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die „Bildungslandschaft“ in Deutschland ist ge - Gemeinschaft ...

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ISSN 1866-0843<br />

HEFT 285 – APRIL 2012 52. JAHRGANG<br />

• Erziehung zu Frieden<br />

und Gerechtigkeit<br />

• Übergabe <strong>in</strong><br />

Verantwortung<br />

• Libanon – e<strong>in</strong>e<br />

Beschreibung<br />

• Islam im<br />

Wandel?<br />

• Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko<br />

und Kuba<br />

• Orientierung an<br />

Werten <strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n


INHALT AUFTRAG 285 • APRIL 2012 • 52. JAHRGANG<br />

EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN . . . . . . 4<br />

SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

TITELBILD: In den sechzi<strong>ge</strong>r Jahren fand Unterricht <strong>in</strong> solchen Klassen statt. In Bildung zu <strong>in</strong>vestieren war und bleibt<br />

e<strong>in</strong>e Zukunfts<strong>in</strong>vestition. In se<strong>in</strong>er <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong>n Botschaft zum Weltfriedenstag <strong>ge</strong>ht Papst Benedikt XVI. <strong>ge</strong>zielt auf <strong>die</strong><br />

Erziehung der Ju<strong>ge</strong>nd e<strong>in</strong>, damit Frieden und Gerechtigkeit wachsen. (Foto: Bertram Bastian)<br />

2<br />

Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zum Frieden<br />

und zur Gerechtigkeit erziehen<br />

Botschaft zum Weltfriedenstag 2012<br />

von Papst Benedikt XVI. . . . . . . . . . . . . 5<br />

Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />

Erklärung der GKS . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

„Den Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“ – Jahresempfang<br />

der Kölner GKS-Kreise<br />

von Helmut Leipertz . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

Libanon – e<strong>in</strong>e Beschreibung<br />

von Tim Knoche . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Ländliche Räume im Umbruch<br />

Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa<br />

von He<strong>in</strong>rich Dorndorf . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko und Kuba<br />

von Carl-H. Pierck . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Arabischer Frühl<strong>in</strong>g und chr<strong>ist</strong>licher W<strong>in</strong>ter<br />

Pressemitteilung der „Kirche <strong>in</strong> Not“ . . . . . . 21<br />

Macht des Faktischen zw<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />

Theologie zum Umdenken<br />

von Said alDailami . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

BILD DES SOLDATEN<br />

Was <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Diakon?<br />

von Walter Raab . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

Es <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religion<br />

Pressemitteilung des Instituts für Islamfra<strong>ge</strong>n . . 27<br />

Islamunterricht <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

von Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Orientierung an Werten <strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n<br />

von der Fachtagung des Cartellverbandes<br />

von Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />

Auszeichnung für Hptm a.D. W<strong>in</strong>fried Puth<br />

von W<strong>in</strong>fried Puth . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

GKS-KREIS BAD NEUENAHR-AHRWEILER<br />

W<strong>in</strong>terwanderung . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

GKS-KREIS HAMMELBURG<br />

Arche-Noah-Chor <strong>ge</strong>staltet Gottes<strong>die</strong>nst . . . . . 33<br />

Waldweihnacht <strong>in</strong> Hammelburg . . . . . . . . . 33<br />

Patroz<strong>in</strong>ium „Chr<strong>ist</strong>könig“ . . . . . . . . . . . . 35<br />

GKS-KREIS KÖLN<br />

Advent – kurz vor Weihnachten . . . . . . . . . 35<br />

KATHOLISCHES MILITÄRPFARRAMT BONN<br />

Empfang anlässlich des Neuen Kirchenjahres . . 36<br />

E<strong>in</strong>führungsgottes<strong>die</strong>nstes für den „Neuen“ . . . 37<br />

GKS-KREIS KÖLN-WAHN<br />

Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>ht uns alle an . . . . . . . . . 38<br />

GKS-BEREICH WEST<br />

Interkulturelle Kompetenz oder<br />

„den dritten Weg suchen“ . . . . . . . . . . . . 39<br />

Wechsel des Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers . . . . . . 41<br />

BUCHBESPRECHUNGEN: . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

KURZ BERICHTET: . . . . . . . . 8, 11, 26, 31, 32, 41<br />

TERMINE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

IMPRESSUM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Redaktionsschluss für<br />

AUFTRAG 286<br />

Freitag, 1. Juni 2012


editorial:<br />

Jahres-CD mit den<br />

Jahrgän<strong>ge</strong>n 2000-2011<br />

Heft 238-284<br />

(Heft 238 bis 251 nur Titelseiten und Inhaltsverzeichnisse)<br />

Liebe Leserschaft,<br />

<strong>die</strong> <strong>„Bildungslandschaft“</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>ist</strong> <strong>ge</strong>kennzeichnet<br />

durch den Föderalismus und <strong>die</strong><br />

damit verbundene Kulturhoheit der sechzehn Bundesländer.<br />

Dabei <strong>ist</strong> Bildungspolitik e<strong>in</strong>e Zukunftsentscheidung<br />

e<strong>in</strong>es Staates, denn nur mit gut aus<strong>ge</strong>bildeten<br />

Ju<strong>ge</strong>ndlichen kann e<strong>in</strong>e prosperierende Wirtschaft<br />

auf<strong>ge</strong>baut werden. Es kommt entscheidend darauf an,<br />

dass e<strong>in</strong>e familienfreundliche Wirtschaftspolitik <strong>ge</strong>staltet<br />

wird. Zurzeit <strong>ist</strong> nur e<strong>in</strong>e wirtschaftsfreundliche<br />

Familienpolitik erkennbar. Papst Benedikt XVI. sagt<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Botschaft zum Weltfriedenstag sehr deutlich,<br />

dass <strong>die</strong> Bereitschaft zur Erziehung e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung<br />

sei, zusammen mit der Bereitschaft Frie-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012 • 52. JAHRGANG<br />

den und Gerechtigkeit vorzuleben,<br />

e<strong>in</strong>e chr<strong>ist</strong>liche Geme<strong>in</strong>schaft<br />

aufzubauen und<br />

zu <strong>ge</strong>stalten.<br />

Dazu <strong>ge</strong>hört aber auch,<br />

gute Bed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n zu schaffen,<br />

damit der Wille zum<br />

Lernen, erst recht zum lebenslan<strong>ge</strong>n<br />

Lernen, All<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>gut<br />

werden kann. So<br />

<strong>ge</strong>sehen <strong>ist</strong> es an der Zeit,<br />

der wachsenden Anzahl von<br />

K<strong>in</strong>dern mit muslimischen<br />

Glauben e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

zu <strong>ge</strong>ben, ihre Religion<br />

nicht nur <strong>in</strong> H<strong>in</strong>terhöfen,<br />

Gara<strong>ge</strong>n oder Waschküchen<br />

kennen zu lernen, sondern<br />

auch <strong>in</strong> den staatlichen Institutionen.<br />

Dazu lesen Sie<br />

den Artikel über den <strong>ge</strong>planten<br />

Islamunterricht <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>.<br />

Überhaupt <strong>ist</strong> <strong>in</strong> der<br />

muslimischen Welt<br />

e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>s im Wandel. Dr. Said<br />

alDailami berichtet über<br />

<strong>die</strong> Jahrhundert-Fatwa.<br />

Das Institut für Islamfra<strong>ge</strong>n<br />

stellt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Pressemitteilung<br />

dar, dass es ke<strong>in</strong>en Zwang <strong>in</strong> der Religion<br />

gäbe. Dazu <strong>ge</strong>hört <strong>die</strong> La<strong>ge</strong> der Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

„Arabischen Frühl<strong>in</strong>g“. Diese Situation schildert „Kirche<br />

<strong>in</strong> Not“ e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich.<br />

Die Berichte aus den Kreisen und Bereichen s<strong>in</strong>d<br />

zahlreich <strong>in</strong> der Redaktion e<strong>in</strong><strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n, dafür<br />

der herzliche Dank des Chefredakteurs an alle, <strong>die</strong><br />

sich der Mühe unterziehen, e<strong>in</strong>en Bericht anzuferti<strong>ge</strong>n.<br />

Die Berichte des 13. Sem<strong>in</strong>ars der GKS-Akademie<br />

Oberst Korn s<strong>in</strong>d leider noch nicht vollzählig. Deshalb<br />

hat <strong>die</strong> Redaktion entschieden, <strong>die</strong>sen Bericht als Ganzes<br />

<strong>in</strong> den nächsten AUFTRAG zu <strong>ge</strong>ben. Ich wünsche<br />

Ihnen unterhaltsame Lektüre und viele Anregun<strong>ge</strong>n<br />

mit dem neuen Heft,<br />

3


SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN<br />

„E<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n!“<br />

<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“, so lautet<br />

„Edas Motto des 98. Katholikenta<strong>ge</strong>s. Für <strong>die</strong><br />

Laien <strong>ist</strong> der Katholikentag sicher e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong><br />

Etappe im Gesprächsprozess, den <strong>die</strong> „Deutsche<br />

Bischofskonferenz“ im vergan<strong>ge</strong>nen Sommer mit<br />

Vertreten aller Bereiche der Kirche auf<strong>ge</strong>nommen<br />

hat. Wer aufbricht, der <strong>ist</strong> nicht am Ziel, sondern<br />

begibt sich erst auf den Weg. Da <strong>ist</strong> es schon viel,<br />

das Ziel zu kennen, aber oft ke<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

für den Start, manchmal muss schon <strong>die</strong> Richtung<br />

ausreichen.<br />

Auch für <strong>die</strong> GKS <strong>ist</strong><br />

hier e<strong>in</strong> Aufbruch<br />

<strong>ge</strong>fordert. E<strong>in</strong> Aufbruch<br />

zum Stimme erheben,<br />

zum mehr Position beziehen<br />

und letztlich zum<br />

mehr Verantwortung<br />

übernehmen. Als katholischer<br />

Verband dürfen<br />

wir nicht kle<strong>in</strong>laut bleiben,<br />

wenn <strong>die</strong> ethischen<br />

Fra<strong>ge</strong>n nach der Begründung<br />

von E<strong>in</strong>sätzen bis<br />

zur Verantwortung des<br />

E<strong>in</strong>zelnen <strong>ge</strong>stellt werden.<br />

Und <strong>ge</strong>nau <strong>die</strong>sen<br />

Fra<strong>ge</strong>n wollen wir uns<br />

<strong>in</strong> Mannheim stellen, <strong>in</strong><br />

vielen E<strong>in</strong>zel<strong>ge</strong>prächen<br />

am Stand der GKS und<br />

auch <strong>in</strong> größerer Runde<br />

<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam mit anderen<br />

Organisationen. Beides<br />

<strong>ist</strong> immer Herausforderung und Chance zugleich.<br />

Die Gele<strong>ge</strong>nheit dürfen wir nicht versäumen, wir<br />

müssen sie suchen, denn das <strong>ist</strong> unser Auftrag!<br />

Unsere Position <strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>n Fra<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong> <strong>ge</strong>schärft,<br />

<strong>ge</strong>rade wurde der Flyer zur „Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung“<br />

aktualisiert. Damit <strong>ist</strong> erneut klar<strong>ge</strong>stellt,<br />

wofür wir stehen, bleibt „nur noch“ es zu sa<strong>ge</strong>n!<br />

Auch wenn der laufende E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an<br />

immer noch im Focus der Überlegun<strong>ge</strong>n steht,<br />

was machen andere Szenare? Die „Arabellion“ <strong>ist</strong><br />

fest<strong>ge</strong>fahren, <strong>die</strong> Nach-Revolutionsaufgaben s<strong>in</strong>d<br />

noch nicht erledigt und Syrien gibt akuten Anlass<br />

zur Sor<strong>ge</strong>. Die La<strong>ge</strong> <strong>ist</strong> schwierig und nicht leicht<br />

zu entwirren, aber gibt es hier ke<strong>in</strong>e Idee für e<strong>in</strong>e<br />

Hoffnung begründende Entwicklung?<br />

Der Katholikentag <strong>ist</strong> sicher e<strong>in</strong>e herausra<strong>ge</strong>nde<br />

Gele<strong>ge</strong>nheit für vielfälti<strong>ge</strong> Themen, aber<br />

nicht n <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong> Chance<br />

c zum Bekenntnis für<br />

unsere u Werte. Es bleibt<br />

darüber d h<strong>in</strong>aus wichtig,<br />

t <strong>die</strong> GKS-ei<strong>ge</strong>nen<br />

Themen T – siehe oben –<br />

wirklich w <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

p der thematischen<br />

Arbeit A nach <strong>in</strong>nen und<br />

außen a zu rücken und<br />

zwar z auf allen Ebenen.<br />

Dies D <strong>ge</strong>l<strong>in</strong>gt bisweilen<br />

schon s überzeu<strong>ge</strong>nd,<br />

kann k aber noch aus<strong>ge</strong>baut<br />

b werden und muss<br />

es e daher auch.<br />

Die Kräfte und<br />

<strong>die</strong> d Überzeugung sehe<br />

ich i an vielen Stellen.<br />

Wichtig W <strong>ist</strong>, dass wir<br />

uns u auf <strong>die</strong>sen Kern unserer<br />

s Arbeit bes<strong>in</strong>nen<br />

und u <strong>die</strong> Ideen dann tatkräftig<br />

k umsetzen. Zum<br />

Bes<strong>in</strong>nen, B zum Ideen<br />

sammeln und zum Koalitionen schmieden, dafür<br />

könnte sich der Katholikentag anbieten. Machen<br />

wir uns daher auf den Weg, wa<strong>ge</strong>n wir e<strong>in</strong>en neuen<br />

Aufbruch!<br />

Rüdi<strong>ge</strong>r Attermeyer, OTL<br />

Bundesvorsitzender der<br />

Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten<br />

4 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


Weltfriedenstag 2012<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zur Gerechtigkeit<br />

und zum Frieden Frieden erziehen<br />

SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

Botschaft se<strong>in</strong>er Heiligkeit Benedikt XVI. zur Feier des Weltfriedensta<strong>ge</strong>s 2012<br />

Der Anfang e<strong>in</strong>es neuen Jah-<br />

1. res, das e<strong>in</strong> Geschenk Gottes an<br />

<strong>die</strong> Menschheit <strong>ist</strong>, regt mich an, von<br />

Herzen und mit großer Zuversicht an<br />

alle e<strong>in</strong>en besonderen Glückwunsch<br />

zu richten für <strong>die</strong>se Zeit, <strong>die</strong> vor uns<br />

liegt, dass sie konkret von Gerechtigkeit<br />

und Frieden <strong>ge</strong>prägt sei. Mit welcher<br />

E<strong>in</strong>stellung soll man auf das neue<br />

Jahr schauen? In Psalm 130 f<strong>in</strong>den<br />

wir e<strong>in</strong> sehr schönes Bild. Der Psalm<strong>ist</strong><br />

sagt, dass der gläubi<strong>ge</strong> Mensch<br />

auf den Herrn wartet, „mehr als <strong>die</strong><br />

Wächter auf den Mor<strong>ge</strong>n“ (V. 6); er erwartet<br />

ihn mit fester Hoffnung, denn er<br />

weiß, dass er Licht, Barmherzigkeit,<br />

Heil br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n wird. Diese Erwartung<br />

<strong>ge</strong>ht aus der Erfahrung des auserwählten<br />

Volkes hervor, das erkennt, von<br />

Gott dazu erzo<strong>ge</strong>n zu se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Welt<br />

<strong>in</strong> ihrer Wahrheit zu sehen und sich<br />

von den Nöten nicht niederschla<strong>ge</strong>n<br />

zu lassen. Ich lade euch e<strong>in</strong>, mit <strong>die</strong>ser<br />

zuversichtlichen E<strong>in</strong>stellung auf<br />

das Jahr 2012 zu schauen. Es stimmt,<br />

dass im zu Ende <strong>ge</strong>henden Jahr das<br />

Gefühl der Frustration zu<strong>ge</strong>nommen<br />

hat durch <strong>die</strong> Krise, welche <strong>die</strong> Gesellschaft,<br />

<strong>die</strong> Arbeitswelt und <strong>die</strong><br />

Wirtschaft bedrängt – e<strong>in</strong>e Krise, deren<br />

Wurzeln vor allem kultureller und<br />

anthropologischer Art s<strong>in</strong>d. Es sche<strong>in</strong>t<br />

be<strong>in</strong>ahe, als habe e<strong>in</strong> dichter Schleier<br />

unsere Zeit <strong>in</strong> Dunkelheit <strong>ge</strong>hüllt und<br />

erlaube nicht, das Ta<strong>ge</strong>slicht deutlich<br />

zu erkennen.<br />

In <strong>die</strong>ser Dunkelheit hört jedoch<br />

das Herz des Menschen nicht auf, das<br />

Mor<strong>ge</strong>nrot zu erwarten, von dem der<br />

Psalm<strong>ist</strong> spricht. Diese Erwartung <strong>ist</strong><br />

bei den jun<strong>ge</strong>n Menschen besonders<br />

lebendig und au<strong>ge</strong>nsche<strong>in</strong>lich, und<br />

deshalb wenden sich me<strong>in</strong>e Gedanken<br />

an sie, <strong>in</strong> Anbetracht des Beitrags,<br />

den sie für <strong>die</strong> Gesellschaft le<strong>ist</strong>en<br />

können und müssen. So möchte ich<br />

<strong>die</strong> Botschaft zum 45. Weltfriedenstag<br />

unter dem Aspekt der Erziehung vorstellen:<br />

„Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zur<br />

Gerechtigkeit und zum Frieden er-<br />

ziehen“, <strong>in</strong> der Überzeugung, dass<br />

sie mit ihrer Be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>erung und ihrem<br />

ideal<strong>ist</strong>ischen Ansporn der Welt<br />

e<strong>in</strong>e neue Hoffnung <strong>ge</strong>ben können.<br />

Me<strong>in</strong>e Botschaft richtet sich auch<br />

an <strong>die</strong> Eltern, <strong>die</strong> Familien, an<br />

alle, <strong>die</strong> mit der Erziehung und der<br />

Ausbildung betraut s<strong>in</strong>d, sowie an <strong>die</strong><br />

Verantwortlichen <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Bereichen des religiösen, <strong>ge</strong>sellschaftlichen,<br />

politischen, wirtschaftlichen,<br />

kulturellen Lebens und <strong>in</strong><br />

dem Bereich der Kommunikation.<br />

Aufmerksam auf <strong>die</strong> Welt der Ju<strong>ge</strong>nd<br />

se<strong>in</strong> und es verstehen, sie anzuhören<br />

und zur Geltung zu br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, <strong>ist</strong><br />

nicht nur zweckmäßig, sondern es<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e Hauptaufgabe der ganzen<br />

Gesellschaft für den Aufbau e<strong>in</strong>er<br />

Zukunft <strong>in</strong> Gerechtigkeit und Frieden.<br />

Es <strong>ge</strong>ht darum, den jun<strong>ge</strong>n<br />

Menschen <strong>die</strong> Wertschätzung für<br />

<strong>die</strong> positive Bedeutung des Lebens<br />

zu vermitteln, <strong>in</strong>dem man <strong>in</strong> ihnen<br />

den Wunsch weckt, es für den Dienst<br />

am Guten e<strong>in</strong>zusetzen. Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Aufgabe, <strong>in</strong> der wir alle persönlich<br />

<strong>ge</strong>fordert s<strong>in</strong>d.<br />

Die <strong>in</strong> letzter Zeit von vielen<br />

Ju<strong>ge</strong>ndlichen <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Regionen der Welt <strong>ge</strong>äußerten Sor<strong>ge</strong>n<br />

drücken den Wunsch aus, mit begründeter<br />

Hoffnung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />

schauen zu können. Im <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nwärti<strong>ge</strong>n<br />

Au<strong>ge</strong>nblick gibt es viele Aspekte,<br />

<strong>die</strong> sie mit Besorgnis erfüllen: der<br />

Wunsch, e<strong>in</strong>e Ausbildung zu erhalten,<br />

<strong>die</strong> sie gründlicher darauf vorbereitet,<br />

sich der Wirklichkeit zu stellen; <strong>die</strong><br />

Schwierigkeit, e<strong>in</strong>e Familie zu bilden<br />

und e<strong>in</strong>en sicheren Arbeitsplatz<br />

zu f<strong>in</strong>den; <strong>die</strong> effektive Fähigkeit, e<strong>in</strong>en<br />

Beitrag zur Welt der Politik, der<br />

Kultur und der Wirtschaft zu le<strong>ist</strong>en<br />

für <strong>die</strong> Bildung e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />

deren Gesicht menschlicher und solidarischer<br />

<strong>ist</strong>.<br />

Es <strong>ist</strong> wichtig, dass <strong>die</strong>se<br />

Fermente und der ideal<strong>ist</strong>ische<br />

Antrieb, den sie enthalten, <strong>in</strong> allen<br />

Teilen der Gesellschaft <strong>die</strong> <strong>ge</strong>bührende<br />

Aufmerksamkeit f<strong>in</strong>den. Die<br />

Kirche sieht voller Hoffnung auf <strong>die</strong><br />

Ju<strong>ge</strong>ndlichen, sie vertraut ihnen und<br />

ermutigt sie, nach der Wahrheit zu suchen,<br />

das Geme<strong>in</strong>wohl zu verteidi<strong>ge</strong>n,<br />

weltoffene Perspektiven zu haben und<br />

Au<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> fähig s<strong>in</strong>d, „Neues“ zu sehen<br />

(Jes 42,9; 48,6)!<br />

Die für <strong>die</strong> Erziehung Verantwortlichen<br />

Die Erziehung <strong>ist</strong> das fasz<strong>in</strong>ie-<br />

2. rendste und schwierigste Abenteuer<br />

des Lebens. Erziehen – late<strong>in</strong>isch<br />

educere – bedeutet, e<strong>in</strong>en Menschen<br />

über sich selbst h<strong>in</strong>auszuführen,<br />

um ihn <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong>zuführen,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fülle, <strong>die</strong> ihn wachsen<br />

lässt. Dieser Prozess wird <strong>ge</strong>spe<strong>ist</strong><br />

durch <strong>die</strong> Be<strong>ge</strong>gnung zweier Freiheiten,<br />

der des Erwachsenen und der des<br />

Ju<strong>ge</strong>ndlichen. Er verlangt <strong>die</strong> Verantwortung<br />

des Schülers, der offen se<strong>in</strong><br />

muss, sich zur Erkenntnis der Wirklichkeit<br />

führen zu lassen, und <strong>die</strong> des<br />

Erziehers, der bereit se<strong>in</strong> muss, sich<br />

selbst zu verschenken. Daher s<strong>in</strong>d<br />

vor allem authentische Zeu<strong>ge</strong>n notwendig<br />

und nicht bloße Austeiler von<br />

Re<strong>ge</strong>ln und Informationen; Zeu<strong>ge</strong>n,<br />

<strong>die</strong> weiter zu blicken vermö<strong>ge</strong>n als<br />

<strong>die</strong> anderen, weil ihr Leben weitere<br />

Räume umfasst. Zeu<strong>ge</strong> <strong>ist</strong> derjeni<strong>ge</strong>,<br />

der den Weg, den er vorschlägt, zuerst<br />

e<strong>in</strong>mal vorlebt.<br />

Welches s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Orte, an denen<br />

e<strong>in</strong>e wirkliche Erziehung zum<br />

Frieden und zur Gerechtigkeit reift?<br />

Vor allem <strong>die</strong> Familie, denn <strong>die</strong> Eltern<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ersten Erzieher. Die<br />

Familie <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Keimzelle der Gesellschaft.<br />

„In der Familie erlernen <strong>die</strong><br />

K<strong>in</strong>der <strong>die</strong> menschlichen und chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Werte, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> konstruktives<br />

und friedliches Zusammenleben <strong>ge</strong>statten.<br />

In der Familie lernt man <strong>die</strong><br />

Solidarität zwischen den Generationen,<br />

<strong>die</strong> Achtung der Re<strong>ge</strong>ln, <strong>die</strong><br />

Ver<strong>ge</strong>bung und <strong>die</strong> Annahme des<br />

5


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

anderen“.1 Sie <strong>ist</strong> <strong>die</strong> erste Schule,<br />

<strong>in</strong> der man zur Gerechtigkeit und zum<br />

Frieden erzo<strong>ge</strong>n wird.<br />

Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, <strong>in</strong> der<br />

<strong>die</strong> Familie und auch das Leben<br />

selbst ständig bedroht und nicht selten<br />

zerbrochen bzw. auf<strong>ge</strong>splittert <strong>ist</strong>.<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> oft kaum<br />

mit der familiären Verantwortung <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>ge</strong>bracht werden<br />

können, Sor<strong>ge</strong>n um <strong>die</strong> Zukunft, frenetische<br />

Lebensrhythmen, Migrationen<br />

auf der Suche nach e<strong>in</strong>em an<strong>ge</strong>messenen<br />

Unterhalt, wenn nicht nach dem<br />

bloßen Überleben erschweren schließlich<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit, den K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>es<br />

der kostbarsten Güter zu sichern:<br />

<strong>die</strong> Anwesenheit der Eltern – e<strong>in</strong>e<br />

Anwesenheit, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> immer tieferes<br />

Mite<strong>in</strong>ander auf dem Weg erlaubt, um<br />

jene Erfahrung und jene im Laufe der<br />

Jahre <strong>ge</strong>wonnenen Sicherheiten weiter<strong>ge</strong>ben<br />

zu können, <strong>die</strong> man nur mit<br />

der <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam verbrachten Zeit vermitteln<br />

kann. Den Eltern möchte ich<br />

nahele<strong>ge</strong>n, nicht den Mut zu verlieren!<br />

Mit dem Beispiel ihres Lebens<br />

sollen sie ihre K<strong>in</strong>der ermuntern, <strong>die</strong><br />

Hoffnung vor allem auf Gott zu setzen,<br />

von dem alle<strong>in</strong> echte Gerechtigkeit<br />

und echter Friede aus<strong>ge</strong>hen.<br />

Ich möchte mich auch an <strong>die</strong><br />

Verantwortlichen der E<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n<br />

wenden, <strong>die</strong> Erziehungsaufgaben<br />

haben: Sie mö<strong>ge</strong>n mit großem<br />

Verantwortungs<strong>ge</strong>fühl darüber wachen,<br />

dass <strong>die</strong> Würde jeder Person<br />

unter allen Umständen <strong>ge</strong>achtet und<br />

zur Geltung <strong>ge</strong>bracht wird. Durch e<strong>in</strong>e<br />

Begleitung, welche <strong>die</strong> Gaben fruchtbar<br />

werden lässt, <strong>die</strong> der Herr e<strong>in</strong>em<br />

jeden <strong>ge</strong>währt hat, mö<strong>ge</strong>n sie dafür<br />

Sor<strong>ge</strong> tra<strong>ge</strong>n, dass jeder jun<strong>ge</strong> Mensch<br />

se<strong>in</strong>e persönliche Berufung entdekken<br />

kann. Sie sollen den Familien <strong>die</strong><br />

Sicherheit <strong>ge</strong>ben, dass ihren K<strong>in</strong>dern<br />

e<strong>in</strong> Bildungsweg <strong>ge</strong>boten wird, der<br />

nicht im Ge<strong>ge</strong>nsatz zu ihrem Gewissen<br />

und ihren religiösen Pr<strong>in</strong>zipien steht.<br />

Mö<strong>ge</strong> jeder Bereich pädagogischer<br />

Arbeit e<strong>in</strong> Ort der Offenheit <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

dem Transzendenten und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

den anderen se<strong>in</strong>; e<strong>in</strong> Ort des Dialogs,<br />

des Zusammenhalts und des Hörens,<br />

1 BENEDIKT XVI., Ansprache an <strong>die</strong><br />

Verwaltungsmitarbeiter der Region<br />

Latium, der Stadt und der Prov<strong>in</strong>z<br />

Rom (14. Januar 2011): L’Osservatore<br />

Romano (dt.), Jg. 41, Nr. 4 (28. Januar<br />

2011), S. 7.<br />

<strong>in</strong> dem der Ju<strong>ge</strong>ndliche spürt, dass<br />

se<strong>in</strong>e persönlichen Möglichkeiten und<br />

<strong>in</strong>neren Werte zur Geltung <strong>ge</strong>bracht<br />

werden, und lernt, se<strong>in</strong>e Mitmenschen<br />

zu schätzen. Mö<strong>ge</strong>n sie dazu anleiten,<br />

<strong>die</strong> Freude zu empf<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> daraus<br />

entspr<strong>in</strong>gt, dass man Tag für Tag<br />

Liebe und Mit<strong>ge</strong>fühl <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem<br />

Nächsten praktiziert und sich aktiv<br />

am Aufbau e<strong>in</strong>er menschlicheren und<br />

brüderlicheren Gesellschaft beteiligt.<br />

Sodann wende ich mich an <strong>die</strong><br />

Verantwortlichen <strong>in</strong> der Politik und<br />

fordere sie auf, den Familien und den<br />

Erziehungse<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n konkret zu<br />

helfen, ihr Recht der Erziehung, das<br />

zugleich e<strong>in</strong>e Pflicht <strong>ist</strong>, wahrzunehmen.<br />

Niemals darf es an e<strong>in</strong>er an<strong>ge</strong>messenen<br />

Unterstützung der Mutter-<br />

und Vaterschaft fehlen. Die Politiker<br />

mö<strong>ge</strong>n dafür sor<strong>ge</strong>n, dass niemandem<br />

der Zugang zur Ausbildung verwei<strong>ge</strong>rt<br />

wird und dass <strong>die</strong> Familien frei<br />

<strong>die</strong> Erziehungse<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n wählen<br />

können, <strong>die</strong> sie für das Wohl ihrer<br />

K<strong>in</strong>der als am besten <strong>ge</strong>eignet<br />

ansehen. Sie mö<strong>ge</strong>n sich dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />

<strong>die</strong> Zusammenführung jener<br />

Familien zu fördern, <strong>die</strong> aufgrund<br />

der Notwendigkeit, ihren Unterhalt zu<br />

bestreiten, <strong>ge</strong>trennt s<strong>in</strong>d. Den jun<strong>ge</strong>n<br />

Menschen sollen sie e<strong>in</strong> lauteres Bild<br />

der Politik als e<strong>in</strong>es wahren Dienstes<br />

für das Wohl aller bieten.<br />

Außerdem kann ich nicht umh<strong>in</strong>,<br />

an <strong>die</strong> Welt der Me<strong>die</strong>n zu appellieren,<br />

ihren erzieherischen Beitrag zu le<strong>ist</strong>en.<br />

In der heuti<strong>ge</strong>n Gesellschaft kommt<br />

den Massenkommunikationsmitteln<br />

e<strong>in</strong>e besondere Rolle zu: Sie <strong>in</strong>formieren<br />

nicht nur den Ge<strong>ist</strong> ihrer<br />

Adressaten, sondern sie formen ihn<br />

auch und können folglich beträchtlich<br />

zur Erziehung der Ju<strong>ge</strong>ndlichen beitra<strong>ge</strong>n.<br />

Es <strong>ist</strong> wichtig, sich vor Au<strong>ge</strong>n<br />

zu halten, dass <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

Erziehung und Kommunikation<br />

äußerst eng <strong>ist</strong>: Die Erziehung ereignet<br />

sich ja durch Kommunikation,<br />

welche <strong>die</strong> Bildung des Menschen<br />

positiv oder negativ bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Auch <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen müssen<br />

den Mut haben, zuallererst selber<br />

das zu leben, was sie von ihrer<br />

Um<strong>ge</strong>bung fordern. Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e große<br />

Verantwortung, <strong>die</strong> sie betrifft: Sie sollen<br />

<strong>die</strong> Kraft haben, ihre Freiheit <strong>in</strong><br />

guter und verantwortungsvoller Weise<br />

zu <strong>ge</strong>brauchen. Auch sie s<strong>in</strong>d verantwortlich<br />

für ihre Erziehung und<br />

Bildung zur Gerechtigkeit und zum<br />

Frieden!<br />

Zur Wahrheit und zur<br />

Freiheit erziehen<br />

Der heili<strong>ge</strong> August<strong>in</strong>us hat sich<br />

3. <strong>ge</strong>fragt: „Quid enim fortius desiderat<br />

anima quam veritatem? – Was<br />

ersehnt der Mensch stärker als <strong>die</strong><br />

Wahrheit?“2 Das menschliche Gesicht<br />

e<strong>in</strong>er Gesellschaft hängt sehr<br />

vom Beitrag der Erziehung ab, <strong>die</strong>se<br />

nicht zu unterdrückende Fra<strong>ge</strong> lebendig<br />

zu erhalten. Denn <strong>die</strong> Erziehung<br />

betrifft <strong>die</strong> ganzheitliche Bildung des<br />

Menschen, e<strong>in</strong>schließlich der moralischen<br />

und spirituellen Dimension des<br />

Se<strong>in</strong>s, im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong> letztes Ziel<br />

und auf das Wohl der Gesellschaft,<br />

deren Glied er <strong>ist</strong>. Darum muss man,<br />

um zur Wahrheit zu erziehen, zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal wissen, was der Mensch <strong>ist</strong>,<br />

muss man se<strong>in</strong>e Natur kennen. Bei<br />

der Betrachtung dessen, was ihn umgibt,<br />

überlegt der Psalm<strong>ist</strong>: „Seh ich<br />

den Himmel, das Werk de<strong>in</strong>er F<strong>in</strong><strong>ge</strong>r,<br />

Mond und Sterne, <strong>die</strong> du befestigt:<br />

Was <strong>ist</strong> der Mensch, dass du an ihn<br />

denkst, des Menschen K<strong>in</strong>d, dass du<br />

dich se<strong>in</strong>er annimmst?“ (Ps 8,4-5).<br />

Das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> grundle<strong>ge</strong>nde Fra<strong>ge</strong>, <strong>die</strong><br />

man sich stellen muss: Was <strong>ist</strong> der<br />

Mensch? Der Mensch <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Wesen,<br />

das e<strong>in</strong>en Durst nach Unendlichkeit<br />

im Herzen trägt, e<strong>in</strong>en Durst nach<br />

Wahrheit – nicht nach e<strong>in</strong>er Teilwahrheit,<br />

sondern nach der Wahrheit, <strong>die</strong><br />

den S<strong>in</strong>n des Lebens zu erklären vermag<br />

–, denn er <strong>ist</strong> als Gottes Abbild<br />

und ihm ähnlich erschaffen worden.<br />

Dankbar das Leben als unschätzbares<br />

Geschenk zu erkennen führt also<br />

zur Entdeckung der ei<strong>ge</strong>nen <strong>in</strong>neren<br />

Würde und der Unantastbarkeit jedes<br />

Menschen. Darum besteht <strong>die</strong> erste<br />

Erziehung dar<strong>in</strong> zu lernen, im Menschen<br />

das Bild des Schöpfers zu erkennen,<br />

folglich e<strong>in</strong>e hohe Achtung<br />

für jedes menschliche Wesen zu he<strong>ge</strong>n<br />

und den anderen zu helfen, e<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />

höchsten Würde entsprechendes Leben<br />

zu verwirklichen. Man darf niemals<br />

ver<strong>ge</strong>ssen, dass „<strong>die</strong> echte Entwicklung<br />

des Menschen e<strong>in</strong>heitlich<br />

<strong>die</strong> Gesamtheit der Person <strong>in</strong> all ihren<br />

Dimensionen betrifft“3,3 e<strong>in</strong>schließ-<br />

2 Kommentar zum Johannesevan<strong>ge</strong>lium,<br />

26,5.<br />

3 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas <strong>in</strong><br />

veritate (29. Juni 2009), 11: AAS 101<br />

6 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


lich der transzendenten, und dass man<br />

nicht den Menschen opfern darf, um<br />

e<strong>in</strong> spezielles Gut – sei es wirtschaftlicher<br />

oder sozialer, <strong>in</strong>dividueller oder<br />

<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaftlicher Art – zu erlan<strong>ge</strong>n.<br />

Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Beziehung zu<br />

Gott begreift der Mensch auch <strong>die</strong><br />

Bedeutung der ei<strong>ge</strong>nen Freiheit. Und<br />

es <strong>ist</strong> Aufgabe der Erziehung, zu echter<br />

Freiheit heranzubilden. Diese besteht<br />

nicht im Fehlen von B<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n<br />

oder <strong>in</strong> der Herrschaft der Willkür,<br />

sie <strong>ist</strong> nicht der Absolutismus des<br />

Ich. Der Mensch, der sich selbst absolut<br />

setzt, der me<strong>in</strong>t, von nichts und<br />

niemandem abhängig zu se<strong>in</strong> und alles<br />

tun zu können, was er will, widerspricht<br />

letztlich der Wahrheit se<strong>in</strong>es<br />

ei<strong>ge</strong>nen Se<strong>in</strong>s und verliert se<strong>in</strong>e<br />

Freiheit. Der Mensch <strong>ist</strong> vielmehr e<strong>in</strong><br />

relationales Wesen, das <strong>in</strong> Beziehung<br />

zu den anderen und vor allem zu Gott<br />

lebt. Die echte Freiheit kann niemals<br />

erreicht werden, <strong>in</strong>dem man sich von<br />

Gott entfernt.<br />

Die Freiheit <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> kostbarer, aber<br />

heikler Wert; sie kann missverstanden<br />

und missbraucht werden. „E<strong>in</strong> besonders<br />

tückisches H<strong>in</strong>dernis für <strong>die</strong><br />

Erziehungsarbeit stellt heute <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft und Kultur das massive<br />

Auftreten jenes Relativismus dar,<br />

der nichts als def<strong>in</strong>itiv anerkennt und<br />

als letzten Maßstab nur das ei<strong>ge</strong>ne Ich<br />

mit se<strong>in</strong>en Gelüsten <strong>ge</strong>lten lässt und<br />

unter dem Ansche<strong>in</strong> der Freiheit für<br />

jeden zu e<strong>in</strong>em Gefängnis wird, weil<br />

er den e<strong>in</strong>en vom anderen trennt und<br />

jeden dazu erniedrigt, sich <strong>in</strong>s ei<strong>ge</strong>ne<br />

»Ich« zu verschließen. Innerhalb e<strong>in</strong>es<br />

solchen relativ<strong>ist</strong>ischen Horizonts<br />

<strong>ist</strong> daher wahre Erziehung gar nicht<br />

möglich: Denn ohne das Licht der<br />

Wahrheit sieht sich früher oder später<br />

jeder Mensch dazu verurteilt, an<br />

der Qualität se<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nen Lebens<br />

und der Beziehun<strong>ge</strong>n, aus denen es<br />

sich zusammensetzt, ebenso zu zweifeln<br />

wie an der Wirksamkeit se<strong>in</strong>es<br />

E<strong>in</strong>satzes dafür, <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam mit anderen<br />

etwas aufzubauen“. 4<br />

(2009), 648; vgl. PAUL VI., Enzyklika<br />

Populorum progressio (26. März 1967),<br />

14: AAS 59 (1967), 264.<br />

4 BENEDIKT XVI., Ansprache bei<br />

der Eröffnung der Pastoraltagung der<br />

Diözese Rom zum Thema Familie<br />

(Lateranbasilika, 6. Juni 2005): AAS 97<br />

(2005) 816; L’Osservatore Romano (dt.)<br />

Jg. 35, Nr. 24, S. 8.<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Um se<strong>in</strong>e Freiheit auszuüben,<br />

muss der Mensch also den relativ<strong>ist</strong>ischen<br />

Horizont überw<strong>in</strong>den und<br />

<strong>die</strong> Wahrheit über sich selbst und <strong>die</strong><br />

Wahrheit über Gut und Böse erkennen.<br />

Im Innern se<strong>in</strong>es Gewissens entdeckt<br />

der Mensch e<strong>in</strong> Gesetz, das er<br />

sich nicht selbst gibt, sondern dem er<br />

<strong>ge</strong>horchen muss und dessen Stimme<br />

ihn zur Liebe und zum Tun des Guten<br />

und zur Unterlassung des Bösen aufruft<br />

und dazu, <strong>die</strong> Verantwortung für<br />

das vollbrachte Gute und das <strong>ge</strong>tane<br />

Böse zu übernehmen. 5 Deswe<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Ausübung der Freiheit zu<strong>in</strong>nerst<br />

an das natürliche Sitten<strong>ge</strong>setz <strong>ge</strong>bunden,<br />

das universaler Art <strong>ist</strong>, <strong>die</strong><br />

Würde e<strong>in</strong>es jeden Menschen ausdrückt,<br />

<strong>die</strong> Basis se<strong>in</strong>er fundamentalen<br />

Rechte und Pflichten und also<br />

letztlich des <strong>ge</strong>rechten und friedlichen<br />

Zusammenlebens der Menschen<br />

bildet.<br />

Der rechte Gebrauch der<br />

Freiheit steht also im Mittelpunkt<br />

der Förderung von Gerechtigkeit<br />

und Frieden, welche <strong>die</strong> Achtung<br />

vor sich selbst und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem<br />

anderen verlan<strong>ge</strong>n, auch wenn <strong>die</strong>ser<br />

weit von der ei<strong>ge</strong>nen Se<strong>in</strong>s- und<br />

Lebensweise abweicht. Aus <strong>die</strong>ser<br />

Haltung entspr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Elemente,<br />

ohne <strong>die</strong> Frieden und Gerechtigkeit<br />

Worte ohne Inhalt bleiben: das <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong><br />

Vertrauen, <strong>die</strong> Fähigkeit, e<strong>in</strong>en<br />

konstruktiven Dialog zu führen, <strong>die</strong><br />

Möglichkeit der Ver<strong>ge</strong>bung, <strong>die</strong> man<br />

so viele Male erhalten möchte, sich jedoch<br />

schwer tut, sie zu <strong>ge</strong>währen, <strong>die</strong><br />

wechselseiti<strong>ge</strong> Liebe, das Mit<strong>ge</strong>fühl<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber den Schwächsten wie auch<br />

<strong>die</strong> Opferbereitschaft.<br />

Zur Gerechtigkeit erziehen<br />

In unserer Welt, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> Be-<br />

4. deutung der Person, ihrer Würde<br />

und ihrer Rechte jenseits der Absichtserklärun<strong>ge</strong>n<br />

ernstlich bedroht<br />

<strong>ist</strong> durch <strong>die</strong> verbreitete Tendenz,<br />

ausschließlich auf Kriterien der Nützlichkeit,<br />

des Profi ts und des Besitzes<br />

zurückzugreifen, <strong>ist</strong> es wichtig, den<br />

Begriff der Gerechtigkeit nicht von<br />

se<strong>in</strong>en transzendenten Wurzeln zu<br />

trennen. Die Gerechtigkeit <strong>ist</strong> ja nicht<br />

e<strong>in</strong>e bloße menschliche Vere<strong>in</strong>barung,<br />

denn was <strong>ge</strong>recht <strong>ist</strong>, wird nicht ur-<br />

5 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES<br />

KONZIL, Past. Konst. Gaudium et spes,<br />

16.<br />

SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

sprünglich vom positiven Gesetz bestimmt,<br />

sondern von der tiefen Identität<br />

des Menschen. Es <strong>ist</strong> <strong>die</strong> ganzheitliche<br />

Anschauung des Menschen, <strong>die</strong><br />

es erlaubt, nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vom Vertragsdenken<br />

bee<strong>in</strong>flusste Auffassung der<br />

Gerechtigkeit zu verfallen, sondern<br />

auch ihr den Horizont der Solidarität<br />

und der Liebe zu öffnen.6<br />

Wir können nicht übersehen,<br />

dass manche Strömun<strong>ge</strong>n der modernen<br />

Kultur, <strong>ge</strong>stützt auf rational<strong>ist</strong>ische<br />

und <strong>in</strong>dividual<strong>ist</strong>ische<br />

Wirtschaftspr<strong>in</strong>zipien, den Begriff der<br />

Gerechtigkeit durch dessen Trennung<br />

von der Liebe und der Solidarität se<strong>in</strong>er<br />

transzendenten Wurzeln beraubt haben:<br />

„Die »Stadt des Menschen« wird<br />

nicht nur durch Beziehun<strong>ge</strong>n auf der<br />

Grundla<strong>ge</strong> von Rechten und Pflichten<br />

<strong>ge</strong>fördert, sondern noch mehr und zuerst<br />

durch Verb<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> durch<br />

Unent<strong>ge</strong>ltlichkeit, Barmherzigkeit<br />

und Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>ge</strong>kennzeichnet<br />

s<strong>in</strong>d. Die Nächstenliebe offenbart auch<br />

<strong>in</strong> den menschlichen Beziehun<strong>ge</strong>n immer<br />

<strong>die</strong> Liebe Gottes; <strong>die</strong>se verleiht<br />

jedem E<strong>in</strong>satz für Gerechtigkeit <strong>in</strong> der<br />

Welt e<strong>in</strong>en theologalen und heilbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>nden<br />

Wert“. 7<br />

„Selig, <strong>die</strong> hun<strong>ge</strong>rn und dürsten<br />

nach der Gerechtigkeit; denn<br />

sie werden satt werden“ (Mt 5,6).<br />

Sie werden satt werden, weil sie<br />

hun<strong>ge</strong>rn und dürsten nach rechten<br />

Beziehun<strong>ge</strong>n zu Gott, zu sich selbst,<br />

zu ihren Mitmenschen und zur <strong>ge</strong>samten<br />

Schöpfung.<br />

Zum Frieden erziehen<br />

„Friede besteht nicht e<strong>in</strong>fach da-<br />

5. r<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong> Krieg <strong>ist</strong>; er lässt<br />

sich nicht bloß durch das Gleich<strong>ge</strong>wicht<br />

der fe<strong>in</strong>dlichen Kräfte sichern.<br />

Friede auf Erden herrscht nur dann,<br />

wenn <strong>die</strong> persönlichen Güter <strong>ge</strong>sichert<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> Menschen frei mite<strong>in</strong>ander<br />

verkehren können, <strong>die</strong> Würde der Personen<br />

und der Völker <strong>ge</strong>achtet und<br />

<strong>die</strong> Brüderlichkeit unter den Menschen<br />

<strong>ge</strong>pflegt wird“.8 Der Friede <strong>ist</strong><br />

6 Vgl. BENEDIKT XVI., Ansprache an<br />

den Bundestag (Berl<strong>in</strong>, 22. September<br />

2011): L’Osservatore Romano (dt.) Jg.<br />

41 (2011), Nr. 39 (30. September 2011),<br />

S. 4-5.<br />

7 DERS., Enzyklika Caritas <strong>in</strong> veritate<br />

(29. Juni 2009), 6: AAS 101 (2009),<br />

644-645.<br />

8 Katechismus der Katholischen Kirche,<br />

2304.<br />

7


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

<strong>die</strong> Frucht der Gerechtigkeit und <strong>die</strong><br />

Wirkung der Liebe. Er <strong>ist</strong> vor allem<br />

e<strong>in</strong> Geschenk Gottes. Wir Chr<strong>ist</strong>en<br />

glauben, dass Chr<strong>ist</strong>us unser wahrer<br />

Friede <strong>ist</strong>: In ihm, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kreuz,<br />

hat Gott <strong>die</strong> Welt mit sich versöhnt<br />

und <strong>die</strong> Schranken zerstört, <strong>die</strong> uns<br />

vone<strong>in</strong>ander trennten (vgl. Eph 2,14-<br />

18); <strong>in</strong> ihm gibt es e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong>, <strong>in</strong> der<br />

