Belarus- - Internationales Bildungs
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Nach Europa?<br />
<strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34<br />
Kultur & Wissenschaft<br />
(Ms) die evangelische Akademie in Wittenberg hat Mitte september die Konferenz „belarus zwischen<br />
eu und russland“durchgeführt. Vertreter aus Medien, NGOs, Kultur und Politik zeichneten ein facettenreiches<br />
Bild des Landes und waren sich in einem Punkt einig: <strong>Belarus</strong> gehört nach Europa.<br />
Ales Kudryzki, Kulturmanager<br />
der Robert-Bosch-Stiftung und<br />
gemeinsam mit der Evangelischen<br />
Akademie Organisator der Veranstaltung,<br />
betonte die Vielfältigkeit<br />
des Publikums: „Es sind Menschen<br />
gekommen, die Begegnungen mit<br />
<strong>Belarus</strong> organisieren, andere, die<br />
Politik machen, dritte, die aus<br />
dem Medienbereich kommen.“<br />
Tatsächlich fanden über 50 Teilnehmer<br />
aus ganz Deutschland<br />
den Weg in die Kleinstadt in Sachsen-Anhalt.<br />
Zur Eröffnung war<br />
auch der Deutsche Botschafter in<br />
<strong>Belarus</strong> Martin Hecker gekommen.<br />
Die Reihe mehrerer Podiumsgespräche<br />
eröffnete der ehemalige<br />
Leiter der OSZE-Mission in Minsk<br />
Hans-Georg Wieck. Er forderte,<br />
die EU müsse sich stärker für einen<br />
politischen Wandel in <strong>Belarus</strong><br />
engagieren.<br />
GeseLLsCHAfT WICHTIG<br />
Die schwierige Situation der belarussischen<br />
Presse stellte der deutsche<br />
Journalist Ingo Petz zusammen<br />
mit Andrej Dynko dar, dem<br />
Chefredakteur der belarussischen<br />
Kulturzeitung „Nascha Niwa“.<br />
Der ehemalige Leiter der OSZE-Mission in Minsk, Hans-Georg<br />
Wieck, im Gespräch mit dem Direktor der Evangelischen Akademie,<br />
Stephan Dorgerloh.<br />
Wie wichtig zivilgesellschaftliches<br />
Engagement in <strong>Belarus</strong> für eine<br />
stärkere Öffnung des Landes nach<br />
Europa ist, unterstrich die Hamburger<br />
Politikwissenschaftlerin<br />
Imke Hansen. Es gehe dabei um<br />
die Entwicklung eines Problembewusstseins,<br />
aber auch um ein größeres<br />
Vertrauen der Bürger in die<br />
eigenen Möglichkeiten. Hansen<br />
pflichtete ihr Gesprächspartner<br />
Andrej Kuseltschuk bei, Vertreter<br />
der Grodnoer NGO „Ratuscha“. Er<br />
unterstrich, dass es in <strong>Belarus</strong> fast<br />
900 NGOs gebe, mehr als in jedem<br />
anderen GUS-Land. Gleichzeitig,<br />
betonte Kuseltschuk, übe der belarussische<br />
Staat starken Druck auf<br />
viele von ihnen aus. Deshalb seien<br />
die zivilgesellschaftlichen Strukturen<br />
besonders auf Unterstützung<br />
aus Europa angewiesen.<br />
„sPrACHe“ sTATT „KIrCHe“<br />
Am dritten Konferenztag konnten<br />
sich die Teilnehmer auf thematische<br />
Arbeitsgruppen verteilen.<br />
Die Gruppe zu „Kirche in <strong>Belarus</strong>“<br />
kam leider nicht zustande, da dem<br />
Vizepräsidenten des Minsker Orthodoxen<br />
Zentrums Method und<br />
Cyrill, Grigorij<br />
Dovgijallo,<br />
die Teilnahme<br />
vom belarussischenMetropolitenFilaret<br />
untersagt<br />
worden war.<br />
Im Bereich des<br />
interkonfessionellen<br />
Dialogs<br />
müsse demnach<br />
noch viel<br />
getan werden,<br />
meinte dazu<br />
der Direktor<br />
der EvangelischenAkademie,<br />
Stephan<br />
Dorgerloh. Dafür interessierten<br />
sich viele Teilnehmer für die<br />
Arbeitsgruppe zu belarussischer<br />
Sprache, Religion und Kultur, die<br />
der Chefredakteur von „Nascha<br />
Niwa“ Andrej Dynko leitete. Er<br />
erklärte den neugierigen Teilnehmern<br />
bereitwillig die komplizierte<br />
Situation, in der sich die belarussische<br />
Sprache heute befindet: Von<br />
den <strong>Belarus</strong>sen als Muttersprache<br />
bezeichnet, vielfach totgesagt, ist<br />
sie nach Dynkos Worten dennoch<br />
Teil einer lebendigen Jugendkultur<br />
und Intellektuellenszene.<br />
beGeGNuNG<br />
Dass <strong>Belarus</strong> nicht nur sprachlich<br />
und politisch interessant ist,<br />
sondern auch als Begegnungsort<br />
im Herzen Europas, konnten<br />
die Teilnehmer am Abend des<br />
letzten Konferenztags erfahren.<br />
Jugendliche aus Estland und<br />
Deutschland zeigten einen Film<br />
über ihre trinationale Radtour<br />
von Minsk ins Baltikum, die die<br />
Evangelische Akademie im Sommer<br />
dieses Jahres organisert hatte.<br />
Die Jugendlichen erzählten, wie<br />
sie die gemeinsame Fahrt durch<br />
die belarussiche Natur über alle<br />
Sprachbarrieren hinweg einander<br />
näher gebracht hatte. Am letzten<br />
Tag erklärte der Vorsitzende der<br />
oppositionellen Partei der <strong>Belarus</strong>sischen<br />
Kommunisten, Sergej Kaljakin,<br />
dass Europa nicht nur eine<br />
zwischenmenschliche und zivilgesellschaftliche,<br />
sondern auch eine<br />
wirtschaftliche Perspektive für<br />
<strong>Belarus</strong> darstelle. Kaljakin meinte,<br />
die enge Anbindung an Russland<br />
habe zwar in der Vergangenheit<br />
dem Land große wirtschaftliche<br />
Vorteile gebracht. Allerdings sei<br />
es mit den billigen russischen Energieressourcen<br />
wohl bald vorbei<br />
- und dann müsse sich <strong>Belarus</strong><br />
stärker nach Europa orientieren.