Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn

Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn

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17.01.2013 Aufrufe

Damit möge der kurze Aufriss der KAYSERschen «Akróasis» seinen Abschluss finden. So skizzenhaft er sich zeigen muss, dürfte er doch genügend Hinweise enthalten, um das Interesse für die harmonikale Phänomenologie im Leser zu wecken. Wie ernst es Kayser um die Verlebendigung dieser Erkenntnisse war, zeigt die pädagogische Nutzanwendung, die er für ein zukünftiges Musikstudium zieht: «In jede grössere Musikschule, vor allem jede Musikhochschule, gehört ein kleines harmonikales Laboratorium. Es wird die empfindlichste und sensibelste Zelle des Instituts sein, und alle, die durch diese Zelle hindurchgehen, werden ein tieferes Wissen um das Wesen der Musik mitbekommen, als es jeder andere musiktheoretische Unterricht zu geben vermag.» In dieser «Zelle» wird die Geometrie als bildhaft-exakter Ausgangspunkt aller harmonikalen Grundbegriffe genommen, Kristallographie als Identität von Ton- und Kristallentwicklung studiert, in dieser «Zelle» erschliesst sich durch das Mikroskop dem Schüler die Wunderwelt der Diatomeen und Radiolarien mit ihren einfachsten harmonikalen Formprinzipien; es wird ihm Architektur, Bildhauerkunst zum «singenden Marmor», und Keplers gewaltige Harmonie der Welt ist ihm kein Phantasieprodukt mehr, sondern klingende, exakte, wenn auch für das Ohr nicht mehr hörbare Sphärenmusik. So wird Musik wieder die «quadriviale Kunst», die im Verein mit Mathematik, Geometrie und Astronomie den Wortgehalt der Welt zum Erklingen bringt. Aus dieser, zum Ethos der Mensch-Werdung getragenen Sicht, wendet sich KAYSER schliesslich an den schöpferischen Musiker unserer Zeit: «Ehrfurcht und Achtung vor dem Tongesetz ist der Sinn der Harmonik für den Musiker. Die strenge Schule einer zukünftigen harmonikal-musikalischen Satzlehre wird daher immer eine Schule der Natur sein, eine Beobachtung und ein Verstehen ihrer Normen und Gesetze.» (Der hörende Mensch, S. 335.) ***** Unmittelbar vor dem Druck dieser MITTEILUNGEN erfahren wir durch Herrn Marcus Schneider, Basel, dass Prof. Dr. FRIEDRICH OBERKOGLER am 23. Januar 2000 im 82. Lebensjahr in seinem geliebten Sommersitz Orplid im Pinzgau hoch über Neukirchen (Österreich) gestorben ist. «Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, doch auf dem Grund des Bechers wartet Gott.» Max Planck 38

BÜCHERBESPRECHUNGEN Ernst Waldemar Weber PISA und was nun? Mit altersgemischten Klassen, weniger, aber betreuten Hausaufgaben, Elternschulung und mit mehr Musik zu einer besseren Bildung, 138 S., ill., Muri BE 2002, Fr. 32.– Mit grosser Hartnäckigkeit verfolgt der Autor das Ziel, mehr und besseren Musikunterricht in die Schulen zu bringen, weil er zusammen mit vielen Forschern und Erziehenden überzeugt ist, dass täglich musikalische Betätigung in den Schulen Persönlichkeit und Leistung der Kinder und Jugendlichen messbar fördert und das Klima in den Klassen entscheidend verbessert. Schon ab 1972 in seiner eigenen Schulklasse, dann 1988 bis 1991 im Rahmen eines Nationalfonds-Projekts hat er das beweisen können (darüber und auch über die Schulversuche mit erweitertem Musikunterricht in Berlin 1992 bis 1998 berichtet er im neuen Buch). Er war wesentlich beteiligt am Zustandekommen des Artikels zur Musikerziehung in der neuen Bundesverfassung und setzt sich jetzt ein für ein entsprechendes schweizerisches Rahmengesetz. Schon in «Die vergessene Intelligenz» hat Weber dargestellt, wie die menschliche Intelligenz ausgefächert wird in mindestens sieben selbständige aber miteinander vernetzte Intelligenzen; und wie durch diese neue Schau deutlich wird, über wieviele verschiedenartigste Kanäle erzogen werden muss und welche zentrale Rolle dabei die mit allen andern vernetzte musikalische Intelligenz spielt. Die für die deutschsprachigen Länder peinliche PISA-Studie über die nicht sehr brillante Lesefähigkeit ihrer 15-Jährigen nimmt der Autor als Anlass, mit neuen Erkenntnissen vertieften Argumenten und noch dringenderen Forderungen die Vision einer ganzheitlichen Erziehung und Schulung unserer Kinder darzustellen, die es nicht nur zustandebrächte, dass unsere Jugend besser lesen könnte, sondern auch in vielen andern Sparten kompetenter würde. Er geht dabei von der PISA-Studie selbst aus, indem er deren Ergebnisse bei uns mit denen der gut abschneidenden Länder, besonders Finnland vergleicht und untersucht, was von dort übernommen werden könnte. Neben den Hauptforderungen, wie sie im Untertitel stehen, werden die organisatorische Struktur des Bildungswesens (u.a. auch die kontraproduktive Selektion in den Schulen) und die im Argen liegende Ausbildung der Lehrkräfte diskutiert («Lehrerinnen und Lehrer müssen charismatische Persönlichkeiten werden und ein künstlerisches Flair haben»). Mit vielen überzeugenden Beispielen aus Praxis und Forschung wird aufgerollt, wie viel wirkungsvoller dank der neuen Betrachtungsweisen Erziehung vom Säugling bis zum adulten Menschen sein könnte. Dazu einige Beispiele: «Krippen machen Kinder klug (so wird die ‘Schulreife’ vorbereitet, statt wie bei uns abgewartet)»; «Schule muss endlich positiv erlebt werden, denn sonst werden viele an der unabdingbaren Forderung nach ‘life long learning’ zerbrechen»; ein individualisiertes Testsystem mit Eintragungen in ein persönliches Portofolio fördert die Eigenverantwortung der Lernenden. Im Kapitel «Musik im Zentrum» zeigt Weber auf, wie die Förde- 39

