Informationen zum Erlernen der Rechtschreibung
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<strong>Informationen</strong> <strong>zum</strong> <strong>Erlernen</strong> <strong>der</strong> <strong>Rechtschreibung</strong><br />
1. Wie lernen Kin<strong>der</strong> Rechtschreiben?<br />
Wenn unsere Kin<strong>der</strong> in die Schule kommen, kennen sie oft schon einige, mehrere<br />
o<strong>der</strong> manchmal sogar schon alle Buchstaben. Viele kennen den Schriftzug ihres Namens<br />
und können das Wortbild ganzheitlich „schreiben“, manche können auch schon<br />
weitere Wörter wie „Mama“, „Papa“, „Oma“ und den Namen eines Geschwisterkindes<br />
„schreiben“. An<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> zeigen von sich aus kaum o<strong>der</strong> noch gar kein Interesse<br />
am Nachmalen von Buchstaben o<strong>der</strong> kleinen ihnen wichtigen Wörtern.<br />
In unserer Schule lernen die Kin<strong>der</strong> in den ersten Schulwochen mit Hilfe des Anlautkreises<br />
alle Buchstaben und ihre dazugehörigen Anlaute kennen. Hierzu sind vielfältige,<br />
täglich wie<strong>der</strong>kehrende Übungen notwendig. Dieser Anlautkreis entwickelt sich<br />
für viele Kin<strong>der</strong> rasch zu einem wichtigen Instrument, mit dessen Hilfe das einzelne<br />
Kind, gemäß seines eigenen Lerntempos, eigene Wörter zunächst lautgetreu<br />
verschriftet. Dies gelingt – je nach Vorerfahrungen – dem einen Kind früher, dem<br />
an<strong>der</strong>en Kind später.<br />
Früher vermutete man, dass Kin<strong>der</strong> Wortbil<strong>der</strong> abspeichern und nach häufigem Üben<br />
dauerhaft richtig schreiben können. Jede erfahrene Grundschullehrkraft weiß jedoch,<br />
dass ein Kind vielleicht nach vielfachem Üben für ein Diktat (auch mit Muttis Hilfe), in<br />
eben diesem Diktat zwar schwierige Wörter richtig schreiben kann. Diese werden<br />
jedoch in den nächsten eigenen Texten des Kindes oftmals wie<strong>der</strong> falsch geschrieben<br />
und zwar jedes Mal „an<strong>der</strong>s falsch“.<br />
Wir wissen heute aus <strong>der</strong> internationalen Schriftspracherwerbsforschung, dass Kin<strong>der</strong><br />
aktive Konstrukteure ihrer Schreibweisen sind. Sie konstruieren Wörter immer wie<strong>der</strong><br />
neu und erproben hierbei Schreibweisen, die ihnen sinnvoll erscheinen. Ihre „Fehler“<br />
sind dabei für das weitere Rechtschreiblernen notwendig. Falschschreibungen und<br />
Richtigschreibungen sowie <strong>der</strong> Zeitpunkt, zudem sie stattfinden, sagen etwas über<br />
den Stand <strong>der</strong> Rechtschreibentwicklung des einzelnen Kindes aus. Sie geben <strong>der</strong> Lehrerin/dem<br />
Lehrer genaue Hinweise über den Entwicklungsstand des Kindes beim Erwerb<br />
<strong>der</strong> Schriftsprache.<br />
Kin<strong>der</strong> entwickeln beim Rechtschreiblernen unterschiedliche Strategien. Unter Rechtschreibstrategien<br />
versteht man dabei Überlegungen bzw. innere Denkhandlungen <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>, denen sie beim Schreiben folgen. Nach und nach, später sogar gemeinsam<br />
und ineinan<strong>der</strong> greifend wenden sie die folgenden Strategien an:<br />
- die alphabetische Strategie:<br />
Das Kind schreibt zu Anfang vorwiegend lautorientiert. Dies geschieht in verschiedenen<br />
Entwicklungsstufen:<br />
Schreibt ein Kind das Wort „ Mäuse“ wie folgt (1-4), so bedeutet dies (Erklärung):<br />
1. MS (Das Kind hört zunächst nur die Konsonanten.)<br />
1
2. Mse (Das Kind hört bereits einen Vokal.)<br />
3. Moise (Das Kind versucht den „eu“-Laut“ als „oi“ abzubilden.)<br />
