die „Bildungslandschaft“ in Deutschland ist ge - Gemeinschaft ...
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ISSN 1866-0843<br />
HEFT 285 – APRIL 2012 52. JAHRGANG<br />
• Erziehung zu Frieden<br />
und Gerechtigkeit<br />
• Übergabe <strong>in</strong><br />
Verantwortung<br />
• Libanon – e<strong>in</strong>e<br />
Beschreibung<br />
• Islam im<br />
Wandel?<br />
• Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko<br />
und Kuba<br />
• Orientierung an<br />
Werten <strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n
INHALT AUFTRAG 285 • APRIL 2012 • 52. JAHRGANG<br />
EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN . . . . . . 4<br />
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
TITELBILD: In den sechzi<strong>ge</strong>r Jahren fand Unterricht <strong>in</strong> solchen Klassen statt. In Bildung zu <strong>in</strong>vestieren war und bleibt<br />
e<strong>in</strong>e Zukunfts<strong>in</strong>vestition. In se<strong>in</strong>er <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong>n Botschaft zum Weltfriedenstag <strong>ge</strong>ht Papst Benedikt XVI. <strong>ge</strong>zielt auf <strong>die</strong><br />
Erziehung der Ju<strong>ge</strong>nd e<strong>in</strong>, damit Frieden und Gerechtigkeit wachsen. (Foto: Bertram Bastian)<br />
2<br />
Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zum Frieden<br />
und zur Gerechtigkeit erziehen<br />
Botschaft zum Weltfriedenstag 2012<br />
von Papst Benedikt XVI. . . . . . . . . . . . . 5<br />
Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />
Erklärung der GKS . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
„Den Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“ – Jahresempfang<br />
der Kölner GKS-Kreise<br />
von Helmut Leipertz . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
Libanon – e<strong>in</strong>e Beschreibung<br />
von Tim Knoche . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Ländliche Räume im Umbruch<br />
Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa<br />
von He<strong>in</strong>rich Dorndorf . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko und Kuba<br />
von Carl-H. Pierck . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Arabischer Frühl<strong>in</strong>g und chr<strong>ist</strong>licher W<strong>in</strong>ter<br />
Pressemitteilung der „Kirche <strong>in</strong> Not“ . . . . . . 21<br />
Macht des Faktischen zw<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />
Theologie zum Umdenken<br />
von Said alDailami . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
BILD DES SOLDATEN<br />
Was <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Diakon?<br />
von Walter Raab . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
Es <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religion<br />
Pressemitteilung des Instituts für Islamfra<strong>ge</strong>n . . 27<br />
Islamunterricht <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
von Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Orientierung an Werten <strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n<br />
von der Fachtagung des Cartellverbandes<br />
von Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />
Auszeichnung für Hptm a.D. W<strong>in</strong>fried Puth<br />
von W<strong>in</strong>fried Puth . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
GKS-KREIS BAD NEUENAHR-AHRWEILER<br />
W<strong>in</strong>terwanderung . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
GKS-KREIS HAMMELBURG<br />
Arche-Noah-Chor <strong>ge</strong>staltet Gottes<strong>die</strong>nst . . . . . 33<br />
Waldweihnacht <strong>in</strong> Hammelburg . . . . . . . . . 33<br />
Patroz<strong>in</strong>ium „Chr<strong>ist</strong>könig“ . . . . . . . . . . . . 35<br />
GKS-KREIS KÖLN<br />
Advent – kurz vor Weihnachten . . . . . . . . . 35<br />
KATHOLISCHES MILITÄRPFARRAMT BONN<br />
Empfang anlässlich des Neuen Kirchenjahres . . 36<br />
E<strong>in</strong>führungsgottes<strong>die</strong>nstes für den „Neuen“ . . . 37<br />
GKS-KREIS KÖLN-WAHN<br />
Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>ht uns alle an . . . . . . . . . 38<br />
GKS-BEREICH WEST<br />
Interkulturelle Kompetenz oder<br />
„den dritten Weg suchen“ . . . . . . . . . . . . 39<br />
Wechsel des Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers . . . . . . 41<br />
BUCHBESPRECHUNGEN: . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
KURZ BERICHTET: . . . . . . . . 8, 11, 26, 31, 32, 41<br />
TERMINE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
IMPRESSUM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Redaktionsschluss für<br />
AUFTRAG 286<br />
Freitag, 1. Juni 2012
editorial:<br />
Jahres-CD mit den<br />
Jahrgän<strong>ge</strong>n 2000-2011<br />
Heft 238-284<br />
(Heft 238 bis 251 nur Titelseiten und Inhaltsverzeichnisse)<br />
Liebe Leserschaft,<br />
<strong>die</strong> <strong>„Bildungslandschaft“</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>ist</strong> <strong>ge</strong>kennzeichnet<br />
durch den Föderalismus und <strong>die</strong><br />
damit verbundene Kulturhoheit der sechzehn Bundesländer.<br />
Dabei <strong>ist</strong> Bildungspolitik e<strong>in</strong>e Zukunftsentscheidung<br />
e<strong>in</strong>es Staates, denn nur mit gut aus<strong>ge</strong>bildeten<br />
Ju<strong>ge</strong>ndlichen kann e<strong>in</strong>e prosperierende Wirtschaft<br />
auf<strong>ge</strong>baut werden. Es kommt entscheidend darauf an,<br />
dass e<strong>in</strong>e familienfreundliche Wirtschaftspolitik <strong>ge</strong>staltet<br />
wird. Zurzeit <strong>ist</strong> nur e<strong>in</strong>e wirtschaftsfreundliche<br />
Familienpolitik erkennbar. Papst Benedikt XVI. sagt<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Botschaft zum Weltfriedenstag sehr deutlich,<br />
dass <strong>die</strong> Bereitschaft zur Erziehung e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung<br />
sei, zusammen mit der Bereitschaft Frie-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012 • 52. JAHRGANG<br />
den und Gerechtigkeit vorzuleben,<br />
e<strong>in</strong>e chr<strong>ist</strong>liche Geme<strong>in</strong>schaft<br />
aufzubauen und<br />
zu <strong>ge</strong>stalten.<br />
Dazu <strong>ge</strong>hört aber auch,<br />
gute Bed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n zu schaffen,<br />
damit der Wille zum<br />
Lernen, erst recht zum lebenslan<strong>ge</strong>n<br />
Lernen, All<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>gut<br />
werden kann. So<br />
<strong>ge</strong>sehen <strong>ist</strong> es an der Zeit,<br />
der wachsenden Anzahl von<br />
K<strong>in</strong>dern mit muslimischen<br />
Glauben e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />
zu <strong>ge</strong>ben, ihre Religion<br />
nicht nur <strong>in</strong> H<strong>in</strong>terhöfen,<br />
Gara<strong>ge</strong>n oder Waschküchen<br />
kennen zu lernen, sondern<br />
auch <strong>in</strong> den staatlichen Institutionen.<br />
Dazu lesen Sie<br />
den Artikel über den <strong>ge</strong>planten<br />
Islamunterricht <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>.<br />
Überhaupt <strong>ist</strong> <strong>in</strong> der<br />
muslimischen Welt<br />
e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>s im Wandel. Dr. Said<br />
alDailami berichtet über<br />
<strong>die</strong> Jahrhundert-Fatwa.<br />
Das Institut für Islamfra<strong>ge</strong>n<br />
stellt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Pressemitteilung<br />
dar, dass es ke<strong>in</strong>en Zwang <strong>in</strong> der Religion<br />
gäbe. Dazu <strong>ge</strong>hört <strong>die</strong> La<strong>ge</strong> der Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />
„Arabischen Frühl<strong>in</strong>g“. Diese Situation schildert „Kirche<br />
<strong>in</strong> Not“ e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich.<br />
Die Berichte aus den Kreisen und Bereichen s<strong>in</strong>d<br />
zahlreich <strong>in</strong> der Redaktion e<strong>in</strong><strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n, dafür<br />
der herzliche Dank des Chefredakteurs an alle, <strong>die</strong><br />
sich der Mühe unterziehen, e<strong>in</strong>en Bericht anzuferti<strong>ge</strong>n.<br />
Die Berichte des 13. Sem<strong>in</strong>ars der GKS-Akademie<br />
Oberst Korn s<strong>in</strong>d leider noch nicht vollzählig. Deshalb<br />
hat <strong>die</strong> Redaktion entschieden, <strong>die</strong>sen Bericht als Ganzes<br />
<strong>in</strong> den nächsten AUFTRAG zu <strong>ge</strong>ben. Ich wünsche<br />
Ihnen unterhaltsame Lektüre und viele Anregun<strong>ge</strong>n<br />
mit dem neuen Heft,<br />
3
SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN<br />
„E<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n!“<br />
<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“, so lautet<br />
„Edas Motto des 98. Katholikenta<strong>ge</strong>s. Für <strong>die</strong><br />
Laien <strong>ist</strong> der Katholikentag sicher e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong><br />
Etappe im Gesprächsprozess, den <strong>die</strong> „Deutsche<br />
Bischofskonferenz“ im vergan<strong>ge</strong>nen Sommer mit<br />
Vertreten aller Bereiche der Kirche auf<strong>ge</strong>nommen<br />
hat. Wer aufbricht, der <strong>ist</strong> nicht am Ziel, sondern<br />
begibt sich erst auf den Weg. Da <strong>ist</strong> es schon viel,<br />
das Ziel zu kennen, aber oft ke<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />
für den Start, manchmal muss schon <strong>die</strong> Richtung<br />
ausreichen.<br />
Auch für <strong>die</strong> GKS <strong>ist</strong><br />
hier e<strong>in</strong> Aufbruch<br />
<strong>ge</strong>fordert. E<strong>in</strong> Aufbruch<br />
zum Stimme erheben,<br />
zum mehr Position beziehen<br />
und letztlich zum<br />
mehr Verantwortung<br />
übernehmen. Als katholischer<br />
Verband dürfen<br />
wir nicht kle<strong>in</strong>laut bleiben,<br />
wenn <strong>die</strong> ethischen<br />
Fra<strong>ge</strong>n nach der Begründung<br />
von E<strong>in</strong>sätzen bis<br />
zur Verantwortung des<br />
E<strong>in</strong>zelnen <strong>ge</strong>stellt werden.<br />
Und <strong>ge</strong>nau <strong>die</strong>sen<br />
Fra<strong>ge</strong>n wollen wir uns<br />
<strong>in</strong> Mannheim stellen, <strong>in</strong><br />
vielen E<strong>in</strong>zel<strong>ge</strong>prächen<br />
am Stand der GKS und<br />
auch <strong>in</strong> größerer Runde<br />
<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam mit anderen<br />
Organisationen. Beides<br />
<strong>ist</strong> immer Herausforderung und Chance zugleich.<br />
Die Gele<strong>ge</strong>nheit dürfen wir nicht versäumen, wir<br />
müssen sie suchen, denn das <strong>ist</strong> unser Auftrag!<br />
Unsere Position <strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>n Fra<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong> <strong>ge</strong>schärft,<br />
<strong>ge</strong>rade wurde der Flyer zur „Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung“<br />
aktualisiert. Damit <strong>ist</strong> erneut klar<strong>ge</strong>stellt,<br />
wofür wir stehen, bleibt „nur noch“ es zu sa<strong>ge</strong>n!<br />
Auch wenn der laufende E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Afghan<strong>ist</strong>an<br />
immer noch im Focus der Überlegun<strong>ge</strong>n steht,<br />
was machen andere Szenare? Die „Arabellion“ <strong>ist</strong><br />
fest<strong>ge</strong>fahren, <strong>die</strong> Nach-Revolutionsaufgaben s<strong>in</strong>d<br />
noch nicht erledigt und Syrien gibt akuten Anlass<br />
zur Sor<strong>ge</strong>. Die La<strong>ge</strong> <strong>ist</strong> schwierig und nicht leicht<br />
zu entwirren, aber gibt es hier ke<strong>in</strong>e Idee für e<strong>in</strong>e<br />
Hoffnung begründende Entwicklung?<br />
Der Katholikentag <strong>ist</strong> sicher e<strong>in</strong>e herausra<strong>ge</strong>nde<br />
Gele<strong>ge</strong>nheit für vielfälti<strong>ge</strong> Themen, aber<br />
nicht n <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong> Chance<br />
c zum Bekenntnis für<br />
unsere u Werte. Es bleibt<br />
darüber d h<strong>in</strong>aus wichtig,<br />
t <strong>die</strong> GKS-ei<strong>ge</strong>nen<br />
Themen T – siehe oben –<br />
wirklich w <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
p der thematischen<br />
Arbeit A nach <strong>in</strong>nen und<br />
außen a zu rücken und<br />
zwar z auf allen Ebenen.<br />
Dies D <strong>ge</strong>l<strong>in</strong>gt bisweilen<br />
schon s überzeu<strong>ge</strong>nd,<br />
kann k aber noch aus<strong>ge</strong>baut<br />
b werden und muss<br />
es e daher auch.<br />
Die Kräfte und<br />
<strong>die</strong> d Überzeugung sehe<br />
ich i an vielen Stellen.<br />
Wichtig W <strong>ist</strong>, dass wir<br />
uns u auf <strong>die</strong>sen Kern unserer<br />
s Arbeit bes<strong>in</strong>nen<br />
und u <strong>die</strong> Ideen dann tatkräftig<br />
k umsetzen. Zum<br />
Bes<strong>in</strong>nen, B zum Ideen<br />
sammeln und zum Koalitionen schmieden, dafür<br />
könnte sich der Katholikentag anbieten. Machen<br />
wir uns daher auf den Weg, wa<strong>ge</strong>n wir e<strong>in</strong>en neuen<br />
Aufbruch!<br />
Rüdi<strong>ge</strong>r Attermeyer, OTL<br />
Bundesvorsitzender der<br />
Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten<br />
4 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
Weltfriedenstag 2012<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zur Gerechtigkeit<br />
und zum Frieden Frieden erziehen<br />
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Botschaft se<strong>in</strong>er Heiligkeit Benedikt XVI. zur Feier des Weltfriedensta<strong>ge</strong>s 2012<br />
Der Anfang e<strong>in</strong>es neuen Jah-<br />
1. res, das e<strong>in</strong> Geschenk Gottes an<br />
<strong>die</strong> Menschheit <strong>ist</strong>, regt mich an, von<br />
Herzen und mit großer Zuversicht an<br />
alle e<strong>in</strong>en besonderen Glückwunsch<br />
zu richten für <strong>die</strong>se Zeit, <strong>die</strong> vor uns<br />
liegt, dass sie konkret von Gerechtigkeit<br />
und Frieden <strong>ge</strong>prägt sei. Mit welcher<br />
E<strong>in</strong>stellung soll man auf das neue<br />
Jahr schauen? In Psalm 130 f<strong>in</strong>den<br />
wir e<strong>in</strong> sehr schönes Bild. Der Psalm<strong>ist</strong><br />
sagt, dass der gläubi<strong>ge</strong> Mensch<br />
auf den Herrn wartet, „mehr als <strong>die</strong><br />
Wächter auf den Mor<strong>ge</strong>n“ (V. 6); er erwartet<br />
ihn mit fester Hoffnung, denn er<br />
weiß, dass er Licht, Barmherzigkeit,<br />
Heil br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n wird. Diese Erwartung<br />
<strong>ge</strong>ht aus der Erfahrung des auserwählten<br />
Volkes hervor, das erkennt, von<br />
Gott dazu erzo<strong>ge</strong>n zu se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Welt<br />
<strong>in</strong> ihrer Wahrheit zu sehen und sich<br />
von den Nöten nicht niederschla<strong>ge</strong>n<br />
zu lassen. Ich lade euch e<strong>in</strong>, mit <strong>die</strong>ser<br />
zuversichtlichen E<strong>in</strong>stellung auf<br />
das Jahr 2012 zu schauen. Es stimmt,<br />
dass im zu Ende <strong>ge</strong>henden Jahr das<br />
Gefühl der Frustration zu<strong>ge</strong>nommen<br />
hat durch <strong>die</strong> Krise, welche <strong>die</strong> Gesellschaft,<br />
<strong>die</strong> Arbeitswelt und <strong>die</strong><br />
Wirtschaft bedrängt – e<strong>in</strong>e Krise, deren<br />
Wurzeln vor allem kultureller und<br />
anthropologischer Art s<strong>in</strong>d. Es sche<strong>in</strong>t<br />
be<strong>in</strong>ahe, als habe e<strong>in</strong> dichter Schleier<br />
unsere Zeit <strong>in</strong> Dunkelheit <strong>ge</strong>hüllt und<br />
erlaube nicht, das Ta<strong>ge</strong>slicht deutlich<br />
zu erkennen.<br />
In <strong>die</strong>ser Dunkelheit hört jedoch<br />
das Herz des Menschen nicht auf, das<br />
Mor<strong>ge</strong>nrot zu erwarten, von dem der<br />
Psalm<strong>ist</strong> spricht. Diese Erwartung <strong>ist</strong><br />
bei den jun<strong>ge</strong>n Menschen besonders<br />
lebendig und au<strong>ge</strong>nsche<strong>in</strong>lich, und<br />
deshalb wenden sich me<strong>in</strong>e Gedanken<br />
an sie, <strong>in</strong> Anbetracht des Beitrags,<br />
den sie für <strong>die</strong> Gesellschaft le<strong>ist</strong>en<br />
können und müssen. So möchte ich<br />
<strong>die</strong> Botschaft zum 45. Weltfriedenstag<br />
unter dem Aspekt der Erziehung vorstellen:<br />
„Die jun<strong>ge</strong>n Menschen zur<br />
Gerechtigkeit und zum Frieden er-<br />
ziehen“, <strong>in</strong> der Überzeugung, dass<br />
sie mit ihrer Be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>erung und ihrem<br />
ideal<strong>ist</strong>ischen Ansporn der Welt<br />
e<strong>in</strong>e neue Hoffnung <strong>ge</strong>ben können.<br />
Me<strong>in</strong>e Botschaft richtet sich auch<br />
an <strong>die</strong> Eltern, <strong>die</strong> Familien, an<br />
alle, <strong>die</strong> mit der Erziehung und der<br />
Ausbildung betraut s<strong>in</strong>d, sowie an <strong>die</strong><br />
Verantwortlichen <strong>in</strong> den verschiedenen<br />
Bereichen des religiösen, <strong>ge</strong>sellschaftlichen,<br />
politischen, wirtschaftlichen,<br />
kulturellen Lebens und <strong>in</strong><br />
dem Bereich der Kommunikation.<br />
Aufmerksam auf <strong>die</strong> Welt der Ju<strong>ge</strong>nd<br />
se<strong>in</strong> und es verstehen, sie anzuhören<br />
und zur Geltung zu br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, <strong>ist</strong><br />
nicht nur zweckmäßig, sondern es<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e Hauptaufgabe der ganzen<br />
Gesellschaft für den Aufbau e<strong>in</strong>er<br />
Zukunft <strong>in</strong> Gerechtigkeit und Frieden.<br />
Es <strong>ge</strong>ht darum, den jun<strong>ge</strong>n<br />
Menschen <strong>die</strong> Wertschätzung für<br />
<strong>die</strong> positive Bedeutung des Lebens<br />
zu vermitteln, <strong>in</strong>dem man <strong>in</strong> ihnen<br />
den Wunsch weckt, es für den Dienst<br />
am Guten e<strong>in</strong>zusetzen. Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Aufgabe, <strong>in</strong> der wir alle persönlich<br />
<strong>ge</strong>fordert s<strong>in</strong>d.<br />
Die <strong>in</strong> letzter Zeit von vielen<br />
Ju<strong>ge</strong>ndlichen <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Regionen der Welt <strong>ge</strong>äußerten Sor<strong>ge</strong>n<br />
drücken den Wunsch aus, mit begründeter<br />
Hoffnung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />
schauen zu können. Im <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nwärti<strong>ge</strong>n<br />
Au<strong>ge</strong>nblick gibt es viele Aspekte,<br />
<strong>die</strong> sie mit Besorgnis erfüllen: der<br />
Wunsch, e<strong>in</strong>e Ausbildung zu erhalten,<br />
<strong>die</strong> sie gründlicher darauf vorbereitet,<br />
sich der Wirklichkeit zu stellen; <strong>die</strong><br />
Schwierigkeit, e<strong>in</strong>e Familie zu bilden<br />
und e<strong>in</strong>en sicheren Arbeitsplatz<br />
zu f<strong>in</strong>den; <strong>die</strong> effektive Fähigkeit, e<strong>in</strong>en<br />
Beitrag zur Welt der Politik, der<br />
Kultur und der Wirtschaft zu le<strong>ist</strong>en<br />
für <strong>die</strong> Bildung e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />
deren Gesicht menschlicher und solidarischer<br />
<strong>ist</strong>.<br />
Es <strong>ist</strong> wichtig, dass <strong>die</strong>se<br />
Fermente und der ideal<strong>ist</strong>ische<br />
Antrieb, den sie enthalten, <strong>in</strong> allen<br />
Teilen der Gesellschaft <strong>die</strong> <strong>ge</strong>bührende<br />
Aufmerksamkeit f<strong>in</strong>den. Die<br />
Kirche sieht voller Hoffnung auf <strong>die</strong><br />
Ju<strong>ge</strong>ndlichen, sie vertraut ihnen und<br />
ermutigt sie, nach der Wahrheit zu suchen,<br />
das Geme<strong>in</strong>wohl zu verteidi<strong>ge</strong>n,<br />
weltoffene Perspektiven zu haben und<br />
Au<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> fähig s<strong>in</strong>d, „Neues“ zu sehen<br />
(Jes 42,9; 48,6)!<br />
Die für <strong>die</strong> Erziehung Verantwortlichen<br />
Die Erziehung <strong>ist</strong> das fasz<strong>in</strong>ie-<br />
2. rendste und schwierigste Abenteuer<br />
des Lebens. Erziehen – late<strong>in</strong>isch<br />
educere – bedeutet, e<strong>in</strong>en Menschen<br />
über sich selbst h<strong>in</strong>auszuführen,<br />
um ihn <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong>zuführen,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fülle, <strong>die</strong> ihn wachsen<br />
lässt. Dieser Prozess wird <strong>ge</strong>spe<strong>ist</strong><br />
durch <strong>die</strong> Be<strong>ge</strong>gnung zweier Freiheiten,<br />
der des Erwachsenen und der des<br />
Ju<strong>ge</strong>ndlichen. Er verlangt <strong>die</strong> Verantwortung<br />
des Schülers, der offen se<strong>in</strong><br />
muss, sich zur Erkenntnis der Wirklichkeit<br />
führen zu lassen, und <strong>die</strong> des<br />
Erziehers, der bereit se<strong>in</strong> muss, sich<br />
selbst zu verschenken. Daher s<strong>in</strong>d<br />
vor allem authentische Zeu<strong>ge</strong>n notwendig<br />
und nicht bloße Austeiler von<br />
Re<strong>ge</strong>ln und Informationen; Zeu<strong>ge</strong>n,<br />
<strong>die</strong> weiter zu blicken vermö<strong>ge</strong>n als<br />
<strong>die</strong> anderen, weil ihr Leben weitere<br />
Räume umfasst. Zeu<strong>ge</strong> <strong>ist</strong> derjeni<strong>ge</strong>,<br />
der den Weg, den er vorschlägt, zuerst<br />
e<strong>in</strong>mal vorlebt.<br />
Welches s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Orte, an denen<br />
e<strong>in</strong>e wirkliche Erziehung zum<br />
Frieden und zur Gerechtigkeit reift?<br />
Vor allem <strong>die</strong> Familie, denn <strong>die</strong> Eltern<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ersten Erzieher. Die<br />
Familie <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Keimzelle der Gesellschaft.<br />
„In der Familie erlernen <strong>die</strong><br />
K<strong>in</strong>der <strong>die</strong> menschlichen und chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Werte, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> konstruktives<br />
und friedliches Zusammenleben <strong>ge</strong>statten.<br />
In der Familie lernt man <strong>die</strong><br />
Solidarität zwischen den Generationen,<br />
<strong>die</strong> Achtung der Re<strong>ge</strong>ln, <strong>die</strong><br />
Ver<strong>ge</strong>bung und <strong>die</strong> Annahme des<br />
5
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
anderen“.1 Sie <strong>ist</strong> <strong>die</strong> erste Schule,<br />
<strong>in</strong> der man zur Gerechtigkeit und zum<br />
Frieden erzo<strong>ge</strong>n wird.<br />
Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, <strong>in</strong> der<br />
<strong>die</strong> Familie und auch das Leben<br />
selbst ständig bedroht und nicht selten<br />
zerbrochen bzw. auf<strong>ge</strong>splittert <strong>ist</strong>.<br />
Arbeitsbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> oft kaum<br />
mit der familiären Verantwortung <strong>in</strong><br />
Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>ge</strong>bracht werden<br />
können, Sor<strong>ge</strong>n um <strong>die</strong> Zukunft, frenetische<br />
Lebensrhythmen, Migrationen<br />
auf der Suche nach e<strong>in</strong>em an<strong>ge</strong>messenen<br />
Unterhalt, wenn nicht nach dem<br />
bloßen Überleben erschweren schließlich<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, den K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>es<br />
der kostbarsten Güter zu sichern:<br />
<strong>die</strong> Anwesenheit der Eltern – e<strong>in</strong>e<br />
Anwesenheit, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> immer tieferes<br />
Mite<strong>in</strong>ander auf dem Weg erlaubt, um<br />
jene Erfahrung und jene im Laufe der<br />
Jahre <strong>ge</strong>wonnenen Sicherheiten weiter<strong>ge</strong>ben<br />
zu können, <strong>die</strong> man nur mit<br />
der <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam verbrachten Zeit vermitteln<br />
kann. Den Eltern möchte ich<br />
nahele<strong>ge</strong>n, nicht den Mut zu verlieren!<br />
Mit dem Beispiel ihres Lebens<br />
sollen sie ihre K<strong>in</strong>der ermuntern, <strong>die</strong><br />
Hoffnung vor allem auf Gott zu setzen,<br />
von dem alle<strong>in</strong> echte Gerechtigkeit<br />
und echter Friede aus<strong>ge</strong>hen.<br />
Ich möchte mich auch an <strong>die</strong><br />
Verantwortlichen der E<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n<br />
wenden, <strong>die</strong> Erziehungsaufgaben<br />
haben: Sie mö<strong>ge</strong>n mit großem<br />
Verantwortungs<strong>ge</strong>fühl darüber wachen,<br />
dass <strong>die</strong> Würde jeder Person<br />
unter allen Umständen <strong>ge</strong>achtet und<br />
zur Geltung <strong>ge</strong>bracht wird. Durch e<strong>in</strong>e<br />
Begleitung, welche <strong>die</strong> Gaben fruchtbar<br />
werden lässt, <strong>die</strong> der Herr e<strong>in</strong>em<br />
jeden <strong>ge</strong>währt hat, mö<strong>ge</strong>n sie dafür<br />
Sor<strong>ge</strong> tra<strong>ge</strong>n, dass jeder jun<strong>ge</strong> Mensch<br />
se<strong>in</strong>e persönliche Berufung entdekken<br />
kann. Sie sollen den Familien <strong>die</strong><br />
Sicherheit <strong>ge</strong>ben, dass ihren K<strong>in</strong>dern<br />
e<strong>in</strong> Bildungsweg <strong>ge</strong>boten wird, der<br />
nicht im Ge<strong>ge</strong>nsatz zu ihrem Gewissen<br />
und ihren religiösen Pr<strong>in</strong>zipien steht.<br />
Mö<strong>ge</strong> jeder Bereich pädagogischer<br />
Arbeit e<strong>in</strong> Ort der Offenheit <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
dem Transzendenten und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
den anderen se<strong>in</strong>; e<strong>in</strong> Ort des Dialogs,<br />
des Zusammenhalts und des Hörens,<br />
1 BENEDIKT XVI., Ansprache an <strong>die</strong><br />
Verwaltungsmitarbeiter der Region<br />
Latium, der Stadt und der Prov<strong>in</strong>z<br />
Rom (14. Januar 2011): L’Osservatore<br />
Romano (dt.), Jg. 41, Nr. 4 (28. Januar<br />
2011), S. 7.<br />
<strong>in</strong> dem der Ju<strong>ge</strong>ndliche spürt, dass<br />
se<strong>in</strong>e persönlichen Möglichkeiten und<br />
<strong>in</strong>neren Werte zur Geltung <strong>ge</strong>bracht<br />
werden, und lernt, se<strong>in</strong>e Mitmenschen<br />
zu schätzen. Mö<strong>ge</strong>n sie dazu anleiten,<br />
<strong>die</strong> Freude zu empf<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> daraus<br />
entspr<strong>in</strong>gt, dass man Tag für Tag<br />
Liebe und Mit<strong>ge</strong>fühl <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem<br />
Nächsten praktiziert und sich aktiv<br />
am Aufbau e<strong>in</strong>er menschlicheren und<br />
brüderlicheren Gesellschaft beteiligt.<br />
Sodann wende ich mich an <strong>die</strong><br />
Verantwortlichen <strong>in</strong> der Politik und<br />
fordere sie auf, den Familien und den<br />
Erziehungse<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n konkret zu<br />
helfen, ihr Recht der Erziehung, das<br />
zugleich e<strong>in</strong>e Pflicht <strong>ist</strong>, wahrzunehmen.<br />
Niemals darf es an e<strong>in</strong>er an<strong>ge</strong>messenen<br />
Unterstützung der Mutter-<br />
und Vaterschaft fehlen. Die Politiker<br />
mö<strong>ge</strong>n dafür sor<strong>ge</strong>n, dass niemandem<br />
der Zugang zur Ausbildung verwei<strong>ge</strong>rt<br />
wird und dass <strong>die</strong> Familien frei<br />
<strong>die</strong> Erziehungse<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n wählen<br />
können, <strong>die</strong> sie für das Wohl ihrer<br />
K<strong>in</strong>der als am besten <strong>ge</strong>eignet<br />
ansehen. Sie mö<strong>ge</strong>n sich dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />
<strong>die</strong> Zusammenführung jener<br />
Familien zu fördern, <strong>die</strong> aufgrund<br />
der Notwendigkeit, ihren Unterhalt zu<br />
bestreiten, <strong>ge</strong>trennt s<strong>in</strong>d. Den jun<strong>ge</strong>n<br />
Menschen sollen sie e<strong>in</strong> lauteres Bild<br />
der Politik als e<strong>in</strong>es wahren Dienstes<br />
für das Wohl aller bieten.<br />
Außerdem kann ich nicht umh<strong>in</strong>,<br />
an <strong>die</strong> Welt der Me<strong>die</strong>n zu appellieren,<br />
ihren erzieherischen Beitrag zu le<strong>ist</strong>en.<br />
In der heuti<strong>ge</strong>n Gesellschaft kommt<br />
den Massenkommunikationsmitteln<br />
e<strong>in</strong>e besondere Rolle zu: Sie <strong>in</strong>formieren<br />
nicht nur den Ge<strong>ist</strong> ihrer<br />
Adressaten, sondern sie formen ihn<br />
auch und können folglich beträchtlich<br />
zur Erziehung der Ju<strong>ge</strong>ndlichen beitra<strong>ge</strong>n.<br />
Es <strong>ist</strong> wichtig, sich vor Au<strong>ge</strong>n<br />
zu halten, dass <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />
Erziehung und Kommunikation<br />
äußerst eng <strong>ist</strong>: Die Erziehung ereignet<br />
sich ja durch Kommunikation,<br />
welche <strong>die</strong> Bildung des Menschen<br />
positiv oder negativ bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Auch <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen müssen<br />
den Mut haben, zuallererst selber<br />
das zu leben, was sie von ihrer<br />
Um<strong>ge</strong>bung fordern. Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e große<br />
Verantwortung, <strong>die</strong> sie betrifft: Sie sollen<br />
<strong>die</strong> Kraft haben, ihre Freiheit <strong>in</strong><br />
guter und verantwortungsvoller Weise<br />
zu <strong>ge</strong>brauchen. Auch sie s<strong>in</strong>d verantwortlich<br />
für ihre Erziehung und<br />
Bildung zur Gerechtigkeit und zum<br />
Frieden!<br />
Zur Wahrheit und zur<br />
Freiheit erziehen<br />
Der heili<strong>ge</strong> August<strong>in</strong>us hat sich<br />
3. <strong>ge</strong>fragt: „Quid enim fortius desiderat<br />
anima quam veritatem? – Was<br />
ersehnt der Mensch stärker als <strong>die</strong><br />
Wahrheit?“2 Das menschliche Gesicht<br />
e<strong>in</strong>er Gesellschaft hängt sehr<br />
vom Beitrag der Erziehung ab, <strong>die</strong>se<br />
nicht zu unterdrückende Fra<strong>ge</strong> lebendig<br />
zu erhalten. Denn <strong>die</strong> Erziehung<br />
betrifft <strong>die</strong> ganzheitliche Bildung des<br />
Menschen, e<strong>in</strong>schließlich der moralischen<br />
und spirituellen Dimension des<br />
