Susan Djahangard - Jugendpresse BW

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17.01.2013 Aufrufe

REPORTAGE 14 DAS INTELLIGENTE GEBÄUDE Wenn Susan Djahangard an nachhaltiges Bauen denkt, hat sie sich bisher ein massives Holzhaus in idyllischer Landschaft vorgestellt. Doch mitten in Berlin steht ein weißer Betonklotz, der mit Computerwärme, einem kühlenden Grill und einer Gebäudelunge eines der nachhaltigsten Gebäude der Stadt ist. Text: Susan Djahangard | Layout: Paul Volkwein Schumannstraße 8 in Berlin, um die Ecke liegt die Bundeszentrale der FDP, zwei Straßen weiter der Bahnhof Friedrichstraße. Hier steht das Gebäude der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung. Das Stiftungshaus soll, so lese ich in einer Broschüre, die Werte der Stiftung widerspiegeln. Das sind besonders Ökologie und Nachhaltigkeit. Ein Ökohaus in Berlin Mitte? Wenn ich an nachhaltiges Bauen denke, NOIR Nr. 21 (August 2011) sehe ich eher ein massives Holzhaus in idyllischer Landschaft vor mir, mit einem Ofen und unbehandelten Dielen. Aber hier, in der Schumannstraße, steht ein moderner, weißer Betonklotz mit großen Fensterfronten. Im zweiten Stock ragt eine grün verglaste Etage über die Seitenwände heraus, als hätte man den Klotz wie ein Sandwich aufgeschnitten und eine Salatscheibe dazwischen geschoben. »Das Gebäude setzt Maß- stäbe �ür umweltgerechtes Bauen«, steht in dem Flyer. Von außen deuten lediglich die viele Fahrräder vor dem Eingang auf Umweltbewusstsein hin. Ähnlich wie mir geht es anscheinend vielen anderen Besuchern. »Wir werden o� gefragt, wo denn jetzt die Holzschnitzel-Anlage ist. So ein Betonklotz kann doch kein Öko- Haus sein«, meint Bert Bloß schmunzelnd. Der Leiter des Technischen Dienstes der Heinrich-Böll-Sti� ung