4. Meuse (Die Abbildung des „eu“-Lautes gelingt.)<br />
Beispiele für fortgeschrittene lautorientierte Verschriftungen:<br />
Fata (Vater) , Muta (Mutter), Flige (Fliege), Hunt (Hund),<br />
Schtaupsauga (Staubsauger), …<br />
Diese Verschriftungen sind auf dem Weg zur richtigen Schreibung <strong>der</strong> Wörter<br />
ein wichtiger Schritt. Für den Lernprozess ist es zunächst sehr wichtig, dass das<br />
Kind wirklich alle Laute eines Wortes abhören kann und versucht, diese durch<br />
die dazugehörigen Buchstaben abzubilden. Gelingt ihm dies, so hat es ein solides<br />
Fundament erreicht, um seine <strong>Rechtschreibung</strong> weiterzuentwickeln.<br />
- die orthographische Strategie:<br />
Das Kind erkennt beim Lesen unbewusst Regelhaftes in <strong>der</strong> Schreibung von<br />
Wörtern und setzt diese beim Schreiben intuitiv um.<br />
Beispiele:<br />
Vater (Das Kind schreibt das Wort mit V und nicht mit F, es schreibt<br />
die Endung –er und nicht –a wie in einer möglichen lautorientierten<br />
Schreibung: „Fata“)<br />
Hammer (Das Kind hat erkannt: Nach einem kurzen Vokal folgt ein Doppelkonsonant,<br />
die Wortendung ist –er und nicht –a. Manchmal<br />
schreiben Kin<strong>der</strong> das Wort noch so: Hamma. Dann fallen sie in<br />
einem Wortteil nochmals in die lautorientierte Strategie zurück,<br />
haben jedoch die Kürze des Vokals erkannt und durch den<br />
Doppelkonsonanten gekennzeichnet.)<br />
Die Lehrkraft unterstützt die Kin<strong>der</strong> in dieser Phase, indem sie sie mit wichtigen<br />
orthographischen Regelungen vertraut macht. Wann ein Kind diese Regelungen<br />
in seinen eigenen Schreibungen und Texten umsetzen kann, bestimmt wie<strong>der</strong>um<br />
seine individuelle kognitive Entwicklung.<br />
- die morphematische Strategie:<br />
Das Kind erkennt Wortverwandtschaften, verlängert Wörter und setzt diese<br />
Kenntnisse mehr und mehr beim Schreiben um. Es sucht nach <strong>der</strong> Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Wörter und seiner Teile und kann das Wort in seine Wortbausteine zerlegen:<br />
Mäuse (Das Kind hat erkannt, dass „Meuse“ von „Maus“ kommt und<br />
schreibt das Wort nun mit äu)<br />
2
Staubsauger (Das Kind hat erkannt, dass „Staub“ von „staubig“ kommt<br />
und daher mit „b“ geschrieben wird und nicht mit „p“. In einem<br />
früheren Entwicklungsstadium hätte es das Wort noch so geschrieben:<br />
Staupsauger)<br />
- die wortübergreifende Strategie<br />
Beim Schreiben von ganzen Sätzen und Texten versucht das Kind mehr und<br />
mehr die erworbenen Kenntnisse über die Wortarten und damit die Groß- und<br />
Kleinschreibung richtig anzuwenden:<br />
<strong>der</strong> Kleine<br />
Hund<br />
(Das Kind ordnet den Artikel „<strong>der</strong>“ dem Adjektiv „kleine“ zu und<br />
schreibt „Kleine“ daher groß, denn „<strong>der</strong> Kleine“ erscheint ihm für<br />
die erlernte Regel „Nomen haben einen passenden Artikel“ zutreffend<br />
zu sein. Die Fernbeziehung des Artikels „<strong>der</strong>“ <strong>zum</strong> Nomen<br />
„Hund“ im Satz muss erst noch erarbeitet werden.)<br />
Ebenso müssen noch Regelhaftigkeiten <strong>der</strong> Getrennt- und Zusammenschreibung,<br />
<strong>der</strong> Satzgrammatik (z.B. „dass-Schreibung nach dem Komma), <strong>der</strong> Verwendungsart<br />
eines Satzes (Satzzeichen, wörtliche Rede) bewusst wahrgenommen<br />
und erlernt werden. Die wortübergreifende Strategie stellt hohe kognitive<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an den Rechtschreiblerner und ist von Grundschulkin<strong>der</strong>n nur<br />
gemäß ihres individuellen Entwicklungsprofils umsetzbar.<br />