Se<strong>in</strong>s, im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong> letztes Ziel<br />
und auf das Wohl der Gesellschaft,<br />
deren Glied er <strong>ist</strong>. Darum muss man,<br />
um zur Wahrheit zu erziehen, zunächst<br />
e<strong>in</strong>mal wissen, was der Mensch <strong>ist</strong>,<br />
muss man se<strong>in</strong>e Natur kennen. Bei<br />
der Betrachtung dessen, was ihn umgibt,<br />
überlegt der Psalm<strong>ist</strong>: „Seh ich<br />
den Himmel, das Werk de<strong>in</strong>er F<strong>in</strong><strong>ge</strong>r,<br />
Mond und Sterne, <strong>die</strong> du befestigt:<br />
Was <strong>ist</strong> der Mensch, dass du an ihn<br />
denkst, des Menschen K<strong>in</strong>d, dass du<br />
dich se<strong>in</strong>er annimmst?“ (Ps 8,4-5).<br />
Das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> grundle<strong>ge</strong>nde Fra<strong>ge</strong>, <strong>die</strong><br />
man sich stellen muss: Was <strong>ist</strong> der<br />
Mensch? Der Mensch <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Wesen,<br />
das e<strong>in</strong>en Durst nach Unendlichkeit<br />
im Herzen trägt, e<strong>in</strong>en Durst nach<br />
Wahrheit – nicht nach e<strong>in</strong>er Teilwahrheit,<br />
sondern nach der Wahrheit, <strong>die</strong><br />
den S<strong>in</strong>n des Lebens zu erklären vermag<br />
–, denn er <strong>ist</strong> als Gottes Abbild<br />
und ihm ähnlich erschaffen worden.<br />
Dankbar das Leben als unschätzbares<br />
Geschenk zu erkennen führt also<br />
zur Entdeckung der ei<strong>ge</strong>nen <strong>in</strong>neren<br />
Würde und der Unantastbarkeit jedes<br />
Menschen. Darum besteht <strong>die</strong> erste<br />
Erziehung dar<strong>in</strong> zu lernen, im Menschen<br />
das Bild des Schöpfers zu erkennen,<br />
folglich e<strong>in</strong>e hohe Achtung<br />
für jedes menschliche Wesen zu he<strong>ge</strong>n<br />
und den anderen zu helfen, e<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />
höchsten Würde entsprechendes Leben<br />
zu verwirklichen. Man darf niemals<br />
ver<strong>ge</strong>ssen, dass „<strong>die</strong> echte Entwicklung<br />
des Menschen e<strong>in</strong>heitlich<br />
<strong>die</strong> Gesamtheit der Person <strong>in</strong> all ihren<br />
Dimensionen betrifft“3,3 e<strong>in</strong>schließ-<br />
2 Kommentar zum Johannesevan<strong>ge</strong>lium,<br />
26,5.<br />
3 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas <strong>in</strong><br />
veritate (29. Juni 2009), 11: AAS 101<br />
6 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
lich der transzendenten, und dass man<br />
nicht den Menschen opfern darf, um<br />
e<strong>in</strong> spezielles Gut – sei es wirtschaftlicher<br />
oder sozialer, <strong>in</strong>dividueller oder<br />
<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaftlicher Art – zu erlan<strong>ge</strong>n.<br />
Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Beziehung zu<br />
Gott begreift der Mensch auch <strong>die</strong><br />
Bedeutung der ei<strong>ge</strong>nen Freiheit. Und<br />
es <strong>ist</strong> Aufgabe der Erziehung, zu echter<br />
Freiheit heranzubilden. Diese besteht<br />
nicht im Fehlen von B<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n<br />
oder <strong>in</strong> der Herrschaft der Willkür,<br />
sie <strong>ist</strong> nicht der Absolutismus des<br />
Ich. Der Mensch, der sich selbst absolut<br />
setzt, der me<strong>in</strong>t, von nichts und<br />
niemandem abhängig zu se<strong>in</strong> und alles<br />
tun zu können, was er will, widerspricht<br />
letztlich der Wahrheit se<strong>in</strong>es<br />
ei<strong>ge</strong>nen Se<strong>in</strong>s und verliert se<strong>in</strong>e<br />
Freiheit. Der Mensch <strong>ist</strong> vielmehr e<strong>in</strong><br />
relationales Wesen, das <strong>in</strong> Beziehung<br />
zu den anderen und vor allem zu Gott<br />
lebt. Die echte Freiheit kann niemals<br />
erreicht werden, <strong>in</strong>dem man sich von<br />
Gott entfernt.<br />
Die Freiheit <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> kostbarer, aber<br />
heikler Wert; sie kann missverstanden<br />
und missbraucht werden. „E<strong>in</strong> besonders<br />
tückisches H<strong>in</strong>dernis für <strong>die</strong><br />
Erziehungsarbeit stellt heute <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft und Kultur das massive<br />
Auftreten jenes Relativismus dar,<br />
der nichts als def<strong>in</strong>itiv anerkennt und<br />
als letzten Maßstab nur das ei<strong>ge</strong>ne Ich<br />
mit se<strong>in</strong>en Gelüsten <strong>ge</strong>lten lässt und<br />
unter dem Ansche<strong>in</strong> der Freiheit für<br />
jeden zu e<strong>in</strong>em Gefängnis wird, weil<br />
er den e<strong>in</strong>en vom anderen trennt und<br />
jeden dazu erniedrigt, sich <strong>in</strong>s ei<strong>ge</strong>ne<br />
»Ich« zu verschließen. Innerhalb e<strong>in</strong>es<br />
solchen relativ<strong>ist</strong>ischen Horizonts<br />
<strong>ist</strong> daher wahre Erziehung gar nicht<br />
möglich: Denn ohne das Licht der<br />
Wahrheit sieht sich früher oder später<br />
jeder Mensch dazu verurteilt, an<br />
der Qualität se<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nen Lebens<br />
und der Beziehun<strong>ge</strong>n, aus denen es<br />
sich zusammensetzt, ebenso zu zweifeln<br />
wie an der Wirksamkeit se<strong>in</strong>es<br />
E<strong>in</strong>satzes dafür, <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam mit anderen<br />
etwas aufzubauen“. 4<br />
(2009), 648; vgl. PAUL VI., Enzyklika<br />
Populorum progressio (26. März 1967),<br />
14: AAS 59 (1967), 264.<br />
4 BENEDIKT XVI., Ansprache bei<br />
der Eröffnung der Pastoraltagung der<br />
Diözese Rom zum Thema Familie<br />
(Lateranbasilika, 6. Juni 2005): AAS 97<br />
(2005) 816; L’Osservatore Romano (dt.)<br />
Jg. 35, Nr. 24, S. 8.<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Um se<strong>in</strong>e Freiheit auszuüben,<br />
muss der Mensch also den relativ<strong>ist</strong>ischen<br />
Horizont überw<strong>in</strong>den und<br />
<strong>die</strong> Wahrheit über sich selbst und <strong>die</strong><br />
Wahrheit über Gut und Böse erkennen.<br />
Im Innern se<strong>in</strong>es Gewissens entdeckt<br />
der Mensch e<strong>in</strong> Gesetz, das er<br />
sich nicht selbst gibt, sondern dem er<br />
<strong>ge</strong>horchen muss und dessen Stimme<br />
ihn zur Liebe und zum Tun des Guten<br />
und zur Unterlassung des Bösen aufruft<br />
und dazu, <strong>die</strong> Verantwortung für<br />
das vollbrachte Gute und das <strong>ge</strong>tane<br />
Böse zu übernehmen. 5 Deswe<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong><br />
<strong>die</strong> Ausübung der Freiheit zu<strong>in</strong>nerst<br />
an das natürliche Sitten<strong>ge</strong>setz <strong>ge</strong>bunden,<br />
das universaler Art <strong>ist</strong>, <strong>die</strong><br />
Würde e<strong>in</strong>es jeden Menschen ausdrückt,<br />
<strong>die</strong> Basis se<strong>in</strong>er fundamentalen<br />
Rechte und Pflichten und also<br />
letztlich des <strong>ge</strong>rechten und friedlichen<br />
Zusammenlebens der Menschen<br />
bildet.<br />
Der rechte Gebrauch der<br />
Freiheit steht also im Mittelpunkt<br />
der Förderung von Gerechtigkeit<br />
und Frieden, welche <strong>die</strong> Achtung<br />
vor sich selbst und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem<br />
anderen verlan<strong>ge</strong>n, auch wenn <strong>die</strong>ser<br />
weit von der ei<strong>ge</strong>nen Se<strong>in</strong>s- und<br />
Lebensweise abweicht. Aus <strong>die</strong>ser<br />
Haltung entspr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Elemente,<br />
ohne <strong>die</strong> Frieden und Gerechtigkeit<br />
Worte ohne Inhalt bleiben: das <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong><br />
Vertrauen, <strong>die</strong> Fähigkeit, e<strong>in</strong>en<br />
konstruktiven Dialog zu führen, <strong>die</strong><br />
Möglichkeit der Ver<strong>ge</strong>bung, <strong>die</strong> man<br />
so viele Male erhalten möchte, sich jedoch<br />
schwer tut, sie zu <strong>ge</strong>währen, <strong>die</strong><br />
wechselseiti<strong>ge</strong> Liebe, das Mit<strong>ge</strong>fühl<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber den Schwächsten wie auch<br />
<strong>die</strong> Opferbereitschaft.<br />
Zur Gerechtigkeit erziehen<br />
In unserer Welt, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> Be-<br />
4. deutung der Person, ihrer Würde<br />
und ihrer Rechte jenseits der Absichtserklärun<strong>ge</strong>n<br />
ernstlich bedroht<br />
<strong>ist</strong> durch <strong>die</strong> verbreitete Tendenz,<br />
ausschließlich auf Kriterien der Nützlichkeit,<br />
des Profi ts und des Besitzes<br />
zurückzugreifen, <strong>ist</strong> es wichtig, den<br />
Begriff der Gerechtigkeit nicht von<br />
se<strong>in</strong>en transzendenten Wurzeln zu<br />
trennen. Die Gerechtigkeit <strong>ist</strong> ja nicht<br />
e<strong>in</strong>e bloße menschliche Vere<strong>in</strong>barung,<br />
denn was <strong>ge</strong>recht <strong>ist</strong>, wird nicht ur-<br />
5 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES<br />
KONZIL, Past. Konst. Gaudium et spes,<br />
16.<br />
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
sprünglich vom positiven Gesetz bestimmt,<br />
sondern von der tiefen Identität<br />
des Menschen. Es <strong>ist</strong> <strong>die</strong> ganzheitliche<br />
Anschauung des Menschen, <strong>die</strong><br />
es erlaubt, nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vom Vertragsdenken<br />
bee<strong>in</strong>flusste Auffassung der<br />
Gerechtigkeit zu verfallen, sondern<br />
auch ihr den Horizont der Solidarität<br />
und der Liebe zu öffnen.6<br />
Wir können nicht übersehen,<br />
dass manche Strömun<strong>ge</strong>n der modernen<br />
Kultur, <strong>ge</strong>stützt auf rational<strong>ist</strong>ische<br />
und <strong>in</strong>dividual<strong>ist</strong>ische<br />
Wirtschaftspr<strong>in</strong>zipien, den Begriff der<br />
Gerechtigkeit durch dessen Trennung<br />
von der Liebe und der Solidarität se<strong>in</strong>er<br />
transzendenten Wurzeln beraubt haben:<br />
„Die »Stadt des Menschen« wird<br />
nicht nur durch Beziehun<strong>ge</strong>n auf der<br />
Grundla<strong>ge</strong> von Rechten und Pflichten<br />
<strong>ge</strong>fördert, sondern noch mehr und zuerst<br />
durch Verb<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> durch<br />
Unent<strong>ge</strong>ltlichkeit, Barmherzigkeit<br />
und Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>ge</strong>kennzeichnet<br />
s<strong>in</strong>d. Die Nächstenliebe offenbart auch<br />
<strong>in</strong> den menschlichen Beziehun<strong>ge</strong>n immer<br />
<strong>die</strong> Liebe Gottes; <strong>die</strong>se verleiht<br />
jedem E<strong>in</strong>satz für Gerechtigkeit <strong>in</strong> der<br />
Welt e<strong>in</strong>en theologalen und heilbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>nden<br />
Wert“. 7<br />
„Selig, <strong>die</strong> hun<strong>ge</strong>rn und dürsten<br />
nach der Gerechtigkeit; denn<br />
sie werden satt werden“ (Mt 5,6).<br />
Sie werden satt werden, weil sie<br />
hun<strong>ge</strong>rn und dürsten nach rechten<br />
Beziehun<strong>ge</strong>n zu Gott, zu sich selbst,<br />
zu ihren Mitmenschen und zur <strong>ge</strong>samten<br />
Schöpfung.<br />
Zum Frieden erziehen<br />
„Friede besteht nicht e<strong>in</strong>fach da-<br />
5. r<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong> Krieg <strong>ist</strong>; er lässt<br />
sich nicht bloß durch das Gleich<strong>ge</strong>wicht<br />
der fe<strong>in</strong>dlichen Kräfte sichern.<br />
Friede auf Erden herrscht nur dann,<br />
wenn <strong>die</strong> persönlichen Güter <strong>ge</strong>sichert<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> Menschen frei mite<strong>in</strong>ander<br />
verkehren können, <strong>die</strong> Würde der Personen<br />
und der Völker <strong>ge</strong>achtet und<br />
<strong>die</strong> Brüderlichkeit unter den Menschen<br />
<strong>ge</strong>pflegt wird“.8 Der Friede <strong>ist</strong><br />
6 Vgl. BENEDIKT XVI., Ansprache an<br />
den Bundestag (Berl<strong>in</strong>, 22. September<br />
2011): L’Osservatore Romano (dt.) Jg.<br />
41 (2011), Nr. 39 (30. September 2011),<br />
S. 4-5.<br />
7 DERS., Enzyklika Caritas <strong>in</strong> veritate<br />
(29. Juni 2009), 6: AAS 101 (2009),<br />
644-645.<br />
8 Katechismus der Katholischen Kirche,<br />
2304.<br />
7
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
<strong>die</strong> Frucht der Gerechtigkeit und <strong>die</strong><br />
Wirkung der Liebe. Er <strong>ist</strong> vor allem<br />
e<strong>in</strong> Geschenk Gottes. Wir Chr<strong>ist</strong>en<br />
glauben, dass Chr<strong>ist</strong>us unser wahrer<br />
Friede <strong>ist</strong>: In ihm, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kreuz,<br />
hat Gott <strong>die</strong> Welt mit sich versöhnt<br />
und <strong>die</strong> Schranken zerstört, <strong>die</strong> uns<br />
vone<strong>in</strong>ander trennten (vgl. Eph 2,14-<br />
18); <strong>in</strong> ihm gibt es e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong>, <strong>in</strong> der<br />
Liebe versöhnte Familie.<br />
Doch der Friede <strong>ist</strong> nicht nur e<strong>in</strong><br />
Geschenk, das man empfängt, sondern<br />
auch e<strong>in</strong> Werk, das man aufbauen<br />
muss. Um wirklich Friedensstifter zu<br />
se<strong>in</strong>, müssen wir uns zum Mit<strong>ge</strong>fühl,<br />
zur Solidarität, zur Zusammenarbeit<br />
und zur Brüderlichkeit erziehen,<br />
<strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft aktiv se<strong>in</strong> und<br />
wachsam, <strong>die</strong> Gewissen aufzurütteln<br />
für <strong>die</strong> nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Fra<strong>ge</strong>n und für <strong>die</strong> Wichtigkeit, <strong>ge</strong>eignete<br />
Bestimmun<strong>ge</strong>n zur Umverteilung<br />
der Güter, zur Förderung des<br />
Wachstums, zur Zusammenarbeit<br />
an der Entwicklung und zur Lösung<br />
von Konflikten zu suchen. „Selig,<br />
<strong>die</strong> Frieden stiften; denn sie werden<br />
Söhne Gottes <strong>ge</strong>nannt werden“, sagt<br />
Jesus <strong>in</strong> der Bergpredigt (Mt 5,9).<br />
Der Friede für alle entspr<strong>in</strong>gt<br />
aus der Gerechtigkeit e<strong>in</strong>es jeden,<br />
und niemand kann sich <strong>die</strong>ser<br />
wesentlichen Verpflichtung entziehen,<br />
<strong>die</strong> Gerechtigkeit <strong>ge</strong>mäß<br />
den ei<strong>ge</strong>nen Zuständigkeiten und<br />
Verantwortlichkeiten zu fördern.<br />
Besonders <strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen, <strong>in</strong><br />
denen das Streben nach den Idealen<br />
immer lebendig <strong>ist</strong>, bitte ich, <strong>die</strong><br />
Geduld und <strong>die</strong> Hartnäckigkeit zu<br />
haben, <strong>die</strong> Gerechtigkeit und den<br />
Frieden zu suchen, den Geschmack<br />
am Gerechten und Wahren zu pfle<strong>ge</strong>n,<br />
auch wenn das möglicherweise<br />
mit Opfern verbunden <strong>ist</strong> und verlangt,<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Strom zu schwimmen.<br />
Die Au<strong>ge</strong>n zu Gott erheben<br />
An<strong>ge</strong>sichts der schwieri<strong>ge</strong>n He-<br />
6. rausforderung, <strong>die</strong> We<strong>ge</strong> der Gerechtigkeit<br />
und des Friedens zu <strong>ge</strong>hen,<br />
können wir versucht se<strong>in</strong>, uns wie der<br />
Psalm<strong>ist</strong> zu fra<strong>ge</strong>n: „Ich hebe me<strong>in</strong>e<br />
Au<strong>ge</strong>n auf zu den Ber<strong>ge</strong>n: Woher<br />
kommt mir Hilfe?“ (Ps 121,1).<br />
Zu allen, besonders zu den jun<strong>ge</strong>n<br />
Menschen möchte ich mit Nachdruck<br />
sa<strong>ge</strong>n: „Nicht <strong>die</strong> Ideologien retten<br />
<strong>die</strong> Welt, sondern alle<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
H<strong>in</strong>wendung zum lebendi<strong>ge</strong>n Gott,<br />
der unser Schöpfer, der Garant unserer<br />
Freiheit, der Garant des wirklich<br />
Guten und Wahren <strong>ist</strong> … <strong>die</strong> radikale<br />
H<strong>in</strong>wendung zu Gott, der das Maß<br />
des Gerechten und zugleich <strong>die</strong> ewi<strong>ge</strong><br />
Liebe <strong>ist</strong>. Und was könnte uns denn<br />
retten wenn nicht <strong>die</strong> Liebe?“ 9 Die<br />
Liebe freut sich an der Wahrheit, sie<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> befähigt, sich für <strong>die</strong><br />
Wahrheit, <strong>die</strong> Gerechtigkeit, und den<br />
Frieden e<strong>in</strong>zusetzen, denn sie erträgt<br />
alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem<br />
stand (vgl. 1 Kor 13,1-13).<br />
Liebe jun<strong>ge</strong> Freunde, ihr seid<br />
e<strong>in</strong> kostbares Geschenk für <strong>die</strong><br />
Gesellschaft. Lasst euch an<strong>ge</strong>sichts<br />
der Schwierigkeiten nicht von der<br />
Entmutigung überwälti<strong>ge</strong>n, und <strong>ge</strong>bt<br />
euch nicht falschen Lösun<strong>ge</strong>n h<strong>in</strong>,<br />
<strong>die</strong> sich oft als der e<strong>in</strong>fachste Weg zur<br />
Überw<strong>in</strong>dung der Probleme präsentieren.<br />
Scheut euch nicht, euch e<strong>in</strong>zusetzen,<br />
Mühen und Opfer auf euch<br />
zu nehmen, <strong>die</strong> We<strong>ge</strong> zu wählen, <strong>die</strong><br />
Treue und Beständigkeit, Demut und<br />
H<strong>in</strong>gabe verlan<strong>ge</strong>n. Lebt eure Ju<strong>ge</strong>nd<br />
und <strong>die</strong> tiefe Sehnsucht nach Glück,<br />
Wahrheit, Schönheit und echter Liebe,<br />
<strong>die</strong> ihr verspürt, mit Zuversicht! Lebt<br />
<strong>die</strong>ses Lebensalter, das so reich und<br />
voller Be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>erung <strong>ist</strong>, ganz <strong>in</strong>tensiv.<br />
Seid euch bewusst, dass ihr selbst<br />
den Erwachsenen Vorbild und Ansporn<br />
seid, und das um so mehr, je mehr ihr<br />
euch anstrengt, Un<strong>ge</strong>rechtigkeiten<br />
und Korruption zu überw<strong>in</strong>den, je<br />
mehr ihr e<strong>in</strong>e bessere Zukunft ersehnt<br />
9 Vgl. BENEDIKT XVI., Vigil mit den<br />
Ju<strong>ge</strong>ndlichen (Köln, 20. August 2005):<br />
AAS 97 (2005), 885-886; L’Osservatore<br />
Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 34, S. 14.<br />
und euch e<strong>in</strong>setzt, um sie aufzubauen.<br />
Seid euch eurer Möglichkeiten<br />
bewusst und verschließt euch nie <strong>in</strong><br />
euch selbst, sondern versteht, für e<strong>in</strong>e<br />
Zukunft zu arbeiten, <strong>die</strong> für alle heller<br />
<strong>ist</strong>. Ihr seid nie alle<strong>in</strong>. Die Kirche<br />
vertraut euch, sie begleitet euch, ermutigt<br />
euch und möchte euch das<br />
wertvollste anbieten, was sie hat: <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, <strong>die</strong> Au<strong>ge</strong>n zu Gott zu erheben,<br />
Jesus Chr<strong>ist</strong>us zu be<strong>ge</strong>gnen,<br />
dem, der <strong>die</strong> Gerechtigkeit und der<br />
Friede selber <strong>ist</strong>.<br />
An euch alle, Männer und Frauen,<br />
denen <strong>die</strong> Sache des Friedens am<br />
Herzen liegt: Der Friede <strong>ist</strong> nicht e<strong>in</strong><br />
schon erreichtes Gut, sondern e<strong>in</strong><br />
Ziel, das wir alle und jeder e<strong>in</strong>zelne<br />
anstreben müssen. Blicken wir mit<br />
größerer Hoffnung auf <strong>die</strong> Zukunft,<br />
ermuti<strong>ge</strong>n wir uns <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig auf unserem<br />
Weg, arbeiten wir, um unserer<br />
Welt e<strong>in</strong> menschlicheres und brüderlicheres<br />
Gesicht zu <strong>ge</strong>ben, und fühlen<br />
wir uns vere<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der Verantwortung<br />
für <strong>die</strong> <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nwärti<strong>ge</strong>n und <strong>die</strong> kommenden<br />
jun<strong>ge</strong>n Generationen, besonders<br />
<strong>in</strong>dem wir sie dazu erziehen,<br />
friedliebend und Friedensstifter zu<br />
se<strong>in</strong>. In <strong>die</strong>sem Bewusstse<strong>in</strong> sende ich<br />
euch <strong>die</strong>se Überlegun<strong>ge</strong>n und richte<br />
me<strong>in</strong>en Appell an euch: Vere<strong>in</strong>en wir<br />
unsere <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n, moralischen und<br />
materiellen Kräfte, um „<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n<br />
Menschen zur Gerechtigkeit und zum<br />
Frieden zu erziehen“.<br />
Aus dem Vatikan,<br />
am 8. Dezember 2011<br />
BENEDICTUS PP XVI<br />
© Copyright 2011 – Libreria<br />
Editrice Vaticana<br />
Kurznachrichten<br />
Polizeipsycholo<strong>ge</strong>: Sexuellen Missbrauch entkirchlichen<br />
S exueller Missbrauch muss nach Worten des Polizeipsycholo<strong>ge</strong>n Adolf<br />
Gallwitz „entkirchlicht“ werden. Zur Begründung machte Gallwitz<br />
bei e<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>ntagung der Katholischen Akademie Trier zur Pädokrim<strong>in</strong>alität<br />
deutlich, dass sexueller Missbrauch e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>samt<strong>ge</strong>sellschaftliches<br />
Problem sei. Noch immer <strong>ge</strong>schähen sexuelle Übergriffe größtenteils<br />
im familiären Umfeld. Dass es unter katholischen Ge<strong>ist</strong>lichen e<strong>in</strong>e<br />
erhöhte Anzahl pädophiler Täter <strong>ge</strong>be, lässt sich nach E<strong>in</strong>schätzung von<br />
Gallwitz so nicht sa<strong>ge</strong>n. Faktoren wie <strong>die</strong> Struktur der Kirche oder <strong>die</strong><br />
Auswirkun<strong>ge</strong>n des Zölibats müssten jedoch sehr wohl beachtet werden.<br />
(KNA)<br />
8 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
Erklärung der Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten<br />
Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />
E<strong>in</strong>e Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />
1. wird nur auf der Basis e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />
ab<strong>ge</strong>stimmten, schlüssi<strong>ge</strong>n<br />
Konzeptes für <strong>die</strong> Friedenskonsoli<strong>die</strong>rung<br />
<strong>ge</strong>l<strong>in</strong><strong>ge</strong>n. Dazu müssen <strong>die</strong><br />
beteiligten Akteure ihre E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen<br />
zurückstellen, um dem betroffenen<br />
Volk e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> Frieden<br />
und Sicherheit zu ermöglichen. Im<br />
S<strong>in</strong>ne chr<strong>ist</strong>licher Nächstenliebe gilt<br />
es, durch Hilfe zur Selbsthilfe auf der<br />
Grundla<strong>ge</strong> langfr<strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>r Partnerschaft<br />
<strong>die</strong> Voraussetzun<strong>ge</strong>n und Rahmenbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n<br />
für den Aufbau e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>ordneten<br />
Staatswesens zu schaffen.<br />
Der notwendi<strong>ge</strong> politische und zi- 2. vile Aufbau e<strong>in</strong>es funktionierenden<br />
Geme<strong>in</strong>wesens <strong>ist</strong> so lan<strong>ge</strong> durch<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft zu sichern,<br />
bis e<strong>in</strong>heimische Militär- und<br />
Polizeikräfte dazu <strong>in</strong> der La<strong>ge</strong> s<strong>in</strong>d. In<br />
der Phase des Übergangs <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß<br />
an Stabilität erforderlich, um<br />
den Wiederaufbau voranzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n und<br />
das Erreichte zu sichern. E<strong>in</strong> vorzeiti<strong>ge</strong>r<br />
und unkoord<strong>in</strong>ierter Abzug der<br />
<strong>in</strong>ternationalen Truppen <strong>ist</strong> zu vermeiden,<br />
weil er e<strong>in</strong> Machtvakuum schaffen<br />
würde, <strong>in</strong> dem Hass und Gewalt wieder<br />
ausbrechen und das Land erneut <strong>in</strong> Gesetzlosigkeit<br />
und Chaos stürzen könnte.<br />
Mit der Übernahme der Verant- 3. wortung für <strong>die</strong> Sicherheit durch<br />
e<strong>in</strong>heimische Kräfte darf das <strong>in</strong>ternationale<br />
Enga<strong>ge</strong>ment nicht beendet werden.<br />
Der Abzug der <strong>in</strong>ternationalen<br />
Streitkräfte muss mit der glaubwürdi<strong>ge</strong>n<br />
Selbstverpflichtung zum langfr<strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n<br />
Enga<strong>ge</strong>ment verbunden se<strong>in</strong>.<br />
Schließlich haben <strong>die</strong> Staaten, <strong>die</strong> sich<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Ethische Grundsätze für <strong>die</strong> Beendigung e<strong>in</strong>es Militäre<strong>in</strong>satzes<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>er Friedensmission der Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Mit e<strong>in</strong>er Friedensmission verfol<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen das Ziel, e<strong>in</strong> von Krieg und Terror heim<strong>ge</strong>suchtes Land zu befrieden,<br />
damit es ei<strong>ge</strong>nverantwortlich für den Wiederauf- bau der staatlichen Ordnung sor<strong>ge</strong>n kann. Militäre<strong>in</strong>sätze im Rahmen<br />
von Friedensmissionen s<strong>in</strong>d dann ethisch <strong>ge</strong>rechtfertigt, wenn sie e<strong>in</strong>erseits dem Schutz vor Terror und schweren Menschenrechtsverletzun<strong>ge</strong>n<br />
und andererseits dem Aufbau e<strong>in</strong>er <strong>ge</strong>rechten und stabilen Ordnung <strong>die</strong>nen.<br />
Die Fra<strong>ge</strong>, welche ethische Grundsätze bei e<strong>in</strong>er Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung zu beachten s<strong>in</strong>d, <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nt beim bevorstehenden<br />
Abzug der Stabilisierungskräfte der <strong>in</strong>ternationalen Staaten<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft (ISAF) aus Afghan<strong>ist</strong>an wieder aktuelle Bedeutung.<br />
Die Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten (GKS) le<strong>ist</strong>et hierzu auf der Grundla<strong>ge</strong> der katholischen Friedenslehre e<strong>in</strong>en<br />
Beitrag und er<strong>in</strong>nert an <strong>die</strong> Aussa<strong>ge</strong> des II. Vatikanischen Konzils „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte<br />
sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker“ (GS, 79).<br />
militärisch oder auf andere Weise engagieren,<br />
e<strong>in</strong>e moralische Verpflichtung<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung<br />
übernommen. Ihre Hilfe <strong>ist</strong> so<br />
lan<strong>ge</strong> notwendig, bis e<strong>in</strong> stabiler Versöhnungsprozess<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>leitet <strong>ist</strong> und<br />
der Aufbau nachhaltig Früchte trägt.<br />
Wenn <strong>die</strong> Übernahme der Verant- 4. wortung auf Dauer erfolgreich se<strong>in</strong><br />
soll, bedarf es der aktiven Mitwirkung<br />
der Bevölkerung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land mit<br />
<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong>r Alphabetisierung erst entsprechend<br />
aus<strong>ge</strong>bildet und an<strong>ge</strong>leitet werden<br />
muss. Die e<strong>in</strong>heimischen Autoritäten<br />
müssen sich ihrer Verantwortung<br />
bewusst werden und e<strong>in</strong>e handlungsfähi<strong>ge</strong><br />
Regierung bilden, <strong>die</strong> das Wohl des<br />
ganzen Volkes im Blick hat und Krim<strong>in</strong>alität<br />
und Korruption bekämpft. Der<br />
Erfolg bei Aufbau und Entwicklung des<br />
Landes hängt direkt ab von der E<strong>in</strong>sicht<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit entsprechender<br />
Maßnahmen sowie vom Willen und vom<br />
E<strong>in</strong>satz der Betroffenen, sie konsequent<br />
um- und durchzusetzen.<br />
Die dem Schutz der Menschen- 5. rechte und der Achtung des Lebens<br />
<strong>die</strong>nenden Grundsätze und Re<strong>ge</strong>ln<br />
des humanitären Völkerrechts <strong>ge</strong>lten<br />
all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>. Sie verlan<strong>ge</strong>n, militärische<br />
Gewaltanwendung zu begrenzen. In der<br />
Phase des Übergangs sollten <strong>die</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Streitkräfte – soweit es der<br />
notwendi<strong>ge</strong> Schutz der Soldaten zulässt<br />
– weit<strong>ge</strong>hend auf militärische Gewalt<br />
verzichten. Indem Streitkräfte zu den<br />
Fol<strong>ge</strong>n ihres Tuns oder Unterlassens<br />
stehen, sich zu Fehlern bekennen und<br />
Schäden bestmöglich beseiti<strong>ge</strong>n, le<strong>ist</strong>en<br />
sie <strong>ge</strong>rade <strong>in</strong> ihrer Wahrhaftigkeit<br />
und ihrem Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Beitrag zur Versöhnung.<br />
Bei der Beendigung von militäri- 6. schen E<strong>in</strong>sätzen s<strong>in</strong>d erhebliche<br />
Anstrengun<strong>ge</strong>n erforderlich, um dem<br />
Anspruch e<strong>in</strong>er Übergabe <strong>in</strong> Verantwortung<br />
<strong>ge</strong>recht werden zu können.<br />
Der Schwerpunkt der Unterstützung<br />
muss sich auf Felder wie Bildung, Gesundheitswesen,<br />
Infrastruktur, Aufbau<br />
von Verwaltung, Justiz und Polizei verla<strong>ge</strong>rn.<br />
Dafür müssen h<strong>in</strong>reichende f<strong>in</strong>anzielle<br />
Mittel erschlossen werden.<br />
Die Internationale Geme<strong>in</strong>schaft<br />
7. hat <strong>in</strong> vormali<strong>ge</strong>n Krisen<strong>ge</strong>bieten<br />
<strong>ge</strong>zeigt, dass sie unter Beteiligung<br />
militärischer Kräfte Sicherheit stabilisieren<br />
und Frieden erfolgreich sichern<br />
kann. Mit solchen E<strong>in</strong>sätzen schafft sie<br />
auch <strong>die</strong> Voraussetzung für e<strong>in</strong>e nachhalti<strong>ge</strong><br />
Krisenprävention.<br />
Regierung und Parlament stehen<br />
<strong>in</strong> der Pflicht, <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
e<strong>in</strong>er Friedensmission <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ganzheitlichen Konzeption zu begründen<br />
und vom Ende des E<strong>in</strong>satzes<br />
her zu denken.<br />
Die Bevölkerung, <strong>in</strong>sbesondere<br />
<strong>die</strong> Soldaten, <strong>die</strong> Leib und Leben<br />
e<strong>in</strong>setzen, und deren Familien hat<br />
e<strong>in</strong> Recht auf umfassende Information,<br />
