Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gestaltung sein mag, das wichtigste Kriterium bei der Pflanzenharmonik liegt in der<br />
Notwendigkeit der Kombination von mindestens zwei Teiltonreihen, soll die Pflanzengestalt<br />
harmonikal zum Erklingen gebracht werden.<br />
«Während die anorganische Natur so konstituiert ist, dass sie, falls ihre Tonpunkte<br />
‘geordnet’ sind, die Neigung zur Dauer hat, charakterisiert sich das Leben als eine<br />
Spannung zwischen zwei oder mehreren Tonsystemen, welche dadurch a priori eine<br />
fortwährende tonale, d.h. seelische Spannung erzeugen.» (H. KAYSER, Der hörende<br />
Mensch)<br />
Das KAYSERsche Hörbild kann ein wertvolles Mittel sein für jene meditative «Pflege der<br />
Welt der Töne», wie sie RUDOLF STEINER als ein Erfordernis auf dem Weg zur «Erkenntnis<br />
höherer Welten» angibt. Natürlich kann es den meditativen Akt nicht ersetzen, ohne<br />
den dieser Weg nie zu dem erstrebten Erkenntnisziel führen kann. Immer bleiben diese<br />
Hörbilder im «Vorhof» stehen, denn sie überschreiten nicht den Horizont unseres, an<br />
Sinne und Gehirn gebundenen Bewusstseins. Aber in diesem Denken kann, gleich<br />
einem Präludium aufklingen, was durch Meditation zu realem Seelenerlebnis wird:<br />
«Die ganze Natur fängt an, dem Menschen durch ihr Ertönen Geheimnisse zuzuraunen.<br />
Was vorher seiner Seele unverständlicher Schall war, wird dadurch sinnvolle<br />
Sprache der Natur. Und wobei er vorher nur Ton gehört hat, beim Erklingen des sogenannten<br />
Leblosen, vernimmt er jetzt eine neue Sprache der Seele. Schreitet er in solcher<br />
Pflege seiner Gefühle vorwärts, dann wird er bald gewahr, dass er hören kann,<br />
wovon er vorher nichts vermutet hat. Er fängt an, mit der Seele zu hören.» (RUDOLF<br />
STEINER, «Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten?»)<br />
Wie sehr sich KAYSER in seiner Pflanzenharmonik im Einklang mit GOETHE fühlen<br />
musste, zeigt allein der Titel, den er seinem, ausschliesslich diesem Gebiet gewidmeten<br />
Werke gab: «Harmonia plantarum». Diese Benennung, die GOETHE ursprünglich<br />
seiner «Metamorphose der Pflanze» geben wollte, hat KAYSER ganz bewusst gewählt.<br />
Die harmonikale Stufenordnung tritt uns auch im Pflanzenwachstum entgegen. Ich gebe hier<br />
eine Parallele, die für sich<br />
spricht:<br />
Eine zukünftige harmonikale<br />
Pflanzenmorphologie müsste<br />
natürlich viel weiter in die<br />
Details gehen, das Verhältnis<br />
der logarithmischen zu den<br />
dezimalen Stufenordnungen<br />
näher untersuchen u.a.m.<br />
Hier handelt es sich nicht um<br />
Details, sondern um den Hinweis,<br />
dass die Pflanzenformen<br />
die harmonikale Raumkonfiguration<br />
unserer Seele an sich<br />
verkörpert, und dass wir in<br />
den konkreten Hörbildern dieser Formen ein Spiegelbild unserer psychischen Struktur sehen.<br />
31