will mir das Haus von innen zeigen und die komplizierte Technik näherbringen. Als erstes �ührt er mich in den Keller. In einem Raum stehen zwei Geräte, die aussehen wie große Grills. Ein grüner Kasten aus Metall, der auf der einen Seite off en ist. Dort befi ndet sich der Grillrost. Hinter dem Grillrost, unten im grünen Kasten, sind zwei Ventilatoren angebracht, darüber kleine Wasserdüsen. Die Ventilatoren pusten Luft durch den Grill »Wenn es im Haus zu warm wird, spritzen die Düsen Wasser auf den Rost«, erklärt Bert Bloß. Die Ventilatoren pusten Lu� unter den Grill. Mit den Wasserspritzern von den Düsen kühlt sich die Lu� ab. »Das funktioniert, wie wenn man mit einem nassen T-Shirt Fahrrad �ährt«, erklärt Bloß. Ein Kühlsystem ist in der Heinrich-Böll-Sti� ung besonders wichtig. Das Haus sei sehr gut gedämmt, damit die Heizungen nicht die Straße mitheizen, erklärt mir Bloß. Das heiße allerdings, dass auch im Sommer kaum warme Lu� nach draußen entweichen kann. Die Raumtemperatur in der Sti� ung soll 25 Grad aber nicht übersteigen. »Heute ist nicht mehr das größte Problem, wie man ein Gebäude heizen kann, sondern wie man es kühlt«, sagt Bloß. Das grüne Gerät im Keller sieht aus wie ein Grill und heißt adiabatischer Rückkühler. Durch diesen Der Heizungskeller befindet sich im zweiten Stock Rückkühler verlaufen Wasserleitungen, die mit Leitungen im ganzen Gebäude verbunden sind. Durch die kalte Lu� im Kasten kühlt sich auch das Wasser in den Rohren im Rückkühler ab. Das kalte Wasser ver- teilt sich dann in den Leitungen im ganzen Haus und kühlt so die Lu� . Im Winter muss das Gebäude trotz guter Isolation beheizt werden. Der Heizungskeller der Böll-Sti� ung befi ndet sich im zweiten Stock. Hoch gehen wir durch ein knallgrün angestrichenes Treppenhaus, aber auch einen Aufzug gibt es im Haus. In einem Raum stehen die Computerserver der Sti� ung. »Was anderswo lästige Wärme ist, nutzen wir hier als Heizung«, sagt Bloß. Die Server befi nden sich in sogenannten Cool-Racks, einer besonderen Art von Kühlschrank: vier Türme hinter Glas, aus denen ein bunter Kabelsalat ragt. Durch die Cool-Racks verlaufen Wasserleitungen, genauso wie durch die Rückkühler im Keller. Hier wird das Wasser durch die Abwärme der Die Server dienen als Heizung Server gewärmt. Legt man die Hand auf, spürt man, wie warm die Server sind. Das System ist so eff ektiv, dass die Sti� ung nur wenig über Fernwärme, also mit Wärme von außen, beheizt werden muss. Als ich mir das Gebäude anschaue, hat es draußen noch 12 Grad. Bei dieser Temperatur reicht die Serverwärme aus, die Fernwärmeanzeige steht auf null. »Mit möglichst wenig Technik, da�ür aber umso innovativer, ein nachhaltiges Gebäude zu schaff en, war das Ziel beim Bau des Sti� ungshauses«, betont Bloß. Ganz bewusst habe die Sti� ung neue Techniken eingesetzt, um als Vorbild �ür andere zu dienen – Vorbild �ür ein nachhaltiges Haus mi� en in einer Großstadt. Das Energiekonzept kommt von einem Schweizer Ingenieurunternehmen. Entworfen wurde das Gebäude vom Architekturbüro »eckert eckert«, ebenfalls aus der Schweiz. Vor der Fensterfront im Büro von Bert Bloß steht ein grauer Holzkasten, der aussieht wie eine praktische Bank. Die Bank ist ein sogenann- tes Brüstungsgerät, Heizung und Klimaanlage in einem. Hier laufen Wasserleitungen durch, die mit dem Rückkühler im Keller und den Cool-Racks im Serverraum verbunden sind. Ein Hochleistungswärmetauscher gibt die Wärme oder Kälte aus dem Wasser an die Lu� im Brüstungsgerät ab, das die Lu� dann durch einen schmalen Spalt ins Büro pustet. Streckt man die Hand über den Spalt, �ühlt man, wie die Lu� entweicht. Automatisch hält das Brüstungsgerät die Raumtemperatur unter 25 Grad. Ferngesteuert wie die Heizung sind in den Büros der Böll-Sti� ung auch die Lampen und Jalousien an den Fenstern. »Der Mensch ist nunmal die größte Fehlerquelle«, meint Bloß. Schon wer das Licht aus Versehen anlässt, verschwendet Energie. Wird es dunkel in der Böll-Stiftung, gehen die Lampen automatisch an. Allerdings nicht gleich auf volle Power, sondern gedimmt, je nachdem, wie viel Licht benötigt wird. Auch die Jalousien gehen automatisch auf und zu. »Wir haben versucht, hier die Balance zu halten und zu überlegen, was man den Mitarbeitern noch zumuten kann und was nicht«, sagt Bloß. Er ergänzt: »Lü� en dürfen wir schon noch selbst.« Gelü� et wird Lüften dürfen wir schon noch selbst aber über eine Art Innenhof im Gebäude, das sogenannte Atrium. Im Winter wird hier die Abwärme aus der verbrauchten Lu� gewonnen und zum Aufwärmen der frischen Lu� verwendet. Finanziert wurde das Gebäude der Heinrich-Böll-Sti� ung aus öff entlichen Mi� eln. Für die Sti� ung ist es eine Verpfl ichtung, mit verschiedenen Veranstaltungen den Bürgern »einen möglichst großen Gegenwert zurückzugeben.« NOIR Nr. 21 (August 2011) REPORTAGE 15