um S<strong>in</strong>n und Notwendigkeit<br />
des E<strong>in</strong>satzes zu verstehen und zu<br />
akzeptieren. Die Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer<br />
Soldaten (GKS) fordert<br />
daher für jeden E<strong>in</strong>satz Transparenz<br />
und e<strong>in</strong>e grundle<strong>ge</strong>nde Strategie,<br />
<strong>die</strong> auch das Ende e<strong>in</strong>er Mission<br />
mit bedenkt.<br />
9
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Neujahresempfang der Kölner Kreise<br />
„Den Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“<br />
VON HELMUT LEIPERTZ<br />
Bedeutungsschwer und brandaktuell „schwebte“ das <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong> Leitthema über dem Jahresempfang der<br />
„Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten“ (GKS) der Kreise Köln und Wahn, der am 22. März 2012 <strong>in</strong> den<br />
Räumlichkeiten der Offizierheim<strong>ge</strong>sellschaft (OHG) Wahn stattfand. Die Menschheit steht permanent vor<br />
neuen Herausforderun<strong>ge</strong>n – e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit. Aktuell stehen Eurokrise und Energiewende im all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en<br />
Fokus und verlan<strong>ge</strong>n nach nachhalti<strong>ge</strong>n Lösun<strong>ge</strong>n. Auch <strong>die</strong> katholische Kirche beschäfti<strong>ge</strong>n derzeit unterschiedlichste<br />
Problemfelder. Seelsor<strong>ge</strong>rman<strong>ge</strong>l, Erhaltung der Infrastruktur und Vertrauensverlust <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />
s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>, <strong>die</strong> zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>en Großteil der Deutschen ansprechen.<br />
Glauben und Vertrauen<br />
Aussetzung der Wehrpflicht, Auslandse<strong>in</strong>sätze<br />
und Strategien e<strong>in</strong>es<br />
<strong>ge</strong>planten Rückzu<strong>ge</strong>s aus den<br />
Krisen<strong>ge</strong>bieten, doch vor allem <strong>die</strong><br />
Neuausrichtung der Bundeswehr s<strong>in</strong>d<br />
Schlagworte, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Zivilbevölkerung<br />
eher unterschwellig zur Kenntnis<br />
<strong>ge</strong>nommen werden. Für Soldaten<br />
allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d es fundamentale<br />
Themenfelder – berühren sie doch<br />
nicht nur ihre <strong>in</strong>dividuellen Lebensumstände,<br />
sondern auch <strong>die</strong> ihrer Familien<br />
und An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n. Auch wenn<br />
„Wandel“ immer stärker und selbstverständlicher<br />
zum Merkmal des Soldatenberufes<br />
<strong>ge</strong>worden <strong>ist</strong>, bed<strong>in</strong>gt<br />
jede Veränderung auch unterschiedlich<br />
aus<strong>ge</strong>prägten Gesprächsbedarf<br />
und Raum zur persönlichen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung.<br />
Be<strong>in</strong>haltet doch jeder<br />
Aufbruch zum Neuen immer e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>wisses<br />
Wagnis. E<strong>in</strong> Risiko, dem Glauben<br />
und Vertrauen zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> wenig<br />
den Schrecken nehmen können.<br />
Rund 120 Gäste, unter ihnen<br />
zahlreiche politische Mandatsträ<strong>ge</strong>r<br />
und militärische Dienststellenleiter<br />
des Standortes Köln, folgten der E<strong>in</strong>ladung<br />
der beiden Kreisvorsitzenden<br />
Dipl.-Ing. Oberstleutnant Walter<br />
Raab (GKS-Kreis Köln) und Oberstleutnant<br />
Albert Hecht (GKS-Kreis<br />
Wahn) zum <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen<br />
Jahresempfang <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kasernenanla<strong>ge</strong><br />
Wahn. In se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>führenden Worten<br />
hieß Oberstleutnant Hecht, <strong>die</strong> anwesenden<br />
Gäste auf das Herzlichste<br />
willkommen, bevor er zu e<strong>in</strong>er musikalischen<br />
E<strong>in</strong>stimmung durch den<br />
Männerchor der Bundeswehr Wahn an<br />
dessen Leiter, Stabsfeldwebel Markus<br />
Wolters, übergab. Der Männerchor,<br />
der mittlerweile weit über <strong>die</strong> Grenzen<br />
der Kaserne bekannt und beliebt<br />
<strong>ist</strong>, wusste mit abwechslungsreichen<br />
a capella Darbietun<strong>ge</strong>n – unter anderem<br />
„Forellenvariationen“ à la Schubert,<br />
Mozart, Beethoven und Weber<br />
– zu be<strong>ge</strong><strong>ist</strong>ern. Die Sän<strong>ge</strong>r, allesamt<br />
Soldaten, Zivilbe<strong>die</strong>nstete oder Ruheständler<br />
des Standortes Wahn, machten<br />
ihrem Ruf alle Ehre und ernteten<br />
dafür den ver<strong>die</strong>nten Applaus des<br />
Auditoriums.<br />
Aktuelle Herausforderun<strong>ge</strong>n annehmen<br />
Anschließend übernahm der Organisator<br />
Oberstleutnant Hecht<br />
erneut das Wort, um <strong>die</strong> Gäste auf<br />
den Festvortrag des Stellvertreters<br />
des General<strong>in</strong>spekteurs der Bundeswehr,<br />
Generalleutnant Günter Weiler,<br />
<strong>in</strong>formativ vorzubereiten. Dabei<br />
verwies er noch e<strong>in</strong>mal auf das <strong>die</strong>sjähri<strong>ge</strong><br />
Leitthema der GKS – „Den<br />
Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“ – und umriss aktuelle<br />
Handlungsfelder aus Kirche,<br />
Wirtschaft und Bundeswehr. Die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Katholischer Soldaten versuche,<br />
aus der Perspektive des chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Glaubens heraus, Antworten<br />
auf Lebensfra<strong>ge</strong>n der Soldaten und<br />
ihrer Familien zu f<strong>in</strong>den, wobei <strong>die</strong><br />
Besonderheiten, <strong>die</strong> sich aus dem<br />
Soldatenberuf er<strong>ge</strong>ben, möglichst <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildungsprozesse von<br />
Politik, Gesellschaft und Kirche implementiert<br />
werden sollen.<br />
Hiernach übergab Hecht – nach<br />
kurzer Vorstellung des militärischen<br />
Werdegan<strong>ge</strong>s des Redners – dann das<br />
Mikrofon an Generalleutnant Günter<br />
Weiler. Der Stellvertreter des General<strong>in</strong>spekteurs<br />
der Bundeswehr stieg<br />
zügig <strong>in</strong> <strong>die</strong> Thematik „den Aufbruch<br />
wa<strong>ge</strong>n“ e<strong>in</strong>. In Anlehnung an Vorworte<br />
zum 98. Deutschen Katholikentag<br />
begann er se<strong>in</strong>en Vortrag mit<br />
Beispielen aus dem alten und neuen<br />
Testament, bei denen „wagnisbehaftete<br />
Aufbruchszenarien“ bereits den<br />
Kontext zu Glauben und Vertrauen<br />
verdeutlichten. Danach spannte General<br />
Weiler den Bo<strong>ge</strong>n zu aktuellen<br />
10 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
politischen und wirtschaftspolitischen<br />
Themen – <strong>in</strong> vorderster Reihe <strong>die</strong><br />
Euro-Krise.<br />
Bundeswehr im Umbruch<br />
Kernpunkte se<strong>in</strong>es gut 60-m<strong>in</strong>üti<strong>ge</strong>n<br />
Vortra<strong>ge</strong>s waren allerd<strong>in</strong>gs<br />
<strong>die</strong> Themenfelder rund um <strong>die</strong> Neuausrichtung<br />
der Bundeswehr – Informationen<br />
und Erläuterun<strong>ge</strong>n zu<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n, <strong>ge</strong>änderten<br />
Strukturen, Standort- sowie Bündnisfra<strong>ge</strong>n<br />
und Strukturauswirkun<strong>ge</strong>n auf<br />
betroffene Soldaten und Zivilbe<strong>die</strong>nstete<br />
aus „erster Hand“. „Wir s<strong>in</strong>d guter<br />
D<strong>in</strong><strong>ge</strong>“, so General Weiler und ließ<br />
dabei ke<strong>in</strong>en Zweifel daran, dass <strong>die</strong><br />
Strukturkommission alles Notwendi<strong>ge</strong><br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>hend betrachtet habe, um den<br />
Umbau der Bundeswehr so effizient<br />
wie möglich und gleichzeitig sozialverträglich<br />
zu <strong>ge</strong>stalten. Er räumte<br />
aber – mit dem H<strong>in</strong>weis auf das Bundeswehrreform-Begleit<strong>ge</strong>setz<br />
– auch<br />
e<strong>in</strong>, dass es bei aller Sorgfalts- und<br />
Fürsor<strong>ge</strong>verantwortung dennoch e<strong>in</strong>zelne<br />
Härtefälle <strong>ge</strong>ben könne.<br />
Die e<strong>in</strong><strong>ge</strong>henden Erläuterun<strong>ge</strong>n<br />
der Grundsätze für <strong>die</strong> Spitzengliederung,<br />
Unterstellungsverhältnisse und<br />
Führungsorganisation im Bundesm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium<br />
der Verteidigung und der<br />
Bundeswehr, <strong>die</strong> am Vorabend durch<br />
Kurznachrichten<br />
In Indonesien wurde während e<strong>in</strong>es<br />
offiziellen Besuchs der italienischen<br />
Regierung <strong>in</strong> Djakarta e<strong>in</strong> Abkommen<br />
zwischen der Geme<strong>in</strong>schaft Sant‘Egidio<br />
und Muhammaddiyah unterzeichnet,<br />
e<strong>in</strong>e der größten islamischen Organisationen<br />
der Welt. Es sei e<strong>in</strong> Schritt zur<br />
Annäherung auf dem Weg zum <strong>in</strong>ternationalen<br />
Treffen für Frieden und <strong>in</strong>terreligiösen<br />
Dialog <strong>in</strong> Sarajewo (9.-11.<br />
September 2012), wie <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Sant’Egidio bekannt gibt.<br />
Über den Weg des Dialogs solle<br />
versucht werden, nach e<strong>in</strong>em Jahrzehnt<br />
von Ause<strong>in</strong>andersetzun<strong>ge</strong>n neu anzufan<strong>ge</strong>n,<br />
Unterdrückung vorzubeu<strong>ge</strong>n,<br />
Überfälle auf Kirchen und Moscheen<br />
zu verh<strong>in</strong>dern, das Zusammenleben zu<br />
stärken und <strong>die</strong> Argumente zu widerle<strong>ge</strong>n,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Welt voller ethnischer<br />
Inseln wollen. Im Rahmen e<strong>in</strong>er offi-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Dr. Thomas de Maizière <strong>in</strong> Dresden<br />
als „Dresdener Erlass“ verb<strong>in</strong>dlich<br />
fest<strong>ge</strong>legt wurden, kommentierte Weiler<br />
mit Blick auf <strong>die</strong> zeitliche Realisierung:<br />
„Die Bundeswehr hat aus<br />
den vergan<strong>ge</strong>nen Strukturreformen<br />
<strong>ge</strong>lernt!“<br />
Mit sich selber im Re<strong>in</strong>en se<strong>in</strong><br />
Auch das neue Reserv<strong>ist</strong>enkonzept<br />
und e<strong>in</strong> Ausblick auf <strong>die</strong> künftig<br />
<strong>ge</strong>forderten Kompetenzen der deutschen<br />
Armee im mult<strong>in</strong>ationalen Zusammenspiel<br />
fanden ihren Platz im<br />
Vortrag des Stellvertreters des General<strong>in</strong>spekteurs<br />
der Bundeswehr. General<br />
Weiler – auch Vorsitzender der<br />
Strukturplanungskommission – appellierte<br />
zum Abschluss se<strong>in</strong>er Festrede<br />
an jeden Bundeswehran<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong><br />
Entscheidung zum Beruf „Soldat“ <strong>in</strong>tensiv<br />
zu reflektieren. Die künfti<strong>ge</strong>n<br />
Aufgaben der Bundeswehr verlangten<br />
von jedem Soldaten, dass er sich<br />
aller Risiken <strong>die</strong>ser ganz speziellen<br />
Berufswahl bewusst sei. Er forderte<br />
nicht nur jeden E<strong>in</strong>zelnen des hochkaräti<strong>ge</strong>n<br />
Auditoriums dazu auf, den<br />
„Aufbruch“ <strong>in</strong> <strong>die</strong> neue Ära Bundeswehr<br />
auch mit „Glauben und Vertrauen“<br />
zu begleiten. Mit e<strong>in</strong>em kurzen<br />
Gebetstext beendete der Vortra<strong>ge</strong>nde<br />
se<strong>in</strong>e Ausführun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> <strong>in</strong> vielen<br />
Mehr Dialog zwischen Chr<strong>ist</strong>en und Muslimen<br />
ziellen Mission und des Besuches des<br />
italienischen Außenm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ers Terzi fand<br />
nunmehr e<strong>in</strong>e Konferenz zum Dialog<br />
statt. Dabei wurde e<strong>in</strong> Protokoll über<br />
e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit der Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Sant‘Egidio und e<strong>in</strong>er der Mitgliederstärksten<br />
islamischen Organisationen<br />
der Welt, der Muhammaddiyah, unterzeichnet.<br />
Die vom Präsidenten der Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Sant‘Egidio, Marco Impagliazzo,<br />
und dem Präsidenten von Muhammaddiyah,<br />
D<strong>in</strong> Syamsudd<strong>in</strong>, unterzeichnete<br />
Vere<strong>in</strong>barung umfasst e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit<br />
der beiden Vere<strong>in</strong>igun<strong>ge</strong>n<br />
„auf dem Gebiet der Solidarität, des<br />
<strong>in</strong>terreligiösen Dialogs, der Förderung<br />
e<strong>in</strong>er Kultur der Toleranz und der Kohabitation,<br />
der Konfliktlösung und Friedensarbeit<br />
und der humanitären Hilfe<br />
bei Naturkatastrophen“.<br />
SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Punkten sicherlich e<strong>in</strong>en ei<strong>ge</strong>nen Vortrag<br />
wert <strong>ge</strong>wesen wären.<br />
Die kurzweilig und mitunter<br />
„au<strong>ge</strong>nzw<strong>in</strong>kernd“ vor<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />
„Insider“-Rede (siehe Bild) quittierten<br />
<strong>die</strong> zahlreichen Zuhörer mit anhaltendem<br />
Applaus. Hiernach bot sich den<br />
Anwesenden <strong>die</strong> Möglichkeit, Fra<strong>ge</strong>n<br />
an General Weiler zu richten, von der<br />
auch entsprechend Gebrauch <strong>ge</strong>macht<br />
wurde. Oberstleutnant Hecht bedankte<br />
sich mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Geschenk herzlich<br />
beim Gastredner für se<strong>in</strong>en engagierten<br />
Vortrag. „E<strong>in</strong> Buch,“ so Hecht,<br />
„das aus me<strong>in</strong>er Sicht zu unserem Jahresthema<br />
passt. Und was könnte da<br />
besser <strong>ge</strong>eignet se<strong>in</strong>, als das aktuellste<br />
Buch zu unserem neuen Bundespräsidenten<br />
mit dem Titel: Joachim Gauck<br />
– vom Pastor zum Präsidenten“.<br />
Raum für <strong>in</strong>formative Gespräche<br />
Anschließend luden <strong>die</strong> beiden<br />
Vorsitzenden der Kölner GKS-Kreise<br />
<strong>die</strong> Anwesenden zum Ausklang der<br />
Veranstaltung <strong>in</strong> das Musikzimmer der<br />
OHG e<strong>in</strong>. Hier boten sich dann ausreichend<br />
Gele<strong>ge</strong>nheiten zum <strong>in</strong>tensiven,<br />
„barrierefreien“ und <strong>in</strong>formativen Dialog.<br />
Rundum e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>ner Jahresempfang,<br />
dessen Inhalte sicher – auch<br />
über den Abend h<strong>in</strong>aus – ausreichend<br />
Gesprächsstoff boten. ❏<br />
Die Zusammenarbeit soll nach der<br />
Erklärung auf der Grundla<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ser<br />
Vere<strong>in</strong>barung um<strong>ge</strong>setzt werden und<br />
sei e<strong>in</strong> Er<strong>ge</strong>bnis der Dialogtreffen im<br />
Ge<strong>ist</strong> von Assisi, den <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Sant‘Egidio jährlich verbreite und durch<br />
den sie e<strong>in</strong> Netzwerk von Freundschaften<br />
und Zusammenarbeit mit Vertretern<br />
unterschiedlicher Religionen auf<strong>ge</strong>baut<br />
habe. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang hätten<br />
sich <strong>die</strong> Beziehun<strong>ge</strong>n zum <strong>in</strong>donesischen<br />
Islam entwickelt, der das Verfassungspr<strong>in</strong>zip<br />
des Pluralismus und der<br />
demokratischen Kultur auf<strong>ge</strong>nommen<br />
habe, obwohl er im Land <strong>die</strong> übergroße<br />
Mehrheit repräsentiere. Dadurch tra<strong>ge</strong><br />
er zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>teressanten Experiment<br />
des Zusammenlebens <strong>in</strong> der Vielfalt<br />
Indonesiens bei, bekräftigt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.<br />
(ZENIT)<br />
11
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
Vorstellung der Levante<br />
In den vier Heften <strong>die</strong>ses Jahres stellt <strong>die</strong> Redaktion der Leserschaft <strong>die</strong> Staaten der Levante vor, um Ihnen e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> Struktur <strong>die</strong>ser sicherheitspolitisch höchst <strong>in</strong>teressanten Region zu <strong>ge</strong>ben. Dabei beg<strong>in</strong>nen wir mit<br />
dem Libanon, der von e<strong>in</strong>em jun<strong>ge</strong>n Studenten beschrieben wird.<br />
Libanon – e<strong>in</strong>e Beschreibung<br />
VON TIM KNOCHE 1<br />
b<strong>in</strong> Libanes<strong>in</strong>, Shiiten, Araber<strong>in</strong>...das sollte ich anders sa<strong>ge</strong>n: Ich b<strong>in</strong> Araber<strong>in</strong>, Libanes<strong>in</strong> und Shiiten...<br />
Moment, ich sollte das nochmal überdenken.“ Libanesen belieben zu verwirren. Das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> erste Erfah-<br />
„Ich<br />
rung, <strong>die</strong> ich während me<strong>in</strong>es 10-monati<strong>ge</strong>n Auslandsaufenthaltes vom Herbst 2010 bis Sommer 2011<br />
im Libanon machen musste. Me<strong>in</strong> Studium der Rechtswissenschaften führte ich an der Faculté de Droit der Université<br />
Sa<strong>in</strong>t-Joseph fort und hatte derweil Gele<strong>ge</strong>nheit, <strong>die</strong> vielfälti<strong>ge</strong>n Seiten des Libanon kennen zu lernen.<br />
Im ersten Teil <strong>die</strong>ses Beitra<strong>ge</strong>s möchte ich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Land und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Denkweise <strong>ge</strong>ben und im<br />
zweiten Teil darstellen, mit welchen Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Sicherheitspolitik konfrontiert <strong>ist</strong>.<br />
Teil 1 – Der Libanon<br />
Geographische La<strong>ge</strong> und Entstehung<br />
des Landes<br />
D er1Libanon <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Land im Nahen<br />
Osten, das sich über 225 km von<br />
Norden nach Süden an der Ostküste<br />
des Mittelmeeres entlang zieht. Parallel<br />
zu der sehr schmalen Küstenl<strong>in</strong>ie<br />
erheben sich <strong>die</strong> steilen Hän<strong>ge</strong><br />
des Libanon<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong>s, lande<strong>in</strong>wärts<br />
folgt ebenfalls parallel <strong>die</strong> flache Bekaaebene<br />
und schließlich das Antilibanon<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong><br />
als natürliche Grenze<br />
zu Syrien, das nördlich und westlich<br />
den Libanon umschließt. Der südliche<br />
Nachbar <strong>ist</strong> Israel.<br />
Die Entstehung des Libanon wurde<br />
maß<strong>ge</strong>blich von Chr<strong>ist</strong>en voran<strong>ge</strong>trieben.<br />
Dem Osmanischen Reich war<br />
es nie recht <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> Levante<br />
zu kontrollieren. Die europäischen<br />
Mächte nutzten im 19. Jahrhundert<br />
<strong>die</strong>se Schwäche, um mit der „Hohen<br />
1 Tim Knoche, Jahrgang 1990, <strong>ist</strong> Student<br />
der Rechtswissenschaften an der<br />
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg<br />
und verbrachte an der Université Sa<strong>in</strong>t-<br />
Joseph <strong>in</strong> Beirut e<strong>in</strong> Auslandsjahr. Er<br />
lernte Land und Leute kennen und<br />
be<strong>ge</strong>gnete dabei den verschiedensten,<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nsätzlichen Ansichten über den<br />
Libanon, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Beitrag<br />
widerspie<strong>ge</strong>ln. Bei weiterem Interesse<br />
sei zur E<strong>in</strong>führung der „Atlas du<br />
Liban“ (Assaf/Barakat, Presses de<br />
l‘Université Sa<strong>in</strong>t-Joseph), tiefer<strong>ge</strong>hend<br />
<strong>die</strong> „H<strong>ist</strong>oire du Liban Contempora<strong>in</strong>“<br />
(Denise Ammoun, Fayard) und für<br />
<strong>die</strong> Verfassung das „Dictionnaire de<br />
la Constitution Libanaise“ (Béchara<br />
Ménassa, Editions Dar-An-Nahr) empfohlen<br />
Pforte“ Schutzverträ<strong>ge</strong> über <strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>liche<br />
Bevölkerung auszuhandeln.<br />
Bereits vor dem Zusammenbruch des<br />
Osmanischen Reiches zum Ende des<br />
Ersten Weltkrie<strong>ge</strong>s plante man eifrig<br />
an e<strong>in</strong>em Staat für <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en – <strong>die</strong><br />
Geburtsstunde des Libanon.<br />
Unter dem 1920 erteilten französischen<br />
Völkerbundmandat für Syrien<br />
und Libanon wurden <strong>die</strong> Grenzen<br />
endgültig durch <strong>die</strong> neue Verfassung<br />
1926 fest<strong>ge</strong>legt. Das Mandat endete<br />
mit der Unabhängigkeitserklärung<br />
1943. Möglich wurde <strong>die</strong> Ex<strong>ist</strong>enz<br />
e<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nständi<strong>ge</strong>n Libanon durch<br />
e<strong>in</strong>en Kompromiss. Die Muslime<br />
liebäu<strong>ge</strong>lten mit e<strong>in</strong>em mehrheit-<br />
lich muslimischen Großsyrien. Die<br />
Chr<strong>ist</strong>en h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n wollten nicht <strong>die</strong><br />
nach Jahrhunderten muslimischer<br />
Herrschaft erlangte Vormachtstellung<br />
auf<strong>ge</strong>ben. Also blieb es bei der von den<br />
Franzosen errichteten parlamentarischen<br />
Republik des Libanon, aber mit<br />
e<strong>in</strong>er weltweit e<strong>in</strong>zigarti<strong>ge</strong>n Verteilung<br />
der Macht: Der Präsident <strong>ist</strong> stets e<strong>in</strong><br />
Chr<strong>ist</strong> der maronitischen<br />
KKonfession,<br />
das Amt des<br />
M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er-präsidenten M<br />
wird<br />
von v e<strong>in</strong>em sunnitischen<br />
Muslim M <strong>ge</strong>führt und zum<br />
Parlamentspräsidenten<br />
P<br />
wird w e<strong>in</strong> schiitischer<br />
Muslim M <strong>ge</strong>wählt. Dieses<br />
System S <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong>esfalls verfassungsrechtlich<br />
f<br />
verankert,<br />
k es handelt sich um<br />
den d bloß mündlichen<br />
„Nationalpakt“ „<br />
zwischen<br />
dem d ersten Präsidenten<br />
Beschara B Al-Khoury und<br />
M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident M<br />
Riad Al-<br />
Solh S im Jahre 1943. Doch<br />
bis b auf e<strong>in</strong>e Ausnahme<br />
im i Jahre 1988 wurde <strong>die</strong><br />
Verteilung V konsequent<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>halten. e Bereits bei<br />
der d Unabhängigkeit zeigte<br />
t sich: Der Libanon hat<br />
nur n<br />
e<strong>in</strong>e Zukunft, wenn<br />
<strong>die</strong> Konfessionen zu Kompromissen<br />
bereit s<strong>in</strong>d.<br />
Die libanesische Gesellschaft – Mite<strong>in</strong>ander<br />
oder Nebene<strong>in</strong>ander?<br />
Das <strong>ist</strong> aus zwei Gründen nicht<br />
e<strong>in</strong>fach. Erstens stellt <strong>die</strong> schiere<br />
Anzahl an Konfessionen e<strong>in</strong>e He-<br />
12 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
ausforderung an <strong>die</strong> Staatsorganisation.<br />
Zweitens setzen sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
Konfessionen mehr für ihre<br />
ei<strong>ge</strong>ne Gruppe e<strong>in</strong> als für den Staat<br />
als Ganzes.<br />
Die Konfessionen<br />
Die konfessionelle Vielfalt f<strong>in</strong>det<br />
sich vor allem bei den Chr<strong>ist</strong>en.<br />
Sie lässt sich zum Teil kirchen<strong>ge</strong>schichtlich<br />
erklären. 451 entstanden<br />
erste Spaltun<strong>ge</strong>n durch das Konzil<br />
von Chalcedon, <strong>in</strong> dem über <strong>die</strong> Natur<br />
Jesu Chr<strong>ist</strong>i <strong>ge</strong>stritten wurde. Seit<br />
dem mor<strong>ge</strong>nländischen Schisma 1054<br />
teilt sich das Chr<strong>ist</strong>entum <strong>in</strong> <strong>die</strong> westlichen<br />
Katholiken unter Führung des<br />
Papstes und <strong>die</strong> Ostkirchen, bestehend<br />
aus den orthodoxen und den<br />
altorientalischen Kirchen. Im Laufe<br />
der Zeit schlossen sich Gruppierun<strong>ge</strong>n<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Ostkirchen wiederum<br />
dem Papst an, behielten aber<br />
ihren jeweili<strong>ge</strong>n Ritus. So entstand<br />
zum Beispiel <strong>die</strong> malkitisch-griechisch-katholische<br />
Kirche. Die Bezeichnung<br />
„melkitisch“ stammt vom<br />
Arabischen „malik“ (der König) und<br />
beschreibt ihre Orientierung am byzant<strong>in</strong>ischen<br />
Imperator beim Konzil<br />
von Chalcedon. „Griechisch“ we<strong>ist</strong><br />
auf den byzant<strong>in</strong>ischen Ritus h<strong>in</strong> und<br />
„katholisch“ zeigt, dass <strong>die</strong> Konfession<br />
nunmehr den Papst als Oberhaupt<br />
anerkennt. Im Er<strong>ge</strong>bnis <strong>die</strong>ser Spaltun<strong>ge</strong>n<br />
und Zusammenschlüsse wuchs<br />
<strong>die</strong> Zahl der Konfessionen <strong>ge</strong>radezu<br />
<strong>in</strong>flationär.<br />
E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> Konfessionen sahen sich<br />
aber Verfolgun<strong>ge</strong>n aus<strong>ge</strong>setzt, nicht<br />
etwa durch den sich rasant ausbreitenden<br />
Islam, sondern vielmehr durch<br />
<strong>die</strong> ei<strong>ge</strong>nen Glaubens<strong>ge</strong>nossen während<br />
der Kreuzzü<strong>ge</strong>. Später litten viele<br />
unter der osmanischen Herrschaft.<br />
Zuflucht fanden sie im Libanon. Se<strong>in</strong>e<br />
unzugänglichen Gebir<strong>ge</strong> bieten<br />
seit Jahrhunderten den M<strong>in</strong>derheiten<br />
Schutz und das Mittelmeer notfalls<br />
e<strong>in</strong>en Fluchtweg. Nicht nur chr<strong>ist</strong>liche<br />
M<strong>in</strong>derheiten wie <strong>die</strong> aus Anatolien<br />
flüchtenden Armenier Ende des<br />
Ersten Weltkrie<strong>ge</strong>s, sondern auch andersgläubi<strong>ge</strong><br />
Gruppen wie <strong>die</strong> Drusen<br />
strömten vor Jahrhunderten <strong>in</strong><br />
das Land.<br />
Ins<strong>ge</strong>samt 18 Konfessionen s<strong>in</strong>d<br />
bei e<strong>in</strong>er Bevölkerungszahl von 3,5<br />
bis 4 Millionen offiziell anerkannt<br />
und leben kreuz und quer über das<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Land verteilt. Generell f<strong>in</strong>den sich<br />
sunnitische Muslime <strong>in</strong> den drei großen<br />
Küstenstädten Beirut, Tripolis<br />
und Saida, Schiiten im Südlibanon,<br />
Drusen im zentral <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen Chouf,<br />
Chr<strong>ist</strong>en bewohnen vor allem <strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nd<br />
nördlich von Beirut.<br />
Wie stellt man sicher, dass alle<br />
Gruppierun<strong>ge</strong>n an dem Staat beteiligt<br />
werden?<br />
Die Staatsorganisation<br />
Die ursprünglich auf französisch<br />
<strong>ge</strong>schriebene Verfassung sieht <strong>in</strong> Artikel<br />
101 vor, dass ab dem 1. September<br />
1926 der frühere „Etat du Grand<br />
Liban“ nunmehr den Namen „République<br />
Libanaise“ trägt. In der Präambel<br />
wird <strong>die</strong> Souveränität, Freiheit<br />
und Unabhängigkeit des Staates<br />
betont und <strong>die</strong> arabische Identität<br />
fest<strong>ge</strong>legt. Außerdem wird bestimmt,<br />
dass es sich um e<strong>in</strong>e demokratische,<br />
parlamentarische Republik handelt.<br />
Diese kennzeichne sich unter anderem<br />
durch <strong>die</strong> Beachtung der Grundrechte,<br />
<strong>in</strong>sbesondere der Me<strong>in</strong>ungs-<br />
und Gewissensfreiheit.<br />
Die Verfassung hat e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>spaltenes<br />
Verhältnis zu den Konfessionen.<br />
E<strong>in</strong>erseits soll der Konfessionalismus<br />
laut Absatz h) der Präambel ab<strong>ge</strong>schafft<br />
werden, und zwar schrittweise<br />
(„suivant un plan par étapes“).<br />
Andererseits wird der Konfessionalismus<br />
<strong>in</strong> der Staatsorganisation<br />
<strong>ge</strong>radezu zementiert. Art. 24 sieht<br />
vor, dass <strong>die</strong> parlamentarischen Sitze<br />
gleich („à égalité“) unter Chr<strong>ist</strong>en<br />
und Muslimen auf<strong>ge</strong>teilt werden.<br />
Unter „gleich“ <strong>ist</strong> zu verstehen, dass<br />
nicht etwa e<strong>in</strong>e Volkszählung e<strong>in</strong> bestimmtes<br />
Sitzverhältnis vorgibt, sondern<br />
<strong>die</strong> Hälfte der Sitze den Chr<strong>ist</strong>en,<br />
<strong>die</strong> andere Hälfte den Muslimen<br />
zusteht. Zwar steht <strong>die</strong>se Aufteilung<br />
unter dem Vorbehalt e<strong>in</strong>es Wahl<strong>ge</strong>setzes<br />
ohne konfessionelle Ausrichtung<br />
(„En attendant l‘élaboration [...] d‘une<br />
loi électorale sans contra<strong>in</strong>te confessionelle“),<br />
aber es kam nie zur Errichtung<br />
e<strong>in</strong>es solchen Wahl<strong>ge</strong>setzes.<br />
Die Rolle der Konfessionen wird<br />
weiterh<strong>in</strong> <strong>ge</strong>stärkt durch <strong>die</strong> Autonomie<br />
im Personenstandsrecht <strong>ge</strong>mäß<br />
Art. 9. Daher gibt es ke<strong>in</strong>e Zivilehe im<br />
Libanon, Ehen werden nach den Bräuchen<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Konfession ab<strong>ge</strong>schlossen.<br />
Außerdem <strong>ge</strong>stattet Art. 10<br />
den Geme<strong>in</strong>den, im Rahmen der staat-<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
lichen Vorgaben ihre ei<strong>ge</strong>nen Schulen<br />
zu betreiben. Dies hat <strong>die</strong> praktische<br />
Auswirkung, dass staatliche Schulen<br />
ke<strong>in</strong>en guten Ruf <strong>ge</strong>nießen. Stattdessen<br />
s<strong>in</strong>d vor allem chr<strong>ist</strong>liche Privatschulen<br />
be<strong>ge</strong>hrt. Problematisch ersche<strong>in</strong>t<br />
auch, dass der Staat <strong>ge</strong>mäß<br />
Art. 9 <strong>die</strong> Beachtung der „religiösen<br />
Interessen“ („<strong>in</strong>térêts religieux“) garantiert,<br />
ohne <strong>die</strong>se Interessen näher<br />
e<strong>in</strong>zugrenzen.<br />
Das Ende des Bür<strong>ge</strong>rkrie<strong>ge</strong>s<br />
(1975-1990) wurde nach verbreiteter<br />
Auffassung durch e<strong>in</strong> 1989 <strong>in</strong> der saudi-arabischen<br />
Stadt Ta‘if unterzeichnetes<br />
Abkommen herbei<strong>ge</strong>führt. Erst<br />
<strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ses Abkommens erklärt<br />
<strong>die</strong> Präambel <strong>die</strong> Abschaffung des<br />
Konfessionalismus zum nationalen<br />
Ziel. Vorher betrachtete <strong>die</strong> Präambel<br />
