Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
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«Von dem allerhöchsten Ton des S - amans leben die Götter, von dem ersten unter den<br />
folgenden die Menschen, von dem zweiten Gandharven (himmlische Genien) und<br />
Apsarasen (Paradiesmädchen), von dem dritten das Vieh, von dem vierten die Manen<br />
und diejenigen, die in Eiern liegen, von dem fünften die Asuras und Raksasas (Dämonen<br />
und Riesen), von dem letzten Kräuter, Bäume und die übrige Welt. Deshalb sagt<br />
man: das S - aman ist Speise» (zitiert nach H. PFROGNER, a.a.O.).<br />
In dem enzyklopädischen Sammelwerk Chinas, «Frühling und Herbst», das uns durch<br />
LÜ BU WE (gest. 237 v.Chr.) überliefert worden ist, und unter anderem die ältesten<br />
erhaltenen Notizen chinesischer Musiktheorie enthält, heisst es in bezug auf den<br />
Schöpfungs-Urbeginn:<br />
«In uralten Zeiten herrschte Dschu Siang Schi über die Welt. Damals bliesen viele<br />
Winde, die Kraft des Lichten sammelte sich, und alle Dinge lösten sich auf ... Da<br />
machte Schi Da die fünfsaitige Harfe, um die Kraft des Trüben herbeizurufen und die<br />
Lebewesen alle zu festigen.» (H. PFROGNER, a.a.O.).<br />
In Ägypten ist es die «singende Sonne, welche die Welt durch ihren Lichtschrei<br />
erschafft, oder Toth, der Gott des Wortes und der Schrift, des Tanzes und der Musik,<br />
welcher die Welt durch ein siebenmaliges Gelächter ins Leben rief, wobei er jedes Mal<br />
etwas entstehen liess, dass grösser war als er selbst». Dieser wichtige Hinweis von<br />
MARIUS SCHNEIDER wird uns im Werk HANS KAYSERS noch in ganz konkreter Form entgegentreten.<br />
In der Genesis ist es schliesslich der effektiv gewordene Ton, das Wort, aus dem die<br />
Welt entsteht: Und Gott sprach: Es werde Licht!<br />
Und der 19. Psalm beginnt mit den Versen: «Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und<br />
die Feste verkündigt das Werk seiner Hände. Ein Tag sagt es dem andern, und eine<br />
Nacht tut es der anderen kund – ohne Sprache, ohne Worte, mit unhörbarer Stimme.<br />
Ihr Klingen geht aus durch alle Lande, ihr Reden bis zum Ende der Welt.»<br />
Der Ton als tragender Weltengrund steht aber gleichzeitig in unmittelbarem Zusammenhang<br />
mit der Musik. Auf die Siebengliedrigkeit der tönenden Lebensspeise Praj – apatis<br />
wurde bereits verwiesen. Chinas «Frühling und Herbst» lässt uns dagegen<br />
unschwer eine Zwölfordnung der kosmischen Tonwelt erkennen:<br />
«Zur Zeit der Heiligen (der alten Könige), als höchste Vernunft auf Erden herrschte, war<br />
der Atem von Himmel und Erde im Einklang und erzeugte die Winde. Immer wenn die<br />
Sonne an einen bestimmten Punkt kam, so gab der Mond dem Wind einen Klang und<br />
auf diese Weise wurden die zwölf Tonarten erzeugt.»<br />
Nach Aufzählung der durch die zwölf Monate erzeugten zwölf Töne, heisst es abschliessend:<br />
«Wenn der Windatem von Himmel und Erde im rechten Verhältnis ist, so<br />
bestimmen sich die zwölf Tonarten.»<br />
Diese Überlieferungen dienten den Chinesen unter Heranziehung eingehender astronomischer<br />
Studien zur Erkenntnis einer umfassenden «musica mundana», einer Weltenmusik,<br />
die Himmelskörper, Götterwesen und Naturreiche in tönende Beziehungen<br />
setzte und aus der sie ihre 12 Lü-Tonarten und ihre Fünftonskala ableiteten.<br />
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