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17.01.2013 Aufrufe

Aus Theorie und Praxis Kinderrechte und christliche Werteerziehung Die UN-Kinderrechtskonvention als Herausforderung für Kitas in kirchlicher Trägerschaft PROF. DR. THEOL. HABIL. ANDREAS BENK Seit Sommer 2009 liegt eine weiterentwickelte Fassung des „Orientierungsplans“ für die Kinder - tages einrichtungen in Baden-Württemberg vor. Die Veränderungen, die sich darin finden, beziehen sich u. a. auf die Werteerziehung. So gelten bemerkenswerte Ergänzungen der Medien erziehung und der Bildung für nachhaltige Ent wicklung. Auch lässt die überarbeitete Fassung deutlich erkennen, dass Werteerziehung alle Di mensionen pädagogischer Arbeit im Kinder garten betrifft und sich nicht auf ein einzelnes Bildungsfeld „Sinn, Werte und Religion“ begrenzen lässt. Neu ist vor allem aber, dass der Orientierungsplan jetzt die UN-Kin der - rechtskonvention von 1989 als Grundlage nennt und die dort aufgeführten Rechte der Kinder wie- 8 derholt zitiert. Dazu zählt das Recht auf eine Bildung, die die Persönlichkeit des Kindes ganzheitlich zur Entfaltung bringt, das Recht auf Teilhabe und Beteiligung, auf Schutz vor Gewalt, Diskriminierung und Armut. An zentraler Stelle fordert die Kinderrechtskonvention bei allen Maß nah - men, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig vor anderen Interessen zu berücksichtigen. Die katholische Kirche und die Menschenrechte Nun sollte man denken, dass die uneingeschränkte Anerkennung von Menschenrechten und insbesondere von Kinderrechten für die katholische Wer für Menschenrechte eintritt, tritt für christliche Werte ein. Christliche Werte sind keine besonderen und zusätzlichen Werte, sondern gerade menschliche Werte, die Gerechtigkeit und Frieden für alle Men schen sichern wollen. Menschenrechte erfüllen heute somit den Sinn, den die zehn Ge bote in biblischer Zeit hatten. Hinter ihnen steht für Juden und Christen der universale Heilswille Gottes, der den Men schen aller Zeiten gilt, damals wie heute. Kirche eine Selbstverständlichkeit bedeutet und schon immer bedeutete. Dies ist leider nicht der Fall. Das gesamte 19. Jahrhundert hindurch und darüber hinaus wurde die Menschenrechtsidee von Päpsten rigoros verurteilt, da ihre Prinzipien im Widerspruch zur katholischen Lehre stünden. Abgelehnt und als „Irrtümer“ betrachtet wurden ins besondere die Glaubens-, Gewissens-, Mei - nungs- und Pressefreiheit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Menschenrechte von Seiten Roms ausdrückliche Anerkennung. So sah Papst Johannes XXIII. in seiner berühmten Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) durch die Menschenrechte gerade auch Christen in die Pflicht ge nommen und das Zweite Vatikanische Konzil konnte sich endlich auch zur Religionsfreiheit bekennen. Papst Johannes Paul II. trat in Enzykliken und Predigten FOTO: MMCHEN / PHOTOCASE.COM