ihn lediglich als Übergangsre<strong>ge</strong>lung.<br />
Art. 93 trifft nunmehr auch <strong>ge</strong>naue<br />
Bestimmun<strong>ge</strong>n zur Umsetzung <strong>die</strong>ses<br />
Ziels durch e<strong>in</strong> „nationales Komitee“.<br />
Manche sehen <strong>in</strong> der Festlegung <strong>die</strong>ses<br />
Ziels e<strong>in</strong>en Fortschritt. Andere<br />
sa<strong>ge</strong>n, dass der Konfessionalismus<br />
vielmehr erst durch das schriftliche<br />
Festhalten <strong>in</strong> der Verfassung se<strong>in</strong>e<br />
Geltung als, wenn auch abzuschaffender,<br />
Grundsatz der Verfassung bekommen<br />
hat.<br />
Entscheidend <strong>ist</strong> nach me<strong>in</strong>er<br />
Auffassung, dass <strong>die</strong> Libanesen selbst<br />
sich – mit weni<strong>ge</strong>n Ausnahmen – nicht<br />
für <strong>die</strong>ses Ziel e<strong>in</strong>setzen, sondern<br />
nach wie vor e<strong>in</strong> starkes Gruppendenken<br />
vorherrscht.<br />
Das Gruppendenken<br />
Heiß diskutiert <strong>ist</strong> im Libanon <strong>die</strong><br />
Fra<strong>ge</strong>, welche Religion <strong>die</strong> Mehrheit<br />
darstellt. Zur Zeit der Unabhängigkeit<br />
waren es wohl noch <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en, aber<br />
seit 1936 hat man sich nicht mehr an<br />
e<strong>in</strong>e Volkszählung <strong>ge</strong>wagt. Inzwischen<br />
steht vermutlich e<strong>in</strong>e 30- bis 40-prozenti<strong>ge</strong><br />
chr<strong>ist</strong>liche e<strong>in</strong>er mehrheitlich<br />
muslimischen Bevölkerung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber.<br />
Es liegt nahe, Konflikte wie<br />
den Bür<strong>ge</strong>rkrieg als religiöse Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
zu verstehen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
gibt es nicht e<strong>in</strong>en chr<strong>ist</strong>lichen und<br />
e<strong>in</strong>en muslimischen Block im Land.<br />
Die Politik des Landes wird vielmehr<br />
von den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen der Konfessionen<br />
bestimmt. Zu unterscheiden <strong>ist</strong><br />
zwischen der konfessionellen Ebene,<br />
auf der sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelne religiöse<br />
Gruppe um den ei<strong>ge</strong>nen Fortbestand<br />
13
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
kümmert und der politischen Ebene,<br />
wo zwecks politischer Beteiligung<br />
e<strong>in</strong>e erstaunliche Kompromissbereitschaft<br />
an den Tag <strong>ge</strong>legt wird.<br />
Die konfessionelle Ebene<br />
Die konfessionelle Ebene versteht<br />
sich besser, wenn man nicht von e<strong>in</strong>er<br />
Mehrheit im Land aus<strong>ge</strong>ht, <strong>die</strong><br />
e<strong>in</strong>e Führungsrolle e<strong>in</strong>nimmt. Stattdessen<br />
<strong>ist</strong> der Libanon als Land voller<br />
M<strong>in</strong>derheiten zu verstehen, <strong>die</strong> zum<br />
Großteil ir<strong>ge</strong>ndwann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nd<br />
<strong>ge</strong>kommen s<strong>in</strong>d, um Zuflucht zu suchen.<br />
Das Streben nach Schutz spielt<br />
für das Selbstverständnis e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong><br />
Rolle. Daher s<strong>in</strong>d familiäre B<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n<br />
eng und auf <strong>die</strong> Erhaltung der<br />
ei<strong>ge</strong>nen Traditionen le<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Konfessionen<br />
viel Wert. Zwar gibt es viele<br />
Ehen zwischen den Konfessionen e<strong>in</strong>er<br />
Religion und auch Gottes<strong>die</strong>nste<br />
und Gebete f<strong>in</strong>den <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam statt,<br />
aber <strong>die</strong> Siedlungsstruktur gibt wiederum<br />
das Bild e<strong>in</strong>er Trennung. Religiös<br />
<strong>ge</strong>mischte Dörfer oder Stadtviertel<br />
s<strong>in</strong>d ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Seltenheit, aber<br />
auch konfessionelle Durchmischung<br />
<strong>ist</strong> mir kaum be<strong>ge</strong>gnet. Zum Beispiel<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> 12.000 E<strong>in</strong>wohner des großen<br />
Dorfes Qobayat im Nordlibanon<br />
allesamt chr<strong>ist</strong>liche Maroniten. Das<br />
etwas kle<strong>in</strong>ere Maghdouche bei Saida<br />
im Südlibanon hat fast nur malkitisch-griechisch-katholischeE<strong>in</strong>wohner.<br />
Die gleiche Trennung f<strong>in</strong>det sich<br />
bei den Muslimen.<br />
Bereits <strong>die</strong> Vermischung der Konfessionen<br />
<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Glaubens<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>ist</strong> begrenzt, umso weni<strong>ge</strong>r<br />
Austausch gibt es daher zwischen<br />
den beiden Religionen Chr<strong>ist</strong>entum<br />
und Islam. Insbesondere f<strong>in</strong>det man<br />
ke<strong>in</strong>en wie auch immer <strong>ge</strong>arteten Dialog<br />
der Religionen. Me<strong>in</strong>er Auffassung<br />
nach bleiben <strong>die</strong>se Grundsätze<br />
trotz der au<strong>ge</strong>nsche<strong>in</strong>lichen Auflösung<br />
vieler Ge<strong>ge</strong>nsätze <strong>in</strong> der Hauptstadt<br />
Beirut für das Land gültig.<br />
Ausnahmen gibt es trotzdem. Der<br />
Islam baut auf dem jüdisch-chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Erbe auf, auch Jesus wird als<br />
Prophet anerkannt, nur nicht als Sohn<br />
Gottes. Daher wirkt es auf Muslime<br />
nicht befremdlich, dass von dem Hü<strong>ge</strong>l<br />
von Maghdouche e<strong>in</strong>e meterhohe<br />
Marienstatue auf <strong>die</strong> sunnitische Stadt<br />
Saida herunterblickt. Neugierig wandern<br />
nachmittags schwarzverschleierte<br />
Frauen zu „Unserer Lieben Frau<br />
von Mantara“ und beten zu ihr wie<br />
<strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en.<br />
Ins<strong>ge</strong>samt f<strong>in</strong>det auf konfessioneller<br />
Ebene wenig Austausch statt, <strong>die</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Gruppen arbeiten auf ihren<br />
ei<strong>ge</strong>nen Erhalt h<strong>in</strong>.<br />
Die politische Ebene<br />
Geradezu <strong>ge</strong>sprengt werden <strong>die</strong><br />
konfessionellen Grenzen aber auf politischer<br />
Ebene. E<strong>in</strong> Zitat des Schriftstellers<br />
Raschid Al-Daif aus dem Bür<strong>ge</strong>rkrieg<br />
macht deutlich, mit welcher<br />
Leichtigkeit kreuz und quer politische<br />
Allianzen <strong>ge</strong>schlossen werden und<br />
wieder zerbrechen:<br />
„… Der Krieg war dann aber ke<strong>in</strong><br />
Kampf von Arm <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Reich, sondern<br />
von Arm und Reich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Reich und<br />
Arm. Paläst<strong>in</strong>enser bekämpften sich<br />
untere<strong>in</strong>ander, Syrer kämpften mit<br />
Paläst<strong>in</strong>ensern <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Chr<strong>ist</strong>en, dann<br />
mit Chr<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Paläst<strong>in</strong>enser.<br />
Schließlich <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en untere<strong>in</strong>ander<br />
und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Drusen, alle mite<strong>in</strong>ander<br />
und <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ne<strong>in</strong>ander – wer sollte<br />
das verstehen? […] Am Ende haben<br />
wir über <strong>die</strong> <strong>ge</strong>lacht, <strong>die</strong> versucht haben,<br />
<strong>die</strong> Zustände zu analysieren.“<br />
Auf politischer Ebene kennzeichnet<br />
das Handeln der Gruppen e<strong>in</strong><br />
starker Pragmatismus, den e<strong>in</strong> aktuelles<br />
Beispiel veranschaulichen mag.<br />
In Fol<strong>ge</strong> der Ermordung des sunnitischen<br />
M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsidenten Rafiq Al-<br />
Hariri im Jahre 2005 entschied sich<br />
der Libanon, e<strong>in</strong> vom UN-Sicherheitsrat<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setztes Tribunal zur Aufklärung<br />
des Mordes zu unterstützen. Von<br />
Beg<strong>in</strong>n an stand <strong>die</strong> schiitische Hisbullah<br />
unter Verdacht der Tatbeteiligung.<br />
In der Koalitionsregierung mit<br />
dem Sohn Saad Al-Hariri sprach sie<br />
sich daher vehement <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung<br />
des Tribunals aus. Unfähig<br />
zu Kompromissen, zerbrach <strong>die</strong><br />
Regierung im Januar 2011 an dem<br />
Rückzug von 11 M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ern verschiedener<br />
Parteien. Auch an der neuen<br />
Regierung unter Najib Al-Miqati <strong>ist</strong><br />
<strong>die</strong> Hisbullah beteiligt, doch hier hat<br />
sie Ende letzten Jahres nach<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />
und der F<strong>in</strong>anzierung zu<strong>ge</strong>stimmt. Sie<br />
bleibe bei der Kritik an dem Tribunal,<br />
fühle sich aber dem nationalen<br />
Interesse verpflichtet. E<strong>in</strong> plötzlicher<br />
Ges<strong>in</strong>nungswandel <strong>ist</strong> nicht anzunehmen,<br />
h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n spricht viel für Miqatis<br />
Fähigkeit, <strong>die</strong> völlig <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nsätzlichen<br />
Interessen an e<strong>in</strong>en Tisch zu holen.<br />
S<strong>in</strong>d Kompromisse nicht ohneh<strong>in</strong><br />
unabd<strong>in</strong>gbar für e<strong>in</strong>en funktionierenden<br />
Staat? Das <strong>ist</strong> sicherlich der Fall,<br />
aber im Libanon s<strong>in</strong>d sie me<strong>in</strong>er Auffassung<br />
nach wichti<strong>ge</strong>r als anderswo<br />
und zwar aufgrund der Schwäche<br />
des Staates. Werden bei e<strong>in</strong>er politischen<br />
Entscheidung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
bestimmte Interessen nicht berücksichtigt,<br />
wird der Beschluss dennoch<br />
über <strong>die</strong> Exekutive mit ihrem Beamtenapparat<br />
um<strong>ge</strong>setzt. Im Libanon <strong>ist</strong><br />
<strong>die</strong> Exekutive schwach, Korruption<br />
<strong>ist</strong> so alltäglich, dass sie kaum noch<br />
auffällt. Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Leichtes, sich Regierungsbeschlüssen<br />
zu widersetzen.<br />
Die schiitische Hisbullah <strong>ist</strong> sogar<br />
dafür bekannt, im Südlibanon den<br />
Staat vollständig zu ersetzen. Die Umsetzung<br />
des staatlichen Willens und<br />
der Zusammenhalt des Landes s<strong>in</strong>d<br />
daher nur <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>et, wenn tunlichst<br />
auch unliebsame Gruppen an<br />
Entscheidun<strong>ge</strong>n beteiligt werden.<br />
Festzuhalten <strong>ist</strong>, dass bei den<br />
Konfessionen e<strong>in</strong> aus<strong>ge</strong>prägtes Gruppendenken<br />
vorherrscht und engstirnig<br />
ei<strong>ge</strong>ne Interessen verfolgt werden.<br />
Auf politischer Ebene s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
erstaunliche Kompromisse möglich<br />
und für den Zusammenhalt des Landes<br />
auch unersetzlich.<br />
Teil 2 – Herausforderun<strong>ge</strong>n<br />
für <strong>die</strong> Sicherheit<br />
Das Grundproblem – Die schwache<br />
Armee<br />
Im Fol<strong>ge</strong>nden wird <strong>ge</strong>zeigt, dass der<br />
Libanon e<strong>in</strong>er Vielzahl von Gefährdun<strong>ge</strong>n<br />
der Sicherheit aus<strong>ge</strong>setzt <strong>ist</strong>.<br />
Problematisch <strong>ist</strong>, dass der Staat<br />
selbst <strong>die</strong> Sicherheit kaum <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>en<br />
kann. Auch <strong>die</strong>s lässt sich auf<br />
<strong>die</strong> konfessionelle Vielfalt zurückführen.<br />
Erfordert zum Beispiel e<strong>in</strong> Konflikt<br />
zwischen e<strong>in</strong>er muslimischen und<br />
e<strong>in</strong>er chr<strong>ist</strong>lichen Gruppe e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff<br />
der Armee, dann müsste e<strong>in</strong> muslimischer<br />
General e<strong>in</strong>em chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Soldaten befehlen, <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>e ei<strong>ge</strong>nen<br />
Glaubens<strong>ge</strong>nossen vorzu<strong>ge</strong>hen.<br />
Es lässt sich e<strong>in</strong>wenden, dass es <strong>ge</strong>rade<br />
Aufgabe des Staates <strong>ist</strong>, Konflikte<br />
neutral zu lösen. Im Libanon gibt es<br />
aber ke<strong>in</strong> Vertrauen <strong>in</strong> den Staat und<br />
noch weni<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> <strong>die</strong> Neutralität des<br />
e<strong>in</strong>zelnen Beamten. Die Armee muss<br />
14 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
also äußerst behutsam vor<strong>ge</strong>hen und<br />
verhält sich stets defensiv.<br />
Damit <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee aber nicht bedeutungslos<br />
für das Land. Sie nimmt<br />
vielmehr <strong>die</strong> Rolle e<strong>in</strong>es Mediators<br />
e<strong>in</strong>. Nicht selten <strong>ge</strong>nießen Politiker<br />
mit militärischem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e<br />
hohe Anerkennung im Land – wer e<strong>in</strong><br />
Gespür für das richti<strong>ge</strong> Verhalten der<br />
Armee <strong>in</strong> konfessionellen Konflikten<br />
hat, der kann auch politische Kompromisse<br />
herbeiführen. Als Beispiel sei<br />
der chr<strong>ist</strong>liche General Fou‘ad Chehab<br />
<strong>ge</strong>nannt, der von 1958 bis 1964<br />
als Präsident amtierte. Noch heute<br />
<strong>ge</strong>nießt er hohes Ansehen bei der<br />
Bevölkerung, se<strong>in</strong>e Amtszeit wird als<br />
Beispiel für e<strong>in</strong>e Politik im nationalen<br />
Interesse heran<strong>ge</strong>zo<strong>ge</strong>n.<br />
Trotz ihrer <strong>ge</strong>sellschaftlichen Bedeutung<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee nicht zu e<strong>in</strong>em<br />
wirkungsvollen E<strong>in</strong>greifen fähig.<br />
Die Sonderrolle der Hisbullah im Südlibanon<br />
Das gilt nicht nur für <strong>in</strong>ländische<br />
Konflikte. Auch zur Verteidigung<br />
nach außen <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Armee zu schwach<br />
aus<strong>ge</strong>bildet. Im Bür<strong>ge</strong>rkrieg haben <strong>die</strong><br />
Gruppen <strong>die</strong> Sache selbst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand<br />
<strong>ge</strong>nommen und Milizen <strong>ge</strong>bildet. Inzwischen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se auf<strong>ge</strong>löst, bis auf<br />
e<strong>in</strong>e Ausnahme: <strong>die</strong> Hisbullah.<br />
Sie entstand <strong>in</strong> den 1980er Jahren<br />
im Südlibanon zur Verteidigung der<br />
mehrheitlich schiitischen Bevölkerung<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> israelische Besatzung.<br />
Der Forderung e<strong>in</strong>er Entwaffnung <strong>ge</strong>mäß<br />
Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Hisbullah nicht nach<strong>ge</strong>kommen.<br />
Stets wird auf <strong>die</strong> Gefahr<br />
e<strong>in</strong>es erneuten israelischen Angriffs<br />
verwiesen. Durch den Libanonkrieg<br />
2006 sieht sich <strong>die</strong> Hisbullah dar<strong>in</strong><br />
bestätigt, auch nicht-schiitische Libanesen<br />
<strong>ge</strong>stehen ihr Kompetenz <strong>in</strong><br />
der Landesverteidigung zu.<br />
Es <strong>ist</strong> umstritten, wie <strong>die</strong> Hisbullah<br />
e<strong>in</strong>zuordnen <strong>ist</strong>. Sie selbst bezeichnet<br />
sich als Umma (muslimische<br />
Geme<strong>in</strong>schaft), Großbritannien<br />
unterscheidet zwischen der politischen<br />
Partei und der als terror<strong>ist</strong>isch<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>stuften Miliz, <strong>die</strong> USA sehen <strong>in</strong><br />
der Hisbullah als Ganzes e<strong>in</strong>e Terrororganisation.<br />
Entscheidend <strong>ist</strong> ihre<br />
Sonderrolle neben dem Staat. Diese<br />
erstreckt sich neben den militärischen<br />
Aktivitäten auf umfassende soziale<br />
Unterstützung der armen, ländlichen<br />
Bevölkerung des Südlibanon und so-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
gar auf Aufbauprojekte <strong>in</strong> den 2006<br />
bombar<strong>die</strong>rten südlichen Vororten von<br />
Beirut. Darüber h<strong>in</strong>aus <strong>ist</strong> sie als politische<br />
Partei im Parlament vertreten<br />
und beteiligt sich folglich am Staat.<br />
Es <strong>ist</strong> nicht abzusehen, dass <strong>die</strong><br />
Hisbullah von selbst ihre militärische<br />
Stellung an den Staat abgibt. Denkbar<br />
<strong>ist</strong> h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n, dass sie durch <strong>die</strong><br />
politische Entwicklung <strong>in</strong> der Region<br />
<strong>ge</strong>schwächt wird. Sie erhält massive<br />
Unterstützung aus dem Iran, Syrien<br />
unterstützt sie ebenfalls und <strong>die</strong>nt<br />
vor allem als Transportweg für Waffen.<br />
Sollte <strong>die</strong> sunnitische Mehrheit <strong>in</strong><br />
Syrien e<strong>in</strong>en Regimewechsel zu ihren<br />
Gunsten herbeiführen, käme nur noch<br />
der Wasserweg für <strong>die</strong> Belieferung mit<br />
Waffen <strong>in</strong> Fra<strong>ge</strong>.<br />
Sicherung des Südlibanon durch <strong>die</strong> UNIFIL?<br />
Dieser wird jedoch von der deutschen<br />
Mar<strong>in</strong>e als Teil der UNIFIL-<br />
Mission überwacht. UNIFIL <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />
United Nations Interim Force <strong>in</strong> Lebanon,<br />
<strong>die</strong> 1978 vom UN-Sicherheitsrat<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt wurde, um den israelischen<br />
Rückzug aus dem Südlibanon<br />
zu überprüfen, <strong>in</strong>ternationalen Frieden<br />
und Sicherheit wiederherzustellen<br />
und <strong>die</strong> libanesische Regierung<br />
bei dem Wiederaufbau e<strong>in</strong>er tatsächlichen<br />
Souveränität <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Gebiet<br />
zu unterstützen. Das Mandat wurde<br />
<strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong> des Krie<strong>ge</strong>s 2006 erweitert,<br />
unter anderem kontrolliert UNIFIL<br />
nun <strong>die</strong> E<strong>in</strong>fuhr von Waffen oder ähnlichem<br />
Material. Die deutsche Bundeswehr<br />
übernimmt <strong>die</strong>se Aufgabe<br />
vor der libanesischen Küste, Bodentruppen<br />
werden nicht von deutscher<br />
Seite <strong>ge</strong>stellt.<br />
Es <strong>ist</strong> fraglich, ob <strong>die</strong> UNIFIL<br />
ihre Aufgaben effektiv erfüllen kann.<br />
1982 wurden ihre Stützpunkte nach<br />
ei<strong>ge</strong>nen Worten von der israelischen<br />
Armee „überrannt“, 2006 fielen UNI-<br />
FIL-Soldaten Angriffen von Israel und<br />
Hisbullah zum Opfer. Im Laufe des<br />
Jahres 2011 wurden italienische und<br />
französische UNIFIL-Soldaten durch<br />
drei Bombenanschlä<strong>ge</strong> verletzt.<br />
Außerdem s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> E<strong>in</strong>griffskompetenzen<br />
sehr e<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkt. Bei e<strong>in</strong>er<br />
eskalierten Paläst<strong>in</strong>enserdemonstration<br />
am 15. Mai 2011 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Grenzort zu Israel, Maroun Ar-Ras,<br />
wurden 11 Paläst<strong>in</strong>enser von israelischen<br />
Grenztruppen <strong>ge</strong>tötet und über<br />
Hundert verletzt. Über <strong>die</strong> Rechtferti-<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
gung der israelischen Reaktion lässt<br />
sich streiten. In jedem Fall reichte <strong>die</strong><br />
Anzahl libanesischer Soldaten, me<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>schätzung nach maximal 40-<br />
50, nicht aus, um <strong>die</strong> Demonstranten<br />
von der Grenze fern zu halten und<br />
damit <strong>die</strong> Eskalation zu vermeiden.<br />
Erst nach vielen Stunden <strong>ge</strong>lang <strong>die</strong><br />
Auflösung der Demonstration. Nach<br />
Aussa<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>es italienischen UNIFIL-<br />
Soldaten wären Truppen <strong>in</strong> 10 M<strong>in</strong>uten<br />
zur Stelle <strong>ge</strong>wesen, aber nur auf<br />
Anfra<strong>ge</strong> der libanesischen Armee. Für<br />
e<strong>in</strong>e effektive Erfüllung des Mandats<br />
<strong>ist</strong> me<strong>in</strong>er Auffassung nach <strong>die</strong> Kompetenz<br />
zum unabhängi<strong>ge</strong>n Handeln <strong>in</strong><br />
Konfliktsituationen erforderlich.<br />
Die Paläst<strong>in</strong>enser<br />
Die Paläst<strong>in</strong>enser stellen me<strong>in</strong>er<br />
Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong>e größere Herausforderung<br />
für <strong>die</strong> Sicherheit des<br />
Libanon dar als <strong>die</strong> Hisbullah. Die<br />
Bezeichnung „Paläst<strong>in</strong>enser“ <strong>ist</strong> nicht<br />
all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong> fest<strong>ge</strong>legt, ich verwende sie<br />
hier für Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong> oder deren Abkommen<br />
aus dem früheren Mandats<strong>ge</strong>biet<br />
Paläst<strong>in</strong>a, das sich mit dem<br />
heuti<strong>ge</strong>n Israel, Jordanien, dem Gazastreifen<br />
und der Westbank deckt.<br />
H<strong>in</strong>tergrund der paläst<strong>in</strong>ensischen<br />
Präsenz im Libanon <strong>ist</strong> der „Schwarze<br />
September“ im Jahre 1971. Die Paläst<strong>in</strong>ensische<br />
Befreiungsorganisation<br />
führte damals ihren Kampf <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Israel<br />
aus Jordanien und bedrohte damit<br />
<strong>die</strong> Sicherheit des Landes. Ihre Vertreibung<br />
aus Jordanien im „Schwarzen<br />
September“ brachte sie <strong>in</strong> den Libanon,<br />
wo <strong>die</strong> Schwäche des Staates e<strong>in</strong><br />
un<strong>ge</strong>h<strong>in</strong>dertes militärisches Handeln<br />
ermöglichte. Dies hat entscheidend<br />
zum Ausbruch des Bür<strong>ge</strong>rkrie<strong>ge</strong>s bei<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>n.<br />
Heutzuta<strong>ge</strong> leben <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />
<strong>in</strong> so<strong>ge</strong>nannten „Camps“,<br />
üblicherweise am Rande e<strong>in</strong>er Stadt.<br />
Das e<strong>in</strong>zelne Camp liegt zwar auf libanesischem<br />
Territorium, aber der<br />
Staat erhebt ke<strong>in</strong>e Kompetenz über<br />
das Gebiet. Die Verwaltung obliegt<br />
der ei<strong>ge</strong>ns für <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzten<br />
United Nations Relief and<br />
Works A<strong>ge</strong>ncy (UNRWA), nach deren<br />
Angaben 455.000 Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong> <strong>in</strong> 12<br />
Camps leben, wohl<strong>ge</strong>merkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Land von 3,5 bis 4 Millionen. Sie bedrohen<br />
aus zwei Gründen <strong>die</strong> Sicherheit<br />
des Staates.<br />
Erstens unterhalten verschiedene<br />
politische Gruppen ihre ei<strong>ge</strong>nen Mi-<br />
15
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
lizen <strong>in</strong> den Camps. Es kann sich um<br />
Anhän<strong>ge</strong>r von Hamas handeln, aber<br />
auch um diffuse Organisationen, <strong>die</strong><br />
zB von Syrien aus <strong>ge</strong>steuert werden.<br />
Diese Gruppen bekämpfen sich vor allem<br />
nachts <strong>in</strong>nerhalb des Camps. Die<br />
von ihnen aus<strong>ge</strong>hende Gefahr wurde<br />
im Jahre 2007 deutlich, als <strong>die</strong> libanesische<br />
Armee bei e<strong>in</strong>er Hausdurchsuchung<br />
im Camp Nahr Al-Bared bei<br />
Tripolis <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Scharmützel verwickelt<br />
wurde und wenig später 27 libanesische<br />
Soldaten an e<strong>in</strong>em Stützpunkt im<br />
Schlaf ermordet wurden. Als Reaktion<br />
zerstörte <strong>die</strong> libanesische Armee<br />
weite Teile des Camps.<br />
Zweitens s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />
führungslos. Das unterscheidet sie<br />
von den libanesischen Gruppen. Während<br />
me<strong>in</strong>es dreimonati<strong>ge</strong>n Praktikums<br />
bei der Organisation CYC Shatila<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verhältnismäßig ruhi<strong>ge</strong>n<br />
Camp <strong>in</strong> den Vororten Beiruts wurde<br />
ich Zeu<strong>ge</strong> von drei Demonstrationen<br />
<strong>in</strong> völlig unterschiedliche Richtun<strong>ge</strong>n.<br />
An e<strong>in</strong>em Tag forderten <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser<br />
<strong>in</strong> Downtown Beirut mehr<br />
Arbeitsrechte, e<strong>in</strong> andermal verlangten<br />
sie mehr Unterstützung von UN-<br />
RWA und im Mai fand besagte Demonstration<br />
<strong>in</strong> Maroun Ar-Ras statt,<br />
<strong>die</strong>smal machten sie e<strong>in</strong> Recht zur<br />
Rückkehr <strong>ge</strong>ltend. An <strong>die</strong>ser Stelle<br />
soll nicht diskutiert werden, ob <strong>die</strong><br />
Flüchtl<strong>in</strong><strong>ge</strong>, von denen <strong>die</strong> wenigsten<br />
jemals auch nur e<strong>in</strong>en Fuß auf ihr<br />
Heimatland <strong>ge</strong>setzt haben, e<strong>in</strong> Recht<br />
zur Rückkehr haben. Von dem israelischen<br />
Staat erwarten sie ohneh<strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>e Unterstützung. Viel schmerzhafter<br />
<strong>ist</strong> für sie, dass sie ke<strong>in</strong>erlei Solidarität<br />
aus der West-Bank erfahren,<br />
wo Mahmoud Abbas mit se<strong>in</strong>er Partei<br />
Fatah derzeit emsig an e<strong>in</strong>em souveränen<br />
Staat arbeitet. Daher <strong>ist</strong> es für<br />
andere Gruppierun<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong> Leichtes,<br />
<strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser für <strong>die</strong> ei<strong>ge</strong>nen Interessen<br />
zu <strong>in</strong>strumentalisieren. Zum<br />
Beispiel unterstützte Hisbullah maß<strong>ge</strong>blich<br />
<strong>die</strong> Demonstration im Maroun<br />
Ar-Ras, sie stellte <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte Log<strong>ist</strong>ik<br />
bereit. Verme<strong>in</strong>tlich handelte sie<br />
aus Solidarität <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen<br />
Fe<strong>in</strong>d Israel. Wichti<strong>ge</strong>r für <strong>die</strong><br />
schiitische Hisbullah <strong>ist</strong>, dass es sich<br />
bei den Paläst<strong>in</strong>ensern um Sunniten<br />
handelt. Zählt man sie bei der libanesischen<br />
Bevölkerung mit, gibt es<br />
unter den Muslimen e<strong>in</strong>e sunnitische<br />
Mehrheit, ohne sie e<strong>in</strong>e schiitische.<br />
Daher <strong>ist</strong> Hisbullah sehr <strong>in</strong>teressiert<br />
daran, <strong>die</strong> Paläst<strong>in</strong>enser aus dem Libanon<br />
zu entfernen. Ob ihr Kampf für<br />
<strong>die</strong> Heimkehr den Libanon erneut <strong>in</strong><br />
Gewalt stürzt, <strong>ist</strong> den Paläst<strong>in</strong>ensern<br />
gleichgültig.<br />
Der Man<strong>ge</strong>l an staatlicher Kontrolle<br />
und <strong>die</strong> Führungslosigkeit der<br />
Paläst<strong>in</strong>enser machen sie me<strong>in</strong>er Ansicht<br />
nach zur größten Gefahr für <strong>die</strong><br />
Sicherheit des Libanon.<br />
Die Schebaa-Farmen<br />
Der Streit um <strong>die</strong> Schebaa-Farmen<br />
zeigt, wie vielschichtig <strong>die</strong> Konflikte<br />
<strong>ge</strong>la<strong>ge</strong>rt s<strong>in</strong>d. Es handelt sich<br />
um e<strong>in</strong> 25 km² großes Gebiet im Südlibanon,<br />
das nach wie vor israelisch<br />
besetzt <strong>ist</strong>. Für <strong>die</strong> israelische Seite <strong>ist</strong><br />
das Gebiet aufgrund der großen Wasservorkommen<br />
<strong>in</strong>teressant. Aber auch<br />
auf libanesischer Seite besteht e<strong>in</strong> Interesse<br />
daran, den Status quo aufrecht<br />
zu erhalten. In der Regierung gibt es<br />
weit über <strong>die</strong> Parteirän<strong>ge</strong> der Hisbullah<br />
h<strong>in</strong>weg Stimmen, <strong>die</strong> sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
<strong>die</strong> von UN-Resolution 1701 <strong>ge</strong>forderte<br />
Entwaffnung der Hisbullah aussprechen.<br />
Das Argument: <strong>die</strong> israelische<br />
Besatzung der Schebaa-Farmen.<br />
So wird <strong>die</strong> Besatzung im Interesse<br />
fast aller Beteiligten aufrecht erhalten.<br />
Israel selbst verwei<strong>ge</strong>rt <strong>die</strong> Rückgabe<br />
mit der Behauptung, <strong>die</strong> Schebaa-<br />
Farmen <strong>ge</strong>hörten zu Syrien. Syrien<br />
betont, dass es sich um libanesisches<br />
Territorium handelt, um Israel ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
zu treten, hat aber ebenfalls e<strong>in</strong><br />
Interesse daran, e<strong>in</strong>e Rechtfertigung<br />
für <strong>die</strong> Bewaffnung der befreundeten<br />
Hisbullah bestehen zu lassen. Daher<br />
reagiert Syrien nicht auf e<strong>in</strong> Gesuch<br />
der Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>die</strong> Zu<strong>ge</strong>hörigkeit<br />
des Gebiets zum Libanon<br />
schriftlich zu bestäti<strong>ge</strong>n.<br />
Obwohl ähnlich den syrischen,<br />
von Israel besetzten Golanhöhen derzeit<br />
nicht um <strong>die</strong> Schebaa-Farmen <strong>ge</strong>kämpft<br />
wird, kann <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong><br />
Machtwechsel <strong>in</strong> Syrien den Status<br />
quo <strong>ge</strong>fährden.<br />
Weitere Konfliktpunkte<br />
Nicht nur bei den Schebaa-Farmen<br />
<strong>ge</strong>ht es um <strong>die</strong> Sicherung der<br />
spärlichen Wasserquellen. Im Jahre<br />
2002 drohte der damali<strong>ge</strong> israelische<br />
M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident Ariel Sharon mit<br />
Krieg <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Libanon, weil <strong>die</strong>ser<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>es Infrastrukturpro-<br />
jekts Wasser aus dem Wazzani ableiten<br />
wollte. Dieser Fluss entspr<strong>in</strong>gt im<br />
Libanon und spe<strong>ist</strong> weiter südlich zusammen<br />
mit dem Fluss Hasbani den<br />
Fluss Jordan und damit das größte<br />
Wasserreservoir Israels, den See Genezareth.<br />
Der Libanon beruft sich auf<br />