will mir das Haus von innen zeigen<br />

und die komplizierte Technik näherbringen.<br />

Als erstes �ührt er mich in<br />

den Keller. In einem Raum stehen<br />

zwei Geräte, die aussehen wie große<br />

Grills. Ein grüner Kasten aus Metall,<br />

der auf der einen Seite off en ist.<br />

Dort befi ndet sich der Grillrost. Hinter<br />

dem Grillrost, unten im grünen<br />

Kasten, sind zwei Ventilatoren angebracht,<br />

darüber kleine Wasserdüsen.<br />

Die Ventilatoren pusten<br />

Luft durch den Grill<br />

»Wenn es im Haus zu warm wird,<br />

spritzen die Düsen Wasser auf den<br />

Rost«, erklärt Bert Bloß. Die Ventilatoren<br />

pusten Lu� unter den Grill.<br />

Mit den Wasserspritzern von den<br />

Düsen kühlt sich die Lu� ab. »Das<br />

funktioniert, wie wenn man mit einem<br />

nassen T-Shirt Fahrrad �ährt«,<br />

erklärt Bloß.<br />

Ein Kühlsystem ist in der Heinrich-Böll-Sti�<br />

ung besonders wichtig.<br />

Das Haus sei sehr gut gedämmt, damit<br />

die Heizungen nicht die Straße<br />

mitheizen, erklärt mir Bloß. Das heiße<br />

allerdings, dass auch im Sommer<br />

kaum warme Lu� nach draußen entweichen<br />

kann. Die Raumtemperatur<br />

in der Sti� ung soll 25 Grad aber<br />

nicht übersteigen. »Heute ist nicht<br />

mehr das größte Problem, wie man<br />

ein Gebäude heizen kann, sondern<br />

wie man es kühlt«, sagt Bloß.<br />

Das grüne Gerät im Keller sieht<br />

aus wie ein Grill und heißt adiabatischer<br />

Rückkühler. Durch diesen<br />

Der Heizungskeller befindet<br />

sich im zweiten Stock<br />

Rückkühler verlaufen Wasserleitungen,<br />

die mit Leitungen im ganzen<br />

Gebäude verbunden sind. Durch die<br />

kalte Lu� im Kasten kühlt sich auch<br />

das Wasser in den Rohren im Rückkühler<br />

ab. Das kalte Wasser ver-<br />

teilt sich dann in den Leitungen im<br />

ganzen Haus und kühlt so die Lu� .<br />

Im Winter muss das Gebäude trotz<br />

guter Isolation beheizt werden. Der<br />

Heizungskeller der Böll-Sti� ung befi<br />

ndet sich im zweiten Stock. Hoch<br />

gehen wir durch ein knallgrün angestrichenes<br />

Treppenhaus, aber auch<br />

einen Aufzug gibt es im Haus.<br />

In einem Raum stehen die Computerserver<br />

der Sti� ung. »Was anderswo<br />

lästige Wärme ist, nutzen<br />

wir hier als Heizung«, sagt Bloß. Die<br />

Server befi nden sich in sogenannten<br />

Cool-Racks, einer besonderen Art<br />

von Kühlschrank: vier Türme hinter<br />

Glas, aus denen ein bunter Kabelsalat<br />

ragt. Durch die Cool-Racks verlaufen<br />

Wasserleitungen, genauso wie durch<br />

die Rückkühler im Keller. Hier wird<br />

das Wasser durch die Abwärme der<br />

Die Server dienen<br />

als Heizung<br />

Server gewärmt. Legt man die Hand<br />

auf, spürt man, wie warm die Server<br />

sind. Das System ist so eff ektiv, dass<br />

die Sti� ung nur wenig über Fernwärme,<br />

also mit Wärme von außen,<br />