Ein Kind muss diese Strategien in Ruhe durchlaufen und erproben können, um zu<br />
einem sicheren Rechtschreiber zu werden. Wird Kin<strong>der</strong>n in ihrer individuellen Lernentwicklung<br />
Zeit gelassen, so sind sie im Verlauf <strong>der</strong> vier Grundschuljahre immer<br />
besser in <strong>der</strong> Lage,<br />
die einzelnen Strategien einzusetzen, sie zu kombinieren und ein sicheres Rechtschreibgespür<br />
zu entwickeln. Bei den meisten Kin<strong>der</strong>n wird <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Strategieentwicklung<br />
durch die Leseerfahrung ein Stück vorangetrieben. Unbewusst nehmen<br />
sie orthographische Phänomene im Gelesenen wahr und versuchen diese in ihren<br />
eigenen Schreibungen umzusetzen. Allerdings kommt es hierbei auch zu Falschschreibungen<br />
gerade weil das Kind intuitiv eine „Regel“ anwendet. Diese Fehler sind<br />
jedoch ausgesprochen fruchtbar, denn sie geben <strong>der</strong> Lehrkraft Hinweise auf den<br />
Entwicklungsstand des Kindes. Bespricht diese mit den Kin<strong>der</strong>n ihre irrtümlichen<br />
Verschriftungsmuster, so wird <strong>der</strong> innere Regelbildungsprozess beim Kind nachhaltig<br />
geför<strong>der</strong>t.<br />
Daher verzichten wir nicht darauf, <strong>Rechtschreibung</strong> systematisch zu lehren und legen<br />
unseren Schwerpunkt auf eine strategiebezogene För<strong>der</strong>ung, d.h. <strong>der</strong> schulische Unterricht<br />
muss den Kin<strong>der</strong>n neben dem Freiraum zur eigenaktiven Entwicklung von<br />
Rechtschreibstrategien auch eine systematische Instruktion anbieten, die ihre Konstruktionsprozesse<br />
aktiv unterstützt und erweitert.<br />
Es gibt Kin<strong>der</strong>, denen es nicht problemlos gelingt, die <strong>Rechtschreibung</strong> intuitiv zu<br />
3
erlernen. Häufig hat dies mit frühen Entwicklungsrückständen im Bereich <strong>der</strong> phonologischen<br />
Bewusstheit, mit Sprachentwicklungsverzögerungen o<strong>der</strong> Problemen beim<br />
Abspeichern von Lauten und Wortbausteinen zu tun. Diese Kin<strong>der</strong> benötigen deutlich<br />
mehr Zeit für ihre Strategieentwicklung als an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> und sehr klar strukturierte<br />
Hilfen, die das bewusste Konstruieren mithilfe von Rechtschreibstrategien und Rechtschreibregeln<br />
unterstützen.<br />
2. Strategieorientierter Rechtschreibunterricht in Sinnzusammenhängen<br />
Der Rechtschreibunterricht findet an unserer Schule nicht isoliert, son<strong>der</strong>n eingebettet<br />
in die jeweiligen Unterrichtsthemen statt, welche <strong>der</strong> Lebenswelt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />
ihren Interessen entstammen. Da Kin<strong>der</strong> immer dann über <strong>Rechtschreibung</strong> nachdenken,<br />
wenn sie eigene Texte schreiben, ist die Schaffung von sinnvollen Schreibsituationen<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Unterrichtsthemen eine wichtige Grundlage für unseren<br />
Unterricht. Lesend und schreibend setzen die Kin<strong>der</strong> sich mit dem jeweiligen Unterrichtsthema<br />
auseinan<strong>der</strong><br />
2.1 Selbstständiges Üben von Lernwörtern<br />
(Modellwörter <strong>der</strong> Klasse).<br />
Die Lehrerin bietet den Kin<strong>der</strong>n Lernwörter an, welche sich aus dem Unterrichtsthema<br />
ergeben. Diese setzen sich zusammen aus Wörtern, die in <strong>der</strong> deutschen Schriftsprache<br />
häufig verwendet werden (Strukturwörtern) und Wörtern, die Modelle sind<br />
für Rechtschreibmuster und –regelungen sein können. Sie werden jeweils aufgeteilt<br />