BÜCHERBESPRECHUNGEN<br />

Ernst Waldemar Weber<br />

PISA und was nun?<br />

Mit altersgemischten Klassen, weniger, aber betreuten Hausaufgaben, Elternschulung<br />

und mit mehr Musik zu einer besseren Bildung, 138 S., ill., Muri BE 2002, Fr. 32.–<br />

Mit grosser Hartnäckigkeit verfolgt der Autor das Ziel, mehr und besseren Musikunterricht<br />

in die Schulen zu bringen, weil er zusammen mit vielen Forschern und Erziehenden<br />

überzeugt ist, dass täglich musikalische Betätigung in den Schulen Persönlichkeit<br />

und Leistung der Kinder und Jugendlichen messbar fördert und das Klima in den Klassen<br />

entscheidend verbessert. Schon ab 1972 in seiner eigenen Schulklasse, dann<br />

1988 bis 1991 im Rahmen eines Nationalfonds-Projekts hat er das beweisen können<br />

(darüber und auch über die Schulversuche mit erweitertem Musikunterricht in Berlin<br />

1992 bis 1998 berichtet er im neuen Buch). Er war wesentlich beteiligt am Zustandekommen<br />

des Artikels zur Musikerziehung in der neuen Bundesverfassung und setzt<br />

sich jetzt ein für ein entsprechendes schweizerisches Rahmengesetz.<br />

Schon in «Die vergessene Intelligenz» hat Weber dargestellt, wie die menschliche<br />

Intelligenz ausgefächert wird in mindestens sieben selbständige aber miteinander vernetzte<br />

Intelligenzen; und wie durch diese neue Schau deutlich wird, über wieviele<br />

verschiedenartigste Kanäle erzogen werden muss und welche zentrale Rolle dabei die<br />

mit allen andern vernetzte musikalische Intelligenz spielt.<br />

Die für die deutschsprachigen Länder peinliche PISA-Studie über die nicht sehr brillante<br />

Lesefähigkeit ihrer 15-Jährigen nimmt der Autor als Anlass, mit neuen Erkenntnissen<br />

vertieften Argumenten und noch dringenderen Forderungen die Vision einer<br />

ganzheitlichen Erziehung und Schulung unserer Kinder darzustellen, die es nicht nur<br />

zustandebrächte, dass unsere Jugend besser lesen könnte, sondern auch in vielen<br />

andern Sparten kompetenter würde. Er geht dabei von der PISA-Studie selbst aus,<br />

indem er deren Ergebnisse bei uns mit denen der gut abschneidenden Länder, besonders<br />

Finnland vergleicht und untersucht, was von dort übernommen werden könnte.<br />

Neben den Hauptforderungen, wie sie im Untertitel stehen, werden die organisatorische<br />

Struktur des Bildungswesens (u.a. auch die kontraproduktive Selektion in den<br />

Schulen) und die im Argen liegende Ausbildung der Lehrkräfte diskutiert («Lehrerinnen<br />

und Lehrer müssen charismatische Persönlichkeiten werden und ein künstlerisches<br />

Flair haben»). Mit vielen überzeugenden Beispielen aus Praxis und Forschung wird aufgerollt,<br />

wie viel wirkungsvoller dank der neuen Betrachtungsweisen Erziehung vom<br />

Säugling bis zum adulten Menschen sein könnte. Dazu einige Beispiele: «Krippen<br />

machen Kinder klug (so wird die ‘Schulreife’ vorbereitet, statt wie bei uns abgewartet)»;<br />

«Schule muss endlich positiv erlebt werden, denn sonst werden viele an der<br />

unabdingbaren Forderung nach ‘life long learning’ zerbrechen»; ein individualisiertes<br />

Testsystem mit Eintragungen in ein persönliches Portofolio fördert die Eigenverantwortung<br />

der Lernenden. Im Kapitel «Musik im Zentrum» zeigt Weber auf, wie die Förde-<br />

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