den völkerrechtlichen Grundsatz, dass<br />
<strong>die</strong> Herrschaft über <strong>die</strong> Wasserquellen<br />
e<strong>in</strong>es Landes Ausfluss der Souveränität<br />
über das Territorium s<strong>in</strong>d. Der<br />
Konflikt konnte nach Verhandlun<strong>ge</strong>n<br />
mit der EU und den USA bei<strong>ge</strong>legt<br />
werden, das libanesische Projekt wird<br />
fort<strong>ge</strong>führt. Doch <strong>die</strong> Kriegsdrohung<br />
Scharons zeigt, welches Konfliktpotential<br />
das Wasser als Lebensgrundla<strong>ge</strong><br />
birgt.<br />
Ke<strong>in</strong>e Grundla<strong>ge</strong> für Leben, sondern<br />
für Wohlstand, s<strong>in</strong>d beachtliche<br />
Gasvorkommen, <strong>die</strong> kürzlich im Mittelmeer<br />
vor der Küste Israels <strong>ge</strong>funden<br />
wurden. Der Libanon vertritt <strong>die</strong><br />
Position, dass sich e<strong>in</strong> Teil <strong>die</strong>ser Gebiete<br />
auf libanesisches Hoheits<strong>ge</strong>biet<br />
erstreckt. Auch das nahe <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>ne<br />
Zypern hat schon Pläne für <strong>die</strong> Ausbeutung<br />
der Vorkommen an<strong>ge</strong>kündigt.<br />
Grundsätzlich darf Israel nach Belieben<br />
das Vorkommen ausschöpfen, solan<strong>ge</strong><br />
<strong>die</strong> Bohr<strong>in</strong>seln auf se<strong>in</strong>em Territorium<br />
lie<strong>ge</strong>n. Problematisch <strong>ist</strong>, dass<br />
der offizielle Kriegszustand zwischen<br />
Israel und Libanon e<strong>in</strong>e Feststellung<br />
der Landesgrenzen unmöglich macht.<br />
Die Meeresgrenzen wiederum knüpfen<br />
an <strong>die</strong> Landesgrenzen an.<br />
Als Lebensgrundla<strong>ge</strong> bietet das<br />
Wasser e<strong>in</strong>e besondere Konfliktquelle<br />
zwischen Libanon und Israel. Sollten<br />
<strong>die</strong> beiden Staaten den Streit um <strong>die</strong><br />
Gasquellen im Mittelmeer austra<strong>ge</strong>n,<br />
stellt sich <strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong> nach dem Verhalten<br />
der Seekräfte der UNIFIL.<br />
Ausblick<br />
Dem libanesischen Staat fällt es<br />
aufgrund der E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen der<br />
Gruppen schwer, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Position<br />
zu Konflikten zu beziehen. So<br />
wünschenswert e<strong>in</strong> Frieden mit Israel<br />
und e<strong>in</strong>e Klärung der territorialen<br />
Streitigkeiten <strong>ist</strong>, so <strong>ge</strong>ht davon ke<strong>in</strong>e<br />
unmittelbare Bedrohung aus.<br />
Me<strong>in</strong>er Auffassung nach birgt <strong>die</strong><br />
unkontrollierte Präsenz der Paläst<strong>in</strong>enser<br />
<strong>die</strong> größte Gefahr für <strong>die</strong> Sicherheit.<br />
Das Problem konfliktfrei zu<br />
lösen entspricht der Quadratur des<br />
Kreises. Daher muss nach e<strong>in</strong>er prag-<br />
16 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
matischen Lösung <strong>ge</strong>sucht werden.<br />
E<strong>in</strong>e Rückkehr nach Israel oder <strong>in</strong><br />
das Paläst<strong>in</strong>ensische Autonomie<strong>ge</strong>biet<br />
<strong>ist</strong> nicht denkbar, daher sollte<br />
auf e<strong>in</strong>e schrittweise E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> libanesische Gesellschaft h<strong>in</strong><strong>ge</strong>ar-<br />
Renovabis<br />
Zum 15. Internationalen Kongress<br />
Renovabis trafen sich ca. 330<br />
Teilnehmer aus 29 Ländern des mittel-<br />
und osteuropäischen Bereiches<br />
um über das Thema: „Ländliche Räume<br />
im Umbruch“ zu diskutieren bzw.<br />
zu erfahren, wie sich der Wandel von<br />
der Landflucht zur Stadt (oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
anderes westeuropäisches Land) vollzo<strong>ge</strong>n<br />
hat.<br />
Nicht nur, dass Menschen ihre<br />
Ex<strong>ist</strong>enz verlören und auswandern<br />
würden, der dadurch stattf<strong>in</strong>dende<br />
Verlust an Kultur, Tradition und<br />
kirchliche Arbeit mache sich <strong>in</strong> Dörfern<br />
und Kle<strong>in</strong>städten immer stärker<br />
bemerkbar. In se<strong>in</strong>er Begrüßung<br />
zu Beg<strong>in</strong>n der Kongresses sagte der<br />
Haupt<strong>ge</strong>schäftsführer von Renovabis<br />
Pater Stefan Dartmann SJ : „Wir im<br />
Westen nehmen nur wenig wahr, dass<br />
viele ländliche Regionen der Gesellschaften<br />
im Osten Europas von e<strong>in</strong>er<br />
galoppierenden Destabilisierung mit<br />
dramatischen Veränderun<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>prägt<br />
s<strong>in</strong>d. Und selbstverständlich <strong>ist</strong> mit<br />
der Lebenswelt auch <strong>die</strong> Glaubenswelt<br />
der Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em radikalen<br />
Umbruch“.<br />
In der Eröffnungsrede des Kongresses<br />
verglich Bischof Dr. Gerhard<br />
Fei<strong>ge</strong> aus Magdeburg <strong>die</strong> ländlichen<br />
Räume <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa mit<br />
denen se<strong>in</strong>es B<strong>ist</strong>ums <strong>in</strong> Sachsen-<br />
Anhalt, wo etwa 80% der Bevölkerung<br />
ke<strong>in</strong>er Kirche oder anderen Religionen<br />
an<strong>ge</strong>hörten. Der Zustand <strong>in</strong><br />
den Räumen Mittel- und Osteuropas<br />
re<strong>ge</strong> zum Nachdenken an. Die Umwelt<br />
auf dem Land sei hauptsächlich<br />
durch Verschmutzung <strong>ge</strong>fährdet. Da<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
beitet werden. Um das hochsensible,<br />
konfessionelle Gleich<strong>ge</strong>wicht nicht<br />
zu stören, sollte schrittweise verfahren<br />
werden. In Fra<strong>ge</strong> kommt e<strong>in</strong>e bevorzugte<br />
Behandlung von Camps mit<br />
friedlichem Verhalten, um problema-<br />
Ländliche Räume im Umbruch<br />
Herausforderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa<br />
VON HEINRICH DORNDORF<br />
<strong>die</strong>se Landschaften vernachlässigt<br />
und entvölkert würden, stelle sich<br />
<strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong>, wie chr<strong>ist</strong>liches Leben erhalten<br />
werden solle? Weite We<strong>ge</strong> für<br />
Priester und Laien seien notwendig,<br />
damit Kirche auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Dörfern<br />
weiterh<strong>in</strong> lebe.<br />
Der Posener Europaab<strong>ge</strong>ordneter<br />
Filip Kaczmarek sieht Möglichkeiten<br />
<strong>die</strong> ländlichen Regionen zu<br />
stärken, denn 60% der Menschen <strong>in</strong><br />
der EU würden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Räumen leben.<br />
Jedoch ohne <strong>die</strong> Solidarität aller<br />
Menschen sei nichts zu erreichen.<br />
Das Parlament der EU le<strong>ge</strong> Wert darauf,<br />
<strong>die</strong> territoriale Zusammenarbeit<br />
zu stärken und stelle dafür Geld zur<br />
Verfügung.<br />
Schlaglichter beleuchteten <strong>die</strong><br />
Probleme <strong>in</strong> Ungarn, Polen und Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a.<br />
Diese Länder haben<br />
e<strong>in</strong>es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam: Religiösität<br />
lässt erschreckend nach: durch Abwanderung,<br />
weni<strong>ge</strong>r Geburten und<br />
immer älter werdende Menschen. In<br />
manchen Dörfern würden nur noch<br />
acht bis zehn, me<strong>ist</strong> ältere Frauen<br />
zum Gottes<strong>die</strong>nst. Ländliche Grundschulen<br />
würden <strong>ge</strong>schlossen. Der<br />
Prozess der Verstädterung g<strong>in</strong><strong>ge</strong> immer<br />
schneller voran zum Nachteil der<br />
Landwirtschaft. So berichtet Teresa<br />
Kudyba aus Oppeln (Oberschlesien),<br />
dass das Land zwar sehr schön sei,<br />
aber immer leerer würde. Es <strong>ge</strong>be e<strong>in</strong><br />
Programm zur Erneuerung der Dörfer,<br />
z.B. das Vere<strong>in</strong>sleben und <strong>ge</strong>sellschaftliches<br />
Enga<strong>ge</strong>ment zu fördern,<br />
doch nach der Ausbildung fehlten<br />
Arbeitsplätze und jun<strong>ge</strong> Menschen<br />
g<strong>in</strong><strong>ge</strong>n <strong>in</strong> den Westen, zum Geld, zum<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
tischen Camps e<strong>in</strong>en Anreiz zur Verbesserung<br />
zu <strong>ge</strong>ben.<br />
Wie auch immer der Libanon se<strong>in</strong>e<br />
Probleme löst, <strong>die</strong> Entscheidung<br />
muss e<strong>in</strong>en Kompromiss der Gruppen<br />
darstellen. ❏<br />
Konsum und würden so zu Arbeitsmigranten.<br />
In anderen Ländern Mittel- und<br />
Osteuropas verließen Eltern ihr Land<br />
und überließen den Großeltern <strong>die</strong><br />
Erziehung ihrer K<strong>in</strong>der. So würden<br />
<strong>die</strong>se K<strong>in</strong>der zu so<strong>ge</strong>nannten „Eurowaisen“.<br />
Don Ante Luburic, Kanzler der<br />
Diözese Mostar-Duvno (Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a)<br />
sprach von der desolaten<br />
La<strong>ge</strong> se<strong>in</strong>es Landes, <strong>in</strong>sbesondere<br />
um das Gebiet Nevs<strong>in</strong>je. 1991 wohnten<br />
dort unter 82.000 E<strong>in</strong>wohner 500<br />
Katholiken, deren Zahl habe sich seit<br />
1995 erheblich verr<strong>in</strong><strong>ge</strong>rt. Man lebe<br />
hauptsächlich vom Obstanbau. Dabei<br />
werde <strong>die</strong> Pflaume weni<strong>ge</strong>r als<br />
frisches Obst <strong>ge</strong>nutzt, sondern stärker<br />
für <strong>die</strong> Produktion des Slibovitz<br />
heran<strong>ge</strong>zo<strong>ge</strong>n. Nach dem Zusammenbruch<br />
des Kommunismus hofften <strong>die</strong><br />
Menschen auf <strong>die</strong> Rückgabe ihrer<br />
Ländereien, und damit auf <strong>die</strong> Rückkehr<br />
der vertriebenen Menschen. Um<br />
e<strong>in</strong>en Anreiz zur Rückkehr zu <strong>ge</strong>ben,<br />
seien Werke statt Worte erforderlich.<br />
So habe Renovabis bei der Beschaffung<br />
von Landmasch<strong>in</strong>en als e<strong>in</strong>e Unterstützung<br />
zur Rückkehr der <strong>ge</strong>flüchteten<br />
Bevölkerung <strong>ge</strong>holfen.<br />
„Der ländliche Raum im Wandel<br />
von der Industrialisierung bis<br />
zur Globalisierung“ war Thema e<strong>in</strong>es<br />
Referates von Alois Glück, dem<br />
Vorsitzenden des Zentralkomitees der<br />
deutschen Katholiken. Er berichtete<br />
anhand se<strong>in</strong>es ei<strong>ge</strong>nen Werdegangs<br />
von den Veränderun<strong>ge</strong>n im Landleben<br />
von den 50er Jahren bis heute.<br />
Die Landwirtschaft sei Teil e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>-<br />
17
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
tegrierten Entwicklung im ländlichen<br />
Raum. Sie sei nicht nur Ernährungswirtschaft<br />
sondern auch Kulturlandschaft.<br />
Die Fra<strong>ge</strong>stellung lautete früher:<br />
Arbeit zu den Menschen, oder<br />
Menschen zur Arbeit? Man habe sich<br />
für Ersteres entschieden. Es müssten<br />
gleichzeitig Arbeitsbed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong><br />
allen Landesteilen <strong>ge</strong>schaffen werden,<br />
schnelles Internet <strong>in</strong> dünn besiedelte<br />
Gebiete <strong>ge</strong>legt werden, denn<br />
sonst verlören <strong>die</strong> Menschen den Anschluss.<br />
Die ländlichen Entwicklun<strong>ge</strong>n<br />
seien heute anders als vor 20<br />
Jahren. So hätte man bei der Wiedervere<strong>in</strong>igung<br />
<strong>die</strong> Globalisierung gleich<br />
mit e<strong>in</strong>beziehen müssen, ebenso <strong>die</strong><br />
demographische Entwicklung der Bevölkerung:<br />
<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> K<strong>in</strong>derzahl – älter<br />
werdende Menschen. Die Zukunft<br />
der ländlichen Räume <strong>in</strong> Europa sei<br />
Thema der <strong>in</strong>ternationalen Politik<br />
und deshalb bräuchte der ländliche<br />
Raum starke Anwälte.<br />
In e<strong>in</strong>em weiteren Referat sprach<br />
Prof. Dr. Thomas Glauben (Halle) vom<br />
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung<br />
<strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa (IAMO) über<br />
den Strukturwandel <strong>in</strong> (Ost-) Europas<br />
ländlichen Regionen. Der ländliche<br />
Raum sei agrarmäßig <strong>ge</strong>prägt.<br />
Er sei Lebensraum von Mensch, Tier<br />
und Fauna, habe jedoch e<strong>in</strong>en Entwicklungsrückstand<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber städtische<br />
Regionen. Strukturelle Veränderun<strong>ge</strong>n<br />
würden sich durch den<br />
demographischen Wandel er<strong>ge</strong>ben:<br />
<strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> Bevölkerungsdichte, Abwanderung<br />
(dadurch rapides Anwachsen<br />
der Metropolen besonders <strong>in</strong> Rumänien<br />
und Bulgarien), <strong>ge</strong>r<strong>in</strong><strong>ge</strong> Geburtenrate<br />
und Verlust von Arbeitsplätzen.<br />
Die me<strong>ist</strong>en ländlichen Gebiete<br />
sowohl <strong>in</strong> West- als auch <strong>in</strong> Osteuropa<br />
seien familienmäßig <strong>ge</strong>prägt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
seien es <strong>in</strong> Osteuropa me<strong>ist</strong><br />
Kle<strong>in</strong>stbetriebe, <strong>die</strong> nur für den Ei<strong>ge</strong>nbedarf<br />
anbauten und dadurch <strong>in</strong>ternational<br />
nicht wettbewerbsfähig<br />
seien. So er<strong>ge</strong>be sich e<strong>in</strong>e Armutsrate<br />
<strong>in</strong> Osteuropa von bis 20% unter der<br />
all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kommensrate. Der<br />
demographische Wandel stehe den<br />
erforderlichen strukturellen Veränderun<strong>ge</strong>n<br />
ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n. Es könne nur weiter<br />
<strong>ge</strong>hen, wenn – und das <strong>ist</strong> der Dreh-<br />
und An<strong>ge</strong>lpunkt – das Bildungsniveau<br />
verbessert würde.<br />
In e<strong>in</strong>em Arbeitskreis wurden<br />
<strong>die</strong> ländlichen Probleme <strong>in</strong> England,<br />
Frankreich und Russland an<strong>ge</strong>sprochen.<br />
Dr. Jill Hopk<strong>in</strong>son, Rural Officer<br />
of the Church of England, <strong>in</strong>formierte<br />
darüber, dass 20% der Gesamtbevölkerung<br />
Englands <strong>in</strong> ländliche<br />
Regionen lebe, doch e<strong>in</strong> Viertel<br />
<strong>die</strong>ser Menschen sei 60 Jahre und älter<br />
und e<strong>in</strong> Großteil davon lebe unterhalb<br />
der Armutsgrenze. Die Geme<strong>in</strong>den<br />
seien kle<strong>in</strong> und so würden „Multi-<br />
Parish Beneficies“ oder „Team M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ries“<br />
(Verbands<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>den) <strong>ge</strong>schaffen,<br />
wo sich sechs und neun Kirchen<br />
zusammenschlössen, <strong>die</strong> sich dann<br />
e<strong>in</strong>en oder mehrere Priester teilten.<br />
Zur Unterstützung würden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n<br />
Diözesen so<strong>ge</strong>nannte Laienpriester<br />
aus<strong>ge</strong>bildet.<br />
Bischofsvikar Hubert Schmitt,<br />
Erzdiözese Straßburg, sprach von e<strong>in</strong>er<br />
verdeckten Armut <strong>in</strong> den ländlichen<br />
Räumen Frankreichs. Die Leute<br />
zeigten nicht ihre Armut. Durch Unsicherheit<br />
<strong>in</strong> den ländlichen Regionen<br />
komme es zu e<strong>in</strong>em verstärkten<br />
Wegzug, der zur Fol<strong>ge</strong> habe, dass <strong>die</strong>se<br />
Menschen den Bezug zur Kirche<br />
verlören. In den ländlichen Räumen<br />
sei e<strong>in</strong>e große Mobilität erforderlich,<br />
denn <strong>die</strong> Menschen „lebten“ <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Orten (Wohnen, Schule,<br />
Arbeit, Vere<strong>in</strong>e). Für 15.000 Seelen<br />
<strong>ge</strong>be es e<strong>in</strong>en Priester. Es gäbe<br />
zwar Pfarrverbände, aber durch <strong>die</strong><br />
Landflucht verlöre man den Kontakt<br />
zu den Menschen. Initiativen für das<br />
Laienapostulat <strong>in</strong> Frankreich sollen<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Der aus Baustetten <strong>in</strong> Baden-<br />
Württemberg stammende Pfarrer<br />
Dietmar Seiffert lebt <strong>in</strong> der Kle<strong>in</strong>stadt<br />
Kujbyschew <strong>in</strong> Westsibirien mit<br />
50.000 E<strong>in</strong>wohnern. In <strong>die</strong>ser Stadt<br />
leben Exilpolen, Russlanddeutsche,<br />
Balten, Weißrussen und Ukra<strong>in</strong>er.<br />
Seit der politischen Wende sei <strong>die</strong><br />
Anzahl der Geme<strong>in</strong>demitglieder <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er Pfarrei, St. Peter und Paul, von<br />
40 auf 250 an<strong>ge</strong>wachsen. Das <strong>ge</strong>samte<br />
Pfarr<strong>ge</strong>biet umfasse e<strong>in</strong>e Fläche<br />
von 87.017km² (das entspricht e<strong>in</strong>em<br />
Viertel der Fläche der Bundesrepublik)<br />
mit 20 pastoralen Punkten. Sie<br />
bestünden me<strong>ist</strong> aus kle<strong>in</strong>en Gruppen<br />
von bis zu 20 Personen, teils auch aus<br />
e<strong>in</strong>zelnen Familien. Die seelsor<strong>ge</strong>rische<br />
Betreuung oblie<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>em Priester<br />
und zwei Ordensschwestern. Der<br />
nächste Pfarrer sei 350 km entfernt.<br />
Die Arbeitslosenquote <strong>in</strong> der Stadt sei<br />
sehr hoch. Viele Männer würden auf<br />
den Gas- und Ölfeldern im entfernen<br />
Norden arbeiten. In <strong>die</strong>sen ländlichen<br />
Bereichen sei <strong>die</strong> Arbeit auf Selbstversorgung<br />
aus<strong>ge</strong>richtet und biete<br />
somit ke<strong>in</strong>e Perspektive. Die Dörfer<br />
bluteten aufgrund der Landflucht aus.<br />
In der polnischen Diözese Elk lie<strong>ge</strong>n<br />
2/3 des Gebietes im ländlichen<br />
Raum. Bischof Jerzy Mazur beklagt,<br />
dass jun<strong>ge</strong> Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Städte<br />
oder gar <strong>in</strong>s Ausland abwanderten,<br />
d.h. Überalterung und Vere<strong>in</strong>samung<br />
nähmen überhand. 30% der<br />
Menschen seien arbeitslos, leben <strong>in</strong><br />
Armut, Alkoholismus, Obdachlosigkeit<br />
und s<strong>in</strong>d orientierungslos. Hier<br />
könne nur <strong>die</strong> Kirche Antwort <strong>ge</strong>ben.<br />
Die Kirche sei von Gott <strong>ge</strong>sandt und<br />
müsste zu den Menschen <strong>ge</strong>hen, um<br />
ihnen zu helfen. Die Kirche dürfe<br />
nicht ruhig se<strong>in</strong>, wenn jun<strong>ge</strong> Menschen<br />
sich von ihr abwandten. Die<br />
Kirche spiele e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong> soziale<br />
Rolle. Die soziale Arbeit solle aber<br />
nicht ohne Evan<strong>ge</strong>lisierung erfol<strong>ge</strong>n.<br />
Für Bischof Mazur bedeutet <strong>die</strong>s, caritative<br />
Aktivitäten zu entwickeln, da<br />
offizielle Stellen dazu nicht <strong>in</strong> der<br />
La<strong>ge</strong> seien, wie z.B. Familienberatung,<br />
Bau von Waisenhäusern, Unterstützung<br />
der Caritas <strong>in</strong> jeglicher<br />
H<strong>in</strong>sicht. So unterhalte <strong>die</strong> Caritas<br />
Apotheken für M<strong>in</strong>derbemittelte, <strong>die</strong><br />
ohne Gew<strong>in</strong>n arbeiteten, um Arzneien<br />
preiswert oder umsonst abzu<strong>ge</strong>ben.<br />
Er zitiert Papst Benedikt XVI:<br />
„Probleme werden nicht <strong>ge</strong>löst, wenn<br />
Gott nicht <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>ge</strong>rückt<br />
wird“. Bischof Mazur bekagte ebenfalls<br />
<strong>die</strong> Migration, wenn Eltern auf<br />
EURO-Reise g<strong>in</strong><strong>ge</strong>n und <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der<br />
als EURO-Waisen bei Oma und Opa<br />
zurück blieben. Wenn schon jun<strong>ge</strong><br />
Menschen der Arbeit we<strong>ge</strong>n fortzö<strong>ge</strong>n,<br />
sollten sie aber ihre Identität als<br />
Chr<strong>ist</strong>en erhalten.<br />
In se<strong>in</strong>em Schlusswort fragte Pater<br />
Dartmann von Renovabis: „Wo<br />
bleiben Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem <strong>ge</strong>sellschaftlichen<br />
Umbruch? Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>sem Umbruch s<strong>in</strong>d Objekt <strong>die</strong>ses<br />
Umbruchs. Die ländlichen Regionen<br />
haben nicht nur Schwächen. Wir sollten<br />
auch auf <strong>die</strong> Stärken schauen. Die<br />
Evan<strong>ge</strong>lisierung <strong>ist</strong> Aufgabe nicht nur<br />
für Priester sondern auch der Laien<br />
auf dem Lande und der Stadt. Kirche<br />
muss immer Anwalt der Schwachen<br />
se<strong>in</strong>“. ❏<br />
18 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
Mexiko<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Papstbesuch <strong>in</strong> Mexiko und Kuba<br />
VON CARL-H. PIERK<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
Die Reise von Papst Benedikt XVI. nach Mexiko und Kuba zählt zweifellos zu den Höhepunkten im Jahr 2012.<br />
Dass der Heili<strong>ge</strong> Vater bei se<strong>in</strong>em ersten Besuch im spanischsprachi<strong>ge</strong>n Late<strong>in</strong>amerika neben dem zweitgrößten<br />
katholischen Land der Welt auch das kommun<strong>ist</strong>isch <strong>ge</strong>führte Kuba aufsuchte, versprach besondere<br />
Brisanz. Benedikt XVI. hielt sich vom 23. bis 26. März <strong>in</strong> Mexiko und dann bis zum 28. März <strong>in</strong> Kuba auf.<br />
Am Nachmittag des 25. März kam<br />
der Papst <strong>in</strong> León an und wurde<br />
am Flughafen unter anderem vom<br />
mexikanischen Präsidenten Felipe<br />
Felipe Calderón empfan<strong>ge</strong>n. Die<br />
Stadt León de los Aldama <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />
sechstgrößte Stadt des Landes und<br />
größte Metropole des zentralmexikanischen<br />
Bundesstaates Guanajuato.<br />
Tags darauf trafen sich <strong>die</strong> beiden <strong>in</strong><br />
der Stadt Guanajuato zu e<strong>in</strong>em offiziellen<br />
Gespräch. Danach grüßte<br />
und segnete Benedikt <strong>die</strong> Gläubi<strong>ge</strong>n<br />
auf dem Hauptplatz. Höhepunkt des<br />
Mexiko-Besuches war <strong>die</strong> Sonntagsmesse<br />
unter freiem Himmel im Park<br />
Guanajuato Bicentenario am Fuß des<br />
Hü<strong>ge</strong>ls Cerro del Cubilete, an dessen<br />
Spitze sich e<strong>in</strong> Chr<strong>ist</strong>königs-Denkmal<br />
erhebt. Über 500.000 Gläubi<strong>ge</strong><br />
kamen zu <strong>die</strong>sem Gottes<strong>die</strong>nst, bei<br />
dem Benedikt XVI. zur Erneuerung<br />
des katholischen Glaubens <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika<br />
aufrief und sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong><br />
oberflächliches und <strong>ge</strong>wohnheitsmäßi<strong>ge</strong>s<br />
Chr<strong>ist</strong>entum wandte. Auch betete<br />
er für <strong>die</strong> Opfer von Gewalt und<br />
Armut <strong>in</strong> dem von Dro<strong>ge</strong>nkrie<strong>ge</strong>n<br />
und Auswanderung <strong>ge</strong>prägten Land.<br />
Der Gottes<strong>die</strong>nst war <strong>die</strong> größte Veranstaltung<br />
der Reise. In der Kathedrale<br />
von León feierte der Papst am<br />
Sonntagnachmittag <strong>die</strong> Vesper und<br />
richtete e<strong>in</strong>e Botschaft an alle Bischöfe<br />
des Landes, an jene ganz Late<strong>in</strong>amerikas<br />
und der Karibik. Ab<strong>ge</strong>ordnete<br />
sämtlicher 91 Diözesen<br />
Mexikos waren vertreten. Die Botschaft<br />
des Heili<strong>ge</strong>n Vaters an <strong>die</strong><br />
Bischöfe des Landes gab der Kirche<br />
wieder Zuversicht bei der Beanspruchung<br />
ihrer Rechte und ermutigte<br />
sie dazu, systematisch Ausbeutung,<br />
Un<strong>ge</strong>rechtigkeit und Unterdrückung<br />
anzupran<strong>ge</strong>rn. Die Hauptstadt Mexiko<br />
City hatte der Papst wie erwartet<br />
nicht besucht. Se<strong>in</strong>e Ärzte hatten<br />
ihm von Aufenthalten <strong>in</strong> hohen La<strong>ge</strong>n<br />
ab<strong>ge</strong>raten.<br />
Die mexikanischen Katholiken<br />
warteten seit lan<strong>ge</strong>m auf Papst Benedikt<br />
XVI. – se<strong>in</strong> Vorgän<strong>ge</strong>r Johannes<br />
Paul II. hatte das überwie<strong>ge</strong>nd katholische<br />
Land während se<strong>in</strong>es Pontifikats<br />
fünfmal besucht. Ziel und Zweck<br />
der Papstreise nach Mexiko im Frühjahr<br />
war <strong>die</strong> Feier zum 200. Jahrestag<br />
der Unabhängigkeit der late<strong>in</strong>amerikanischen<br />
Staaten. Zum 200. Jahrestag<br />
der Unabhängigkeitserklärung<br />
Mexikos am 16. September steht das<br />
Land, das von der Gewalt des Dro<strong>ge</strong>nhandels<br />
<strong>ge</strong>plagt <strong>ist</strong>, <strong>in</strong>mitten großer<br />
<strong>ge</strong>sellschaftlicher Probleme.<br />
Nach e<strong>in</strong>em jahrhundertelang<br />
problematischen Verhältnis zwischen<br />
Staat und katholischer Kirche <strong>in</strong> Mexiko,<br />
das nach 1854 unter anderem<br />
zur strikten Trennung beider und zur<br />
Abschaffung fundamentaler Kirchenrechte<br />
im Bereich des Grundei<strong>ge</strong>ntums<br />
und des liturgischen Lebens <strong>ge</strong>führt<br />
hat, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kirche heute wieder<br />
e<strong>in</strong>e moralische Autorität im Lande,<br />
wenngleich ihr auch der Weg zu Macht<br />
und E<strong>in</strong>fluss früherer Zeiten verbaut<br />
<strong>ist</strong>. Da es der Kirche von der Verfassung<br />
her verboten <strong>ist</strong>, zur Politik Stellung<br />
zu beziehen, bewegt sie sich auf<br />
e<strong>in</strong>em schmalen Grat.<br />
Am Montag, 26. März, re<strong>ist</strong>e Benedikt<br />
nach Kuba weiter, wo er sich<br />
bis Mittwoch <strong>in</strong> Santiago de Cuba und<br />
<strong>in</strong> Havanna aufhielt. Auf dem Flughafen<br />
der südlich <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen Stadt Santiago<br />
nahm am frühen Montagnachmittag<br />
unter anderem Staatschef Raúl<br />
Castro den Papst mit offiziellen Ehren<br />
im Empfang. Am Abend desselben<br />
Ta<strong>ge</strong>s feierte Benedikt e<strong>in</strong>e Heili<strong>ge</strong><br />
Messe auf dem Platz der Revolution<br />
„Antonio Maceo“ im Gedenken an <strong>die</strong><br />
Verkündigung Mariens. Danach fuhr<br />
er nach El Cobre weiter, den wichtigsten<br />
Wallfahrtsort Kubas, an dem<br />
<strong>die</strong> Muttergottes verehrt wird. Es <strong>ist</strong><br />
vor allem <strong>die</strong> Verehrung <strong>die</strong>ses Gna-<br />
denbildes der Barmherzigkeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Kubaner zusammenführt.<br />
Seit der Revolution 1959 durchlebte<br />
<strong>die</strong> Kirche <strong>in</strong> Kuba Jahrzehnte<br />
der Unterdrückung sowie der <strong>in</strong>neren<br />
sowie äußeren Isolation. Erst seit den<br />
1990er Jahren konnte sie sich wieder<br />
größere Spielräume verschaffen.<br />
So konnte am Stadtrand von Havanna<br />
e<strong>in</strong> neues Priestersem<strong>in</strong>ar <strong>ge</strong>baut<br />
werden, seit den letzten 50 Jahren das<br />
erste größere Bauprojekt der Kirche.<br />
Kard<strong>in</strong>al Jaime Lucas Ortega y Alam<strong>in</strong>odas<br />
weihte das Sem<strong>in</strong>ar im Beise<strong>in</strong><br />
von Staatspräsident Raúl Castro<br />
e<strong>in</strong>. Der ehemali<strong>ge</strong> Präsident Fidel<br />
Castro habe mit dem Bau des Sem<strong>in</strong>ars<br />
e<strong>in</strong> Versprechen e<strong>in</strong><strong>ge</strong>löst, das<br />
er Papst Johannes Paul II. bei dessen<br />
Kuba-Besuch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben hatte, sagte der<br />
Erzbischof von Havanna bei der Zeremonie.<br />
Vom 21. bis 25. Januar 1998<br />
besuchte Johannes Paul II. als erster<br />
Papst <strong>die</strong> Karibik<strong>in</strong>sel. Optisch blieb<br />
<strong>die</strong> Zusammenkunft des Papstes mit<br />
Castro <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, weil der kommun<strong>ist</strong>ische<br />
Machthaber zugunsten<br />
e<strong>in</strong>es dunklen Anzugs auf se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nig<br />
<strong>ge</strong>liebte Uniform verzichtete, <strong>die</strong><br />
er sonst <strong>in</strong> der Öffentlichkeit nicht<br />
ablegte.<br />
Zum Abschluss se<strong>in</strong>er dreitägi<strong>ge</strong>n<br />
Kuba-Reise forderte Papst Benedikt<br />
XVI. mehr Freiheiten für <strong>die</strong> katholische<br />
Kirche. Sie würde den Gläubi<strong>ge</strong>n<br />
ermöglichen, e<strong>in</strong>en Beitrag zum Aufbau<br />
der Gesellschaft, zu Frieden und<br />
zu harmonischer Entwicklung zu le<strong>ist</strong>en,<br />
sagte der Papst auf dem Platz der<br />
Revolution <strong>in</strong> Havanna. Dazu <strong>ge</strong>höre<br />
auch das Recht, <strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>liche Botschaft<br />
öffentlich verkünden und feiern<br />
zu können. In Anlehnung an <strong>die</strong> Worte<br />
von Johannes Paul II. bei se<strong>in</strong>em<br />
Besuch Kubas vom 21. bis 25. Januar<br />
1998 konnte auch Benedikt XVI.<br />
Kuba s<strong>in</strong>n<strong>ge</strong>mäß auffordern, sich der<br />
Welt zu öffnen, und um<strong>ge</strong>kehrt <strong>die</strong><br />
Welt, sich Kuba zu öffnen. „Kuba und<br />
19
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
<strong>die</strong> Welt brauchen Veränderun<strong>ge</strong>n“,<br />
rief der Papst. Die werde es aber nur<br />
<strong>ge</strong>ben, wenn sich Menschen frei dazu<br />
entschließen könnten, Versöhnung<br />
und Brüderlichkeit zu leben. Im Beise<strong>in</strong><br />
von Staatspräsident Raúl Castro<br />
rief Benedikt XVI. <strong>die</strong> Verantwortlichen<br />
der Nation auf, weiter <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />
mit der Kirche „auf <strong>die</strong>sem Weg<br />
des echten Dienstes am Geme<strong>in</strong>wohl<br />
der ganzen kubanischen Gesellschaft“<br />
voranzu<strong>ge</strong>hen. Die Kirche tra<strong>ge</strong> mit<br />
ihrem E<strong>in</strong>satz im Schul- und Universitätswesen<br />
weltweit zur Charakterbildung<br />
der Menschen bei. Es sei zu<br />
hoffen, dass <strong>die</strong>s auch bald auf Kuba<br />
möglich würde. Mit der Religionsfreiheit,<br />
<strong>die</strong> sowohl für den E<strong>in</strong>zelnen als<br />
auch für <strong>die</strong> Kirche <strong>ge</strong>lten müsse, beanspruche<br />
er ke<strong>in</strong> Privileg, sondern<br />
weise auf e<strong>in</strong> Recht h<strong>in</strong>. Mit Freude<br />
