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Mitteilungen Nr. 50 - Hans Henny Jahnn

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Ein schönes Beispiel für den Zusammenklang zwischen Musik und Kosmos bietet<br />

auch Ägypten, das uns der spät-antike Dio Cassius (etwa 155–235) überlieferte, und<br />

das HERMANN PFROGNER in seinem erwähnten Sammelband anführt:<br />

«Die Einteilung der Tage nach den sieben sogenannten Wandelsternen ist bei den<br />

Ägyptern aufgekommen und jetzt bei allen Völkern ... angenommen. Wenn man die<br />

sogenannte Harmonie, Diatessaron (= Quarte) (welche als Hauptteil der Musik angenommen<br />

wird) auf die Sterne, auf denen die ganze Ordnung der Himmelsbewegung<br />

beruht und zwar so, wie jeder seine Bahn beschreibt, überträgt und nun von dem äussersten<br />

Kreise, dem des Saturns, beginnt, mit Übergehung der zwei folgenden den<br />

Gott des vierten nimmt, von diesem dann wieder zwei Kreise überspringt, auf den siebenten<br />

fortrechnet, auf die gleiche Weise auch die übrigen durchgeht, und die Tage<br />

nach den Göttern dieser Kreise der Reihe nach benennt, so findet man, dass diese<br />

alle zu der Himmelsordnung in musikalischem Verhältnisse stehen.»<br />

Aus dieser Reihe von Beispielen, denen mit Absicht relativ breiter Raum gegeben<br />

wurde, lässt sich erkennen, wie der «Ton» ursprünglich als das eigentlich zeugende<br />

Urphänomen erlebt worden ist, aus dem dann im weiteren Verlauf der Evolution durch<br />

Aufspaltung des ursprünglich Einen in eine Vielheit, die musikalischen Bezogenheiten<br />

der verschiedenen Schöpfungsebenen erflossen: Planeten, Jahreszeiten, Wochentage,<br />

Himmelsrichtungen, Elemente, und die irdisch erklingenden Töne, sie alle offenbarten<br />

jeweils auf ihrer Ebene musikalische Entsprechungen, die sich zu einer Weltenmusik<br />

im umfassendsten Sinne gruppierten. So galt den Indern z.B. der Ton f als<br />

durchtönt von Jupiter, er war aber auch Ausdruck des Luft-Elementes, markierte<br />

Osten, galt als Frühlingston und Ton der Kindheit. Entsprechend dann die Reihe des<br />

Tones c: Mars, Feuer, Süd, Sommer, Jugend usw.<br />

Beiden Kriterien: dem Ton als schöpferisches Prinzip sowohl, als auch der Vielfalt der<br />

Töne als kosmischer Zusammenklang, gilt Kaysers Interesse. Als Fundament seiner<br />

Forschung dient ihm PYTHAGORAS, durch den all diese Lehren einer tönenden Weltenharmonie<br />

ihre, für das abendländische Denken verbindliche Fassung erhalten haben.<br />

PYTHAGORAS lehrte in jenem 6. Jahrhundert v.Chr., von dem PETER BAMM meint, dass<br />

es das «bedeutsamste und folgenschwerste Saeculum der ganzen Geschichte» sei.<br />

THALES VON MILET, BUDDHA, LAOTSE, KONFUZIUS vereint es in seinen verschiedenen Kulturkreisen<br />

der Erde. Unter Kaiser Kyros wurden die Lehren des ZARATHUSTRA im Avesta<br />

aufgezeichnet; den Bau des Artemistempels in Ephesos, die Geburt der Tragödie<br />

erlebte es ebenso, wie die unvergängliche Lyrik einer Sappho von Lesbos.<br />

In dieser Hoch-Zeit geistiger Wirkenskräfte erhält jenes, dem imaginativ-inspirativen<br />

Bewusstsein noch unmittelbar zugängliche Erlebnis einer Weltenmusik, durch PYTHA-<br />

GORAS seine durch Mass und Zahl begreifbare Ausgestaltung. Und von diesem Zeitpunkt<br />

an zieht sich eine «Geschichte des Pythagoreismus» wie ein roter Faden durch<br />

das abendländische Geistesleben. Von PLATO, EMPEDOKLES, HERAKLIT zu AUGUSTINUS,<br />

von PLOTIN zu LEIBNIZ und JOHANNES KEPLER, von JAKOB BÖHME zu SCHELLING und SCHO-<br />

PENHAUER – so verschieden die Welt dieser Denker sich auch gestalten mag, ihre «klingende<br />

Struktur» wird bei allen «hörbar».<br />

Und wie gewaltig tönt nicht die Welt in der abendländischen Dichtung! GOETHES<br />

Anfangsverse des «Prologs im Himmel» sind in diesem Zusammenhang oft zitiert wor-<br />

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