während seines gesamten Ponti fikats nachdrücklich für die Achtung und Ver teidigung der Men - schenrechte ein. Das alles ist nicht genug: Bis heute sind die Menschenrechte kein Bestandteil der innerkirchlichen Rechts ord nung geworden. „Men - schenrechte auch in der Kirche“ bleibt daher eine notwendige Forderung. Die Entscheidung, den Orientierungsplan auf die Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention zu stellen, kann aber dennoch mit der ungeteilten Zustimmung der katholischen Kirche rechnen. Erfreulich sind in diesem Zusammen hang eine Reihe neuer Denk an stöße des Orientie rungsplanes – so zum Beispiel die Frage, wie schon im Kindergarten klischeehaften Vorstell ungen von körperlicher Vollkommenheit begegnet werden kann. Menschen- und Kinderrechte sind die „Zehn Gebote“ der Gegenwart Angesichts der heutigen Wertschätzung von Men - schen- und Kinderrechten durch die katholische Kirche stellt sich die Frage, was denn dann noch unter christlichen Werten zu verstehen ist und wodurch sich ein christliches Menschenbild, das regelmäßig zur Begründung dieser Werte herangezogen wird, auszeichnet. „Christliches Menschenbild“ und „christliche Werte“ stehen gegenwärtig hoch im Kurs. Kinder - gärten und Schulen sehen darin das Fundament ihrer Pädagogik, Parteien beanspruchen diese in ihren Grundsatzprogrammen als Basis politischen Handelns, ja sie gelten manchen überhaupt als Grundlage europäischer Identität. Christliches Men schenbild und christliche Werte werden bemüht, wenn es um den Stellenwert der Familie, um Euthanasie, Gentechnik oder um eine gerechte Wirt schaftsordnung geht. Kaum eine Frage im Feld von Bildung, Politik, Recht und Ethik, bei der nicht versucht wird, das „christliche Menschenbild“ als schlagkräftiges Argument einzubringen. Dabei entsteht oft der wohl beabsichtigte Eindruck, es handle sich bei diesem Menschenbild um eine fest umrissene Bestimmung des Menschen, die als sichere Basis für ethische Normierungen und politische Entscheidungen dienen könne. Dieser Schein trügt. Grundlegend für das christliche Menschenbild ist zweifellos der Gedanke, dass der Mensch als „Bild Gottes“ (Gen 1,26f.) geschaffen ist. Damit wird nun gerade keine klar umrissene Wesensbestimmung des Menschen vorgenommen. Es wird damit nicht gesagt, wer oder was der Mensch sei, worin seine „Natur“ oder sein „Wesen“ bestehe. Die biblischen Schöpfungstexte stellen einzig fest, worin die bleibende Aufgabe des Menschen besteht: Als „Bild“, das meint als Repräsentant Gottes auf Erden, ist dem Menschen der verantwortliche Umgang mit Gottes Schöpfung aufgetragen. Die Gestaltung unserer Welt ist nach christlichem Verständnis gott gewollte Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können. Das heißt aber auch, dass nicht etwa Gott, sondern wir Menschen selbst verantwortlich sind für die Werte und Rechte, die in unserer Welt gelten sollen. Wer für Menschenrechte eintritt, tritt für christliche Werte ein. Christliche Werte sind keine besonderen und zusätzlichen Werte, sondern gerade menschliche Werte, die Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen sichern wollen. Menschenrechte erfüllen somit heute den Sinn, den die „Zehn Gebote“ in biblischer Zeit erfüllten. Mit den Worten des Sozialethikers Franz Furger: „Wenn Gott heute einem Mose Gesetzestafeln in die Hand überreichen sollte, würde er ihm ohne Zweifel die Men - schen rechtscharta der UN von 1948 in die Hand geben.” Und die Kinderrechtskonvention gleich dazu. Konsequente Orientierung am Kind auch bei der Werte - erziehung Die UN-Kinderrechtskonvention zeichnet sich durch eine konsequente Orientierung am Kind aus. Diese Sicht teilt der Orientierungsplan uneingeschränkt, indem er einlädt, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen: „Wie ein roter Faden zieht sich diese Perspektive durch die Texte und die Fragen, auf die es im Kindergarten ankommt: Was kann das Kind? Was will das Kind? Was braucht das Kind? […] Wie wird man in Bildungs- und Erziehungsprozessen der unaufgebbaren Würde des Kindes gerecht?