Liebe versöhnte Familie.<br />

Doch der Friede <strong>ist</strong> nicht nur e<strong>in</strong><br />

Geschenk, das man empfängt, sondern<br />

auch e<strong>in</strong> Werk, das man aufbauen<br />

muss. Um wirklich Friedensstifter zu<br />

se<strong>in</strong>, müssen wir uns zum Mit<strong>ge</strong>fühl,<br />

zur Solidarität, zur Zusammenarbeit<br />

und zur Brüderlichkeit erziehen,<br />

<strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft aktiv se<strong>in</strong> und<br />

wachsam, <strong>die</strong> Gewissen aufzurütteln<br />

für <strong>die</strong> nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Fra<strong>ge</strong>n und für <strong>die</strong> Wichtigkeit, <strong>ge</strong>eignete<br />

Bestimmun<strong>ge</strong>n zur Umverteilung<br />

der Güter, zur Förderung des<br />

Wachstums, zur Zusammenarbeit<br />

an der Entwicklung und zur Lösung<br />

von Konflikten zu suchen. „Selig,<br />

<strong>die</strong> Frieden stiften; denn sie werden<br />

Söhne Gottes <strong>ge</strong>nannt werden“, sagt<br />

Jesus <strong>in</strong> der Bergpredigt (Mt 5,9).<br />

Der Friede für alle entspr<strong>in</strong>gt<br />

aus der Gerechtigkeit e<strong>in</strong>es jeden,<br />

und niemand kann sich <strong>die</strong>ser<br />

wesentlichen Verpflichtung entziehen,<br />

<strong>die</strong> Gerechtigkeit <strong>ge</strong>mäß<br />

den ei<strong>ge</strong>nen Zuständigkeiten und<br />

Verantwortlichkeiten zu fördern.<br />

Besonders <strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen, <strong>in</strong><br />

denen das Streben nach den Idealen<br />

immer lebendig <strong>ist</strong>, bitte ich, <strong>die</strong><br />

Geduld und <strong>die</strong> Hartnäckigkeit zu<br />

haben, <strong>die</strong> Gerechtigkeit und den<br />

Frieden zu suchen, den Geschmack<br />

am Gerechten und Wahren zu pfle<strong>ge</strong>n,<br />

auch wenn das möglicherweise<br />

mit Opfern verbunden <strong>ist</strong> und verlangt,<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Strom zu schwimmen.<br />

Die Au<strong>ge</strong>n zu Gott erheben<br />

An<strong>ge</strong>sichts der schwieri<strong>ge</strong>n He-<br />

6. rausforderung, <strong>die</strong> We<strong>ge</strong> der Gerechtigkeit<br />

und des Friedens zu <strong>ge</strong>hen,<br />

können wir versucht se<strong>in</strong>, uns wie der<br />

Psalm<strong>ist</strong> zu fra<strong>ge</strong>n: „Ich hebe me<strong>in</strong>e<br />

Au<strong>ge</strong>n auf zu den Ber<strong>ge</strong>n: Woher<br />

kommt mir Hilfe?“ (Ps 121,1).<br />

Zu allen, besonders zu den jun<strong>ge</strong>n<br />

Menschen möchte ich mit Nachdruck<br />

sa<strong>ge</strong>n: „Nicht <strong>die</strong> Ideologien retten<br />

<strong>die</strong> Welt, sondern alle<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

H<strong>in</strong>wendung zum lebendi<strong>ge</strong>n Gott,<br />

der unser Schöpfer, der Garant unserer<br />

Freiheit, der Garant des wirklich<br />

Guten und Wahren <strong>ist</strong> … <strong>die</strong> radikale<br />

H<strong>in</strong>wendung zu Gott, der das Maß<br />

des Gerechten und zugleich <strong>die</strong> ewi<strong>ge</strong><br />

Liebe <strong>ist</strong>. Und was könnte uns denn<br />

retten wenn nicht <strong>die</strong> Liebe?“ 9 Die<br />

Liebe freut sich an der Wahrheit, sie<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> befähigt, sich für <strong>die</strong><br />

Wahrheit, <strong>die</strong> Gerechtigkeit, und den<br />

Frieden e<strong>in</strong>zusetzen, denn sie erträgt<br />

alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem<br />

stand (vgl. 1 Kor 13,1-13).<br />

Liebe jun<strong>ge</strong> Freunde, ihr seid<br />

e<strong>in</strong> kostbares Geschenk für <strong>die</strong><br />

Gesellschaft. Lasst euch an<strong>ge</strong>sichts<br />

der Schwierigkeiten nicht von der<br />

Entmutigung überwälti<strong>ge</strong>n, und <strong>ge</strong>bt<br />

euch nicht falschen Lösun<strong>ge</strong>n h<strong>in</strong>,<br />

<strong>die</strong> sich oft als der e<strong>in</strong>fachste Weg zur<br />

Überw<strong>in</strong>dung der Probleme präsentieren.<br />

Scheut euch nicht, euch e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

Mühen und Opfer auf euch<br />

zu nehmen, <strong>die</strong> We<strong>ge</strong> zu wählen, <strong>die</strong><br />

Treue und Beständigkeit, Demut und<br />

H<strong>in</strong>gabe verlan<strong>ge</strong>n. Lebt eure Ju<strong>ge</strong>nd<br />

und <strong>die</strong> tiefe Sehnsucht nach Glück,<br />

Wahrheit, Schönheit und echter Liebe,<br />

<strong>die</strong> ihr verspürt, mit Zuversicht! Lebt<br />

<strong>die</strong>ses Lebensalter, das so reich und<br />

voller Be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>erung <strong>ist</strong>, ganz <strong>in</strong>tensiv.<br />

Seid euch bewusst, dass ihr selbst<br />

den Erwachsenen Vorbild und Ansporn<br />

seid, und das um so mehr, je mehr ihr<br />

euch anstrengt, Un<strong>ge</strong>rechtigkeiten<br />

und Korruption zu überw<strong>in</strong>den, je<br />

mehr ihr e<strong>in</strong>e bessere Zukunft ersehnt<br />

9 Vgl. BENEDIKT XVI., Vigil mit den<br />

Ju<strong>ge</strong>ndlichen (Köln, 20. August 2005):<br />

AAS 97 (2005), 885-886; L’Osservatore<br />

Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 34, S. 14.<br />

und euch e<strong>in</strong>setzt, um sie aufzubauen.<br />

Seid euch eurer Möglichkeiten<br />

bewusst und verschließt euch nie <strong>in</strong><br />

euch selbst, sondern versteht, für e<strong>in</strong>e<br />

Zukunft zu arbeiten, <strong>die</strong> für alle heller<br />

<strong>ist</strong>. Ihr seid nie alle<strong>in</strong>. Die Kirche<br />

vertraut euch, sie begleitet euch, ermutigt<br />

euch und möchte euch das<br />

wertvollste anbieten, was sie hat: <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, <strong>die</strong> Au<strong>ge</strong>n zu Gott zu erheben,<br />

Jesus Chr<strong>ist</strong>us zu be<strong>ge</strong>gnen,<br />

dem, der <strong>die</strong> Gerechtigkeit und der<br />

Friede selber <strong>ist</strong>.<br />

An euch alle, Männer und Frauen,<br />

denen <strong>die</strong> Sache des Friedens am<br />

Herzen liegt: Der Friede <strong>ist</strong> nicht e<strong>in</strong><br />

schon erreichtes Gut, sondern e<strong>in</strong><br />

Ziel, das wir alle und jeder e<strong>in</strong>zelne<br />

anstreben müssen. Blicken wir mit<br />

größerer Hoffnung auf <strong>die</strong> Zukunft,<br />

ermuti<strong>ge</strong>n wir uns <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig auf unserem<br />

Weg, arbeiten wir, um unserer<br />

Welt e<strong>in</strong> menschlicheres und brüderlicheres<br />

Gesicht zu <strong>ge</strong>ben, und fühlen<br />

wir uns vere<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der Verantwortung<br />

für <strong>die</strong> <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nwärti<strong>ge</strong>n und <strong>die</strong> kommenden<br />

jun<strong>ge</strong>n Generationen, besonders<br />

<strong>in</strong>dem wir sie dazu erziehen,<br />

friedliebend und Friedensstifter zu<br />

se<strong>in</strong>. In <strong>die</strong>sem Bewusstse<strong>in</strong> sende ich<br />

euch <strong>die</strong>se Überlegun<strong>ge</strong>n und richte<br />

me<strong>in</strong>en Appell an euch: Vere<strong>in</strong>en wir<br />

unsere <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n, moralischen und<br />

materiellen Kräfte, um „<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n<br />

Menschen zur Gerechtigkeit und zum<br />

Frieden zu erziehen“.<br />

Aus dem Vatikan,<br />

am 8. Dezember 2011<br />

BENEDICTUS PP XVI<br />

© Copyright 2011 – Libreria<br />

Editrice Vaticana<br />

Kurznachrichten<br />

Polizeipsycholo<strong>ge</strong>: Sexuellen Missbrauch entkirchlichen<br />

S exueller Missbrauch muss nach Worten des Polizeipsycholo<strong>ge</strong>n Adolf<br />

Gallwitz „entkirchlicht“ werden. Zur Begründung machte Gallwitz<br />

bei e<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>ntagung der Katholischen Akademie Trier zur Pädokrim<strong>in</strong>alität<br />

deutlich, dass sexueller Missbrauch e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>samt<strong>ge</strong>sellschaftliches<br />

Problem sei. Noch immer <strong>ge</strong>schähen sexuelle Übergriffe größtenteils<br />

im familiären Umfeld. Dass es unter katholischen Ge<strong>ist</strong>lichen e<strong>in</strong>e<br />

erhöhte Anzahl pädophiler Täter <strong>ge</strong>be, lässt sich nach E<strong>in</strong>schätzung von<br />

Gallwitz so nicht sa<strong>ge</strong>n. Faktoren wie <strong>die</strong> Struktur der Kirche oder <strong>die</strong><br />

Auswirkun<strong>ge</strong>n des Zölibats müssten jedoch sehr wohl beachtet werden.<br />

(KNA)<br />

8 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


Erklärung der Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten<br />

Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />

E<strong>in</strong>e Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />

1. wird nur auf der Basis e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />

ab<strong>ge</strong>stimmten, schlüssi<strong>ge</strong>n<br />

Konzeptes für <strong>die</strong> Friedenskonsoli<strong>die</strong>rung<br />

<strong>ge</strong>l<strong>in</strong><strong>ge</strong>n. Dazu müssen <strong>die</strong><br />

beteiligten Akteure ihre E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen<br />

zurückstellen, um dem betroffenen<br />

Volk e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> Frieden<br />

und Sicherheit zu ermöglichen. Im<br />

S<strong>in</strong>ne chr<strong>ist</strong>licher Nächstenliebe gilt<br />

es, durch Hilfe zur Selbsthilfe auf der<br />

Grundla<strong>ge</strong> langfr<strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>r Partnerschaft<br />

<strong>die</strong> Voraussetzun<strong>ge</strong>n und Rahmenbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n<br />

für den Aufbau e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>ordneten<br />

Staatswesens zu schaffen.<br />

Der notwendi<strong>ge</strong> politische und zi- 2. vile Aufbau e<strong>in</strong>es funktionierenden<br />

Geme<strong>in</strong>wesens <strong>ist</strong> so lan<strong>ge</strong> durch<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft zu sichern,<br />

bis e<strong>in</strong>heimische Militär- und<br />

Polizeikräfte dazu <strong>in</strong> der La<strong>ge</strong> s<strong>in</strong>d. In<br />

der Phase des Übergangs <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß<br />

an Stabilität erforderlich, um<br />

den Wiederaufbau voranzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n und<br />

das Erreichte zu sichern. E<strong>in</strong> vorzeiti<strong>ge</strong>r<br />

und unkoord<strong>in</strong>ierter Abzug der<br />

<strong>in</strong>ternationalen Truppen <strong>ist</strong> zu vermeiden,<br />

weil er e<strong>in</strong> Machtvakuum schaffen<br />

würde, <strong>in</strong> dem Hass und Gewalt wieder<br />

ausbrechen und das Land erneut <strong>in</strong> Gesetzlosigkeit<br />

und Chaos stürzen könnte.<br />

Mit der Übernahme der Verant- 3. wortung für <strong>die</strong> Sicherheit durch<br />

e<strong>in</strong>heimische Kräfte darf das <strong>in</strong>ternationale<br />

Enga<strong>ge</strong>ment nicht beendet werden.<br />

Der Abzug der <strong>in</strong>ternationalen<br />

Streitkräfte muss mit der glaubwürdi<strong>ge</strong>n<br />

Selbstverpflichtung zum langfr<strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n<br />

Enga<strong>ge</strong>ment verbunden se<strong>in</strong>.<br />

Schließlich haben <strong>die</strong> Staaten, <strong>die</strong> sich<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Ethische Grundsätze für <strong>die</strong> Beendigung e<strong>in</strong>es Militäre<strong>in</strong>satzes<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er Friedensmission der Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />

SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

Mit e<strong>in</strong>er Friedensmission verfol<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen das Ziel, e<strong>in</strong> von Krieg und Terror heim<strong>ge</strong>suchtes Land zu befrieden,<br />

damit es ei<strong>ge</strong>nverantwortlich für den Wiederauf- bau der staatlichen Ordnung sor<strong>ge</strong>n kann. Militäre<strong>in</strong>sätze im Rahmen<br />

von Friedensmissionen s<strong>in</strong>d dann ethisch <strong>ge</strong>rechtfertigt, wenn sie e<strong>in</strong>erseits dem Schutz vor Terror und schweren Menschenrechtsverletzun<strong>ge</strong>n<br />

und andererseits dem Aufbau e<strong>in</strong>er <strong>ge</strong>rechten und stabilen Ordnung <strong>die</strong>nen.<br />

Die Fra<strong>ge</strong>, welche ethische Grundsätze bei e<strong>in</strong>er Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung zu beachten s<strong>in</strong>d, <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nt beim bevorstehenden<br />

Abzug der Stabilisierungskräfte der <strong>in</strong>ternationalen Staaten<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft (ISAF) aus Afghan<strong>ist</strong>an wieder aktuelle Bedeutung.<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten (GKS) le<strong>ist</strong>et hierzu auf der Grundla<strong>ge</strong> der katholischen Friedenslehre e<strong>in</strong>en<br />

Beitrag und er<strong>in</strong>nert an <strong>die</strong> Aussa<strong>ge</strong> des II. Vatikanischen Konzils „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte<br />

sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker“ (GS, 79).<br />

militärisch oder auf andere Weise engagieren,<br />

e<strong>in</strong>e moralische Verpflichtung<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung<br />

übernommen. Ihre Hilfe <strong>ist</strong> so<br />

lan<strong>ge</strong> notwendig, bis e<strong>in</strong> stabiler Versöhnungsprozess<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>leitet <strong>ist</strong> und<br />

der Aufbau nachhaltig Früchte trägt.<br />

Wenn <strong>die</strong> Übernahme der Verant- 4. wortung auf Dauer erfolgreich se<strong>in</strong><br />

soll, bedarf es der aktiven Mitwirkung<br />

der Bevölkerung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land mit<br />

<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong>r Alphabetisierung erst entsprechend<br />

aus<strong>ge</strong>bildet und an<strong>ge</strong>leitet werden<br />

muss. Die e<strong>in</strong>heimischen Autoritäten<br />

müssen sich ihrer Verantwortung<br />

bewusst werden und e<strong>in</strong>e handlungsfähi<strong>ge</strong><br />

Regierung bilden, <strong>die</strong> das Wohl des<br />

ganzen Volkes im Blick hat und Krim<strong>in</strong>alität<br />

und Korruption bekämpft. Der<br />

Erfolg bei Aufbau und Entwicklung des<br />

Landes hängt direkt ab von der E<strong>in</strong>sicht<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit entsprechender<br />

Maßnahmen sowie vom Willen und vom<br />

E<strong>in</strong>satz der Betroffenen, sie konsequent<br />

um- und durchzusetzen.<br />

Die dem Schutz der Menschen- 5. rechte und der Achtung des Lebens<br />

<strong>die</strong>nenden Grundsätze und Re<strong>ge</strong>ln<br />

des humanitären Völkerrechts <strong>ge</strong>lten<br />

all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>. Sie verlan<strong>ge</strong>n, militärische<br />

Gewaltanwendung zu begrenzen. In der<br />

Phase des Übergangs sollten <strong>die</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Streitkräfte – soweit es der<br />

notwendi<strong>ge</strong> Schutz der Soldaten zulässt<br />

– weit<strong>ge</strong>hend auf militärische Gewalt<br />

verzichten. Indem Streitkräfte zu den<br />

Fol<strong>ge</strong>n ihres Tuns oder Unterlassens<br />

stehen, sich zu Fehlern bekennen und<br />

Schäden bestmöglich beseiti<strong>ge</strong>n, le<strong>ist</strong>en<br />

sie <strong>ge</strong>rade <strong>in</strong> ihrer Wahrhaftigkeit<br />

und ihrem Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Beitrag zur Versöhnung.<br />

Bei der Beendigung von militäri- 6. schen E<strong>in</strong>sätzen s<strong>in</strong>d erhebliche<br />

Anstrengun<strong>ge</strong>n erforderlich, um dem<br />

Anspruch e<strong>in</strong>er Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />

<strong>ge</strong>recht werden zu können.<br />

Der Schwerpunkt der Unterstützung<br />

muss sich auf Felder wie Bildung, Gesundheitswesen,<br />

Infrastruktur, Aufbau<br />

von Verwaltung, Justiz und Polizei verla<strong>ge</strong>rn.<br />

Dafür müssen h<strong>in</strong>reichende f<strong>in</strong>anzielle<br />

Mittel erschlossen werden.<br />

Die Internationale Geme<strong>in</strong>schaft<br />

7. hat <strong>in</strong> vormali<strong>ge</strong>n Krisen<strong>ge</strong>bieten<br />

<strong>ge</strong>zeigt, dass sie unter Beteiligung<br />

militärischer Kräfte Sicherheit stabilisieren<br />

und Frieden erfolgreich sichern<br />

kann. Mit solchen E<strong>in</strong>sätzen schafft sie<br />

auch <strong>die</strong> Voraussetzung für e<strong>in</strong>e nachhalti<strong>ge</strong><br />

Krisenprävention.<br />

Regierung und Parlament stehen<br />

<strong>in</strong> der Pflicht, <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Friedensmission <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ganzheitlichen Konzeption zu begründen<br />

und vom Ende des E<strong>in</strong>satzes<br />

her zu denken.<br />

Die Bevölkerung, <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>die</strong> Soldaten, <strong>die</strong> Leib und Leben<br />

e<strong>in</strong>setzen, und deren Familien hat<br />

e<strong>in</strong> Recht auf umfassende Information,<br />

um S<strong>in</strong>n und Notwendigkeit<br />

des E<strong>in</strong>satzes zu verstehen und zu<br />

akzeptieren. Die Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer<br />

Soldaten (GKS) fordert<br />

daher für jeden E<strong>in</strong>satz Transparenz<br />

und e<strong>in</strong>e grundle<strong>ge</strong>nde Strategie,<br />

<strong>die</strong> auch das Ende e<strong>in</strong>er Mission<br />

mit bedenkt.<br />

9


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

Neujahresempfang der Kölner Kreise<br />

„Den Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“<br />

VON HELMUT LEIPERTZ<br />

Bedeutungsschwer und brandaktuell „schwebte“ das <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong> Leitthema über dem Jahresempfang der<br />

„Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten“ (GKS) der Kreise Köln und Wahn, der am 22. März 2012 <strong>in</strong> den<br />

Räumlichkeiten der Offizierheim<strong>ge</strong>sellschaft (OHG) Wahn stattfand. Die Menschheit steht permanent vor<br />

neuen Herausforderun<strong>ge</strong>n – e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit. Aktuell stehen Eurokrise und Energiewende im all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en<br />

Fokus und verlan<strong>ge</strong>n nach nachhalti<strong>ge</strong>n Lösun<strong>ge</strong>n. Auch <strong>die</strong> katholische Kirche beschäfti<strong>ge</strong>n derzeit unterschiedlichste<br />

Problemfelder. Seelsor<strong>ge</strong>rman<strong>ge</strong>l, Erhaltung der Infrastruktur und Vertrauensverlust <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>, <strong>die</strong> zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>en Großteil der Deutschen ansprechen.<br />

Glauben und Vertrauen<br />

Aussetzung der Wehrpflicht, Auslandse<strong>in</strong>sätze<br />

und Strategien e<strong>in</strong>es<br />

<strong>ge</strong>planten Rückzu<strong>ge</strong>s aus den<br />

Krisen<strong>ge</strong>bieten, doch vor allem <strong>die</strong><br />

Neuausrichtung der Bundeswehr s<strong>in</strong>d<br />

Schlagworte, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Zivilbevölkerung<br />

eher unterschwellig zur Kenntnis<br />

<strong>ge</strong>nommen werden. Für Soldaten<br />

allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d es fundamentale<br />

Themenfelder – berühren sie doch<br />

nicht nur ihre <strong>in</strong>dividuellen Lebensumstände,<br />

sondern auch <strong>die</strong> ihrer Familien<br />

und An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n. Auch wenn<br />

„Wandel“ immer stärker und selbstverständlicher<br />

zum Merkmal des Soldatenberufes<br />

<strong>ge</strong>worden <strong>ist</strong>, bed<strong>in</strong>gt<br />

jede Veränderung auch unterschiedlich<br />

aus<strong>ge</strong>prägten Gesprächsbedarf<br />

und Raum zur persönlichen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung.<br />

Be<strong>in</strong>haltet doch jeder<br />

Aufbruch zum Neuen immer e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>wisses<br />

Wagnis. E<strong>in</strong> Risiko, dem Glauben<br />

und Vertrauen zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> wenig<br />

den Schrecken nehmen können.<br />

Rund 120 Gäste, unter ihnen<br />

zahlreiche politische Mandatsträ<strong>ge</strong>r<br />

und militärische Dienststellenleiter<br />

des Standortes Köln, folgten der E<strong>in</strong>ladung<br />

der beiden Kreisvorsitzenden<br />

Dipl.-Ing. Oberstleutnant Walter<br />

Raab (GKS-Kreis Köln) und Oberstleutnant<br />

Albert Hecht (GKS-Kreis<br />

Wahn) zum <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen<br />

Jahresempfang <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kasernenanla<strong>ge</strong><br />

Wahn. In se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>führenden Worten<br />

hieß Oberstleutnant Hecht, <strong>die</strong> anwesenden<br />

Gäste auf das Herzlichste<br />

willkommen, bevor er zu e<strong>in</strong>er musikalischen<br />

E<strong>in</strong>stimmung durch den<br />

Männerchor der Bundeswehr Wahn an<br />

dessen Leiter, Stabsfeldwebel Markus<br />

Wolters, übergab. Der Männerchor,<br />

der mittlerweile weit über <strong>die</strong> Grenzen<br />

der Kaserne bekannt und beliebt<br />

<strong>ist</strong>, wusste mit abwechslungsreichen<br />

a capella Darbietun<strong>ge</strong>n – unter anderem<br />

„Forellenvariationen“ à la Schubert,<br />

Mozart, Beethoven und Weber<br />

– zu be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>ern. Die Sän<strong>ge</strong>r, allesamt<br />

Soldaten, Zivilbe<strong>die</strong>nstete oder Ruheständler<br />

des Standortes Wahn, machten<br />

ihrem Ruf alle Ehre und ernteten<br />

dafür den ver<strong>die</strong>nten Applaus des<br />

Auditoriums.<br />

Aktuelle Herausforderun<strong>ge</strong>n annehmen<br />

Anschließend übernahm der Organisator<br />

Oberstleutnant Hecht<br />

erneut das Wort, um <strong>die</strong> Gäste auf<br />

den Festvortrag des Stellvertreters<br />

des General<strong>in</strong>spekteurs der Bundeswehr,<br />

Generalleutnant Günter Weiler,<br />

<strong>in</strong>formativ vorzubereiten. Dabei<br />

verwies er noch e<strong>in</strong>mal auf das <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong><br />

Leitthema der GKS – „Den<br />

Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“ – und umriss aktuelle<br />

Handlungsfelder aus Kirche,<br />

Wirtschaft und Bundeswehr. Die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Katholischer Soldaten versuche,<br />

aus der Perspektive des chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Glaubens heraus, Antworten<br />

auf Lebensfra<strong>ge</strong>n der Soldaten und<br />

ihrer Familien zu f<strong>in</strong>den, wobei <strong>die</strong><br />

Besonderheiten, <strong>die</strong> sich aus dem<br />

Soldatenberuf er<strong>ge</strong>ben, möglichst <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildungsprozesse von<br />

Politik, Gesellschaft und Kirche implementiert<br />

werden sollen.<br />

Hiernach übergab Hecht – nach<br />

kurzer Vorstellung des militärischen<br />

Werdegan<strong>ge</strong>s des Redners – dann das<br />

Mikrofon an Generalleutnant Günter<br />

Weiler. Der Stellvertreter des General<strong>in</strong>spekteurs<br />

der Bundeswehr stieg<br />

zügig <strong>in</strong> <strong>die</strong> Thematik „den Aufbruch<br />

wa<strong>ge</strong>n“ e<strong>in</strong>. In Anlehnung an Vorworte<br />

zum 98. Deutschen Katholikentag<br />

begann er se<strong>in</strong>en Vortrag mit<br />

Beispielen aus dem alten und neuen<br />

Testament, bei denen „wagnisbehaftete<br />

Aufbruchszenarien“ bereits den<br />

Kontext zu Glauben und Vertrauen<br />

verdeutlichten. Danach spannte General<br />

Weiler den Bo<strong>ge</strong>n zu aktuellen<br />

10 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


politischen und wirtschaftspolitischen<br />

Themen – <strong>in</strong> vorderster Reihe <strong>die</strong><br />

Euro-Krise.<br />

Bundeswehr im Umbruch<br />

Kernpunkte se<strong>in</strong>es gut 60-m<strong>in</strong>üti<strong>ge</strong>n<br />

Vortra<strong>ge</strong>s waren allerd<strong>in</strong>gs<br />

<strong>die</strong> Themenfelder rund um <strong>die</strong> Neuausrichtung<br />

der Bundeswehr – Informationen<br />

und Erläuterun<strong>ge</strong>n zu<br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n, <strong>ge</strong>änderten<br />

Strukturen, Standort- sowie Bündnisfra<strong>ge</strong>n<br />

und Strukturauswirkun<strong>ge</strong>n auf<br />

betroffene Soldaten und Zivilbe<strong>die</strong>nstete<br />

aus „erster Hand“. „Wir s<strong>in</strong>d guter<br />

D<strong>in</strong><strong>ge</strong>“, so General Weiler und ließ<br />

dabei ke<strong>in</strong>en Zweifel daran, dass <strong>die</strong><br />

Strukturkommission alles Notwendi<strong>ge</strong><br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>hend betrachtet habe, um den<br />

Umbau der Bundeswehr so effizient<br />

wie möglich und gleichzeitig sozialverträglich<br />

zu <strong>ge</strong>stalten. Er räumte<br />

aber – mit dem H<strong>in</strong>weis auf das Bundeswehrreform-Begleit<strong>ge</strong>setz<br />

– auch<br />

e<strong>in</strong>, dass es bei aller Sorgfalts- und<br />

Fürsor<strong>ge</strong>verantwortung dennoch e<strong>in</strong>zelne<br />

Härtefälle <strong>ge</strong>ben könne.<br />

Die e<strong>in</strong><strong>ge</strong>henden Erläuterun<strong>ge</strong>n<br />

der Grundsätze für <strong>die</strong> Spitzengliederung,<br />

Unterstellungsverhältnisse und<br />

Führungsorganisation im Bundesm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium<br />

der Verteidigung und der<br />

Bundeswehr, <strong>die</strong> am Vorabend durch<br />

Kurznachrichten<br />

In Indonesien wurde während e<strong>in</strong>es<br />

offiziellen Besuchs der italienischen<br />

Regierung <strong>in</strong> Djakarta e<strong>in</strong> Abkommen<br />

zwischen der Geme<strong>in</strong>schaft Sant‘Egidio<br />

und Muhammaddiyah unterzeichnet,<br />

e<strong>in</strong>e der größten islamischen Organisationen<br />

der Welt. Es sei e<strong>in</strong> Schritt zur<br />

Annäherung auf dem Weg zum <strong>in</strong>ternationalen<br />

Treffen für Frieden und <strong>in</strong>terreligiösen<br />

Dialog <strong>in</strong> Sarajewo (9.-11.<br />

September 2012), wie <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Sant’Egidio bekannt gibt.<br />

Über den Weg des Dialogs solle<br />

versucht werden, nach e<strong>in</strong>em Jahrzehnt<br />

von Ause<strong>in</strong>andersetzun<strong>ge</strong>n neu anzufan<strong>ge</strong>n,<br />

Unterdrückung vorzubeu<strong>ge</strong>n,<br />

Überfälle auf Kirchen und Moscheen<br />

zu verh<strong>in</strong>dern, das Zusammenleben zu<br />

stärken und <strong>die</strong> Argumente zu widerle<strong>ge</strong>n,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Welt voller ethnischer<br />

Inseln wollen. Im Rahmen e<strong>in</strong>er offi-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Dr. Thomas de Maizière <strong>in</strong> Dresden<br />

als „Dresdener Erlass“ verb<strong>in</strong>dlich<br />

fest<strong>ge</strong>legt wurden, kommentierte Weiler<br />

mit Blick auf <strong>die</strong> zeitliche Realisierung:<br />

„Die Bundeswehr hat aus<br />

den vergan<strong>ge</strong>nen Strukturreformen<br />

<strong>ge</strong>lernt!“<br />

Mit sich selber im Re<strong>in</strong>en se<strong>in</strong><br />

Auch das neue Reserv<strong>ist</strong>enkonzept<br />

und e<strong>in</strong> Ausblick auf <strong>die</strong> künftig<br />

<strong>ge</strong>forderten Kompetenzen der deutschen<br />

Armee im mult<strong>in</strong>ationalen Zusammenspiel<br />

fanden ihren Platz im<br />

Vortrag des Stellvertreters des General<strong>in</strong>spekteurs<br />

der Bundeswehr. General<br />

Weiler – auch Vorsitzender der<br />

Strukturplanungskommission – appellierte<br />

zum Abschluss se<strong>in</strong>er Festrede<br />

an jeden Bundeswehran<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong><br />

Entscheidung zum Beruf „Soldat“ <strong>in</strong>tensiv<br />

zu reflektieren. Die künfti<strong>ge</strong>n<br />

Aufgaben der Bundeswehr verlangten<br />

von jedem Soldaten, dass er sich<br />

aller Risiken <strong>die</strong>ser ganz speziellen<br />

Berufswahl bewusst sei. Er forderte<br />

nicht nur jeden E<strong>in</strong>zelnen des hochkaräti<strong>ge</strong>n<br />

Auditoriums dazu auf, den<br />

„Aufbruch“ <strong>in</strong> <strong>die</strong> neue Ära Bundeswehr<br />

auch mit „Glauben und Vertrauen“<br />

zu begleiten. Mit e<strong>in</strong>em kurzen<br />

Gebetstext beendete der Vortra<strong>ge</strong>nde<br />

se<strong>in</strong>e Ausführun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> <strong>in</strong> vielen<br />

Mehr Dialog zwischen Chr<strong>ist</strong>en und Muslimen<br />

ziellen Mission und des Besuches des<br />

italienischen Außenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ers Terzi fand<br />

nunmehr e<strong>in</strong>e Konferenz zum Dialog<br />

statt. Dabei wurde e<strong>in</strong> Protokoll über<br />

e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Sant‘Egidio und e<strong>in</strong>er der Mitgliederstärksten<br />

islamischen Organisationen<br />

der Welt, der Muhammaddiyah, unterzeichnet.<br />

Die vom Präsidenten der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Sant‘Egidio, Marco Impagliazzo,<br />

und dem Präsidenten von Muhammaddiyah,<br />

D<strong>in</strong> Syamsudd<strong>in</strong>, unterzeichnete<br />

Vere<strong>in</strong>barung umfasst e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit<br />

der beiden Vere<strong>in</strong>igun<strong>ge</strong>n<br />

„auf dem Gebiet der Solidarität, des<br />

<strong>in</strong>terreligiösen Dialogs, der Förderung<br />

e<strong>in</strong>er Kultur der Toleranz und der Kohabitation,<br />

der Konfliktlösung und Friedensarbeit<br />

und der humanitären Hilfe<br />

bei Naturkatastrophen“.<br />

SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

Punkten sicherlich e<strong>in</strong>en ei<strong>ge</strong>nen Vortrag<br />

wert <strong>ge</strong>wesen wären.<br />

Die kurzweilig und mitunter<br />

„au<strong>ge</strong>nzw<strong>in</strong>kernd“ vor<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />

„Insider“-Rede (siehe Bild) quittierten<br />

<strong>die</strong> zahlreichen Zuhörer mit anhaltendem<br />

Applaus. Hiernach bot sich den<br />

Anwesenden <strong>die</strong> Möglichkeit, Fra<strong>ge</strong>n<br />

an General Weiler zu richten, von der<br />

auch entsprechend Gebrauch <strong>ge</strong>macht<br />

wurde. Oberstleutnant Hecht bedankte<br />

sich mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Geschenk herzlich<br />

beim Gastredner für se<strong>in</strong>en engagierten<br />

Vortrag. „E<strong>in</strong> Buch,“ so Hecht,<br />

„das aus me<strong>in</strong>er Sicht zu unserem Jahresthema<br />

passt. Und was könnte da<br />

besser <strong>ge</strong>eignet se<strong>in</strong>, als das aktuellste<br />

Buch zu unserem neuen Bundespräsidenten<br />

mit dem Titel: Joachim Gauck<br />

– vom Pastor zum Präsidenten“.<br />

Raum für <strong>in</strong>formative Gespräche<br />

Anschließend luden <strong>die</strong> beiden<br />

Vorsitzenden der Kölner GKS-Kreise<br />

<strong>die</strong> Anwesenden zum Ausklang der<br />

Veranstaltung <strong>in</strong> das Musikzimmer der<br />

OHG e<strong>in</strong>. Hier boten sich dann ausreichend<br />

Gele<strong>ge</strong>nheiten zum <strong>in</strong>tensiven,<br />

„barrierefreien“ und <strong>in</strong>formativen Dialog.<br />

Rundum e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>ner Jahresempfang,<br />

dessen Inhalte sicher – auch<br />

über den Abend h<strong>in</strong>aus – ausreichend<br />

Gesprächsstoff boten. ❏<br />

Die Zusammenarbeit soll nach der<br />

Erklärung auf der Grundla<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Vere<strong>in</strong>barung um<strong>ge</strong>setzt werden und<br />

sei e<strong>in</strong> Er<strong>ge</strong>bnis der Dialogtreffen im<br />

Ge<strong>ist</strong> von Assisi, den <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Sant‘Egidio jährlich verbreite und durch<br />

den sie e<strong>in</strong> Netzwerk von Freundschaften<br />

und Zusammenarbeit mit Vertretern<br />

unterschiedlicher Religionen auf<strong>ge</strong>baut<br />

habe. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang hätten<br />

sich <strong>die</strong> Beziehun<strong>ge</strong>n zum <strong>in</strong>donesischen<br />

Islam entwickelt, der das Verfassungspr<strong>in</strong>zip<br />

des Pluralismus und der<br />

demokratischen Kultur auf<strong>ge</strong>nommen<br />

habe, obwohl er im Land <strong>die</strong> übergroße<br />

Mehrheit repräsentiere. Dadurch tra<strong>ge</strong><br />

er zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>teressanten Experiment<br />

des Zusammenlebens <strong>in</strong> der Vielfalt<br />

Indonesiens bei, bekräftigt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.<br />

(ZENIT)<br />

11


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

Vorstellung der Levante<br />

In den vier Heften <strong>die</strong>ses Jahres stellt <strong>die</strong> Redaktion der Leserschaft <strong>die</strong> Staaten der Levante vor, um Ihnen e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> Struktur <strong>die</strong>ser sicherheitspolitisch höchst <strong>in</strong>teressanten Region zu <strong>ge</strong>ben. Dabei beg<strong>in</strong>nen wir mit<br />

dem Libanon, der von e<strong>in</strong>em jun<strong>ge</strong>n Studenten beschrieben wird.<br />

Libanon – e<strong>in</strong>e Beschreibung<br />

VON TIM KNOCHE 1<br />

b<strong>in</strong> Libanes<strong>in</strong>, Shiiten, Araber<strong>in</strong>...das sollte ich anders sa<strong>ge</strong>n: Ich b<strong>in</strong> Araber<strong>in</strong>, Libanes<strong>in</strong> und Shiiten...<br />

Moment, ich sollte das nochmal überdenken.“ Libanesen belieben zu verwirren. Das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> erste Erfah-<br />

„Ich<br />

rung, <strong>die</strong> ich während me<strong>in</strong>es 10-monati<strong>ge</strong>n Auslandsaufenthaltes vom Herbst 2010 bis Sommer 2011<br />

im Libanon machen musste. Me<strong>in</strong> Studium der Rechtswissenschaften führte ich an der Faculté de Droit der Université<br />

Sa<strong>in</strong>t-Joseph fort und hatte derweil Gele<strong>ge</strong>nheit, <strong>die</strong> vielfälti<strong>ge</strong>n Seiten des Libanon kennen zu lernen.<br />

Im ersten Teil <strong>die</strong>ses Beitra<strong>ge</strong>s möchte ich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Land und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Denkweise <strong>ge</strong>ben und im<br />

zweiten Teil darstellen, mit welchen Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Sicherheitspolitik konfrontiert <strong>ist</strong>.<br />

Teil 1 – Der Libanon<br />

Geographische La<strong>ge</strong> und Entstehung<br />

des Landes<br />

D er1Libanon <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Land im Nahen<br />

Osten, das sich über 225 km von<br />

Norden nach Süden an der Ostküste<br />

des Mittelmeeres entlang zieht. Parallel<br />

zu der sehr schmalen Küstenl<strong>in</strong>ie<br />

erheben sich <strong>die</strong> steilen Hän<strong>ge</strong><br />

des Libanon<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong>s, lande<strong>in</strong>wärts<br />

folgt ebenfalls parallel <strong>die</strong> flache Bekaaebene<br />

und schließlich das Antilibanon<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong><br />

als natürliche Grenze<br />

zu Syrien, das nördlich und westlich<br />

den Libanon umschließt. Der südliche<br />

Nachbar <strong>ist</strong> Israel.<br />

Die Entstehung des Libanon wurde<br />

maß<strong>ge</strong>blich von Chr<strong>ist</strong>en voran<strong>ge</strong>trieben.<br />

Dem Osmanischen Reich war<br />

es nie recht <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> Levante<br />

zu kontrollieren. Die europäischen<br />

Mächte nutzten im 19. Jahrhundert<br />

<strong>die</strong>se Schwäche, um mit der „Hohen<br />

1 Tim Knoche, Jahrgang 1990, <strong>ist</strong> Student<br />

der Rechtswissenschaften an der<br />

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg<br />

und verbrachte an der Université Sa<strong>in</strong>t-<br />

Joseph <strong>in</strong> Beirut e<strong>in</strong> Auslandsjahr. Er<br />

lernte Land und Leute kennen und<br />

be<strong>ge</strong>gnete dabei den verschiedensten,<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nsätzlichen Ansichten über den<br />

Libanon, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Beitrag<br />

widerspie<strong>ge</strong>ln. Bei weiterem Interesse<br />

sei zur E<strong>in</strong>führung der „Atlas du<br />

Liban“ (Assaf/Barakat, Presses de<br />

l‘Université Sa<strong>in</strong>t-Joseph), tiefer<strong>ge</strong>hend<br />

<strong>die</strong> „H<strong>ist</strong>oire du Liban Contempora<strong>in</strong>“<br />

(Denise Ammoun, Fayard) und für<br />

<strong>die</strong> Verfassung das „Dictionnaire de<br />

la Constitution Libanaise“ (Béchara<br />

Ménassa, Editions Dar-An-Nahr) empfohlen<br />

Pforte“ Schutzverträ<strong>ge</strong> über <strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>liche<br />

Bevölkerung auszuhandeln.<br />

Bereits vor dem Zusammenbruch des<br />

Osmanischen Reiches zum Ende des<br />

Ersten Weltkrie<strong>ge</strong>s plante man eifrig<br />

an e<strong>in</strong>em Staat für <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en – <strong>die</strong><br />

Geburtsstunde des Libanon.<br />

Unter dem 1920 erteilten französischen<br />

Völkerbundmandat für Syrien<br />

und Libanon wurden <strong>die</strong> Grenzen<br />

endgültig durch <strong>die</strong> neue Verfassung<br />

1926 fest<strong>ge</strong>legt. Das Mandat endete<br />

mit der Unabhängigkeitserklärung<br />

1943. Möglich wurde <strong>die</strong> Ex<strong>ist</strong>enz<br />

e<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nständi<strong>ge</strong>n Libanon durch<br />

e<strong>in</strong>en Kompromiss. Die Muslime<br />

liebäu<strong>ge</strong>lten mit e<strong>in</strong>em mehrheit-<br />

lich muslimischen Großsyrien. Die<br />

Chr<strong>ist</strong>en h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n wollten nicht <strong>die</strong><br />

nach Jahrhunderten muslimischer<br />

Herrschaft erlangte Vormachtstellung<br />

auf<strong>ge</strong>ben. Also blieb es bei der von den<br />

Franzosen errichteten parlamentarischen<br />

Republik des Libanon, aber mit<br />

e<strong>in</strong>er weltweit e<strong>in</strong>zigarti<strong>ge</strong>n Verteilung<br />

der Macht: Der Präsident <strong>ist</strong> stets e<strong>in</strong><br />

Chr<strong>ist</strong> der maronitischen<br />

KKonfession,<br />

das Amt des<br />

M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er-präsidenten M<br />

wird<br />

von v e<strong>in</strong>em sunnitischen<br />

Muslim M <strong>ge</strong>führt und zum<br />

Parlamentspräsidenten<br />

P<br />

wird w e<strong>in</strong> schiitischer<br />

Muslim M <strong>ge</strong>wählt. Dieses<br />

System S <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong>esfalls verfassungsrechtlich<br />

f<br />

verankert,<br />

k es handelt sich um<br />

den d bloß mündlichen<br />

„Nationalpakt“ „<br />

zwischen<br />

dem d ersten Präsidenten<br />

Beschara B Al-Khoury und<br />

M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident M<br />

Riad Al-<br />

Solh S im Jahre 1943. Doch<br />

bis b auf e<strong>in</strong>e Ausnahme<br />

im i Jahre 1988 wurde <strong>die</strong><br />

Verteilung V konsequent<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>halten. e Bereits bei<br />

der d Unabhängigkeit zeigte<br />

t sich: Der Libanon hat<br />

nur n<br />

e<strong>in</strong>e Zukunft, wenn<br />

<strong>die</strong> Konfessionen zu Kompromissen<br />

bereit s<strong>in</strong>d.<br />

Die libanesische Gesellschaft – Mite<strong>in</strong>ander<br />

oder Nebene<strong>in</strong>ander?<br />

Das <strong>ist</strong> aus zwei Gründen nicht<br />

e<strong>in</strong>fach. Erstens stellt <strong>die</strong> schiere<br />

Anzahl an Konfessionen e<strong>in</strong>e He-<br />

12 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


ausforderung an <strong>die</strong> Staatsorganisation.<br />

Zweitens setzen sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Konfessionen mehr für ihre<br />

ei<strong>ge</strong>ne Gruppe e<strong>in</strong> als für den Staat<br />

als Ganzes.<br />

Die Konfessionen<br />

Die konfessionelle Vielfalt f<strong>in</strong>det<br />

sich vor allem bei den Chr<strong>ist</strong>en.<br />

Sie lässt sich zum Teil kirchen<strong>ge</strong>schichtlich<br />

erklären. 451 entstanden<br />

erste Spaltun<strong>ge</strong>n durch das Konzil<br />

von Chalcedon, <strong>in</strong> dem über <strong>die</strong> Natur<br />

Jesu Chr<strong>ist</strong>i <strong>ge</strong>stritten wurde. Seit<br />

dem mor<strong>ge</strong>nländischen Schisma 1054<br />

teilt sich das Chr<strong>ist</strong>entum <strong>in</strong> <strong>die</strong> westlichen<br />

Katholiken unter Führung des<br />

Papstes und <strong>die</strong> Ostkirchen, bestehend<br />

aus den orthodoxen und den<br />

altorientalischen Kirchen. Im Laufe<br />

der Zeit schlossen sich Gruppierun<strong>ge</strong>n<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Ostkirchen wiederum<br />

dem Papst an, behielten aber<br />

ihren jeweili<strong>ge</strong>n Ritus. So entstand<br />

zum Beispiel <strong>die</strong> malkitisch-griechisch-katholische<br />

Kirche. Die Bezeichnung<br />

„melkitisch“ stammt vom<br />

Arabischen „malik“ (der König) und<br />

beschreibt ihre Orientierung am byzant<strong>in</strong>ischen<br />

Imperator beim Konzil<br />

von Chalcedon. „Griechisch“ we<strong>ist</strong><br />

auf den byzant<strong>in</strong>ischen Ritus h<strong>in</strong> und<br />

„katholisch“ zeigt, dass <strong>die</strong> Konfession<br />

nunmehr den Papst als Oberhaupt<br />

anerkennt. Im Er<strong>ge</strong>bnis <strong>die</strong>ser Spaltun<strong>ge</strong>n<br />

und Zusammenschlüsse wuchs<br />

<strong>die</strong> Zahl der Konfessionen <strong>ge</strong>radezu<br />

<strong>in</strong>flationär.<br />

E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> Konfessionen sahen sich<br />

aber Verfolgun<strong>ge</strong>n aus<strong>ge</strong>setzt, nicht<br />

etwa durch den sich rasant ausbreitenden<br />

Islam, sondern vielmehr durch<br />

<strong>die</strong> ei<strong>ge</strong>nen Glaubens<strong>ge</strong>nossen während<br />

der Kreuzzü<strong>ge</strong>. Später litten viele<br />

unter der osmanischen Herrschaft.<br />

Zuflucht fanden sie im Libanon. Se<strong>in</strong>e<br />

unzugänglichen Gebir<strong>ge</strong> bieten<br />

seit Jahrhunderten den M<strong>in</strong>derheiten<br />

Schutz und das Mittelmeer notfalls<br />

e<strong>in</strong>en Fluchtweg. Nicht nur chr<strong>ist</strong>liche<br />

M<strong>in</strong>derheiten wie <strong>die</strong> aus Anatolien<br />

flüchtenden Armenier Ende des<br />

Ersten Weltkrie<strong>ge</strong>s, sondern auch andersgläubi<strong>ge</strong><br />