beheizt werden muss. Als ich mir das<br />

Gebäude anschaue, hat es draußen<br />

noch 12 Grad. Bei dieser Temperatur<br />

reicht die Serverwärme aus, die<br />

Fernwärmeanzeige steht auf null.<br />

»Mit möglichst wenig Technik,<br />

da�ür aber umso innovativer, ein<br />

nachhaltiges Gebäude zu schaff en,<br />

war das Ziel beim Bau des Sti� ungshauses«,<br />

betont Bloß. Ganz bewusst<br />

habe die Sti� ung neue Techniken<br />

eingesetzt, um als Vorbild �ür andere<br />

zu dienen – Vorbild �ür ein nachhaltiges<br />

Haus mi� en in einer Großstadt.<br />

Das Energiekonzept kommt von<br />

einem Schweizer Ingenieurunternehmen.<br />

Entworfen wurde das Gebäude<br />

vom Architekturbüro »eckert<br />

eckert«, ebenfalls aus der Schweiz.<br />

Vor der Fensterfront im Büro von<br />

Bert Bloß steht ein grauer Holzkasten,<br />

der aussieht wie eine praktische<br />

Bank. Die Bank ist ein sogenann-<br />

tes Brüstungsgerät, Heizung und<br />

Klimaanlage in einem. Hier laufen<br />

Wasserleitungen durch, die mit<br />

dem Rückkühler im Keller und den<br />

Cool-Racks im Serverraum verbunden<br />

sind. Ein Hochleistungswärmetauscher<br />

gibt die Wärme oder<br />

Kälte aus dem Wasser an die Lu�<br />

im Brüstungsgerät ab, das die Lu�<br />

dann durch einen schmalen Spalt ins<br />

Büro pustet. Streckt man die Hand<br />

über den Spalt, �ühlt man, wie die<br />

Lu� entweicht. Automatisch hält das<br />

Brüstungsgerät die Raumtemperatur<br />

unter 25 Grad.<br />

Ferngesteuert wie die Heizung<br />

sind in den Büros der Böll-Sti� ung<br />

auch die Lampen und Jalousien an<br />

den Fenstern. »Der Mensch ist nunmal<br />

die größte Fehlerquelle«, meint<br />

Bloß. Schon wer das Licht aus Versehen<br />

anlässt, verschwendet Energie.<br />

Wird es dunkel in der Böll-Stiftung,<br />

gehen die Lampen automatisch<br />

an. Allerdings nicht gleich auf volle<br />

Power, sondern gedimmt, je nachdem,<br />

wie viel Licht benötigt wird.<br />

Auch die Jalousien gehen automatisch<br />

auf und zu. »Wir haben versucht,<br />

hier die Balance zu halten und<br />

zu überlegen, was man den Mitarbeitern<br />

noch zumuten kann und was<br />

nicht«, sagt Bloß.<br />

Er ergänzt: »Lü� en dürfen wir<br />

schon noch selbst.« Gelü� et wird<br />

Lüften dürfen wir<br />

schon noch selbst<br />

aber über eine Art Innenhof im Gebäude,<br />

das sogenannte Atrium. Im<br />

Winter wird hier die Abwärme aus<br />

der verbrauchten Lu� gewonnen und<br />

zum Aufwärmen der frischen Lu�<br />

verwendet.<br />

Finanziert wurde das Gebäude der<br />

Heinrich-Böll-Sti� ung aus öff entlichen<br />

Mi� eln. Für die Sti� ung ist es<br />

eine Verpfl ichtung, mit verschiedenen<br />

Veranstaltungen den Bürgern<br />

»einen möglichst großen Gegenwert<br />

zurückzugeben.«<br />

NOIR Nr. 21 (August 2011)<br />

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