in Mitsprechwörter (alphabetische Strategie), Merkwörter (orthographische Strategie)<br />
und Nachdenkwörter (morphematische Strategie).<br />
Jedem Lernwort sind Symbole = Wegezeichen zugeordnet, welche dem Kind sagen,<br />
wie das Wort geübt werden soll. Diese Wegezeichen stehen hierbei für die oben beschriebenen<br />
Rechtschreibstrategien und sind speziell für jedes Wort überlegt.<br />
Sind die Übungen gut eingeführt, so nehmen die Kin<strong>der</strong> das Üben <strong>der</strong> Lernwörter<br />
selbstständig in die Hand:<br />
1. Das Wort wird auf eine Karteikarte geschrieben und das zugehörige Wegezeichen<br />
vom Kind auf <strong>der</strong> Karte gekennzeichnet. Dann werden die eingeführten<br />
Übungsaufgaben mit jedem Wort auf <strong>der</strong> Karte durchgeführt.<br />
2. Anschließend werden die Wörter mit <strong>der</strong> Wörterklinik, einem Wörterkasten mit<br />
5 Fächern, geübt. Für jedes Fach <strong>der</strong> Wörterklinik gibt es eine eigene Abschreibübung:<br />
z. B. Mäppchendiktat, Partnerdiktat, Schleichdiktat,…usw. Nach<br />
je<strong>der</strong> Aufgabe wird die Schreibung <strong>der</strong> Wörter vom Kind kontrolliert. Wird ein<br />
Wort noch falsch geschrieben, wan<strong>der</strong>t es zurück in das vorherige Fach und<br />
wird beim nächsten Mal erneut geübt.<br />
4
3. Wird das Wort vom Kind auch bei <strong>der</strong> letzten Übung richtig geschrieben, so<br />
wird es <strong>zum</strong> Abschluss in ein spezielles Wörterheft eingetragen und dort mit<br />
an<strong>der</strong>en Wörtern gesammelt.<br />
Im 4. Schuljahr kann die Arbeit mit <strong>der</strong> Wörterklinik durch die Arbeit mit <strong>der</strong> Lernwörterkarte<br />
ersetzt werden. Der Übungsschritte bleiben hierbei gleich, die Wörter<br />
werden jedoch nicht mehr auf einzelne Karteikarten geschrieben, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong><br />
Lernwörterkarte vermerkt.<br />
2.2. Selbstständiges Üben mit eigenen Lernwörtern<br />
(Modellwörter des Kindes) „Meine Fehler sind meine Freunde.“<br />
Da jedes Kind in seinen eigenen Texten Fehler macht, die typisch für sein individuelles<br />
Entwicklungsniveau sind, ist es sehr wichtig, dass das Kind nicht nur mit den Modellwörtern<br />
<strong>der</strong> Klasse, son<strong>der</strong>n auch mit seinen eigenen Lernwörtern arbeitet. So<br />
lernt das Kind, dass seine Fehlschreibungen nicht ein Makel sind, son<strong>der</strong>n ihm dabei<br />
helfen, <strong>Rechtschreibung</strong> besser zu verstehen: „Meine Fehler sind meine Freunde,<br />
denn aus ihnen kann ich lernen.“ Hierzu analysiert die Lehrkraft den vom Kind geschriebenen<br />
Text auf solche Fehler hin, <strong>der</strong>en Bearbeitung das Kind in seiner Rechtschreibentwicklung<br />
einen Schritt vorantreiben kann. Sie wählt eine überschaubare<br />
Anzahl von Fehlerwörtern aus und schreibt sie richtig unter den eigenen Text des<br />
Kindes. Gleichzeitig versieht sie jedes „eigene Lernwort“ mit dem entsprechenden<br />
Wegezeichen, das die dazugehörige Rechtschreibstrategie för<strong>der</strong>t. Das Kind erhält<br />
seinen Text zurück und arbeitet jetzt eigenständig mit Hilfe <strong>der</strong> eingeführten Übungen<br />
mit seinen eigenen Lernwörtern (Ablauf wie unter 2.1.).<br />
Nach und nach lernen die Kin<strong>der</strong> (im 4. Schuljahr) für ihre eigenen Lernwörter die<br />
Wegezeichen selbst zu finden. So erarbeiten sie sich immer bewusster ihre <strong>Rechtschreibung</strong>.<br />
Voraussetzung für ein solch selbstständiges Rechtschreibüben und -lernen ist eine<br />
