntesten jungen<br />
Dichter des Landes, eine Reihe<br />
seiner teils ironisch-spielerischen,<br />
teils offen gesellschaftskritischen<br />
Werke vor. Musikalisch begleitet<br />
wurde der Abend von dem berühmtesten<br />
belarussischen Rocksänger<br />
und Songschreiber, Ljavon<br />
Volski. „Ich bin vollkommen<br />
begeistert“, sagte eine Zuschauerin,<br />
„ich wusste nicht, dass es in<br />
Weißrussland solche interessanten<br />
Töne und Stimmen gibt. Bitte mehr<br />
davon.“<br />
<strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34