Belarus- - Internationales Bildungs

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17.01.2013 Aufrufe

Nach Tschernobyl Austausch erwünscht (dr. Helmut domke/Monika Tharann, berlin) bürgerinitiativen, Vereine, schulen, Kirchengemeinden sowie Kinderheime aus deutschland und ihre Partnerorganisationen aus belarus und der ukraine waren vom 3. bis 6. Oktober 2006 nach Minsk zur Tagung „Von der Hilfe zu Partnerschaften - Perspektiven und Zusammenarbeit 20 Jahre nach Tschernobyl“ geladen. Organisatoren waren die Stiftung West-Östliche Begegnungen und das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund. Die Gäste aus Deutschland setzen sich seit Jahren selbstlos und mit großem Engagement für die Linderung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe ein, hatten jedoch bisher wenig oder keine Gelegenheit, am Austausch von Erfahrungen teilzunehmen und gemeinsam mit anderen Engagierten Ideen für eine Zusammenarbeit zu entwickeln. Wichtige Kooperationspartner der Veranstalter waren die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung, die nicht nur finanziell, sondern auch durch inhaltliche Beiträge zum Gelingen der Konferenz beitrugen, sowie das „Deutsch-Ukrainische Netz Nichtstaatlicher Organisationen“ aus Kiew. 20 JAHre dANACH Die Idee, 20 Jahre nach Tschernobyl eine Tagung durchzuführen zu den besonderen Herausforderungen für zivilgesellschaftliches Handeln heute, wurde von den Teilnehmern aus drei Ländern mit großem Interesse aufgegriffen. Wie viele der Tagungsteilnehmer feststellen konnten, war die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte (IBB) „Johannes Rau“ in Minsk ideal für die Tagung. Seit zwölf Jahren ist die IBB ein Ort des Austauschs zwischen Belarus und Deutschland, getragen vom Gedanken der Versöhnung nach zwei von Deutschland ausgegangenen Kriegen. Durch die Tschernobyl- Katastrophe ist Belarus erneut heimgesucht worden, mitten im Frieden. Damit wurden aber auch zahlreiche langfristige zivilgesellschaftliche Aktivitäten ausgelöst. Mehr als 500.000 Kinder aus den verstrahlten Regionen konnten sich seit der Reaktorkatastrophe in Deutschland erholen. Allein die Stiftung West-Östliche Begegnungen hat in den zwölf Jahren ihres Bestehens mehrere hundert Projekte mit Bezug zu Tschernobyl gefördert. Zahlreiche Vorhaben der sozialen Arbeit, des Umweltschutzes und der Bildung sind entstanden. So ist Tschernobyl auch zum Ausgangspunkt einer unabhängigen Bürgerbewegung in der Ukraine, in Belarus und in Russland geworden und hat eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit angestoßen. ersTe TAGuNG IHrer ArT Die Tagung zeichnete sich durch drei Besonderheiten aus: - Sie war die erste trilaterale Konferenz in Minsk, die Organisationen der humanitären Hilfe und sozialen Arbeit aus Belarus, der Ukraine und Deutschland zusammenbrachte. - Sie ermöglichte Vertretern staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen aus Belarus, der Ukraine und Deutschland, miteinander nationale, bilaterale und multinationale Möglichkeiten für gemeinsames Wirken zu diskutieren. - Sie bot den meisten bilateralen Partnerschaften erstmalig die Gelegenheit, andere Gruppen kennenzulernen, die in ähnlicher Weise engagiert sind, sowie Modelle für Kooperationen von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) untereinander oder mit Behörden und Verantwortungsträgern zu besprechen. Der deutsche Botschafter Herr Dr. Martin Hecker, der Vizepräsident der Nationalversammlung der Republik Belarus Herr Sergej Sabolotetz und weitere belarussische und ukrainische Parlamentsabgeordnete sowie der ehemalige Leiter der OSZE-Mission in Minsk, Botschafter a. D. Herr Dr. Eberhard Heyken beschrieben am ersten Tag der Konferenz die politischen Beziehungen zwischen den Ländern und staatliches Handeln im Blick auf die Rahmenbedingungen für nichtstaatliche Organisationen. Sie betonten übereinstimmend, dass bei den zwischen Deutschland und Belarus seit zehn Jahren stagnierenden offiziellen Beziehungen den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten besondere Bedeutung zukomme. dIsKussION MIT exPerTeN Gastgeber der Arbeitsgruppen „Humanitäre Hilfe und soziale Projektarbeit“, „Umweltprojekte“ und „Bildung und internationale Begegnungen“ waren jeweils kompetente Einrichtungen aus Minsk: die orthodoxe Gemeinde „Aller Trauernder Freude“, die Internationale Sacharow-Umwelt- Universität und das Institut für Berufliche Weiterbildung. Mit ihnen wurden konkrete Aktivitäten vorgestellt und diskutiert. Besonders wertvoll war die Anwesenheit des belarussischen Atomenergie-Experten Prof. Wassilij Nesterenko, dessen unabhängiges Institut für Strahlensicherheit BELRAD dabei hilft, durch einfache Mittel die Strahlenbelastung für Kinder zu verringern. Eine besonders nachhaltige Projektarbeit wird hier von deutschen Schulen geleistet, die im Rahmen ihrer Partnerschaften Messstellen an belarussischen Schulen betreiben und unterstützen. Prägend für die Tagung war der starke Wunsch nach Kommu- Belarus-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34