Gruppen wie <strong>die</strong> Drusen<br />

strömten vor Jahrhunderten <strong>in</strong><br />

das Land.<br />

Ins<strong>ge</strong>samt 18 Konfessionen s<strong>in</strong>d<br />

bei e<strong>in</strong>er Bevölkerungszahl von 3,5<br />

bis 4 Millionen offiziell anerkannt<br />

und leben kreuz und quer über das<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Land verteilt. Generell f<strong>in</strong>den sich<br />

sunnitische Muslime <strong>in</strong> den drei großen<br />

Küstenstädten Beirut, Tripolis<br />

und Saida, Schiiten im Südlibanon,<br />

Drusen im zentral <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen Chouf,<br />

Chr<strong>ist</strong>en bewohnen vor allem <strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nd<br />

nördlich von Beirut.<br />

Wie stellt man sicher, dass alle<br />

Gruppierun<strong>ge</strong>n an dem Staat beteiligt<br />

werden?<br />

Die Staatsorganisation<br />

Die ursprünglich auf französisch<br />

<strong>ge</strong>schriebene Verfassung sieht <strong>in</strong> Artikel<br />

101 vor, dass ab dem 1. September<br />

1926 der frühere „Etat du Grand<br />

Liban“ nunmehr den Namen „République<br />

Libanaise“ trägt. In der Präambel<br />

wird <strong>die</strong> Souveränität, Freiheit<br />

und Unabhängigkeit des Staates<br />

betont und <strong>die</strong> arabische Identität<br />

fest<strong>ge</strong>legt. Außerdem wird bestimmt,<br />

dass es sich um e<strong>in</strong>e demokratische,<br />

parlamentarische Republik handelt.<br />

Diese kennzeichne sich unter anderem<br />

durch <strong>die</strong> Beachtung der Grundrechte,<br />

<strong>in</strong>sbesondere der Me<strong>in</strong>ungs-<br />

und Gewissensfreiheit.<br />

Die Verfassung hat e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>spaltenes<br />

Verhältnis zu den Konfessionen.<br />

E<strong>in</strong>erseits soll der Konfessionalismus<br />

laut Absatz h) der Präambel ab<strong>ge</strong>schafft<br />

werden, und zwar schrittweise<br />

(„suivant un plan par étapes“).<br />

Andererseits wird der Konfessionalismus<br />

<strong>in</strong> der Staatsorganisation<br />

<strong>ge</strong>radezu zementiert. Art. 24 sieht<br />

vor, dass <strong>die</strong> parlamentarischen Sitze<br />

gleich („à égalité“) unter Chr<strong>ist</strong>en<br />

und Muslimen auf<strong>ge</strong>teilt werden.<br />

Unter „gleich“ <strong>ist</strong> zu verstehen, dass<br />

nicht etwa e<strong>in</strong>e Volkszählung e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Sitzverhältnis vorgibt, sondern<br />

<strong>die</strong> Hälfte der Sitze den Chr<strong>ist</strong>en,<br />

<strong>die</strong> andere Hälfte den Muslimen<br />

zusteht. Zwar steht <strong>die</strong>se Aufteilung<br />

unter dem Vorbehalt e<strong>in</strong>es Wahl<strong>ge</strong>setzes<br />

ohne konfessionelle Ausrichtung<br />

(„En attendant l‘élaboration [...] d‘une<br />

loi électorale sans contra<strong>in</strong>te confessionelle“),<br />

aber es kam nie zur Errichtung<br />

e<strong>in</strong>es solchen Wahl<strong>ge</strong>setzes.<br />

Die Rolle der Konfessionen wird<br />

weiterh<strong>in</strong> <strong>ge</strong>stärkt durch <strong>die</strong> Autonomie<br />

im Personenstandsrecht <strong>ge</strong>mäß<br />

Art. 9. Daher gibt es ke<strong>in</strong>e Zivilehe im<br />

Libanon, Ehen werden nach den Bräuchen<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Konfession ab<strong>ge</strong>schlossen.<br />

Außerdem <strong>ge</strong>stattet Art. 10<br />

den Geme<strong>in</strong>den, im Rahmen der staat-<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

lichen Vorgaben ihre ei<strong>ge</strong>nen Schulen<br />

zu betreiben. Dies hat <strong>die</strong> praktische<br />

Auswirkung, dass staatliche Schulen<br />

ke<strong>in</strong>en guten Ruf <strong>ge</strong>nießen. Stattdessen<br />

s<strong>in</strong>d vor allem chr<strong>ist</strong>liche Privatschulen<br />

be<strong>ge</strong>hrt. Problematisch ersche<strong>in</strong>t<br />

auch, dass der Staat <strong>ge</strong>mäß<br />

Art. 9 <strong>die</strong> Beachtung der „religiösen<br />

Interessen“ („<strong>in</strong>térêts religieux“) garantiert,<br />

ohne <strong>die</strong>se Interessen näher<br />

e<strong>in</strong>zugrenzen.<br />

Das Ende des Bür<strong>ge</strong>rkrie<strong>ge</strong>s<br />

(1975-1990) wurde nach verbreiteter<br />

Auffassung durch e<strong>in</strong> 1989 <strong>in</strong> der saudi-arabischen<br />

Stadt Ta‘if unterzeichnetes<br />

Abkommen herbei<strong>ge</strong>führt. Erst<br />

<strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ses Abkommens erklärt<br />

<strong>die</strong> Präambel <strong>die</strong> Abschaffung des<br />

Konfessionalismus zum nationalen<br />

Ziel. Vorher betrachtete <strong>die</strong> Präambel<br />

ihn lediglich als Übergangsre<strong>ge</strong>lung.<br />

Art. 93 trifft nunmehr auch <strong>ge</strong>naue<br />

Bestimmun<strong>ge</strong>n zur Umsetzung <strong>die</strong>ses<br />

Ziels durch e<strong>in</strong> „nationales Komitee“.<br />

Manche sehen <strong>in</strong> der Festlegung <strong>die</strong>ses<br />

Ziels e<strong>in</strong>en Fortschritt. Andere<br />

sa<strong>ge</strong>n, dass der Konfessionalismus<br />

vielmehr erst durch das schriftliche<br />

Festhalten <strong>in</strong> der Verfassung se<strong>in</strong>e<br />

Geltung als, wenn auch abzuschaffender,<br />

Grundsatz der Verfassung bekommen<br />

hat.<br />

Entscheidend <strong>ist</strong> nach me<strong>in</strong>er<br />

Auffassung, dass <strong>die</strong> Libanesen selbst<br />

sich – mit weni<strong>ge</strong>n Ausnahmen – nicht<br />

für <strong>die</strong>ses Ziel e<strong>in</strong>setzen, sondern<br />

nach wie vor e<strong>in</strong> starkes Gruppendenken<br />

vorherrscht.<br />

Das Gruppendenken<br />

Heiß diskutiert <strong>ist</strong> im Libanon <strong>die</strong><br />

Fra<strong>ge</strong>, welche Religion <strong>die</strong> Mehrheit<br />

darstellt. Zur Zeit der Unabhängigkeit<br />

waren es wohl noch <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en, aber<br />

seit 1936 hat man sich nicht mehr an<br />

e<strong>in</strong>e Volkszählung <strong>ge</strong>wagt. Inzwischen<br />

steht vermutlich e<strong>in</strong>e 30- bis 40-prozenti<strong>ge</strong><br />

chr<strong>ist</strong>liche e<strong>in</strong>er mehrheitlich<br />

muslimischen Bevölkerung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber.<br />

Es liegt nahe, Konflikte wie<br />

den Bür<strong>ge</strong>rkrieg als religiöse Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

zu verstehen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

gibt es nicht e<strong>in</strong>en chr<strong>ist</strong>lichen und<br />

e<strong>in</strong>en muslimischen Block im Land.<br />

Die Politik des Landes wird vielmehr<br />

von den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen der Konfessionen<br />

bestimmt. Zu unterscheiden <strong>ist</strong><br />

zwischen der konfessionellen Ebene,<br />

auf der sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelne religiöse<br />

Gruppe um den ei<strong>ge</strong>nen Fortbestand<br />

13


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

kümmert und der politischen Ebene,<br />

wo zwecks politischer Beteiligung<br />

e<strong>in</strong>e erstaunliche Kompromissbereitschaft<br />

an den Tag <strong>ge</strong>legt wird.<br />

Die konfessionelle Ebene<br />

Die konfessionelle Ebene versteht<br />

sich besser, wenn man nicht von e<strong>in</strong>er<br />

Mehrheit im Land aus<strong>ge</strong>ht, <strong>die</strong><br />

e<strong>in</strong>e Führungsrolle e<strong>in</strong>nimmt. Stattdessen<br />

<strong>ist</strong> der Libanon als Land voller<br />

M<strong>in</strong>derheiten zu verstehen, <strong>die</strong> zum<br />

Großteil ir<strong>ge</strong>ndwann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nd<br />

<strong>ge</strong>kommen s<strong>in</strong>d, um Zuflucht zu suchen.<br />

Das Streben nach Schutz spielt<br />

für das Selbstverständnis e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong><br />

Rolle. Daher s<strong>in</strong>d familiäre B<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n<br />

eng und auf <strong>die</strong> Erhaltung der<br />

ei<strong>ge</strong>nen Traditionen le<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Konfessionen<br />

viel Wert. Zwar gibt es viele<br />

Ehen zwischen den Konfessionen e<strong>in</strong>er<br />

Religion und auch Gottes<strong>die</strong>nste<br />

und Gebete f<strong>in</strong>den <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam statt,<br />

aber <strong>die</strong> Siedlungsstruktur gibt wiederum<br />

das Bild e<strong>in</strong>er Trennung. Religiös<br />

<strong>ge</strong>mischte Dörfer oder Stadtviertel<br />

s<strong>in</strong>d ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Seltenheit, aber<br />

auch konfessionelle Durchmischung<br />

<strong>ist</strong> mir kaum be<strong>ge</strong>gnet. Zum Beispiel<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> 12.000 E<strong>in</strong>wohner des großen<br />

Dorfes Qobayat im Nordlibanon<br />

allesamt chr<strong>ist</strong>liche Maroniten. Das<br />

etwas kle<strong>in</strong>ere Maghdouche bei Saida<br />

im Südlibanon hat fast nur malkitisch-griechisch-katholischeE<strong>in</strong>wohner.<br />

Die gleiche Trennung f<strong>in</strong>det sich<br />

bei den Muslimen.<br />

Bereits <strong>die</strong> Vermischung der Konfessionen<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Glaubens<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>ist</strong> begrenzt, umso weni<strong>ge</strong>r<br />

Austausch gibt es daher zwischen<br />

den beiden Religionen Chr<strong>ist</strong>entum<br />

und Islam. Insbesondere f<strong>in</strong>det man<br />

ke<strong>in</strong>en wie auch immer <strong>ge</strong>arteten Dialog<br />

der Religionen. Me<strong>in</strong>er Auffassung<br />

nach bleiben <strong>die</strong>se Grundsätze<br />

trotz der au<strong>ge</strong>nsche<strong>in</strong>lichen Auflösung<br />

vieler Ge<strong>ge</strong>nsätze <strong>in</strong> der Hauptstadt<br />

Beirut für das Land gültig.<br />

Ausnahmen gibt es trotzdem. Der<br />

Islam baut auf dem jüdisch-chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Erbe auf, auch Jesus wird als<br />

Prophet anerkannt, nur nicht als Sohn<br />

Gottes. Daher wirkt es auf Muslime<br />

nicht befremdlich, dass von dem Hü<strong>ge</strong>l<br />

von Maghdouche e<strong>in</strong>e meterhohe<br />

Marienstatue auf <strong>die</strong> sunnitische Stadt<br />

Saida herunterblickt. Neugierig wandern<br />

nachmittags schwarzverschleierte<br />

Frauen zu „Unserer Lieben Frau<br />

von Mantara“ und beten zu ihr wie<br />

<strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en.<br />

Ins<strong>ge</strong>samt f<strong>in</strong>det auf konfessioneller<br />

Ebene wenig Austausch statt, <strong>die</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Gruppen arbeiten auf ihren<br />

ei<strong>ge</strong>nen Erhalt h<strong>in</strong>.<br />

Die politische Ebene<br />

Geradezu <strong>ge</strong>sprengt werden <strong>die</strong><br />

konfessionellen Grenzen aber auf politischer<br />

Ebene. E<strong>in</strong> Zitat des Schriftstellers<br />

Raschid Al-Daif aus dem Bür<strong>ge</strong>rkrieg<br />

macht deutlich, mit welcher<br />

Leichtigkeit kreuz und quer politische<br />

Allianzen <strong>ge</strong>schlossen werden und<br />

wieder zerbrechen:<br />

„… Der Krieg war dann aber ke<strong>in</strong><br />

Kampf von Arm <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Reich, sondern<br />

von Arm und Reich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Reich und<br />

Arm. Paläst<strong>in</strong>enser bekämpften sich<br />

untere<strong>in</strong>ander, Syrer kämpften mit<br />

Paläst<strong>in</strong>ensern <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Chr<strong>ist</strong>en, dann<br />

mit Chr<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Paläst<strong>in</strong>enser.<br />

Schließlich <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en untere<strong>in</strong>ander<br />

und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Drusen, alle mite<strong>in</strong>ander<br />

und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ne<strong>in</strong>ander – wer sollte<br />

das verstehen? […] Am Ende haben<br />

wir über <strong>die</strong> <strong>ge</strong>lacht, <strong>die</strong> versucht haben,<br />

<strong>die</strong> Zustände zu analysieren.“<br />

Auf politischer Ebene kennzeichnet<br />

das Handeln der Gruppen e<strong>in</strong><br />

starker Pragmatismus, den e<strong>in</strong> aktuelles<br />

Beispiel veranschaulichen mag.<br />

In Fol<strong>ge</strong> der Ermordung des sunnitischen<br />

M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsidenten Rafiq Al-<br />

Hariri im Jahre 2005 entschied sich<br />

der Libanon, e<strong>in</strong> vom UN-Sicherheitsrat<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setztes Tribunal zur Aufklärung<br />

des Mordes zu unterstützen. Von<br />

Beg<strong>in</strong>n an stand <strong>die</strong> schiitische Hisbullah<br />

unter Verdacht der Tatbeteiligung.<br />

In der Koalitionsregierung mit<br />

dem Sohn Saad Al-Hariri sprach sie<br />

sich daher vehement <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung<br />

des Tribunals aus. Unfähig<br />

zu Kompromissen, zerbrach <strong>die</strong><br />

Regierung im Januar 2011 an dem<br />

Rückzug von 11 M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ern verschiedener<br />

Parteien. Auch an der neuen<br />

Regierung unter Najib Al-Miqati <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Hisbullah beteiligt, doch hier hat<br />

sie Ende letzten Jahres nach<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />

und der F<strong>in</strong>anzierung zu<strong>ge</strong>stimmt. Sie<br />

bleibe bei der Kritik an dem Tribunal,<br />

fühle sich aber dem nationalen<br />

Interesse verpflichtet. E<strong>in</strong> plötzlicher<br />

Ges<strong>in</strong>nungswandel <strong>ist</strong> nicht anzunehmen,<br />

h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n spricht viel für Miqatis<br />

Fähigkeit, <strong>die</strong> völlig <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nsätzlichen<br />

Interessen an e<strong>in</strong>en Tisch zu holen.<br />

S<strong>in</strong>d Kompromisse nicht ohneh<strong>in</strong><br />

unabd<strong>in</strong>gbar für e<strong>in</strong>en funktionierenden<br />

Staat? Das <strong>ist</strong> sicherlich der Fall,<br />

aber im Libanon s<strong>in</strong>d sie me<strong>in</strong>er Auffassung<br />

nach wichti<strong>ge</strong>r als anderswo<br />

und zwar aufgrund der Schwäche<br />

des Staates. Werden bei e<strong>in</strong>er politischen<br />

Entscheidung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

bestimmte Interessen nicht berücksichtigt,<br />

wird der Beschluss dennoch<br />

über <strong>die</strong> Exekutive mit ihrem Beamtenapparat<br />

um<strong>ge</strong>setzt. Im Libanon <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Exekutive schwach, Korruption<br />

<strong>ist</strong> so alltäglich, dass sie kaum noch<br />

auffällt. Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Leichtes, sich Regierungsbeschlüssen<br />

zu widersetzen.<br />

Die schiitische Hisbullah <strong>ist</strong> sogar<br />

dafür bekannt, im Südlibanon den<br />

Staat vollständig zu ersetzen. Die Umsetzung<br />

des staatlichen Willens und<br />

der Zusammenhalt des Landes s<strong>in</strong>d<br />

daher nur <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>et, wenn tunlichst<br />

auch unliebsame Gruppen an<br />

Entscheidun<strong>ge</strong>n beteiligt werden.<br />

Festzuhalten <strong>ist</strong>, dass bei den<br />

Konfessionen e<strong>in</strong> aus<strong>ge</strong>prägtes Gruppendenken<br />

vorherrscht und engstirnig<br />

ei<strong>ge</strong>ne Interessen verfolgt werden.<br />

Auf politischer Ebene s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

erstaunliche Kompromisse möglich<br />

und für den Zusammenhalt des Landes<br />

auch unersetzlich.<br />

Teil 2 – Herausforderun<strong>ge</strong>n<br />

für <strong>die</strong> Sicherheit<br />

Das Grundproblem – Die schwache<br />

Armee<br />

Im Fol<strong>ge</strong>nden wird <strong>ge</strong>zeigt, dass der<br />

Libanon e<strong>in</strong>er Vielzahl von Gefährdun<strong>ge</strong>n<br />

der Sicherheit aus<strong>ge</strong>setzt <strong>ist</strong>.<br />

Problematisch <strong>ist</strong>, dass der Staat<br />

selbst <strong>die</strong> Sicherheit kaum <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>en<br />

kann. Auch <strong>die</strong>s lässt sich auf<br />

<strong>die</strong> konfessionelle Vielfalt zurückführen.<br />

Erfordert zum Beispiel e<strong>in</strong> Konflikt<br />

zwischen e<strong>in</strong>er muslimischen und<br />

e<strong>in</strong>er chr<strong>ist</strong>lichen Gruppe e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff<br />

der Armee, dann müsste e<strong>in</strong> muslimischer<br />

General e<strong>in</strong>em chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Soldaten befehlen, <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>e ei<strong>ge</strong>nen<br />

Glaubens<strong>ge</strong>nossen vorzu<strong>ge</strong>hen.<br />

Es lässt sich e<strong>in</strong>wenden, dass es <strong>ge</strong>rade<br />

Aufgabe des Staates <strong>ist</strong>, Konflikte<br />

neutral zu lösen. Im Libanon gibt es<br />

aber ke<strong>in</strong> Vertrauen <strong>in</strong> den Staat und<br />

noch weni<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> <strong>die</strong> Neutralität des<br />

e<strong>in</strong>zelnen Beamten. Die Armee muss<br />

14 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


also äußerst behutsam vor<strong>ge</strong>hen und<br />

verhält sich stets defensiv.<br />

Damit <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee aber nicht bedeutungslos<br />

für das Land. Sie nimmt<br />

vielmehr <strong>die</strong> Rolle e<strong>in</strong>es Mediators<br />

e<strong>in</strong>. Nicht selten <strong>ge</strong>nießen Politiker<br />

mit militärischem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e<br />

hohe Anerkennung im Land – wer e<strong>in</strong><br />

Gespür für das richti<strong>ge</strong> Verhalten der<br />

Armee <strong>in</strong> konfessionellen Konflikten<br />

hat, der kann auch politische Kompromisse<br />

herbeiführen. Als Beispiel sei<br />

der chr<strong>ist</strong>liche General Fou‘ad Chehab<br />

<strong>ge</strong>nannt, der von 1958 bis 1964<br />

als Präsident amtierte. Noch heute<br />

<strong>ge</strong>nießt er hohes Ansehen bei der<br />

Bevölkerung, se<strong>in</strong>e Amtszeit wird als<br />

Beispiel für e<strong>in</strong>e Politik im nationalen<br />

Interesse heran<strong>ge</strong>zo<strong>ge</strong>n.<br />

Trotz ihrer <strong>ge</strong>sellschaftlichen Bedeutung<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee nicht zu e<strong>in</strong>em<br />

wirkungsvollen E<strong>in</strong>greifen fähig.<br />

Die Sonderrolle der Hisbullah im Südlibanon<br />

Das gilt nicht nur für <strong>in</strong>ländische<br />

Konflikte. Auch zur Verteidigung<br />

nach außen <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee zu schwach<br />

aus<strong>ge</strong>bildet. Im Bür<strong>ge</strong>rkrieg haben <strong>die</strong><br />

Gruppen <strong>die</strong> Sache selbst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand<br />

<strong>ge</strong>nommen und Milizen <strong>ge</strong>bildet. Inzwischen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se auf<strong>ge</strong>löst, bis auf<br />

e<strong>in</strong>e Ausnahme: <strong>die</strong> Hisbullah.<br />

Sie entstand <strong>in</strong> den 1980er Jahren<br />

im Südlibanon zur Verteidigung der<br />

mehrheitlich schiitischen Bevölkerung<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> israelische Besatzung.<br />

Der Forderung e<strong>in</strong>er Entwaffnung <strong>ge</strong>mäß<br />

Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Hisbullah nicht nach<strong>ge</strong>kommen.<br />

Stets wird auf <strong>die</strong> Gefahr<br />

e<strong>in</strong>es erneuten israelischen Angriffs<br />

verwiesen. Durch den Libanonkrieg<br />

2006 sieht sich <strong>die</strong> Hisbullah dar<strong>in</strong><br />

bestätigt, auch nicht-schiitische Libanesen<br />

<strong>ge</strong>stehen ihr Kompetenz <strong>in</strong><br />

der Landesverteidigung zu.<br />

Es <strong>ist</strong> umstritten, wie <strong>die</strong> Hisbullah<br />

e<strong>in</strong>zuordnen <strong>ist</strong>. Sie selbst bezeichnet<br />

sich als Umma (muslimische<br />

Geme<strong>in</strong>schaft), Großbritannien<br />

unterscheidet zwischen der politischen<br />

Partei und der als terror<strong>ist</strong>isch<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>stuften Miliz, <strong>die</strong> USA sehen <strong>in</strong><br />

der Hisbullah als Ganzes e<strong>in</strong>e Terrororganisation.<br />

Entscheidend <strong>ist</strong> ihre<br />

Sonderrolle neben dem Staat. Diese<br />

erstreckt sich neben den militärischen<br />

Aktivitäten auf umfassende soziale<br />

Unterstützung der armen, ländlichen<br />

Bevölkerung des Südlibanon und so-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

gar auf Aufbauprojekte <strong>in</strong> den 2006<br />

bombar<strong>die</strong>rten südlichen Vororten von<br />

Beirut. Darüber h<strong>in</strong>aus <strong>ist</strong> sie als politische<br />

Partei im Parlament vertreten<br />

und beteiligt sich folglich am Staat.<br />

Es <strong>ist</strong> nicht abzusehen, dass <strong>die</strong><br />

Hisbullah von selbst ihre militärische<br />

Stellung an den Staat abgibt. Denkbar<br />

<strong>ist</strong> h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n, dass sie durch <strong>die</strong><br />

politische Entwicklung <strong>in</strong> der Region<br />

<strong>ge</strong>schwächt wird. Sie erhält massive<br />

Unterstützung aus dem Iran, Syrien<br />

unterstützt sie ebenfalls und <strong>die</strong>nt<br />

vor allem als Transportweg für Waffen.<br />

Sollte <strong>die</strong> sunnitische Mehrheit <strong>in</strong><br />

Syrien e<strong>in</strong>en Regimewechsel zu ihren<br />

Gunsten herbeiführen, käme nur noch<br />

der Wasserweg für <strong>die</strong> Belieferung mit<br />

Waffen <strong>in</strong> Fra<strong>ge</strong>.<br />

Sicherung des Südlibanon durch <strong>die</strong> UNIFIL?<br />

Dieser wird jedoch von der deutschen<br />

Mar<strong>in</strong>e als Teil der UNIFIL-<br />

Mission überwacht. UNIFIL <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

United Nations Interim Force <strong>in</strong> Lebanon,<br />

<strong>die</strong> 1978 vom UN-Sicherheitsrat<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt wurde, um den israelischen<br />

Rückzug aus dem Südlibanon<br />

zu überprüfen, <strong>in</strong>ternationalen Frieden<br />

und Sicherheit wiederherzustellen<br />

und <strong>die</strong> libanesische Regierung<br />

bei dem Wiederaufbau e<strong>in</strong>er tatsächlichen<br />

Souveränität <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Gebiet<br />

zu unterstützen. Das Mandat wurde<br />

<strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong> des Krie<strong>ge</strong>s 2006 erweitert,<br />

unter anderem kontrolliert UNIFIL<br />

nun <strong>die</strong> E<strong>in</strong>fuhr von Waffen oder ähnlichem<br />

Material. Die deutsche Bundeswehr<br />

übernimmt <strong>die</strong>se Aufgabe<br />

vor der libanesischen Küste, Bodentruppen<br />

werden nicht von deutscher<br />

Seite <strong>ge</strong>stellt.<br />

Es <strong>ist</strong> fraglich, ob <strong>die</strong> UNIFIL<br />

ihre Aufgaben effektiv erfüllen kann.<br />

1982 wurden ihre Stützpunkte nach<br />

ei<strong>ge</strong>nen Worten von der israelischen<br />

Armee „überrannt“, 2006 fielen UNI-<br />

FIL-Soldaten Angriffen von Israel und<br />

Hisbullah zum Opfer. Im Laufe des<br />

Jahres 2011 wurden italienische und<br />

französische UNIFIL-Soldaten durch<br />

drei Bombenanschlä<strong>ge</strong> verletzt.<br />

Außerdem s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> E<strong>in</strong>griffskompetenzen<br />

sehr e<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkt. Bei e<strong>in</strong>er<br />

eskalierten Paläst<strong>in</strong>enserdemonstration<br />

am 15. Mai 2011 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Grenzort zu Israel, Maroun Ar-Ras,<br />

wurden 11 Paläst<strong>in</strong>enser von israelischen<br />

Grenztruppen <strong>ge</strong>tötet und über<br />

Hundert verletzt. Über <strong>die</strong> Rechtferti-<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

gung der israelischen Reaktion lässt<br />

sich streiten. In jedem Fall reichte <strong>die</strong><br />

Anzahl libanesischer Soldaten, me<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>schätzung nach maximal 40-<br />

50, nicht aus, um <strong>die</strong> Demonstranten<br />

von der Grenze fern zu halten und<br />

damit <strong>die</strong> Eskalation zu vermeiden.<br />

Erst nach vielen Stunden <strong>ge</strong>lang <strong>die</strong><br />

Auflösung der Demonstration. Nach<br />

Aussa<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>es italienischen UNIFIL-<br />

Soldaten wären Truppen <strong>in</strong> 10 M<strong>in</strong>uten<br />

zur Stelle <strong>ge</strong>wesen, aber nur auf<br />

Anfra<strong>ge</strong> der libanesischen Armee. Für<br />

e<strong>in</strong>e effektive Erfüllung des Mandats<br />

<strong>ist</strong> me<strong>in</strong>er Auffassung nach <strong>die</strong> Kompetenz<br />

zum unabhängi<strong>ge</strong>n Handeln <strong>in</strong><br />

Konfliktsituationen erforderlich.<br />

Die Paläst<strong>in</strong>enser<br />

Die Paläst<strong>in</strong>enser stellen me<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong>e größere Herausforderung<br />

für <strong>die</strong> Sicherheit des<br />

Libanon dar als <strong>die</strong> Hisbullah. Die<br />

Bezeichnung „Paläst<strong>in</strong>enser“ <strong>ist</strong> nicht<br />

all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong> fest<strong>ge</strong>legt, ich verwende sie<br />

hier für Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong> oder deren Abkommen<br />

aus dem früheren Mandats<strong>ge</strong>biet<br />

Paläst<strong>in</strong>a, das sich mit dem<br />

heuti<strong>ge</strong>n Israel, Jordanien, dem Gazastreifen<br />

und der Westbank deckt.<br />

H<strong>in</strong>tergrund der paläst<strong>in</strong>ensischen<br />

Präsenz im Libanon <strong>ist</strong> der „Schwarze<br />

September“ im Jahre 1971. Die Paläst<strong>in</strong>ensische<br />

Befreiungsorganisation<br />

führte damals ihren Kampf <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Israel<br />

aus Jordanien und bedrohte damit<br />

<strong>die</strong> Sicherheit des Landes. Ihre Vertreibung<br />

aus Jordanien im „Schwarzen<br />

September“ brachte sie <strong>in</strong> den Libanon,<br />

wo <strong>die</strong> Schwäche des Staates e<strong>in</strong><br />

un<strong>ge</strong>h<strong>in</strong>dertes militärisches Handeln<br />

ermöglichte. Dies hat entscheidend<br />

zum Ausbruch des Bür<strong>ge</strong>rkrie<strong>ge</strong>s bei<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>n.<br />

Heutzuta<strong>ge</strong> leben <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />

<strong>in</strong> so<strong>ge</strong>nannten „Camps“,<br />

üblicherweise am Rande e<strong>in</strong>er Stadt.<br />

Das e<strong>in</strong>zelne Camp liegt zwar auf libanesischem<br />

Territorium, aber der<br />

Staat erhebt ke<strong>in</strong>e Kompetenz über<br />

das Gebiet. Die Verwaltung obliegt<br />

der ei<strong>ge</strong>ns für <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzten<br />

United Nations Relief and<br />

Works A<strong>ge</strong>ncy (UNRWA), nach deren<br />

Angaben 455.000 Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong> <strong>in</strong> 12<br />

Camps leben, wohl<strong>ge</strong>merkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Land von 3,5 bis 4 Millionen. Sie bedrohen<br />

aus zwei Gründen <strong>die</strong> Sicherheit<br />

des Staates.<br />

Erstens unterhalten verschiedene<br />

politische Gruppen ihre ei<strong>ge</strong>nen Mi-<br />

15


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

lizen <strong>in</strong> den Camps. Es kann sich um<br />

Anhän<strong>ge</strong>r von Hamas handeln, aber<br />

auch um diffuse Organisationen, <strong>die</strong><br />

zB von Syrien aus <strong>ge</strong>steuert werden.<br />

Diese Gruppen bekämpfen sich vor allem<br />

nachts <strong>in</strong>nerhalb des Camps. Die<br />

von ihnen aus<strong>ge</strong>hende Gefahr wurde<br />

im Jahre 2007 deutlich, als <strong>die</strong> libanesische<br />

Armee bei e<strong>in</strong>er Hausdurchsuchung<br />

im Camp Nahr Al-Bared bei<br />

Tripolis <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Scharmützel verwickelt<br />

wurde und wenig später 27 libanesische<br />

Soldaten an e<strong>in</strong>em Stützpunkt im<br />

Schlaf ermordet wurden. Als Reaktion<br />

zerstörte <strong>die</strong> libanesische Armee<br />

weite Teile des Camps.<br />

Zweitens s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />

führungslos. Das unterscheidet sie<br />

von den libanesischen Gruppen. Während<br />

me<strong>in</strong>es dreimonati<strong>ge</strong>n Praktikums<br />

bei der Organisation CYC Shatila<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verhältnismäßig ruhi<strong>ge</strong>n<br />

Camp <strong>in</strong> den Vororten Beiruts wurde<br />

ich Zeu<strong>ge</strong> von drei Demonstrationen<br />

<strong>in</strong> völlig unterschiedliche Richtun<strong>ge</strong>n.<br />

An e<strong>in</strong>em Tag forderten <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />

<strong>in</strong> Downtown Beirut mehr<br />

Arbeitsrechte, e<strong>in</strong> andermal verlangten<br />

sie mehr Unterstützung von UN-<br />

RWA und im Mai fand besagte Demonstration<br />

<strong>in</strong> Maroun Ar-Ras statt,<br />

<strong>die</strong>smal machten sie e<strong>in</strong> Recht zur<br />

Rückkehr <strong>ge</strong>ltend. An <strong>die</strong>ser Stelle<br />

soll nicht diskutiert werden, ob <strong>die</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong>, von denen <strong>die</strong> wenigsten<br />

jemals auch nur e<strong>in</strong>en Fuß auf ihr<br />

Heimatland <strong>ge</strong>setzt haben, e<strong>in</strong> Recht<br />

zur Rückkehr haben. Von dem israelischen<br />

Staat erwarten sie ohneh<strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>e Unterstützung. Viel schmerzhafter<br />

<strong>ist</strong> für sie, dass sie ke<strong>in</strong>erlei Solidarität<br />

aus der West-Bank erfahren,<br />

wo Mahmoud Abbas mit se<strong>in</strong>er Partei<br />

Fatah derzeit emsig an e<strong>in</strong>em souveränen<br />

Staat arbeitet. Daher <strong>ist</strong> es für<br />

andere Gruppierun<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong> Leichtes,<br />

<strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser für <strong>die</strong> ei<strong>ge</strong>nen Interessen<br />

zu <strong>in</strong>strumentalisieren. Zum<br />

Beispiel unterstützte Hisbullah maß<strong>ge</strong>blich<br />

<strong>die</strong> Demonstration im Maroun<br />

Ar-Ras, sie stellte <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte Log<strong>ist</strong>ik<br />

bereit. Verme<strong>in</strong>tlich handelte sie<br />

aus Solidarität <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen<br />

Fe<strong>in</strong>d Israel. Wichti<strong>ge</strong>r für <strong>die</strong><br />

schiitische Hisbullah <strong>ist</strong>, dass es sich<br />

bei den Paläst<strong>in</strong>ensern um Sunniten<br />

handelt. Zählt man sie bei der libanesischen<br />

Bevölkerung mit, gibt es<br />

unter den Muslimen e<strong>in</strong>e sunnitische<br />

Mehrheit, ohne sie e<strong>in</strong>e schiitische.<br />

Daher <strong>ist</strong> Hisbullah sehr <strong>in</strong>teressiert<br />

daran, <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser aus dem Libanon<br />

zu entfernen. Ob ihr Kampf für<br />

<strong>die</strong> Heimkehr den Libanon erneut <strong>in</strong><br />

Gewalt stürzt, <strong>ist</strong> den Paläst<strong>in</strong>ensern<br />

gleichgültig.<br />

Der Man<strong>ge</strong>l an staatlicher Kontrolle<br />

und <strong>die</strong> Führungslosigkeit der<br />

Paläst<strong>in</strong>enser machen sie me<strong>in</strong>er Ansicht<br />

nach zur größten Gefahr für <strong>die</strong><br />

Sicherheit des Libanon.<br />

Die Schebaa-Farmen<br />

Der Streit um <strong>die</strong> Schebaa-Farmen<br />

zeigt, wie vielschichtig <strong>die</strong> Konflikte<br />

<strong>ge</strong>la<strong>ge</strong>rt s<strong>in</strong>d. Es handelt sich<br />

um e<strong>in</strong> 25 km² großes Gebiet im Südlibanon,<br />

das nach wie vor israelisch<br />

besetzt <strong>ist</strong>. Für <strong>die</strong> israelische Seite <strong>ist</strong><br />

das Gebiet aufgrund der großen Wasservorkommen<br />

<strong>in</strong>teressant. Aber auch<br />

auf libanesischer Seite besteht e<strong>in</strong> Interesse<br />

daran, den Status quo aufrecht<br />

zu erhalten. In der Regierung gibt es<br />

weit über <strong>die</strong> Parteirän<strong>ge</strong> der Hisbullah<br />

h<strong>in</strong>weg Stimmen, <strong>die</strong> sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

<strong>die</strong> von UN-Resolution 1701 <strong>ge</strong>forderte<br />

Entwaffnung der Hisbullah aussprechen.<br />

Das Argument: <strong>die</strong> israelische<br />

Besatzung der Schebaa-Farmen.<br />

So wird <strong>die</strong> Besatzung im Interesse<br />

fast aller Beteiligten aufrecht erhalten.<br />

Israel selbst verwei<strong>ge</strong>rt <strong>die</strong> Rückgabe<br />

mit der Behauptung, <strong>die</strong> Schebaa-<br />

Farmen <strong>ge</strong>hörten zu Syrien. Syrien<br />

betont, dass es sich um libanesisches<br />

Territorium handelt, um Israel ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

zu treten, hat aber ebenfalls e<strong>in</strong><br />

Interesse daran, e<strong>in</strong>e Rechtfertigung<br />

für <strong>die</strong> Bewaffnung der befreundeten<br />

Hisbullah bestehen zu lassen. Daher<br />

reagiert Syrien nicht auf e<strong>in</strong> Gesuch<br />

der Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>die</strong> Zu<strong>ge</strong>hörigkeit<br />

des Gebiets zum Libanon<br />

schriftlich zu bestäti<strong>ge</strong>n.<br />

Obwohl ähnlich den syrischen,<br />

von Israel besetzten Golanhöhen derzeit<br />

nicht um <strong>die</strong> Schebaa-Farmen <strong>ge</strong>kämpft<br />

wird, kann <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong><br />

Machtwechsel <strong>in</strong> Syrien den Status<br />

quo <strong>ge</strong>fährden.<br />

Weitere Konfliktpunkte<br />

Nicht nur bei den Schebaa-Farmen<br />

<strong>ge</strong>ht es um <strong>die</strong> Sicherung der<br />

spärlichen Wasserquellen. Im Jahre<br />

2002 drohte der damali<strong>ge</strong> israelische<br />

M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident Ariel Sharon mit<br />

Krieg <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Libanon, weil <strong>die</strong>ser<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>es Infrastrukturpro-<br />

jekts Wasser aus dem Wazzani ableiten<br />

wollte. Dieser Fluss entspr<strong>in</strong>gt im<br />

Libanon und spe<strong>ist</strong> weiter südlich zusammen<br />

mit dem Fluss Hasbani den<br />

Fluss Jordan und damit das größte<br />

Wasserreservoir Israels, den See Genezareth.<br />

Der Libanon beruft sich auf<br />

den völkerrechtlichen Grundsatz, dass<br />

<strong>die</strong> Herrschaft über <strong>die</strong> Wasserquellen<br />

e<strong>in</strong>es Landes Ausfluss der Souveränität<br />

über das Territorium s<strong>in</strong>d. Der<br />

Konflikt konnte nach Verhandlun<strong>ge</strong>n<br />

mit der EU und den USA bei<strong>ge</strong>legt<br />

werden, das libanesische Projekt wird<br />

fort<strong>ge</strong>führt. Doch <strong>die</strong> Kriegsdrohung<br />

Scharons zeigt, welches Konfliktpotential<br />

das Wasser als Lebensgrundla<strong>ge</strong><br />

birgt.<br />

Ke<strong>in</strong>e Grundla<strong>ge</strong> für Leben, sondern<br />

für Wohlstand, s<strong>in</strong>d beachtliche<br />

Gasvorkommen, <strong>die</strong> kürzlich im Mittelmeer<br />

vor der Küste Israels <strong>ge</strong>funden<br />

wurden. Der Libanon vertritt <strong>die</strong><br />

Position, dass sich e<strong>in</strong> Teil <strong>die</strong>ser Gebiete<br />

auf libanesisches Hoheits<strong>ge</strong>biet<br />

erstreckt. Auch das nahe <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>ne<br />

Zypern hat schon Pläne für <strong>die</strong> Ausbeutung<br />

der Vorkommen an<strong>ge</strong>kündigt.<br />

Grundsätzlich darf Israel nach Belieben<br />

das Vorkommen ausschöpfen, solan<strong>ge</strong><br />

<strong>die</strong> Bohr<strong>in</strong>seln auf se<strong>in</strong>em Territorium<br />

lie<strong>ge</strong>n. Problematisch <strong>ist</strong>, dass<br />

der offizielle Kriegszustand zwischen<br />

Israel und Libanon e<strong>in</strong>e Feststellung<br />

der Landesgrenzen unmöglich macht.<br />

Die Meeresgrenzen wiederum knüpfen<br />

an <strong>die</strong> Landesgrenzen an.<br />

Als Lebensgrundla<strong>ge</strong> bietet das<br />

Wasser e<strong>in</strong>e besondere Konfliktquelle<br />

zwischen Libanon und Israel. Sollten<br />

<strong>die</strong> beiden Staaten den Streit um <strong>die</strong><br />

Gasquellen im Mittelmeer austra<strong>ge</strong>n,<br />

stellt sich <strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong> nach dem Verhalten<br />

der Seekräfte der UNIFIL.<br />

Ausblick<br />

Dem libanesischen Staat fällt es<br />

aufgrund der E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen der<br />

Gruppen schwer, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Position<br />

zu Konflikten zu beziehen. So<br />

wünschenswert e<strong>in</strong> Frieden mit Israel<br />

und e<strong>in</strong>e Klärung der territorialen<br />

Streitigkeiten <strong>ist</strong>, so <strong>ge</strong>ht davon ke<strong>in</strong>e<br />

unmittelbare Bedrohung aus.<br />

Me<strong>in</strong>er Auffassung nach birgt <strong>die</strong><br />

unkontrollierte Präsenz der Paläst<strong>in</strong>enser<br />

<strong>die</strong> größte Gefahr für <strong>die</strong> Sicherheit.<br />

Das Problem konfliktfrei zu<br />

lösen entspricht der Quadratur des<br />

Kreises. Daher muss nach e<strong>in</strong>er prag-<br />

16 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


matischen Lösung <strong>ge</strong>sucht werden.<br />

E<strong>in</strong>e Rückkehr nach Israel oder <strong>in</strong><br />

das Paläst<strong>in</strong>ensische Autonomie<strong>ge</strong>biet<br />

<strong>ist</strong> nicht denkbar, daher sollte<br />

auf e<strong>in</strong>e schrittweise E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> libanesische Gesellschaft h<strong>in</strong><strong>ge</strong>ar-<br />

Renovabis<br />

Zum 15. Internationalen Kongress<br />

Renovabis trafen sich ca. 330<br />

Teilnehmer aus 29 Ländern des mittel-<br />

und osteuropäischen Bereiches<br />

um über das Thema: „Ländliche Räume<br />

im Umbruch“ zu diskutieren bzw.<br />

zu erfahren, wie sich der Wandel von<br />

der Landflucht zur Stadt (oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

anderes westeuropäisches Land) vollzo<strong>ge</strong>n<br />

hat.<br />

Nicht nur, dass Menschen ihre<br />

Ex<strong>ist</strong>enz verlören und auswandern<br />

würden, der dadurch stattf<strong>in</strong>dende<br />

Verlust an Kultur, Tradition und<br />

kirchliche Arbeit mache sich <strong>in</strong> Dörfern<br />

und Kle<strong>in</strong>städten immer stärker<br />

bemerkbar. In se<strong>in</strong>er Begrüßung<br />

zu Beg<strong>in</strong>n der Kongresses sagte der<br />

Haupt<strong>ge</strong>schäftsführer von Renovabis<br />

Pater Stefan Dartmann SJ : „Wir im<br />

Westen nehmen nur wenig wahr, dass<br />

viele ländliche Regionen der Gesellschaften<br />

im Osten Europas von e<strong>in</strong>er<br />

galoppierenden Destabilisierung mit<br />

dramatischen Veränderun<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>prägt<br />

s<strong>in</strong>d. Und selbstverständlich <strong>ist</strong> mit<br />

der Lebenswelt auch <strong>die</strong> Glaubenswelt<br />

der Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em radikalen<br />

Umbruch“.<br />

In der Eröffnungsrede des Kongresses<br />

verglich Bischof Dr. Gerhard<br />

Fei<strong>ge</strong> aus Magdeburg <strong>die</strong> ländlichen<br />

Räume <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa mit<br />

denen se<strong>in</strong>es B<strong>ist</strong>ums <strong>in</strong> Sachsen-<br />

Anhalt, wo etwa 80% der Bevölkerung<br />

ke<strong>in</strong>er Kirche oder anderen Religionen<br />

an<strong>ge</strong>hörten. Der Zustand <strong>in</strong><br />

den Räumen Mittel- und Osteuropas<br />

re<strong>ge</strong> zum Nachdenken an. Die Umwelt<br />

auf dem Land sei hauptsächlich<br />

durch Verschmutzung <strong>ge</strong>fährdet. Da<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

beitet werden. Um das hochsensible,<br />

konfessionelle Gleich<strong>ge</strong>wicht nicht<br />

zu stören, sollte schrittweise verfahren<br />

werden. In Fra<strong>ge</strong> kommt e<strong>in</strong>e bevorzugte<br />

Behandlung von Camps mit<br />

friedlichem Verhalten, um problema-<br />

Ländliche Räume im Umbruch<br />

Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa<br />

VON HEINRICH DORNDORF<br />

<strong>die</strong>se Landschaften vernachlässigt<br />

und entvölkert würden, stelle sich<br />

<strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong>, wie chr<strong>ist</strong>liches Leben erhalten<br />

werden solle? Weite We<strong>ge</strong> für<br />

Priester und Laien seien notwendig,<br />

damit Kirche auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Dörfern<br />

weiterh<strong>in</strong> lebe.<br />

Der Posener Europaab<strong>ge</strong>ordneter<br />

Filip Kaczmarek sieht Möglichkeiten<br />

<strong>die</strong> ländlichen Regionen zu<br />

stärken, denn 60% der Menschen <strong>in</strong><br />

der EU würden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Räumen leben.<br />

Jedoch ohne <strong>die</strong> Solidarität aller<br />

Menschen sei nichts zu erreichen.<br />

Das Parlament der EU le<strong>ge</strong> Wert darauf,<br />

<strong>die</strong> territoriale Zusammenarbeit<br />

zu stärken und stelle dafür Geld zur<br />

Verfügung.<br />

Schlaglichter beleuchteten <strong>die</strong><br />

Probleme <strong>in</strong> Ungarn, Polen und Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a.<br />

Diese Länder haben<br />

e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam: Religiösität<br />

lässt erschreckend nach: durch Abwanderung,<br />

weni<strong>ge</strong>r Geburten und<br />

immer älter werdende Menschen. In<br />

manchen Dörfern würden nur noch<br />

acht bis zehn, me<strong>ist</strong> ältere Frauen<br />

zum Gottes<strong>die</strong>nst. Ländliche Grundschulen<br />

würden <strong>ge</strong>schlossen. Der<br />

Prozess der Verstädterung g<strong>in</strong><strong>ge</strong> immer<br />

schneller voran zum Nachteil der<br />

Landwirtschaft. So berichtet Teresa<br />

Kudyba aus Oppeln (Oberschlesien),<br />

dass das Land zwar sehr schön sei,<br />

aber immer leerer würde. Es <strong>ge</strong>be e<strong>in</strong><br />

Programm zur Erneuerung der Dörfer,<br />

z.B. das Vere<strong>in</strong>sleben und <strong>ge</strong>sellschaftliches<br />

Enga<strong>ge</strong>ment zu fördern,<br />

doch nach der Ausbildung fehlten<br />

Arbeitsplätze und jun<strong>ge</strong> Menschen<br />

g<strong>in</strong><strong>ge</strong>n <strong>in</strong> den Westen, zum Geld, zum<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

tischen Camps e<strong>in</strong>en Anreiz zur Verbesserung<br />

zu <strong>ge</strong>ben.<br />

Wie auch immer der Libanon se<strong>in</strong>e<br />

Probleme löst, <strong>die</strong> Entscheidung<br />

muss e<strong>in</strong>en Kompromiss der Gruppen<br />

darstellen. ❏<br />

Konsum und würden so zu Arbeitsmigranten.<br />

In anderen Ländern Mittel- und<br />

Osteuropas verließen Eltern ihr Land<br />

und überließen den Großeltern <strong>die</strong><br />

Erziehung ihrer K<strong>in</strong>der. So würden<br />

<strong>die</strong>se K<strong>in</strong>der zu so<strong>ge</strong>nannten „Eurowaisen“.<br />