gute Einführung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in jeden einzelnen Schritt des Umgangs mit den Lernwörtern<br />
und die konsequente Durchführung <strong>der</strong> Übungseinheiten.<br />
Unsere Erfahrung ist, dass diese Form des strategieorientierten Rechtschreiblernens<br />
für die Kin<strong>der</strong> eine sehr wirksame För<strong>der</strong>ung darstellt.<br />
Mit Hilfe <strong>der</strong> Wegezeichen üben sie selbstständig. Sie übernehmen Verantwortung für<br />
ihr Lernen, kontrollieren alleine o<strong>der</strong> sich gegenseitig. Stures Üben und Abarbeiten<br />
einzelner Aufgaben ist ausgeschlossen. Die Kin<strong>der</strong> sind aufgefor<strong>der</strong>t nachzudenken,<br />
Wörter aufmerksam wahrzunehmen, auf Beson<strong>der</strong>heiten zu achten, Rechtschreibmuster<br />
und Rechtschreibregelungen zu entdecken und schließlich anzuwenden.<br />
Hierdurch erleben sie eine wichtige und ermutigende Könnenserfahrung. <strong>Rechtschreibung</strong><br />
bleibt kein Buch mit sieben Siegeln, welches man durch stures Diktatüben<br />
mit elterlicher Hilfe zu bewältigen versucht, son<strong>der</strong>n wird von den Kin<strong>der</strong>n mit großer<br />
Verantwortung für das eigene Lernen selbstständig erarbeitet.<br />
3. Leistungsüberprüfung<br />
5
3.1 prozessorientiert<br />
Da <strong>der</strong> individuelle Rechtschreibentwicklungsprozess des einzelnen Kindes im Mittelpunkt<br />
des schulischen Rechtschreiblernens steht, überprüfen wir diesen zweimal<br />
jährlich mit einem standardisierten Rechtschreibtest, welcher uns nicht über die Anzahl<br />
<strong>der</strong> Fehler eines Kindes Auskunft gibt, son<strong>der</strong>n über die Qualität seiner Rechtschreibfehler<br />
und damit über die Entwicklung seiner Rechtschreibstrategien. Die Ergebnisse<br />
dieses Tests geben uns Hinweise zur weiteren För<strong>der</strong>ung des einzelnen<br />
Kindes, aber auch auf die nächsten notwendigen methodischen Schritte im Rechtschreibunterricht<br />
<strong>der</strong> ganzen Klasse.<br />
Des Weiteren zieht die Lehrkraft alle eigenen Texte des Kindes, die es selbstständig<br />
verfasst hat, kontinuierlich zur Einschätzung seiner Rechtschreibentwicklung hinzu.<br />
Auch hier erhält sie klare Hinweise auf die nächsten Impulse, die sie dem einzelnen<br />
Kind für die weitere Entwicklung seiner Rechtschreibfähigkeit geben muss.<br />
3.2. produktorientiert (Lernstandsüberprüfungen)<br />
Der Lehrplan Deutsch <strong>der</strong> Grundschule sieht für das Rechtschreiblernen wichtige Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten vor, welche ein Kind im Verlauf von vier Grundschuljahren<br />
erworben haben sollte. Diese werden gezielt im Rechtschreibunterricht unserer Schule<br />
erarbeitet, geübt und in Rahmen von Lernstandsüberprüfungen abgefragt. Hierzu<br />
gehören:<br />
• einen Text mit den eingeführten Techniken richtig abschreiben können<br />
• selbstständig mit Lernwörtern umgehen<br />
o Rechtschreibphänomene von Modellwörtern auf neue Wörter übertragen<br />
können (z.B. 10 Wörter zu einem bestimmten Rechtschreibphänomen<br />
suchen und richtig aufschreiben : Wörter mit Doppelkonsonant,<br />
mit Dehnungs-h,….)<br />
o Zwei-Phasen-Dikat:<br />
einen Text mit geübten Lernwörtern nach Diktat schreiben (1. Phase),<br />
kontrollieren und korrigieren können; anschließend selbstständig die eigenen<br />
Fehler üben und beim erneuten Diktat des Textes (2. Phase)<br />
richtig schreiben<br />
Ein-Phasen-Diktat:<br />
o einen Text mit geübten Lernwörtern nach Diktat schreiben, selbstständig<br />
auf Fehler kontrollieren und korrigieren.<br />
• Texte kontrollieren und korrigieren können<br />