nikation: Der „Open Space“ wurde tatsächlich zu einem „Offenen Raum“, in dem die Teilnehmer intensiv ins Gespräch kamen, neue Ideen entwickelten und erste praktische Schritte dazu konkret verabredeten. PArTNersCHAfT... Das zentrale Thema der Tagung „Von der Hilfe zur Partnerschaft“ berührte wesentliche Fragen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: Wie können insbesondere Kindererholungsaufenthalte, Ferienlager, Krankenbetreuungen und Workcamps mit bisher ausschließlich karitativem Ansatz eine stärker partnerschaftliche Ausrichtung erhalten? Welche Einschränkungen sind dabei im Blick auf strahlungsbelastete Gebiete zu berücksichtigen? Wie kann ein breites gesellschaftliches Umfeld gewonnen und wie können die Projekte finanziell stabilisiert und damit langfristig gesichert werden? Und welche Formen der Kooperation von Bürgerinitiativen untereinander, national und international, mit Bildungseinrichtungen und Forschungsinstituten sowie mit staatlichen Behörden und politischen Verantwortungsträgern können dabei helfen? ...uNd NACHHALTIGKeIT Für die Stiftung West-Östliche Begegnungen, die seit Jahren für Kinder aus strahlungsbelasteten Gebieten Erholungsaufenthalte in Deutschland oder in nicht verstrahlten Regionen in Belarus bzw. anderen GUS-Ländern fördert, ist die Frage der Nachhaltigkeit humanitärer Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Die Tagung gab der Stiftung die Möglichkeit, mit den über viele Jahre geförderten Vereinen und Aktivitäten näher in Kontakt zu kommen und gemeinsam zu überlegen, wie Projekte im humanitären und sozialen Bereich nachhaltiger gestaltet und unterstützt werden können, so Belarus-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34 dass karitative Patenschaften zu wirklichen Partnerschaft e n w e r d e n können. Zu den wichtigstenErgebnissen der Konferenz gehört zweifelsohne, dass sie einen multilateralen Dialog in Gang gesetzt hat zwischen NGOs aus drei Ländern und politisch Verantwortlichen über die Zusammenarbeit und nachhaltige Projektgestaltung in dem von der Reaktorkatastrophe betroffenen Gebiet. Die Intensität, mit der von den Beteiligten aller Seiten dieser Dialog und seine Fortsetzung befürwortet wurde, hat die Veranstalter überrascht und zeigt einen dringenden Bedarf an, der insbesondere auch für die Arbeit von Stiftungen in der Ukraine und in Belarus Aufmerksamkeit verdient. Künftig sollten auch russische Partner zu solchen Treffen eingeladen werden. Der Abgeordnete des ukrainischen Parlaments und Präsident der Kulturvereinigungen der Ukraine Alexander Feldmann schlug vor, die nächste multilaterale NGO-Konferenz über Fragen der nachhaltigen Entwicklung in und um die Tschernobylzone und angrenzende Regionen in Kiew oder Charkov durchzuführen. Die Vertreter deutscher Vereine und die Stiftung West-Östliche Begegnungen regten an, ein Fachtreffen in Deutschland zur Erweiterung von Projektarbeit im humanitären und sozialen Bereich durch Bildungs- und Umweltinhalte durchzuführen. sOrGeN WeGeN VIsA Die Teilnehmer der Tagung brachten ihre Sorge zum Ausdruck, dass eine mögliche Erhöhung der Nach Tschernobyl Visumgebühren und weitere Erschwernisse in der Visumerteilung auf deutscher Seite zu massiven Behinderungen im Jugendaustausch und bei der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Partnerländern führen würden. Die Teilnehmer hoffen, dass die Praxis der kostenlosen Visumerteilung für Kinderreisen nach Deutschland erhalten bleibt, die Visumgebühren nicht erhöht werden und gemeinnützige deutsche Vereine weiterhin Einladungen aussprechen dürfen. HAus IM bAu Für alle Teilnehmer war es ein besonderes Erlebnis, Gast im avantgardistischen Gebäude der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ zu sein, in dem - mit den Worten des Architekten Richard Pierschke - nach Vorlage des Bildes „Haus im Bau“ von Kasimir Malewitsch „voller Elan eine neue Gesellschaftsordnung sozial, städtebaulich, konstruktiv und ästhetisch mit einer neuen Architektur verbunden wurde“. Der große Dank der Teilnehmer gilt dem IBB-Team in Minsk, das seiner Gastgeberrolle in hervorragender Weise gerecht wurde und wesentlich dazu beigetragen hat, das Haus zu einer gastlichen Heimstatt für unsere grenzüberschreitende trilaterale Tagung zu machen.