Don Ante Luburic, Kanzler der<br />

Diözese Mostar-Duvno (Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a)<br />

sprach von der desolaten<br />

La<strong>ge</strong> se<strong>in</strong>es Landes, <strong>in</strong>sbesondere<br />

um das Gebiet Nevs<strong>in</strong>je. 1991 wohnten<br />

dort unter 82.000 E<strong>in</strong>wohner 500<br />

Katholiken, deren Zahl habe sich seit<br />

1995 erheblich verr<strong>in</strong><strong>ge</strong>rt. Man lebe<br />

hauptsächlich vom Obstanbau. Dabei<br />

werde <strong>die</strong> Pflaume weni<strong>ge</strong>r als<br />

frisches Obst <strong>ge</strong>nutzt, sondern stärker<br />

für <strong>die</strong> Produktion des Slibovitz<br />

heran<strong>ge</strong>zo<strong>ge</strong>n. Nach dem Zusammenbruch<br />

des Kommunismus hofften <strong>die</strong><br />

Menschen auf <strong>die</strong> Rückgabe ihrer<br />

Ländereien, und damit auf <strong>die</strong> Rückkehr<br />

der vertriebenen Menschen. Um<br />

e<strong>in</strong>en Anreiz zur Rückkehr zu <strong>ge</strong>ben,<br />

seien Werke statt Worte erforderlich.<br />

So habe Renovabis bei der Beschaffung<br />

von Landmasch<strong>in</strong>en als e<strong>in</strong>e Unterstützung<br />

zur Rückkehr der <strong>ge</strong>flüchteten<br />

Bevölkerung <strong>ge</strong>holfen.<br />

„Der ländliche Raum im Wandel<br />

von der Industrialisierung bis<br />

zur Globalisierung“ war Thema e<strong>in</strong>es<br />

Referates von Alois Glück, dem<br />

Vorsitzenden des Zentralkomitees der<br />

deutschen Katholiken. Er berichtete<br />

anhand se<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nen Werdegangs<br />

von den Veränderun<strong>ge</strong>n im Landleben<br />

von den 50er Jahren bis heute.<br />

Die Landwirtschaft sei Teil e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>-<br />

17


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

tegrierten Entwicklung im ländlichen<br />

Raum. Sie sei nicht nur Ernährungswirtschaft<br />

sondern auch Kulturlandschaft.<br />

Die Fra<strong>ge</strong>stellung lautete früher:<br />

Arbeit zu den Menschen, oder<br />

Menschen zur Arbeit? Man habe sich<br />

für Ersteres entschieden. Es müssten<br />

gleichzeitig Arbeitsbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong><br />

allen Landesteilen <strong>ge</strong>schaffen werden,<br />

schnelles Internet <strong>in</strong> dünn besiedelte<br />

Gebiete <strong>ge</strong>legt werden, denn<br />

sonst verlören <strong>die</strong> Menschen den Anschluss.<br />

Die ländlichen Entwicklun<strong>ge</strong>n<br />

seien heute anders als vor 20<br />

Jahren. So hätte man bei der Wiedervere<strong>in</strong>igung<br />

<strong>die</strong> Globalisierung gleich<br />

mit e<strong>in</strong>beziehen müssen, ebenso <strong>die</strong><br />

demographische Entwicklung der Bevölkerung:<br />

<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> K<strong>in</strong>derzahl – älter<br />

werdende Menschen. Die Zukunft<br />

der ländlichen Räume <strong>in</strong> Europa sei<br />

Thema der <strong>in</strong>ternationalen Politik<br />

und deshalb bräuchte der ländliche<br />

Raum starke Anwälte.<br />

In e<strong>in</strong>em weiteren Referat sprach<br />

Prof. Dr. Thomas Glauben (Halle) vom<br />

Leibniz-Institut für Agrarentwicklung<br />

<strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa (IAMO) über<br />

den Strukturwandel <strong>in</strong> (Ost-) Europas<br />

ländlichen Regionen. Der ländliche<br />

Raum sei agrarmäßig <strong>ge</strong>prägt.<br />

Er sei Lebensraum von Mensch, Tier<br />

und Fauna, habe jedoch e<strong>in</strong>en Entwicklungsrückstand<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber städtische<br />

Regionen. Strukturelle Veränderun<strong>ge</strong>n<br />

würden sich durch den<br />

demographischen Wandel er<strong>ge</strong>ben:<br />

<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> Bevölkerungsdichte, Abwanderung<br />

(dadurch rapides Anwachsen<br />

der Metropolen besonders <strong>in</strong> Rumänien<br />

und Bulgarien), <strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> Geburtenrate<br />

und Verlust von Arbeitsplätzen.<br />

Die me<strong>ist</strong>en ländlichen Gebiete<br />

sowohl <strong>in</strong> West- als auch <strong>in</strong> Osteuropa<br />

seien familienmäßig <strong>ge</strong>prägt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

seien es <strong>in</strong> Osteuropa me<strong>ist</strong><br />

Kle<strong>in</strong>stbetriebe, <strong>die</strong> nur für den Ei<strong>ge</strong>nbedarf<br />

anbauten und dadurch <strong>in</strong>ternational<br />

nicht wettbewerbsfähig<br />

seien. So er<strong>ge</strong>be sich e<strong>in</strong>e Armutsrate<br />

<strong>in</strong> Osteuropa von bis 20% unter der<br />

all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kommensrate. Der<br />

demographische Wandel stehe den<br />

erforderlichen strukturellen Veränderun<strong>ge</strong>n<br />

ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n. Es könne nur weiter<br />

<strong>ge</strong>hen, wenn – und das <strong>ist</strong> der Dreh-<br />

und An<strong>ge</strong>lpunkt – das Bildungsniveau<br />

verbessert würde.<br />

In e<strong>in</strong>em Arbeitskreis wurden<br />

<strong>die</strong> ländlichen Probleme <strong>in</strong> England,<br />

Frankreich und Russland an<strong>ge</strong>sprochen.<br />

Dr. Jill Hopk<strong>in</strong>son, Rural Officer<br />

of the Church of England, <strong>in</strong>formierte<br />

darüber, dass 20% der Gesamtbevölkerung<br />

Englands <strong>in</strong> ländliche<br />

Regionen lebe, doch e<strong>in</strong> Viertel<br />

<strong>die</strong>ser Menschen sei 60 Jahre und älter<br />

und e<strong>in</strong> Großteil davon lebe unterhalb<br />

der Armutsgrenze. Die Geme<strong>in</strong>den<br />

seien kle<strong>in</strong> und so würden „Multi-<br />

Parish Beneficies“ oder „Team M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ries“<br />

(Verbands<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>den) <strong>ge</strong>schaffen,<br />

wo sich sechs und neun Kirchen<br />

zusammenschlössen, <strong>die</strong> sich dann<br />

e<strong>in</strong>en oder mehrere Priester teilten.<br />

Zur Unterstützung würden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n<br />

Diözesen so<strong>ge</strong>nannte Laienpriester<br />

aus<strong>ge</strong>bildet.<br />

Bischofsvikar Hubert Schmitt,<br />

Erzdiözese Straßburg, sprach von e<strong>in</strong>er<br />

verdeckten Armut <strong>in</strong> den ländlichen<br />

Räumen Frankreichs. Die Leute<br />

zeigten nicht ihre Armut. Durch Unsicherheit<br />

<strong>in</strong> den ländlichen Regionen<br />

komme es zu e<strong>in</strong>em verstärkten<br />

Wegzug, der zur Fol<strong>ge</strong> habe, dass <strong>die</strong>se<br />

Menschen den Bezug zur Kirche<br />

verlören. In den ländlichen Räumen<br />

sei e<strong>in</strong>e große Mobilität erforderlich,<br />

denn <strong>die</strong> Menschen „lebten“ <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Orten (Wohnen, Schule,<br />

Arbeit, Vere<strong>in</strong>e). Für 15.000 Seelen<br />

<strong>ge</strong>be es e<strong>in</strong>en Priester. Es gäbe<br />

zwar Pfarrverbände, aber durch <strong>die</strong><br />

Landflucht verlöre man den Kontakt<br />

zu den Menschen. Initiativen für das<br />

Laienapostulat <strong>in</strong> Frankreich sollen<br />

Abhilfe schaffen.<br />

Der aus Baustetten <strong>in</strong> Baden-<br />

Württemberg stammende Pfarrer<br />

Dietmar Seiffert lebt <strong>in</strong> der Kle<strong>in</strong>stadt<br />

Kujbyschew <strong>in</strong> Westsibirien mit<br />

50.000 E<strong>in</strong>wohnern. In <strong>die</strong>ser Stadt<br />

leben Exilpolen, Russlanddeutsche,<br />

Balten, Weißrussen und Ukra<strong>in</strong>er.<br />

Seit der politischen Wende sei <strong>die</strong><br />

Anzahl der Geme<strong>in</strong>demitglieder <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Pfarrei, St. Peter und Paul, von<br />

40 auf 250 an<strong>ge</strong>wachsen. Das <strong>ge</strong>samte<br />

Pfarr<strong>ge</strong>biet umfasse e<strong>in</strong>e Fläche<br />

von 87.017km² (das entspricht e<strong>in</strong>em<br />

Viertel der Fläche der Bundesrepublik)<br />

mit 20 pastoralen Punkten. Sie<br />

bestünden me<strong>ist</strong> aus kle<strong>in</strong>en Gruppen<br />

von bis zu 20 Personen, teils auch aus<br />

e<strong>in</strong>zelnen Familien. Die seelsor<strong>ge</strong>rische<br />

Betreuung oblie<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>em Priester<br />

und zwei Ordensschwestern. Der<br />

nächste Pfarrer sei 350 km entfernt.<br />

Die Arbeitslosenquote <strong>in</strong> der Stadt sei<br />

sehr hoch. Viele Männer würden auf<br />

den Gas- und Ölfeldern im entfernen<br />

Norden arbeiten. In <strong>die</strong>sen ländlichen<br />

Bereichen sei <strong>die</strong> Arbeit auf Selbstversorgung<br />

aus<strong>ge</strong>richtet und biete<br />

somit ke<strong>in</strong>e Perspektive. Die Dörfer<br />

bluteten aufgrund der Landflucht aus.<br />

In der polnischen Diözese Elk lie<strong>ge</strong>n<br />

2/3 des Gebietes im ländlichen<br />

Raum. Bischof Jerzy Mazur beklagt,<br />

dass jun<strong>ge</strong> Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Städte<br />

oder gar <strong>in</strong>s Ausland abwanderten,<br />

d.h. Überalterung und Vere<strong>in</strong>samung<br />

nähmen überhand. 30% der<br />

Menschen seien arbeitslos, leben <strong>in</strong><br />

Armut, Alkoholismus, Obdachlosigkeit<br />

und s<strong>in</strong>d orientierungslos. Hier<br />

könne nur <strong>die</strong> Kirche Antwort <strong>ge</strong>ben.<br />

Die Kirche sei von Gott <strong>ge</strong>sandt und<br />

müsste zu den Menschen <strong>ge</strong>hen, um<br />

ihnen zu helfen. Die Kirche dürfe<br />

nicht ruhig se<strong>in</strong>, wenn jun<strong>ge</strong> Menschen<br />

sich von ihr abwandten. Die<br />

Kirche spiele e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong> soziale<br />

Rolle. Die soziale Arbeit solle aber<br />

nicht ohne Evan<strong>ge</strong>lisierung erfol<strong>ge</strong>n.<br />

Für Bischof Mazur bedeutet <strong>die</strong>s, caritative<br />

Aktivitäten zu entwickeln, da<br />

offizielle Stellen dazu nicht <strong>in</strong> der<br />

La<strong>ge</strong> seien, wie z.B. Familienberatung,<br />

Bau von Waisenhäusern, Unterstützung<br />

der Caritas <strong>in</strong> jeglicher<br />

H<strong>in</strong>sicht. So unterhalte <strong>die</strong> Caritas<br />

Apotheken für M<strong>in</strong>derbemittelte, <strong>die</strong><br />

ohne Gew<strong>in</strong>n arbeiteten, um Arzneien<br />

preiswert oder umsonst abzu<strong>ge</strong>ben.<br />

Er zitiert Papst Benedikt XVI:<br />

„Probleme werden nicht <strong>ge</strong>löst, wenn<br />

Gott nicht <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>ge</strong>rückt<br />

wird“. Bischof Mazur bekagte ebenfalls<br />

<strong>die</strong> Migration, wenn Eltern auf<br />

EURO-Reise g<strong>in</strong><strong>ge</strong>n und <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der<br />

als EURO-Waisen bei Oma und Opa<br />

zurück blieben. Wenn schon jun<strong>ge</strong><br />

Menschen der Arbeit we<strong>ge</strong>n fortzö<strong>ge</strong>n,<br />

sollten sie aber ihre Identität als<br />

Chr<strong>ist</strong>en erhalten.<br />

In se<strong>in</strong>em Schlusswort fragte Pater<br />

Dartmann von Renovabis: „Wo<br />

bleiben Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem <strong>ge</strong>sellschaftlichen<br />

Umbruch? Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sem Umbruch s<strong>in</strong>d Objekt <strong>die</strong>ses<br />

Umbruchs. Die ländlichen Regionen<br />

haben nicht nur Schwächen. Wir sollten<br />

auch auf <strong>die</strong> Stärken schauen. Die<br />

Evan<strong>ge</strong>lisierung <strong>ist</strong> Aufgabe nicht nur<br />

für Priester sondern auch der Laien<br />

auf dem Lande und der Stadt. Kirche<br />

muss immer Anwalt der Schwachen<br />

se<strong>in</strong>“. ❏<br />

18 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


Mexiko<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko und Kuba<br />

VON CARL-H. PIERK<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

Die Reise von Papst Benedikt XVI. nach Mexiko und Kuba zählt zweifellos zu den Höhepunkten im Jahr 2012.<br />

Dass der Heili<strong>ge</strong> Vater bei se<strong>in</strong>em ersten Besuch im spanischsprachi<strong>ge</strong>n Late<strong>in</strong>amerika neben dem zweitgrößten<br />

katholischen Land der Welt auch das kommun<strong>ist</strong>isch <strong>ge</strong>führte Kuba aufsuchte, versprach besondere<br />

Brisanz. Benedikt XVI. hielt sich vom 23. bis 26. März <strong>in</strong> Mexiko und dann bis zum 28. März <strong>in</strong> Kuba auf.<br />

Am Nachmittag des 25. März kam<br />

der Papst <strong>in</strong> León an und wurde<br />

am Flughafen unter anderem vom<br />

mexikanischen Präsidenten Felipe<br />

Felipe Calderón empfan<strong>ge</strong>n. Die<br />

Stadt León de los Aldama <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

sechstgrößte Stadt des Landes und<br />

größte Metropole des zentralmexikanischen<br />

Bundesstaates Guanajuato.<br />

Tags darauf trafen sich <strong>die</strong> beiden <strong>in</strong><br />

der Stadt Guanajuato zu e<strong>in</strong>em offiziellen<br />

Gespräch. Danach grüßte<br />

und segnete Benedikt <strong>die</strong> Gläubi<strong>ge</strong>n<br />

auf dem Hauptplatz. Höhepunkt des<br />

Mexiko-Besuches war <strong>die</strong> Sonntagsmesse<br />

unter freiem Himmel im Park<br />

Guanajuato Bicentenario am Fuß des<br />

Hü<strong>ge</strong>ls Cerro del Cubilete, an dessen<br />

Spitze sich e<strong>in</strong> Chr<strong>ist</strong>königs-Denkmal<br />

erhebt. Über 500.000 Gläubi<strong>ge</strong><br />

kamen zu <strong>die</strong>sem Gottes<strong>die</strong>nst, bei<br />

dem Benedikt XVI. zur Erneuerung<br />

des katholischen Glaubens <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika<br />

aufrief und sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong><br />

oberflächliches und <strong>ge</strong>wohnheitsmäßi<strong>ge</strong>s<br />

Chr<strong>ist</strong>entum wandte. Auch betete<br />

er für <strong>die</strong> Opfer von Gewalt und<br />

Armut <strong>in</strong> dem von Dro<strong>ge</strong>nkrie<strong>ge</strong>n<br />

und Auswanderung <strong>ge</strong>prägten Land.<br />

Der Gottes<strong>die</strong>nst war <strong>die</strong> größte Veranstaltung<br />

der Reise. In der Kathedrale<br />

von León feierte der Papst am<br />

Sonntagnachmittag <strong>die</strong> Vesper und<br />

richtete e<strong>in</strong>e Botschaft an alle Bischöfe<br />

des Landes, an jene ganz Late<strong>in</strong>amerikas<br />

und der Karibik. Ab<strong>ge</strong>ordnete<br />

sämtlicher 91 Diözesen<br />

Mexikos waren vertreten. Die Botschaft<br />

des Heili<strong>ge</strong>n Vaters an <strong>die</strong><br />

Bischöfe des Landes gab der Kirche<br />

wieder Zuversicht bei der Beanspruchung<br />

ihrer Rechte und ermutigte<br />

sie dazu, systematisch Ausbeutung,<br />

Un<strong>ge</strong>rechtigkeit und Unterdrückung<br />

anzupran<strong>ge</strong>rn. Die Hauptstadt Mexiko<br />

City hatte der Papst wie erwartet<br />

nicht besucht. Se<strong>in</strong>e Ärzte hatten<br />

ihm von Aufenthalten <strong>in</strong> hohen La<strong>ge</strong>n<br />

ab<strong>ge</strong>raten.<br />

Die mexikanischen Katholiken<br />

warteten seit lan<strong>ge</strong>m auf Papst Benedikt<br />

XVI. – se<strong>in</strong> Vorgän<strong>ge</strong>r Johannes<br />

Paul II. hatte das überwie<strong>ge</strong>nd katholische<br />

Land während se<strong>in</strong>es Pontifikats<br />

fünfmal besucht. Ziel und Zweck<br />

der Papstreise nach Mexiko im Frühjahr<br />

war <strong>die</strong> Feier zum 200. Jahrestag<br />

der Unabhängigkeit der late<strong>in</strong>amerikanischen<br />

Staaten. Zum 200. Jahrestag<br />

der Unabhängigkeitserklärung<br />

Mexikos am 16. September steht das<br />

Land, das von der Gewalt des Dro<strong>ge</strong>nhandels<br />

<strong>ge</strong>plagt <strong>ist</strong>, <strong>in</strong>mitten großer<br />

<strong>ge</strong>sellschaftlicher Probleme.<br />

Nach e<strong>in</strong>em jahrhundertelang<br />

problematischen Verhältnis zwischen<br />

Staat und katholischer Kirche <strong>in</strong> Mexiko,<br />

das nach 1854 unter anderem<br />

zur strikten Trennung beider und zur<br />

Abschaffung fundamentaler Kirchenrechte<br />

im Bereich des Grundei<strong>ge</strong>ntums<br />

und des liturgischen Lebens <strong>ge</strong>führt<br />

hat, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kirche heute wieder<br />

e<strong>in</strong>e moralische Autorität im Lande,<br />

wenngleich ihr auch der Weg zu Macht<br />

und E<strong>in</strong>fluss früherer Zeiten verbaut<br />

<strong>ist</strong>. Da es der Kirche von der Verfassung<br />

her verboten <strong>ist</strong>, zur Politik Stellung<br />

zu beziehen, bewegt sie sich auf<br />

e<strong>in</strong>em schmalen Grat.<br />

Am Montag, 26. März, re<strong>ist</strong>e Benedikt<br />

nach Kuba weiter, wo er sich<br />

bis Mittwoch <strong>in</strong> Santiago de Cuba und<br />

<strong>in</strong> Havanna aufhielt. Auf dem Flughafen<br />

der südlich <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen Stadt Santiago<br />

nahm am frühen Montagnachmittag<br />

unter anderem Staatschef Raúl<br />

Castro den Papst mit offiziellen Ehren<br />

im Empfang. Am Abend desselben<br />

Ta<strong>ge</strong>s feierte Benedikt e<strong>in</strong>e Heili<strong>ge</strong><br />

Messe auf dem Platz der Revolution<br />

„Antonio Maceo“ im Gedenken an <strong>die</strong><br />

Verkündigung Mariens. Danach fuhr<br />

er nach El Cobre weiter, den wichtigsten<br />

Wallfahrtsort Kubas, an dem<br />

<strong>die</strong> Muttergottes verehrt wird. Es <strong>ist</strong><br />

vor allem <strong>die</strong> Verehrung <strong>die</strong>ses Gna-<br />

denbildes der Barmherzigkeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Kubaner zusammenführt.<br />

Seit der Revolution 1959 durchlebte<br />

<strong>die</strong> Kirche <strong>in</strong> Kuba Jahrzehnte<br />

der Unterdrückung sowie der <strong>in</strong>neren<br />

sowie äußeren Isolation. Erst seit den<br />

1990er Jahren konnte sie sich wieder<br />

größere Spielräume verschaffen.<br />

So konnte am Stadtrand von Havanna<br />

e<strong>in</strong> neues Priestersem<strong>in</strong>ar <strong>ge</strong>baut<br />

werden, seit den letzten 50 Jahren das<br />

erste größere Bauprojekt der Kirche.<br />

Kard<strong>in</strong>al Jaime Lucas Ortega y Alam<strong>in</strong>odas<br />

weihte das Sem<strong>in</strong>ar im Beise<strong>in</strong><br />

von Staatspräsident Raúl Castro<br />

e<strong>in</strong>. Der ehemali<strong>ge</strong> Präsident Fidel<br />

Castro habe mit dem Bau des Sem<strong>in</strong>ars<br />

e<strong>in</strong> Versprechen e<strong>in</strong><strong>ge</strong>löst, das<br />

er Papst Johannes Paul II. bei dessen<br />

Kuba-Besuch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben hatte, sagte der<br />

Erzbischof von Havanna bei der Zeremonie.<br />

Vom 21. bis 25. Januar 1998<br />

besuchte Johannes Paul II. als erster<br />

Papst <strong>die</strong> Karibik<strong>in</strong>sel. Optisch blieb<br />

<strong>die</strong> Zusammenkunft des Papstes mit<br />

Castro <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, weil der kommun<strong>ist</strong>ische<br />

Machthaber zugunsten<br />

e<strong>in</strong>es dunklen Anzugs auf se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nig<br />

<strong>ge</strong>liebte Uniform verzichtete, <strong>die</strong><br />

er sonst <strong>in</strong> der Öffentlichkeit nicht<br />

ablegte.<br />

Zum Abschluss se<strong>in</strong>er dreitägi<strong>ge</strong>n<br />

Kuba-Reise forderte Papst Benedikt<br />

XVI. mehr Freiheiten für <strong>die</strong> katholische<br />

Kirche. Sie würde den Gläubi<strong>ge</strong>n<br />

ermöglichen, e<strong>in</strong>en Beitrag zum Aufbau<br />

der Gesellschaft, zu Frieden und<br />

zu harmonischer Entwicklung zu le<strong>ist</strong>en,<br />

sagte der Papst auf dem Platz der<br />

Revolution <strong>in</strong> Havanna. Dazu <strong>ge</strong>höre<br />

auch das Recht, <strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>liche Botschaft<br />

öffentlich verkünden und feiern<br />

zu können. In Anlehnung an <strong>die</strong> Worte<br />

von Johannes Paul II. bei se<strong>in</strong>em<br />

Besuch Kubas vom 21. bis 25. Januar<br />

1998 konnte auch Benedikt XVI.<br />

Kuba s<strong>in</strong>n<strong>ge</strong>mäß auffordern, sich der<br />

Welt zu öffnen, und um<strong>ge</strong>kehrt <strong>die</strong><br />

Welt, sich Kuba zu öffnen. „Kuba und<br />

19


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

<strong>die</strong> Welt brauchen Veränderun<strong>ge</strong>n“,<br />

rief der Papst. Die werde es aber nur<br />

<strong>ge</strong>ben, wenn sich Menschen frei dazu<br />

entschließen könnten, Versöhnung<br />

und Brüderlichkeit zu leben. Im Beise<strong>in</strong><br />

von Staatspräsident Raúl Castro<br />

rief Benedikt XVI. <strong>die</strong> Verantwortlichen<br />

der Nation auf, weiter <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />

mit der Kirche „auf <strong>die</strong>sem Weg<br />

des echten Dienstes am Geme<strong>in</strong>wohl<br />

der ganzen kubanischen Gesellschaft“<br />

voranzu<strong>ge</strong>hen. Die Kirche tra<strong>ge</strong> mit<br />

ihrem E<strong>in</strong>satz im Schul- und Universitätswesen<br />

weltweit zur Charakterbildung<br />

der Menschen bei. Es sei zu<br />

hoffen, dass <strong>die</strong>s auch bald auf Kuba<br />

möglich würde. Mit der Religionsfreiheit,<br />

<strong>die</strong> sowohl für den E<strong>in</strong>zelnen als<br />

auch für <strong>die</strong> Kirche <strong>ge</strong>lten müsse, beanspruche<br />

er ke<strong>in</strong> Privileg, sondern<br />

weise auf e<strong>in</strong> Recht h<strong>in</strong>. Mit Freude<br />

erkenne er an, dass Kuba bereits<br />

Schritte unternommen habe. Nun <strong>ge</strong>lte<br />

es, „das Erreichte festzumachen“.<br />

Zwischen Messe und Rückflug<br />

traf Benedikt XVI. noch mit dem früheren<br />

Staatschef Fidel Castro zusammen.<br />

Die rund 30-m<strong>in</strong>üti<strong>ge</strong> Unterredung<br />

<strong>in</strong> der Apostolischen Nuntiatur<br />

<strong>in</strong> Havanna sei „herzlich, lebendig<br />

und <strong>in</strong>tensiv“ <strong>ge</strong>wesen, sagte Vatikansprecher<br />

Federico Lombardi. Der<br />

Revolutionsführer hatte selbst den<br />

Wunsch <strong>ge</strong>äußert, mit Benedikt XVI.<br />

zusammenzutreffen, und ihn <strong>ge</strong>beten,<br />

ihm e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> M<strong>in</strong>uten se<strong>in</strong>er Zeit<br />

zu widmen.<br />

Der bevorstehende Karfreitag war<br />

auf Kuba erstmals e<strong>in</strong> Feiertag.<br />

Kurz nach dem Papstbesuch auf der<br />

Karibik<strong>in</strong>sel hatte der kubanische M<strong>in</strong><strong>ist</strong>errat<br />

den 6. April zum arbeitsfreien<br />

Tag erklärt. Vatikansprecher Federico<br />

Lombardi sprach von e<strong>in</strong>em „sehr<br />

positiven Signal“. Er hoffe, dass <strong>die</strong><br />

Entscheidung der kommun<strong>ist</strong>ischen<br />

Regierung <strong>die</strong> Teilnahme der Gläubi<strong>ge</strong>n<br />

an den Gottes<strong>die</strong>nsten der Karund<br />

Osterta<strong>ge</strong> fördere, sagte Lombardi.<br />

Papst Benedikt XVI. hatte vor kurzem<br />

bei se<strong>in</strong>em Treffen mit Präsident<br />

Raúl Castro <strong>in</strong> Havanna e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Bitte <strong>ge</strong>äußert. Die Entscheidung<br />

des Regimes galt aber zunächst<br />

nur für den Karfreitag 2012. Erst später<br />

will der M<strong>in</strong><strong>ist</strong>errat <strong>in</strong> Havanna<br />

darüber bef<strong>in</strong>den, ob der Freitag vor<br />

Ostern dauerhaft e<strong>in</strong> Feiertag werde,<br />

wie <strong>die</strong> Zeitung der Kommun<strong>ist</strong>ischen<br />

Partei, „Granma“, berichtete. Bereits<br />

im Jahr 1997 hatte der damali<strong>ge</strong> Präsident<br />

Fidel Castro fest<strong>ge</strong>legt, dass anlässlich<br />

des bevorstehenden Besuchs<br />

von Papst Johannes Paul II. der 25.<br />

Dezember ausnahmsweise e<strong>in</strong> Feiertag<br />

<strong>ist</strong>. Die kubanischen Behörden<br />

hatten dann <strong>die</strong> Entscheidung des<br />

Präsidenten ratifiziert und den Weihnachtstag<br />

dauerhaft als Feiertag e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet.<br />

Seit jener Zeit feiert Kuba<br />

wieder das Weihnachtsfest.<br />

Im langsamen Veränderungsprozess<br />

<strong>in</strong> Kuba nimmt vor allem <strong>die</strong> katholische<br />

Kirche e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong> Rolle<br />

e<strong>in</strong>. Die Kirche hat sich im zivilen<br />

Bereich als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong> wirklich organisierte<br />

und dynamische, mit Pfarreien<br />

im ganzen Land aus<strong>ge</strong>stattete<br />

Institution etabliert, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Rolle<br />

als Vermittler und Anbahner von<br />

Veränderung spielen kann. Weni<strong>ge</strong><br />

Monate vor dem an<strong>ge</strong>kündigten Besuch<br />

von Papst Benedikt XVI. hatte<br />

<strong>die</strong> Kirche auf der Karibik<strong>in</strong>sel e<strong>in</strong>e<br />

Aktualisierung der Politik <strong>in</strong> Ergänzung<br />

zu wirtschaftlichen Reformen<br />

von Präsident Raúl Castro <strong>ge</strong>fordert.<br />

Im September äußerte das Erzb<strong>ist</strong>um<br />

Havanna deutliche Kritik am Regime:<br />

Ausgangspunkt war <strong>die</strong> andauernde<br />

Verfolgung von Oppositionsgruppen,<br />

speziell <strong>die</strong> Übergriffe <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

<strong>die</strong> „Damas de Blanco“ („Damen <strong>in</strong><br />

Weiß“). Die An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n von politischen<br />

Gefan<strong>ge</strong>nen werden weiter vom<br />

System drangsaliert. In <strong>die</strong>sem Licht<br />

ersche<strong>in</strong>t auch <strong>die</strong> Begnadigung von<br />

2.900 Gefan<strong>ge</strong>nen durch das Castro-<br />

Regime im H<strong>in</strong>blick auf den Papstbesuch<br />

als e<strong>in</strong>e Farce. Unter den entlassenen<br />

Gefan<strong>ge</strong>nen befanden sich<br />

lediglich fünf politische Gefan<strong>ge</strong>ne.<br />

Die „Damas de Blanco“ s<strong>in</strong>d Ehefrauen<br />

und Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong> der<br />

zume<strong>ist</strong> im Rahmen des „kubanischen<br />

Frühl<strong>in</strong>gs“ 2003 verhafteten und verurteilten<br />

Regimekritiker. Sie treten<br />

öffentlich mit viel Zivilcoura<strong>ge</strong> für<br />

<strong>die</strong> Freilassung ihrer Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n<br />

sowie für freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung<br />

auf Kuba e<strong>in</strong>. Jeden Sonntag<br />

ziehen sie über <strong>die</strong> Avenida C<strong>in</strong>co im<br />

edlen Stadtteil Miramar von Havanna<br />

zur Kirche Santa Rita. Der weißen<br />

Kleidung, <strong>die</strong> sie tra<strong>ge</strong>n, verdanken<br />

sie ihren Namen. Die weiße Kleidung<br />

<strong>die</strong>nt als Symbol für Frieden wie auch<br />

für <strong>die</strong> Unschuld ihrer <strong>in</strong>haftierten<br />

Ehemänner und Familienan<strong>ge</strong>höri-<br />

<strong>ge</strong>n. Diese Demonstrationsform <strong>ist</strong><br />

offenkundig den „Müttern der Plaza<br />

de Mayo“ nachempfunden, <strong>die</strong> während<br />

der Militärdiktatur der 1970er-<br />

Jahre <strong>in</strong> Ar<strong>ge</strong>nt<strong>in</strong>ien den Verbleib ihrer<br />

„verschwundenen“, oftmals brutal<br />

ermordeten K<strong>in</strong>der, aufklären wollten.<br />

Das Europaparlament ehrte <strong>die</strong><br />

„Damen <strong>in</strong> Weiß“ im Jahr 2005 mit<br />

dem Sacharow-Preis, für das kubanische<br />

Regime s<strong>in</strong>d es Verräter<strong>in</strong>nen im<br />

Dienste des US-Imperialismus.<br />

Die Auszeichnung mit dem Sacharow-Preis<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>s Zeichen<br />

der Unterstützung der demokratischen<br />

Kräfte durch <strong>die</strong> Europäische Union,<br />

das auch das Castro-Regime nicht e<strong>in</strong>fach<br />

negieren kann. Das Enga<strong>ge</strong>ment<br />

der „Damas de Blanco“ <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Pfeiler im kubanischen Streben<br />

nach E<strong>in</strong>haltung der Menschenrechte<br />

und e<strong>in</strong>em friedlichen Wandel h<strong>in</strong><br />

zur Demokratie. Im Jahr 2002 erhielt<br />

Oswaldo Payá Sardiñas, Gründer der<br />

Oppositionsbewegung „Movimiento<br />

Cr<strong>ist</strong>iano Liberación“ („Chr<strong>ist</strong>liche<br />

Bewegung der Befreiung“) und Initiator<br />

des Varela-Projekts, den Sacharow-Preis.<br />

Damit zeichnete das Europäische<br />

Parlament <strong>in</strong>nerhalb weni<strong>ge</strong>r<br />

Jahre zweimal Persönlichkeiten aus,<br />

<strong>die</strong> sich für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>haltung der Menschenrechte<br />

<strong>in</strong> Kuba e<strong>in</strong>setzen. Das<br />

Varela-Projekt strebt e<strong>in</strong> Referendum<br />

über <strong>die</strong> Umsetzung von Reformen an.<br />

Nach wie vor aber s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> „Damen<br />

<strong>in</strong> Weiß“ dem Regime e<strong>in</strong> Dorn<br />

im Au<strong>ge</strong>. So wurde am 8. Januar im<br />

Dorf Pedro Betancourt (Prov<strong>in</strong>z Matanzas)<br />

der Gedenkmarsch von mehr<br />

als zwanzig Dissidenten zum Grab der<br />

kubanischen Bür<strong>ge</strong>rrechtler<strong>in</strong> Gloria<br />

Amaya González von Sicherheitskräften<br />

nieder<strong>ge</strong>knüppelt, e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> der<br />

Teilnehmer wurden verhaftet. Wie <strong>die</strong><br />

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte<br />

(IGFM) berichtet, wollten<br />

<strong>die</strong> Teilnehmer am zweiten Todestag<br />

der Menschenrechtler<strong>in</strong> Blumen<br />

auf ihr Grab le<strong>ge</strong>n. Teilnehmer waren<br />

unter anderem Mitglieder der Gefan<strong>ge</strong>nenhilfsorganisation<br />

„Damas de<br />

Blanco“, Menschenrechtsaktiv<strong>ist</strong>en<br />

sowie Freunde und Familienmitglieder.<br />

Gloria Amaya González (1928 -<br />

2010) war <strong>die</strong> Mutter der drei ehemali<strong>ge</strong>n<br />

politischen Gefan<strong>ge</strong>nen - Ariel,<br />

Guido und Miguel Sigler Amaya, <strong>die</strong><br />

während des kubanischen „Schwar-<br />

20 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


zen Frühl<strong>in</strong>gs“ im März 2003 <strong>in</strong>haftiert,<br />

zu horrenden Haftstrafen verurteilt<br />

und auf <strong>in</strong>ternationalen Druck<br />

vor e<strong>in</strong>em Jahr <strong>in</strong>s Exil ab<strong>ge</strong>schoben<br />

wurden. Sie war aktives Mitglied der<br />

„Damen <strong>in</strong> Weiß“ und nahm, an den<br />

Rollstuhl <strong>ge</strong>fesselt, bis zu ihrem Tod<br />

vor zwei Jahren an den Protestmärschen<br />

der Gefan<strong>ge</strong>nenhilfsorganisation<br />

teil.<br />

Nach Angaben ihres Sohnes Juan<br />

Francisco Sigler Amaya griffen <strong>die</strong><br />

mit Stöcken, Ste<strong>in</strong>en und Stichwaffen<br />

bewaffneten Sicherheitskräfte den<br />

Gedenkmarsch an, ohne Rücksicht<br />

auf K<strong>in</strong>der und ältere Menschen zu<br />

nehmen. Mobiltelefone und Videokameras<br />

wurden den Dissidenten <strong>ge</strong>waltsam<br />

entrissen, um Beweismaterial<br />

des brutalen Übergriffs zu vernichten.<br />

IGFM-Vorstandssprecher Mart<strong>in</strong><br />

Lessenth<strong>in</strong> verurteilte das unverhältnismäßig<br />

harte Vor<strong>ge</strong>hen der kubanischen<br />

Polizei <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Regimekritiker.<br />

„Wenn es <strong>in</strong> Kuba bereits e<strong>in</strong> Ver<strong>ge</strong>hen<br />

<strong>ist</strong>, Blumen auf das Grab se<strong>in</strong>er<br />

Mutter zu le<strong>ge</strong>n, dann spricht das für<br />

<strong>die</strong> Angst des kubanischen Regimes<br />

vor den Menschen, <strong>die</strong> sich friedlich<br />

für ihre Rechte e<strong>in</strong>setzen.“<br />

Gewalttäti<strong>ge</strong> Aktionen, mit denen<br />

<strong>die</strong> Behörden bereits vor dem Besuch<br />

Papst Benedikts versuchten, <strong>die</strong> kubanische<br />

Demokratiebewegung zum<br />

Schwei<strong>ge</strong>n zu br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, gab es auch<br />

nach dem Papstbesuch. So g<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />

Polizei seit dem 2. April mit neuer<br />

„Kirche <strong>in</strong> Not“<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Härte <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Bür<strong>ge</strong>rrechtler und Aktiv<strong>ist</strong>en<br />

der kubanischen Zivil<strong>ge</strong>sellschaft<br />

vor. In der ostkubanischen Prov<strong>in</strong>z<br />

Santiago de Cuba durchsuchten<br />

und verwüsteten Poliz<strong>ist</strong>en mehrere<br />

Häuser von Dissidenten, schlu<strong>ge</strong>n<br />

und misshandelten sie und beschlagnahmten<br />

elektronische Geräte, ohne<br />

es zu protokollieren. M<strong>in</strong>destens 25<br />

Personen wurden zeitweise verhaftet,<br />

unter den Verhafteten waren mehrere<br />

An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong> der Bür<strong>ge</strong>rrechtsorganisation<br />

„Damen <strong>in</strong> Weiß“.<br />

Der Erzbischof von Havanna,<br />

Kard<strong>in</strong>al Jaime Ortega, hatte sich<br />

dennoch für e<strong>in</strong>e Fortsetzung des Reformkurses<br />

von Castro aus<strong>ge</strong>sprochen,<br />

der allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Abkehr<br />

vom Sozialismus vorsieht. Die Verantwortlichen<br />

müssten „<strong>die</strong> notwendi<strong>ge</strong>n<br />

Schritte zu e<strong>in</strong>em Wandel im ökonomischen<br />

und sozialen Leben“ vollziehen,<br />

forderte er bei e<strong>in</strong>em Gottes<strong>die</strong>nst.<br />

Kuba bef<strong>in</strong>de sich im „Glaubensfrühl<strong>in</strong>g“.<br />

Vom Glaubensfrühl<strong>in</strong>g<br />

<strong>ist</strong> es nicht weit zur Hoffnung auf e<strong>in</strong><br />

besseres Leben, das den Kubanern<br />

seit Jahrzehnten vorenthalten wird.<br />

Offizieller Anlass des Kuba-Besuchs<br />

von Papst Benedikt XVI.<br />

war der 400. Jahrestag der Entdeckung<br />

des Bildes der „Barmherzi<strong>ge</strong>n<br />

Jungfrau von Cobre“. Die „Vir<strong>ge</strong>n de<br />

la Caridad del Cobre“ wurde 1916 von<br />

Papst Benedikt XV. zur kubanischen<br />

Arabischer Frühl<strong>in</strong>g und chr<strong>ist</strong>licher W<strong>in</strong>ter<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

Schutzpatron<strong>in</strong> erklärt. Alte Dokumente<br />

erzählen, dass an e<strong>in</strong>en nicht<br />

<strong>ge</strong>nau bekannten Tag zwei Indianer<br />

und e<strong>in</strong> schwarzer Sklavenjun<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Statue der Muttergottes auf e<strong>in</strong>em<br />

Brett über dem Wasser schwimmen<br />

sahen. Auf dem Brett stand demnach<br />

<strong>ge</strong>schrieben: „Ich b<strong>in</strong> <strong>die</strong> Jungfrau<br />

der Barmherzigkeit“. Erstmals wurde<br />

sie auf e<strong>in</strong>em Altar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hütte<br />

aus Palmen- und Guanobrettern verehrt,<br />

später brachten Gläubi<strong>ge</strong> <strong>die</strong><br />

Statue mit e<strong>in</strong>er Prozession nach El<br />

Cobre. Der Ort <strong>in</strong> den Ausläufern der<br />

Sierra Maestra liegt <strong>in</strong> der Nähe von<br />

Santiago de Cuba, der zweitgrößten<br />

Stadt Kubas. Der Name <strong>ist</strong> vom spanischen<br />

Wort für Kupfer ab<strong>ge</strong>leitet.<br />

In <strong>die</strong>ser Ge<strong>ge</strong>nd gab es, bis <strong>in</strong>s 19.<br />

Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>es der größten<br />

Kupfervorkommen der Welt.<br />

Johannes Paul II. krönte und segnete<br />

<strong>die</strong> Statue 1998 bei se<strong>in</strong>em Besuch<br />

<strong>in</strong> Kuba. Als Ernest Hem<strong>in</strong>gway<br />

<strong>in</strong> den Fünfzi<strong>ge</strong>rjahren se<strong>in</strong>e Nobelpreis-Medaille<br />

dem kubanischen Volk<br />

schenken wollte, fand er dafür ke<strong>in</strong>en<br />

würdi<strong>ge</strong>ren Ort als <strong>die</strong> 1684 erbaute<br />

Wallfahrtskirche der Barmherzi<strong>ge</strong>n<br />

Jungfrau von El Cobre, wo sie noch<br />

heute unter den Votivgaben zu sehen<br />

<strong>ist</strong>. Zwischen unzähli<strong>ge</strong>n anderen Gaben,<br />

<strong>die</strong> Gläubi<strong>ge</strong> aus Dankbarkeit<br />

für <strong>die</strong> Erhörung ihrer Bitten <strong>ge</strong>stiftet<br />

haben, hängt auch e<strong>in</strong>e Plakette, <strong>die</strong><br />

e<strong>in</strong>st <strong>die</strong> Mutter von Fidel Castro und<br />

se<strong>in</strong>em Bruder Raúl <strong>ge</strong>spendet hatte.<br />

„Kirche <strong>in</strong> Not“ be<strong>ge</strong>ht 9. Pater-Werenfried-Jahres<strong>ge</strong>denken <strong>in</strong> Köln<br />

E<strong>in</strong>e Rückbes<strong>in</strong>nung auf <strong>die</strong> Botschaft<br />

des Evan<strong>ge</strong>liums und Authentizität<br />

des chr<strong>ist</strong>lichen Glaubens<br />

haben Journal<strong>ist</strong>en säkularer und<br />

kirchlicher Me<strong>die</strong>n auf e<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />

des weltweiten katholischen<br />

Hilfswerks „Kirche <strong>in</strong> Not“ <strong>in</strong> Köln<br />

<strong>ge</strong>fordert. Im Rahmen des Jahres<strong>ge</strong>denkens<br />

an den 2003 verstorbenen<br />

Gründer des Hilfswerks, Pater Werenfried<br />

van Straaten, bedauerten <strong>die</strong><br />

Teilnehmer e<strong>in</strong>es Podiums<strong>ge</strong>sprächs<br />

mit dem Titel „Der Papst, <strong>die</strong> Neuevan<strong>ge</strong>lisierung<br />

und <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n – sprechen<br />

wir <strong>die</strong>selbe Sprache? “, dass<br />

viele Menschen hierzulande nur noch<br />

wenig über Glaubens<strong>in</strong>halte wüssten.<br />

Der Chefredakteur des deutschsprachi<strong>ge</strong>n<br />

Programms des chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Senders EWTN, Mart<strong>in</strong> Rothweiler,<br />

sprach von e<strong>in</strong>er „Analphabetisierung<br />

im Religiösen“. Daher<br />

sei <strong>die</strong> authentische Weitergabe des<br />

Glaubens wichtig. Dieser Aussa<strong>ge</strong><br />

stimmte der Chefredakteur des katholischen<br />

Fernsehsenders K-TV, Michael<br />

Ragg, zu. Nach se<strong>in</strong>er Erfahrung<br />

wollten <strong>die</strong> Menschen ke<strong>in</strong> „Herum<strong>ge</strong>eiere“,<br />

sondern vielmehr e<strong>in</strong> Bekenntnis<br />

und authentisches Vorleben<br />

chr<strong>ist</strong>licher Werte.<br />

Der SPIEGEL-Redakteur und<br />

Autor Matthias Matussek sagte, dass<br />

man „<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Schwarzes Loch“ spreche,<br />

weil Gott <strong>in</strong> der Gesellschaft ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle mehr spiele. Man brauche aber<br />

21


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

ke<strong>in</strong>en neuen katholischen Sound,<br />

sondern <strong>die</strong> Kirche müsse sich wieder<br />

auf <strong>die</strong> Evan<strong>ge</strong>lien und deren Botschaft<br />

bes<strong>in</strong>nen, da sie <strong>ge</strong>nug Sprengkraft<br />

besäßen. Auch der Programmdirektor<br />

des katholischen Senders<br />

„Radio Horeb“, Pfarrer Dr. Richard<br />

Kocher, wünscht sich e<strong>in</strong>e neue Leidenschaft<br />

für Gott. Er bedauere, dass<br />

<strong>die</strong> Kirche sich oft auf Randthemen,<br />

wie Kirchensteuern oder Sexualmoral<br />

e<strong>in</strong>lasse.<br />

Im Mittelpunkt e<strong>in</strong>es weiteren Podiums<strong>ge</strong>sprächs<br />

des Pater-Werenfried-<br />

Jahres<strong>ge</strong>denkens im voll besetzten<br />

Saal des Maternushauses <strong>in</strong> Köln standen<br />

Ursachen und Fol<strong>ge</strong>n des Arabischen<br />

Frühl<strong>in</strong>gs. Hauptgründe der<br />

Umbrüche <strong>in</strong> den Staaten des Nahen<br />

Ostens und Nordafrikas seien vor allem<br />

der Wunsch nach mehr Freiheit<br />

und Würde sowie e<strong>in</strong>em Wechsel der<br />

Regime <strong>ge</strong>wesen, <strong>die</strong> zum Teil seit<br />

40 Jahren regiert hätten, erklärte der<br />

Erzbischof von Algier, Ghaleb Bader.<br />

Gleichzeitig fürchteten <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en<br />