“ Dies ist auch die Perspektive christlicher Werteerziehung: Kinder stehen nicht als Adressaten am Ende einer moralpädagogischen Bemühung, die Werte „vermitteln“ will. Kinder bilden vielmehr mit ihren Erfahrungen und ihren Le - benswelten den Ausgangspunkt ethischer Bil - dung. Christliche Werteerziehung versteht sich heute als Moralpädagogik vom Kind aus. Das Prinzip der Subjektorientierung, das sich in der Pädagogik und Religionspädagogik als Maxime längst durchgesetzt hat, gilt auch in der Moral - pädagogik. Christliche Werteerziehung als Form der Profilierung katholischer Kitas? Der „Orientierungsplan“ will das Kind – jedes Kind – bei seiner Entwicklung zu einem unverwechselbaren Menschen, der aktiv am Leben teilhat, fördern und dabei der unaufgebbaren Würde des Kindes gerecht werden. Das Konzept, das diesem Plan zugrunde liegt, ist ein humanes und kinderfreundliches Konzept – und damit ein christliches. Das ist alles andere als selbstverständlich und überaus erfreulich. Profilieren kann sich christliche Werteerziehung nicht dadurch, dass für kirchliche Kindergärten ein alternatives Konzept entwickelt oder zusätzliche, exklusiv christliche Werte eingebracht würden. Welche Werte sollten dies auch sein? Profilierung in der Werteerziehung ist nur dadurch möglich, dass Werteerziehung im Sinne der Orientierung am Kind möglichst gut realisiert wird. Kirchliche Einrichtungen werden natürlich herausstellen, dass ihr Engagement durch den christlichen Glauben motiviert und biblisch begründet ist. Christliche Erzieher/innen machen aber in der Werte er ziehung nichts wesentlich anderes als Er - ziehe r/in nen in anderen Kindergärten. Ihre Intention ist jeweils dieselbe: Wo Kinder beginnen mit ihren eigenen Augen wahrzunehmen und hinzusehen statt wegzusehen, wo sie ein- und mitfühlend verstehen lernen, statt gedankenlos zu übersehen, wo sie, von der Situation anderer Menschen bewegt, sich selbst einbringen und ihre Welt mitgestalten können – dort ist ethische Bildung und damit christ liche Werteerziehung unterwegs zu ihrem Ziel. Das Recht auf eine eigene religiöse Identität In einer Hinsicht bedeutet die UN-Kinderrechtskonvention als Grundlage für den Orientierungs - plan allerdings eine besondere Herausforderung für Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft: In der Konvention ist das Recht eines jeden Kindes auf eine eigene religiöse Identität festgeschrieben (vgl. Art. 14, 20 und 29). Der Orientierungsplan trägt dem u. a. Rechnung, indem als Ziel für das Bildungs- und Entwicklungsfeld „Sinn, Werte und Religion“ neu hinzugefügt wurde, dass die Kinder ihre religiösen bzw. weltanschaulichen Wurzeln kennen. Was besagt dies für die vielen nichtchristlichen Kinder in kirchlichen Einrichtungen? Grund - sätzlich sind die Eltern in der Wahl des Kinder - gartens frei. Sofern Eltern keine unzumutbar weiten Wege in Kauf nehmen wollen, ist diese Wahl freilich stark eingeschränkt. Faktisch haben viele Eltern insbesondere in ländlichen Gegenden nur die Wahl, ihr Kind entweder in einem kirchlichen Kindergarten oder überhaupt nicht anzumelden. Dies bedeutet, dass zum Beispiel auch muslimische oder konfessionslose Kinder oft keine Alter - na tive zu kirchlichen Kindergärten haben. Das Recht auf eine eigene religiöse Identität der Kinder steht aber auch diesen Kindern zu. Dies berücksichtigt eine pluralitätsfähige Religionspädagogik, die sich ganz in den Dienst der Persönlichkeits - werdung des Kindes stellt. Was bedeutet in diesem Kontext „religiöse Bildung“? In einem Positions - papier des „Verbandes Katho li scher Tagesein rich - tungen für Kinder“ heißt es dazu: „Eine sich in den All tagsvollzügen realisierende religiöse Erziehung meint einen Umgang mit dem Kind, der ihm hilft, zum Leben, trotz seiner Wider wärtigkeiten und leid vollen Geschehnisse, die es bereits wahrnimmt und erfährt, eine positive und bejahende, erwartungs- und hoffnungsvolle Ein stellung zu finden, die es anleitet, sich selbst und den anderen zu akzeptieren und die Mitgestaltung seiner Lebenswelt 9