Nach Tschernobyl<br />

Austausch erwünscht<br />

(dr. Helmut domke/Monika Tharann, berlin) bürgerinitiativen, Vereine, schulen, Kirchengemeinden<br />

sowie Kinderheime aus deutschland und ihre Partnerorganisationen aus belarus und der ukraine waren<br />

vom 3. bis 6. Oktober 2006 nach Minsk zur Tagung „Von der Hilfe zu Partnerschaften - Perspektiven und<br />

Zusammenarbeit 20 Jahre nach Tschernobyl“ geladen.<br />

Organisatoren waren die Stiftung<br />

West-Östliche Begegnungen und<br />

das Internationale <strong>Bildungs</strong>- und<br />

Begegnungswerk Dortmund. Die<br />

Gäste aus Deutschland setzen<br />

sich seit Jahren selbstlos und mit<br />

großem Engagement für die Linderung<br />

der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe<br />

ein, hatten jedoch<br />

bisher wenig oder keine Gelegenheit,<br />

am Austausch von Erfahrungen<br />

teilzunehmen und gemeinsam<br />

mit anderen Engagierten Ideen<br />

für eine Zusammenarbeit zu entwickeln.<br />

Wichtige Kooperationspartner<br />

der Veranstalter waren die<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung und die<br />