<strong>in</strong> der Region, dass sich ihre La<strong>ge</strong><br />

verschlechtere und sie nicht mehr <strong>in</strong><br />

Sicherheit leben könnten. Das Beispiel<br />

der irakischen Chr<strong>ist</strong>en mache<br />

allen Chr<strong>ist</strong>en im Nahen Osten Angst,<br />

Islam im Wandel?<br />

Macht des Faktischen zw<strong>in</strong>gt zum Umdenken<br />

Mit e<strong>in</strong>er „Jahrhundert-Fatwa“ legitimiert der Rat der al-Azhar Religions<strong>ge</strong>lehrten das Recht<br />

auf Widerstand <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten Herrscher<br />

D ie1 <strong>ge</strong>sellschaftliche Wirklichkeit<br />

hat <strong>in</strong> der Geschichte des Islam<br />

<strong>die</strong> Ep<strong>ist</strong>emologie 2 der Theolo<strong>ge</strong>n entscheidend<br />

bestimmt. Für den Bereich<br />

1 Hauptmann a.D. Dr. Said alDailami lebt<br />

seit 1989 <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und kommt<br />

<strong>ge</strong>bürtig aus dem Jemen. Zu <strong>die</strong>sem<br />

Thema siehe auch Buchbesprechung<br />

„Erneuerungsdenken <strong>in</strong> der islamischen<br />

Welt“ (Seite 43)<br />

2 Die Erkenntn<strong>ist</strong>heorie oder<br />

Ep<strong>ist</strong>emologie <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Gebiet der<br />

Philosophie, welches sich mit Fra<strong>ge</strong>n<br />

der Art befasst, wie Wissen zustande<br />

kommt<br />

so Bader. Zu Hunderttausenden s<strong>in</strong>d<br />

Chr<strong>ist</strong>en aus dem Irak <strong>ge</strong>flohen, da es<br />

bereits zahlreiche Attentate auf Kirchen<br />

und Chr<strong>ist</strong>en im Land <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />

hat. Mit Blick auf <strong>die</strong> Gewalt <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

Demonstranten <strong>in</strong> Syrien sagte der<br />

maronitische Bischof Samir Mazloum<br />

aus dem Libanon, dass M<strong>in</strong>derheiten,<br />

<strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e sunnitische Muslime seien,<br />

sich davor fürchten, was nach e<strong>in</strong>em<br />

möglichen Ende des Assad-Regimes<br />

käme: Es könnte e<strong>in</strong>e Regierung se<strong>in</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Menschenrechte akzeptiere,<br />

aber ebenso gut e<strong>in</strong> politisch noch<br />

stren<strong>ge</strong>res und religiös fundamental<strong>ist</strong>isches<br />

Regime.<br />

Es sei nicht nur e<strong>in</strong> Arabischer<br />

Frühl<strong>in</strong>g, sondern auch e<strong>in</strong> chr<strong>ist</strong>licher<br />

W<strong>in</strong>ter, fasste <strong>die</strong> CDU-Bundestagsab<strong>ge</strong>ordnete<br />

Ute Granold <strong>die</strong> La<strong>ge</strong><br />

der Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> der Region zusammen.<br />

Die Leiter<strong>in</strong> des Stephanuskreises –<br />

e<strong>in</strong> Zusammenschluss von Politikern<br />

der CSU/CSU-Bundestagsfraktion, der<br />

sich für den Schutz der Religionsfreiheit<br />

e<strong>in</strong>setzt – sagte, dass Ägypten<br />

nach der Wahl „zu kippen“ drohe. Es<br />

erfülle sie mit Sor<strong>ge</strong>, dass <strong>die</strong> Muslimbruderschaft<br />

als Wahlsie<strong>ge</strong>r hervor<strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n<br />

sei und <strong>die</strong> radikal islamischen<br />

Salaf<strong>ist</strong>en stark im neuen Parlament<br />

VON SAID ALDAILAMI 1<br />

des Politischen lässt sich <strong>die</strong>se Feststellung<br />

noch viel präziser formulieren:<br />

<strong>die</strong> politische Theologie des Islam<br />

spie<strong>ge</strong>lt nichts anderes wider, als<br />

<strong>die</strong> Reaktion der Gelehrtenschaft auf<br />

<strong>die</strong> politische Realität ihrer Zeit. Bereits<br />

nach dem Mord am vierten Kalifen,<br />

Ali ibn Abi Talib (661 n. Chr.),<br />

sahen sich <strong>die</strong> islamischen Religions<strong>ge</strong>lehrten<br />

(Ulama) <strong>in</strong> der Fol<strong>ge</strong><br />

mit e<strong>in</strong>er dynastischen Herrschaftsform<br />

konfrontiert, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihrer konkreten<br />

politischen Ausformung den<br />

Idealvorstellun<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>es verantwor-<br />

vertreten seien. Pater Dr. Andrzej Halemba,<br />

Länderreferent für den Nahen<br />

Osten bei „Kirche <strong>in</strong> Not“, berichtete<br />

von zunehmender Gewalt <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

Chr<strong>ist</strong>en, vor allem im Irak. Gleichzeitig<br />

<strong>ist</strong> er dennoch überzeugt, dass der<br />

Arabische Frühl<strong>in</strong>g auch Hoffnung für<br />

<strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> der Region bedeuten<br />

könne, denn es <strong>ge</strong>be viele moderate<br />

Muslime sowie Treffen und Kooperationen<br />

von muslimischen und chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Ge<strong>ist</strong>lichen.<br />

Das Pater-Werenfried-Jahres<strong>ge</strong>denken<br />

am 4.02.12 begann mit e<strong>in</strong>em<br />

Gottes<strong>die</strong>nst mit Joachim Kard<strong>in</strong>al<br />

Meisner im Kölner Dom, zu dem sich<br />

trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt<br />

rund 1.000 Gläubi<strong>ge</strong> versammelt<br />

hatten. In se<strong>in</strong>er Predigt würdigte<br />

der Kölner Erzbischof <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste<br />

se<strong>in</strong>es Weg<strong>ge</strong>fährten Pater Werenfried<br />

van Straaten. Der Gründer von „Kirche<br />

<strong>in</strong> Not“ habe nicht nur Geld und Gaben<br />

<strong>ge</strong>sammelt, sondern vor allem auch <strong>die</strong><br />

Anlie<strong>ge</strong>n und Sor<strong>ge</strong>n der Menschen.<br />

Damit habe das Hilfswerk se<strong>in</strong>en Status<br />

quo und <strong>die</strong> „<strong>in</strong>nere Schwungkraft“,<br />

das Gebet, <strong>ge</strong>funden, <strong>die</strong> es<br />

auch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zukunft tra<strong>ge</strong>n werde.<br />

Pressemitteilung „Kirche <strong>in</strong> Not“<br />

vom 6. Februar 2012<br />

tungsvollen und <strong>ge</strong>rechten Umgangs<br />

des Herrschers mit der islamischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft (umma) widersprach.<br />

Ihre Legitimität bezo<strong>ge</strong>n <strong>die</strong>se Dynastien<br />

dennoch <strong>in</strong> den me<strong>ist</strong>en Fällen<br />

aus den religiösen Quellen des Islam.<br />

Mit Verweis auf e<strong>in</strong>en Ausspruch des<br />

Propheten Muhammad (hadith), <strong>die</strong><br />

Gelehrten seien <strong>die</strong> Erben der Propheten,<br />

haben e<strong>in</strong>zelne Gelehrte im<br />

Verlauf der islamischen Geschichte<br />

den Versuch unternommen, <strong>die</strong><br />

Machthaber daran zu er<strong>in</strong>nern, dass<br />

alle<strong>in</strong> sie als Gelehrte <strong>die</strong> Deutungs-<br />

22 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


hoheit über religiöse Quellen haben.<br />

Wahrlich durchsetzen konnten sie<br />

sich mit <strong>die</strong>sem Anspruch jedoch nie.<br />

De jure mag <strong>die</strong>ses Postulat der<br />

ulama se<strong>in</strong>e Berechtigung haben, de<br />

facto hat der Primat des Politischen<br />

<strong>die</strong> islamische Geschichte dom<strong>in</strong>iert.<br />

Die Herrscher wussten e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>flussreiche<br />

Theolo<strong>ge</strong>n mit hohen Ämtern<br />

und großen f<strong>in</strong>anziellen Zuwendun<strong>ge</strong>n<br />

an ihren Höfen zu b<strong>in</strong>den und<br />

so für ihre Zwecke zu <strong>in</strong>strumentalisieren.<br />

Das wohl berühmteste islamische<br />

Gebot, das unmittelbar aus <strong>die</strong>sem<br />

Zweckbündnis zwischen Politik<br />

und Religion hervor<strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong>, bezieht<br />

sich auf das Widerstandsrecht<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem Herrscher im islamischen<br />

Staat. Unter Berufung auf e<strong>in</strong><br />

hadith, das besagt, dass <strong>die</strong> Erduldung<br />

e<strong>in</strong>er mehrjähri<strong>ge</strong>n Zwangsherrschaft<br />

besser sei als e<strong>in</strong> Tag Chaos bzw. Anarchie,<br />

begründeten sunnitisch-orthodoxe<br />

Gelehrte e<strong>in</strong>e Treue- und Friedenspflicht<br />

der Untertanen <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

der Obrigkeit, <strong>die</strong> bis zum Beg<strong>in</strong>n der<br />

Revolten im arabischen Raum am<br />

17. Dezember 2010 une<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkte<br />

Gültigkeit besaß. Die herrschaftstreuen<br />

Gelehrten verwiesen darüber<br />

h<strong>in</strong>aus auf den Koran, der <strong>in</strong> Sure 4,<br />

Vers 59 – ihrer Interpretation fol<strong>ge</strong>nd<br />

– den Gläubi<strong>ge</strong>n dazu auffordert, Allah,<br />

dem Propheten und den Gebietenden<br />

(Herrschern) zu <strong>ge</strong>horchen.<br />

Mit der Phobie vor der so<strong>ge</strong>nannten<br />

fitna, dem Zerfall des <strong>in</strong>neren<br />

Friedens <strong>in</strong>nerhalb der umma, etablierten<br />

<strong>die</strong> ulama e<strong>in</strong>en politischen<br />

Quietismus3 , der bis heute <strong>die</strong> Staatslehre<br />

<strong>in</strong> mehrheitlich sunnitisch-orthodox<br />

<strong>ge</strong>prägte Ländern bestimmen<br />

sollte.<br />

Die Umbrüche <strong>in</strong> der arabischen<br />

Welt, der so<strong>ge</strong>nannte arabische Frühl<strong>in</strong>g,<br />

haben e<strong>in</strong>e <strong>ge</strong>sellschaftspolitische<br />

Realität hervor<strong>ge</strong>bracht, <strong>die</strong> nun<br />

<strong>ge</strong>nau <strong>die</strong>sem Dogma widerspricht.<br />

Die renommierte sunnitische Autoritäts<strong>in</strong>stitution<br />

– der Rat der al-Azhar-<br />

Religions<strong>ge</strong>lehrten (Kairo) – sah sich<br />

an<strong>ge</strong>sichts <strong>die</strong>ser grundle<strong>ge</strong>nden La<strong>ge</strong>änderung<br />

<strong>ge</strong>zwun<strong>ge</strong>n, das über e<strong>in</strong><br />

Jahrtausend alte Dogma zu revi<strong>die</strong>-<br />

3 Politischer Quietismus oder quiet<strong>ist</strong>ischer<br />

Islam (von lat. quietus, „ruhig“,<br />

„schweigsam“) beschreibt jene<br />

Strömung des islamischen Klerus,<br />

<strong>in</strong>sbesondere der Schia, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e aktive<br />

Beteiligung der Ge<strong>ist</strong>lichkeit <strong>in</strong> der<br />

Politik ablehnt<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

ren. An <strong>die</strong>sem Beispiel soll im Fol<strong>ge</strong>nden<br />

<strong>die</strong> Macht des Faktischen und<br />

damit e<strong>in</strong>her<strong>ge</strong>hend <strong>die</strong> en<strong>ge</strong> Interaktion<br />

zwischen <strong>ge</strong>sellschaftspolitischer<br />

Realität und der Setzung religiöser<br />

Dogmen durch <strong>die</strong> ulama, kritisch<br />

beleuchtet werden.<br />

Vor e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Wochen trat der Sprecher<br />

des al-Azhar-Gelehrtenrates Ahmed<br />

al-Tayyeb vor <strong>die</strong> Presse und verkündete<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Rechtsgutachtens<br />

(fatwa), dass das Widerstandsrecht<br />

der Bevölkerung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten<br />

Herrscher islamisch legitimiert<br />

sei. Er begründete das Rechtsgutachten<br />

des al-Azhar-Rates u. a. mit<br />

dem Verweis auf Sure 4, Vers 59. In<br />

<strong>die</strong>sem heißt es wörtlich: „O ihr, <strong>die</strong><br />

ihr glaubt, <strong>ge</strong>horcht Gott und <strong>ge</strong>horcht<br />

dem Gesandten und denen unter euch,<br />

<strong>die</strong> <strong>ge</strong>bieten.“ Erstaunlicherweise bezo<strong>ge</strong>n<br />

sich <strong>die</strong> Gelehrten auf denselben<br />

Vers (s. o.), den <strong>die</strong> herrschende<br />

orthodoxe Lehrme<strong>in</strong>ung anführte, um<br />

<strong>die</strong> Illegitimität und eben nicht <strong>die</strong><br />

Legitimität des Widerstands <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

den Herrscher zu begründen. Wie<br />

kann also <strong>die</strong>selbe zitierte Quelle zwei<br />

diametral ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<strong>ge</strong>setzte Rechtsgutachten<br />

beglaubi<strong>ge</strong>n? Die Antwort<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong>fach: es <strong>ist</strong> das Erfordernis der<br />

<strong>ge</strong>sellschaftspolitischen Realität, ummantelt<br />

durch den Begriff der kontextbezo<strong>ge</strong>nen<br />

Exe<strong>ge</strong>se.<br />

Die al-Azhar-Gelehrten mussten<br />

nicht sehr viel Kreativität aufbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n,<br />

um <strong>die</strong> bisher <strong>ge</strong>ltende Interpretation<br />

des o.g. Verses <strong>in</strong> ihr Ge<strong>ge</strong>nteil<br />

zu verkehren. Bettet man den Vers<br />

<strong>in</strong> den Gesamtkontext h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, so <strong>die</strong><br />

Argumentation der Gelehrten, kommt<br />

man zu dem Schluss, dass der voran<strong>ge</strong>hende<br />

Vers (Sure 4, Vers 58) ausdrücklich<br />

auf <strong>die</strong> Treuhänderschaft<br />

und auf das <strong>ge</strong>rechte Urteilen bzw.<br />

Handeln des Muslims h<strong>in</strong>we<strong>ist</strong>. Der<br />

im darauffol<strong>ge</strong>nden Vers <strong>ge</strong>forderte<br />

Gehorsam <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber den Gebietenden<br />

<strong>ist</strong> ihnen folglich nur dann ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n,<br />

wenn <strong>die</strong>se <strong>ge</strong>recht<br />

handelten und das ihnen Anvertraute<br />

verantwortungsvoll behandelten. Den<br />

Gehorsam sahen <strong>die</strong> Gelehrten somit<br />

nur an e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung <strong>ge</strong>bunden, <strong>die</strong><br />

im Jur<strong>ist</strong>enjargon als conditio s<strong>in</strong>e qua<br />

non 4 bezeichnet werden kann.<br />

4 wörtlich: „Bed<strong>in</strong>gung, ohne <strong>die</strong> nicht“;<br />

e<strong>in</strong>e Methode <strong>in</strong> der Rechtswissenschaft<br />

und Rechtspraxis sowie der Philosophie,<br />

mit der fest<strong>ge</strong>stellt wird, ob e<strong>in</strong> Vorgang<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

Mit <strong>die</strong>ser fatwa leiteten <strong>die</strong> al-<br />

Azhar-Gelehrten e<strong>in</strong>e neue Ära islamisch-politischer<br />

Rechtsprechung<br />

e<strong>in</strong>. Weitere werden sicherlich fol<strong>ge</strong>n<br />

und sollten nicht unberücksichtigt<br />

bleiben, weil sie als wichti<strong>ge</strong> Indikatoren<br />

für nachhalti<strong>ge</strong>, <strong>ge</strong>sellschaftspolitische<br />

Entwicklun<strong>ge</strong>n <strong>die</strong>nen. Die<br />

öffentlichen Diskussionen hierzulande<br />

über <strong>die</strong> Bedeutung der Religion<br />

im Kontext der arabischen Revolten<br />

thematisieren im Schwerpunkt <strong>die</strong><br />

Rolle islamischer bzw. islam<strong>ist</strong>ischer<br />

Parteien <strong>in</strong> Staat und Gesellschaft,<br />

<strong>in</strong>sbesondere nach den bemerkenswerten<br />

Wahlerfol<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Tunesien und<br />

Ägypten. Nahezu aus<strong>ge</strong>blendet wird<br />

der Faktor Religion als Autorisierungs-<br />

und Legitimierungs<strong>in</strong>stanz für<br />

<strong>ge</strong>sellschaftlich und politisch tragfähi<strong>ge</strong><br />

Diskurser<strong>ge</strong>bnisse, für irreversible<br />

Faktizitäten, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen<br />

und autoritären Rechtfertigung<br />

bedürfen.<br />

Die Legitimierung des „Volksaufstandes“<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten Herrscher:<br />

e<strong>in</strong> Erklärungsversuch<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der bisheri<strong>ge</strong>n<br />

Ausführun<strong>ge</strong>n zum Widerstandsrecht<br />

der Muslime <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

dem politischen Machthaber haben<br />

<strong>die</strong> Protestierenden mit ihrem Gang<br />

auf <strong>die</strong> Straße – bewusst oder unbewusst<br />

– e<strong>in</strong> religiöses Tabu <strong>ge</strong>brochen.<br />

Ihren Protest- und Reformwillen stellten<br />

sie über das seit Jahrhunderten<br />

<strong>ge</strong>ltende islamische Recht. Freiheit,<br />

soziale Gerechtigkeit und e<strong>in</strong> menschenwürdi<strong>ge</strong>s<br />

Leben bilden <strong>die</strong> Forderun<strong>ge</strong>n<br />

der Stunde. Dogmatismus,<br />

Autoritätshörigkeit und unbed<strong>in</strong>gter<br />

Gehorsam h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n s<strong>in</strong>d Begriffe, <strong>die</strong><br />

<strong>in</strong> Zeiten der Revolten aus dem Wörterbuch<br />

der jun<strong>ge</strong>n Generation <strong>ge</strong>tilgt<br />

worden s<strong>in</strong>d. Indem sie vollendete<br />

Tatsachen <strong>ge</strong>schaffen haben, zwan<strong>ge</strong>n<br />

<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen <strong>die</strong> Gelehrten zu<br />

e<strong>in</strong>er Reaktion, nämlich zu e<strong>in</strong>er Widerlegung<br />

bisher <strong>ge</strong>ltenden Rechts.<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip blieb den al-Azhar-<br />

Gelehrten gar nichts anderes übrig,<br />

als den Akt des Protests und des Widerstandes<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Herrscher a<br />

posteriori5 zu legitimieren. E<strong>in</strong>e anderslautende<br />

Reaktion hätte ihre Au-<br />

oder e<strong>in</strong>e Handlung ursächlich für e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Tatsache <strong>ist</strong><br />

5 Urteile a posteriori werden auf der Basis<br />

der Erfahrung <strong>ge</strong>fällt<br />

23


GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

torität bei den jun<strong>ge</strong>n Menschen endgültig<br />

untergraben. In <strong>ge</strong>wisser Weise<br />

kann <strong>die</strong> fatwa auch als e<strong>in</strong>e Geste<br />

der Danksagung an <strong>die</strong> Protestierenden<br />

<strong>ge</strong>deutet werden. Der Sieg der<br />

revoltierenden Masse über <strong>die</strong> diktatorischen<br />

Machthaber setzte der „unfreiwilli<strong>ge</strong>n“<br />

Allianz zwischen Herrscher<br />

und Gelehrsamkeit – <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Fall zwischen dem Regime Mubaraks<br />

und der al-Azhar-Institution – e<strong>in</strong> jähes<br />

Ende. Die theologisch <strong>ge</strong>forderte<br />

Unabhängigkeit der religiösen von<br />

der staatlichen Autorität <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

islamischen Geschichte derart selten<br />

da<strong>ge</strong>wesener Status, dass dessen Erreichung<br />

als h<strong>ist</strong>orischer Moment E<strong>in</strong>gang<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Geschichtsbücher f<strong>in</strong>den<br />

sollte. Vor <strong>die</strong>sem H<strong>in</strong>tergrund <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Bezeichnung der fatwa als „Jahrhundert-Fatwa“<br />

seitens e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>r Gelehrter<br />

im arabischen Raum wohl nicht als<br />

übertrieben zu werten.<br />

Natürlich haben aber auch <strong>die</strong> al-<br />

Azhar-Gelehrten nicht unei<strong>ge</strong>nnützig<br />

<strong>ge</strong>handelt: mit ihrer Legitimierung des<br />

Volksaufstandes <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten<br />

Herrscher versuchen sie – sogar<br />

unter Inkaufnahme e<strong>in</strong>es radikalen<br />

Bruchs mit der bisheri<strong>ge</strong>n Rechtsprechung<br />

auf <strong>die</strong>sem sensiblen Gebiet<br />

islamischer Jurisprudenz – ihr an<strong>ge</strong>schla<strong>ge</strong>nes<br />

Ima<strong>ge</strong> aufzupolieren und<br />

ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung<br />

zurückzuerobern. Vielen <strong>ge</strong>bildeten<br />

Menschen im Land war <strong>die</strong><br />

en<strong>ge</strong> Kooperation zwischen dem herrschenden<br />

Diktator und der al-Azhar-<br />

Institution bereits seit lan<strong>ge</strong>m e<strong>in</strong> Dorn<br />

im Au<strong>ge</strong>.<br />

Ohne das an<strong>ge</strong>sprochene Rechtsgutachten<br />

der al-Azhar-Gelehrten hätten<br />

<strong>die</strong> konservativen und traditionellen<br />

Kräfte <strong>in</strong> Ägypten, aber auch <strong>in</strong><br />

allen anderen Ländern, spätestens bei<br />

e<strong>in</strong>em Scheitern der Revolutionen mit<br />

dem Zei<strong>ge</strong>f<strong>in</strong><strong>ge</strong>r auf <strong>die</strong> Protestierenden<br />

<strong>ge</strong>deutet und ihnen vor<strong>ge</strong>worfen,<br />

sie hätten bei ihrem Vor<strong>ge</strong>hen religiöse<br />

Gebote übertreten und ernteten daher<br />

nur <strong>die</strong> <strong>ge</strong>rechte Strafe Gottes, nämlich<br />

<strong>die</strong> Zerschlagung ihres Protestes<br />

durch den Militär- und Sicherheitsapparat<br />

des Potentaten. Das Argument,<br />

große Sünden bestrafe der liebe Gott<br />

<strong>in</strong> bestimmten Fällen erbarmungslos<br />

und rasch, <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> <strong>ge</strong>nu<strong>in</strong> islamisches.<br />

Es hat allerd<strong>in</strong>gs im Verlaufe der islamischen<br />

Geschichte <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zur <strong>ge</strong>sellschaftlichen<br />

Ächtung e<strong>in</strong>zelner Personen und Gruppierun<strong>ge</strong>n<br />

<strong>ge</strong>führt.<br />

Für <strong>die</strong> sich transformierenden<br />

Gesellschaften im Nahen Osten und <strong>in</strong><br />

Nordafrika führt jeglicher Diskurs über<br />

<strong>die</strong> Zukunft ihrer Staaten unwei<strong>ge</strong>rlich<br />

auf religiöses Terra<strong>in</strong>. In <strong>die</strong>ser Orientierungs-<br />

und Selbstf<strong>in</strong>dungsphase <strong>ist</strong><br />

es nur selbstverständlich, dass sich im<br />

nun freien „Markt der Ideologien“ jene<br />

Anschauung durchsetzen wird, <strong>die</strong><br />

das beste An<strong>ge</strong>bot für <strong>die</strong> Menschen<br />

unterbreitet oder zu unterbreiten behauptet.<br />

Diese <strong>ge</strong>sellschaftlichen, enttabuisierten<br />

Diskurse s<strong>in</strong>d zur Zeit <strong>in</strong><br />

vollem Gan<strong>ge</strong> und bilden zweifellos <strong>die</strong><br />

größte und – unabhängig vom letztendlichen<br />

Ausgang der Revolten – nachhaltig<br />

prä<strong>ge</strong>ndste Errun<strong>ge</strong>nschaft, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> Arabien sich tapfer<br />

erkämpft haben. Unter Nutzung aller<br />

Kommunikationsmittel und der Me<strong>die</strong>nvielfalt<br />

wird heute mehr denn je von<br />

Marokko bis Syrien über <strong>die</strong> Rolle der<br />

Frau im öffentlichen Raum, über <strong>die</strong><br />

Gleichstellung von Mann und Frau,<br />

über <strong>die</strong> Rechte von M<strong>in</strong>derheiten,<br />

über Homosexualität und über viele<br />

weitere heikle Themen diskutiert. Zu<br />

<strong>die</strong>sen Diskursthemen hat <strong>die</strong> islamische<br />

Glaubens- und Rechtslehre <strong>in</strong> der<br />

Scharia e<strong>in</strong>deuti<strong>ge</strong> Aussa<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>troffen,<br />

<strong>die</strong> nun e<strong>in</strong>er Revision bedürfen. An<br />

<strong>die</strong>ser Stelle muss betont werden, dass<br />

nicht <strong>die</strong> Rolle der Religion als <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />

Machtapparat im zukünfti<strong>ge</strong>n<br />

Staat der postrevolutionären Ära<br />

diskutiert wird, sondern ausschließlich<br />

das Erfordernis der religiösen Legitimation<br />

bestimmter <strong>ge</strong>sellschaftlicher<br />

Diskurs-Er<strong>ge</strong>bnisse, damit sich <strong>die</strong>se<br />

nachhaltig im Bewusstse<strong>in</strong> der nachfol<strong>ge</strong>nden<br />

muslimischen Generationen<br />

e<strong>in</strong>n<strong>ist</strong>en können. Ohne <strong>die</strong> Islamizität<br />

und viel konkreter <strong>ge</strong>sprochen <strong>die</strong> Koranizität<br />

der Ideale, für <strong>die</strong> viele jun<strong>ge</strong><br />

Menschen <strong>in</strong> den letzten Monaten<br />

bereit waren, mit ihrem Leben zu bezahlen,<br />

können <strong>die</strong> erstrittenen Rechte<br />

wie Me<strong>in</strong>ungsfreiheit, Gleichheit und<br />

Menschenwürde nicht als <strong>ge</strong>samt<strong>ge</strong>sellschaftlich<br />

<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne und <strong>in</strong>ternalisierte<br />

Ideale akzeptiert werden. In<br />

<strong>ge</strong>wisser Weise betrachten es <strong>die</strong> Gelehrten<br />

schließlich als ihre oberste moralische<br />

Pflicht, vor allem an<strong>ge</strong>sichts<br />

des hohen Blutzolls, den <strong>die</strong> Protestierenden<br />

bisher <strong>ge</strong>zahlt haben, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

ersten Schritt den Akt des Protests,<br />

<strong>die</strong> so<strong>ge</strong>nannte Rebellion <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den<br />

Herrscher (khurugh ala al-hakim) –<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der schiitischen Lehre bereits<br />

gängi<strong>ge</strong>r Begriff – <strong>ge</strong>samt-islamisch<br />

zu legalisieren.<br />

Der scharfsichti<strong>ge</strong> Blick auf <strong>die</strong><br />

bisheri<strong>ge</strong> Geschichte der islamischen<br />

Welt zeigt vor allem e<strong>in</strong>e Sache<br />

ganz deutlich: nichts können traditionelle<br />

islamische Gelehrte besser<br />

als sich der Macht des Faktischen zu<br />

unterwerfen. Mit Blick auf <strong>die</strong> islamische<br />

Rechts<strong>ge</strong>schichte stellte <strong>die</strong><br />

Übersetzung <strong>ge</strong>sellschaftspolitischer<br />

Realitäten <strong>in</strong> theologische und ethische<br />

Normen <strong>die</strong> Religions<strong>ge</strong>lehrten<br />

vor nicht allzu großen Herausforderun<strong>ge</strong>n.<br />

Sogar das Antizipieren und<br />

vollkommene Adaptieren kulturfremden<br />

Denkens und dessen E<strong>in</strong>rahmung<br />

<strong>in</strong> den Corpus der islamischen Glaubens-<br />

und Rechtstradition bereitete<br />

den Rechts<strong>ge</strong>lehrten wenig Mühe.<br />

Diese „Tu<strong>ge</strong>nd“ der ulama, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>erseits<br />

ihre <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong> Flexibilität und<br />

ihre aus<strong>ge</strong>sprochen breite Ambiguitätstoleranz6<br />

dokumentiert, andererseits<br />

ihr Postulat von der Universalität<br />

und Unabänderlichkeit des göttlichen<br />

Gesetzes (Scharia) aushöhlt, sche<strong>in</strong>en<br />

<strong>die</strong> Gelehrten <strong>in</strong> Zeiten revolutionärer<br />

Umwälzun<strong>ge</strong>n mehr denn je zu brauchen.<br />

Für <strong>die</strong> Revolutionen und ihre<br />

Befürworter <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> Se<strong>ge</strong>n, für <strong>die</strong><br />

ultrakonservativen Kräfte <strong>in</strong> der sunnitischen<br />

Welt e<strong>in</strong> Bruch mit dem Gesetz<br />

Gottes, den sie nur widerwillig h<strong>in</strong>nehmen<br />

werden, weil er den Stempel der<br />

al-Azhar-Gelehrten trägt und <strong>die</strong> faktischen<br />

Umstände berücksichtigt. Für<br />

den westlichen Außenbetrachter e<strong>in</strong><br />

verwirrendes Schauspiel, <strong>in</strong>sbesondere<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>denk der Tatsache, dass das auf<strong>ge</strong>hobene<br />

Dogma der absoluten Loyalität<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem faktischen Machthaber<br />

im sunnitischen Saudi-Arabien<br />

weiterh<strong>in</strong> als <strong>in</strong>tegraler Bes tandteil orthodoxer<br />

Staatslehre se<strong>in</strong>e unbestreitbare<br />

Manifestation f<strong>in</strong>det. ❏<br />

6 Ambiguitätstoleranz (v. lat. ambiguitas<br />

„Zweideutigkeit“, „Doppels<strong>in</strong>n“),<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Fähigkeit, Ambiguitäten, also<br />

Widersprüchlichkeiten, kulturell bed<strong>in</strong>gte<br />

Unterschiede oder mehrdeuti<strong>ge</strong><br />

Informationen, <strong>die</strong> schwer verständlich<br />

oder sogar <strong>in</strong>akzeptabel ersche<strong>in</strong>en,<br />

wahrzunehmen und nicht negativ<br />

oder – häufi g bei kulturell bed<strong>in</strong>gten<br />

Unterschieden – vorbehaltlos positiv zu<br />

bewerten. Ambiguitätstoleranz <strong>ist</strong> auch<br />

e<strong>in</strong>e Voraussetzung für <strong>die</strong> <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Kompetenz e<strong>in</strong>es Menschen<br />

24 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


Diakonweihe Mart<strong>in</strong> Kofoth<br />

Das Amt des Diakons <strong>ge</strong>ht auf <strong>die</strong><br />

Apostel<strong>ge</strong>schichte zurück. In Kapitel<br />

6 wird <strong>die</strong> Berufung von sieben<br />

Männern beschrieben, <strong>die</strong> <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie caritativ tätig werden sollten<br />

(siehe Kasten). Die frühen Zeugnisse<br />

über den Diakonat zei<strong>ge</strong>n, dass <strong>die</strong>ser<br />

von se<strong>in</strong>er Zuordnung zum Bischof her<br />

verstanden wird. Zu se<strong>in</strong>en Aufgaben<br />

zählte <strong>die</strong> dem Bischof auf<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />

soziale Fürsor<strong>ge</strong>. Deswe<strong>ge</strong>n war der<br />

Diakon oft auch Verwalter des kirch-<br />

Apostel<strong>ge</strong>schichte 6,1 - 7<br />

In <strong>die</strong>sen Ta<strong>ge</strong>n, als <strong>die</strong> Zahl<br />

der Jün<strong>ge</strong>r zunahm, be<strong>ge</strong>hrten<br />

<strong>die</strong> Hellen<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong><br />

Hebräer auf, weil ihre Witwen<br />

bei der täglichen Versorgung<br />

übersehen wurden. Da riefen<br />

<strong>die</strong> Zwölf <strong>die</strong> ganze Schar der<br />

Jün<strong>ge</strong>r zusammen und erklärten:<br />

Es <strong>ist</strong> nicht recht, dass wir<br />

das Wort Gottes vernachlässi<strong>ge</strong>n<br />

und uns dem Dienst an den<br />

Tischen widmen. Brüder, wählt<br />

aus eurer Mitte sieben Männer<br />

von gutem Ruf und voll Ge<strong>ist</strong><br />

und Weisheit; ihnen werden wir<br />

<strong>die</strong>se Aufgabe übertra<strong>ge</strong>n. Wir<br />

aber wollen beim Gebet und<br />

beim Dienst am Wort bleiben.<br />

5 Der Vorschlag fand den Beifall<br />

der ganzen Geme<strong>in</strong>de, und<br />

sie wählten Stephanus, e<strong>in</strong>en<br />

Mann, erfüllt vom Glauben und<br />

vom Heili<strong>ge</strong>n Ge<strong>ist</strong>, ferner Philippus<br />

und Prochorus, Nikanor<br />

und Timon, Parmenas und Nikolaus,<br />

e<strong>in</strong>en Proselyten aus<br />

Antiochia. Sie ließen sie vor<br />

<strong>die</strong> Apostel h<strong>in</strong>treten und <strong>die</strong>se<br />

beteten und legten ihnen <strong>die</strong><br />

Hände auf. Und das Wort Gottes<br />

breitete sich aus und <strong>die</strong> Zahl<br />

der Jün<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> Jerusalem wurde<br />

immer größer; auch e<strong>in</strong>e große<br />

Anzahl von den Priestern nahm<br />

<strong>ge</strong>horsam den Glauben an.<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Was <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Diakon?<br />

Diakonenweihe am 20.11.2011 <strong>in</strong> Munster<br />

lichen Vermö<strong>ge</strong>ns. Er wirkte <strong>in</strong> der<br />

Euchar<strong>ist</strong>iefeier mit und ass<strong>ist</strong>ierte<br />

bei der Taufliturgie. Im 4. Jahrhundert<br />

übernahm der Diakon auch Dienste<br />

<strong>in</strong> der Verkündigung. Das Nebene<strong>in</strong>ander<br />

von Diakonat und Presbyterat<br />

(Priestertum), <strong>die</strong> Überschneidung<br />

ihrer Aufgaben im liturgischen Bereich,<br />

ihre Konkurrenz um kirchlichen<br />

E<strong>in</strong>fluss sowie <strong>die</strong> Stärkung der<br />

Stellung der Presbyter durch <strong>die</strong> ihnen<br />

<strong>in</strong> den Parochien 1 übertra<strong>ge</strong>nen<br />

Leitungsfunktionen führten dazu, dass<br />

<strong>die</strong> Diakone spätestens im Frühmittelalter<br />

nicht mehr engste Mitarbeiter<br />

des Bischofs waren. Noch vor Ende<br />

des 1. Jahrtausends wird der Diakonat<br />

zu e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Durchgangsstufe<br />

zum Priestertum.<br />

Das 2. Vatikanische Konzil (1962<br />

– 1965) hat den Ständi<strong>ge</strong>n Diakonat<br />

<strong>in</strong> der Katholischen Kirche wiederbelebt.<br />

Den Konzilsvätern g<strong>in</strong>g es<br />

darum, den spezifischen Dienst des<br />

Diakons Kraft des Weihesakraments<br />

<strong>in</strong> amtlicher Sendung und Vollmacht<br />

zu verlebendi<strong>ge</strong>n. Der Diakon <strong>ge</strong>hört<br />

mit Priester und Bischof zum Weiheamt,<br />

wird aber nicht zum Priesteramt,<br />

sondern zum Dienstamt <strong>ge</strong>weiht (LG<br />

29). In der Kirchenkonstitution nennt<br />

das Konzil ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />

und ohne theologische<br />

Begründung e<strong>in</strong>zelne<br />

Aufgaben des Diakons<br />

im sozial-caritativen<br />

Dienst, <strong>in</strong> der Glaubensverkündigung<br />

und<br />

<strong>in</strong> der Liturgie (LG 29)<br />

– e<strong>in</strong>e Theologie des<br />

Diakonats lässt sich<br />

von <strong>die</strong>sen Vollmachten<br />

her aber nicht entwerfen.<br />

Die konkrete<br />

Gestaltung des Diako-<br />

nats hatten <strong>die</strong> Konzilväter<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Verantwortung<br />

der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bild 2<br />

B<strong>ist</strong>ümer <strong>ge</strong>legt. Daher <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Ausbildung<br />

zum Ständi<strong>ge</strong>n Diakon und de-<br />

1 E<strong>in</strong>e Parochie <strong>ist</strong> der Amtsbezirk e<strong>in</strong>es<br />

Pfarrers (Parochus), das heißt e<strong>in</strong><br />

Pfarrbezirk oder Pfarrei<br />

BILD DES SOLDATEN<br />

ren Dauer <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen B<strong>ist</strong>ümern<br />

unterschiedlich <strong>ge</strong>re<strong>ge</strong>lt.<br />

Im B<strong>ist</strong>um Münster hat Bischof<br />

He<strong>in</strong>rich Tenhumberg den Ständi<strong>ge</strong>n<br />

Diakonat im Jahr 1970 wieder e<strong>in</strong><strong>ge</strong>führt.<br />

Die Ausbildung im B<strong>ist</strong>um<br />

Münster wird durch das Institut für<br />

Diakonat und pastorale Dienste (IDP)<br />

Bild 1<br />

organisiert und verantwortet. Sie erfolgt<br />

durch monatliche Wochenendsem<strong>in</strong>are<br />

im Laufe von vier Jahren und<br />

wird durch das Studium der Theologie<br />

im Fernkurs ergänzt. Anfang 2011 gab<br />

es <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 2362 noch aktive<br />

Ständi<strong>ge</strong> Diakone. Sie leben als Verheiratete<br />

<strong>in</strong> Familie und Beruf, e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong><br />

haben sich bei der Diakonenweihe<br />

25


BILD DES SOLDATEN<br />

zum ehelosen Leben verpflichtet. Der<br />

Diakonat kann im Hauptberuf (Anfang<br />

2011: 895) und mit Zivilberuf (Anfang<br />

2011: 1473) aus<strong>ge</strong>übt werden. Nach<br />

dem Kirchenrecht <strong>ist</strong> der Diakon Kleriker<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diözese <strong>in</strong>kard<strong>in</strong>iert<br />

(Can. 265/266, CIC 1983).<br />

Am Sonntag, dem 20. November<br />

2011, wurde Hauptmann Mart<strong>in</strong> Kofoth,<br />

Mitglied des GKS-Kreises Köln<br />

und des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de-/Mitarbeiterkreises<br />

beim Katholischen Militärpfarramt<br />

Köln I, durch den Bischof<br />

von Münster, Dr. Felix Genn, zum Di-<br />

Kurznachrichten<br />

Der ökumenische Dialog<br />

darf nach Worten Papst<br />

Benedikt XVI. stritti<strong>ge</strong>n Themen<br />

nicht ausweichen. Oft bestehe<br />

heute <strong>die</strong> Tendenz, <strong>die</strong><br />

Fra<strong>ge</strong> nach der Wahrheit des<br />

Glaubens auszublenden, sagte<br />

der Papst vor der Vollversammlung<br />

der Glaubenskongregation<br />

im Vatikan.<br />

Das sei das Er<strong>ge</strong>bnis e<strong>in</strong>er<br />

falsch verstandenen Friedfertigkeit<br />

sowie der verbreiteten<br />

Auffassung, dass der Mensch<br />

<strong>die</strong> Wahrheit ohneh<strong>in</strong> nicht erkennen<br />

könne. Auch <strong>die</strong> kontroversen<br />

Fra<strong>ge</strong>n müssten jedoch<br />

„im Ge<strong>ist</strong>e der Brüderlichkeit<br />

und des <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>n<br />

Respekts“ zur Sprache <strong>ge</strong>bracht<br />

werden. Hierbei müsse<br />

der Glauben im Zentrum<br />

stehen. Anderenfalls reduziere<br />

sich <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte ökumenische<br />

Bewegung auf „e<strong>in</strong>e Art<br />

Gesellschaftsvertrag“, und der<br />

Glauben verkomme zum bloßen<br />

Moralismus. Als „neue<br />

akon <strong>ge</strong>weiht (Bild 1). Unsere Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />

hat an der Weiheliturgie mit<br />

je e<strong>in</strong>er Abordnung des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates<br />

Köln I und des GKS-Kreises<br />

Köln teil<strong>ge</strong>nommen (Bild 2). Auch<br />

bei der E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> der Heimat<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />

unseres neuen Diakons, St.<br />

Bonifatius <strong>in</strong> Freckenhorst, waren wir<br />

am ersten Adventssonntag natürlich<br />

mit jeweils e<strong>in</strong>er Abordnung vertreten.<br />

Glücklicherweise fand <strong>ge</strong>nau an<br />

<strong>die</strong>sem Wochenende das Familienwochenende<br />

des PGR Köln I <strong>in</strong> Günne<br />

am Möhnesee statt. So nutzten <strong>die</strong>se<br />

Im ökumenischen Gespräch auch<br />

stritti<strong>ge</strong> Fra<strong>ge</strong>n behandeln<br />

Herausforderung auf dem ökumenischen<br />

Weg“ bezeichnete<br />

der Papst <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Positionen der chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Kirchen zu grundle<strong>ge</strong>nden<br />

ethischen Fra<strong>ge</strong>n. Die Kirchen<br />

müssten sich zu Themenfeldern<br />

wie etwa Lebensschutz,<br />

Familie, Sexualität und Bioethik<br />

mit „e<strong>in</strong>er Stimme“ äußern,<br />

forderte er.<br />

Zugleich wandte sich Benedikt<br />

XVI. <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>e Überbewertung<br />

ökumenischer Arbeitspapiere.<br />

Die von Kommissionen<br />

und anderen Gremien<br />

erstellten Dokumente<br />

seien zwar von großer Bedeutung<br />

und dürften nicht ignoriert<br />

werden. Es müsse jedoch stets<br />

klar se<strong>in</strong>, dass es sich nur um<br />

vorläufi<strong>ge</strong> Beiträ<strong>ge</strong> handele.<br />

Ihre abschließende Bewertung<br />

oblie<strong>ge</strong> alle<strong>in</strong> den zuständi<strong>ge</strong>n<br />

kirchlichen Autoritäten.<br />

Solchen Dokumenten von<br />

vornehere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e maß<strong>ge</strong>bliche<br />

Bedeutung beizumessen, „wäre<br />

Gele<strong>ge</strong>nheit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>, direkt vom nahe<strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen<br />

Günne aus, aber auch extra<br />

durch den Pfarrhelfer Willi Jung<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzten Bus aus Köln, an <strong>die</strong>sem<br />

Gottes<strong>die</strong>nst teilzunehmen.<br />

Mittlerweile <strong>ist</strong> der neue Diakon<br />

Mart<strong>in</strong> Kofoth bereits tatkräftig im<br />

E<strong>in</strong>satz, sei es bei der Chr<strong>ist</strong>mette am<br />

24.12.2011 <strong>in</strong> Lon<strong>ge</strong>rich oder beim<br />

Friedensgottes<strong>die</strong>nst im Kölner Dom<br />

am 12.01.2012 unter der Leitung von<br />

Kard<strong>in</strong>al Meissner.<br />

(Text: Walter Raab, Fotos:<br />

Erich Poppenborg)<br />

auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er vollständi<strong>ge</strong>n<br />

E<strong>in</strong>heit im Glauben nicht<br />

hilfreich“. Das „entscheidende<br />

Problem“ im ökumenischen<br />

Gespräch sieht Benedikt XVI.<br />

<strong>in</strong> der Fra<strong>ge</strong> nach der „Struktur<br />

der chr<strong>ist</strong>lichen Offenbarung“.<br />

Es müsse <strong>ge</strong>klärt werden,<br />

<strong>in</strong> welchem Verhältnis Bibel,<br />

lebendi<strong>ge</strong> kirchliche Tradition<br />

und kirchliches Lehramt<br />

zue<strong>in</strong>anderstehen. Von<br />

entscheidender Bedeutung sei<br />

hierbei der Unterschied zwischen<br />

Tradition und Traditionen.<br />

Auch unter dem Dach<br />

e<strong>in</strong>er Kirche könne es durchaus<br />

unterschiedliche Traditionen<br />

<strong>ge</strong>ben. Dies zei<strong>ge</strong> etwa der<br />

Übertritt ehemali<strong>ge</strong>r Anglikaner<br />

zur katholischen Kirche.<br />

Diese hätten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er besonderen<br />

Kirchenstruktur spirituelle,<br />

liturgische und pastorale<br />

Traditionen beibehalten, <strong>die</strong> im<br />

E<strong>in</strong>klang mit der katholischen<br />

Lehre stünden.<br />

(KNA)<br />

26 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


Islam im Wandel?<br />

s <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religi-<br />

„Eon“ (Sure 2,256): Gewährt der<br />

Islam Glaubensfreiheit? Nur dann,<br />

wenn es um <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung zum Islam<br />

<strong>ge</strong>ht. In der Re<strong>ge</strong>l halten Muslime<br />

ebenso wie Vertreter der islamischen<br />

Theologie <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung<br />

e<strong>in</strong>es Menschen zum Islam für wünschenswert,<br />

während se<strong>in</strong>e Abwendung,<br />

se<strong>in</strong> „Abfall“ sehr negativ beurteilt<br />

wird. Das gilt umso mehr, wenn<br />

sich der „Apostat“ e<strong>in</strong>er anderen Religion<br />

zuwendet, wie etwa dem chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Glauben. Muslime, <strong>die</strong> offen<br />

bekennende Athe<strong>ist</strong>en oder Chr<strong>ist</strong>en<br />

werden oder e<strong>in</strong>er nicht anerkannten<br />

M<strong>in</strong>derheit wie den Baha’i an<strong>ge</strong>hören,<br />

sehen sich mit zahlreichen Schwierigkeiten<br />

konfrontiert:<br />

Oft steht ihre Familie ihrer Entscheidung<br />

mit völli<strong>ge</strong>m Unverständnis<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber und versucht, sie umzustimmen,<br />

bedroht oder verstößt sie<br />

sogar, denn Abfall bedeutet für sie<br />

Schande, Verrat und Skandal. Der<br />

Konvertit kann <strong>in</strong> den me<strong>ist</strong>en islamischen<br />

