VERMITTELN 22 genosphären 11/12
„Wie geht das?“ Auch Dominik Vu ist viel <strong>mit</strong> Koffer unterwegs, so wie heute. Sein Lebens<strong>mit</strong>telpunkt liegt zur Zeit in den USA, sein Beruf hat ihn zu einem echten Globetrotter gemacht. „Es gibt dieses Vorurteil über Mathematiker, dass sie zufrieden sind <strong>mit</strong> einem Bleistift, einem Block und ihrem Schreibtisch im stillen Kämmerchen.“ Dieses Vorurteil trifft – falls es jemals gestimmt haben sollte – heute jedenfalls nicht mehr zu. „Die Mathematik ist eine Disziplin, die von der Zusammenarbeit lebt“, sagt Dominik Vu, Doktorand an der Universität Memphis. Zusammenarbeit, wie er sie schon ganz am Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn, beim SummerSchool-Praktikum – das war 2004 – an der Johannes-Kepler-Universität Linz erlebt hat. Mit seiner damaligen Betreuerin, der Physikerin Bettina Heise, die am Institut für wissensbasierte mathematische Systeme forscht, ist er heute im Zug von Oberösterreich nach Wien gereist. Nach dem Praktikum haben sich die beiden kaum gesehen, denn seit 2006 studiert Dominik Vu im Ausland. Doch über gelegentliche E-Mails konnten sie Kontakt halten. „Wir haben die Fahrt gleich genutzt und uns auf den neuesten Stand gebracht“, sagt Heise. „Dominik hat mir erzählt, wie sein Leben in Amerika ist.“ Und das ist: anders. „Nicht die Forschung an sich“, sagt Dominik Vu. „Aber die Rahmenbedingungen sind einfach anders als in Europa.“ Wie für seine Kolleginnen und Kollegen üblich, gehört auch für Vu eine extrem hohe Mobilität zu den Begleiterscheinungen seines Berufs. „Mein Doktorvater lehrt in Cambridge und Memphis, und ich reise ihm viel hinterher“, so Vu. „An Fernweh habe ich nie lange zu leiden.“ Weltweit daheim So sehr Vu jetzt in der Mathematik zuhause ist – kurz vor dem Studienbeginn liebäugelte er auch <strong>mit</strong> anderen Fachrichtungen. „Damals war ich noch gar nicht so sicher, ob die Mathematik überhaupt das Richtige für mich ist.“, sagt er. „Physik oder Medizin standen auch im Raum.“ So bewarb er sich ursprünglich eigentlich für einen SummerSchool-Praktikumsplatz in einem dieser beiden Gebiete. Es kam aber anders: „Aufgrund meines Bewerbungsschreibens und meines Lebenslaufes kam ich zu einem Praktikum in der Mathematik.“ Im ersten Moment eine kleine Enttäuschung. Doch dann entpuppten sich die fünf Wochen an der Linzer Uni als wegweisend. Das findet auch seine ehemalige Mentorin Bettina Heise von der Universität Linz. „Dass Dominik die Mathematik liegt, hat man einfach gemerkt“, sagt sie. Auch dass er in die Welt der Wissenschaft passen würde, war ihr schnell klar. „Ich erinnere mich an seinen Praktikumsbericht. Andere haben eher im Stil eines Erlebnisaufsatzes geschrieben“, so Heise. „Bei Dominik las sich das ganze wie eine wissenschaftliche Abhandlung, 23 genosphären 11/12 inklusive Quellenangaben und korrekter Zitate.“ An diesen schon früh ausgeprägten Perfektionismus denkt auch der einstige Praktikant noch immer <strong>mit</strong> einem Schmunzeln: „Für mich gab es einfach keine andere Möglichkeit, als den Bericht auf diese Art zu schreiben.“ Erfrischend: Fragen über Fragen Dabei war Vu relativ „unvorbelastet“ an sein Praktikum herangegangen: „Über den Mathematiker und seinen realen Berufsalltag hatte ich noch kein genaues Bild.“ Das sollte sich im Laufe der SummerSchool ändern – bei Teambesprechungen, Programmier-Experimenten und dem gemeinsamen Erarbeiten von Lösungswegen. Der von Vu in den fünf Sommerwochen wohl am häufigsten geäußerte Satz war: „Wie geht das?“ Bettina Heise kam der Wissensdurst gerade recht. „Ich hatte große Freude daran, wie begeistert Dominik war und mich <strong>mit</strong> seinen Fragen herausgefordert hat“, sagt sie. „Ich habe dabei bemerkt, wie gerne ich meine Arbeit mache. Klar tausche ich mich auch ständig <strong>mit</strong> Kollegen aus, aber diese völlig neue Sicht ist einfach etwas anderes.“ Seit den Praktikumstagen verfolgt die Physikerin die Laufbahn ihres ehemaligen Schützlings. Auch in Zukunft wird sie ihn wohl nicht aus den Augen verlieren. Denn sie erinnert sich immer wieder gerne an ihren ersten Praktikanten zurück, der ihr vor Augen führte, wie viel Freude ihr die Forschung bereitet. Seit 2001 ist Dr. Bettina Heise (*1964, Zwickau) wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für wissensbasierte mathematische Systeme an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Ihre wissenschaftliche Karriere startete <strong>mit</strong> dem Studium der Physik an der TU Chemnitz. Nach dem Postgrad-Studium an der Universität Jena folgte das Doktorat in Linz. Ihr Forschungsschwerpunkt: Datenverarbeitung und -analyse. www.flll.jku.at Das SummerSchool-Praktikum absolvierte Dominik Vu, MASt (*1985, Steyr) im Jahr 2004. Seine Abschlussarbeit wurde als die beste des Jahrgangs ausgezeichnet. Vu begann sein Studium an der an der TU Wien (Technische Mathematik) und der Uni Wien (Molekulare Biologie). Danach ging er nach Paris und schließlich nach Cambridge. Er schloss <strong>mit</strong> einem „Master of Advanced Study in Mathematics“ ab. Seit 2009 ist er Mathematik-Doktorand an der University of Memphis (Tennessee, USA), wo er auch unterrichtet. Er spezialisiert sich auf Graphen- und Netzwerktheorie. www.msci.memphis.edu SummerSchool: Until we meet again VERMITTELN GEN-AU researchers Ortrun Mittelsten Scheid and Bettina Heise encouraged two high school students to take their first steps in the scientific world. Years after the summer internships, these four met again. Meanwhile the mentees Hannah Hochgerner and Dominik Vu have graduated and pursue their scientific careers with great success. Verhandlungstisch Ausschnapsen ist Österreichisch für „sich etwas ausmachen“. „Ausschnapsn“ heißt auch die von Martin Walde entworfene Möbelskulptur. Dafür hat der bildende Künstler (*1957, Innsbruck) eine Schublade auf Sessellehnen balanciert. Gemeinsam <strong>mit</strong> dem deutschen Kabarettisten Gerhard Polt war das Objekt aus gebrauchten Holzmöbeln bereits im Film „Der Gedanke“ zu sehen – Design wird zum Hauptdarsteller. Martin Walde entwarf „Ausschnapsn“ für das Label „ak7 Contemporary Design by Contemporary Artists“, er lebt und arbeitet in New York und Wien. Die Fotos der Forschenden gemeinsam <strong>mit</strong> der Skulptur wurden ermöglicht durch die Unterstützung von Michael Turkiewicz (stilwerk design gallery, Wien) und Martin Walde. Herzlichen Dank. www.designandart.at www.martinwalde.at e