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die „Bildungslandschaft“ in Deutschland ist ge - Gemeinschaft ...

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Islam im Wandel?<br />

s <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religi-<br />

„Eon“ (Sure 2,256): Gewährt der<br />

Islam Glaubensfreiheit? Nur dann,<br />

wenn es um <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung zum Islam<br />

<strong>ge</strong>ht. In der Re<strong>ge</strong>l halten Muslime<br />

ebenso wie Vertreter der islamischen<br />

Theologie <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung<br />

e<strong>in</strong>es Menschen zum Islam für wünschenswert,<br />

während se<strong>in</strong>e Abwendung,<br />

se<strong>in</strong> „Abfall“ sehr negativ beurteilt<br />

wird. Das gilt umso mehr, wenn<br />

sich der „Apostat“ e<strong>in</strong>er anderen Religion<br />

zuwendet, wie etwa dem chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Glauben. Muslime, <strong>die</strong> offen<br />

bekennende Athe<strong>ist</strong>en oder Chr<strong>ist</strong>en<br />

werden oder e<strong>in</strong>er nicht anerkannten<br />

M<strong>in</strong>derheit wie den Baha’i an<strong>ge</strong>hören,<br />

sehen sich mit zahlreichen Schwierigkeiten<br />

konfrontiert:<br />

Oft steht ihre Familie ihrer Entscheidung<br />

mit völli<strong>ge</strong>m Unverständnis<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber und versucht, sie umzustimmen,<br />

bedroht oder verstößt sie<br />

sogar, denn Abfall bedeutet für sie<br />

Schande, Verrat und Skandal. Der<br />

Konvertit kann <strong>in</strong> den me<strong>ist</strong>en islamischen<br />

Ländern nach dem Gesetz<br />

enterbt werden, ihm droht <strong>die</strong> Zwangsscheidung,<br />

se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der können ihm<br />

entzo<strong>ge</strong>n werden, und er verliert oft<br />

se<strong>in</strong>e Arbeitsstelle und se<strong>in</strong> Zuhause.<br />

In dramatischen Fällen kann es soweit<br />

kommen, dass Mitglieder der Familie<br />

oder Gesellschaft selbst Hand an den<br />

Konvertiten le<strong>ge</strong>n und ihn misshandeln<br />

oder versuchen, ihn umzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

Manche Muslime glauben, <strong>die</strong><br />

<strong>ge</strong>sellschaftliche Schande nicht ertra<strong>ge</strong>n<br />

zu können, andere hören vom<br />

Imam oder Mullah, dass es nach Schariarecht<br />

<strong>die</strong> Pflicht jedes Gläubi<strong>ge</strong>n<br />

sei, Konvertiten auch ohne Gerichtsverhandlung<br />

zu töten.<br />

So <strong>ge</strong>hört der Vorwurf des Unglaubens,<br />

des Abfalls vom Islam und der<br />

Blasphemie <strong>in</strong> islamisch <strong>ge</strong>prägten<br />

Gesellschaften zu den fol<strong>ge</strong>nschwersten<br />

Ankla<strong>ge</strong>n überhaupt. Nicht immer<br />

zielt er darauf ab, dass e<strong>in</strong>e Person<br />

den Islam verlassen oder sich der<br />

Gotteslästerung schuldig <strong>ge</strong>macht hat.<br />

Er richtet sich auch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n missliebi<strong>ge</strong><br />

politische Gegner oder wird benutzt,<br />

um Besitz zu erpressen. Dies <strong>ist</strong> besonders<br />

<strong>in</strong> Pak<strong>ist</strong>an der Fall, wo <strong>die</strong><br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

„Es <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />

ab 1980 schrittweise e<strong>in</strong><strong>ge</strong>führten<br />

Blasphemie<strong>ge</strong>setze als scharfe Waffe<br />

benutzt werden, um vor allem M<strong>in</strong>derheiten<br />

wie <strong>die</strong> Ahmadiya und Chr<strong>ist</strong>en<br />

unter Druck zu setzen. Dort haben bereits<br />

mehrere Politiker – bisher ver<strong>ge</strong>blich<br />

– versucht, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

zu entschärfen.<br />

So wurde Shabazz Bhatti, M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<br />

für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten und<br />

Mitglied der regierenden Pak<strong>ist</strong>an<br />

Peoples Party (PPP), <strong>in</strong> Islamabad am<br />

02.03.2011 ermordet, nachdem er an<strong>ge</strong>kündigt<br />

hatte, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

revi<strong>die</strong>ren zu wollen. Auf dem Weg<br />

zu se<strong>in</strong>em M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium war er von drei<br />