erkenne er an, dass Kuba bereits<br />
Schritte unternommen habe. Nun <strong>ge</strong>lte<br />
es, „das Erreichte festzumachen“.<br />
Zwischen Messe und Rückflug<br />
traf Benedikt XVI. noch mit dem früheren<br />
Staatschef Fidel Castro zusammen.<br />
Die rund 30-m<strong>in</strong>üti<strong>ge</strong> Unterredung<br />
<strong>in</strong> der Apostolischen Nuntiatur<br />
<strong>in</strong> Havanna sei „herzlich, lebendig<br />
und <strong>in</strong>tensiv“ <strong>ge</strong>wesen, sagte Vatikansprecher<br />
Federico Lombardi. Der<br />
Revolutionsführer hatte selbst den<br />
Wunsch <strong>ge</strong>äußert, mit Benedikt XVI.<br />
zusammenzutreffen, und ihn <strong>ge</strong>beten,<br />
ihm e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> M<strong>in</strong>uten se<strong>in</strong>er Zeit<br />
zu widmen.<br />
Der bevorstehende Karfreitag war<br />
auf Kuba erstmals e<strong>in</strong> Feiertag.<br />
Kurz nach dem Papstbesuch auf der<br />
Karibik<strong>in</strong>sel hatte der kubanische M<strong>in</strong><strong>ist</strong>errat<br />
den 6. April zum arbeitsfreien<br />
Tag erklärt. Vatikansprecher Federico<br />
Lombardi sprach von e<strong>in</strong>em „sehr<br />
positiven Signal“. Er hoffe, dass <strong>die</strong><br />
Entscheidung der kommun<strong>ist</strong>ischen<br />
Regierung <strong>die</strong> Teilnahme der Gläubi<strong>ge</strong>n<br />
an den Gottes<strong>die</strong>nsten der Karund<br />
Osterta<strong>ge</strong> fördere, sagte Lombardi.<br />
Papst Benedikt XVI. hatte vor kurzem<br />
bei se<strong>in</strong>em Treffen mit Präsident<br />
Raúl Castro <strong>in</strong> Havanna e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Bitte <strong>ge</strong>äußert. Die Entscheidung<br />
des Regimes galt aber zunächst<br />
nur für den Karfreitag 2012. Erst später<br />
will der M<strong>in</strong><strong>ist</strong>errat <strong>in</strong> Havanna<br />
darüber bef<strong>in</strong>den, ob der Freitag vor<br />
Ostern dauerhaft e<strong>in</strong> Feiertag werde,<br />
wie <strong>die</strong> Zeitung der Kommun<strong>ist</strong>ischen<br />
Partei, „Granma“, berichtete. Bereits<br />
im Jahr 1997 hatte der damali<strong>ge</strong> Präsident<br />
Fidel Castro fest<strong>ge</strong>legt, dass anlässlich<br />
des bevorstehenden Besuchs<br />
von Papst Johannes Paul II. der 25.<br />
Dezember ausnahmsweise e<strong>in</strong> Feiertag<br />
<strong>ist</strong>. Die kubanischen Behörden<br />
hatten dann <strong>die</strong> Entscheidung des<br />
Präsidenten ratifiziert und den Weihnachtstag<br />
dauerhaft als Feiertag e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet.<br />
Seit jener Zeit feiert Kuba<br />
wieder das Weihnachtsfest.<br />
Im langsamen Veränderungsprozess<br />
<strong>in</strong> Kuba nimmt vor allem <strong>die</strong> katholische<br />
Kirche e<strong>in</strong>e wichti<strong>ge</strong> Rolle<br />
e<strong>in</strong>. Die Kirche hat sich im zivilen<br />
Bereich als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zi<strong>ge</strong> wirklich organisierte<br />
und dynamische, mit Pfarreien<br />
im ganzen Land aus<strong>ge</strong>stattete<br />
Institution etabliert, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Rolle<br />
als Vermittler und Anbahner von<br />
Veränderung spielen kann. Weni<strong>ge</strong><br />
Monate vor dem an<strong>ge</strong>kündigten Besuch<br />
von Papst Benedikt XVI. hatte<br />
<strong>die</strong> Kirche auf der Karibik<strong>in</strong>sel e<strong>in</strong>e<br />
Aktualisierung der Politik <strong>in</strong> Ergänzung<br />
zu wirtschaftlichen Reformen<br />
von Präsident Raúl Castro <strong>ge</strong>fordert.<br />
Im September äußerte das Erzb<strong>ist</strong>um<br />
Havanna deutliche Kritik am Regime:<br />
Ausgangspunkt war <strong>die</strong> andauernde<br />
Verfolgung von Oppositionsgruppen,<br />
speziell <strong>die</strong> Übergriffe <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
<strong>die</strong> „Damas de Blanco“ („Damen <strong>in</strong><br />
Weiß“). Die An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n von politischen<br />
Gefan<strong>ge</strong>nen werden weiter vom<br />
System drangsaliert. In <strong>die</strong>sem Licht<br />
ersche<strong>in</strong>t auch <strong>die</strong> Begnadigung von<br />
2.900 Gefan<strong>ge</strong>nen durch das Castro-<br />
Regime im H<strong>in</strong>blick auf den Papstbesuch<br />
als e<strong>in</strong>e Farce. Unter den entlassenen<br />
Gefan<strong>ge</strong>nen befanden sich<br />
lediglich fünf politische Gefan<strong>ge</strong>ne.<br />
Die „Damas de Blanco“ s<strong>in</strong>d Ehefrauen<br />
und Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong> der<br />
zume<strong>ist</strong> im Rahmen des „kubanischen<br />
Frühl<strong>in</strong>gs“ 2003 verhafteten und verurteilten<br />
Regimekritiker. Sie treten<br />
öffentlich mit viel Zivilcoura<strong>ge</strong> für<br />
<strong>die</strong> Freilassung ihrer Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n<br />
sowie für freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung<br />
auf Kuba e<strong>in</strong>. Jeden Sonntag<br />
ziehen sie über <strong>die</strong> Avenida C<strong>in</strong>co im<br />
edlen Stadtteil Miramar von Havanna<br />
zur Kirche Santa Rita. Der weißen<br />
Kleidung, <strong>die</strong> sie tra<strong>ge</strong>n, verdanken<br />
sie ihren Namen. Die weiße Kleidung<br />
<strong>die</strong>nt als Symbol für Frieden wie auch<br />
für <strong>die</strong> Unschuld ihrer <strong>in</strong>haftierten<br />
Ehemänner und Familienan<strong>ge</strong>höri-<br />
<strong>ge</strong>n. Diese Demonstrationsform <strong>ist</strong><br />
offenkundig den „Müttern der Plaza<br />
de Mayo“ nachempfunden, <strong>die</strong> während<br />
der Militärdiktatur der 1970er-<br />
Jahre <strong>in</strong> Ar<strong>ge</strong>nt<strong>in</strong>ien den Verbleib ihrer<br />
„verschwundenen“, oftmals brutal<br />
ermordeten K<strong>in</strong>der, aufklären wollten.<br />
Das Europaparlament ehrte <strong>die</strong><br />
„Damen <strong>in</strong> Weiß“ im Jahr 2005 mit<br />
dem Sacharow-Preis, für das kubanische<br />
Regime s<strong>in</strong>d es Verräter<strong>in</strong>nen im<br />
Dienste des US-Imperialismus.<br />
Die Auszeichnung mit dem Sacharow-Preis<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>s Zeichen<br />
der Unterstützung der demokratischen<br />
Kräfte durch <strong>die</strong> Europäische Union,<br />
das auch das Castro-Regime nicht e<strong>in</strong>fach<br />
negieren kann. Das Enga<strong>ge</strong>ment<br />
der „Damas de Blanco“ <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wesentlicher<br />
Pfeiler im kubanischen Streben<br />
nach E<strong>in</strong>haltung der Menschenrechte<br />
und e<strong>in</strong>em friedlichen Wandel h<strong>in</strong><br />
zur Demokratie. Im Jahr 2002 erhielt<br />
Oswaldo Payá Sardiñas, Gründer der<br />
Oppositionsbewegung „Movimiento<br />
Cr<strong>ist</strong>iano Liberación“ („Chr<strong>ist</strong>liche<br />
Bewegung der Befreiung“) und Initiator<br />
des Varela-Projekts, den Sacharow-Preis.<br />
Damit zeichnete das Europäische<br />
Parlament <strong>in</strong>nerhalb weni<strong>ge</strong>r<br />
Jahre zweimal Persönlichkeiten aus,<br />
<strong>die</strong> sich für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>haltung der Menschenrechte<br />
<strong>in</strong> Kuba e<strong>in</strong>setzen. Das<br />
Varela-Projekt strebt e<strong>in</strong> Referendum<br />
über <strong>die</strong> Umsetzung von Reformen an.<br />
Nach wie vor aber s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> „Damen<br />
<strong>in</strong> Weiß“ dem Regime e<strong>in</strong> Dorn<br />
im Au<strong>ge</strong>. So wurde am 8. Januar im<br />
Dorf Pedro Betancourt (Prov<strong>in</strong>z Matanzas)<br />
der Gedenkmarsch von mehr<br />
als zwanzig Dissidenten zum Grab der<br />
kubanischen Bür<strong>ge</strong>rrechtler<strong>in</strong> Gloria<br />
Amaya González von Sicherheitskräften<br />
nieder<strong>ge</strong>knüppelt, e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> der<br />
Teilnehmer wurden verhaftet. Wie <strong>die</strong><br />
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte<br />
(IGFM) berichtet, wollten<br />
<strong>die</strong> Teilnehmer am zweiten Todestag<br />
der Menschenrechtler<strong>in</strong> Blumen<br />
auf ihr Grab le<strong>ge</strong>n. Teilnehmer waren<br />
unter anderem Mitglieder der Gefan<strong>ge</strong>nenhilfsorganisation<br />
„Damas de<br />
Blanco“, Menschenrechtsaktiv<strong>ist</strong>en<br />
sowie Freunde und Familienmitglieder.<br />
Gloria Amaya González (1928 -<br />
2010) war <strong>die</strong> Mutter der drei ehemali<strong>ge</strong>n<br />
politischen Gefan<strong>ge</strong>nen - Ariel,<br />
Guido und Miguel Sigler Amaya, <strong>die</strong><br />
während des kubanischen „Schwar-<br />
20 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
zen Frühl<strong>in</strong>gs“ im März 2003 <strong>in</strong>haftiert,<br />
zu horrenden Haftstrafen verurteilt<br />
und auf <strong>in</strong>ternationalen Druck<br />
vor e<strong>in</strong>em Jahr <strong>in</strong>s Exil ab<strong>ge</strong>schoben<br />
wurden. Sie war aktives Mitglied der<br />
„Damen <strong>in</strong> Weiß“ und nahm, an den<br />
Rollstuhl <strong>ge</strong>fesselt, bis zu ihrem Tod<br />
vor zwei Jahren an den Protestmärschen<br />
der Gefan<strong>ge</strong>nenhilfsorganisation<br />
teil.<br />
Nach Angaben ihres Sohnes Juan<br />
Francisco Sigler Amaya griffen <strong>die</strong><br />
mit Stöcken, Ste<strong>in</strong>en und Stichwaffen<br />
bewaffneten Sicherheitskräfte den<br />
Gedenkmarsch an, ohne Rücksicht<br />
auf K<strong>in</strong>der und ältere Menschen zu<br />
nehmen. Mobiltelefone und Videokameras<br />
wurden den Dissidenten <strong>ge</strong>waltsam<br />
entrissen, um Beweismaterial<br />
des brutalen Übergriffs zu vernichten.<br />
IGFM-Vorstandssprecher Mart<strong>in</strong><br />
Lessenth<strong>in</strong> verurteilte das unverhältnismäßig<br />
harte Vor<strong>ge</strong>hen der kubanischen<br />
Polizei <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Regimekritiker.<br />
„Wenn es <strong>in</strong> Kuba bereits e<strong>in</strong> Ver<strong>ge</strong>hen<br />
<strong>ist</strong>, Blumen auf das Grab se<strong>in</strong>er<br />
Mutter zu le<strong>ge</strong>n, dann spricht das für<br />
<strong>die</strong> Angst des kubanischen Regimes<br />
vor den Menschen, <strong>die</strong> sich friedlich<br />
für ihre Rechte e<strong>in</strong>setzen.“<br />
Gewalttäti<strong>ge</strong> Aktionen, mit denen<br />
<strong>die</strong> Behörden bereits vor dem Besuch<br />
Papst Benedikts versuchten, <strong>die</strong> kubanische<br />
Demokratiebewegung zum<br />
Schwei<strong>ge</strong>n zu br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, gab es auch<br />
nach dem Papstbesuch. So g<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />
Polizei seit dem 2. April mit neuer<br />
„Kirche <strong>in</strong> Not“<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Härte <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n Bür<strong>ge</strong>rrechtler und Aktiv<strong>ist</strong>en<br />
der kubanischen Zivil<strong>ge</strong>sellschaft<br />
vor. In der ostkubanischen Prov<strong>in</strong>z<br />
Santiago de Cuba durchsuchten<br />
und verwüsteten Poliz<strong>ist</strong>en mehrere<br />
Häuser von Dissidenten, schlu<strong>ge</strong>n<br />
und misshandelten sie und beschlagnahmten<br />
elektronische Geräte, ohne<br />
es zu protokollieren. M<strong>in</strong>destens 25<br />
Personen wurden zeitweise verhaftet,<br />
unter den Verhafteten waren mehrere<br />
An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong> der Bür<strong>ge</strong>rrechtsorganisation<br />
„Damen <strong>in</strong> Weiß“.<br />
Der Erzbischof von Havanna,<br />
Kard<strong>in</strong>al Jaime Ortega, hatte sich<br />
dennoch für e<strong>in</strong>e Fortsetzung des Reformkurses<br />
von Castro aus<strong>ge</strong>sprochen,<br />
der allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Abkehr<br />
vom Sozialismus vorsieht. Die Verantwortlichen<br />
müssten „<strong>die</strong> notwendi<strong>ge</strong>n<br />
Schritte zu e<strong>in</strong>em Wandel im ökonomischen<br />
und sozialen Leben“ vollziehen,<br />
forderte er bei e<strong>in</strong>em Gottes<strong>die</strong>nst.<br />
Kuba bef<strong>in</strong>de sich im „Glaubensfrühl<strong>in</strong>g“.<br />
Vom Glaubensfrühl<strong>in</strong>g<br />
<strong>ist</strong> es nicht weit zur Hoffnung auf e<strong>in</strong><br />
besseres Leben, das den Kubanern<br />
seit Jahrzehnten vorenthalten wird.<br />
Offizieller Anlass des Kuba-Besuchs<br />
von Papst Benedikt XVI.<br />
war der 400. Jahrestag der Entdeckung<br />
des Bildes der „Barmherzi<strong>ge</strong>n<br />
Jungfrau von Cobre“. Die „Vir<strong>ge</strong>n de<br />
la Caridad del Cobre“ wurde 1916 von<br />
Papst Benedikt XV. zur kubanischen<br />
Arabischer Frühl<strong>in</strong>g und chr<strong>ist</strong>licher W<strong>in</strong>ter<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
Schutzpatron<strong>in</strong> erklärt. Alte Dokumente<br />
erzählen, dass an e<strong>in</strong>en nicht<br />
<strong>ge</strong>nau bekannten Tag zwei Indianer<br />
und e<strong>in</strong> schwarzer Sklavenjun<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Statue der Muttergottes auf e<strong>in</strong>em<br />
Brett über dem Wasser schwimmen<br />
sahen. Auf dem Brett stand demnach<br />
<strong>ge</strong>schrieben: „Ich b<strong>in</strong> <strong>die</strong> Jungfrau<br />
der Barmherzigkeit“. Erstmals wurde<br />
sie auf e<strong>in</strong>em Altar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hütte<br />
aus Palmen- und Guanobrettern verehrt,<br />
später brachten Gläubi<strong>ge</strong> <strong>die</strong><br />
Statue mit e<strong>in</strong>er Prozession nach El<br />
Cobre. Der Ort <strong>in</strong> den Ausläufern der<br />
Sierra Maestra liegt <strong>in</strong> der Nähe von<br />
Santiago de Cuba, der zweitgrößten<br />
Stadt Kubas. Der Name <strong>ist</strong> vom spanischen<br />
Wort für Kupfer ab<strong>ge</strong>leitet.<br />
In <strong>die</strong>ser Ge<strong>ge</strong>nd gab es, bis <strong>in</strong>s 19.<br />
Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>es der größten<br />
Kupfervorkommen der Welt.<br />
Johannes Paul II. krönte und segnete<br />
<strong>die</strong> Statue 1998 bei se<strong>in</strong>em Besuch<br />
<strong>in</strong> Kuba. Als Ernest Hem<strong>in</strong>gway<br />
<strong>in</strong> den Fünfzi<strong>ge</strong>rjahren se<strong>in</strong>e Nobelpreis-Medaille<br />
dem kubanischen Volk<br />
schenken wollte, fand er dafür ke<strong>in</strong>en<br />
würdi<strong>ge</strong>ren Ort als <strong>die</strong> 1684 erbaute<br />
Wallfahrtskirche der Barmherzi<strong>ge</strong>n<br />
Jungfrau von El Cobre, wo sie noch<br />
heute unter den Votivgaben zu sehen<br />
<strong>ist</strong>. Zwischen unzähli<strong>ge</strong>n anderen Gaben,<br />
<strong>die</strong> Gläubi<strong>ge</strong> aus Dankbarkeit<br />
für <strong>die</strong> Erhörung ihrer Bitten <strong>ge</strong>stiftet<br />
haben, hängt auch e<strong>in</strong>e Plakette, <strong>die</strong><br />
e<strong>in</strong>st <strong>die</strong> Mutter von Fidel Castro und<br />
se<strong>in</strong>em Bruder Raúl <strong>ge</strong>spendet hatte.<br />
„Kirche <strong>in</strong> Not“ be<strong>ge</strong>ht 9. Pater-Werenfried-Jahres<strong>ge</strong>denken <strong>in</strong> Köln<br />
E<strong>in</strong>e Rückbes<strong>in</strong>nung auf <strong>die</strong> Botschaft<br />
des Evan<strong>ge</strong>liums und Authentizität<br />
des chr<strong>ist</strong>lichen Glaubens<br />
haben Journal<strong>ist</strong>en säkularer und<br />
kirchlicher Me<strong>die</strong>n auf e<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />
des weltweiten katholischen<br />
Hilfswerks „Kirche <strong>in</strong> Not“ <strong>in</strong> Köln<br />
<strong>ge</strong>fordert. Im Rahmen des Jahres<strong>ge</strong>denkens<br />
an den 2003 verstorbenen<br />
Gründer des Hilfswerks, Pater Werenfried<br />
van Straaten, bedauerten <strong>die</strong><br />
Teilnehmer e<strong>in</strong>es Podiums<strong>ge</strong>sprächs<br />
mit dem Titel „Der Papst, <strong>die</strong> Neuevan<strong>ge</strong>lisierung<br />
und <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n – sprechen<br />
wir <strong>die</strong>selbe Sprache? “, dass<br />
viele Menschen hierzulande nur noch<br />
wenig über Glaubens<strong>in</strong>halte wüssten.<br />
Der Chefredakteur des deutschsprachi<strong>ge</strong>n<br />
Programms des chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Senders EWTN, Mart<strong>in</strong> Rothweiler,<br />
sprach von e<strong>in</strong>er „Analphabetisierung<br />
im Religiösen“. Daher<br />
sei <strong>die</strong> authentische Weitergabe des<br />
Glaubens wichtig. Dieser Aussa<strong>ge</strong><br />
stimmte der Chefredakteur des katholischen<br />
Fernsehsenders K-TV, Michael<br />
Ragg, zu. Nach se<strong>in</strong>er Erfahrung<br />
wollten <strong>die</strong> Menschen ke<strong>in</strong> „Herum<strong>ge</strong>eiere“,<br />
sondern vielmehr e<strong>in</strong> Bekenntnis<br />
und authentisches Vorleben<br />
chr<strong>ist</strong>licher Werte.<br />
Der SPIEGEL-Redakteur und<br />
Autor Matthias Matussek sagte, dass<br />
man „<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Schwarzes Loch“ spreche,<br />
weil Gott <strong>in</strong> der Gesellschaft ke<strong>in</strong>e<br />
Rolle mehr spiele. Man brauche aber<br />
21
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
ke<strong>in</strong>en neuen katholischen Sound,<br />
sondern <strong>die</strong> Kirche müsse sich wieder<br />
auf <strong>die</strong> Evan<strong>ge</strong>lien und deren Botschaft<br />
bes<strong>in</strong>nen, da sie <strong>ge</strong>nug Sprengkraft<br />
besäßen. Auch der Programmdirektor<br />
des katholischen Senders<br />
„Radio Horeb“, Pfarrer Dr. Richard<br />
Kocher, wünscht sich e<strong>in</strong>e neue Leidenschaft<br />
für Gott. Er bedauere, dass<br />
<strong>die</strong> Kirche sich oft auf Randthemen,<br />
wie Kirchensteuern oder Sexualmoral<br />
e<strong>in</strong>lasse.<br />
Im Mittelpunkt e<strong>in</strong>es weiteren Podiums<strong>ge</strong>sprächs<br />
des Pater-Werenfried-<br />
Jahres<strong>ge</strong>denkens im voll besetzten<br />
Saal des Maternushauses <strong>in</strong> Köln standen<br />
Ursachen und Fol<strong>ge</strong>n des Arabischen<br />
Frühl<strong>in</strong>gs. Hauptgründe der<br />
Umbrüche <strong>in</strong> den Staaten des Nahen<br />
Ostens und Nordafrikas seien vor allem<br />
der Wunsch nach mehr Freiheit<br />
und Würde sowie e<strong>in</strong>em Wechsel der<br />
Regime <strong>ge</strong>wesen, <strong>die</strong> zum Teil seit<br />
40 Jahren regiert hätten, erklärte der<br />
Erzbischof von Algier, Ghaleb Bader.<br />
Gleichzeitig fürchteten <strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en<br />
<strong>in</strong> der Region, dass sich ihre La<strong>ge</strong><br />
verschlechtere und sie nicht mehr <strong>in</strong><br />
Sicherheit leben könnten. Das Beispiel<br />
der irakischen Chr<strong>ist</strong>en mache<br />
allen Chr<strong>ist</strong>en im Nahen Osten Angst,<br />
Islam im Wandel?<br />
Macht des Faktischen zw<strong>in</strong>gt zum Umdenken<br />
Mit e<strong>in</strong>er „Jahrhundert-Fatwa“ legitimiert der Rat der al-Azhar Religions<strong>ge</strong>lehrten das Recht<br />
auf Widerstand <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten Herrscher<br />
D ie1 <strong>ge</strong>sellschaftliche Wirklichkeit<br />
hat <strong>in</strong> der Geschichte des Islam<br />
<strong>die</strong> Ep<strong>ist</strong>emologie 2 der Theolo<strong>ge</strong>n entscheidend<br />
bestimmt. Für den Bereich<br />
1 Hauptmann a.D. Dr. Said alDailami lebt<br />
seit 1989 <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und kommt<br />
<strong>ge</strong>bürtig aus dem Jemen. Zu <strong>die</strong>sem<br />
Thema siehe auch Buchbesprechung<br />
„Erneuerungsdenken <strong>in</strong> der islamischen<br />
Welt“ (Seite 43)<br />
2 Die Erkenntn<strong>ist</strong>heorie oder<br />
Ep<strong>ist</strong>emologie <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Gebiet der<br />
Philosophie, welches sich mit Fra<strong>ge</strong>n<br />
der Art befasst, wie Wissen zustande<br />
kommt<br />
so Bader. Zu Hunderttausenden s<strong>in</strong>d<br />
Chr<strong>ist</strong>en aus dem Irak <strong>ge</strong>flohen, da es<br />
bereits zahlreiche Attentate auf Kirchen<br />
und Chr<strong>ist</strong>en im Land <strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />
hat. Mit Blick auf <strong>die</strong> Gewalt <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
Demonstranten <strong>in</strong> Syrien sagte der<br />
maronitische Bischof Samir Mazloum<br />
aus dem Libanon, dass M<strong>in</strong>derheiten,<br />
<strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e sunnitische Muslime seien,<br />
sich davor fürchten, was nach e<strong>in</strong>em<br />
möglichen Ende des Assad-Regimes<br />
käme: Es könnte e<strong>in</strong>e Regierung se<strong>in</strong>,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Menschenrechte akzeptiere,<br />
aber ebenso gut e<strong>in</strong> politisch noch<br />
stren<strong>ge</strong>res und religiös fundamental<strong>ist</strong>isches<br />
Regime.<br />
Es sei nicht nur e<strong>in</strong> Arabischer<br />
Frühl<strong>in</strong>g, sondern auch e<strong>in</strong> chr<strong>ist</strong>licher<br />
W<strong>in</strong>ter, fasste <strong>die</strong> CDU-Bundestagsab<strong>ge</strong>ordnete<br />
Ute Granold <strong>die</strong> La<strong>ge</strong><br />
der Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> der Region zusammen.<br />
Die Leiter<strong>in</strong> des Stephanuskreises –<br />
e<strong>in</strong> Zusammenschluss von Politikern<br />
der CSU/CSU-Bundestagsfraktion, der<br />
sich für den Schutz der Religionsfreiheit<br />
e<strong>in</strong>setzt – sagte, dass Ägypten<br />
nach der Wahl „zu kippen“ drohe. Es<br />
erfülle sie mit Sor<strong>ge</strong>, dass <strong>die</strong> Muslimbruderschaft<br />
als Wahlsie<strong>ge</strong>r hervor<strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n<br />
sei und <strong>die</strong> radikal islamischen<br />
Salaf<strong>ist</strong>en stark im neuen Parlament<br />
VON SAID ALDAILAMI 1<br />
des Politischen lässt sich <strong>die</strong>se Feststellung<br />
noch viel präziser formulieren:<br />
<strong>die</strong> politische Theologie des Islam<br />
spie<strong>ge</strong>lt nichts anderes wider, als<br />
<strong>die</strong> Reaktion der Gelehrtenschaft auf<br />
<strong>die</strong> politische Realität ihrer Zeit. Bereits<br />
nach dem Mord am vierten Kalifen,<br />
Ali ibn Abi Talib (661 n. Chr.),<br />
sahen sich <strong>die</strong> islamischen Religions<strong>ge</strong>lehrten<br />
(Ulama) <strong>in</strong> der Fol<strong>ge</strong><br />
mit e<strong>in</strong>er dynastischen Herrschaftsform<br />
konfrontiert, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihrer konkreten<br />
politischen Ausformung den<br />
Idealvorstellun<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>es verantwor-<br />
vertreten seien. Pater Dr. Andrzej Halemba,<br />
Länderreferent für den Nahen<br />
Osten bei „Kirche <strong>in</strong> Not“, berichtete<br />
von zunehmender Gewalt <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
Chr<strong>ist</strong>en, vor allem im Irak. Gleichzeitig<br />
<strong>ist</strong> er dennoch überzeugt, dass der<br />
Arabische Frühl<strong>in</strong>g auch Hoffnung für<br />
<strong>die</strong> Chr<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> der Region bedeuten<br />
könne, denn es <strong>ge</strong>be viele moderate<br />
Muslime sowie Treffen und Kooperationen<br />
von muslimischen und chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Ge<strong>ist</strong>lichen.<br />
Das Pater-Werenfried-Jahres<strong>ge</strong>denken<br />
am 4.02.12 begann mit e<strong>in</strong>em<br />
Gottes<strong>die</strong>nst mit Joachim Kard<strong>in</strong>al<br />
Meisner im Kölner Dom, zu dem sich<br />
trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt<br />
rund 1.000 Gläubi<strong>ge</strong> versammelt<br />
hatten. In se<strong>in</strong>er Predigt würdigte<br />
der Kölner Erzbischof <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste<br />
se<strong>in</strong>es Weg<strong>ge</strong>fährten Pater Werenfried<br />
van Straaten. Der Gründer von „Kirche<br />
<strong>in</strong> Not“ habe nicht nur Geld und Gaben<br />
<strong>ge</strong>sammelt, sondern vor allem auch <strong>die</strong><br />
Anlie<strong>ge</strong>n und Sor<strong>ge</strong>n der Menschen.<br />
Damit habe das Hilfswerk se<strong>in</strong>en Status<br />
quo und <strong>die</strong> „<strong>in</strong>nere Schwungkraft“,<br />
das Gebet, <strong>ge</strong>funden, <strong>die</strong> es<br />
auch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zukunft tra<strong>ge</strong>n werde.<br />
Pressemitteilung „Kirche <strong>in</strong> Not“<br />
vom 6. Februar 2012<br />
tungsvollen und <strong>ge</strong>rechten Umgangs<br />
des Herrschers mit der islamischen<br />
Geme<strong>in</strong>schaft (umma) widersprach.<br />
Ihre Legitimität bezo<strong>ge</strong>n <strong>die</strong>se Dynastien<br />
dennoch <strong>in</strong> den me<strong>ist</strong>en Fällen<br />
aus den religiösen Quellen des Islam.<br />
Mit Verweis auf e<strong>in</strong>en Ausspruch des<br />
Propheten Muhammad (hadith), <strong>die</strong><br />
Gelehrten seien <strong>die</strong> Erben der Propheten,<br />
haben e<strong>in</strong>zelne Gelehrte im<br />
Verlauf der islamischen Geschichte<br />
den Versuch unternommen, <strong>die</strong><br />
Machthaber daran zu er<strong>in</strong>nern, dass<br />
alle<strong>in</strong> sie als Gelehrte <strong>die</strong> Deutungs-<br />
22 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
hoheit über religiöse Quellen haben.<br />
Wahrlich durchsetzen konnten sie<br />
sich mit <strong>die</strong>sem Anspruch jedoch nie.<br />
De jure mag <strong>die</strong>ses Postulat der<br />
ulama se<strong>in</strong>e Berechtigung haben, de<br />
facto hat der Primat des Politischen<br />
<strong>die</strong> islamische Geschichte dom<strong>in</strong>iert.<br />
Die Herrscher wussten e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>flussreiche<br />
Theolo<strong>ge</strong>n mit hohen Ämtern<br />
und großen f<strong>in</strong>anziellen Zuwendun<strong>ge</strong>n<br />
an ihren Höfen zu b<strong>in</strong>den und<br />
so für ihre Zwecke zu <strong>in</strong>strumentalisieren.<br />
Das wohl berühmteste islamische<br />
Gebot, das unmittelbar aus <strong>die</strong>sem<br />
Zweckbündnis zwischen Politik<br />
und Religion hervor<strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n <strong>ist</strong>, bezieht<br />
sich auf das Widerstandsrecht<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem Herrscher im islamischen<br />
Staat. Unter Berufung auf e<strong>in</strong><br />
hadith, das besagt, dass <strong>die</strong> Erduldung<br />
e<strong>in</strong>er mehrjähri<strong>ge</strong>n Zwangsherrschaft<br />
besser sei als e<strong>in</strong> Tag Chaos bzw. Anarchie,<br />
begründeten sunnitisch-orthodoxe<br />
Gelehrte e<strong>in</strong>e Treue- und Friedenspflicht<br />
der Untertanen <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
der Obrigkeit, <strong>die</strong> bis zum Beg<strong>in</strong>n der<br />
Revolten im arabischen Raum am<br />
17. Dezember 2010 une<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkte<br />
Gültigkeit besaß. Die herrschaftstreuen<br />
Gelehrten verwiesen darüber<br />
h<strong>in</strong>aus auf den Koran, der <strong>in</strong> Sure 4,<br />
Vers 59 – ihrer Interpretation fol<strong>ge</strong>nd<br />
– den Gläubi<strong>ge</strong>n dazu auffordert, Allah,<br />
dem Propheten und den Gebietenden<br />
(Herrschern) zu <strong>ge</strong>horchen.<br />
Mit der Phobie vor der so<strong>ge</strong>nannten<br />
fitna, dem Zerfall des <strong>in</strong>neren<br />
Friedens <strong>in</strong>nerhalb der umma, etablierten<br />
<strong>die</strong> ulama e<strong>in</strong>en politischen<br />
Quietismus3 , der bis heute <strong>die</strong> Staatslehre<br />
<strong>in</strong> mehrheitlich sunnitisch-orthodox<br />
<strong>ge</strong>prägte Ländern bestimmen<br />
sollte.<br />
Die Umbrüche <strong>in</strong> der arabischen<br />
Welt, der so<strong>ge</strong>nannte arabische Frühl<strong>in</strong>g,<br />
haben e<strong>in</strong>e <strong>ge</strong>sellschaftspolitische<br />
Realität hervor<strong>ge</strong>bracht, <strong>die</strong> nun<br />
<strong>ge</strong>nau <strong>die</strong>sem Dogma widerspricht.<br />
Die renommierte sunnitische Autoritäts<strong>in</strong>stitution<br />
– der Rat der al-Azhar-<br />
Religions<strong>ge</strong>lehrten (Kairo) – sah sich<br />
an<strong>ge</strong>sichts <strong>die</strong>ser grundle<strong>ge</strong>nden La<strong>ge</strong>änderung<br />
<strong>ge</strong>zwun<strong>ge</strong>n, das über e<strong>in</strong><br />
Jahrtausend alte Dogma zu revi<strong>die</strong>-<br />
3 Politischer Quietismus oder quiet<strong>ist</strong>ischer<br />
Islam (von lat. quietus, „ruhig“,<br />
„schweigsam“) beschreibt jene<br />
Strömung des islamischen Klerus,<br />
<strong>in</strong>sbesondere der Schia, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e aktive<br />
Beteiligung der Ge<strong>ist</strong>lichkeit <strong>in</strong> der<br />
Politik ablehnt<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
ren. An <strong>die</strong>sem Beispiel soll im Fol<strong>ge</strong>nden<br />
<strong>die</strong> Macht des Faktischen und<br />
damit e<strong>in</strong>her<strong>ge</strong>hend <strong>die</strong> en<strong>ge</strong> Interaktion<br />
zwischen <strong>ge</strong>sellschaftspolitischer<br />
Realität und der Setzung religiöser<br />
Dogmen durch <strong>die</strong> ulama, kritisch<br />
beleuchtet werden.<br />
Vor e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Wochen trat der Sprecher<br />
des al-Azhar-Gelehrtenrates Ahmed<br />
al-Tayyeb vor <strong>die</strong> Presse und verkündete<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Rechtsgutachtens<br />
(fatwa), dass das Widerstandsrecht<br />
der Bevölkerung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten<br />
Herrscher islamisch legitimiert<br />
sei. Er begründete das Rechtsgutachten<br />
des al-Azhar-Rates u. a. mit<br />
dem Verweis auf Sure 4, Vers 59. In<br />
<strong>die</strong>sem heißt es wörtlich: „O ihr, <strong>die</strong><br />
ihr glaubt, <strong>ge</strong>horcht Gott und <strong>ge</strong>horcht<br />
dem Gesandten und denen unter euch,<br />