Ländern nach dem Gesetz<br />

enterbt werden, ihm droht <strong>die</strong> Zwangsscheidung,<br />

se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der können ihm<br />

entzo<strong>ge</strong>n werden, und er verliert oft<br />

se<strong>in</strong>e Arbeitsstelle und se<strong>in</strong> Zuhause.<br />

In dramatischen Fällen kann es soweit<br />

kommen, dass Mitglieder der Familie<br />

oder Gesellschaft selbst Hand an den<br />

Konvertiten le<strong>ge</strong>n und ihn misshandeln<br />

oder versuchen, ihn umzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

Manche Muslime glauben, <strong>die</strong><br />

<strong>ge</strong>sellschaftliche Schande nicht ertra<strong>ge</strong>n<br />

zu können, andere hören vom<br />

Imam oder Mullah, dass es nach Schariarecht<br />

<strong>die</strong> Pflicht jedes Gläubi<strong>ge</strong>n<br />

sei, Konvertiten auch ohne Gerichtsverhandlung<br />

zu töten.<br />

So <strong>ge</strong>hört der Vorwurf des Unglaubens,<br />

des Abfalls vom Islam und der<br />

Blasphemie <strong>in</strong> islamisch <strong>ge</strong>prägten<br />

Gesellschaften zu den fol<strong>ge</strong>nschwersten<br />

Ankla<strong>ge</strong>n überhaupt. Nicht immer<br />

zielt er darauf ab, dass e<strong>in</strong>e Person<br />

den Islam verlassen oder sich der<br />

Gotteslästerung schuldig <strong>ge</strong>macht hat.<br />

Er richtet sich auch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n missliebi<strong>ge</strong><br />

politische Gegner oder wird benutzt,<br />

um Besitz zu erpressen. Dies <strong>ist</strong> besonders<br />

<strong>in</strong> Pak<strong>ist</strong>an der Fall, wo <strong>die</strong><br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

„Es <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />

ab 1980 schrittweise e<strong>in</strong><strong>ge</strong>führten<br />

Blasphemie<strong>ge</strong>setze als scharfe Waffe<br />

benutzt werden, um vor allem M<strong>in</strong>derheiten<br />

wie <strong>die</strong> Ahmadiya und Chr<strong>ist</strong>en<br />

unter Druck zu setzen. Dort haben bereits<br />

mehrere Politiker – bisher ver<strong>ge</strong>blich<br />

– versucht, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

zu entschärfen.<br />

So wurde Shabazz Bhatti, M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<br />

für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten und<br />

Mitglied der regierenden Pak<strong>ist</strong>an<br />

Peoples Party (PPP), <strong>in</strong> Islamabad am<br />

02.03.2011 ermordet, nachdem er an<strong>ge</strong>kündigt<br />

hatte, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

revi<strong>die</strong>ren zu wollen. Auf dem Weg<br />

zu se<strong>in</strong>em M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium war er von drei<br />

Attentätern aus se<strong>in</strong>em Wa<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>zerrt<br />

und <strong>in</strong> aller Öffentlichkeit h<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet<br />

worden. Die Terrorgruppierung<br />

Tehrik-i Taliban Pak<strong>ist</strong>an (TTP) übernahm<br />

<strong>die</strong> Verantwortung für <strong>die</strong> Tat.<br />

Das M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten<br />

wurde von der Regierung<br />

daraufh<strong>in</strong> auf<strong>ge</strong>löst. Die regierende<br />

Pak<strong>ist</strong>an Peoples Party (PPP) verurteilte<br />

<strong>die</strong> Taten nur verhalten und zog<br />

nach hefti<strong>ge</strong>n Straßenprotesten ihren<br />

Antrag auf Revision der Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />

im Parlament zurück.<br />

Koran, Überlieferung und Theologie<br />

über den Abfall<br />

Zwar sagt der Koran: „Es gibt<br />

ke<strong>in</strong>en Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />

(Sure 2,256). Auch haben muslimische<br />

Theolo<strong>ge</strong>n im Laufe der Geschichte<br />

der Koranauslegung häufig<br />

betont, dass niemand zur Konversion<br />

zum Islam <strong>ge</strong>zwun<strong>ge</strong>n werden dürfe.<br />

Das spie<strong>ge</strong>lt sich auch m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong><br />

Teilen der islamischen Eroberungs<strong>ge</strong>schichte<br />

wider. Chr<strong>ist</strong>en und Juden<br />

durften <strong>in</strong> den von Muslimen eroberten<br />

Gebieten <strong>in</strong> der Re<strong>ge</strong>l ihren<br />

Glauben und ihre religiöse Autonomie<br />

behalten, mussten also nicht konvertieren,<br />

wurden dafür aber „Schutzbefohlene“<br />

(dhimmi), <strong>die</strong> Sondersteuern<br />

entrichten und sich unterwerfen<br />

mussten. Sure 2,256 bedeutet nach<br />

überwie<strong>ge</strong>nder Me<strong>in</strong>ung der Theolo<strong>ge</strong>n<br />

aber nicht, dass der Islam für<br />

den freien Religionswechsel, für Religionsfreiheit<br />

im umfassenden S<strong>in</strong>ne<br />

oder <strong>die</strong> Gleichberechtigung aller<br />

RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

Religionen e<strong>in</strong>treten würde. So waren<br />

Juden und Chr<strong>ist</strong>en im Laufe der Geschichte<br />

im islamisch eroberten Gebiet<br />

Geduldete, Bür<strong>ge</strong>r zweiter Klasse<br />

und rechtlich Benachteiligte, da<br />

sie e<strong>in</strong>er durch den Islam überholten<br />

– und durch <strong>die</strong> Abweichun<strong>ge</strong>n vom<br />

Islam als verfälscht beurteilten – Religion<br />

anh<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

In der Tatsache, dass schon der<br />

Koran das Juden- und Chr<strong>ist</strong>entum<br />

als m<strong>in</strong>derwerti<strong>ge</strong> Religionen ansieht,<br />

liegt e<strong>in</strong> Grund, warum e<strong>in</strong>e Konversion<br />

zum Chr<strong>ist</strong>entum als grundle<strong>ge</strong>nd<br />

falsch gilt. Denn sie sche<strong>in</strong>t<br />

e<strong>in</strong> Rückschritt zu e<strong>in</strong>em überholten<br />

Glauben zu se<strong>in</strong>, der aus Sicht des Islam<br />

durch das Kommen des Islam und<br />

Muhammad, das „Sie<strong>ge</strong>l der Propheten“<br />

(Sure 33,40), ab<strong>ge</strong>löst wurde. Die<br />

„Kairoer Erklärung der Menschenrechte“<br />

nennt <strong>in</strong> Art. 10 den Islam<br />

„<strong>die</strong> Religion der re<strong>in</strong>en Wesensart“.<br />

Zudem gilt das Chr<strong>ist</strong>entum oft als<br />

„westliche“ Religion, als Religion<br />

der Kreuzfahrer und Kolonialherren,<br />

und wird mit westlich-politischer Dom<strong>in</strong>anz<br />

verknüpft.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund für <strong>die</strong> Ablehnung<br />

des freien Religionswechsels<br />

liegt <strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong> Abwendung<br />

vom Islam von vielen Muslimen<br />

nicht als Privatan<strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nheit betrachtet<br />

wird, sondern als Schande für <strong>die</strong><br />

ganze Familie oder sogar als politisches<br />

Handeln, als Unruhestiftung,<br />

Aufruhr oder Kriegserklärung an <strong>die</strong><br />

muslimische Geme<strong>in</strong>schaft. Weil sich<br />

nach Muhammads Tod im Jahr 632<br />

mehrere Stämme auf der Arabischen<br />

Halb<strong>in</strong>sel, <strong>die</strong> den Islam zunächst<br />

an<strong>ge</strong>nommen hatten, wieder von ihm<br />

abwandten, bekämpfte Abu Bakr, der<br />

erste Kalif nach Muhammad, <strong>die</strong>se<br />

Stämme <strong>in</strong> den so<strong>ge</strong>nannten ridda-<br />

Krie<strong>ge</strong>n (Abfall-Krie<strong>ge</strong>n) und schlug<br />

ihren Aufstand erfolgreich nieder.<br />

Daher <strong>ist</strong> der Abfall vom Islam im<br />

kollektiven Gedächtnis der muslimischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft von der Frühzeit<br />

an mit politischem Aufruhr und Verrat<br />

verknüpft.<br />

Der Koran spricht e<strong>in</strong>erseits vom<br />

Unglauben der Menschen und vom<br />

„Abirren“ (2,108), dem der „Zorn Got-<br />

27


RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

tes“ (9,74) sowie <strong>die</strong> „Strafe der Hölle“<br />

(4,115) drohen, def<strong>in</strong>iert aber ke<strong>in</strong><br />

irdisches Strafmaß und benennt ke<strong>in</strong><br />

Verfahren zur e<strong>in</strong>wandfreien Feststellung<br />

der Apostasie. E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> Verse<br />

sche<strong>in</strong>en sogar <strong>die</strong> freie Religionswahl<br />

nahezule<strong>ge</strong>n (z. B. 3,20), während andere,<br />

wie etwa Sure 4,88-89, Muslime<br />

ermahnen, <strong>die</strong> zu „greifen und zu töten“,<br />

<strong>die</strong> sich abwenden. E<strong>in</strong> vieldeuti<strong>ge</strong>r<br />

Textbefund also, der von e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n<br />

weni<strong>ge</strong>n muslimischen Theolo<strong>ge</strong>n so<br />

aus<strong>ge</strong>legt wird, dass der Koran volle<br />

Religionsfreiheit befürworte, während<br />

andere argumentieren, der Koran votiere<br />

für <strong>die</strong> Todesstrafe bei Abfall.<br />

Die bis zum 9./10. Jahrhundert<br />

zusammen<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne islamische Überlieferung<br />

verurteilt den Abfall schärfer<br />

und fordert nun auch e<strong>in</strong>deuti<strong>ge</strong>r<br />

<strong>die</strong> Todesstrafe. Dieser Forderung<br />

schließen sich bis zum 10. Jahrhundert<br />

<strong>die</strong> Gründer und Schüler der vier<br />

sunnitischen Rechtsschulen sowie<br />

der wichtigsten schiitischen an, so<br />

dass <strong>die</strong> Mehrzahl der e<strong>in</strong>flussreichen<br />

Theolo<strong>ge</strong>n der Frühzeit des Islam <strong>die</strong><br />

Todesstrafe bei Konversion fordert<br />

und <strong>die</strong>s <strong>in</strong> den Strafrechtstexten der<br />

Schariakompen<strong>die</strong>n niederlegt.<br />

Ob <strong>die</strong> Todesstrafe, besonders <strong>in</strong><br />

der Frühzeit des Islam, <strong>in</strong> jedem Fall<br />

vollzo<strong>ge</strong>n wurde, ob der Ab<strong>ge</strong>fallene<br />

Gele<strong>ge</strong>nheit zur Reue erhielt und wer<br />

überhaupt berechtigt war, den Abfall<br />

zu beurteilen und den Beschuldigten<br />

anzukla<strong>ge</strong>n und h<strong>in</strong>zurichten, <strong>ist</strong> aus<br />

der Geschichte nicht lückenlos zu rekonstruieren.<br />

Bis zum 19. Jahrhundert<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> konkrete Fälle von H<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n<br />

bekannt, aber auch Fälle<br />

von Begnadigun<strong>ge</strong>n.<br />

Im 20. Jahrhundert erhält <strong>die</strong> Thematik<br />

e<strong>in</strong>e ganz neue Bedeutung. Im<br />

Zusammenhang mit dem Aufkommen<br />

des Islamismus und der Forderung politisch-islamischer<br />

Kräfte, <strong>die</strong> Scharia<br />

<strong>in</strong> vollem Umfang zur Anwendung zu<br />

br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, erheben sich vermehrt Rufe<br />

nach der H<strong>in</strong>richtung von Apostaten.<br />

Progressive Koranausle<strong>ge</strong>r, Frauenrechtler<strong>in</strong>nen,<br />

Journal<strong>ist</strong>en und Autoren,<br />

Säkular<strong>ist</strong>en und An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong><br />

von M<strong>in</strong>derheiten werden vermehrt<br />

we<strong>ge</strong>n Apostasie an<strong>ge</strong>zeigt. So kam<br />

es <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren des 20.<br />

Jahrhunderts <strong>in</strong> Ägypten zu m<strong>in</strong>destens<br />

50 Ankla<strong>ge</strong>n we<strong>ge</strong>n Apostasie<br />

vor Gericht (darunter der berühmte<br />

Fall Nasr Hamid Abu Zaid). E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong><br />

Theolo<strong>ge</strong>n forderten <strong>die</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

der Todesstrafe im ägyptischen Recht.<br />

Heute vertreten muslimische<br />

Theolo<strong>ge</strong>n vor allem drei Positionen<br />

zur Fra<strong>ge</strong> der Apostasie: E<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit<br />

fordert wie der e<strong>in</strong>flussreiche pak<strong>ist</strong>anische<br />

Journal<strong>ist</strong> und politische<br />

Aktiv<strong>ist</strong> Abu l-A’la Maududi (<strong>ge</strong>st.<br />

1979) kompromisslos <strong>die</strong> Todesstrafe<br />

für jeden, der den Islam verlässt.<br />

E<strong>in</strong>e weitere M<strong>in</strong>derheit fordert wie<br />

der von den Malediven stammende<br />

Theolo<strong>ge</strong> Abdullah Saeed (<strong>ge</strong>b. 1960)<br />

unbed<strong>in</strong>gte Glaubensfreiheit, wozu<br />

auch <strong>die</strong> Freiheit <strong>ge</strong>hört, sich vom<br />

Islam ab- und e<strong>in</strong>er neuen Religion<br />

zuzuwenden.<br />

Die Mehrheit der Theolo<strong>ge</strong>n dürfte<br />

heute <strong>die</strong> Auffassung des <strong>in</strong>ternational<br />

e<strong>in</strong>flussreichen ägyptischen Gelehrten<br />

Yusuf al-Qaradawi (<strong>ge</strong>b. 1926)<br />

befürworten: Danach darf e<strong>in</strong> Muslim<br />

zwar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Innersten Zweifel he<strong>ge</strong>n,<br />

aber nicht darüber sprechen, zu<br />

e<strong>in</strong>er anderen Religion konvertieren<br />

oder versuchen, andere vom Islam<br />

abzuwerben. Auch <strong>die</strong> Scharia, den<br />

Islam, den Koran oder Muhammad<br />

darf er <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Aspekt kritisieren.<br />

Tut er <strong>die</strong>s, wird das <strong>in</strong> der Re<strong>ge</strong>l als<br />

Aufruhrstiftung, Verrat und Entzweiung<br />

der muslimischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

betrachtet, <strong>die</strong> unterbunden und bestraft<br />

werden muss; al-Qaradawi hält<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong> Todesstrafe für verpflichtend.<br />

Er deklariert das Ge<strong>ge</strong>nteil<br />

von Religionsfreiheit als „Religionsfreiheit“.<br />

Kommt <strong>die</strong> Religionsfreiheit<br />

durch <strong>die</strong> Arabellion?<br />

Die rechtliche und <strong>ge</strong>sellschaftliche<br />

Situation <strong>ist</strong> von Land zu<br />

Land sehr verschieden: Der Nordsudan<br />

etwa bedroht den Abtrünni<strong>ge</strong>n per<br />

Gesetz mit der Todesstrafe. In Ägypten<br />

ex<strong>ist</strong>iert zwar per Gesetz Glaubensfreiheit,<br />

aber an<strong>ge</strong>sehene Gelehrte<br />

der al-Azhar haben verschiedentlich<br />

zur H<strong>in</strong>richtung von Ab<strong>ge</strong>fallenen<br />

auf<strong>ge</strong>rufen. In der Türkei<br />

schließt das Gesetz auch <strong>die</strong> Freiheit<br />

e<strong>in</strong>, sich öffentlich zu se<strong>in</strong>em Glauben<br />

zu bekennen, auch wenn <strong>die</strong>ser<br />

durch Konversion an<strong>ge</strong>nommen wurde.<br />

Gesellschaftliche Nachteile und<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aber s<strong>in</strong>d überall<br />

zu erwarten.<br />

Obwohl es sie viel kostet, kritisieren<br />

manche Muslime <strong>die</strong> traditio-<br />

nelle Auslegung des Islam, pran<strong>ge</strong>rn<br />

mutig den Man<strong>ge</strong>l an Menschen- oder<br />

speziell Frauenrechten an (was ihnen<br />

gleichermaßen den Vorwurf des Abfalls<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n kann) oder wenden<br />

sich dem chr<strong>ist</strong>lichen Glauben zu.<br />

Manche werden unter Druck <strong>ge</strong>setzt,<br />

müssen außer Landes fliehen, andere<br />

werden <strong>in</strong>haftiert, <strong>ge</strong>foltert, we<strong>ge</strong>n<br />

zu Unrecht erhobener Ankla<strong>ge</strong>n wie<br />

Dro<strong>ge</strong>nhandel oder Spiona<strong>ge</strong> verurteilt<br />

oder sogar um<strong>ge</strong>bracht. Manche<br />

Konvertiten kehren später we<strong>ge</strong>n des<br />

großen <strong>ge</strong>sellschaftlichen Drucks, der<br />

ihnen vor Ort kaum e<strong>in</strong>e legale Ex<strong>ist</strong>enz<br />

als Andersgläubi<strong>ge</strong> ermöglicht,<br />

wieder zum Islam zurück. Um<strong>ge</strong>kehrt<br />

konvertieren sowohl <strong>in</strong> islamisch <strong>ge</strong>prägten<br />

Gesellschaften als auch <strong>in</strong><br />

westlichen Ländern nom<strong>in</strong>elle oder<br />

auch praktizierende Chr<strong>ist</strong>en zum Islam,<br />

teilweise im Zu<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>er Eheschließung,<br />

aber nicht nur deshalb.<br />

E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ser Konvertiten <strong>ge</strong>rieten<br />

unter den E<strong>in</strong>fluss radikaler Predi<strong>ge</strong>r<br />

und haben als Jihad-Kämpfer <strong>in</strong><br />

Afghan<strong>ist</strong>an oder Pak<strong>ist</strong>an von sich<br />

reden <strong>ge</strong>macht.<br />

Fehlende Religionsfreiheit <strong>ge</strong>ht<br />

immer e<strong>in</strong>her mit fehlenden politischen<br />

wie persönlichen Freiheitsrechten.<br />

Religionsfreiheit <strong>ist</strong> noch längst<br />

nicht <strong>in</strong> allen Teilen der Welt e<strong>in</strong>e<br />

Selbstverständlichkeit. An<strong>ge</strong>sichts e<strong>in</strong>er<br />

<strong>ge</strong>wählten islam<strong>ist</strong>ischen Mehrheit<br />

im Parlament wie <strong>in</strong> Ägypten nach<br />

der Arabellion, <strong>die</strong> an der E<strong>in</strong>heit von<br />

Religion und Staat festhalten wird,<br />

sche<strong>in</strong>t sie sich auch dort auf absehbare<br />

Zeit nicht anzubahnen.<br />

(Pressemitteilung des Institutes<br />

für Islamfra<strong>ge</strong>n der Deutschen<br />

Evan<strong>ge</strong>lischen Allianz e.V.)<br />

Redaktionsschluss für<br />

AUFTRAG 286<br />

Freitag, 1. Juni 2012<br />

28 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


Islam im Wandel?<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Islamunterricht <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

VON BERTRAM BASTIAN<br />

RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

Seit den 60er Jahren leben Muslime <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Zuerst als Gastarbeiter alle<strong>in</strong>, dann zo<strong>ge</strong>n ihre Familien<br />

nach und so leben heute ca. 3,3 Mio Muslime (Anzahl 2003) <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, darunter zahlreiche schulpflichti<strong>ge</strong><br />

K<strong>in</strong>der. Im Schuljahr 2012/2013 wird <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e<strong>in</strong> Islamunterricht an<strong>ge</strong>boten<br />

werden, im Schuljahr 2013/2014 wird Niedersachsen <strong>die</strong>sem Beispiel fol<strong>ge</strong>n. Bisher fanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Bundesländern<br />

Schulversuche an aus<strong>ge</strong>wählten E<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n statt, <strong>die</strong> aber nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit der muslimischen<br />

Schüler erreichte.<br />

All<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>e rechtliche Betrachtun<strong>ge</strong>n<br />

Das Grund<strong>ge</strong>setz der Bundesrepublik<br />

<strong>Deutschland</strong> sagt im Art. 3,<br />

dass niemand we<strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>er Religionszu<strong>ge</strong>hörigkeit<br />

benachteiligt oder bevorzugt<br />

werden darf. Im Art. 4, Abs.<br />

2 sagt das Grund<strong>ge</strong>setz, dass <strong>die</strong> un<strong>ge</strong>störte<br />

Religionsausübung <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>et<br />

werde. Im Art. 7, Abs. 3 wird<br />

der Gesetz<strong>ge</strong>ber noch deutlicher, dort<br />

steht: „Der Religionsunterricht <strong>ist</strong> <strong>in</strong><br />

den öffentlichen Schulen mit Ausnahme<br />

der bekenntnisfreien Schulen<br />

ordentliches Lehrfach. Unbeschadet<br />

des staatlichen Aufsichtsrechtes wird<br />

der Religionsunterricht <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

mit den Grundsätzen der<br />

Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaften erteilt. Ke<strong>in</strong><br />

Lehrer darf <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>en Willen verpflichtet<br />

werden, Religionsunterricht<br />

zu erteilen.“ Weil <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> der<br />

Staat zur weltanschaulichen Neutralität<br />

verpflichtet <strong>ist</strong>, können <strong>die</strong> Inhalte<br />

des Religionsunterrichtes nur von den<br />

Kirchen und Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaften<br />

selbst fest<strong>ge</strong>legt werden. Jeder<br />

hat demzufol<strong>ge</strong> das Recht, se<strong>in</strong>e Religion<br />

zu praktizieren, der Staat muss<br />

dafür Sor<strong>ge</strong> tra<strong>ge</strong>n, dass er es auch tun<br />

kann. Andere Religionen oder Überzeugun<strong>ge</strong>n<br />

dürfen darunter nicht leiden.<br />

Dabei dürfen unveränderliche<br />

Menschenrechte nicht <strong>ge</strong>schmälert<br />

oder gar außer Kraft <strong>ge</strong>setzt werden.<br />

Der Art. 140 des Grund<strong>ge</strong>setzes<br />

legt fest, dass <strong>die</strong> Art. 136, 137, 138,<br />

139 und 141 der deutschen Verfassung<br />

vom 11. August 1919 Bestandteile<br />

des Grund<strong>ge</strong>setzes s<strong>in</strong>d. Dar<strong>in</strong><br />

wird unter anderem auch bestimmt,<br />

dass es ke<strong>in</strong>e Staatskirche <strong>ge</strong>be. Die<br />

Religions<strong>ge</strong>sellschaften erwerben ihre<br />

Rechtsfähigkeit nach den all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en<br />

Vorschriften des bür<strong>ge</strong>rlichen Rechtes<br />

und s<strong>in</strong>d nach Anerkennung Körperschaften<br />

des öffentlichen Rech-<br />

tes. Dadurch er<strong>ge</strong>ben sich besondere<br />

Rechte und Pflichten. Über <strong>die</strong> Probleme<br />

der Anerkennung des Islam als<br />

Religions<strong>ge</strong>sellschaft hat der AUF-<br />

TRAG 266 ab Seite 59 ausführlich<br />

berichtet.<br />

Katholische Kirche <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Die Deutsche Bischofskonferenz<br />

hat im Jahr 2003 <strong>die</strong> Arbeitshilfe<br />

172 „Chr<strong>ist</strong>en und Muslime <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>“ heraus<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben. Dar<strong>in</strong><br />

wird beschrieben, wie <strong>in</strong> Schulen<br />

<strong>in</strong> katholischer Trä<strong>ge</strong>rschaft das<br />

Thema „Islam“ im Religionsunterricht<br />

behandelt wird. Hier liegt e<strong>in</strong><br />

Schwerpunkt, <strong>die</strong> Religion des Anderen<br />

kennen zu lernen, wobei <strong>die</strong><br />

Grundpflichten des Islam ebenso <strong>ge</strong>lehrt<br />

werden wie <strong>die</strong> Geschichte des<br />

Islam. Durch <strong>die</strong>se Unterrichtung lernen<br />

<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen zwischen<br />

den religiösen Lehren e<strong>in</strong>erseits und<br />

den ethischen Werten des Islam zu<br />

unterscheiden. E<strong>in</strong>er politischen Instrumentalisierung<br />

wird somit ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<strong>ge</strong>wirkt.<br />

Grundla<strong>ge</strong> des Dialo<strong>ge</strong>s<br />

zwischen den Religionen müssen <strong>die</strong><br />

all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en Menschenrechte se<strong>in</strong>,<br />

ohne E<strong>in</strong>schränkun<strong>ge</strong>n oder Hervorhebun<strong>ge</strong>n.<br />

In der Ziffer 319 führt <strong>die</strong><br />

Arbeitshilfe aus, dass das Chr<strong>ist</strong>entum<br />

<strong>in</strong> den beiden letzten Jahrhunderten<br />

durch <strong>die</strong> Säkularisierung <strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n<br />

sei und lernen musste, dass Religion<br />

nicht Herrschaftsordnung se<strong>in</strong><br />

könne. Für viele Muslime <strong>ist</strong> h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e en<strong>ge</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen Religion,<br />

Staat und Rechtswesen durch<br />

den Koran vor<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben.<br />

Das Zentralkomitee der deutschen<br />

Katholiken hat den Gesprächskreis<br />

„Chr<strong>ist</strong>en und Muslime“ seit<br />

dem Jahr 2000 e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet, der aus<br />

elf Chr<strong>ist</strong>en und acht Muslimen besteht.<br />

In e<strong>in</strong>er Erklärung aus dem Jahr<br />

2008 nimmt der Gesprächskreis auch<br />

zum islamischen Unterricht <strong>in</strong> Schulen<br />

Stellung. Dabei führt er richti<strong>ge</strong>rweise<br />

aus, dass der Islam über ke<strong>in</strong>e<br />

organisatorischen Strukturen wie <strong>die</strong><br />

Kirchen verfügt. Die Moscheenverbände<br />

s<strong>in</strong>d als Vere<strong>in</strong>e reg<strong>ist</strong>riert,<br />

der Dachverband „Koord<strong>in</strong>ierungsrat<br />

der Muslime“ vertritt nicht <strong>die</strong> Mehrheit,<br />

da viele Muslime <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en<br />

nicht reg<strong>ist</strong>riert s<strong>in</strong>d. Somit fehlt<br />

der staatlichen Institution der Ansprechpartner<br />

auf islamischer Seite,<br />

um Vere<strong>in</strong>barun<strong>ge</strong>n zu treffen. Trotzdem<br />

spricht sich der Gesprächskreis<br />

dafür aus, sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig zu unterstützen,<br />

um e<strong>in</strong>en dialogisch aus<strong>ge</strong>richteten<br />

konfessionellen Religionsunterricht<br />

<strong>in</strong> ökumenischer und <strong>in</strong>terreligiöser<br />

Offenheit e<strong>in</strong>zurichten.<br />

Durchführung des islamischen<br />

Religionsunterrichtes<br />

Wer Unterricht erteilen will, benötigt<br />

Lehrkräfte. Diese wurden<br />

bisher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kurs „Islamkunde“<br />

vom Staat zertifiziert. Der Unterricht<br />

wird <strong>in</strong> deutscher Sprache <strong>ge</strong>halten,<br />

er wird nach Lehrplänen stattf<strong>in</strong>den,<br />

<strong>die</strong> vom Staat <strong>ge</strong>billigt werden müssen,<br />

denn Schulunterricht obliegt der<br />

staatlichen Aufsicht. Um <strong>die</strong> Ausbildung<br />

von befähigten Lehrern zu fördern,<br />

hat nicht nur <strong>die</strong> Universität<br />

Münster e<strong>in</strong>e Stu<strong>die</strong>nordnung erarbeitet.<br />

Inzwischen werden Stu<strong>die</strong>ngän<strong>ge</strong><br />

für islamische Religionslehre<br />

an den Universitäten Erlan<strong>ge</strong>n-Nürnberg,<br />

Münster und Osnabrück an<strong>ge</strong>boten,<br />

wo jeweils auch e<strong>in</strong> Lehrstuhl<br />

e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet wurde. Es wird also zukünftig<br />

an Hochschulen aus<strong>ge</strong>bildete<br />

Lehrer für islamischen Religionsunterricht<br />

<strong>ge</strong>ben.<br />

Damit wäre <strong>die</strong> Seite der Unterrichtenden<br />

<strong>ge</strong>klärt. Wer legt <strong>die</strong> In-<br />

29


RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

halte fest? Die Rolle des Ansprechpartners,<br />

übernimmt <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen (NRW) e<strong>in</strong> staatsunabhängi<strong>ge</strong>r<br />

Beirat, der <strong>ge</strong>mäß ersatzweise<br />

<strong>die</strong> Funktion e<strong>in</strong>er Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft.<br />

Dieser Beirat besteht aus <strong>in</strong>s<strong>ge</strong>samt<br />

acht Mitgliedern, vier werden<br />

von den muslimischen Organisationen<br />

bestimmt und müssen über theologisch,<br />

religionspädagogisch oder islam-wissenschaftlich<br />

qualifiziert se<strong>in</strong>.<br />

Die restlichen vier Mitglieder werden<br />

vom Schulm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium bestimmt. Zwei<br />

ebenfalls religionspädagogisch oder<br />

islam-wissenschaftlich qualifizierte<br />

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens<br />

und zwei muslimische Religions<strong>ge</strong>lehrte.<br />

Der Beirat soll <strong>die</strong> Anlie<strong>ge</strong>n<br />

der islamischen Glaubens<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />

vertreten und beim Erstellen<br />

der Unterrichtsvorgaben und der<br />

Auswahl der Lehrmittel und Lehrkräfte<br />

mitwirken. In allen Fra<strong>ge</strong>n hat nur<br />

das Schulm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium <strong>die</strong> Entscheidungsbefugnis.<br />

Diese Übergangsre<strong>ge</strong>lung<br />

<strong>ist</strong> im neuen Schul<strong>ge</strong>setz <strong>in</strong><br />

NRW im Artikel 132 a fest<strong>ge</strong>legt. Im<br />

Artikel 133 <strong>ist</strong> fest<strong>ge</strong>schrieben, dass<br />

Cartellverband der katholischen Deutschen Studentenverb<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n (CV)<br />

Me<strong>die</strong>nfachtagung des CV im Kloster Banz<br />

<strong>die</strong>se E<strong>in</strong>führung des islamischen Religionsunterrichtes<br />

wissenschaftlich<br />

begleitet und aus<strong>ge</strong>wertet werden soll.<br />

Dem Landtag <strong>ist</strong> bis zum 31. Juli 2018<br />

darüber zu berichten.<br />

Die Durchführung von konfessions<strong>ge</strong>bundenem<br />

Religionsunterricht<br />

für <strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Muslime <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

kann e<strong>in</strong> wesentlicher Schlüssel<br />

für <strong>die</strong> Integration se<strong>in</strong>. Auf dem<br />

Boden des Grund<strong>ge</strong>setzes können<br />

Grundla<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>legt werden für e<strong>in</strong> konfliktfreies<br />

Nebene<strong>in</strong>ander verschiedener<br />

Ansichten. ❏<br />

– Aufklärung – Unterhaltung – Special Interest. Welche Rolle spielt zwischen <strong>die</strong>sen Kräften<br />

noch <strong>die</strong> Orientierung an Werten?“ Mit <strong>die</strong>sem ausführlichen Titel beschäftigten sich an der Hanns<br />

„Sensation<br />

Seidel Stiftung <strong>in</strong> Kooperation mit dem CV rund fünfzig Teilnehmer vom 4. bis 6. November 2011<br />

Nach der Begrüßung durch Roswitha<br />

Weiß von der Hanns Seidel<br />

Stiftung und durch Wolfgang Braun<br />

vom CV trug der ehemali<strong>ge</strong> Intendant<br />

des Bayerischen Rundfunks, Prof. Dr.<br />

Albert Scharf zum Thema „Der Journalismus<br />

im Zug der Zeiten und Technologien“<br />

vor. Aus se<strong>in</strong>er langjähri<strong>ge</strong>n<br />

Erfahrung stellte er <strong>die</strong> Aufgabe des<br />

Journal<strong>ist</strong>en vor, der der Freiheit <strong>die</strong>nen<br />

sollte. Indem er den zu <strong>in</strong>formierenden<br />

Menschen <strong>die</strong> Welt vermittelt,<br />

wie er sie sieht. Indem er Missbräuche<br />

aufzeigt, H<strong>in</strong>tergründe erklärt, Akzente<br />

setzt. Dies bedeute, der Journal<strong>ist</strong><br />

müsse e<strong>in</strong>en Standpunkt haben,<br />

der dem Publikum bekannt se<strong>in</strong><br />

müsse, damit <strong>die</strong> richti<strong>ge</strong> E<strong>in</strong>ordnung<br />

der Information erfol<strong>ge</strong>, führte Prof.<br />

Scharf aus. Dabei kommt allerd<strong>in</strong>gs<br />

auch zum Tra<strong>ge</strong>n, dass Zeitun<strong>ge</strong>n und<br />

Verla<strong>ge</strong> heute wirtschaftliche Unternehmen<br />

se<strong>in</strong>e, <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />

aus<strong>ge</strong>richtet seien. Während früher<br />

Zeit zur Reflektion, Berichterstattung<br />

unter Beachtung des Zeit<strong>ge</strong><strong>ist</strong>es und<br />

vor allem der Zeitpunkt e<strong>in</strong>er Veröffentlichung<br />

e<strong>in</strong>e große Rolle spielten,<br />

setze heut <strong>die</strong> Globalisierung den Berichtenden<br />

unter Zeitdruck unter der<br />

Maxime: Verkauft es sich? Dadurch<br />

resultierenden Vorbehalten <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

den Journal<strong>ist</strong>en könne man nur be-<br />

<strong>ge</strong>gnen durch sorgfälti<strong>ge</strong> Recherche<br />

(trotz Zeitdruck), klare Sprache sowie<br />

e<strong>in</strong>en spürbaren D<strong>ist</strong>anz des Berichtenden<br />

<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem Bericht selbst.<br />

Das Programm setzte am Samstagvormittag<br />

Birgit Wentzien, Leiter<strong>in</strong><br />

des Hauptstadtstudios des SWR-<br />

Hörfunks fort. Sie referierte über<br />

„Hauptstadtjournalismus zwischen<br />

Vertraulichkeit, Enthüllung und politischer<br />

Aufklärung“. Der Journal<strong>ist</strong><br />

sei Mittler zwischen den Politikern<br />

und den Bür<strong>ge</strong>r (Wähler), begann <strong>die</strong><br />

Referent<strong>in</strong> ihren Vortrag. Dabei habe<br />

der Bür<strong>ge</strong>r teilweise Erwartun<strong>ge</strong>n an<br />

<strong>die</strong> Politiker, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se nicht erfüllen<br />

könnten (Fraktionszwang, Koalitionskompromisse),<br />

was letztendlich dazu<br />

führen könne, dass der Bür<strong>ge</strong>r sich<br />

von der repräsentativen Demokratie<br />

abwende. Durch e<strong>in</strong>e „Überhöhung“<br />

von M<strong>in</strong>derheiten aber auch<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten könnten Wichtigkeiten<br />

um<strong>ge</strong>kehrt werden, führte Birgit<br />

Wentzien aus. E<strong>in</strong> Beispiel sei das<br />

Gespräch zwischen Helmut Schmidt<br />

und Peer Ste<strong>in</strong>brück <strong>ge</strong>wesen. Hier<br />

sei dem Leser oder Zuschauer nur<br />

noch <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, dass das Schachbrett<br />

falsch auf<strong>ge</strong>stellt <strong>ge</strong>wesen war,<br />

der ei<strong>ge</strong>ntliche politische Inhalt des<br />

Gespräches sei davon verdrängt worden,<br />

erklärte sie <strong>die</strong>ses Phänomen.<br />

Beim „Kampf um <strong>die</strong> Aufmerksamkeit“<br />

se<strong>in</strong>e Schlagzeilen <strong>ge</strong>fragt, <strong>die</strong><br />

Aufla<strong>ge</strong>n br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n würden, dabei verkümmere<br />

der Sprach<strong>ge</strong>brauch. „Wer<br />

se<strong>in</strong>e Sprache nicht beherrscht, kann<br />

nicht <strong>in</strong>formieren und aufklären“ sagte<br />

<strong>die</strong> Leiter<strong>in</strong> des Hauptstadtstudios.<br />

Im Anschluss trug Prof. Dr. Michael<br />

Rutz zur Me<strong>die</strong>nlandschaft <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> vor. Er legte <strong>die</strong> neuesten<br />

Zahlen zur Me<strong>die</strong>nbenutzung vor,<br />

wobei <strong>in</strong>teressanterweise <strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>tme<strong>die</strong>n<br />

nach wie vor ihren Stellenwert<br />

behalten hätten. Der wachsende<br />

E<strong>in</strong>fluss des Internet sei <strong>ge</strong>rade bei<br />

den jün<strong>ge</strong>ren Konsumenten deutlich<br />

zu beobachten. Während früher <strong>die</strong><br />

Zeitung <strong>in</strong>formierte, was <strong>ge</strong>schehen<br />

war, <strong>ge</strong>schehe <strong>die</strong>s jetzt durch das<br />

Internet während <strong>die</strong> Zeitung erkläre,<br />

warum <strong>die</strong>s <strong>ge</strong>schehen sei. Diese<br />

Veränderung der Me<strong>die</strong>n würde<br />

begleitet durch <strong>die</strong> Veränderung des<br />

Verhaltens der Konsumenten. Es sei<br />

e<strong>in</strong>e wachsende Bildorientierung festzustellen,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stei<strong>ge</strong>nden Unterhaltungsorientierung<br />

münde, führte<br />

Prof. Rutz aus. „Die Entwicklung <strong>ge</strong>ht<br />

zum Infota<strong>in</strong>ment“ sagte der Redner.<br />

Bei den Zeitun<strong>ge</strong>n hörte der Vortra<strong>ge</strong>nde<br />

„ke<strong>in</strong> Sterbeglöckle<strong>in</strong>“, wenn<br />

<strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>tme<strong>die</strong>n sich umstellen würden<br />

und auch im Internet Präsenz<br />

30 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


zeigten, um alle Gruppen zu erreichen.<br />

Lesen sei e<strong>in</strong>e universelle Kulture<strong>in</strong>richtung,<br />

schloss Michael Rutz<br />

se<strong>in</strong>en Vortrag.<br />

„Kirchliche Publiz<strong>ist</strong>ik – Zieht<br />

sich der Me<strong>in</strong>ungsträ<strong>ge</strong>r Kirche h<strong>in</strong>ter<br />

Kirchenmauern zurück?“ Unter <strong>die</strong>sem<br />

Thema brachte <strong>die</strong> Redaktionsleiter<strong>in</strong><br />

des „Zeit“ Supplements „Chr<strong>ist</strong><br />

und Welt“, Dr. Chr<strong>ist</strong>iane Flor<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Situation der katholischen Publiz<strong>ist</strong>ik<br />

den Zuhörern zur Kenntnis. E<strong>in</strong>e<br />

„Enthaltung“ sei der Kirche nicht<br />

möglich, denn sie sei immer im Fokus<br />

der Me<strong>die</strong>n. Dieses Interesse reiche<br />

von der Satire bis h<strong>in</strong> zur sach<strong>ge</strong>rechten<br />

Information, <strong>die</strong> es auch gäbe. Da<br />

sich Menschen für Menschen <strong>in</strong>teressieren<br />

würden, sei <strong>die</strong> Kirche dann<br />

<strong>in</strong>teressant, wenn es „<strong>in</strong>teressante“<br />

Kirchenvertreter gäbe, referierte Dr.<br />

Flor<strong>in</strong>. Somit müssten <strong>die</strong> Themen<br />

„personalisiert“ werden, damit <strong>die</strong><br />

Standpunkte dem Publikum auch im<br />

Gedächtnis haften würden. „Man verknüpft<br />

mit e<strong>in</strong>em Thema leichter e<strong>in</strong><br />

Gesicht als den Standpunkt mit vielen<br />

Facetten selbst“ führte <strong>die</strong> Redner<strong>in</strong><br />

aus. Während <strong>die</strong> kirchlichen<br />

Publikationen wie B<strong>ist</strong>umszeitun<strong>ge</strong>n<br />

immer weni<strong>ge</strong>r von den Menschen an<strong>ge</strong>nommen<br />

würden, seien E<strong>in</strong>zelpersönlichkeiten<br />

wie Pater Anselm Grün<br />

oder Margot Käßmann Bestsellerau-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

toren und nach<strong>ge</strong>fragt. Da werde sich<br />

<strong>die</strong> Kirche immer schwer tun, schloss<br />

Dr. Flor<strong>in</strong> ihren Vortrag.<br />

Vor dem Abendgottes<strong>die</strong>nst brachte<br />

der katholische Sozialethiker<br />

Pater Dr. Wolfgang Spndler das ethische<br />

Gerüst im Journalismus zur Sprache.<br />

Se<strong>in</strong> Thema war überschrieben:<br />

„Sprachlos vor dem Ge<strong>ist</strong>, ratlos vor<br />

der Tat“ (Karl Kraus) und drückte <strong>die</strong><br />

negative E<strong>in</strong>stellung von Karl Kraus1<br />

zum Ausdruck. Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Sozialethik führte der Redner<br />

aus, dass durch e<strong>in</strong>e Überhöhung<br />

der <strong>in</strong>dividuellen Ansprüche e<strong>in</strong>e Verdrehung<br />

des sozialen Geme<strong>in</strong>wohls<br />

stattfände. Als Beispiel führte er den<br />

Tierschutz aus, der e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert<br />

besäße, bei gleichzeiti<strong>ge</strong>r Negierung<br />

der Tötung von Föten (Abtreibung).<br />

Lebensweisen E<strong>in</strong>zelner<br />

würden zu all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en Moralvorstellun<strong>ge</strong>n.<br />

Freizügigkeit entarte zur Zü<strong>ge</strong>llosigkeit,<br />

ohne dass über <strong>die</strong> Fol<strong>ge</strong>n<br />

für das Geme<strong>in</strong>wohl nach<strong>ge</strong>dacht,<br />

<strong>ge</strong>schwei<strong>ge</strong> denn diskutiert würde.<br />

Zum Schluss legte der Redner den<br />

1 Karl Kraus (1874 – 1936), war e<strong>in</strong>er<br />

der bedeutendsten österreichischen<br />

Schriftsteller des beg<strong>in</strong>nenden 20.<br />

Jahrhunderts und e<strong>in</strong> scharfer Kritiker<br />

der Presse und des Hetzjournalismus<br />

oder, wie er selbst es ausdrückte, der<br />

Journaille<br />

Zentralkomitee der deutschen Katholiken<br />

Diakonat der Frau – E<strong>in</strong>e Chance für <strong>die</strong> Kirche<br />

Das Zentralkomitee der deutschen<br />

Katholiken (ZdK) hat nochmals<br />

für das Anlie<strong>ge</strong>n des Diakonats der<br />

Frau <strong>ge</strong>worben. Bei der <strong>in</strong> Kooperation<br />

mit dem ZdK durch<strong>ge</strong>führten<br />

Veranstaltung des Katholischen Deutschen<br />

Frauenbundes „Tag der Diakon<strong>in</strong><br />

- Partnerschaftlich Kirche se<strong>in</strong>“<br />

am 29. April 2012 <strong>in</strong> Ulm sagte Dr.<br />

Claudia Lück<strong>in</strong>g-Michel, Vizepräsident<strong>in</strong><br />

des ZdK: „Die gleichberechtigte<br />

E<strong>in</strong>beziehung von Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong> volle<br />

Verantwortung für den Sendungsauftrag<br />

der Kirche <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> dr<strong>in</strong><strong>ge</strong>ndes<br />

Anlie<strong>ge</strong>n. Dies gilt nicht nur mit Blick<br />

auf <strong>die</strong> Frauen, sondern es <strong>ist</strong> vor allem<br />

e<strong>in</strong>e Überlebensfra<strong>ge</strong> für <strong>die</strong> Kirche.<br />

E<strong>in</strong>e Kirche, <strong>die</strong> Frauen nicht<br />

ihren Charismen entsprechend beteiligt,<br />

kann ihrem Auftrag, für das Heil<br />

der Menschen zu wirken, nicht im erforderlichen<br />

Maße <strong>ge</strong>recht werden.“<br />

Lück<strong>in</strong>g-Michel stellte heraus,<br />

dass zahlreiche mögliche positive Veränderun<strong>ge</strong>n<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>se Richtung ke<strong>in</strong>e<br />

theologischen, kirchenrechtlichen<br />

oder sonsti<strong>ge</strong>n Änderun<strong>ge</strong>n bräuchten.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus sei aber auch<br />

<strong>die</strong> konkrete Aus<strong>ge</strong>staltung der Ämtertheologie<br />

<strong>in</strong> den Blick zu nehmen<br />

und entsprechend den pastoralen Herausforderun<strong>ge</strong>n<br />

der Zeit im S<strong>in</strong>ne des<br />

kirchlichen Sendungsauftrags weiterzuentwickeln.<br />

Der Auftrag aller Chr<strong>ist</strong><strong>in</strong>nen<br />

und Chr<strong>ist</strong>en zur Diakonie bilde<br />

sich <strong>ge</strong>rade auch im sakramentalen<br />

RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />

Pressekodex des Presserates2 den<br />

Zuhörern ans Herz, denn nicht alles,<br />

was rechtlich zulässig wäre, sei auch<br />

ethisch vertretbar.<br />

Am Sonntagmor<strong>ge</strong>n beendete der<br />

Vortrag des Präsidenten der Bayerischen<br />

Landesanstalt für neue Me<strong>die</strong>n<br />

<strong>die</strong> 23. Me<strong>die</strong>nfachtagung des Cartellverbandes.<br />

Staatsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er a.D. Siegfried<br />

Schneider sprach zum Thema:<br />

„Infota<strong>in</strong>ment, Quote usw.“ Er führte<br />

aus, dass <strong>die</strong> Notwendigkeit der unabhängi<strong>ge</strong>n<br />