Attentätern aus se<strong>in</strong>em Wa<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>zerrt<br />

und <strong>in</strong> aller Öffentlichkeit h<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet<br />

worden. Die Terrorgruppierung<br />

Tehrik-i Taliban Pak<strong>ist</strong>an (TTP) übernahm<br />

<strong>die</strong> Verantwortung für <strong>die</strong> Tat.<br />

Das M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten<br />

wurde von der Regierung<br />

daraufh<strong>in</strong> auf<strong>ge</strong>löst. Die regierende<br />

Pak<strong>ist</strong>an Peoples Party (PPP) verurteilte<br />

<strong>die</strong> Taten nur verhalten und zog<br />

nach hefti<strong>ge</strong>n Straßenprotesten ihren<br />

Antrag auf Revision der Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

im Parlament zurück.<br />

Koran, Überlieferung und Theologie<br />

über den Abfall<br />

Zwar sagt der Koran: „Es gibt<br />

ke<strong>in</strong>en Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />

(Sure 2,256). Auch haben muslimische<br />

Theolo<strong>ge</strong>n im Laufe der Geschichte<br />

der Koranauslegung häufig<br />

betont, dass niemand zur Konversion<br />

zum Islam <strong>ge</strong>zwun<strong>ge</strong>n werden dürfe.<br />

Das spie<strong>ge</strong>lt sich auch m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong><br />

Teilen der islamischen Eroberungs<strong>ge</strong>schichte<br />

wider. Chr<strong>ist</strong>en und Juden<br />

durften <strong>in</strong> den von Muslimen eroberten<br />

Gebieten <strong>in</strong> der Re<strong>ge</strong>l ihren<br />

Glauben und ihre religiöse Autonomie<br />

behalten, mussten also nicht konvertieren,<br />

wurden dafür aber „Schutzbefohlene“<br />

(dhimmi), <strong>die</strong> Sondersteuern<br />

entrichten und sich unterwerfen<br />

mussten. Sure 2,256 bedeutet nach<br />

überwie<strong>ge</strong>nder Me<strong>in</strong>ung der Theolo<strong>ge</strong>n<br />

aber nicht, dass der Islam für<br />

den freien Religionswechsel, für Religionsfreiheit<br />

im umfassenden S<strong>in</strong>ne<br />

oder <strong>die</strong> Gleichberechtigung aller<br />

RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

Religionen e<strong>in</strong>treten würde. So waren<br />

Juden und Chr<strong>ist</strong>en im Laufe der Geschichte<br />

im islamisch eroberten Gebiet<br />

Geduldete, Bür<strong>ge</strong>r zweiter Klasse<br />

und rechtlich Benachteiligte, da<br />

sie e<strong>in</strong>er durch den Islam überholten<br />

– und durch <strong>die</strong> Abweichun<strong>ge</strong>n vom<br />

Islam als verfälscht beurteilten – Religion<br />

anh<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

In der Tatsache, dass schon der<br />

Koran das Juden- und Chr<strong>ist</strong>entum<br />

als m<strong>in</strong>derwerti<strong>ge</strong> Religionen ansieht,<br />

liegt e<strong>in</strong> Grund, warum e<strong>in</strong>e Konversion<br />

zum Chr<strong>ist</strong>entum als grundle<strong>ge</strong>nd<br />

falsch gilt. Denn sie sche<strong>in</strong>t<br />

e<strong>in</strong> Rückschritt zu e<strong>in</strong>em überholten<br />

Glauben zu se<strong>in</strong>, der aus Sicht des Islam<br />

durch das Kommen des Islam und<br />

Muhammad, das „Sie<strong>ge</strong>l der Propheten“<br />

(Sure 33,40), ab<strong>ge</strong>löst wurde. Die<br />

„Kairoer Erklärung der Menschenrechte“<br />

nennt <strong>in</strong> Art. 10 den Islam<br />

„<strong>die</strong> Religion der re<strong>in</strong>en Wesensart“.<br />

Zudem gilt das Chr<strong>ist</strong>entum oft als<br />

„westliche“ Religion, als Religion<br />

der Kreuzfahrer und Kolonialherren,<br />

und wird mit westlich-politischer Dom<strong>in</strong>anz<br />

verknüpft.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund für <strong>die</strong> Ablehnung<br />

des freien Religionswechsels<br />

liegt <strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong> Abwendung<br />

vom Islam von vielen Muslimen<br />

nicht als Privatan<strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nheit betrachtet<br />

wird, sondern als Schande für <strong>die</strong><br />

ganze Familie oder sogar als politisches<br />

Handeln, als Unruhestiftung,<br />

Aufruhr oder Kriegserklärung an <strong>die</strong><br />

muslimische Geme<strong>in</strong>schaft. Weil sich<br />

nach Muhammads Tod im Jahr 632<br />

mehrere Stämme auf der Arabischen<br />

Halb<strong>in</strong>sel, <strong>die</strong> den Islam zunächst<br />

an<strong>ge</strong>nommen hatten, wieder von ihm<br />

abwandten, bekämpfte Abu Bakr, der<br />

erste Kalif nach Muhammad, <strong>die</strong>se<br />

Stämme <strong>in</strong> den so<strong>ge</strong>nannten ridda-<br />

Krie<strong>ge</strong>n (Abfall-Krie<strong>ge</strong>n) und schlug<br />

ihren Aufstand erfolgreich nieder.<br />

Daher <strong>ist</strong> der Abfall vom Islam im<br />

kollektiven Gedächtnis der muslimischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft von der Frühzeit<br />

an mit politischem Aufruhr und Verrat<br />

verknüpft.<br />

Der Koran spricht e<strong>in</strong>erseits vom<br />

Unglauben der Menschen und vom<br />

„Abirren“ (2,108), dem der „Zorn Got-<br />

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