<strong>die</strong> <strong>ge</strong>bieten.“ Erstaunlicherweise bezo<strong>ge</strong>n<br />
sich <strong>die</strong> Gelehrten auf denselben<br />
Vers (s. o.), den <strong>die</strong> herrschende<br />
orthodoxe Lehrme<strong>in</strong>ung anführte, um<br />
<strong>die</strong> Illegitimität und eben nicht <strong>die</strong><br />
Legitimität des Widerstands <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
den Herrscher zu begründen. Wie<br />
kann also <strong>die</strong>selbe zitierte Quelle zwei<br />
diametral ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<strong>ge</strong>setzte Rechtsgutachten<br />
beglaubi<strong>ge</strong>n? Die Antwort<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong>fach: es <strong>ist</strong> das Erfordernis der<br />
<strong>ge</strong>sellschaftspolitischen Realität, ummantelt<br />
durch den Begriff der kontextbezo<strong>ge</strong>nen<br />
Exe<strong>ge</strong>se.<br />
Die al-Azhar-Gelehrten mussten<br />
nicht sehr viel Kreativität aufbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n,<br />
um <strong>die</strong> bisher <strong>ge</strong>ltende Interpretation<br />
des o.g. Verses <strong>in</strong> ihr Ge<strong>ge</strong>nteil<br />
zu verkehren. Bettet man den Vers<br />
<strong>in</strong> den Gesamtkontext h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, so <strong>die</strong><br />
Argumentation der Gelehrten, kommt<br />
man zu dem Schluss, dass der voran<strong>ge</strong>hende<br />
Vers (Sure 4, Vers 58) ausdrücklich<br />
auf <strong>die</strong> Treuhänderschaft<br />
und auf das <strong>ge</strong>rechte Urteilen bzw.<br />
Handeln des Muslims h<strong>in</strong>we<strong>ist</strong>. Der<br />
im darauffol<strong>ge</strong>nden Vers <strong>ge</strong>forderte<br />
Gehorsam <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber den Gebietenden<br />
<strong>ist</strong> ihnen folglich nur dann ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n,<br />
wenn <strong>die</strong>se <strong>ge</strong>recht<br />
handelten und das ihnen Anvertraute<br />
verantwortungsvoll behandelten. Den<br />
Gehorsam sahen <strong>die</strong> Gelehrten somit<br />
nur an e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung <strong>ge</strong>bunden, <strong>die</strong><br />
im Jur<strong>ist</strong>enjargon als conditio s<strong>in</strong>e qua<br />
non 4 bezeichnet werden kann.<br />
4 wörtlich: „Bed<strong>in</strong>gung, ohne <strong>die</strong> nicht“;<br />
e<strong>in</strong>e Methode <strong>in</strong> der Rechtswissenschaft<br />
und Rechtspraxis sowie der Philosophie,<br />
mit der fest<strong>ge</strong>stellt wird, ob e<strong>in</strong> Vorgang<br />
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
Mit <strong>die</strong>ser fatwa leiteten <strong>die</strong> al-<br />
Azhar-Gelehrten e<strong>in</strong>e neue Ära islamisch-politischer<br />
Rechtsprechung<br />
e<strong>in</strong>. Weitere werden sicherlich fol<strong>ge</strong>n<br />
und sollten nicht unberücksichtigt<br />
bleiben, weil sie als wichti<strong>ge</strong> Indikatoren<br />
für nachhalti<strong>ge</strong>, <strong>ge</strong>sellschaftspolitische<br />
Entwicklun<strong>ge</strong>n <strong>die</strong>nen. Die<br />
öffentlichen Diskussionen hierzulande<br />
über <strong>die</strong> Bedeutung der Religion<br />
im Kontext der arabischen Revolten<br />
thematisieren im Schwerpunkt <strong>die</strong><br />
Rolle islamischer bzw. islam<strong>ist</strong>ischer<br />
Parteien <strong>in</strong> Staat und Gesellschaft,<br />
<strong>in</strong>sbesondere nach den bemerkenswerten<br />
Wahlerfol<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> Tunesien und<br />
Ägypten. Nahezu aus<strong>ge</strong>blendet wird<br />
der Faktor Religion als Autorisierungs-<br />
und Legitimierungs<strong>in</strong>stanz für<br />
<strong>ge</strong>sellschaftlich und politisch tragfähi<strong>ge</strong><br />
Diskurser<strong>ge</strong>bnisse, für irreversible<br />
Faktizitäten, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen<br />
und autoritären Rechtfertigung<br />
bedürfen.<br />
Die Legitimierung des „Volksaufstandes“<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten Herrscher:<br />
e<strong>in</strong> Erklärungsversuch<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der bisheri<strong>ge</strong>n<br />
Ausführun<strong>ge</strong>n zum Widerstandsrecht<br />
der Muslime <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
dem politischen Machthaber haben<br />
<strong>die</strong> Protestierenden mit ihrem Gang<br />
auf <strong>die</strong> Straße – bewusst oder unbewusst<br />
– e<strong>in</strong> religiöses Tabu <strong>ge</strong>brochen.<br />
Ihren Protest- und Reformwillen stellten<br />
sie über das seit Jahrhunderten<br />
<strong>ge</strong>ltende islamische Recht. Freiheit,<br />
soziale Gerechtigkeit und e<strong>in</strong> menschenwürdi<strong>ge</strong>s<br />
Leben bilden <strong>die</strong> Forderun<strong>ge</strong>n<br />
der Stunde. Dogmatismus,<br />
Autoritätshörigkeit und unbed<strong>in</strong>gter<br />
Gehorsam h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n s<strong>in</strong>d Begriffe, <strong>die</strong><br />
<strong>in</strong> Zeiten der Revolten aus dem Wörterbuch<br />
der jun<strong>ge</strong>n Generation <strong>ge</strong>tilgt<br />
worden s<strong>in</strong>d. Indem sie vollendete<br />
Tatsachen <strong>ge</strong>schaffen haben, zwan<strong>ge</strong>n<br />
<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen <strong>die</strong> Gelehrten zu<br />
e<strong>in</strong>er Reaktion, nämlich zu e<strong>in</strong>er Widerlegung<br />
bisher <strong>ge</strong>ltenden Rechts.<br />
Im Pr<strong>in</strong>zip blieb den al-Azhar-<br />
Gelehrten gar nichts anderes übrig,<br />
als den Akt des Protests und des Widerstandes<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den Herrscher a<br />
posteriori5 zu legitimieren. E<strong>in</strong>e anderslautende<br />
Reaktion hätte ihre Au-<br />
oder e<strong>in</strong>e Handlung ursächlich für e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Tatsache <strong>ist</strong><br />
5 Urteile a posteriori werden auf der Basis<br />
der Erfahrung <strong>ge</strong>fällt<br />
23
GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />
torität bei den jun<strong>ge</strong>n Menschen endgültig<br />
untergraben. In <strong>ge</strong>wisser Weise<br />
kann <strong>die</strong> fatwa auch als e<strong>in</strong>e Geste<br />
der Danksagung an <strong>die</strong> Protestierenden<br />
<strong>ge</strong>deutet werden. Der Sieg der<br />
revoltierenden Masse über <strong>die</strong> diktatorischen<br />
Machthaber setzte der „unfreiwilli<strong>ge</strong>n“<br />
Allianz zwischen Herrscher<br />
und Gelehrsamkeit – <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />
Fall zwischen dem Regime Mubaraks<br />
und der al-Azhar-Institution – e<strong>in</strong> jähes<br />
Ende. Die theologisch <strong>ge</strong>forderte<br />
Unabhängigkeit der religiösen von<br />
der staatlichen Autorität <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
islamischen Geschichte derart selten<br />
da<strong>ge</strong>wesener Status, dass dessen Erreichung<br />
als h<strong>ist</strong>orischer Moment E<strong>in</strong>gang<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Geschichtsbücher f<strong>in</strong>den<br />
sollte. Vor <strong>die</strong>sem H<strong>in</strong>tergrund <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />
Bezeichnung der fatwa als „Jahrhundert-Fatwa“<br />
seitens e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>r Gelehrter<br />
im arabischen Raum wohl nicht als<br />
übertrieben zu werten.<br />
Natürlich haben aber auch <strong>die</strong> al-<br />
Azhar-Gelehrten nicht unei<strong>ge</strong>nnützig<br />
<strong>ge</strong>handelt: mit ihrer Legitimierung des<br />
Volksaufstandes <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den un<strong>ge</strong>rechten<br />
Herrscher versuchen sie – sogar<br />
unter Inkaufnahme e<strong>in</strong>es radikalen<br />
Bruchs mit der bisheri<strong>ge</strong>n Rechtsprechung<br />
auf <strong>die</strong>sem sensiblen Gebiet<br />
islamischer Jurisprudenz – ihr an<strong>ge</strong>schla<strong>ge</strong>nes<br />
Ima<strong>ge</strong> aufzupolieren und<br />
ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung<br />
zurückzuerobern. Vielen <strong>ge</strong>bildeten<br />
Menschen im Land war <strong>die</strong><br />
en<strong>ge</strong> Kooperation zwischen dem herrschenden<br />
Diktator und der al-Azhar-<br />
Institution bereits seit lan<strong>ge</strong>m e<strong>in</strong> Dorn<br />
im Au<strong>ge</strong>.<br />
Ohne das an<strong>ge</strong>sprochene Rechtsgutachten<br />
der al-Azhar-Gelehrten hätten<br />
<strong>die</strong> konservativen und traditionellen<br />
Kräfte <strong>in</strong> Ägypten, aber auch <strong>in</strong><br />
allen anderen Ländern, spätestens bei<br />
e<strong>in</strong>em Scheitern der Revolutionen mit<br />
dem Zei<strong>ge</strong>f<strong>in</strong><strong>ge</strong>r auf <strong>die</strong> Protestierenden<br />
<strong>ge</strong>deutet und ihnen vor<strong>ge</strong>worfen,<br />
sie hätten bei ihrem Vor<strong>ge</strong>hen religiöse<br />
Gebote übertreten und ernteten daher<br />
nur <strong>die</strong> <strong>ge</strong>rechte Strafe Gottes, nämlich<br />
<strong>die</strong> Zerschlagung ihres Protestes<br />
durch den Militär- und Sicherheitsapparat<br />
des Potentaten. Das Argument,<br />
große Sünden bestrafe der liebe Gott<br />
<strong>in</strong> bestimmten Fällen erbarmungslos<br />
und rasch, <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> <strong>ge</strong>nu<strong>in</strong> islamisches.<br />
Es hat allerd<strong>in</strong>gs im Verlaufe der islamischen<br />
Geschichte <strong>in</strong> vielen Fällen<br />
im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zur <strong>ge</strong>sellschaftlichen<br />
Ächtung e<strong>in</strong>zelner Personen und Gruppierun<strong>ge</strong>n<br />
<strong>ge</strong>führt.<br />
Für <strong>die</strong> sich transformierenden<br />
Gesellschaften im Nahen Osten und <strong>in</strong><br />
Nordafrika führt jeglicher Diskurs über<br />
<strong>die</strong> Zukunft ihrer Staaten unwei<strong>ge</strong>rlich<br />
auf religiöses Terra<strong>in</strong>. In <strong>die</strong>ser Orientierungs-<br />
und Selbstf<strong>in</strong>dungsphase <strong>ist</strong><br />
es nur selbstverständlich, dass sich im<br />
nun freien „Markt der Ideologien“ jene<br />
Anschauung durchsetzen wird, <strong>die</strong><br />
das beste An<strong>ge</strong>bot für <strong>die</strong> Menschen<br />
unterbreitet oder zu unterbreiten behauptet.<br />
Diese <strong>ge</strong>sellschaftlichen, enttabuisierten<br />
Diskurse s<strong>in</strong>d zur Zeit <strong>in</strong><br />
vollem Gan<strong>ge</strong> und bilden zweifellos <strong>die</strong><br />
größte und – unabhängig vom letztendlichen<br />
Ausgang der Revolten – nachhaltig<br />
prä<strong>ge</strong>ndste Errun<strong>ge</strong>nschaft, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> Arabien sich tapfer<br />
erkämpft haben. Unter Nutzung aller<br />
Kommunikationsmittel und der Me<strong>die</strong>nvielfalt<br />
wird heute mehr denn je von<br />
Marokko bis Syrien über <strong>die</strong> Rolle der<br />
Frau im öffentlichen Raum, über <strong>die</strong><br />
Gleichstellung von Mann und Frau,<br />
über <strong>die</strong> Rechte von M<strong>in</strong>derheiten,<br />
über Homosexualität und über viele<br />
weitere heikle Themen diskutiert. Zu<br />
<strong>die</strong>sen Diskursthemen hat <strong>die</strong> islamische<br />
Glaubens- und Rechtslehre <strong>in</strong> der<br />
Scharia e<strong>in</strong>deuti<strong>ge</strong> Aussa<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>troffen,<br />
<strong>die</strong> nun e<strong>in</strong>er Revision bedürfen. An<br />
<strong>die</strong>ser Stelle muss betont werden, dass<br />
nicht <strong>die</strong> Rolle der Religion als <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />
Machtapparat im zukünfti<strong>ge</strong>n<br />
Staat der postrevolutionären Ära<br />
diskutiert wird, sondern ausschließlich<br />
das Erfordernis der religiösen Legitimation<br />
bestimmter <strong>ge</strong>sellschaftlicher<br />
Diskurs-Er<strong>ge</strong>bnisse, damit sich <strong>die</strong>se<br />
nachhaltig im Bewusstse<strong>in</strong> der nachfol<strong>ge</strong>nden<br />
muslimischen Generationen<br />
e<strong>in</strong>n<strong>ist</strong>en können. Ohne <strong>die</strong> Islamizität<br />
und viel konkreter <strong>ge</strong>sprochen <strong>die</strong> Koranizität<br />
der Ideale, für <strong>die</strong> viele jun<strong>ge</strong><br />
Menschen <strong>in</strong> den letzten Monaten<br />
bereit waren, mit ihrem Leben zu bezahlen,<br />
können <strong>die</strong> erstrittenen Rechte<br />
wie Me<strong>in</strong>ungsfreiheit, Gleichheit und<br />
Menschenwürde nicht als <strong>ge</strong>samt<strong>ge</strong>sellschaftlich<br />
<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne und <strong>in</strong>ternalisierte<br />
Ideale akzeptiert werden. In<br />
<strong>ge</strong>wisser Weise betrachten es <strong>die</strong> Gelehrten<br />
schließlich als ihre oberste moralische<br />
Pflicht, vor allem an<strong>ge</strong>sichts<br />
des hohen Blutzolls, den <strong>die</strong> Protestierenden<br />
bisher <strong>ge</strong>zahlt haben, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
ersten Schritt den Akt des Protests,<br />
<strong>die</strong> so<strong>ge</strong>nannte Rebellion <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n den<br />
Herrscher (khurugh ala al-hakim) –<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der schiitischen Lehre bereits<br />
gängi<strong>ge</strong>r Begriff – <strong>ge</strong>samt-islamisch<br />
zu legalisieren.<br />
Der scharfsichti<strong>ge</strong> Blick auf <strong>die</strong><br />
bisheri<strong>ge</strong> Geschichte der islamischen<br />
Welt zeigt vor allem e<strong>in</strong>e Sache<br />
ganz deutlich: nichts können traditionelle<br />
islamische Gelehrte besser<br />
als sich der Macht des Faktischen zu<br />
unterwerfen. Mit Blick auf <strong>die</strong> islamische<br />
Rechts<strong>ge</strong>schichte stellte <strong>die</strong><br />
Übersetzung <strong>ge</strong>sellschaftspolitischer<br />
Realitäten <strong>in</strong> theologische und ethische<br />
Normen <strong>die</strong> Religions<strong>ge</strong>lehrten<br />
vor nicht allzu großen Herausforderun<strong>ge</strong>n.<br />
Sogar das Antizipieren und<br />
vollkommene Adaptieren kulturfremden<br />
Denkens und dessen E<strong>in</strong>rahmung<br />
<strong>in</strong> den Corpus der islamischen Glaubens-<br />
und Rechtstradition bereitete<br />
den Rechts<strong>ge</strong>lehrten wenig Mühe.<br />
Diese „Tu<strong>ge</strong>nd“ der ulama, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>erseits<br />
ihre <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong> Flexibilität und<br />
ihre aus<strong>ge</strong>sprochen breite Ambiguitätstoleranz6<br />
dokumentiert, andererseits<br />
ihr Postulat von der Universalität<br />
und Unabänderlichkeit des göttlichen<br />
Gesetzes (Scharia) aushöhlt, sche<strong>in</strong>en<br />
<strong>die</strong> Gelehrten <strong>in</strong> Zeiten revolutionärer<br />
Umwälzun<strong>ge</strong>n mehr denn je zu brauchen.<br />
Für <strong>die</strong> Revolutionen und ihre<br />
Befürworter <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> Se<strong>ge</strong>n, für <strong>die</strong><br />
ultrakonservativen Kräfte <strong>in</strong> der sunnitischen<br />
Welt e<strong>in</strong> Bruch mit dem Gesetz<br />
Gottes, den sie nur widerwillig h<strong>in</strong>nehmen<br />
werden, weil er den Stempel der<br />
al-Azhar-Gelehrten trägt und <strong>die</strong> faktischen<br />
Umstände berücksichtigt. Für<br />
den westlichen Außenbetrachter e<strong>in</strong><br />
verwirrendes Schauspiel, <strong>in</strong>sbesondere<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>denk der Tatsache, dass das auf<strong>ge</strong>hobene<br />
Dogma der absoluten Loyalität<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem faktischen Machthaber<br />
im sunnitischen Saudi-Arabien<br />
weiterh<strong>in</strong> als <strong>in</strong>tegraler Bes tandteil orthodoxer<br />
Staatslehre se<strong>in</strong>e unbestreitbare<br />
Manifestation f<strong>in</strong>det. ❏<br />
6 Ambiguitätstoleranz (v. lat. ambiguitas<br />
„Zweideutigkeit“, „Doppels<strong>in</strong>n“),<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Fähigkeit, Ambiguitäten, also<br />
Widersprüchlichkeiten, kulturell bed<strong>in</strong>gte<br />
Unterschiede oder mehrdeuti<strong>ge</strong><br />
Informationen, <strong>die</strong> schwer verständlich<br />
oder sogar <strong>in</strong>akzeptabel ersche<strong>in</strong>en,<br />
wahrzunehmen und nicht negativ<br />
oder – häufi g bei kulturell bed<strong>in</strong>gten<br />
Unterschieden – vorbehaltlos positiv zu<br />
bewerten. Ambiguitätstoleranz <strong>ist</strong> auch<br />
e<strong>in</strong>e Voraussetzung für <strong>die</strong> <strong>in</strong>terkulturelle<br />
Kompetenz e<strong>in</strong>es Menschen<br />
24 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
Diakonweihe Mart<strong>in</strong> Kofoth<br />
Das Amt des Diakons <strong>ge</strong>ht auf <strong>die</strong><br />
Apostel<strong>ge</strong>schichte zurück. In Kapitel<br />
6 wird <strong>die</strong> Berufung von sieben<br />
Männern beschrieben, <strong>die</strong> <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie caritativ tätig werden sollten<br />
(siehe Kasten). Die frühen Zeugnisse<br />
über den Diakonat zei<strong>ge</strong>n, dass <strong>die</strong>ser<br />
von se<strong>in</strong>er Zuordnung zum Bischof her<br />
verstanden wird. Zu se<strong>in</strong>en Aufgaben<br />
zählte <strong>die</strong> dem Bischof auf<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />
soziale Fürsor<strong>ge</strong>. Deswe<strong>ge</strong>n war der<br />
Diakon oft auch Verwalter des kirch-<br />
Apostel<strong>ge</strong>schichte 6,1 - 7<br />
In <strong>die</strong>sen Ta<strong>ge</strong>n, als <strong>die</strong> Zahl<br />
der Jün<strong>ge</strong>r zunahm, be<strong>ge</strong>hrten<br />
<strong>die</strong> Hellen<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n <strong>die</strong><br />
Hebräer auf, weil ihre Witwen<br />
bei der täglichen Versorgung<br />
übersehen wurden. Da riefen<br />
<strong>die</strong> Zwölf <strong>die</strong> ganze Schar der<br />
Jün<strong>ge</strong>r zusammen und erklärten:<br />
Es <strong>ist</strong> nicht recht, dass wir<br />
das Wort Gottes vernachlässi<strong>ge</strong>n<br />
und uns dem Dienst an den<br />
Tischen widmen. Brüder, wählt<br />
aus eurer Mitte sieben Männer<br />
von gutem Ruf und voll Ge<strong>ist</strong><br />
und Weisheit; ihnen werden wir<br />
<strong>die</strong>se Aufgabe übertra<strong>ge</strong>n. Wir<br />
aber wollen beim Gebet und<br />
beim Dienst am Wort bleiben.<br />
5 Der Vorschlag fand den Beifall<br />
der ganzen Geme<strong>in</strong>de, und<br />
sie wählten Stephanus, e<strong>in</strong>en<br />
Mann, erfüllt vom Glauben und<br />
vom Heili<strong>ge</strong>n Ge<strong>ist</strong>, ferner Philippus<br />
und Prochorus, Nikanor<br />
und Timon, Parmenas und Nikolaus,<br />
e<strong>in</strong>en Proselyten aus<br />
Antiochia. Sie ließen sie vor<br />
<strong>die</strong> Apostel h<strong>in</strong>treten und <strong>die</strong>se<br />
beteten und legten ihnen <strong>die</strong><br />
Hände auf. Und das Wort Gottes<br />
breitete sich aus und <strong>die</strong> Zahl<br />
der Jün<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> Jerusalem wurde<br />
immer größer; auch e<strong>in</strong>e große<br />
Anzahl von den Priestern nahm<br />
<strong>ge</strong>horsam den Glauben an.<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Was <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Diakon?<br />
Diakonenweihe am 20.11.2011 <strong>in</strong> Munster<br />
lichen Vermö<strong>ge</strong>ns. Er wirkte <strong>in</strong> der<br />
Euchar<strong>ist</strong>iefeier mit und ass<strong>ist</strong>ierte<br />
bei der Taufliturgie. Im 4. Jahrhundert<br />
übernahm der Diakon auch Dienste<br />
<strong>in</strong> der Verkündigung. Das Nebene<strong>in</strong>ander<br />
von Diakonat und Presbyterat<br />
(Priestertum), <strong>die</strong> Überschneidung<br />
ihrer Aufgaben im liturgischen Bereich,<br />
ihre Konkurrenz um kirchlichen<br />
E<strong>in</strong>fluss sowie <strong>die</strong> Stärkung der<br />
Stellung der Presbyter durch <strong>die</strong> ihnen<br />
<strong>in</strong> den Parochien 1 übertra<strong>ge</strong>nen<br />
Leitungsfunktionen führten dazu, dass<br />
<strong>die</strong> Diakone spätestens im Frühmittelalter<br />
nicht mehr engste Mitarbeiter<br />
des Bischofs waren. Noch vor Ende<br />
des 1. Jahrtausends wird der Diakonat<br />
zu e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Durchgangsstufe<br />
zum Priestertum.<br />
Das 2. Vatikanische Konzil (1962<br />
– 1965) hat den Ständi<strong>ge</strong>n Diakonat<br />
<strong>in</strong> der Katholischen Kirche wiederbelebt.<br />
Den Konzilsvätern g<strong>in</strong>g es<br />
darum, den spezifischen Dienst des<br />
Diakons Kraft des Weihesakraments<br />
<strong>in</strong> amtlicher Sendung und Vollmacht<br />
zu verlebendi<strong>ge</strong>n. Der Diakon <strong>ge</strong>hört<br />
mit Priester und Bischof zum Weiheamt,<br />
wird aber nicht zum Priesteramt,<br />
sondern zum Dienstamt <strong>ge</strong>weiht (LG<br />
29). In der Kirchenkonstitution nennt<br />
das Konzil ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />
und ohne theologische<br />
Begründung e<strong>in</strong>zelne<br />
Aufgaben des Diakons<br />
im sozial-caritativen<br />
Dienst, <strong>in</strong> der Glaubensverkündigung<br />
und<br />
<strong>in</strong> der Liturgie (LG 29)<br />
– e<strong>in</strong>e Theologie des<br />
Diakonats lässt sich<br />
von <strong>die</strong>sen Vollmachten<br />
her aber nicht entwerfen.<br />
Die konkrete<br />
Gestaltung des Diako-<br />
nats hatten <strong>die</strong> Konzilväter<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Verantwortung<br />
der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Bild 2<br />
B<strong>ist</strong>ümer <strong>ge</strong>legt. Daher <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Ausbildung<br />
zum Ständi<strong>ge</strong>n Diakon und de-<br />
1 E<strong>in</strong>e Parochie <strong>ist</strong> der Amtsbezirk e<strong>in</strong>es<br />
Pfarrers (Parochus), das heißt e<strong>in</strong><br />
Pfarrbezirk oder Pfarrei<br />
BILD DES SOLDATEN<br />
ren Dauer <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen B<strong>ist</strong>ümern<br />
unterschiedlich <strong>ge</strong>re<strong>ge</strong>lt.<br />
Im B<strong>ist</strong>um Münster hat Bischof<br />
He<strong>in</strong>rich Tenhumberg den Ständi<strong>ge</strong>n<br />
Diakonat im Jahr 1970 wieder e<strong>in</strong><strong>ge</strong>führt.<br />
Die Ausbildung im B<strong>ist</strong>um<br />
Münster wird durch das Institut für<br />
Diakonat und pastorale Dienste (IDP)<br />
Bild 1<br />
organisiert und verantwortet. Sie erfolgt<br />
durch monatliche Wochenendsem<strong>in</strong>are<br />
im Laufe von vier Jahren und<br />
wird durch das Studium der Theologie<br />
im Fernkurs ergänzt. Anfang 2011 gab<br />
es <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 2362 noch aktive<br />
Ständi<strong>ge</strong> Diakone. Sie leben als Verheiratete<br />
<strong>in</strong> Familie und Beruf, e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong><br />
haben sich bei der Diakonenweihe<br />
25
BILD DES SOLDATEN<br />
zum ehelosen Leben verpflichtet. Der<br />
Diakonat kann im Hauptberuf (Anfang<br />
2011: 895) und mit Zivilberuf (Anfang<br />
2011: 1473) aus<strong>ge</strong>übt werden. Nach<br />
dem Kirchenrecht <strong>ist</strong> der Diakon Kleriker<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diözese <strong>in</strong>kard<strong>in</strong>iert<br />
(Can. 265/266, CIC 1983).<br />
Am Sonntag, dem 20. November<br />
2011, wurde Hauptmann Mart<strong>in</strong> Kofoth,<br />
Mitglied des GKS-Kreises Köln<br />
und des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de-/Mitarbeiterkreises<br />
beim Katholischen Militärpfarramt<br />
Köln I, durch den Bischof<br />
von Münster, Dr. Felix Genn, zum Di-<br />
Kurznachrichten<br />
Der ökumenische Dialog<br />
darf nach Worten Papst<br />
Benedikt XVI. stritti<strong>ge</strong>n Themen<br />
nicht ausweichen. Oft bestehe<br />
heute <strong>die</strong> Tendenz, <strong>die</strong><br />
Fra<strong>ge</strong> nach der Wahrheit des<br />
Glaubens auszublenden, sagte<br />
der Papst vor der Vollversammlung<br />
der Glaubenskongregation<br />
im Vatikan.<br />
Das sei das Er<strong>ge</strong>bnis e<strong>in</strong>er<br />
falsch verstandenen Friedfertigkeit<br />
sowie der verbreiteten<br />
Auffassung, dass der Mensch<br />
<strong>die</strong> Wahrheit ohneh<strong>in</strong> nicht erkennen<br />
könne. Auch <strong>die</strong> kontroversen<br />
Fra<strong>ge</strong>n müssten jedoch<br />
„im Ge<strong>ist</strong>e der Brüderlichkeit<br />
und des <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>n<br />
Respekts“ zur Sprache <strong>ge</strong>bracht<br />
werden. Hierbei müsse<br />
der Glauben im Zentrum<br />
stehen. Anderenfalls reduziere<br />
sich <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte ökumenische<br />
Bewegung auf „e<strong>in</strong>e Art<br />
Gesellschaftsvertrag“, und der<br />
Glauben verkomme zum bloßen<br />
Moralismus. Als „neue<br />
akon <strong>ge</strong>weiht (Bild 1). Unsere Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />
hat an der Weiheliturgie mit<br />
je e<strong>in</strong>er Abordnung des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates<br />
Köln I und des GKS-Kreises<br />
Köln teil<strong>ge</strong>nommen (Bild 2). Auch<br />
bei der E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> der Heimat<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />
unseres neuen Diakons, St.<br />
Bonifatius <strong>in</strong> Freckenhorst, waren wir<br />
am ersten Adventssonntag natürlich<br />
mit jeweils e<strong>in</strong>er Abordnung vertreten.<br />
Glücklicherweise fand <strong>ge</strong>nau an<br />
<strong>die</strong>sem Wochenende das Familienwochenende<br />
des PGR Köln I <strong>in</strong> Günne<br />
am Möhnesee statt. So nutzten <strong>die</strong>se<br />
Im ökumenischen Gespräch auch<br />
stritti<strong>ge</strong> Fra<strong>ge</strong>n behandeln<br />
Herausforderung auf dem ökumenischen<br />
Weg“ bezeichnete<br />
der Papst <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />
Positionen der chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Kirchen zu grundle<strong>ge</strong>nden<br />
ethischen Fra<strong>ge</strong>n. Die Kirchen<br />
müssten sich zu Themenfeldern<br />
wie etwa Lebensschutz,<br />
Familie, Sexualität und Bioethik<br />
mit „e<strong>in</strong>er Stimme“ äußern,<br />
forderte er.<br />
Zugleich wandte sich Benedikt<br />
XVI. <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>e Überbewertung<br />
ökumenischer Arbeitspapiere.<br />
Die von Kommissionen<br />
und anderen Gremien<br />
erstellten Dokumente<br />
seien zwar von großer Bedeutung<br />
und dürften nicht ignoriert<br />
werden. Es müsse jedoch stets<br />
klar se<strong>in</strong>, dass es sich nur um<br />
vorläufi<strong>ge</strong> Beiträ<strong>ge</strong> handele.<br />
Ihre abschließende Bewertung<br />
oblie<strong>ge</strong> alle<strong>in</strong> den zuständi<strong>ge</strong>n<br />
kirchlichen Autoritäten.<br />
Solchen Dokumenten von<br />
vornehere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e maß<strong>ge</strong>bliche<br />
Bedeutung beizumessen, „wäre<br />
Gele<strong>ge</strong>nheit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>, direkt vom nahe<strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nen<br />
Günne aus, aber auch extra<br />
durch den Pfarrhelfer Willi Jung<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzten Bus aus Köln, an <strong>die</strong>sem<br />
Gottes<strong>die</strong>nst teilzunehmen.<br />
Mittlerweile <strong>ist</strong> der neue Diakon<br />
Mart<strong>in</strong> Kofoth bereits tatkräftig im<br />
E<strong>in</strong>satz, sei es bei der Chr<strong>ist</strong>mette am<br />
24.12.2011 <strong>in</strong> Lon<strong>ge</strong>rich oder beim<br />
Friedensgottes<strong>die</strong>nst im Kölner Dom<br />
am 12.01.2012 unter der Leitung von<br />
Kard<strong>in</strong>al Meissner.<br />
(Text: Walter Raab, Fotos:<br />
Erich Poppenborg)<br />
auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er vollständi<strong>ge</strong>n<br />
E<strong>in</strong>heit im Glauben nicht<br />
hilfreich“. Das „entscheidende<br />
Problem“ im ökumenischen<br />
Gespräch sieht Benedikt XVI.<br />
<strong>in</strong> der Fra<strong>ge</strong> nach der „Struktur<br />
der chr<strong>ist</strong>lichen Offenbarung“.<br />
Es müsse <strong>ge</strong>klärt werden,<br />
<strong>in</strong> welchem Verhältnis Bibel,<br />
lebendi<strong>ge</strong> kirchliche Tradition<br />
und kirchliches Lehramt<br />
zue<strong>in</strong>anderstehen. Von<br />
entscheidender Bedeutung sei<br />
hierbei der Unterschied zwischen<br />
Tradition und Traditionen.<br />
Auch unter dem Dach<br />
e<strong>in</strong>er Kirche könne es durchaus<br />
unterschiedliche Traditionen<br />
<strong>ge</strong>ben. Dies zei<strong>ge</strong> etwa der<br />
Übertritt ehemali<strong>ge</strong>r Anglikaner<br />
zur katholischen Kirche.<br />
Diese hätten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er besonderen<br />
Kirchenstruktur spirituelle,<br />
liturgische und pastorale<br />
Traditionen beibehalten, <strong>die</strong> im<br />
E<strong>in</strong>klang mit der katholischen<br />
Lehre stünden.<br />
(KNA)<br />
26 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
Islam im Wandel?<br />
s <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religi-<br />
„Eon“ (Sure 2,256): Gewährt der<br />
Islam Glaubensfreiheit? Nur dann,<br />
wenn es um <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung zum Islam<br />
<strong>ge</strong>ht. In der Re<strong>ge</strong>l halten Muslime<br />
ebenso wie Vertreter der islamischen<br />
Theologie <strong>die</strong> H<strong>in</strong>wendung<br />
e<strong>in</strong>es Menschen zum Islam für wünschenswert,<br />
während se<strong>in</strong>e Abwendung,<br />
se<strong>in</strong> „Abfall“ sehr negativ beurteilt<br />
wird. Das gilt umso mehr, wenn<br />
sich der „Apostat“ e<strong>in</strong>er anderen Religion<br />
zuwendet, wie etwa dem chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Glauben. Muslime, <strong>die</strong> offen<br />