Information zwar <strong>die</strong> öffentlich-rechtlichen<br />

Sender unabd<strong>in</strong>gbar<br />

machten, aber <strong>die</strong> Problematik sei <strong>die</strong><br />

gleiche wie bei den Privaten. Bei e<strong>in</strong>em<br />

An<strong>ge</strong>bot von über hundert Sendern,<br />

müsse sich der Sender nicht nur<br />

um den Zuschauer kümmern, er müsse<br />

zuerst e<strong>in</strong>mal <strong>ge</strong>funden werden.<br />

Das Internet sei mit den herkömmlichen<br />

Methoden nicht regulierbar,<br />

führte Siegfried Schneider aus. Zur<br />

Liberalisierung der Aufsicht müsse<br />

man national tun, was man tun könne,<br />

um danach e<strong>in</strong>e europäische Lösung<br />

zu f<strong>in</strong>den, beendete der Redner se<strong>in</strong>en<br />

Vortrag, der das Nebene<strong>in</strong>ander<br />

von öffentlich-rechtlichen und privaten<br />

Sendern als e<strong>in</strong>e sehr gute Wahl<br />

bezeichnete. ❏<br />

(Bertram Bastian)<br />

2 nachzulesen bei www.presserat.<strong>in</strong>fo<br />

Diakonat ab. „Da <strong>die</strong> diakonische Arbeit<br />

überwie<strong>ge</strong>nd von Frauen <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>et<br />

wird, s<strong>in</strong>d <strong>ge</strong>rade Frauen als Diakon<strong>in</strong>nen<br />

unverzichtbar.“<br />

Die ZdK-Vizepräsident<strong>in</strong> bezog<br />

sich <strong>in</strong> ihren Ausführun<strong>ge</strong>n auf <strong>die</strong><br />

im Herbst des vergan<strong>ge</strong>nen Jahres<br />

von der Vollversammlung des Zentralkomitees<br />

verabschiedete Erklärung<br />

„Für e<strong>in</strong> partnerschaftliches Zusammenwirken<br />

von Frauen und Männern<br />

<strong>in</strong> der Kirche“. Dar<strong>in</strong> setzt sich das<br />

ZdK unter anderem für den Diakonat<br />

der Frau e<strong>in</strong>. Dieses und alle weiteren<br />

Anlie<strong>ge</strong>n der Erklärung will es <strong>in</strong><br />

den Dialogprozess mit den deutschen<br />

Bischöfen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

(Presseerklärung des ZdK)<br />

31


KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />

Ehemali<strong>ge</strong>r Soldat aus<strong>ge</strong>zeichnet<br />

Hauptmann a. D. Wilfried Puth hoch <strong>ge</strong>ehrt<br />

In e<strong>in</strong>er Feierstunde durfte Hauptmann a. D. Wilfried<br />

Puth (Ulmen) aus den Händen der Staatssekretär<strong>in</strong> im<br />

M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium des Innern, für Sport und Infrastruktur des<br />

Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Heike Raab, im Sitzungssaal<br />

der Verbands<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Ulmen <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nstmedaille des<br />

Landes <strong>in</strong> Empfang nehmen. Es <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s <strong>die</strong> höchste Ehre,<br />

<strong>die</strong> Bür<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>nen und Bür<strong>ge</strong>rn <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz verliehen<br />

werden kann.<br />

In ihrer Ansprache g<strong>in</strong>g <strong>die</strong> Staatssekretär<strong>in</strong> Heike<br />

Raab auf <strong>die</strong> besonderen Le<strong>ist</strong>un<strong>ge</strong>n des Geehrten e<strong>in</strong>. Er<br />

hätte, so Frau Raab, <strong>in</strong> den vergan<strong>ge</strong>nen Jahrzehnten sowohl<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em beruflichen Leben als auch im ehrenamtlichen<br />

Bereich außerordentlich viel <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>et und das sei<br />

mehr als lobenswert. Deshalb habe der M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident<br />

des Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Kurt Beck, <strong>die</strong>ser Ehrung<br />

auch <strong>ge</strong>rne zu<strong>ge</strong>stimmt.<br />

Hauptmann a. D. Wilfried Puth habe sich sowohl im<br />

kommunalpolitischen Bereich als auch im Vere<strong>in</strong>sleben<br />

ver<strong>die</strong>nt <strong>ge</strong>macht. Aber se<strong>in</strong> Haupt<strong>in</strong>teresse <strong>in</strong> der ehrenamtlichen<br />

Betätigung lie<strong>ge</strong> seit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Jahrzehnten<br />

im kirchlichen Bereich. So sei er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimatpfarrei<br />

Kurznachrichten<br />

Der Vatikan-Vertreter bei den Vere<strong>in</strong>ten<br />

Nationen <strong>in</strong> Genf hat Pak<strong>ist</strong>an<br />

für se<strong>in</strong>e Blockadehaltung <strong>in</strong> der<br />

UN-Abrüstungskonferenz kritisiert.<br />

Pak<strong>ist</strong>an verh<strong>in</strong>dere aus Angst vor e<strong>in</strong>er<br />

atomaren Übermacht In<strong>die</strong>ns <strong>die</strong><br />

Verhandlun<strong>ge</strong>n über e<strong>in</strong> Produktionsverbot<br />

für spaltbares Material, sagte<br />

Erzbischof Silvano Maria Tomasi <strong>in</strong> ei-<br />

Pak<strong>ist</strong>an blockiert atomare Abrüstung<br />

nem Interview mit Radio Vatikan (Mittwoch).<br />

Dieses Verhalten führe zu e<strong>in</strong>em<br />

Glaubwürdigkeitsverlust der Konferenz<br />

<strong>in</strong>s<strong>ge</strong>samt. Seit „zu vielen Jahren“<br />

habe das Gremium ke<strong>in</strong>e bedeutenden<br />

Er<strong>ge</strong>bnisse mehr erzielt, beklagte der<br />

Vertreter des Heili<strong>ge</strong>n Stuhls <strong>in</strong> Genf.<br />

Zugleich warnte Tomasi davor, <strong>die</strong> Gefahr<br />

e<strong>in</strong>es Atomschlags zu unterschät-<br />

St. Matthias Ulmen als Vorsitzender des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates,<br />

als Mitglied des Verwaltungsrates und als Lektor und<br />

Kommunionhelfer aktiv <strong>ge</strong>wesen und er stelle <strong>die</strong>s derzeit<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er sicher nicht alltäglichen Aufgabe als Diakon <strong>in</strong><br />

der aus 11 Pfarreien zusammen<strong>ge</strong>setzten Pfarreien<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />

Ulmen täglich neu unter Beweis. Auch lä<strong>ge</strong>n im <strong>die</strong><br />

Pil<strong>ge</strong>r<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft St. Matthias Ulmen, der Fördervere<strong>in</strong><br />

Pfarrkirche St. Matthias – <strong>in</strong> beiden Vere<strong>in</strong>en sei er im<br />

Vorstand – aber auch <strong>die</strong> ehrenamtliche Arbeit mit Menschen<br />

mit Beh<strong>in</strong>derung des Bildungs- und Pfle<strong>ge</strong>heims St.<br />

Mart<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ulmen besonders am Herzen.<br />

In se<strong>in</strong>er militärischen Laufbahn als Luftwaffenoffizier<br />

habe er sich aber sowohl im Bereich der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Katholischer Soldaten als Kreisvorsitzender von mehreren<br />

GKS-Kreisen, als Mitglied des Bereichsvorstandes West<br />

und damit verbunden auch als Mitglied des erweiterten<br />

Bundesvorstandes für <strong>die</strong> Interessen der GKS stark e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt.<br />

Derzeit nehme er <strong>die</strong> Aufgaben e<strong>in</strong>es Ansprechpartners<br />

im relativ neu <strong>ge</strong>gründeten GKS-Kreis Vulkaneifel<br />

wahr. Darüber h<strong>in</strong>aus sei er auch über viele Jahre bis<br />

zu se<strong>in</strong>er Zurruhesetzung im Sachausschuss „Geme<strong>in</strong>dearbeit“<br />

des Katholikenrates des Katholischen Militärbischofs<br />

vor allem bei der Erstellung neuer Ordnun<strong>ge</strong>n für<br />

<strong>die</strong> Laiengremien aktiv <strong>ge</strong>wesen, so <strong>die</strong> Staatssekretär<strong>in</strong><br />

bei ihrer Laudatio abschließend.<br />

Nach den kurzen Lobensansprachen des Landrates<br />

und der Bür<strong>ge</strong>rme<strong>ist</strong>er waren <strong>die</strong> Ehefrau Marita, <strong>die</strong> drei<br />

Töchter und <strong>die</strong> weiteren anwesenden Ehrengäste ersten<br />

Gratulanten. Hauptmann a. D. Wilfried Puth bedankte<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kurzen Ansprache für <strong>die</strong> verliehene Auszeichnung,<br />

machte aber anhand e<strong>in</strong>es Bibelzitates und<br />

e<strong>in</strong>es Zitates von Papst Johannes XXIII. deutlich, dass er<br />

sich auch aufgrund der erwiesenen Ehre nicht auf e<strong>in</strong>en<br />

Sockel stellen lassen würde. „Ich b<strong>in</strong> immer noch so, wie<br />

ich es vor der Ehrung war – und ich werde auch so bleiben<br />

und weiterh<strong>in</strong> da kräftig mit anpacken, wo ich es für<br />

richtig und notwendig halte.“<br />

(Text: Wilfried Puth, Foto: Pressestelle)<br />

zen. Es bestehe „<strong>die</strong> ernste und reale<br />

Gefahr, dass <strong>die</strong> Kernwaffen e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt<br />

werden können“. Dies könne „durch e<strong>in</strong>en<br />

Fehler oder aufgrund des Man<strong>ge</strong>ls<br />

an Menschlichkeit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>r politischer<br />

Führer oder we<strong>ge</strong>n anderer unvorhersehbarer<br />

Ereignisse“ passieren. In der<br />

Öffentlichkeit werde <strong>die</strong>se Gefahr jedoch<br />

kaum wahr<strong>ge</strong>nommen. (KNA)<br />

32 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

W<strong>in</strong>terwanderung<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaft katholischer Soldaten (GKS) Bad<br />

Neuenahr-Ahrweiler hat bei Frost, Schnee und viel<br />

Sonnensche<strong>in</strong> den Geopfad V<strong>in</strong>xtbachtal oberhalb Königsfeld<br />

<strong>in</strong> der Eifel erwandert. Es g<strong>in</strong>g unter der Führung<br />

von Doris und Walter Schäffer über idyllische verschneite<br />

Feldwe<strong>ge</strong> mit herrlicher Fernsicht und zahlreichen Keramikskulpturen<br />

und We<strong>ge</strong>kreuzen. Mit dem Lied „Danke<br />

für den schönen Mor<strong>ge</strong>n“ und e<strong>in</strong>em Gebet wurde Gottes<br />

herrliche Schöpfung <strong>ge</strong>priesen. Der Aussichtsturm Weiselste<strong>in</strong><br />

wurde erklommen und nach erfolgreicher Wanderung<br />

<strong>die</strong> „Belohnung“ im Cafe e<strong>in</strong><strong>ge</strong>nommen. Der Vorsitzende<br />

Michael Wilke dankte den Wanderführern für <strong>die</strong> gute<br />

Tour und der Gruppe für <strong>die</strong> erfolgreiche Teilnahme. ❏<br />

(Text und Foto: Michael Wilke)<br />

GKS-Kreis Hammelburg<br />

Bundeswehr-Chor <strong>ge</strong>staltet Gottes<strong>die</strong>nst<br />

o nehmet auch e<strong>in</strong>s um das andere an, wie auch<br />

„Sder Herr an uns <strong>ge</strong>tan“ war das Motto des Adventsgottes<strong>die</strong>nstes,<br />

den Militärdekan Alfons Hutter <strong>in</strong><br />

der Chr<strong>ist</strong>könig-Kirche im La<strong>ge</strong>r Hammelburg vor vollem<br />

Haus zelebrierte.<br />

Die „Chr<strong>ist</strong>liche Chor<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft Arche Noah“, e<strong>in</strong><br />

fast schon Profi-Chor von ca. 50 Sän<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>nen und Sän<strong>ge</strong>rn,<br />

Soldaten und deren Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>, <strong>ge</strong>staltete den<br />

Gottes<strong>die</strong>nst musikalisch mit hervorra<strong>ge</strong>nd vor<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>nen,<br />

sowohl modernen, als auch traditionellen Advents- und<br />

Kirchenliedern. Chorleiter Oberstleutnant Thomas Mayer<br />

kann mit dem Chor, dessen Mitglieder aus dem <strong>ge</strong>samten<br />

Bundes<strong>ge</strong>biet kommen, lediglich zweimal jährlich e<strong>in</strong><br />

Probenwochenende durchführen. Abschluss <strong>ist</strong> dann e<strong>in</strong><br />

Konzert und /oder <strong>die</strong> Gestaltung e<strong>in</strong>es Gottes<strong>die</strong>nstes. An<br />

der Or<strong>ge</strong>l begleitete e<strong>in</strong> absoluter Könner se<strong>in</strong>es Fachs:<br />

Oberstleutnant a.D. Hans Orterer war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aktiven<br />

Soldatenzeit Chef mehrerer Bundeswehr-Musikkorps. In<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

der e<strong>in</strong>drucksvollen Predigt bezog sich Dekan Hutter auf<br />

das e<strong>in</strong>gangs <strong>ge</strong>nannte Adventslied und gab dazu e<strong>in</strong>fache,<br />

praktische Beispiele aus dem täglichen Leben. Die<br />

Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmer spürten deutlich se<strong>in</strong>e lebensnahen,<br />

auch humorvollen Aussa<strong>ge</strong>n und dankten ihn nach<br />

den Dankesworten des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>deratsvorsitzenden Andreas<br />

Wacker viel mit Applaus.<br />

Zum Schluss empfahl Dekan Hutter den Anwesenden,<br />

<strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Grundsätze der Nächstenliebe durch<br />

das ei<strong>ge</strong>ne praktische Leben auch <strong>in</strong> vielen so <strong>ge</strong>nannten<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten erkennbar werden zu lassen und dabei das<br />

Gebet für <strong>die</strong> „<strong>in</strong>nere Ausrichtung“ nicht zu ver<strong>ge</strong>ssen.<br />

Der Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>liche machte es au<strong>ge</strong>nzw<strong>in</strong>kernd deutlich<br />

an der Fra<strong>ge</strong>, wann und wie denn daheim <strong>ge</strong>betet würde.<br />

Auf <strong>die</strong>se Fra<strong>ge</strong> gab e<strong>in</strong> Schüler an<strong>ge</strong>blich <strong>die</strong> h<strong>in</strong>ters<strong>in</strong>ni<strong>ge</strong><br />

Antwort: „ja, wir beten e<strong>in</strong>mal im Jahr vor dem Essen,<br />

und zwar dann, wenn der Vater vom Schwammerlsuchen<br />

zurück <strong>ist</strong>.“ Am Ende des Gottes<strong>die</strong>nstes zog der Chor erneut<br />

alle Reg<strong>ist</strong>er und brachte mit mehreren wundervollen<br />

Adventsliedern den Kirchenraum zum vollen Erkl<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

Dabei blieben <strong>die</strong> Zuhörer <strong>ge</strong>rne fast schon andächtig<br />

sitzen und man hätte noch stundenlang zuhören können.<br />

Wiederholter lang anhaltender Applaus war der Dank vor<br />

dem <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen anschließenden Frühschoppen. Es war<br />

wahrlich e<strong>in</strong> ganz besonderes liturgisches Erlebnis. ❏<br />

(Text und Fotos: Franz Herrler)<br />

GKS-Kreis Hammelburg<br />

Waldweihnacht <strong>in</strong> Hammelburg<br />

Soldaten und Zivil<strong>ist</strong>en feiern <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam – <strong>in</strong> Gedanken<br />

bei den Soldaten im E<strong>in</strong>satz<br />

Der W<strong>in</strong>d pfeift durch <strong>die</strong> Ritzen, hefti<strong>ge</strong> W<strong>in</strong>dböen<br />

treiben <strong>die</strong> stürmischen, kalten Re<strong>ge</strong>nschauer fast<br />

horizontal über <strong>die</strong> „Hohe Lanz“. Etwa 140 Soldaten und<br />

Zivil<strong>ist</strong>en suchten Schutz <strong>in</strong> der Wetterhütte Schießbahn<br />

6 des Truppenübungsplatzes Hammelburg. Die Teilnehmer<br />

waren froh, e<strong>in</strong>en Platz im Trockenen <strong>ge</strong>funden zu haben.<br />

„Ei<strong>ge</strong>ntlich sollten wir jetzt alle unter freiem Himmel<br />

am Franzosenkreuz stehen“ sprach Oberstleutnant a.D.<br />

Franz Herrler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Begrüßung. „Aber das Wetter hat<br />

uns ke<strong>in</strong>e Wahl <strong>ge</strong>lassen. Er<strong>in</strong>nern Sie sich: Im Vorjahr<br />

lag hier zur gleichen Zeit hoher Schnee und es war bitter-<br />

33


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

kalt. Diesmal wäre es e<strong>in</strong>e wahrlich unan<strong>ge</strong>messene Härteübung<br />

im Sturm und Dauerre<strong>ge</strong>n. Also s<strong>in</strong>d wir froh um<br />

<strong>die</strong>se Möglichkeit hier“ führte Herrler weiter aus. Frauen<br />

und Männer der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Chr<strong>ist</strong>könig<br />

hatten <strong>die</strong> nüchterne Wetterhütte mit Tannengrün und vielen<br />

Kerzen weihnachtlich aus<strong>ge</strong>staltet und der Glühwe<strong>in</strong><br />

duftete schon.<br />

Die 12 Musiker der Kapelle des Bundeswehr-Dienstle<strong>ist</strong>ungszentrums<br />

Hammelburg unter Leitung von Gerald<br />

Bach (zugleich Personalratsvorsitzender im BwDLZ)<br />

stimmten <strong>die</strong> Besucher mit dem „Bayerischen Andachtsjodler“<br />

auf <strong>die</strong> liturgische Feier e<strong>in</strong>.<br />

Militärpfarrer Stephan Frank hieß alle Besucher herzlich<br />

willkommen und freute sich über <strong>die</strong> große Teilnahme<br />

der Soldaten vom Gefreiten bis zum Oberst und ziviler<br />

Mitarbeiter bis zum Behördenleiter des BwDLZ sowie<br />

Familien der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Chr<strong>ist</strong>könig La<strong>ge</strong>r<br />

Hammelburg. Bereits zum vierten Mal fand <strong>die</strong>se „Waldweihnacht“<br />

statt, sie <strong>ist</strong> <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> fester Bestandteil<br />

der Veranstaltun<strong>ge</strong>n des katholischen Militärpfarramtes<br />

am Standort <strong>ge</strong>worden. MilPfr Frank hob den Advent als<br />

Zeit der Bes<strong>in</strong>nung hervor, als Zeit für sich selbst zum <strong>in</strong>nehalten<br />

und der <strong>in</strong>neren Vorbereitung auf Weihnachten.<br />

Als Oberstleutnant Klaus Schöneich <strong>die</strong> Erlebnisse des<br />

Unteroffizier Emil Schlund an Weihnachten 1944 während<br />

se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes im Elsass vorlas, war es mucksmäuschenstill:<br />

Inmitten der Kriegswirren, während <strong>die</strong> Amerikaner<br />

bereits <strong>die</strong> deutsche Rhe<strong>in</strong>seite erobert hatten, wurde e<strong>in</strong>er<br />

deutschen Kompanie e<strong>in</strong> Brückenkopf am jenseiti<strong>ge</strong>n<br />

Ufer befohlen, nachdem Zivil<strong>ist</strong>en, alte Männer und Frauen,<br />

Panzergräben ausheben mussten - e<strong>in</strong>e sehr schwere<br />

und harte Arbeit, mit nur ganz e<strong>in</strong>fachem Handwerkszeug<br />

und bei klirrendem Frost. Doch schon vor Fertigstellung<br />

der Panzergräben eroberten <strong>die</strong> Amerikaner das Gebiet,<br />

<strong>die</strong> ganze mühevolle Schwerstarbeit war umsonst <strong>ge</strong>wesen.<br />

Aber befehls<strong>ge</strong>mäß musste der Brückenkopf <strong>ge</strong>bildet<br />

werden; <strong>die</strong> Amerikaner sollten unbed<strong>in</strong>gt zurück<strong>ge</strong>schla<strong>ge</strong>n<br />

werden.<br />

Unteroffizier Schlund schrieb dazu: „Mit Sturmbooten<br />

der Pioniere rasten wir über den Rhe<strong>in</strong> und kamen vor bis<br />

zum Hochwasserdamm, h<strong>in</strong>ter dem sich <strong>die</strong> Amerikaner<br />

verschanzt hatten. Mit Handgranaten versuchten wir, Meter<br />

um Meter Boden zu <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nen, kamen aber nicht voran,<br />

<strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nwehr war e<strong>in</strong>fach zu stark. Trotzdem wurde der<br />

Befehl aus<strong>ge</strong>führt, den Brückenkopf bis zum letzten Mann<br />

zu halten. Was für e<strong>in</strong> Irrs<strong>in</strong>n! Unsere Verluste waren sehr<br />

hoch: von unserem Zug fielen <strong>in</strong> knapp e<strong>in</strong>er Stunde neun<br />

Kameraden. Ir<strong>ge</strong>ndwann nachts wurde uns mit den Sturmbooten<br />

Essen <strong>ge</strong>bracht; aber <strong>die</strong> doppelte Ration hätten<br />

wir <strong>ge</strong>braucht, um e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>rmaßen satt zu werden. Unser<br />

Hauptmann erkannte am nächsten Mor<strong>ge</strong>n unsere ausweglose<br />

Situation und befahl am 24. Dezember vormittags den<br />

Rückzug, bevor wir vollends auf<strong>ge</strong>rieben würden. Me<strong>in</strong>e<br />

Gruppe hatte noch fünf Mann. Kaum waren <strong>die</strong> Sturmboote<br />

an<strong>ge</strong>kommen, setzte e<strong>in</strong> Granatha<strong>ge</strong>l e<strong>in</strong>, wie ich ihn seit<br />

me<strong>in</strong>em Kriegsbeg<strong>in</strong>n im Frühjahr 1941 noch nicht erlebt<br />

habe. Jetzt hieß es nur noch, rette sich, wer kann, und jeder<br />

rannte um se<strong>in</strong> Leben. Von den Booten aus sahen wir<br />

das ganze Ausmaß. Wo wir noch vor weni<strong>ge</strong>n M<strong>in</strong>uten <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>n<br />

hatten, schlug jetzt e<strong>in</strong>e Granate nach der anderen<br />

e<strong>in</strong>. Hätten <strong>die</strong> Amerikaner unsere Absetzbewegung nur<br />

e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> M<strong>in</strong>uten früher bemerkt, hätte ganz sicher ke<strong>in</strong>er<br />

von uns <strong>die</strong>ses Inferno überlebt. Auf der anderen Rhe<strong>in</strong>seite<br />

an<strong>ge</strong>kommen, wurde der Rest der Kompanie wieder<br />

zwischen e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n zerschossenen Häusern <strong>ge</strong>sammelt. Wieder<br />

hatte ich e<strong>in</strong>en Kameraden me<strong>in</strong>er Gruppe verloren.<br />

Nach ca. zwei Kilometer Flucht fanden wir <strong>in</strong> dem verlassenen<br />

Dorf Fre<strong>ist</strong>ett <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten Wirtshaus-Saal e<strong>in</strong><br />

Dach über dem Kopf. Wir hockten auf dem Boden, zitterten<br />

am ganzen Körper, waren total benommen und froren<br />

bitterlich. Zu essen hatten wir nichts außer zwei Brocken<br />

Chr<strong>ist</strong>stollen und e<strong>in</strong> Brot, das unser Feldwebel ir<strong>ge</strong>ndwo<br />

besorgt hatte. So, jetzt war es „Heili<strong>ge</strong>r Abend“ und wir<br />

wollten nach dem Bissen Chr<strong>ist</strong>stollen und Wasser zusammen<br />

„Stille Nacht, heili<strong>ge</strong> Nacht“ s<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, so wie es sich<br />

für Chr<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong>hört. Aber schon nach den ersten rauen<br />

Tönen blieb uns <strong>die</strong> Sprache weg und es wurde ganz still<br />

– ke<strong>in</strong>er sagte e<strong>in</strong> Wort. Und den sonst ei<strong>ge</strong>ntlich so ab<strong>ge</strong>brühten<br />

Landsern liefen <strong>die</strong> Tränen übers Gesicht. Ich<br />

dachte jetzt nur noch an daheim: wie wird es wohl me<strong>in</strong>er<br />

Familie er<strong>ge</strong>hen, daheim <strong>in</strong> Waldsassen? Ir<strong>ge</strong>ndwann<br />

später schliefen wir dann doch vor lauter Übermüdung<br />

e<strong>in</strong>, wir la<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>fach ane<strong>in</strong>ander<strong>ge</strong>reiht auf dem Boden<br />

und versuchten, uns <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig e<strong>in</strong> wenig zu wärmen. Am<br />

nächsten Mor<strong>ge</strong>n, dem Weihnachtstag, marschierten wir<br />

unter Führung unseres Leutnants nach Sasbach. Unser<br />

Hauptmann war seit dem Rückzug über den Rhe<strong>in</strong> nicht<br />

mehr bei uns. In Sasbach wurden wir dann spät am Abend<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Internat unter<strong>ge</strong>bracht. Drei alte, sicher schon<br />

80-jähri<strong>ge</strong> Schwestern waren noch da. Sie halfen uns, so<br />

gut sie konnten. Und das schönste Weihnachts<strong>ge</strong>schenk<br />

war e<strong>in</strong> gutes warmes Essen, sogar mit Fleisch und Nudeln.“<br />

Dieses Kriegserlebnis bee<strong>in</strong>druckte alle Anwesenden<br />

spürbar und <strong>die</strong> Musikkapelle vertiefte <strong>die</strong> Bes<strong>in</strong>nung<br />

mit e<strong>in</strong>em meditativen Choral.<br />

In se<strong>in</strong>er Predigt betonte Militärpfarrer Frank <strong>die</strong> Bedeutung<br />

der Geme<strong>in</strong>schaft, das erlebbare Gefühl der Gebor<strong>ge</strong>nheit,<br />

auch unter primitivsten Verhältnissen – so wie<br />

im Kriegserlebnis <strong>ge</strong>schildert. Er stellte <strong>die</strong> Gebor<strong>ge</strong>nheit<br />

<strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft heraus im Zusammenhang mit dem<br />

Weihnachtsereignis, auf dass alle Chr<strong>ist</strong>en <strong>die</strong>se Gebor<strong>ge</strong>nheit<br />

erfahren können durch <strong>die</strong> Menschwerdung Gottes.<br />

Und er er<strong>in</strong>nerte an <strong>die</strong> fernab im Auslands-E<strong>in</strong>satz stehenden<br />

Soldaten, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Geme<strong>in</strong>schaft auch im E<strong>in</strong>satz<br />

besonders brauchten, weil sie eben an Weihnachten nicht<br />

mit ihren Familien zusammen se<strong>in</strong> können. Der Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>liche<br />

bezeichnete Jesus Chr<strong>ist</strong>us als Halt, Klammer<br />

und Orientierung, auch oder <strong>ge</strong>rade <strong>in</strong> schweren Zeiten.<br />

Die Zusammen<strong>ge</strong>hörigkeit mit den Soldaten im E<strong>in</strong>satz<br />

wurde auch deutlich <strong>in</strong> den Fürbitten, <strong>die</strong> Oberstleutnant<br />

Ulrich Schröder vortrug. Stellvertretend für alle Anwesenden<br />

betete er „für alle Soldaten und Militärseelsor<strong>ge</strong>r <strong>in</strong><br />

ihren vielfälti<strong>ge</strong>n Aufgaben und E<strong>in</strong>sätzen, dass sie ihre<br />

Aufgaben mit gutem Gewissen und starkem Glauben, mit<br />

Überzeugung und Menschlichkeit bewälti<strong>ge</strong>n, und <strong>ge</strong>sund<br />

an Leib und Seele wieder nach Hause kommen können<br />

…,für <strong>die</strong> Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n unserer Soldaten, <strong>die</strong><br />

durch <strong>die</strong> Trennung oder Auswirkung von Verletzun<strong>ge</strong>n,<br />

Verwundun<strong>ge</strong>n oder sogar durch den Tod e<strong>in</strong>es Familienmitglieds<br />

schwer belastet s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong>nere Kraft und<br />

34 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


Zuversicht im Glauben f<strong>in</strong>den mö<strong>ge</strong>n …und für unsere<br />

<strong>ge</strong>fallenen oder auf andere Art ums Leben <strong>ge</strong>kommenen<br />

Soldaten und Militärseelsor<strong>ge</strong>r, dass wir ihr Andenken<br />

<strong>in</strong> Ehren halten und sie den ewi<strong>ge</strong>n Frieden f<strong>in</strong>den mö<strong>ge</strong>n.“<br />

Alle Anlie<strong>ge</strong>n fassten <strong>die</strong> Teilnehmer zusammen im<br />

<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen Gebet des Herrn, dem „Vater unser“. Zusammen<br />

mit der Musikkapelle san<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Besucher das<br />

<strong>in</strong>haltlich so gut passende Weihnachtslied „Tochter Zion,<br />

freue dich, denn de<strong>in</strong> König kommt zu dir, der Friedensfürst.<br />

… Ewig steht de<strong>in</strong> Friedensthron …“.<br />

Vor dem Se<strong>ge</strong>n sprach MilPfr Frank noch fol<strong>ge</strong>ndes<br />

Se<strong>ge</strong>ns<strong>ge</strong>bet: „Gott lasse dich e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>segnetes Weihnachtfest<br />

erleben. Er schenke dir <strong>die</strong> nöti<strong>ge</strong> Ruhe, damit du<br />

dich auf Weihnachten und <strong>die</strong> frohe Botschaft e<strong>in</strong>lassen<br />

kannst. Gott nehme dir Sor<strong>ge</strong>n und Angst und schenke dir<br />

neue Hoffnung. Er bereite dir den Raum, den du brauchst<br />

und an dem du so se<strong>in</strong> kannst, wie du b<strong>ist</strong>. …Gott <strong>ge</strong>be<br />

dir Phantasie, Entschlossenheit und Mut, damit du auch<br />

anderen Weihnachten bereiten kannst. Und er bleibe bei<br />

dir mit dem Licht der Heili<strong>ge</strong>n Nacht, wenn dunkle Ta<strong>ge</strong><br />

kommen.“<br />

Nach dem Se<strong>ge</strong>n begleitete <strong>die</strong> Musikkapelle zu dem<br />

Weihnachtslied „Jauchzet ihr Himmel“, <strong>in</strong> dem es so treffend<br />

heißt „… sehet doch da, Gott will so freundlich und nah zu<br />

den Verlorenen sich kehren“ und „…seht <strong>die</strong> Wunder, wie<br />

tief sich der Höchste hier beu<strong>ge</strong>t …“ und weiter „…Komm<br />

doch, me<strong>in</strong> Heiland, denn ohne dich b<strong>in</strong> ich verloren ...“.<br />

Mit dem Dank an <strong>die</strong> Teilnehmer für das Mitfeiern, e<strong>in</strong>em<br />

herzlich Ver<strong>ge</strong>lt´s Gott allen Helfern, e<strong>in</strong>em Geschenk an<br />

<strong>die</strong> Musikkapelle und den Wünschen für e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>segnetes<br />

und frohes Weihnachtsfest lud MilPfr Frank alle Anwesenden<br />

e<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Imbiss mit Stollen, Glühwe<strong>in</strong> und<br />

herzhaften Wüstchen „Diese Stunde hier <strong>ist</strong> wertvoll, sie<br />

hat gut <strong>ge</strong>tan, danke,“ erläuterte Oberst Wolfgang Schraut<br />

zum Schluss. ❏<br />

(Text: Franz Herrler)<br />

GKS-Kreis Hammelburg<br />

Festgottes<strong>die</strong>nst zum Patroz<strong>in</strong>ium<br />

„Chr<strong>ist</strong>könig“ im La<strong>ge</strong>r Hammelburg<br />

er <strong>ist</strong> der ei<strong>ge</strong>ntliche König <strong>die</strong>ser Welt?“ So frag-<br />

„Wte Militärpfarrer Stephan Frank zum Beg<strong>in</strong>n des<br />

Festgottes<strong>die</strong>nstes zum Patroz<strong>in</strong>ium „Chr<strong>ist</strong>könig“ und <strong>die</strong>se<br />

Fra<strong>ge</strong> war auch der Kern der Predigt. Es war e<strong>in</strong> etwas<br />

anderer Gottes<strong>die</strong>nst als an den übri<strong>ge</strong>n Sonnta<strong>ge</strong>n, und<br />

<strong>die</strong>s nicht nur, weil <strong>die</strong> Kirche wirklich voll war mit zahlreichen<br />

Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmern. Darüber h<strong>in</strong>aus wurde<br />

der Gottes<strong>die</strong>nst musikalisch <strong>ge</strong>staltet von der „Gruppe St.<br />

Johannes“ aus Hammelburg, <strong>die</strong> mehrstimmig mit unterschiedlicher<br />

Instrumental-Unterstützung sowohl moderne<br />

deutsche Lieder und Gospels, als auch bekannte Lieder<br />

aus dem Gotteslob mit der Geme<strong>in</strong>de sang. Dabei erklang<br />

wahrlich herzerfischend „Chr<strong>ist</strong>könig, alleluja“ zum E<strong>in</strong>zug!<br />

Zudem waren <strong>die</strong> M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ranten fünf ehemali<strong>ge</strong> Berufs-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

soldaten, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>sem Fest der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />

mit Anzug und Krawatte am Altar <strong>die</strong>nten.<br />

Pfarrer Frank leitete <strong>die</strong> Predigt e<strong>in</strong> mit der Schilderung<br />

e<strong>in</strong>er Szene von Charlie Chapl<strong>in</strong> aus dessen Film „Der<br />

große Diktator“ von 1940, wor<strong>in</strong> der Diktator mit der Welt<br />

(dar<strong>ge</strong>stellt als auf se<strong>in</strong>er F<strong>in</strong><strong>ge</strong>rkuppe tanzender Globus)<br />

spielt und sie letztendlich zerstört. Und <strong>die</strong> Kernfra<strong>ge</strong> war<br />

dann: Beteiligt sich auch Chr<strong>ist</strong>us als König (siehe se<strong>in</strong>e<br />

Aussa<strong>ge</strong> vor Pilatus: Ja, ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> König) am <strong>ge</strong>fährlichen<br />

Spiel mit dem Globus? Steht er im Wettstreit mit den<br />

Machthabern <strong>die</strong>ser Welt? Die Kernantwort dazu lautete:<br />

Es gibt Machthaber und Diktatoren auf <strong>die</strong>ser Welt, <strong>die</strong><br />

ihr ei<strong>ge</strong>nes ihnen anvertrautes Volk aus Egoismus zugrunde<br />

richten. Unsere Hoffnung für uns Chr<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong> jedoch,<br />

dass Chr<strong>ist</strong>us als König <strong>die</strong> Welt schützend <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ber<strong>ge</strong>nden<br />

Händen hält. Chr<strong>ist</strong>us will nicht den Untergang,<br />

sondern <strong>die</strong> Rettung der Welt – und jeder von uns kann im<br />

Vertrauen darauf se<strong>in</strong>en Anteil beitra<strong>ge</strong>n. ❏<br />

(Text und Foto: Franz Herrler)<br />

GKS-Kreis Köln<br />

„Advent – kurz vor Weihnachten“<br />

A m vierten Adventssonntag trafen sich, nun schon<br />

zum zweiten Mal <strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong>, zahlreiche Mitglieder und<br />

Freunde des GKS-Kreises Köln zum Familiennachmittag<br />

im Sieben<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong>. Nachdem mit großen Erfolg beim Familiennachmittag<br />

im Dezember 2010 <strong>die</strong> Schonung bei der<br />

Burg R<strong>in</strong>gsheim „leer<strong>ge</strong>fegt“ wurde, fand man mit dem<br />

Weihnachtsbaumhof Stockhausen <strong>in</strong> Aegi<strong>die</strong>nberg e<strong>in</strong>e<br />

sehr gute Alternative und wieder den passenden Rahmen<br />

für e<strong>in</strong>en vorweihnachtlichen Nachmittag. Die Vorbereitung<br />

lag <strong>in</strong> den bewährten Händen des Kreisvorsitzenden Köln<br />

I, OTL Walter Raab, wieder mit tatkräfti<strong>ge</strong>r praktischer<br />

Unterstützung des Pfarrhelfers Köln I, Herrn Willi Jung.<br />

Neben den zentral e<strong>in</strong><strong>ge</strong>kauften Leckereien wie Glühwe<strong>in</strong>,<br />

K<strong>in</strong>derpunsch und Würsteln hatten auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Jahr wieder viele Familien ei<strong>ge</strong>nes weihnachtliches Gebäck<br />

zum <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen Verzehr mit<strong>ge</strong>bracht. Ideale w<strong>in</strong>-<br />

35


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

terliche Bed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n wie im Vorjahr waren es zwar nicht,<br />

aber am Vormittag hatte es im Sieben<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong> tatsächlich<br />

leicht <strong>ge</strong>schneit, so dass der Blick aus der Eventhütte<br />

durchaus w<strong>in</strong>terliche Perspektiven bot. Diesen ersten<br />

„nassen“ Schnee nutzten <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der gleich zu e<strong>in</strong>er ausgiebi<strong>ge</strong>n<br />

Schneeballschlacht.<br />

E<strong>in</strong> Höhepunkt des Nachmittags war wieder der durch<br />

den Militärdekan van Don<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>haltene Feldgottes<strong>die</strong>nst,<br />

<strong>in</strong> dessen Evan<strong>ge</strong>lium und Predigt <strong>die</strong> Geburtsankündigung<br />

Jesu durch den En<strong>ge</strong>l Gabriel anschaulich thematisiert<br />

wurde. Obwohl er bereits seit dem Herbst 2011 kommissarisch<br />

se<strong>in</strong>en Dienst <strong>in</strong> Erfurt verrichtet, nahm er den<br />

weiten Weg zum Aegi<strong>die</strong>nberg auf sich, um wieder dabei<br />

zu se<strong>in</strong>. Darüber freuten sich alle sehr.<br />

Den musikalischen Rahmen für <strong>die</strong> stimmungsvolle<br />

Messe krönte – wie bereits im vergan<strong>ge</strong>nen Jahr – e<strong>in</strong><br />

Trompetenensemble der Musikschule Euskirchen unter der<br />

Leitung des Trompetenlehrers Herrn Hense. Auch nach der<br />

Messe spielten sie weitere allseits bekannte Advents- und<br />

Weihnachtslieder, <strong>die</strong> zum Mits<strong>in</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>luden.<br />

Anschließend hatten <strong>die</strong> Familien Gele<strong>ge</strong>nheit, e<strong>in</strong>en<br />

Chr<strong>ist</strong>baum direkt vom Weihnachtshof zu erwerben. Dazu<br />

standen Chr<strong>ist</strong>bäume <strong>in</strong> allen Größen zum Verkauf bereit.<br />

Das kn<strong>ist</strong>ernde La<strong>ge</strong>rfeuer und <strong>die</strong> wärmenden Gasstrahler<br />

<strong>in</strong> der Eventhütte sorgten für wohli<strong>ge</strong> Wärme bei Speis<br />

und Trank und guten Gesprächen. Die letzten verließen<br />

erst bei E<strong>in</strong>bruch der Dunkelheit e<strong>in</strong>en rundum <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>nen<br />

Nachmittag „kurz vor Weihnachten“. ❏<br />

(Text und Foto: Walter Raab)<br />

Katholisches Militärpfarramt Bonn<br />

Empfang anlässlich des Neuen Kirchenjahres<br />

Am Dienstag, den 29. November 2011 fand im Ge<strong>ist</strong>lichen<br />

Forum, Haus 32 auf der Hardthöhe der Empfang<br />

der beiden Militärseelsor<strong>ge</strong>n anlässlich des Neuen<br />

Kirchenjahres statt. E<strong>in</strong><strong>ge</strong>laden hatten Militärdekan Peter<br />

Schmidt von der Evan<strong>ge</strong>lischen Militärseelsor<strong>ge</strong> und Militärdekan<br />

Paul Hauser von der Katholischen Militärseelsor<strong>ge</strong><br />

und ca. 100 Personen waren der E<strong>in</strong>ladung <strong>ge</strong>folgt.<br />

Umrahmt wurde der Empfang durch e<strong>in</strong>e Bläsergruppe<br />

des Musikkorps der Bundeswehr.<br />

Nach e<strong>in</strong>em kurzen Musikstück begrüßten <strong>die</strong> beiden<br />

Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>lichen aus Bonn ihre Gäste, bevor der Militär<strong>ge</strong>neraldekan<br />

Matthias Heimer vom Evan<strong>ge</strong>lischen<br />

Kirchenamt das Ge<strong>ist</strong>liche Wort sprach. Er betonte, dass<br />

der Mensch e<strong>in</strong>e Re<strong>ge</strong>lmäßigkeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lebensablauf<br />

bräuchte, damit er auch zur Ruhe und Bes<strong>in</strong>nung fände.<br />

Gerade das Kirchenjahr sei dazu sehr gut <strong>ge</strong>eignet, habe<br />

man doch zum Schluss des alten Kirchenjahres den Toten<br />

<strong>ge</strong>dacht und feiere mit dem vergan<strong>ge</strong>nen Sonntag den ersten<br />

Advent und bereite sich auf <strong>die</strong> Ankunft des Erlösers<br />

vor. Da der religiöse Inhalt von Weihnachten schon stark<br />

vom Konsumdenken verwässert sei, müssen <strong>die</strong> Kirchen<br />

<strong>die</strong>sen Inhalt stärker hervorheben. Dazu sei <strong>die</strong> „Verschiebung“<br />

des Kirchenjahres von dem normalen Jahresanfang<br />

Neujahr <strong>ge</strong>eignet, um das Besondere des religiösen Lebens<br />

<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu rufen.<br />

Bei dem fol<strong>ge</strong>nden Musikstück von Johann Sebastian<br />

Bach setzte sich der Festredner Brigade<strong>ge</strong>neral Chr<strong>ist</strong>of<br />

Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r spontan an <strong>die</strong> Or<strong>ge</strong>l (Bild) und begleitete das<br />

Bläserqu<strong>in</strong>tett. Se<strong>in</strong>en Bericht über <strong>die</strong> Arbeit als Beauftragter<br />

für körperlich und seelisch E<strong>in</strong>satz<strong>ge</strong>schädigte begann<br />

General Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r auch dann mit e<strong>in</strong>em Vergleich<br />

der bisher <strong>ge</strong>hörten Musikstücke <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Kompon<strong>ist</strong>en<br />

aus vergleichsweise e<strong>in</strong>fachen Grundmelo<strong>die</strong>n <strong>die</strong>se<br />

Me<strong>ist</strong>erwerke <strong>ge</strong>schaffen hätten. E<strong>in</strong>fach sei es, körperlich<br />

Versehrte zu erkennen, schlug der Redner den Bo<strong>ge</strong>n zu<br />

se<strong>in</strong>em Thema, problematisch sei es h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> seelisch<br />

Verwundeten zu erkennen, noch dazu <strong>die</strong>se Problematik<br />

ke<strong>in</strong>e Karenzzeit kenne und auch nach Jahren auftreten<br />

könne. Zur L<strong>in</strong>derung der zume<strong>ist</strong> h<strong>in</strong>zukommenden ma-<br />

teriellen Not zählte Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r <strong>die</strong> bisher erreichten Gesetzesänderun<strong>ge</strong>n<br />

auf, <strong>die</strong> jetzt den Zeitraum vor 2001 erfassen<br />

würden und damit den Personenkreis, <strong>die</strong> Anspruch<br />

hätten, deutlich erweitern würde. Auch wenn noch e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>s<br />

zu tun sei, könne sich <strong>Deutschland</strong> <strong>in</strong> der Versorgung se<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte mit den anderen Alliierten messen, führte<br />

der Redner zum Schluss se<strong>in</strong>es Berichtes aus.<br />

Während des anschließenden Empfan<strong>ge</strong>s <strong>in</strong> den Räumern<br />

des Ge<strong>ist</strong>lichen Forums und vor dem Gebäude, bedankten<br />

sich Militärdekan Hauser und der Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>deratsvorsitzende<br />

Joachim Lensch mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Präsent<br />

bei dem Festredner für se<strong>in</strong>e Ausführun<strong>ge</strong>n und se<strong>in</strong>e<br />

tatkräfti<strong>ge</strong> Unterstützung an der Or<strong>ge</strong>l. ❏<br />

(Text und Foto: Bertram Bastian)<br />

36 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


Katholisches Militärpfarramt Bonn<br />

E<strong>in</strong>führungsgottes<strong>die</strong>nst für den „Neuen“<br />

Mit Wirkung vom 1. November 2011 hat der Katholische<br />

Militärbischof für <strong>die</strong> Deutsche Bundeswehr Dr.<br />

Franz-Josef Overbeck Militärdekan Paul Hauser mit der<br />

Leitung des katholischen Militärpfarramtes Bonn betraut.<br />

Mit e<strong>in</strong>em feierlichen Gottes<strong>die</strong>nst am 7. Dezember <strong>in</strong> der<br />

Kirche St. August<strong>in</strong>us <strong>in</strong> Bonn-Duisdorf führte der Leitende<br />

Dekan Msgr Ra<strong>in</strong>er Schnettker den neuen Ge<strong>ist</strong>lichen<br />

auf der Hardthöhe <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Amt e<strong>in</strong> und las allen Anwesenden<br />

<strong>die</strong> Bestallungsurkunde des Bischofs vor. Aufgrund<br />

der zahlreichen Anmeldun<strong>ge</strong>n zu <strong>die</strong>ser Feier musste man<br />

Bild 1<br />

nach St. August<strong>in</strong>us ausweichen, da fast 200 Personen <strong>die</strong>sem<br />

Festakt beiwohnen wollten und nach Bonn-Duisdorf<br />

<strong>ge</strong>kommen waren.<br />

In der Lesung hörte <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Geschichte der<br />

Jün<strong>ge</strong>r, <strong>die</strong> mit ihrem Boot auf dem See Genezareth <strong>in</strong> Seenot<br />

kamen, so dass sie den schlafenden Jesu weckten, der<br />

daraufh<strong>in</strong> W<strong>in</strong>d und Wellen <strong>ge</strong>bot zu schwei<strong>ge</strong>n. In se<strong>in</strong>er<br />

Predigt (Bild 1) g<strong>in</strong>g Dekan Hauser zuerst auf den See Genezareth<br />

e<strong>in</strong>, den er aus se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Israel verbrachten Zeit<br />

kannte. Plastisch schilderte er der Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Be<strong>ge</strong>benheiten<br />

<strong>die</strong>ses Landstriches, bevor er zu dem Schluss<br />

kam, dass <strong>die</strong>se Geschichte sowohl für unser Privatleben<br />

aber auch für den Dienst als Soldat und ganz besonders<br />

Bild 2<br />

im E<strong>in</strong>satz zur Geltung käme. Schließlich könne es überall<br />

<strong>ge</strong>schehen, dass e<strong>in</strong>e plötzliche La<strong>ge</strong>änderung zur Not<br />

führen könne. Gerade dann sei es an<strong>ge</strong>bracht, auf Gott zu<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

Bild 3<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

vertrauen, predigte Dekan Hauser aus se<strong>in</strong>er reichen Erfahrung<br />

als E<strong>in</strong>satzpfarrer beim Kommando Spezialkräfte.<br />

Ass<strong>ist</strong>iert von M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ranten, Lektor und Kantor aus se<strong>in</strong>em<br />

