Bioinformatik: Äpfel mit Birnen vergleichen - Science Communications
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Foto: Dieter Nagl<br />
pekte des Geschehens und können nicht alle Fragen<br />
beantworten“, verdeutlicht der Techniker, „die große<br />
Kunst ist, all diese Daten so zu kombinieren und so<br />
intelligent zu analysieren, dass sich eine Erkenntnis<br />
herauskristallisiert.“ <strong>Bioinformatik</strong> ist also der Vergleich<br />
von <strong>Äpfel</strong>n und <strong>Birnen</strong> auf höchstem Niveau<br />
(siehe Infokasten Was ist <strong>Bioinformatik</strong>?).<br />
Die Kraft der sprechenden Bilder<br />
Zur Interpretation müssen die Daten auch<br />
bildlich dargestellt werden, diese Visualisierungs-<br />
Kunst ist ebenfalls ein Teil von BIN. Dabei wird das<br />
gesamte Wissen über eine medizinische Frage in<br />
ein Bild gepackt. So sind zum Beispiel Muster, die<br />
auf die Bedeutung bestimmter Biomarker hinweisen,<br />
zu erkennen – bei der Darstellung in reinen<br />
Zahlenkolonnen wäre dies viel schwieriger.<br />
Das Nonplusultra im Datenmanagement – und<br />
auch hier beschreiten die <strong>Bioinformatik</strong>-Forschenden<br />
um Zlatko Trajanoski und Gerhard Thallinger<br />
neue Wege – ist die Nachbildung dynamischer<br />
Effekte. Sie wollen aus Daten mathematische<br />
Modelle entwickeln, <strong>mit</strong> denen man medizinische<br />
Phänomene simulieren kann. Eine Fragestellung<br />
ist zum Beispiel: Was passiert, wenn sich die Anzahl<br />
Tumor-infiltrierender T-Zellen erhöht? Wächst<br />
der Tumor oder schrumpft er? „Solche Modelle<br />
sind in der Pharmakologie bereits üblich, um die<br />
Wirkung von Medikamenten zu simulieren. In den<br />
molekularen Biowissenschaften sind Datenmenge<br />
und -qualität <strong>mit</strong>tlerweile so weit beherrschbar,<br />
dass derartige Modelle auch möglich werden“,<br />
meint Trajanoski.<br />
Er teilt <strong>mit</strong> seinem Kollegen Thallinger die<br />
Einschätzung, dass die <strong>Bioinformatik</strong> ein enormes<br />
Entwicklungspotenzial im medizinischen Bereich<br />
hat. „Die Sequenzierung des menschlichen Ge-<br />
7 genosphären 11/12<br />
noms kostet immer weniger. Bald werden auch die<br />
Genome der wichtigsten Krebsarten sequenziert<br />
sein. Diese Daten werden es möglich machen, Patienten<br />
besser zu klassifizieren, ihre Krankheiten zu<br />
diagnostizieren – und personalisiert zu behandeln.<br />
Die Schlüsselrolle dabei spielt die bioinformatische<br />
Verarbeitung“, prophezeit Trajanoski: „Zu Beginn<br />
von BIN war gerade einmal ein Genom sequenziert<br />
– das humane Genom. Davon ausgehend wurden<br />
immer mehr Genome als Ganzes und vor allem<br />
auch Teilsequenzen analysiert. Heute kennt man<br />
rund 5000 monogenetische Erkrankungen.“<br />
Dennoch fehlt bei vielen dieser Krankheiten die<br />
Möglichkeit zur Diagnose und Behandlung. Für sie<br />
alle gilt die Vision: Maßgeschneiderte Therapien,<br />
angepasst an das individuelle Patientengenom.<br />
„Anspruchsvoll“, gibt Trajanoski zu, „aber dorthin<br />
führt der Weg. Und Wegbegleiter dorthin ist die<br />
<strong>Bioinformatik</strong>.“<br />
Fulminantes Finale<br />
Mit dem Auslaufen des Genomforschungsprogramms<br />
wird auch das BIN-Projekt im Frühjahr<br />
2012 abgeschlossen. Dafür aber <strong>mit</strong> einem<br />
fulminanten Finale. Am 28. und 29. März 2012<br />
findet eine <strong>mit</strong> der Chemie-Nobelpreisträgerin Ada<br />
Yonath prominent besetzte Abschlussveranstaltung<br />
der GEN-AU Projekte BIN, APP (Austrian Proteomics<br />
Platform) und ncRNA (non-coding RNAs) in<br />
Innsbruck statt, bei der Resümee gezogen wird.<br />
Danach ist das in allen drei GEN-AU Phasen <strong>mit</strong><br />
über sechs Millionen Euro geförderte <strong>Bioinformatik</strong>-Projekt<br />
beendet.<br />
Sind die Projektväter voller Wehmut? „Nein, es<br />
war eine sehr schöne Zeit. Wir haben viel gelernt,<br />
viel gemacht, viel erreicht, und es hat sich durch<br />
unser Projekt vieles in Österreich entwickelt“, zieht<br />
FORSCHEN<br />
Kurzinformation zum Projekt:<br />
Netzwerkprojekt<br />
BIN – <strong>Bioinformatik</strong>-Integrationsnetzwerk<br />
III<br />
Projektleitung: Univ.-Prof. DI Dr.<br />
Zlatko Trajanoski; Sektion für <strong>Bioinformatik</strong>,<br />
Meduni Innsbruck<br />
Laufzeit: Jänner 2009 bis März 2012<br />
Budget: 1,84 Mio. Euro<br />
BIN-Projektpartner aus allen drei<br />
Phasen (2003 bis 2012):<br />
• CeMM – Forschungszentrum für<br />
Molekulare Medizin GmbH, ÖAW<br />
• Center for Integrative Bioinformatics,<br />
Max F. Perutz Laboratories<br />
• Department of Structural and<br />
Computational Biology, Uni Wien<br />
• IMP – Research Institute of Molecular<br />
Pathology<br />
• Institut für Genomik und <strong>Bioinformatik</strong>,<br />
TU Graz<br />
• Institut für Theoretische Chemie,<br />
Uni Wien<br />
• Sektion für <strong>Bioinformatik</strong>, Meduni<br />
Innsbruck<br />
• UMIT – Private Universität für<br />
Gesundheitswissenschaften, Medizinische<br />
Informatik und Technik<br />
Die drei Phasen von BIN:<br />
In der ersten Phase von BIN wurde<br />
ein virtuelles Labor für die Integration<br />
bioinformatischer Lösungen<br />
etabliert. Drei thematische Schwerpunkte<br />
wurden eingerichtet: Aufbau<br />
und Wartung bioinformatischer<br />
Serviceleistungen, Sequenzannotation<br />
und Strukturgenomik. Schon in<br />
Förderphase I gab es einen Fokus<br />
auf die Ausbildung von bioinformatischem<br />
Nachwuchs.<br />
In der zweiten Phase wurde das<br />
Netzwerk thematisch erweitert:<br />
Proteominformatik und evolutionäre<br />
Sequenzanalyse kamen dazu. Die<br />
ersten Experimente wurden forciert.<br />
In der letzten, jetzt auslaufenden<br />
Phase von BIN wird starkes Augenmerk<br />
auf die Wartung und Erweiterung<br />
des virtuellen Computerlabors und<br />
die Stärkung der Interaktion <strong>mit</strong> den<br />
experimentellen Partnern gelegt.<br />
Gerhard Thallinger ist einer der geistigen Väter<br />
des GEN-AU <strong>Bioinformatik</strong>projekts und begleitete<br />
BIN souverän durch alle drei Phasen.