während seines gesamten Ponti fikats nachdrücklich<br />

für die Achtung und Ver teidigung der Men -<br />

schenrechte ein. Das alles ist nicht genug: Bis heute<br />

sind die Menschenrechte kein Bestandteil der<br />

innerkirchlichen Rechts ord nung geworden. „Men -<br />

schenrechte auch in der Kirche“ bleibt daher eine<br />

notwendige Forderung.<br />

Die Entscheidung, den Orientierungsplan auf die<br />

Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention zu stellen,<br />

kann aber dennoch mit der ungeteilten<br />

Zustimmung der katholischen Kirche rechnen.<br />

Erfreulich sind in diesem Zusammen hang eine<br />

Reihe neuer Denk an stöße des Orientie rungsplanes<br />

– so zum Beispiel die Frage, wie schon im<br />

Kindergarten klischeehaften Vorstell ungen von körperlicher<br />

Vollkommenheit begegnet werden kann.<br />

Menschen- und Kinderrechte<br />

sind die „Zehn Gebote“ der<br />

Gegenwart<br />

Angesichts der heutigen Wertschätzung von Men -<br />

schen- und Kinderrechten durch die katholische<br />

Kirche stellt sich die Frage, was denn dann noch<br />

unter christlichen Werten zu verstehen ist und wodurch<br />

sich ein christliches Menschenbild, das regelmäßig<br />

zur Begründung dieser Werte herangezogen<br />

wird, auszeichnet.<br />

„Christliches Menschenbild“ und „christliche<br />

Werte“ stehen gegenwärtig hoch im Kurs. Kinder -<br />

gärten und Schulen sehen darin das Fundament<br />

ihrer Pädagogik, Parteien beanspruchen diese in<br />

ihren Grundsatzprogrammen als Basis politischen<br />

Handelns, ja sie gelten manchen überhaupt als<br />

Grundlage europäischer Identität. Christliches<br />

Men schenbild und christliche Werte werden bemüht,<br />

wenn es um den Stellenwert der Familie, um<br />

Euthanasie, Gentechnik oder um eine gerechte<br />

Wirt schaftsordnung geht. Kaum eine Frage im Feld<br />

von Bildung, Politik, Recht und Ethik, bei der nicht<br />

versucht wird, das „christliche Menschenbild“ als<br />

schlagkräftiges Argument einzubringen. Dabei entsteht<br />

oft der wohl beabsichtigte Eindruck, es handle<br />

sich bei diesem Menschenbild um eine fest umrissene<br />

Bestimmung des Menschen, die als sichere<br />

Basis für ethische Normierungen und politische<br />

Entscheidungen dienen könne. Dieser Schein<br />

trügt.<br />

Grundlegend für das christliche Menschenbild ist<br />

zweifellos der Gedanke, dass der Mensch als „Bild<br />

Gottes“ (Gen 1,26f.) geschaffen ist. Damit wird nun<br />

gerade keine klar umrissene Wesensbestimmung<br />

des Menschen vorgenommen. Es wird damit nicht<br />

gesagt, wer oder was der Mensch sei, worin seine<br />

„Natur“ oder sein „Wesen“ bestehe. Die biblischen<br />

Schöpfungstexte stellen einzig fest, worin die bleibende<br />

Aufgabe des Menschen besteht: Als „Bild“,<br />

das meint als Repräsentant Gottes auf Erden, ist<br />

dem Menschen der verantwortliche Umgang mit<br />

Gottes Schöpfung aufgetragen. Die Gestaltung<br />

unserer Welt ist nach christlichem Verständnis<br />

gott gewollte Aufgabe, der wir uns nicht entziehen<br />

können. Das heißt aber auch, dass nicht etwa<br />

Gott, sondern wir Menschen selbst verantwortlich<br />

sind für die Werte und Rechte, die in unserer Welt<br />

gelten sollen.<br />

Wer für Menschenrechte eintritt, tritt für christliche<br />

Werte ein. Christliche Werte sind keine besonderen<br />

und zusätzlichen Werte, sondern gerade<br />

menschliche Werte, die Gerechtigkeit und Frieden<br />

für alle Menschen sichern wollen. Menschenrechte<br />

erfüllen somit heute den Sinn, den die „Zehn<br />

Gebote“ in biblischer Zeit erfüllten. Mit den Worten<br />

des Sozialethikers Franz Furger: „Wenn Gott heute<br />

einem Mose Gesetzestafeln in die Hand überreichen<br />

sollte, würde er ihm ohne Zweifel die Men -<br />

schen rechtscharta der UN von 1948 in die Hand<br />

geben.” Und die Kinderrechtskonvention gleich<br />

dazu.<br />

Konsequente Orientierung<br />

am Kind auch bei der Werte -<br />

erziehung<br />

Die UN-Kinderrechtskonvention zeichnet sich<br />

durch eine konsequente Orientierung am Kind aus.<br />

Diese Sicht teilt der Orientierungsplan uneingeschränkt,<br />

indem er einlädt, die Welt mit den Augen<br />

der Kinder zu sehen: „Wie ein roter Faden zieht<br />

sich diese Perspektive durch die Texte und die<br />

Fragen, auf die es im Kindergarten ankommt: Was<br />

kann das Kind? Was will das Kind? Was braucht<br />

das Kind? […] Wie wird man in Bildungs- und<br />

Erziehungsprozessen der unaufgebbaren Würde<br />

des Kindes gerecht?“ Dies ist auch die Perspektive<br />