Seelsor<strong>ge</strong>bereich feierte der neue Seelsor<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> St. August<strong>in</strong>us,<br />

zusammen mit e<strong>in</strong>er großen Delegation des Wachbataillons<br />

(Bild 2) <strong>die</strong>se E<strong>in</strong>führungsmesse.<br />

Beim anschließenden Empfang auf der Hardthöhe<br />

begrüßte der Leitende Dekan Schnettker <strong>die</strong> zahlreichen<br />

Gäste (Bild 3) im ehemali<strong>ge</strong>n Speisesaal der Unteroffiziere<br />

im Haus 930. Dekan Hauser bedankte sich danach für<br />

<strong>die</strong> Teilnahme an <strong>die</strong>ser Feierlichkeit und sagte den Anwesenden<br />

zu, für sie als Ansprechpartner zur Verfügung<br />

zu stehen. Besonders <strong>die</strong> ebenfalls erschienenen „Ehemali<strong>ge</strong>n“<br />

begrüßte Dekan Hauser herzlich. Für <strong>die</strong> Soldat<strong>in</strong>nen<br />

und Soldaten sprach deren ranghöchster Vertreter,<br />

Bild 4<br />

Generalmajor Staudacher (Bild 4), e<strong>in</strong> Grußwort, <strong>in</strong>dem er<br />

auf <strong>die</strong> Vorverwendun<strong>ge</strong>n von Dekan Hauser e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g. Vom<br />

Missionarspfarrer <strong>in</strong> Ekuador mit e<strong>in</strong>er Pfarrei so groß wie<br />

das Saarland, über e<strong>in</strong>e „normale“ Pfarrei <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zum Militärpfarrer beim Kommando Spezialkräfte, das sei<br />

schon e<strong>in</strong>e große Spanne als Seelsor<strong>ge</strong>r, führte der General<br />

aus. Herzlich willkommen hieß auch der Vorsitzende des<br />

Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates, Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch<br />

(Bild 5), <strong>in</strong> Bonn den neuen Dekan, dankte aber auch ausdrücklich<br />

dem Leitenden Dekan, der se<strong>in</strong> Versprechen wahr<br />

<strong>ge</strong>macht hatte und das Militärpfarramt Bonn nur e<strong>in</strong>e kurze<br />

Vakanz erdulden lies, bevor <strong>die</strong> Stelle neu besetzt wurde.<br />

Da Dekan Hauser zum ersten Mal im Erzb<strong>ist</strong>um Köln Verwendung<br />

habe, übergab ihm Joachim Lensch e<strong>in</strong>en Kate-<br />

37


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

Bild 5<br />

chismus des Erzb<strong>ist</strong>ums aus dem Jahre 1896, damit der<br />

neue Dekan se<strong>in</strong>en neuen Wirkungskreis langsam und von<br />

Grund auf kennen lerne. Bei dem anschließenden Imbiss<br />

konnte Dekan Hauser noch weitere, <strong>in</strong>teressante Gespräche<br />

mit den erschienenen Soldaten sowie den Damen und<br />

Herren aus der Verwaltung des M<strong>in</strong><strong>ist</strong>eriums führen. ❏<br />

(Text und Fotos. Bertram Bastian)<br />

GKS-Kreis Köln-Wahn<br />

Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>ht uns alle an<br />

Se<strong>in</strong> bereits traditionelles Familienwochenende im Advent<br />

verbrachte der GKS-Kreis Köln Wahn auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Jahr wieder im Bildungshaus des Erzb<strong>ist</strong>ums Köln Maria<br />

<strong>in</strong> der Aue <strong>in</strong> Wermelskirchen. Zum Abschluss des Jahresthemas<br />

„Zwischen Himmel und Erde“ hatte der Vorsitzende<br />

des Kreises, Oberstleutnant Albert Hecht, das Wochenende<br />

unter das Thema Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>stellt.<br />

Den Auftakt zu e<strong>in</strong>em harmonischen Wochenende bildete<br />

am Freitagabend e<strong>in</strong>e weihnachtlich <strong>ge</strong>staltete Jahresabschlussfeier,<br />

<strong>in</strong> deren Verlauf auch das Mitglied des Jahres<br />

der Köln-Wahn aus<strong>ge</strong>zeichnet wurde. In <strong>die</strong>sem Jahr fiel <strong>die</strong><br />

Wahl auf Hauptmann Gerhard Kollmann, der sich vielfach<br />

unei<strong>ge</strong>nnützig <strong>in</strong> den Dienst der GKS <strong>ge</strong>stellt hat.<br />

Mit e<strong>in</strong>er Spielrunde zu Beg<strong>in</strong>n des Bildungsteiles am<br />

Samstag, erforschten <strong>die</strong> Referenten das Wissen der erwachsenen<br />

Teilnehmer über <strong>die</strong> elektronische Welt des Internets.<br />

Bereits hierbei wurde deutlich, dass das Thema alle vertretenen<br />

Altersschichten betrifft und nicht nur e<strong>in</strong> Thema der<br />

K<strong>in</strong>der und Ju<strong>ge</strong>ndlichen <strong>ist</strong>. Dies wurde im anschließenden<br />

E<strong>in</strong>stiegsvortrag nochmals verdeutlicht, zeigten <strong>die</strong> Referenten<br />

hier doch <strong>die</strong> unterschiedlichen Felder auf, <strong>in</strong> denen Cybermobb<strong>in</strong>g<br />

auftreten kann. Auch <strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong>n und lebhaften<br />

Diskussionen zeigten, dass <strong>die</strong> Nutzung des Internets viele<br />

Menschen immer wieder vor Situationen stellt, auf <strong>die</strong> es<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Standartantwort gibt. „Das Internet <strong>ist</strong><br />

sicherlich ke<strong>in</strong> Hort der Glückseeligkeit. Aber mit der entsprechenden<br />

Vorsicht kann man <strong>die</strong> Vorteile <strong>die</strong>ses modernen<br />

Mediums für se<strong>in</strong>e Zwecke sicherlich <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>nd<br />

nutzen:“, so der Referent zum Abschluss des Vormittags.<br />

Nachdem <strong>in</strong> den Arbeitse<strong>in</strong>heiten des Vormittags der<br />

Blickw<strong>in</strong>kel auf <strong>die</strong> Erwachsenen <strong>ge</strong>legt wurde, g<strong>in</strong>g man<br />

am Nachmittag erstmals neue We<strong>ge</strong>. So arbeiteten <strong>die</strong> beiden<br />

Referenten jetzt ausschließlich mit den K<strong>in</strong>dern und Ju<strong>ge</strong>ndlichen.<br />

In zwei alters<strong>ge</strong>rechten Arbeitsgruppen wurden ihnen<br />

e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> D<strong>in</strong><strong>ge</strong> näher <strong>ge</strong>bracht, <strong>die</strong> auch bei den erfahrenen<br />

Internetnutzern für das e<strong>in</strong> oder andere Aha-Erlebnis sorgten.<br />

Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Internet konnten<br />

hier u.a. Empfehlun<strong>ge</strong>n erarbeitet werden, bei deren E<strong>in</strong>haltung,<br />

<strong>die</strong> Gefahren, Opfer von Cybermobb<strong>in</strong>g zu werden,<br />

<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>g zu halten s<strong>in</strong>d. Als Parallelprogramm für <strong>die</strong> Eltern<br />

u. Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der fand e<strong>in</strong> W<strong>in</strong>terspaziergang statt, der se<strong>in</strong>en<br />

Abschluss auf dem Weihnachtsmarkt des Bildungshauses<br />

fand. Auch das, bei allen Familienwochenenden obligatorische<br />

B<strong>in</strong>gospiel, durfte <strong>die</strong>ses Mal nicht fehlen. Kurz vor<br />

dem Weihnachtsfest hatte Oberstleutnant Hecht noch mal<br />

tief <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schatzk<strong>ist</strong>e <strong>ge</strong>griffen und wieder viele attraktive<br />

Preise zur Verfügung <strong>ge</strong>stellt.<br />

Nach dem Familiengottes<strong>die</strong>nst am Sonntag, der durch<br />

den dafür extra an<strong>ge</strong>re<strong>ist</strong>en Militärdekan Bern<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>staltet<br />

wurde, trafen sich alle Teilnehmer im Foyer des Bildungshauses,<br />

um unter der musikalischen Begleitung von Oberstabsärzt<strong>in</strong><br />

Dr. Kar<strong>in</strong> Schrödl und deren K<strong>in</strong>dern <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />

Weihnachtslieder zu s<strong>in</strong><strong>ge</strong>n. „E<strong>in</strong> bes<strong>in</strong>nlicher Abschluss<br />

e<strong>in</strong>es sehr <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>nen Wochenendes.“, so e<strong>in</strong> Teilnehmer<br />

bei der Abschlussrunde. ❏<br />

(Text und Foto: Andreas Quir<strong>in</strong>)<br />

38 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

2


GKS Bereich West<br />

Interkulturelle Kompetenz<br />

oder „den dritten Weg suchen“<br />

Dank der Großzügigkeit des Bundesvorstandes der<br />

GKS war es möglich e<strong>in</strong>e zweite Familienwerkwoche<br />

im Bereich West durchzuführen. Ziel war <strong>die</strong> Kolp<strong>in</strong>g-Familienferienstätte<br />

Allgäuhaus <strong>in</strong> Wertach. Unter der bewährten<br />

Leitung von Albert Hecht trafen sich 14 Familien<br />

aus dem Bereich West. Das Kennzeichen der Gruppe<br />

Bild 1<br />

war e<strong>in</strong> braunes T-Shirt mit goldfarbenem GKS-Aufdruck<br />

(Bild 1). Dieses Aussehen zeigt Aussenwirkung und fällt<br />

auf. „Die GKS kommt!“<br />

E<strong>in</strong> vielfälti<strong>ge</strong>s Programm aus den drei Säulen Bildung,<br />

Bes<strong>in</strong>nung und Be<strong>ge</strong>gnung erwartete <strong>die</strong> Teilnehmer. Begonnen<br />

wurde jeder Tag <strong>in</strong> der hausei<strong>ge</strong>nen Kapelle. Kurze<br />

nachdenkliche Texte und Gesän<strong>ge</strong> aus dem extra von<br />

Markus Wolters an<strong>ge</strong>fertigten Liederheft boten e<strong>in</strong>e gute<br />

E<strong>in</strong>stimmung <strong>in</strong> den Tag.<br />

Bild 2<br />

Das Thema der Werkwoche lautete: „Wo Himmel und<br />

Erde sich berühren“ –Multi – Kulti? – Deutsche Leitkultur?<br />

– Parallel<strong>ge</strong>sellschaft(en)?<br />

Zu <strong>die</strong>sem Thema konnte Frau Kawka-Wegmann als<br />

Referent<strong>in</strong> <strong>ge</strong>wonnen werden (Bild 2). Sie leitet e<strong>in</strong>e katholische<br />

Grundschule <strong>in</strong> Bonn mit e<strong>in</strong>em sehr hohen Aus-<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

länderanteil. K<strong>in</strong>der und Eltern vieler Nationen und Religionen<br />

besuchen ihre katholische Schule, sie s<strong>in</strong>d willkommen,<br />

leben hier mite<strong>in</strong>ander und lernen vone<strong>in</strong>ander.<br />

Chr<strong>ist</strong>en und Muslime stellen mehr als 55% der Weltbevölkerung.<br />

„Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stunde des Dialogs und<br />

überleben nur, wenn <strong>die</strong> wachsenden Konfrontationen<br />

durch e<strong>in</strong>e Kultur der Verständigung überwunden werden.“<br />

schreibt Eu<strong>ge</strong>n Biser (<strong>ge</strong>b. 1918, Fundamentaltheolo<strong>ge</strong> und<br />

Religionsphilosoph). Leitl<strong>in</strong>ien der katholischen Kirche<br />

und e<strong>in</strong> Dialog aus chr<strong>ist</strong>lichem Ursprung s<strong>in</strong>d <strong>ge</strong>gründet<br />

auf Hebr 13.1-2: „Bleibt fest <strong>in</strong> der brüderlichen Liebe.<br />

Gastfrei zu se<strong>in</strong> ver<strong>ge</strong>sst nicht, denn dadurch haben e<strong>in</strong>i-<br />

<strong>ge</strong> ohne ihr Wissen En<strong>ge</strong>l beherbergt.“ Elementare Motive<br />

kirchlichen Integrationsenga<strong>ge</strong>ments s<strong>in</strong>d Wertschätzung<br />

von zunächst Fremden, Verteidigung ihrer Menschenwürde<br />

und Bereitschaft Gastfreundschaft zu <strong>ge</strong>währen. Das 2.<br />

Vatikanische Konzil stellt e<strong>in</strong>en entscheidenden Moment<br />

für <strong>die</strong> Seelsor<strong>ge</strong> der Migranten dar. „Die Aufnahme der<br />

Fremden <strong>ge</strong>hört zum Wesen selbst der Kirche und bezeugt<br />

ihre Treue zum Evan<strong>ge</strong>lium. Im Mittelpunkt der Integration<br />

steht <strong>die</strong> von Gott verbürgte Würde des Menschen. Trotz<br />

aller Unterschiede kommt allen Menschen <strong>die</strong> gleiche<br />

Würde zu, weil sie K<strong>in</strong>der des e<strong>in</strong>en Vaters s<strong>in</strong>d.“ Interreligiöse<br />

Kompetenz entwickelt sich <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

zu e<strong>in</strong>er wichti<strong>ge</strong>n Schlüsselkompetenz. Wir können uns<br />

e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>andersetzung mit kultureller und religiöser<br />

Andersartigkeit nicht mehr entziehen.<br />

Interreligiöse Kompetenz <strong>ist</strong><br />

– Persönlichkeitsbildung: mit Bewusstwerdung, Erneuerung<br />

des ei<strong>ge</strong>nen Glaubens; Wahrung chr<strong>ist</strong>licher<br />

Identität; Zeugnis <strong>ge</strong>ben der ei<strong>ge</strong>nen Religion und<br />

Spiritualität; offene, von <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>m Respekt <strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />

Gespräche; Selbstreflektion; gleichberechtigte<br />

Partner kennenlernen, nicht belehren wollen; andere<br />

Religion nicht als Gefahr sondern als ei<strong>ge</strong>ne Horizonterweiterung<br />

erkennen; Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />

anderen Religionen; offen se<strong>in</strong> für Gotteserfahrun<strong>ge</strong>n<br />

anderer Menschen<br />

– Ehrfurcht vor Gott<br />

– Ehrfurcht vor anderen Religionen<br />

– Nächstenliebe<br />

39


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

Religionen hatten immer schon mit Konflikten zu tun.<br />

Religionen haben Konflikte aus<strong>ge</strong>löst. Durch Religionen<br />

wurden Konflikte vermieden, verstärkt oder bei<strong>ge</strong>legt.<br />

Für <strong>die</strong> Verständigung im sozialen und im <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Dialog hat das Zuhören e<strong>in</strong>en besonderen Stellenwert.<br />

Bild 3<br />

Bereit B i zu se<strong>in</strong>, i zuzuhören, h ddem anderen d AAufmerksamkeit f k k i<br />

zu schenken, <strong>in</strong> der anderen Welt Anregun<strong>ge</strong>n zu suchen,<br />

andere Sprachen, Traditionen und Religionen kennenzulernen,<br />

nur so kann sich unsere <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>, emotionale und<br />

<strong>ge</strong>sellschaftliche Welt weiter entwickeln. E<strong>in</strong> weiterer<br />

Faktor <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kommunikation. Hierbei spielt <strong>die</strong> Beziehungsebene<br />

neben der Sachebene immer e<strong>in</strong>e Rolle. Ist<br />

<strong>die</strong> Beziehungsebene nicht stimmig, so führt das zu Problemen<br />

auf der Sachebene. Vorhandene Vorurteile <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />

dem anderen Menschen bee<strong>in</strong>flussen <strong>die</strong> Kommunikation.<br />

Handlungskonzept: den dritten Weg suchen<br />

Es <strong>ist</strong> wichtig, dass das Anlie<strong>ge</strong>n beider Seiten gleichberechtigt<br />

berücksichtigt und bei unterschiedlichen Vorstellun<strong>ge</strong>n<br />

im Interesse aller Beteiligten e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samer<br />

Weg <strong>ge</strong>sucht und <strong>ge</strong>funden wird. Hier hat sich <strong>die</strong> Suche<br />

nach e<strong>in</strong>em dritten Weg bewährt. Es wird bei unterschiedlichen<br />

Interessen nach Lösun<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>sucht, <strong>die</strong> beide Seiten<br />

gut annehmen können, <strong>in</strong> der nicht e<strong>in</strong>e Seite mit ihren<br />

Interessen dom<strong>in</strong>iert und <strong>in</strong> der es nicht zu Entscheidun<strong>ge</strong>n<br />

kommt, <strong>die</strong> durch Machtverhältnisse bestimmt s<strong>in</strong>d.<br />

Bild 4<br />

Der leitende MilDekan Msgr. Schnettker lud <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

zum Gedankenaustausch e<strong>in</strong>, aus<strong>ge</strong>hend vom Dialogprozess,<br />

der <strong>in</strong> Mannheim im Sommer begonnen wurde.<br />

Dar<strong>in</strong> äußerte u.a. Kard<strong>in</strong>al Lehmann, dass e<strong>in</strong> Spagat<br />

zwischen dem theologischen Labor und dem praktischen<br />

Leben <strong>ge</strong>funden werden muss. Wie können e<strong>in</strong> Aufbruch<br />

und Änderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> der Militärseelsor<strong>ge</strong> aussehen? In<br />

Kle<strong>in</strong>gruppen wurde re<strong>ge</strong> diskutiert. Das Er<strong>ge</strong>bnis lautete:<br />

– das katholische Profil müsse sichtbarer werden<br />

– <strong>die</strong> Kirche im Amt müsse mehr Präsenz zei<strong>ge</strong>n<br />

– <strong>die</strong> Qualität müsse verbessert werden<br />

– <strong>die</strong> Militärseelsor<strong>ge</strong> müsse noch besser bekannt<strong>ge</strong>macht<br />

werden<br />

We<strong>ge</strong> zu <strong>die</strong>sen Forderun<strong>ge</strong>n s<strong>in</strong>d nicht nur <strong>in</strong>nerkirchliche<br />

Dialo<strong>ge</strong> mit Ehrlichkeit, Vertrauen und Offenheit<br />

sondern auch Gespräche über andere Lebensbereiche<br />

und mit anderen Religionen. Alle Möglichkeiten müssen<br />

aus<strong>ge</strong>lotet werden, um wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>en dritten Weg<br />

zu f<strong>in</strong>den, den jetzt noch kaum jemand vermutet. Durch<br />

das ähnliche Handlungskonzept schließt sich der Themenkreis<br />

der Werkwoche.<br />

Thematisch können <strong>die</strong> Eltern natürlich nur un<strong>ge</strong>stört<br />

arbeiten, wenn <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der gut betreut werden. Unter<br />

fachkundi<strong>ge</strong>r Anleitung von zwei Erzieher<strong>in</strong>nen bastelten<br />

<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der (Bild 3). Auf dem Abenteuerspielplatz konnten<br />

sich <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen nach Herzenslust austoben und<br />

bei schlechtem Wetter wurde der tolle Indoor-Spielplatz<br />

über zwei Ebenen <strong>ge</strong>nutzt. Die große Sporthalle bot ebenso<br />

viele Möglichkeiten für <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen mal so richtig<br />

auszupowern, z.B. beim Tischtennis, Fußball, Handball<br />

oder Tennis.<br />

Die Erkundung der Um<strong>ge</strong>bung <strong>ist</strong> bei e<strong>in</strong>er Werkwoche<br />

selbstverständlich. Dies <strong>ge</strong>schieht selbstredend <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />

mit der ganzen Gruppe. Das Allgäu bietet viele Möglichkeiten.<br />

E<strong>in</strong> Ziel war <strong>die</strong> Wallfahrtskapelle „Maria Trost“ <strong>in</strong><br />

Nesselwang. Die Geschichte der Kapelle <strong>ge</strong>ht bis <strong>in</strong>s 17.<br />

Jahrhundert zurück. 1662 wurde zum ersten Mal <strong>in</strong> dem<br />

heuti<strong>ge</strong>n Chorraum e<strong>in</strong>e heili<strong>ge</strong> Messe <strong>ge</strong>feiert. Anfang des<br />

18. Jh. entstand e<strong>in</strong> größerer Kirchbau, der 1725 e<strong>in</strong><strong>ge</strong>weiht<br />

wurde. Die Innenaus<strong>ge</strong>staltung mit den Fresken und<br />

dem Stuck erfolgte von 1750 bis 1770. In <strong>die</strong>sen Jahren<br />

wurde auch der zwei<strong>ge</strong>schossi<strong>ge</strong> Anbau als Bildungsstätte<br />

der katholischen Ju<strong>ge</strong>nd der Diözese Augsburg <strong>ge</strong>baut.<br />

Der Kreuzweg und der Kalvarienberg am alten Wall sowie<br />

der Fahrtweg wurden 1842 errichtet. E<strong>in</strong>e Aussen- und Innenrenovierung<br />

erfolgte von 1978 bis 1982. E<strong>in</strong> weiteres<br />

Ziel war der h<strong>ist</strong>orische Stadtkern von Füssen. Durch <strong>die</strong><br />

Nähe zu den Königsschlössern und mit Wurzeln aus der<br />

Römerzeit bietet sich e<strong>in</strong>e tour<strong>ist</strong>ische Hochburg.<br />

Das Allgäu lockt auch mit se<strong>in</strong>en Ber<strong>ge</strong>n. Ob zu Fuß<br />

oder mit der Seilbahn wurden das Wertacher Hörnle oder<br />

der Alpspitz erklommen. Für Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der und nicht so Höhenfreudi<strong>ge</strong><br />

bot sich e<strong>in</strong>e Wanderung um den Grüntensee<br />

oder im Tannheimer Tal an.<br />

Auch an den Abenden gibt es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sames Programm,<br />

wobei <strong>die</strong> Gespräche im Vordergrund stehen. Immer wieder<br />

unterhaltsam und spannend <strong>ist</strong> das B<strong>in</strong>go-Spiel. Viele<br />

große Preise gab es zu <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nen. Wie dramatisch <strong>ist</strong> es,<br />

wenn zwei Spieler beim Haupt<strong>ge</strong>w<strong>in</strong>n <strong>die</strong>selben Zahlen haben.<br />

Traditionell <strong>ist</strong> der Mittwochabend etwas Besonderes.<br />

In der St. Sebastians-Kapelle (auch Kle<strong>in</strong>e Wies <strong>ge</strong>nannt<br />

we<strong>ge</strong>n der Bee<strong>in</strong>flussung bei Planung und Bau durch das<br />

große Vorbild) feierte MilDekan Msgr. Ra<strong>in</strong>er Schnettker<br />

e<strong>in</strong>e Familienmesse mit uns. Musikalisch <strong>ge</strong>staltet wurde<br />

<strong>die</strong> Messe <strong>in</strong> bewährte Weise von Markus Wolters an der<br />

40 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


Or<strong>ge</strong>l. Selbstverständlich kamen <strong>die</strong> Mess<strong>die</strong>ner aus unseren<br />

Reihen. Der Abend endete mit e<strong>in</strong>em Candlelightd<strong>in</strong>ner<br />

<strong>in</strong> stilvollem Ambiente. Auch hier wurden wieder<br />

viele Gespräche <strong>ge</strong>führt. Am Abschlussabend gab es etwas<br />

Besonderes. Das Alphornblasen wird im Allgäu als<br />

Brauchtum <strong>ge</strong>pflegt. Das Alphorn <strong>ge</strong>hört aufgrund se<strong>in</strong>er<br />

Anblastechnik <strong>in</strong>strumentenkundlich zu den Aerophonen<br />

und wird traditionell überwie<strong>ge</strong>nd aus Holz <strong>ge</strong>fertigt. Es<br />

besitzt weder Klappen, Zü<strong>ge</strong> noch Ventile und <strong>ist</strong> daher<br />

bezüglich der zu spielenden Töne auf <strong>die</strong> Naturtonreihe<br />

beschränkt. Die Technik der Rohrherstellung aus Holz <strong>ist</strong><br />

uralt. Heute gibt es e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> spezialisierte Instrumentenbauer,<br />

<strong>die</strong> aus <strong>ge</strong>eigneten Holzstämmen, e<strong>in</strong> Alphorn herstellen.<br />

Me<strong>ist</strong> Fichten werden <strong>ge</strong>schält und der Län<strong>ge</strong> nach<br />

halbiert. Das Aushöhlen der beiden Hälften auf e<strong>in</strong>e Wanddicke<br />

von e<strong>in</strong>em halben Zentimeter <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e über siebzig<br />

Stunden dauernde Handarbeit. E<strong>in</strong>e anschließende Umwicklung<br />

mit Peddigrohr <strong>die</strong>nt als Wetterschutz. E<strong>in</strong> hölzernes<br />

Kesselmundstück erleichtert das Blasen. Der Preis für<br />

e<strong>in</strong> solches Instrument liegt bei etwa 1000 bis 2500 Euro.<br />

Am weitesten verbreitet <strong>ist</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> das F-Alphorn.<br />

Se<strong>in</strong>e Län<strong>ge</strong> beträgt 3,68m. E<strong>in</strong> „normales“ Alphorn hat<br />

16 Töne, wobei der tiefste Ton das F1 <strong>ist</strong>. In der üblichen<br />

Ausführung kann man Alphörner heute <strong>in</strong> zwei oder drei<br />

Teile zerle<strong>ge</strong>n. Wir kamen <strong>in</strong> den Genuss e<strong>in</strong>er Darbietung<br />

mit 3 Alphornbläsern (Bild 4). Selbstverständlich<br />

gab es Erklärun<strong>ge</strong>n und Zugaben. Dies war e<strong>in</strong> würdi<strong>ge</strong>r<br />

Abschluss für <strong>die</strong> <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>ete Arbeit der Organisatoren Albert<br />

Hecht und Hubert Berners, da beide nach 6mali<strong>ge</strong>r<br />

Verantwortung ihre Arbeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Form beenden. ❏<br />

(Text und Fotos: Magdalene Berners)<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

GKS Bereich West<br />

AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />

Wechsel im Amt<br />

des Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers<br />

Zum 01. Januar 2012 erfolgte e<strong>in</strong> Wechsel im Amt des<br />

Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers der GKS West. Der bisheri<strong>ge</strong><br />

Geschäftsführer OStFw a.D. Hubert Berners übergab<br />

<strong>die</strong> Aufgaben an den neuen Geschäftsführer Andreas<br />

Quir<strong>in</strong>. ❏<br />

(Text und Foto: Andreas Quir<strong>in</strong>)<br />

Kurznachrichten<br />

Papstbrief <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zu<strong>ge</strong>ständnis an Konservative<br />

In der Debatte um <strong>die</strong> Wandlungs-<br />

Worte <strong>in</strong> der katholischen Messe<br />

ruft der Bochumer Theolo<strong>ge</strong> Thomas<br />

Söd<strong>in</strong>g zu Besonnenheit auf.<br />

Die Aufforderung von Papst Benedikt<br />

XVI. an <strong>die</strong> deutschen Bischöfe,<br />

<strong>in</strong> den Gottes<strong>die</strong>nsten <strong>die</strong><br />

ursprünglichen Worte Jesu zu verwenden,<br />

sei ke<strong>in</strong> Zu<strong>ge</strong>ständnis an<br />

konservative Kreise wie <strong>die</strong> Piusbrüder,<br />

sagte Söd<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Interview des <strong>Deutschland</strong>funks.<br />

E<strong>in</strong>e solche Interpretation halte er<br />

für verfehlt. Zudem beteten beispielsweise<br />

<strong>die</strong> Traditional<strong>ist</strong>en <strong>in</strong><br />

late<strong>in</strong>ischer Sprache und seien deswe<strong>ge</strong>n<br />

von dem Brief aus Rom ohneh<strong>in</strong><br />

nicht betroffen.<br />

Papst Benedikt XVI. hatte <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Schreiben <strong>die</strong> deutschen<br />

Bischöfe auf<strong>ge</strong>fordert, dafür zu sor<strong>ge</strong>n,<br />

dass <strong>die</strong> E<strong>in</strong>setzungsformel<br />

<strong>ge</strong>ändert wird. Demnach müsse es<br />

künftig <strong>ge</strong>mäß dem Urtext heißen:<br />

„me<strong>in</strong> Blut, das für Euch und für<br />

viele vergossen wird zur Ver<strong>ge</strong>bung<br />

der Sünden“. Das Schreiben<br />

<strong>ist</strong> <strong>ge</strong>richtet an den Vorsitzenden<br />

der Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Erzbischof Robert Zollitsch. Dar<strong>in</strong><br />

betont der Papst, dass <strong>die</strong> seit der<br />

Liturgiereform von 1970 übliche<br />

Formel „für Euch und für alle“<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretierende Übersetzung<br />

sei. Söd<strong>in</strong>g erläuterte, es <strong>ge</strong>he um<br />

e<strong>in</strong>e „Veränderung im Ausdruck“<br />

und ke<strong>in</strong>e „Veränderung <strong>in</strong> der Sache“.<br />

Dem Papst seien dabei vor<br />

allem zwei Aspekte wichtig: e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>heitliche Formel für <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte<br />

katholische Kirche durchzusetzen<br />

und <strong>die</strong> E<strong>in</strong>setzungsworte näher<br />

an <strong>die</strong> biblische Überlieferung heranzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />

Gleichzeitig räumte<br />

Söd<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>, dass auch <strong>in</strong> den biblischen<br />

Texten <strong>die</strong> Bedeutung von<br />

„für alle“ und „für viele“ <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>ntlich<br />

nahe beie<strong>in</strong>ander lie<strong>ge</strong>. Nach<br />

theologischem Verständnis sei aber<br />

klar, dass Jesus für alle <strong>ge</strong>storben<br />

sei, <strong>die</strong> Formulierung „für viele“<br />

mache jedoch zugleich klar, dass<br />

es ke<strong>in</strong>e „Zwangsbeglückung“ im<br />

Glauben <strong>ge</strong>be. (KNA)<br />

41


BUCHBESPRECHUNGEN<br />

Buchbesprechung<br />

Dieser vorlie<strong>ge</strong>nde Band enthält <strong>die</strong><br />

Vorlesun<strong>ge</strong>n und den Festvortrag der<br />

Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen 2011, <strong>die</strong><br />

vom 1. August bis zum 7.August<br />

<strong>in</strong> der großen Aula der<br />

Universität Salzburg <strong>ge</strong>halten<br />

wurden. Beg<strong>in</strong>nend mit<br />

dem Vortrag von Alois Glück<br />

„Orientierun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> unsicheren<br />

Zeiten“, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Hauptvorlesun<strong>ge</strong>n<br />

hier ab<strong>ge</strong>druckt.<br />

Damit kann man sowohl nachvollziehen,<br />

was Prof. Lieven<br />

Boeve über „Chr<strong>ist</strong>licher Glaube<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit der Verunsicherung:<br />

Theologie, Kirche<br />

und <strong>die</strong> Angst vor dem Risiko“<br />

aussagte, aber auch den Vortrag von<br />

Maximilian Bur<strong>ge</strong>r-Scheidl<strong>in</strong> „Wirtschaft<br />

Buchbesprechung<br />

Sicher – unsicher<br />

und Ethik – e<strong>in</strong> Widerspruch“. Im AUF-<br />

TRAG 284, Seite 13 ff haben wir darüber<br />

berichtet. Dieser Band<br />

mit mi den wichtigsten Vorlesun<strong>ge</strong>n<br />

<strong>ge</strong> spie<strong>ge</strong>lt <strong>die</strong> Salzbur<strong>ge</strong>r<br />

Hochschulwochen H<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

großarti<strong>ge</strong>n gr Weise wider und<br />

gibt gi den Menschen, <strong>die</strong> dabei<br />

waren, w <strong>die</strong>se Gedanken klar<br />

und u deutlich wieder <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung,<br />

n den Menschen, <strong>die</strong><br />

noch n nicht an den Salzbur<strong>ge</strong>r<br />

g Hochschulwochen dabei<br />

waren, w <strong>ist</strong> <strong>die</strong>ser Band e<strong>in</strong><br />

„Appetithäppchen“, „<br />

um <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sem d Jahr dabei zu se<strong>in</strong>,<br />

wenn w das Thema über „Ver-<br />

antworten“ <strong>ge</strong>ht. In <strong>die</strong>sem Band s<strong>in</strong>d<br />

<strong>die</strong> Vorträ<strong>ge</strong> des Publikumspreises ab-<br />

Erneuerungsdenken <strong>in</strong> der islamischen Welt<br />

<strong>ge</strong>druckt und <strong>die</strong> Laudatio von Prof. Dr.<br />

Elmar Salmann über den Pre<strong>ist</strong>rä<strong>ge</strong>r sowie<br />

<strong>die</strong> Dankesrede des Erzbischofs von<br />

Chieti-Vasto, Italien Dr. Bruno Forte, der<br />

den Theologischen Preis der Salzbur<strong>ge</strong>r<br />

Hochschulwochen erhalten hatte. E<strong>in</strong>e<br />

Übersicht über <strong>die</strong> Lehrveranstaltun<strong>ge</strong>n<br />

und <strong>die</strong> Vorstellun<strong>ge</strong>n der ab<strong>ge</strong>druckten<br />

Autoren runden <strong>die</strong>ses <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>ne Compendium<br />

der Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen<br />

2011 ab. (BB)<br />

Im Auftrag des Direktoriums<br />

der Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen<br />

als Jahrbuch heraus<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />

von Gregor Maria Hoff,<br />

Sicher – unsicher, 256 Seiten,<br />

Tyrolia – Verlag, Innsbruck – Wien,<br />

ISBN 978-3-7022-3148-4<br />

Orthodoxie-Kritik und neue Selbstver<strong>ge</strong>wisserung als Mittel zur Überw<strong>in</strong>dung der <strong>ge</strong><strong>ist</strong>ig-kulturellen Krise?<br />

Das Beispiel der Altajdeed Cultural & Social Society<br />

Der Autor Said alDailami folgte als<br />

Neunjähri<strong>ge</strong>r se<strong>in</strong>em Vater aus dem<br />

Jemen <strong>in</strong>s politische Exil nach <strong>Deutschland</strong>.<br />

Hier sorgte se<strong>in</strong> Vater dafür, dass er<br />

neben se<strong>in</strong>er religiösen Erziehung auch<br />

<strong>die</strong> neue Landessprache lernte. Dieses<br />

H<strong>in</strong>- und Her<strong>ge</strong>rissense<strong>in</strong> zwischen se<strong>in</strong>em<br />

Zuhause und der Alltagswelt, <strong>die</strong><br />

dem jun<strong>ge</strong>n Muslim be<strong>ge</strong>gnete, prägte<br />

den jun<strong>ge</strong>n Mann. Die Be<strong>ge</strong>gnung mit<br />

der „westlichen Kultur“, das Kennenlernen<br />

der Aufklärung und der Philosophen<br />

wie Hobbes, Descartes, Kant und He<strong>ge</strong>l,<br />

um nur e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> zu nennen, weckte se<strong>in</strong><br />

Interesse. Während se<strong>in</strong>es Studiums der<br />

Staatswissenschaften vertiefte er se<strong>in</strong>e<br />

Kenntnisse um <strong>die</strong> abendländische Theologie<br />

und Philosophie. Aus dem Vorwort:<br />

„Auf der empirischen Ebene zog der <strong>in</strong>zwischen<br />

<strong>in</strong> der Bundeswehr <strong>die</strong>nende<br />

muslimische Offizier („Treues Dienen<br />

versus treues Glauben“, AUFTRAG 281,<br />

Seite 26 ff, <strong>die</strong> Redaktion) alltäglich den<br />

Vergleich zwischen der Mentalität, der<br />

Bewusstse<strong>in</strong>sla<strong>ge</strong> sowie den Denkmustern<br />

se<strong>in</strong>er „Glaubensbrüder“ und jener<br />

vorwie<strong>ge</strong>nd chr<strong>ist</strong>lich-abendländisch<br />

<strong>ge</strong>prägten <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n E<strong>in</strong>stellung se<strong>in</strong>er<br />

deutschen und europäischen Bekannten,<br />

Freunden und Kameraden. Das Resultat<br />

<strong>die</strong>ses Vergleiches <strong>ist</strong> <strong>die</strong> nahelie<strong>ge</strong>nde,<br />

wissenschaftlich jedoch nicht unbestrittene<br />

Feststellung, dass <strong>die</strong> Handlun<strong>ge</strong>n<br />

der e<strong>in</strong>en wie der anderen, wenn<br />

sie nicht oberflächlich ab<strong>ge</strong>urrteilt werden sollen, nur vor dem m<br />

H<strong>in</strong>tergrund ihres zugrunde-<br />

lie<strong>ge</strong>nden Weltbildes <strong>in</strong> ihren n<br />

ganzen Dimensionen begriffen n<br />

werden können.“ Dieses Buch<br />

wird allen empfohlen, denen,<br />

<strong>die</strong> dem Islam kritisch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüberstehen,<br />

denen, <strong>die</strong> den<br />

Weg der Verständigung suchen,<br />

denen, <strong>die</strong> dem muslimischen<br />

Glauben <strong>die</strong> Kraft<br />

der Veränderung wünschen.<br />

Wer mit islamischen Glau-<br />

bensbrüdern und Glaubensfrauen auen dis-<br />

kutieren möchte, für den <strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Abhandlung<br />

e<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gtes Muss, um <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

H<strong>ist</strong>orie <strong>die</strong>ser dritten monothe<strong>ist</strong>ischen<br />

Weltreligion e<strong>in</strong>zutauchen. So wie es <strong>die</strong><br />

Erklärung des II.Vaticanums „nostra<br />

aetate“ aussagt: „Die katholische Kirche<br />

lehnt nichts von alledem ab, was <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen<br />

Religionen wahr und heilig <strong>ist</strong>. Mit aufrichti<strong>ge</strong>m<br />

Ernst betrachtet sie jene Handlungs-<br />

und Lebensweisen, jene Vorschriften<br />

und Lehren, <strong>die</strong> zwar <strong>in</strong> manchem von<br />

dem abweichen, was sie selber für wahr<br />

hält und lehrt, doch nicht selten e<strong>in</strong>en<br />

Strahl jener Wahrheit erkennen lassen,<br />

<strong>die</strong> alle Menschen erleuchtet.“ Und weiter<br />

führt f <strong>die</strong>se Erklärung aus:<br />

„Da „ es jedoch im Lauf der<br />

Jahrhunderte J zu manchen<br />

Zw<strong>ist</strong>igkeiten Z<br />

und Fe<strong>in</strong>dschaften<br />

s zwischen Chr<strong>ist</strong>en<br />

und u Muslim kam, ermahnt<br />

<strong>die</strong> di Heili<strong>ge</strong> Synode alle, das<br />

Vergan<strong>ge</strong>ne Ve beiseite zu lassen,<br />

sen sich aufrichtig um <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>s<br />

<strong>ge</strong>n Verstehen zu bemühen<br />

mü und <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>zutreten<br />

zut für Schutz und Förderung<br />

der der sozialen Gerechtigkeit,<br />

tigk der sittlichen Güter<br />

und<br />

nicht zuletzt des Friedens<br />

und der Freiheit für alle Menschen“. Die<br />

Kenntnis <strong>die</strong>ses Buch von Said alDailami<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>r Schritt zu <strong>die</strong>sem lobenswerten<br />

Ziel. (BB)<br />

Said alDailami, Erneuerungsdenken<br />

<strong>in</strong> der islamischen Welt, Kultur,<br />

Recht und Politik <strong>in</strong> muslimischen<br />

Gesellschaften, Band 21, 457 Seiten,<br />

Ergon Verlag, Würzburg,<br />

ISBN 978-3-89913-860-3<br />

42 AUFTRAG 285 • APRIL 2012


2012 Allg. Term<strong>in</strong>e u. Bundesebene<br />

15.05. – 16.05. Vollversammlung ZdK, Mannheim<br />

16.05. – 20.05. 98. Deutscher Katholikentag<br />

<strong>in</strong> Mannheim<br />

„E<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“<br />

30.05. – 03.06. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Cloppenburg<br />

15.06. – 16.06. Vorstand Katholikenrat, Essen<br />

15.06. – 17.06. GKS Bundesvorstand, Nürnberg<br />

22.06. Politiker<strong>ge</strong>spräch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

06.09. Verwaltungsrat<br />

08.09. Vorkonferenz zur Woche der Be<strong>ge</strong>gnung<br />

10.09. – 15.09. 52. Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, Berl<strong>in</strong><br />

„Kirche unter Soldaten – Verantwortung<br />

durch Gottvertrauen“<br />

15.10. – 19.10. 57. Gesamtkonferenz, Bensberg<br />

24.10. – 28.10. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />

10.11. – 11.11. GKS Bundesvorstand, Mülheim/Ruhr<br />

17.11. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />

23.11. – 24.11. Vollversammlung ZdK, Bonn<br />

29.11. Verwaltungsrat<br />

Bereichs- / Arbeitskonferenzen / Familienwochenenden<br />

KMilD Kiel / GKS Nord/Küste<br />

13.11. – 15.11. Salem<br />

KMilD Erfurt / GKS Mitte<br />

19.10. – 21.10. Duderstadt<br />

KMilD Ma<strong>in</strong>z / GKS West<br />

21.09. – 23.09. Cochem<br />

KMilD München / GKS Süd<br />

26.10. – 28.10. Wertach<br />

AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />

GKS-Sachausschüsse<br />

SA „Innere Führung“<br />

22.06. – 24.06. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (mit S&F)<br />

Term<strong>in</strong>e für das Laienapostolat<br />

<strong>in</strong> der Kath. Militärseelsor<strong>ge</strong><br />

SA „Sicherheit und Frieden“<br />

10.02. Sitzung <strong>in</strong> Bonn<br />

23.03. Sitzung <strong>in</strong> Bonn<br />

22.06. – 24.06. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (mit IF)<br />

SA „Internationaler Sachausschuss“<br />

29.06. – 01.07. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

19.10. – 21.10. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

Vorschau 2013<br />

BILD DES SOLDATEN<br />

19.01. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />

19.01. <strong>ge</strong>schäftsführender Bundesvorstand,<br />

Berl<strong>in</strong><br />

24. – 28.04. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />

22. – 28.05. 55. Lourdeswallfahrt<br />

07. – 09.06. Vorstand Katholikenrat, Hamm<strong>in</strong>keln<br />

15. – 20.09. Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, Hamm<strong>in</strong>keln<br />

29.05. – 02.06. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Cloppenburg<br />

16. – 20.10. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />

04. – 08.11. GKS-Akademie Oberst Korn, Fulda<br />

09.11. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />

Vorschau 2014<br />

14. – 18.05. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />

28.05. – 01.06. 99.Katholikentag, Re<strong>ge</strong>nsburg<br />

02. – 07.07. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Fulda<br />

15. – 19.10 Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />

Regionale Zuständigkeit der Katholischen<br />

Militärdekanate<br />

KMilD Kiel: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holste<strong>in</strong>,<br />

Dienststellen im Bereich des Flottenkommandos<br />

KMilD Ma<strong>in</strong>z: Hessen, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Rhe<strong>in</strong>land-<br />

Pfalz, Saarland<br />

KMilD München: Bayern, Baden-Württemberg<br />

KMilD Erfurt: Berl<strong>in</strong>, Brandenburg, Thür<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, Sachsen,<br />

Sachsen-Anhalt, Bremen, Niedersachsen<br />

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz der GKS,<br />

BV GKS – Bundesvorstand der GKS, DAK – Dekanatsarbeitskonferenz im Bereich….., GKMD – Geme<strong>in</strong>schaft der kath.<br />

Männer <strong>Deutschland</strong>s, IS – Internationaler Sachausschuss, IThF – Institut Theologie und Frieden, Hamburg, KMilD –<br />

Kath. Militärdekanat, MGV – Militär<strong>ge</strong>neralvikar, SA InFü – Sachausschuss »Innere Führung«, SA S+F – Sachausschuss<br />

»Sicherheit und Frieden«, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, KR – Katholikenrat beim Militärbischof,<br />

VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.<br />

43


Der Königste<strong>in</strong>er En<strong>ge</strong>l<br />

Der »siebte En<strong>ge</strong>l mit der siebten Posaune«<br />

(Offb 11,15–19) <strong>ist</strong> der Bote der Hoffnung,<br />

der <strong>die</strong> une<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkte Herrschaft<br />

Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische<br />

En<strong>ge</strong>l am Haus der Be<strong>ge</strong>gnung <strong>in</strong> Königste<strong>in</strong>/<br />

Ts., dem Grün dungsort des Königste<strong>in</strong>er<br />

Offi zier kreises (KOK), <strong>ist</strong> heute noch das<br />

Tra di tionszeichen der GKS, das <strong>die</strong> katholische<br />

Laienarbeit <strong>in</strong> der Militärseelsor<strong>ge</strong><br />

seit mehr als 40 Jahren begleitet.<br />

Das Kreuz der GKS<br />

Das »Kreuz der GKS« <strong>ist</strong> das Symbol<br />

der Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten.<br />

Vier Kreise als Symbol für <strong>die</strong><br />

GKS-Kreise an der Basis formen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em größeren Kreis, der wiederum<br />

<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft ver s<strong>in</strong>nbildlicht, e<strong>in</strong><br />

Kreuz, unter dem sich katholische Soldaten<br />

versammeln.<br />

Impressum<br />

AUFTRAG <strong>ist</strong> das Organ der<br />

GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN<br />

(GKS) und er sche<strong>in</strong>t viermal im Jahr.<br />

Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2,<br />

10117 Berl<strong>in</strong><br />

www.katholische-soldaten.de<br />

Redaktion: verantwortlicher Redakteur<br />

Bertram Bastian (BB),<br />

Ra<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>k (RZ), Oberstlt a.D., Redakteur<br />

Zuschriften: Redaktion AUFTRAG<br />

c/o Bertram Bastian,<br />

Alter Heerweg 104, 53123 Bonn,<br />

Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164,<br />

E-Mail: redaktion-auftrag@kath-soldaten.de<br />

Für unverlangte E<strong>in</strong>sendun<strong>ge</strong>n wird ke<strong>in</strong>e<br />

Haftung übernommen. Namensartikel werden<br />

alle<strong>in</strong> vom Verfasser verantwortet. Nicht immer<br />

s<strong>in</strong>d bei Nachdrucken <strong>die</strong> Inhaber von Rechten<br />

feststellbar oder erreichbar. In solchen Ausnahmefällen<br />

verpfl ichtet sich der Heraus<strong>ge</strong>ber,<br />

nachträglich <strong>ge</strong>ltend <strong>ge</strong>machte rechtmäßi<strong>ge</strong><br />

Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen<br />

zu vergüten.<br />

Layout: VISUELL, Aachen<br />

Druck: MVG Me<strong>die</strong>nproduktion<br />

Boxgraben 73, 52064 Aachen<br />

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BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018.<br />

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Genehmigung der Redaktion und mit<br />

Quellenangabe. Nach be stellung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e Schutz<strong>ge</strong>bühr von EUR 10,- an<br />

den ausliefernden Verlag.<br />

ISSN 1866-0843

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