Susan Djahangard - Jugendpresse BW
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INTERVIEW<br />
10<br />
» NIEMAND LEBT ALLEINE! «<br />
Rosi Gollmann hat das Helfersyndrom und steckt damit andere<br />
Leute an. Mit NOIR spricht sie über ihr Engangement, falsche<br />
Entwicklungshilfe und egoistische Esel.<br />
Text: Sophie Rebmann | Layout & Illustration: Carolina Schmetzer<br />
NOIR Nr. 21 (August 2011)<br />
Mit 18 Jahren verkündet<br />
Rosi Gollmann ihren<br />
Eltern, dass sie keinen<br />
Mann will. Sie möchte sich ganz<br />
sozialen Aufgaben widmen. Heute<br />
ist Gollmann 84 Jahre alt und �ährt<br />
�ür die Hilfsorganisation Andheri-<br />
Hilfe regelmäßig durch Deutschland.<br />
Immer wieder kommen ehemalige<br />
Schüler zu der Lehrerin, um von ihrem<br />
eigenen Engagement zu erzählen.<br />
»Ich habe es geschafft, sie sozial<br />
zu infizieren«, meint Rosi Gollmann.<br />
Frau Gollmann, wie infi ziert man junge Mens�<br />
en sozial?<br />
Junge Leute haben ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit<br />
und schauen über den eigenen Tellerrand.<br />
Ich erzähle, was ich sehe und woran ich arbeite.<br />
Zwischen Hören, Wahrnehmen und Umsetzen ist<br />
aber ein Unterschied. Man muss die Hürde nehmen,<br />
selbst aktiv zu werden.<br />
Warum helfen Sie?<br />
Niemand lebt �ür sich alleine. Menschen, die<br />
um sich selbst kreisen, sind nicht die glücklichsten.<br />
Auch �ür mich war es nicht immer einfach.<br />
Heute habe ich es nicht gescha� , die Vorträge �ür<br />
nächste Woche vorzubereiten, das werde ich heute<br />
Nacht tun. Aber ein Seniorenheim wäre nichts<br />
�ür mich. Und was man gibt, bekommt man auch<br />
zurück.<br />
Zuwendung ist ja keine Einbahnstraße. Vor<br />
vielen Jahren bekam ich einen Anruf aus Indien.<br />
Fast eine komple� e Familie war an einer schweren<br />
Krankheit gestorben. Nur ein 14-jähriges Mädchen<br />
lebte noch, sie brauchte aber ein Medikament.<br />
Dann bin ich eben erst zur Apotheke gegangen,<br />
dann zum Flughafen, habe das schicken lassen<br />
und die Geschichte schon fast vergessen. Nach<br />
Jahren kam eine Mail. Die Frau lebte nun in Amerika<br />
und bedankte sich bei mir.<br />
Glauben Sie, dass jeder das Bedürfnis hat, zu helfen?<br />
Dann müsste ja jeder helfen wollen. Nein, das<br />
ist eine persönliche Entscheidung. Das Allerwichtigste<br />
ist zu merken: Ich bin kein Esel, ich lebe nicht<br />
�ür mich alleine, sondern ich habe in der Welt meinen<br />
Platz einzunehmen. Man wird nur glücklich,<br />
wenn man miteinander und �üreinander lebt.<br />
Au� in Deuts� land haben wir jede Menge Probleme<br />
– warum sind Sie gerade in Indien tätig?<br />
Man kann nun wirklich nicht sagen, dass ich<br />
mich in Deutschland nicht engagiere. Ich kümmere<br />
mich hier um die Nachbarscha� shilfe und<br />
mache Altenbesuche. Aber man kann nicht auf<br />
allen Hochzeiten tanzen, man muss sich auf etwas<br />
konzentrieren.<br />
Was muss bea� tet werden, um gute Entwi� -<br />
lungshilfe zu leisten?<br />
Man muss vor allem Respekt haben vor den<br />
Menschen. Die Spenden nicht aus Barmherzigkeit<br />
von oben herab regnen lassen, sondern den Menschen<br />
die Hand reichen. Man muss sie solange an<br />
der Hand halten, wie sie es brauchen. Aber sobald<br />
sie selbst laufen können, die Hand loslassen.<br />
Gibt es Projekte, die sie s� on loslassen konnten<br />
und die nun alleine laufen?<br />
Aber natürlich. Wir haben über 3 000 Projekte<br />
abgeschlossen. Wir würden nie ein Projekt beginnen,<br />
in dem die Menschen von unserer Hilfe abhängig<br />
sind. Wir versuchen sie immer zur Selbstständigkeit<br />
zu �ühren.