Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
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aufklingt. Es fehlt noch die eigentliche Form des Ausdrucks. Sie wird erst durch das<br />
Tier verwirklicht. Und da erwacht die Diatonik erstmalig zu form- und lebensbildender<br />
Bedeutung.» («Der hörende Mensch»)<br />
Alle diese so entwickelten Hörbilder führen zu tierischen Urbildern irgendwelcher Art,<br />
ein geeignetes Mittel, die verschiedenen zoologischen Urformen, wie Insekt, Fisch etc.<br />
als tonale Konfiguration zu bestimmen.<br />
Das Hörbild des Menschen<br />
Schliesslich wendet sich KAYSER dem Hörbild des Menschen zu. Auch hier ist die<br />
Methode die gleiche: Kombination und Variation von Teiltonreihen, wobei jetzt aber<br />
nicht nur ein Zeugerton in Erscheinung tritt, sondern die Teiltöne selbst zu neuen<br />
Generatoren herangezogen werden und von sich aus neue Teiltonreihen bilden. In<br />
seinem «Lehrbuch der Harmonik» entwickelt KAYSER dieses menschliche Hörbild von<br />
Index zu Index, uns solcherart miterleben lassend, welche Auswirkungen das Hinzutreten<br />
eines neuen Teiltones für den gesamten Hörbild-Organismus zeitigt. Und es ist<br />
faszinierend zu beobachten, wie sich allmählich die menschliche Leiblichkeit herausbildet.<br />
Relativ bald zeichnen sich die «Gliedmassen» ab, wobei die Teiltonreihen der<br />
«Arme» harmonisch das stärkste motorische Element enthalten, echte Obertonreihen<br />
in ihrer Dur-Moll-Tonalität darstellen, während das auf die unteren Extremitäten verweisende<br />
Schenkelpaar sich nur aus Grundtönen, aus reinen «Toniken» bildet und<br />
dadurch ein tragendes, statisches Moment aufweist.<br />
Mit dem Auftreten neuer Teiltöne kommt es weiter zur Herausbildung von je drei linken<br />
und rechten «unechten» (weil skalenmässig unvollständigen) kleinen Tonleiterkreisen.<br />
Von ihnen ergänzen sich je ein linker und rechter zu einer geschlossenen Leiter. Biologisch<br />
gesehen, tritt hier die Duplizierung wichtiger Organe in Erscheinung, wie etwa<br />
Lunge oder Niere.<br />
Noch auf ein zweites interessantes Detail sei hier verwiesen: In der weiteren Entwicklung<br />
des Hörbildes formt sich in der «Kopfregion» eine Ton-Ellipse heraus. Sie entsteht<br />
an jenem Punkt des Diagramms, an dem sich die Tonentwicklung zum erstenmal<br />
enharmonisch spaltet. Ausgehend vom Zeugerton c, erhalten wir zwei verschiedene<br />
b- und d-Werte. Dieselbe Ellipse, die man hier etwa der «Kehlkopfregion» zurechnen<br />
könnte, bildet sich aber gleichzeitig auch im unteren Abschnitt des Hörbildes heraus,<br />
in der «Genitalsphäre». Auch hier ergeben sich enharmonische Unterschiedlichkeiten<br />
von d- und b-Werten. Die zentrischen Töne sind bei beiden Ellipsen wertmässig identisch,<br />
haben jedoch verschiedene Orte: Die obere Ellipse gruppiert sich um 9/9 c, die<br />
untere um 8/8 c. Dieses Phänomen charakterisiert KAYSER mit folgender Überlegung:<br />
«Die polare morphologische Entsprechung in der Erkenntnis- und Sexualsphäre gibt<br />
der harmonikalen Analyse ein tiefes Geheimnis der Natur preis. Es wird nicht der innere,<br />
sowohl biologische wie psychologische Zusammenhang beider Sphären verständlich,<br />
sondern ihre enharmonische Struktur verweist uns auf eine tiefe Notwendigkeit<br />
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