Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn
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gleichzeitig Tonwert-Proportionen sind, und nach diesen tönenden Gesetzen einst der<br />
«Tanz der Stoffe» vor sich ging.<br />
Die Einbeziehung des Septenarius muss uns dabei weder als Ausnahme noch Unstimmigkeit<br />
dieses Gesetzes erscheinen. Wir wiesen bereits darauf hin, dass mit den<br />
Tönen der Siebener-Rationen noch das alte Griechenland musiziert hat. Und heute<br />
sind neuerdings Bestrebungen im Gange, impulsiert vor allem durch MARTIN VOGEL, die<br />
Werte des 7. Teiltones der Obertonreihe wieder in unser Tonsystem einzubeziehen.<br />
Von der Gehör-Disposition her gesehen liegt jedenfalls keine Ursache vor, die Möglichkeit<br />
an eine echte Gewöhnung dieser Tonfrequenzen in Zweifel zu ziehen.<br />
Suchen wir nach weiteren Entsprechungen zwischen Stoff und Ton, dann bildet die<br />
sogenannte «Isotopie» ein interessantes, «klingendes» Phänomen. Unter Isotopie verstehen<br />
wir die merkwürdige Erscheinung, dass bei verschiedenen Atomgewichtszahlen<br />
die Charakteristik des Elements völlig gleich bleibt. Trotz anderer Gewichtsstruktur<br />
bietet das Element das gleiche Erscheinungsbild. In die Klangwelt übertragen, stellt<br />
sich uns damit die Enharmonik im Bereich der Elemente dar. Auch bezüglich des In-<br />
Erscheinung-Tretens der Isotopie herrscht völliger Gleichklang mit der Enharmonik: je<br />
höher nämlich die Atomgewichte, bzw. Atomzahlen steigen, desto häufiger treten Isotopen<br />
auf; und je höher wir in den Teiltonreihen gehen, desto zahlreicher werden die<br />
enharmonischen Differenzierungen. Wir haben sie bereits kurz für den 5. Oktavraum<br />
der Obertonreihe angedeutet, wo es sich ja um die verschiedenen graduellen Unterschiedlichkeiten<br />
des Prim-Intervalls handelt. Und in dieser Unterschiedlichkeit der<br />
Frequenzen innerhalb ein und desselben Tones, liegt ja das Wesen der eigentlichen<br />
Enharmonik. Unser heutiger Begriff, der zwei verschiedenen Tonqualitäten wegen<br />
ihres geringen Frequenz-Unterschiedes in der Temperierung den gleichen Klangort<br />
zuweist, etwa ein fis dem ges, ein cis dem des gleichsetzt, ist bereits eine sinngemässe<br />
Übertragung des ursprünglichen enharmonischen Klangerlebnisses. Denn die<br />
echte Enharmonik meint gleiche Töne trotz verschiedener Frequenzen. Die Isotopie<br />
meint gleiche Elemente, trotz verschiedener Gewichte.<br />
Unerschöpflich im harmonikalen Gleichklang ist auch das Gebiet der chemischen<br />
Verbindungen. Sauerstoff z.B. verbindet sich mit anderen Elementen meistens im<br />
Verhältnis 1:1, 1:2, 1:3, 3:1, 1:5, 2:3. Viel seltener mit 1:4, 1:7, 7:2, 2:2 usw., eine<br />
höhere Wertigkeit als 7 und 8 tritt überhaupt nicht auf. Nur bei den komplizierteren<br />
organischen Verbindungen ist dies der Fall. KAYSER zieht daraus den Schluss:<br />
Das Daltonsche Gesetz der multiplen Proportionen, «wonach sich die Elemente nach<br />
einfachen Vielfachen ihrer Gewichte vereinigen, liefert die Grundlage der ganzen praktischen<br />
sowie theoretischen Chemie. Für den Harmoniker ein eklatanter Beweis, dass<br />
die Struktur der Dinge harmonikal angeordnet ist. Das aber besagt, dass diese höchst<br />
eigentümliche Neigung der Natur, die ersten Ganzzahlen in einer ausgesprochenen<br />
harmonikalen Proportionierung zu bevorzugen, auf eine intensive Verinnerlichung des<br />
Gestaltungsprozesses der ganzen Natur, inklusive des Menschen verweist». Darin liegt<br />
ein wesentliches Moment der «Musik aus den Dingen». Und die Beobachtung, dass<br />
unser seelisches Erleben – eben das Musikerleben – nach denselben Gesetzen verläuft,<br />
berechtigt uns von einer «Verinnerlichung» zu sprechen.<br />
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