christlicher Werteerziehung: Kinder stehen nicht als<br />

Adressaten am Ende einer moralpädagogischen<br />

Bemühung, die Werte „vermitteln“ will. Kinder bilden<br />

vielmehr mit ihren Erfahrungen und ihren Le -<br />

benswelten den Ausgangspunkt ethischer Bil -<br />

dung. Christliche Werteerziehung versteht sich<br />

heute als Moralpädagogik vom Kind aus. Das<br />

Prinzip der Subjektorientierung, das sich in der<br />

Pädagogik und Religionspädagogik als Maxime<br />

längst durchgesetzt hat, gilt auch in der Moral -<br />

pädagogik.<br />

Christliche Werteerziehung<br />

als Form der Profilierung<br />

katholischer Kitas?<br />

Der „Orientierungsplan“ will das Kind – jedes Kind<br />

– bei seiner Entwicklung zu einem unverwechselbaren<br />

Menschen, der aktiv am Leben teilhat, fördern<br />

und dabei der unaufgebbaren Würde des<br />

Kindes gerecht werden. Das Konzept, das diesem<br />

Plan zugrunde liegt, ist ein humanes und kinderfreundliches<br />

Konzept – und damit ein christliches.<br />

Das ist alles andere als selbstverständlich und<br />

überaus erfreulich. Profilieren kann sich christliche<br />

Werteerziehung nicht dadurch, dass für kirchliche<br />

Kindergärten ein alternatives Konzept entwickelt<br />

oder zusätzliche, exklusiv christliche Werte eingebracht<br />

würden. Welche Werte sollten dies auch<br />

sein? Profilierung in der Werteerziehung ist nur dadurch<br />

möglich, dass Werteerziehung im Sinne der<br />

Orientierung am Kind möglichst gut realisiert wird.<br />

Kirchliche Einrichtungen werden natürlich herausstellen,<br />

dass ihr Engagement durch den christlichen<br />

Glauben motiviert und biblisch begründet ist.<br />

Christliche Erzieher/innen machen aber in der<br />

Werte er ziehung nichts wesentlich anderes als Er -<br />

ziehe r/in nen in anderen Kindergärten. Ihre Intention<br />

ist jeweils dieselbe: Wo Kinder beginnen mit ihren<br />

eigenen Augen wahrzunehmen und hinzusehen<br />

statt wegzusehen, wo sie ein- und mitfühlend verstehen<br />

lernen, statt gedankenlos zu übersehen, wo<br />

sie, von der Situation anderer Menschen bewegt,<br />

sich selbst einbringen und ihre Welt mitgestalten<br />

können – dort ist ethische Bildung und damit<br />

christ liche Werteerziehung unterwegs zu ihrem<br />

Ziel.<br />

Das Recht auf eine eigene<br />

religiöse Identität<br />

In einer Hinsicht bedeutet die UN-Kinderrechtskonvention<br />

als Grundlage für den Orientierungs -<br />

plan allerdings eine besondere Herausforderung<br />

für Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft: In der<br />

Konvention ist das Recht eines jeden Kindes auf<br />

eine eigene religiöse Identität festgeschrieben (vgl.<br />

Art. 14, 20 und 29). Der Orientierungsplan trägt<br />

dem u. a. Rechnung, indem als Ziel für das<br />

Bildungs- und Entwicklungsfeld „Sinn, Werte und<br />

Religion“ neu hinzugefügt wurde, dass die Kinder<br />

ihre religiösen bzw. weltanschaulichen Wurzeln<br />

kennen. Was besagt dies für die vielen nichtchristlichen<br />

Kinder in kirchlichen Einrichtungen? Grund -<br />

sätzlich sind die Eltern in der Wahl des Kinder -<br />

gartens frei. Sofern Eltern keine unzumutbar weiten<br />

Wege in Kauf nehmen wollen, ist diese Wahl<br />

freilich stark eingeschränkt. Faktisch haben viele<br />

Eltern insbesondere in ländlichen Gegenden nur<br />

die Wahl, ihr Kind entweder in einem kirchlichen<br />

Kindergarten oder überhaupt nicht anzumelden.<br />

Dies bedeutet, dass zum Beispiel auch muslimische<br />

oder konfessionslose Kinder oft keine Alter -<br />

na tive zu kirchlichen Kindergärten haben. Das<br />

Recht auf eine eigene religiöse Identität der Kinder<br />

steht aber auch diesen Kindern zu. Dies berücksichtigt<br />

eine pluralitätsfähige Religionspädagogik,<br />

die sich ganz in den Dienst der Persönlichkeits -<br />

werdung des Kindes stellt. Was bedeutet in diesem<br />

Kontext „religiöse Bildung“? In einem Positions -<br />

papier des „Verbandes Katho li scher Tagesein rich -<br />

tungen für Kinder“ heißt es dazu: „Eine sich in den<br />

All tagsvollzügen realisierende religiöse Erziehung<br />

meint einen Umgang mit dem Kind, der ihm hilft,<br />

zum Leben, trotz seiner Wider wärtigkeiten und<br />

leid vollen Geschehnisse, die es bereits wahrnimmt<br />

und erfährt, eine positive und bejahende, erwartungs-<br />

und hoffnungsvolle Ein stellung zu finden,<br />

die es anleitet, sich selbst und den anderen zu akzeptieren<br />

und die Mitgestaltung seiner Lebenswelt<br />

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