o eine eigene Textabschrift kontrollieren und korrigieren (s. Abschreiben /<br />
Dikate)<br />
o einen fremden fehlerhaften Text kontrollieren und mit Hilfe des Wörterbuches<br />
korrigieren<br />
6
o einen eigenen Text überarbeiten (mit Wörterbuch kontrollieren und korrigieren<br />
– hier wird jedoch noch nicht <strong>der</strong> Anspruch an vollständige orthographische<br />
Korrektheit gestellt)<br />
• Wörter im Wörterbuch nachschlagen können:<br />
o Wörterlisten nach dem Alphabet sortieren<br />
o Diktat unbekannter schwieriger Wörter mit anschließendem selbstständigen<br />
Nachschlagen im Wörterbuch und richtiger Korrektur<br />
• mit Rechtschreibregelungen umgehen können<br />
o Aufgabenstellungen, in denen Rechtschreibregeln angewandt und vom<br />
Kind erklärt werden<br />
o Aufgabenstellungen, in denen Regelungen auf an<strong>der</strong>e Wörter übertragen<br />
werden<br />
o in einem kleingeschriebenen Text die Großschreibung korrigieren<br />
o in einem Text die Satzzeichen richtig setzen<br />
o in <strong>der</strong> wörtlichen Rede Satzzeichen und Redezeichen richtig setzen<br />
4. Unterstützung von Kin<strong>der</strong>n mit Rechtschreibproblemen<br />
Rechtschreiblernen ist ein intuitiver, eigenaktiver Regelbildungsprozess, den alle Kin<strong>der</strong><br />
gleichermaßen, allerdings in unterschiedlichem Tempo und unterschiedlicher<br />
Qualität durchlaufen. Wie weiter oben bereits angedeutet, kann das Rechtschreiblernen<br />
<strong>zum</strong> Beispiel Kin<strong>der</strong>n Schwierigkeiten bereiten, welche bei Schulbeginn noch<br />
Probleme haben<br />
• im Bereich <strong>der</strong> phonologischen Bewusstheit (<strong>der</strong> lautlichen Wahrnehmung und<br />
Segmentierung von Sprache)<br />
• im Sprachverhalten (verspäteter Spracherwerb, auffällige Artikulationsprobleme<br />
(undeutliches Sprechen), Probleme mit grammatischen Strukturen)<br />
• im Bereich <strong>der</strong> auditiven o<strong>der</strong> visuellen Wahrnehmung<br />
Aufgrund unserer frühen Diagnostik setzen wir mit unseren För<strong>der</strong>maßnahmen bereits<br />
sehr früh im ersten Schuljahr an. Hierbei liegt unser Schwerpunkt zunächst in<br />
<strong>der</strong> intensiven För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> phonologischen Bewusstheit sowie des lautgetreuen<br />
Verschriftens sowohl im Klassenunterricht als auch im LRS-För<strong>der</strong>unterricht (bis zu 2<br />
Wochenstunden). Diese För<strong>der</strong>ung verfolgen wir zielorientiert im Verlauf <strong>der</strong> Schuleingangsphase<br />
(Klasse 1 und 2).<br />
Erst wenn das Kind Wörter und kleine Sätze lautgetreu verschriften kann, bieten wir<br />
ihm Modellwörter <strong>zum</strong> eigenständigen Rechtschreiblernen an und schauen genau<br />
hin, was das Kind als nächstes lernen muss.<br />
Zeigt ein Kind beson<strong>der</strong>e Schwierigkeiten beim <strong>Erlernen</strong> des Rechtschreibens, för<strong>der</strong>n<br />
wir es in allen Jahrgangsstufen zusätzlich zur individuellen Rechtschreibför<strong>der</strong>ung im<br />
Klassenunterricht auch in Kleingruppen (LRS-För<strong>der</strong>unterricht) außerhalb des Klassenverbandes.<br />
7
Grundlage unserer individuellen För<strong>der</strong>ung ist hierbei sowohl im Klassenunterricht als<br />
auch im LRS-För<strong>der</strong>unterricht stets folgen<strong>der</strong> Dreischritt:<br />
1. Analyse <strong>der</strong> Lernentwicklung: Welche Wortteile kann das Kind schon<br />
verschriften?<br />
2. Fehleranalyse: Worin besteht die Falschschreibung?<br />
