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Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn

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Der Leser darf sich tatsächlich auf viele Computerzeichnungen abstützen, die ihm helfen,<br />

sich im Labyrinth all dieser mathematischen Raumgebilde zu orientieren. Hier findet<br />

er den anschaulich-zeichnerischen Zugang. Und der nicht eben in grosser Mathematik<br />

ausgebildete künstlerische Betrachter erfreut sich an den vielen kunstvollen<br />

Darstellungen der platonischen Körper, die der Autor zusammengetragen hat: Darstellungen<br />

von Radiolarien (nach Haeckel), Zeichnungen von Wenzel Jamnitzer, München,<br />

tolle Konstruktionen von M.C. Escher.<br />

Für den geschichtlich Interessierten gibt es kurze Texte zur Kristallographie der oben<br />

genannten Naturforscher, die den seinerzeitigen Forschungsstand markieren. Kepler<br />

beispielsweise: «Kommen wir zur Sache: Da es immer so ist, sooft es zu schneien<br />

beginnt, dass jene ersten Schneeteilchen die Form von sechseckigen Sternchen an<br />

sich haben, muss da ein bestimmter Grund vorliegen. Warum fallen nicht in gleicher<br />

Weise Fünfecke oder Siebenecke?» Mit diesen Überlegungen Keplers beginnt das<br />

wissenschaftliche, nicht auf Autorität gegründete Forschen. «In den Naturwissenschaften<br />

gilt nur das Gewicht der Tatsache und der Vernunftgründe.» Im 19. Jahrhundert<br />

sucht und findet Haüy die gleichartigen Bauteilchen, deren Zusammensetzung die<br />

Kristallformen erklären. Hessel hingegen betrachtet mehr die Symmetrien der Kristalle,<br />

er findet sogar komplizierte Körper mit fünfzähliger Symmetrie, mit Namen, die<br />

recht schwer auszusprechen sind, etwa das Hexatonikosaeder.<br />

Die besondere Vorliebe des Autors gilt dem Rhomben-30-Flächner: Der Name sagt<br />

es: Es handelt sich um 30 Rhomben, die die Oberfläche dieses Körpers bilden. Sie<br />

umhüllen sowohl einen Dodekaeder (12 Flächen), als auch einen Ikosaeder (20<br />

Flächen). Es handelt sich aber keinesfalls nur um reine, nur für die Raumgeometrie<br />

wichtige Form: 1986 wurden Kristalle entdeckt, die es eigentlich nicht geben darf,<br />

sogenannte Quasikristalle, welche die Passform des Triakontaeders besitzen.<br />

Das Paradoxon des Ikosaeders, dem der Verfasser zwei Kapitel widmet, wollte sich<br />

mir nicht ganz eröffnen. Zwar schrieb Kepler (über eines seiner Bücher): «Das Buch<br />

setzt einen fähigen Kopf voraus, auch eine besondere geistige Aufmerksamkeit und<br />

ein unglaubliches Verlangen, die Ursache der Dinge kennen zu lernen.» Dieses Verlangen<br />

müsste der Leser also haben. Aber auch ohne diese Anstrengung kann der übrige<br />

Text gut verstanden werden.<br />

Die platonischen Körper zeigen sich in der Natur auch in überaus kleinen Formen: Das<br />

Kinderlähmungsvirus hat die Form eines 12-Flächners, das Herpes-Virus die Form<br />

eines 20-Flächners, das Aids-Virus die Form eines 12-Flächners mit aufgesetzten<br />

Pyramiden.<br />

Wie Helmut Reis vorführt, erregen diese Viren nicht nur Krankheiten, sondern ganz<br />

sicher auch Interesse bei kristallographisch interessierten Lesern mit elementarer<br />

mathematischer Bildung. Ihnen darf ich dieses schöne Buch empfehlen.<br />

<strong>Hans</strong>jürg Lengacher<br />

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