Belarus- - Internationales Bildungs
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NGOs & Gesellschaft<br />
Nachruf auf Eva Balke<br />
(Burkhard Homeyer, „Den Kindern<br />
von Tschernobyl“, Münster)<br />
Traurigen Herzens nehmen wir<br />
Abschied von einer lieben Freundin<br />
der Tschernobyl- und <strong>Belarus</strong>arbeit.<br />
Eben feierten wir den<br />
70. Geburtstag von Eva Balke in<br />
Detmold, in der Nacht zum Donnerstag,<br />
25.8., erlag sie dann ihrem<br />
schweren Leiden. Jeder wusste<br />
schon lange, welchen Weg Eva<br />
vor sich hatte. Der Krebs in ihrem<br />
Körper befand sich in einem tödlichen<br />
Stadium. Sie wusste darum.<br />
Tapfer nahm sie seit Jahren die Untersuchungen<br />
und Therapien hin,<br />
schwankend zwischen Hoffnung<br />
und Einsicht. Und mit unglaublicher<br />
Zähigkeit setzte sie sich trotz<br />
allem Ziele, als wenn Energien frei<br />
würden, sie auch zu erreichen.<br />
KINder VON TsCHerNObyL<br />
Damit sind wir bei den „Kindern<br />
von Tschernobyl“ und dem Thema<br />
<strong>Belarus</strong>. Eva ist eine Frau der<br />
ersten Stunde - sie kam von der<br />
christlichen Friedensbewegung.<br />
Als Mitglied der „Solidarischen<br />
Kirche Westfalen/Lippe“ nahm<br />
sie wie ihr Mann - auf dem Höhepunkt<br />
des „Kalten Krieges“ - an<br />
einem Prozess der kleinen Schritte<br />
von unten teil, der nach Brücken<br />
der Verständigung für ein neues<br />
Verhältnis zur Sowjetunion suchte<br />
und sich im Aufbruch vieler Initiativen<br />
nach Osten konkretisierte.<br />
Darunter auch das IBB.<br />
Eva hatte schnell erkannt, wie<br />
„Tschernobyl“ als neue Art des<br />
Krieges, als „unsichtbarer“ Krieg<br />
nach dem Leben der Menschheit<br />
griff, zugleich aber zu einer neuen<br />
Art von Solidarität ohne Grenzen<br />
herausforderte. Nicht von ungefähr<br />
fand sie schnell den Weg<br />
zur belarussischen Bürger- und<br />
Selbsthilfebewegung und damit<br />
zu deren Tschernobylkomitee, der<br />
späteren <strong>Belarus</strong>sischen Gemeinnützigen<br />
Stiftung „Den Kindern<br />
von Tschernobyl“.<br />
KINder Auf reIseN<br />
Eva engagierte sich sofort für die<br />
Kinder, wurde zum treibenden<br />
Motor der örtlichen Partnerschaft<br />
von Detmold und Mozyr, gehörte<br />
als Gründungsmitglied der<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft „Den<br />
Kindern von Tschernobyl“ in<br />
Deutschland bis zuletzt dem Vorstand<br />
an, beteiligte sich am Aufbau<br />
eines europäischen, ja weltweiten<br />
Netzwerkes, dem Internationalen<br />
Rat „Für die Kinder von Tschernobyl“<br />
(ICCOC) - alles in engster<br />
Partnerschaft zur <strong>Belarus</strong>sischen<br />
Gemeinnützigen Stiftung. Als<br />
Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Tschernobylinitiativen<br />
in NRW, die sie mit ins Leben<br />
rief, hielt sie die Hauptrede zum<br />
20. Jahrestag von Tschernobyl im<br />
Düsseldorfer Landtag. Eva lagen<br />
vor allem die Kinderreisen am<br />
Herzen - wie zuletzt noch sichtbar<br />
geworden in ihrer Mitarbeit bei der<br />
Partnerschaftstagung 2006 des IBB<br />
in Geseke. In der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
war sie die Hauptansprechpartnerin<br />
für diese Arbeit,<br />
stand vielen Initiativen mit Rat<br />
und Tat zur Seite, erarbeitete pädagogisches<br />
Material, präsentierte<br />
die „Kinder von Tschernobyl“ bei<br />
Kirchentagen und ökumenischen<br />
Versammlungen. Sie kämpfte mit<br />
für eine demokratische, wirklich<br />
unabhängige NGO-Bewegung<br />
in <strong>Belarus</strong> und eine gemeinsame<br />
Tschernobylbewegung in Ost und<br />
West.<br />
Über die Kinder entstanden unzählig<br />
viele Brücken der Völkerverständigung,<br />
von Mensch zu<br />
Mensch, Familie zu Familie, Ort<br />
zu Ort - Friedensbrücken, Brücken<br />
der Versöhnung. Sie als Christin,<br />
die sich im kirchlichen Raum in<br />
vielerlei Weise engagierte, konnte<br />
in den Abgrund von Schuld<br />
deutscher Geschichte gerade in<br />
<strong>Belarus</strong> im festen Glauben an einen<br />
Neuanfang schauen, nicht in<br />
ignoranter Verdrängung und<br />
selbstherrlicher Verharmlosung,<br />
sondern als Geschenk - das ihr in<br />
vielen Begegnungen mit belarussischen<br />
Menschen zuteil wurde.<br />
CHANCe deM frIedeN<br />
Sie entstammte einer Generation,<br />
die als Kind selbst noch von Naziherrschaft<br />
und Kriegsschrecken<br />
geprägt war und sich anschließend<br />
weithin durch den „Kalten Krieg“<br />
und seine Propaganda blenden<br />
ließ. Das war Hintergrund für ihr<br />
Friedensengagement unter dem<br />
Motto „Nie wieder“. Es verknüpfte<br />
sich mit dem Engagement für<br />
die belarussischen Kinder, die<br />
Kinder von „Tschernobyl“, das<br />
zu gemeinsamem Handeln der<br />
zivilgesellschaftlichen Kräfte in<br />
Ost und West herausfordert: Den<br />
Kindern eine Zukunft - eine Chance<br />
dem Frieden.<br />
Eva übermittelte vor Jahren das<br />
Gedicht eines Tschernobylkindes.<br />
Lina Michailowa schreibt:<br />
„Ich wünsche mir einen sauberen<br />
Himmel, ich wünsche hellen Sonnenschein,<br />
ich wünsche, dass die<br />
belarussischen Kinder lachen und<br />
glücklich leben können.“<br />
So könnte Eva selbst gesprochen<br />
haben. Der lange gemeinsame<br />
Weg mit ihr erfüllt uns mit großem<br />
Dank. Die Saat geht langsam<br />
auf. Eva hat einen neuen Weg vor<br />
sich mit einem neuen Ziel. Ihr<br />
Vermächtnis aber wird uns auch<br />
in Zukunft begleiten.<br />
Burkhard.Homeyer@t-online.de, www.<br />
bag-tschernobyl.net<br />
1 <strong>Belarus</strong>-Perspektiven Herbst 2006 Nr. 34