3. Feststellen des För<strong>der</strong>bedarfs: Welche Rechtschreibstrategien muss das<br />
Kind noch lernen?<br />
In einem Kompetenzraster/ Diagnosebogen halten wir den Entwicklungsstand des<br />
Kindes fest und bieten ihm speziell auf seinen För<strong>der</strong>bedarf (in seiner individuellen<br />
Strategieentwicklung) hin zugeschnittene Übungen an. Es sind dies gezielte Übungen<br />
zur För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> alphabetischen Strategie:<br />
• Laut- und Wortwahrnehmung<br />
o Silbenklatschen, Reimen<br />
o Artikulation und Unterscheidung von Lauten und Lautgruppen<br />
o Laut-Buchstaben-Zuordnung<br />
o Pilotsprache entwickeln (deutlich artikuliertes Vorsprechen)<br />
o lautgetreues Verschriften einer Lautfolge (eines Wortes) ohne Auslassungen,<br />
o<strong>der</strong> Ergänzungen<br />
<strong>der</strong> orthographisch-morphematischen Strategie:<br />
• Schärfung (kurze Vokale) und Dehnung (lange Vokale)<br />
• Ableitung (Verlängern/ Zerlegen/ Stammwortschreibung)<br />
• Bedeutung von Wortbausteinen (Vor-/ Nachsilben, Teilwörter, Endungen)<br />
• Silbentrennung<br />
<strong>der</strong> wortübergreifenden Strategie:<br />
• Großschreibung<br />
• Getrennt- und Zusammenschreibung<br />
• Satz- und Redezeichen<br />
• Entscheidungsfälle im Textzusammenhang<br />
In regelmäßigen Abständen überprüfen wir die Rechtschreibentwicklung des Kindes<br />
sowohl im Klassenunterricht als auch im För<strong>der</strong>unterricht. Klassenlehrer/in und För<strong>der</strong>lehrer/in<br />
tauschen ihre Ergebnisse aus und legen die weiteren Schritte zur För<strong>der</strong>ung<br />
des Kindes fest.<br />
5. Rechtschreibunterricht mit Blick auf den Übergang zur weiterführenden<br />
Schule<br />
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Unser Rechtschreibunterricht ist nach den aktuellen Erkenntnissen <strong>der</strong> Schriftspracherwerbsforschung<br />
ausgerichtet und strebt zielorientiert das Erreichen <strong>der</strong> verbindlichen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen des Lehrplanes Deutsch im Rechtschreiben für die Grundschule<br />
an. Diese sind auf einem mittleren Anfor<strong>der</strong>ungsniveau formuliert. Die Richtlinien für<br />
die Grundschule verpflichten die Grundschullehrkräfte hierbei, lernschwächere Schülerinnen<br />
und Schüler möglichst weit in ihrem Erwerbsprozess an diese verbindlichen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen heranzuführen und lernstärkeren Kin<strong>der</strong>n die Möglichkeit zu geben,<br />
diese zu überschreiten. Dies bestätigt uns in unserem Bemühen, jedes Kind gemäß<br />
seines eigenen Entwicklungsprozesses im Rechtschreiblernen genau wahrzunehmen<br />
und eine Passung hierzu in seiner individuellen Rechtschreibför<strong>der</strong>ung herzustellen.<br />
Da Rechtschreiblernen ein kognitiver Entwicklungsprozess ist, welcher bei jedem Kind<br />
individuell verläuft, sollte dieser ebenfalls auf <strong>der</strong> weiterführenden Schule so wahrgenommen<br />
werden und die individuelle Lernausgangslage und För<strong>der</strong>ung des Rechtschreiblernens<br />
oberste Priorität haben.<br />
Literatur:<br />
• May, Peter: HSP – zur Erfassung <strong>der</strong> grundlegenden Rechtschreibstrategien.<br />
Hamburg<br />
• Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München:<br />
• Rechtschreibunterricht in <strong>der</strong> Grundschule. Donauwörth 2003<br />
• Kretschmer, Ch. (Hrsg.): Sprachreise 2-4. Berlin 2004<br />
• Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung: Lehrplan Deutsch. Düsseldorf 2003<br />
Stand: 02/2006<br />
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