Konrad-Adenauer-Stiftung, die<br />

nicht nur finanziell, sondern auch<br />

durch inhaltliche Beiträge zum<br />

Gelingen der Konferenz beitrugen,<br />

sowie das „Deutsch-Ukrainische<br />

Netz Nichtstaatlicher Organisationen“<br />

aus Kiew.<br />

20 JAHre dANACH<br />

Die Idee, 20 Jahre nach Tschernobyl<br />

eine Tagung durchzuführen<br />

zu den besonderen Herausforderungen<br />

für zivilgesellschaftliches<br />

Handeln heute, wurde von den<br />

Teilnehmern aus drei Ländern<br />

mit großem Interesse aufgegriffen.<br />

Wie viele der Tagungsteilnehmer<br />

feststellen konnten, war die Internationale<br />

<strong>Bildungs</strong>- und Begegnungsstätte<br />

(IBB) „Johannes Rau“<br />

in Minsk ideal für die Tagung. Seit<br />

zwölf Jahren ist die IBB ein Ort des<br />

Austauschs zwischen <strong>Belarus</strong> und<br />

Deutschland, getragen vom Gedanken<br />

der Versöhnung nach zwei<br />

von Deutschland ausgegangenen<br />

Kriegen. Durch die Tschernobyl-<br />

Katastrophe ist <strong>Belarus</strong> erneut<br />

heimgesucht worden, mitten im<br />

Frieden. Damit wurden aber auch<br />

zahlreiche langfristige zivilgesellschaftliche<br />

Aktivitäten ausgelöst.<br />

Mehr als 500.000 Kinder aus den<br />

verstrahlten Regionen konnten<br />

sich seit der Reaktorkatastrophe<br />

in Deutschland erholen. Allein<br />

die Stiftung West-Östliche Begegnungen<br />

hat in den zwölf Jahren<br />

ihres Bestehens mehrere hundert<br />

Projekte mit Bezug zu Tschernobyl<br />

gefördert. Zahlreiche Vorhaben<br />

der sozialen Arbeit, des Umweltschutzes<br />

und der Bildung sind<br />

entstanden. So ist Tschernobyl<br />

auch zum Ausgangspunkt einer<br />

unabhängigen Bürgerbewegung<br />

in der Ukraine, in <strong>Belarus</strong> und in<br />

Russland geworden und hat eine<br />

grenzüberschreitende Zusammenarbeit<br />

angestoßen.<br />

ersTe TAGuNG IHrer ArT<br />

Die Tagung zeichnete sich durch<br />

drei Besonderheiten aus:<br />

- Sie war die erste trilaterale Konferenz<br />

in Minsk, die Organisationen<br />

der humanitären Hilfe und<br />

sozialen Arbeit aus <strong>Belarus</strong>, der<br />

Ukraine und Deutschland zusammenbrachte.<br />

- Sie ermöglichte Vertretern staatlicher<br />

und nichtstaatlicher Institutionen<br />

aus <strong>Belarus</strong>, der Ukraine und<br />

Deutschland, miteinander nationale,<br />

bilaterale und multinationale<br />

Möglichkeiten für gemeinsames<br />

Wirken zu diskutieren.<br />

- Sie bot den meisten bilateralen<br />

Partnerschaften erstmalig die<br />

Gelegenheit, andere Gruppen<br />

kennenzulernen, die in ähnlicher<br />

Weise engagiert sind, sowie<br />

Modelle für Kooperationen von<br />

nichtstaatlichen Organisationen<br />

(NGOs) untereinander oder mit<br />

Behörden und Verantwortungsträgern<br />

zu besprechen.<br />

Der deutsche Botschafter Herr Dr.<br />

Martin Hecker, der Vizepräsident<br />

der Nationalversammlung der<br />

Republik <strong>Belarus</strong> Herr Sergej Sabolotetz<br />

und weitere belarussische<br />

und ukrainische Parlamentsabgeordnete<br />

sowie der ehemalige<br />

Leiter der OSZE-Mission in Minsk,<br />

Botschafter a. D. Herr Dr. Eberhard<br />

Heyken beschrieben am ersten Tag<br />

der Konferenz die politischen Beziehungen<br />

zwischen den Ländern<br />

und staatliches Handeln im Blick<br />

auf die Rahmenbedingungen für<br />

nichtstaatliche Organisationen.<br />

Sie betonten übereinstimmend,<br />

dass bei den zwischen Deutschland<br />

und <strong>Belarus</strong> seit zehn Jahren<br />

stagnierenden offiziellen Beziehungen<br />

den zivilgesellschaftlichen<br />

Aktivitäten besondere Bedeutung<br />

zukomme.<br />

dIsKussION MIT exPerTeN<br />

Gastgeber der Arbeitsgruppen<br />

„Humanitäre Hilfe und soziale<br />

Projektarbeit“, „Umweltprojekte“<br />

und „Bildung und internationale<br />

Begegnungen“ waren jeweils<br />

kompetente Einrichtungen aus<br />

Minsk: die orthodoxe Gemeinde<br />

„Aller Trauernder Freude“, die<br />

Internationale Sacharow-Umwelt-<br />

Universität und das Institut für Berufliche<br />

Weiterbildung. Mit ihnen<br />

wurden konkrete Aktivitäten vorgestellt<br />

und diskutiert. Besonders<br />

wertvoll war die Anwesenheit des<br />

belarussischen Atomenergie-Experten<br />

Prof. Wassilij Nesterenko,<br />

dessen unabhängiges Institut für<br />

Strahlensicherheit BELRAD dabei<br />

hilft, durch einfache Mittel die<br />

Strahlenbelastung für Kinder zu<br />

verringern. Eine besonders nachhaltige<br />

Projektarbeit wird hier von<br />

deutschen Schulen geleistet, die<br />

im Rahmen ihrer Partnerschaften<br />

Messstellen an belarussischen<br />

Schulen betreiben und unterstützen.<br />

Prägend für die Tagung war<br />

der starke Wunsch nach Kommu-<br />

<strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34

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