bekennende Athe<strong>ist</strong>en oder Chr<strong>ist</strong>en<br />
werden oder e<strong>in</strong>er nicht anerkannten<br />
M<strong>in</strong>derheit wie den Baha’i an<strong>ge</strong>hören,<br />
sehen sich mit zahlreichen Schwierigkeiten<br />
konfrontiert:<br />
Oft steht ihre Familie ihrer Entscheidung<br />
mit völli<strong>ge</strong>m Unverständnis<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber und versucht, sie umzustimmen,<br />
bedroht oder verstößt sie<br />
sogar, denn Abfall bedeutet für sie<br />
Schande, Verrat und Skandal. Der<br />
Konvertit kann <strong>in</strong> den me<strong>ist</strong>en islamischen<br />
Ländern nach dem Gesetz<br />
enterbt werden, ihm droht <strong>die</strong> Zwangsscheidung,<br />
se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der können ihm<br />
entzo<strong>ge</strong>n werden, und er verliert oft<br />
se<strong>in</strong>e Arbeitsstelle und se<strong>in</strong> Zuhause.<br />
In dramatischen Fällen kann es soweit<br />
kommen, dass Mitglieder der Familie<br />
oder Gesellschaft selbst Hand an den<br />
Konvertiten le<strong>ge</strong>n und ihn misshandeln<br />
oder versuchen, ihn umzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />
Manche Muslime glauben, <strong>die</strong><br />
<strong>ge</strong>sellschaftliche Schande nicht ertra<strong>ge</strong>n<br />
zu können, andere hören vom<br />
Imam oder Mullah, dass es nach Schariarecht<br />
<strong>die</strong> Pflicht jedes Gläubi<strong>ge</strong>n<br />
sei, Konvertiten auch ohne Gerichtsverhandlung<br />
zu töten.<br />
So <strong>ge</strong>hört der Vorwurf des Unglaubens,<br />
des Abfalls vom Islam und der<br />
Blasphemie <strong>in</strong> islamisch <strong>ge</strong>prägten<br />
Gesellschaften zu den fol<strong>ge</strong>nschwersten<br />
Ankla<strong>ge</strong>n überhaupt. Nicht immer<br />
zielt er darauf ab, dass e<strong>in</strong>e Person<br />
den Islam verlassen oder sich der<br />
Gotteslästerung schuldig <strong>ge</strong>macht hat.<br />
Er richtet sich auch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n missliebi<strong>ge</strong><br />
politische Gegner oder wird benutzt,<br />
um Besitz zu erpressen. Dies <strong>ist</strong> besonders<br />
<strong>in</strong> Pak<strong>ist</strong>an der Fall, wo <strong>die</strong><br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
„Es <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />
ab 1980 schrittweise e<strong>in</strong><strong>ge</strong>führten<br />
Blasphemie<strong>ge</strong>setze als scharfe Waffe<br />
benutzt werden, um vor allem M<strong>in</strong>derheiten<br />
wie <strong>die</strong> Ahmadiya und Chr<strong>ist</strong>en<br />
unter Druck zu setzen. Dort haben bereits<br />
mehrere Politiker – bisher ver<strong>ge</strong>blich<br />
– versucht, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />
zu entschärfen.<br />
So wurde Shabazz Bhatti, M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er<br />
für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten und<br />
Mitglied der regierenden Pak<strong>ist</strong>an<br />
Peoples Party (PPP), <strong>in</strong> Islamabad am<br />
02.03.2011 ermordet, nachdem er an<strong>ge</strong>kündigt<br />
hatte, <strong>die</strong> Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />
revi<strong>die</strong>ren zu wollen. Auf dem Weg<br />
zu se<strong>in</strong>em M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium war er von drei<br />
Attentätern aus se<strong>in</strong>em Wa<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>zerrt<br />
und <strong>in</strong> aller Öffentlichkeit h<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet<br />
worden. Die Terrorgruppierung<br />
Tehrik-i Taliban Pak<strong>ist</strong>an (TTP) übernahm<br />
<strong>die</strong> Verantwortung für <strong>die</strong> Tat.<br />
Das M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium für Religiöse M<strong>in</strong>derheiten<br />
wurde von der Regierung<br />
daraufh<strong>in</strong> auf<strong>ge</strong>löst. Die regierende<br />
Pak<strong>ist</strong>an Peoples Party (PPP) verurteilte<br />
<strong>die</strong> Taten nur verhalten und zog<br />
nach hefti<strong>ge</strong>n Straßenprotesten ihren<br />
Antrag auf Revision der Blasphemie<strong>ge</strong>setze<br />
im Parlament zurück.<br />
Koran, Überlieferung und Theologie<br />
über den Abfall<br />
Zwar sagt der Koran: „Es gibt<br />
ke<strong>in</strong>en Zwang <strong>in</strong> der Religion“<br />
(Sure 2,256). Auch haben muslimische<br />
Theolo<strong>ge</strong>n im Laufe der Geschichte<br />
der Koranauslegung häufig<br />
betont, dass niemand zur Konversion<br />
zum Islam <strong>ge</strong>zwun<strong>ge</strong>n werden dürfe.<br />
Das spie<strong>ge</strong>lt sich auch m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong><br />
Teilen der islamischen Eroberungs<strong>ge</strong>schichte<br />
wider. Chr<strong>ist</strong>en und Juden<br />
durften <strong>in</strong> den von Muslimen eroberten<br />
Gebieten <strong>in</strong> der Re<strong>ge</strong>l ihren<br />
Glauben und ihre religiöse Autonomie<br />
behalten, mussten also nicht konvertieren,<br />
wurden dafür aber „Schutzbefohlene“<br />
(dhimmi), <strong>die</strong> Sondersteuern<br />
entrichten und sich unterwerfen<br />
mussten. Sure 2,256 bedeutet nach<br />
überwie<strong>ge</strong>nder Me<strong>in</strong>ung der Theolo<strong>ge</strong>n<br />
aber nicht, dass der Islam für<br />
den freien Religionswechsel, für Religionsfreiheit<br />
im umfassenden S<strong>in</strong>ne<br />
oder <strong>die</strong> Gleichberechtigung aller<br />
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
Religionen e<strong>in</strong>treten würde. So waren<br />
Juden und Chr<strong>ist</strong>en im Laufe der Geschichte<br />
im islamisch eroberten Gebiet<br />
Geduldete, Bür<strong>ge</strong>r zweiter Klasse<br />
und rechtlich Benachteiligte, da<br />
sie e<strong>in</strong>er durch den Islam überholten<br />
– und durch <strong>die</strong> Abweichun<strong>ge</strong>n vom<br />
Islam als verfälscht beurteilten – Religion<br />
anh<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />
In der Tatsache, dass schon der<br />
Koran das Juden- und Chr<strong>ist</strong>entum<br />
als m<strong>in</strong>derwerti<strong>ge</strong> Religionen ansieht,<br />
liegt e<strong>in</strong> Grund, warum e<strong>in</strong>e Konversion<br />
zum Chr<strong>ist</strong>entum als grundle<strong>ge</strong>nd<br />
falsch gilt. Denn sie sche<strong>in</strong>t<br />
e<strong>in</strong> Rückschritt zu e<strong>in</strong>em überholten<br />
Glauben zu se<strong>in</strong>, der aus Sicht des Islam<br />
durch das Kommen des Islam und<br />
Muhammad, das „Sie<strong>ge</strong>l der Propheten“<br />
(Sure 33,40), ab<strong>ge</strong>löst wurde. Die<br />
„Kairoer Erklärung der Menschenrechte“<br />
nennt <strong>in</strong> Art. 10 den Islam<br />
„<strong>die</strong> Religion der re<strong>in</strong>en Wesensart“.<br />
Zudem gilt das Chr<strong>ist</strong>entum oft als<br />
„westliche“ Religion, als Religion<br />
der Kreuzfahrer und Kolonialherren,<br />
und wird mit westlich-politischer Dom<strong>in</strong>anz<br />
verknüpft.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Grund für <strong>die</strong> Ablehnung<br />
des freien Religionswechsels<br />
liegt <strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong> Abwendung<br />
vom Islam von vielen Muslimen<br />
nicht als Privatan<strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>nheit betrachtet<br />
wird, sondern als Schande für <strong>die</strong><br />
ganze Familie oder sogar als politisches<br />
Handeln, als Unruhestiftung,<br />
Aufruhr oder Kriegserklärung an <strong>die</strong><br />
muslimische Geme<strong>in</strong>schaft. Weil sich<br />
nach Muhammads Tod im Jahr 632<br />
mehrere Stämme auf der Arabischen<br />
Halb<strong>in</strong>sel, <strong>die</strong> den Islam zunächst<br />
an<strong>ge</strong>nommen hatten, wieder von ihm<br />
abwandten, bekämpfte Abu Bakr, der<br />
erste Kalif nach Muhammad, <strong>die</strong>se<br />
Stämme <strong>in</strong> den so<strong>ge</strong>nannten ridda-<br />
Krie<strong>ge</strong>n (Abfall-Krie<strong>ge</strong>n) und schlug<br />
ihren Aufstand erfolgreich nieder.<br />
Daher <strong>ist</strong> der Abfall vom Islam im<br />
kollektiven Gedächtnis der muslimischen<br />
Geme<strong>in</strong>schaft von der Frühzeit<br />
an mit politischem Aufruhr und Verrat<br />
verknüpft.<br />
Der Koran spricht e<strong>in</strong>erseits vom<br />
Unglauben der Menschen und vom<br />
„Abirren“ (2,108), dem der „Zorn Got-<br />
27
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
tes“ (9,74) sowie <strong>die</strong> „Strafe der Hölle“<br />
(4,115) drohen, def<strong>in</strong>iert aber ke<strong>in</strong><br />
irdisches Strafmaß und benennt ke<strong>in</strong><br />
Verfahren zur e<strong>in</strong>wandfreien Feststellung<br />
der Apostasie. E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> Verse<br />
sche<strong>in</strong>en sogar <strong>die</strong> freie Religionswahl<br />
nahezule<strong>ge</strong>n (z. B. 3,20), während andere,<br />
wie etwa Sure 4,88-89, Muslime<br />
ermahnen, <strong>die</strong> zu „greifen und zu töten“,<br />
<strong>die</strong> sich abwenden. E<strong>in</strong> vieldeuti<strong>ge</strong>r<br />
Textbefund also, der von e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n<br />
weni<strong>ge</strong>n muslimischen Theolo<strong>ge</strong>n so<br />
aus<strong>ge</strong>legt wird, dass der Koran volle<br />
Religionsfreiheit befürworte, während<br />
andere argumentieren, der Koran votiere<br />
für <strong>die</strong> Todesstrafe bei Abfall.<br />
Die bis zum 9./10. Jahrhundert<br />
zusammen<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne islamische Überlieferung<br />
verurteilt den Abfall schärfer<br />
und fordert nun auch e<strong>in</strong>deuti<strong>ge</strong>r<br />
<strong>die</strong> Todesstrafe. Dieser Forderung<br />
schließen sich bis zum 10. Jahrhundert<br />
<strong>die</strong> Gründer und Schüler der vier<br />
sunnitischen Rechtsschulen sowie<br />
der wichtigsten schiitischen an, so<br />
dass <strong>die</strong> Mehrzahl der e<strong>in</strong>flussreichen<br />
Theolo<strong>ge</strong>n der Frühzeit des Islam <strong>die</strong><br />
Todesstrafe bei Konversion fordert<br />
und <strong>die</strong>s <strong>in</strong> den Strafrechtstexten der<br />
Schariakompen<strong>die</strong>n niederlegt.<br />
Ob <strong>die</strong> Todesstrafe, besonders <strong>in</strong><br />
der Frühzeit des Islam, <strong>in</strong> jedem Fall<br />
vollzo<strong>ge</strong>n wurde, ob der Ab<strong>ge</strong>fallene<br />
Gele<strong>ge</strong>nheit zur Reue erhielt und wer<br />
überhaupt berechtigt war, den Abfall<br />
zu beurteilen und den Beschuldigten<br />
anzukla<strong>ge</strong>n und h<strong>in</strong>zurichten, <strong>ist</strong> aus<br />
der Geschichte nicht lückenlos zu rekonstruieren.<br />
Bis zum 19. Jahrhundert<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> konkrete Fälle von H<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n<br />
bekannt, aber auch Fälle<br />
von Begnadigun<strong>ge</strong>n.<br />
Im 20. Jahrhundert erhält <strong>die</strong> Thematik<br />
e<strong>in</strong>e ganz neue Bedeutung. Im<br />
Zusammenhang mit dem Aufkommen<br />
des Islamismus und der Forderung politisch-islamischer<br />
Kräfte, <strong>die</strong> Scharia<br />
<strong>in</strong> vollem Umfang zur Anwendung zu<br />
br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, erheben sich vermehrt Rufe<br />
nach der H<strong>in</strong>richtung von Apostaten.<br />
Progressive Koranausle<strong>ge</strong>r, Frauenrechtler<strong>in</strong>nen,<br />
Journal<strong>ist</strong>en und Autoren,<br />
Säkular<strong>ist</strong>en und An<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong><br />
von M<strong>in</strong>derheiten werden vermehrt<br />
we<strong>ge</strong>n Apostasie an<strong>ge</strong>zeigt. So kam<br />
es <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts <strong>in</strong> Ägypten zu m<strong>in</strong>destens<br />
50 Ankla<strong>ge</strong>n we<strong>ge</strong>n Apostasie<br />
vor Gericht (darunter der berühmte<br />
Fall Nasr Hamid Abu Zaid). E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong><br />
Theolo<strong>ge</strong>n forderten <strong>die</strong> E<strong>in</strong>führung<br />
der Todesstrafe im ägyptischen Recht.<br />
Heute vertreten muslimische<br />
Theolo<strong>ge</strong>n vor allem drei Positionen<br />
zur Fra<strong>ge</strong> der Apostasie: E<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit<br />
fordert wie der e<strong>in</strong>flussreiche pak<strong>ist</strong>anische<br />
Journal<strong>ist</strong> und politische<br />
Aktiv<strong>ist</strong> Abu l-A’la Maududi (<strong>ge</strong>st.<br />
1979) kompromisslos <strong>die</strong> Todesstrafe<br />
für jeden, der den Islam verlässt.<br />
E<strong>in</strong>e weitere M<strong>in</strong>derheit fordert wie<br />
der von den Malediven stammende<br />
Theolo<strong>ge</strong> Abdullah Saeed (<strong>ge</strong>b. 1960)<br />
unbed<strong>in</strong>gte Glaubensfreiheit, wozu<br />
auch <strong>die</strong> Freiheit <strong>ge</strong>hört, sich vom<br />
Islam ab- und e<strong>in</strong>er neuen Religion<br />
zuzuwenden.<br />
Die Mehrheit der Theolo<strong>ge</strong>n dürfte<br />
heute <strong>die</strong> Auffassung des <strong>in</strong>ternational<br />
e<strong>in</strong>flussreichen ägyptischen Gelehrten<br />
Yusuf al-Qaradawi (<strong>ge</strong>b. 1926)<br />
befürworten: Danach darf e<strong>in</strong> Muslim<br />
zwar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Innersten Zweifel he<strong>ge</strong>n,<br />
aber nicht darüber sprechen, zu<br />
e<strong>in</strong>er anderen Religion konvertieren<br />
oder versuchen, andere vom Islam<br />
abzuwerben. Auch <strong>die</strong> Scharia, den<br />
Islam, den Koran oder Muhammad<br />
darf er <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Aspekt kritisieren.<br />
Tut er <strong>die</strong>s, wird das <strong>in</strong> der Re<strong>ge</strong>l als<br />
Aufruhrstiftung, Verrat und Entzweiung<br />
der muslimischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />
betrachtet, <strong>die</strong> unterbunden und bestraft<br />
werden muss; al-Qaradawi hält<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong> Todesstrafe für verpflichtend.<br />
Er deklariert das Ge<strong>ge</strong>nteil<br />
von Religionsfreiheit als „Religionsfreiheit“.<br />
Kommt <strong>die</strong> Religionsfreiheit<br />
durch <strong>die</strong> Arabellion?<br />
Die rechtliche und <strong>ge</strong>sellschaftliche<br />
Situation <strong>ist</strong> von Land zu<br />
Land sehr verschieden: Der Nordsudan<br />
etwa bedroht den Abtrünni<strong>ge</strong>n per<br />
Gesetz mit der Todesstrafe. In Ägypten<br />
ex<strong>ist</strong>iert zwar per Gesetz Glaubensfreiheit,<br />
aber an<strong>ge</strong>sehene Gelehrte<br />
der al-Azhar haben verschiedentlich<br />
zur H<strong>in</strong>richtung von Ab<strong>ge</strong>fallenen<br />
auf<strong>ge</strong>rufen. In der Türkei<br />
schließt das Gesetz auch <strong>die</strong> Freiheit<br />
e<strong>in</strong>, sich öffentlich zu se<strong>in</strong>em Glauben<br />
zu bekennen, auch wenn <strong>die</strong>ser<br />
durch Konversion an<strong>ge</strong>nommen wurde.<br />
Gesellschaftliche Nachteile und<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung aber s<strong>in</strong>d überall<br />
zu erwarten.<br />
Obwohl es sie viel kostet, kritisieren<br />
manche Muslime <strong>die</strong> traditio-<br />
nelle Auslegung des Islam, pran<strong>ge</strong>rn<br />
mutig den Man<strong>ge</strong>l an Menschen- oder<br />
speziell Frauenrechten an (was ihnen<br />
gleichermaßen den Vorwurf des Abfalls<br />
e<strong>in</strong>br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n kann) oder wenden<br />
sich dem chr<strong>ist</strong>lichen Glauben zu.<br />
Manche werden unter Druck <strong>ge</strong>setzt,<br />
müssen außer Landes fliehen, andere<br />
werden <strong>in</strong>haftiert, <strong>ge</strong>foltert, we<strong>ge</strong>n<br />
zu Unrecht erhobener Ankla<strong>ge</strong>n wie<br />
Dro<strong>ge</strong>nhandel oder Spiona<strong>ge</strong> verurteilt<br />
oder sogar um<strong>ge</strong>bracht. Manche<br />
Konvertiten kehren später we<strong>ge</strong>n des<br />
großen <strong>ge</strong>sellschaftlichen Drucks, der<br />
ihnen vor Ort kaum e<strong>in</strong>e legale Ex<strong>ist</strong>enz<br />
als Andersgläubi<strong>ge</strong> ermöglicht,<br />
wieder zum Islam zurück. Um<strong>ge</strong>kehrt<br />
konvertieren sowohl <strong>in</strong> islamisch <strong>ge</strong>prägten<br />
Gesellschaften als auch <strong>in</strong><br />
westlichen Ländern nom<strong>in</strong>elle oder<br />
auch praktizierende Chr<strong>ist</strong>en zum Islam,<br />
teilweise im Zu<strong>ge</strong> e<strong>in</strong>er Eheschließung,<br />
aber nicht nur deshalb.<br />
E<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> <strong>die</strong>ser Konvertiten <strong>ge</strong>rieten<br />
unter den E<strong>in</strong>fluss radikaler Predi<strong>ge</strong>r<br />
und haben als Jihad-Kämpfer <strong>in</strong><br />
Afghan<strong>ist</strong>an oder Pak<strong>ist</strong>an von sich<br />
reden <strong>ge</strong>macht.<br />
Fehlende Religionsfreiheit <strong>ge</strong>ht<br />
immer e<strong>in</strong>her mit fehlenden politischen<br />
wie persönlichen Freiheitsrechten.<br />
Religionsfreiheit <strong>ist</strong> noch längst<br />
nicht <strong>in</strong> allen Teilen der Welt e<strong>in</strong>e<br />
Selbstverständlichkeit. An<strong>ge</strong>sichts e<strong>in</strong>er<br />
<strong>ge</strong>wählten islam<strong>ist</strong>ischen Mehrheit<br />
im Parlament wie <strong>in</strong> Ägypten nach<br />
der Arabellion, <strong>die</strong> an der E<strong>in</strong>heit von<br />
Religion und Staat festhalten wird,<br />
sche<strong>in</strong>t sie sich auch dort auf absehbare<br />
Zeit nicht anzubahnen.<br />
(Pressemitteilung des Institutes<br />
für Islamfra<strong>ge</strong>n der Deutschen<br />
Evan<strong>ge</strong>lischen Allianz e.V.)<br />
Redaktionsschluss für<br />
AUFTRAG 286<br />
Freitag, 1. Juni 2012<br />
28 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
Islam im Wandel?<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Islamunterricht <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
VON BERTRAM BASTIAN<br />
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
Seit den 60er Jahren leben Muslime <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Zuerst als Gastarbeiter alle<strong>in</strong>, dann zo<strong>ge</strong>n ihre Familien<br />
nach und so leben heute ca. 3,3 Mio Muslime (Anzahl 2003) <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, darunter zahlreiche schulpflichti<strong>ge</strong><br />
K<strong>in</strong>der. Im Schuljahr 2012/2013 wird <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e<strong>in</strong> Islamunterricht an<strong>ge</strong>boten<br />
werden, im Schuljahr 2013/2014 wird Niedersachsen <strong>die</strong>sem Beispiel fol<strong>ge</strong>n. Bisher fanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Bundesländern<br />
Schulversuche an aus<strong>ge</strong>wählten E<strong>in</strong>richtun<strong>ge</strong>n statt, <strong>die</strong> aber nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit der muslimischen<br />
Schüler erreichte.<br />
All<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>e rechtliche Betrachtun<strong>ge</strong>n<br />
Das Grund<strong>ge</strong>setz der Bundesrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong> sagt im Art. 3,<br />
dass niemand we<strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>er Religionszu<strong>ge</strong>hörigkeit<br />
benachteiligt oder bevorzugt<br />
werden darf. Im Art. 4, Abs.<br />
2 sagt das Grund<strong>ge</strong>setz, dass <strong>die</strong> un<strong>ge</strong>störte<br />
Religionsausübung <strong>ge</strong>währle<strong>ist</strong>et<br />
werde. Im Art. 7, Abs. 3 wird<br />
der Gesetz<strong>ge</strong>ber noch deutlicher, dort<br />
steht: „Der Religionsunterricht <strong>ist</strong> <strong>in</strong><br />
den öffentlichen Schulen mit Ausnahme<br />
der bekenntnisfreien Schulen<br />
ordentliches Lehrfach. Unbeschadet<br />
des staatlichen Aufsichtsrechtes wird<br />
der Religionsunterricht <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
mit den Grundsätzen der<br />
Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaften erteilt. Ke<strong>in</strong><br />
Lehrer darf <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n se<strong>in</strong>en Willen verpflichtet<br />
werden, Religionsunterricht<br />
zu erteilen.“ Weil <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> der<br />
Staat zur weltanschaulichen Neutralität<br />
verpflichtet <strong>ist</strong>, können <strong>die</strong> Inhalte<br />
des Religionsunterrichtes nur von den<br />
Kirchen und Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaften<br />
selbst fest<strong>ge</strong>legt werden. Jeder<br />
hat demzufol<strong>ge</strong> das Recht, se<strong>in</strong>e Religion<br />
zu praktizieren, der Staat muss<br />
dafür Sor<strong>ge</strong> tra<strong>ge</strong>n, dass er es auch tun<br />
kann. Andere Religionen oder Überzeugun<strong>ge</strong>n<br />
dürfen darunter nicht leiden.<br />
Dabei dürfen unveränderliche<br />
Menschenrechte nicht <strong>ge</strong>schmälert<br />
oder gar außer Kraft <strong>ge</strong>setzt werden.<br />
Der Art. 140 des Grund<strong>ge</strong>setzes<br />
legt fest, dass <strong>die</strong> Art. 136, 137, 138,<br />
139 und 141 der deutschen Verfassung<br />
vom 11. August 1919 Bestandteile<br />
des Grund<strong>ge</strong>setzes s<strong>in</strong>d. Dar<strong>in</strong><br />
wird unter anderem auch bestimmt,<br />
dass es ke<strong>in</strong>e Staatskirche <strong>ge</strong>be. Die<br />
Religions<strong>ge</strong>sellschaften erwerben ihre<br />
Rechtsfähigkeit nach den all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en<br />
Vorschriften des bür<strong>ge</strong>rlichen Rechtes<br />
und s<strong>in</strong>d nach Anerkennung Körperschaften<br />
des öffentlichen Rech-<br />
tes. Dadurch er<strong>ge</strong>ben sich besondere<br />
Rechte und Pflichten. Über <strong>die</strong> Probleme<br />
der Anerkennung des Islam als<br />
Religions<strong>ge</strong>sellschaft hat der AUF-<br />
TRAG 266 ab Seite 59 ausführlich<br />
berichtet.<br />
Katholische Kirche <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Die Deutsche Bischofskonferenz<br />
hat im Jahr 2003 <strong>die</strong> Arbeitshilfe<br />
172 „Chr<strong>ist</strong>en und Muslime <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>“ heraus<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben. Dar<strong>in</strong><br />
wird beschrieben, wie <strong>in</strong> Schulen<br />
<strong>in</strong> katholischer Trä<strong>ge</strong>rschaft das<br />
Thema „Islam“ im Religionsunterricht<br />
behandelt wird. Hier liegt e<strong>in</strong><br />
Schwerpunkt, <strong>die</strong> Religion des Anderen<br />
kennen zu lernen, wobei <strong>die</strong><br />
Grundpflichten des Islam ebenso <strong>ge</strong>lehrt<br />
werden wie <strong>die</strong> Geschichte des<br />
Islam. Durch <strong>die</strong>se Unterrichtung lernen<br />
<strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Menschen zwischen<br />
den religiösen Lehren e<strong>in</strong>erseits und<br />
den ethischen Werten des Islam zu<br />
unterscheiden. E<strong>in</strong>er politischen Instrumentalisierung<br />
wird somit ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<strong>ge</strong>wirkt.<br />
Grundla<strong>ge</strong> des Dialo<strong>ge</strong>s<br />
zwischen den Religionen müssen <strong>die</strong><br />
all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en Menschenrechte se<strong>in</strong>,<br />
ohne E<strong>in</strong>schränkun<strong>ge</strong>n oder Hervorhebun<strong>ge</strong>n.<br />
In der Ziffer 319 führt <strong>die</strong><br />
Arbeitshilfe aus, dass das Chr<strong>ist</strong>entum<br />
<strong>in</strong> den beiden letzten Jahrhunderten<br />
durch <strong>die</strong> Säkularisierung <strong>ge</strong>gan<strong>ge</strong>n<br />
sei und lernen musste, dass Religion<br />
nicht Herrschaftsordnung se<strong>in</strong><br />
könne. Für viele Muslime <strong>ist</strong> h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e en<strong>ge</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen Religion,<br />
Staat und Rechtswesen durch<br />
den Koran vor<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben.<br />
Das Zentralkomitee der deutschen<br />
Katholiken hat den Gesprächskreis<br />
„Chr<strong>ist</strong>en und Muslime“ seit<br />
dem Jahr 2000 e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet, der aus<br />
elf Chr<strong>ist</strong>en und acht Muslimen besteht.<br />
In e<strong>in</strong>er Erklärung aus dem Jahr<br />
2008 nimmt der Gesprächskreis auch<br />
zum islamischen Unterricht <strong>in</strong> Schulen<br />
Stellung. Dabei führt er richti<strong>ge</strong>rweise<br />
aus, dass der Islam über ke<strong>in</strong>e<br />
organisatorischen Strukturen wie <strong>die</strong><br />
Kirchen verfügt. Die Moscheenverbände<br />
s<strong>in</strong>d als Vere<strong>in</strong>e reg<strong>ist</strong>riert,<br />
der Dachverband „Koord<strong>in</strong>ierungsrat<br />
der Muslime“ vertritt nicht <strong>die</strong> Mehrheit,<br />
da viele Muslime <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en<br />
nicht reg<strong>ist</strong>riert s<strong>in</strong>d. Somit fehlt<br />
der staatlichen Institution der Ansprechpartner<br />
auf islamischer Seite,<br />
um Vere<strong>in</strong>barun<strong>ge</strong>n zu treffen. Trotzdem<br />
spricht sich der Gesprächskreis<br />
dafür aus, sich <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig zu unterstützen,<br />
um e<strong>in</strong>en dialogisch aus<strong>ge</strong>richteten<br />
konfessionellen Religionsunterricht<br />
<strong>in</strong> ökumenischer und <strong>in</strong>terreligiöser<br />
Offenheit e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Durchführung des islamischen<br />
Religionsunterrichtes<br />
Wer Unterricht erteilen will, benötigt<br />
Lehrkräfte. Diese wurden<br />
bisher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kurs „Islamkunde“<br />
vom Staat zertifiziert. Der Unterricht<br />
wird <strong>in</strong> deutscher Sprache <strong>ge</strong>halten,<br />
er wird nach Lehrplänen stattf<strong>in</strong>den,<br />
<strong>die</strong> vom Staat <strong>ge</strong>billigt werden müssen,<br />
denn Schulunterricht obliegt der<br />
staatlichen Aufsicht. Um <strong>die</strong> Ausbildung<br />
von befähigten Lehrern zu fördern,<br />
hat nicht nur <strong>die</strong> Universität<br />
Münster e<strong>in</strong>e Stu<strong>die</strong>nordnung erarbeitet.<br />
Inzwischen werden Stu<strong>die</strong>ngän<strong>ge</strong><br />
für islamische Religionslehre<br />
an den Universitäten Erlan<strong>ge</strong>n-Nürnberg,<br />
Münster und Osnabrück an<strong>ge</strong>boten,<br />
wo jeweils auch e<strong>in</strong> Lehrstuhl<br />
e<strong>in</strong><strong>ge</strong>richtet wurde. Es wird also zukünftig<br />
an Hochschulen aus<strong>ge</strong>bildete<br />
Lehrer für islamischen Religionsunterricht<br />
<strong>ge</strong>ben.<br />
Damit wäre <strong>die</strong> Seite der Unterrichtenden<br />
<strong>ge</strong>klärt. Wer legt <strong>die</strong> In-<br />
29
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
halte fest? Die Rolle des Ansprechpartners,<br />
übernimmt <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-<br />
Westfalen (NRW) e<strong>in</strong> staatsunabhängi<strong>ge</strong>r<br />
Beirat, der <strong>ge</strong>mäß ersatzweise<br />
<strong>die</strong> Funktion e<strong>in</strong>er Religions<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft.<br />
Dieser Beirat besteht aus <strong>in</strong>s<strong>ge</strong>samt<br />
acht Mitgliedern, vier werden<br />
von den muslimischen Organisationen<br />
bestimmt und müssen über theologisch,<br />
religionspädagogisch oder islam-wissenschaftlich<br />
qualifiziert se<strong>in</strong>.<br />
Die restlichen vier Mitglieder werden<br />
vom Schulm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium bestimmt. Zwei<br />
ebenfalls religionspädagogisch oder<br />
islam-wissenschaftlich qualifizierte<br />
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens<br />
und zwei muslimische Religions<strong>ge</strong>lehrte.<br />
Der Beirat soll <strong>die</strong> Anlie<strong>ge</strong>n<br />
der islamischen Glaubens<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />
vertreten und beim Erstellen<br />
der Unterrichtsvorgaben und der<br />
Auswahl der Lehrmittel und Lehrkräfte<br />
mitwirken. In allen Fra<strong>ge</strong>n hat nur<br />
das Schulm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium <strong>die</strong> Entscheidungsbefugnis.<br />
Diese Übergangsre<strong>ge</strong>lung<br />
<strong>ist</strong> im neuen Schul<strong>ge</strong>setz <strong>in</strong><br />
NRW im Artikel 132 a fest<strong>ge</strong>legt. Im<br />
Artikel 133 <strong>ist</strong> fest<strong>ge</strong>schrieben, dass<br />
Cartellverband der katholischen Deutschen Studentenverb<strong>in</strong>dun<strong>ge</strong>n (CV)<br />
Me<strong>die</strong>nfachtagung des CV im Kloster Banz<br />
<strong>die</strong>se E<strong>in</strong>führung des islamischen Religionsunterrichtes<br />
wissenschaftlich<br />
begleitet und aus<strong>ge</strong>wertet werden soll.<br />
Dem Landtag <strong>ist</strong> bis zum 31. Juli 2018<br />
darüber zu berichten.<br />
Die Durchführung von konfessions<strong>ge</strong>bundenem<br />
Religionsunterricht<br />
für <strong>die</strong> jun<strong>ge</strong>n Muslime <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
kann e<strong>in</strong> wesentlicher Schlüssel<br />
für <strong>die</strong> Integration se<strong>in</strong>. Auf dem<br />
Boden des Grund<strong>ge</strong>setzes können<br />
Grundla<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>legt werden für e<strong>in</strong> konfliktfreies<br />
Nebene<strong>in</strong>ander verschiedener<br />
Ansichten. ❏<br />
– Aufklärung – Unterhaltung – Special Interest. Welche Rolle spielt zwischen <strong>die</strong>sen Kräften<br />
noch <strong>die</strong> Orientierung an Werten?“ Mit <strong>die</strong>sem ausführlichen Titel beschäftigten sich an der Hanns<br />
„Sensation<br />
Seidel Stiftung <strong>in</strong> Kooperation mit dem CV rund fünfzig Teilnehmer vom 4. bis 6. November 2011<br />
Nach der Begrüßung durch Roswitha<br />
Weiß von der Hanns Seidel<br />
Stiftung und durch Wolfgang Braun<br />
vom CV trug der ehemali<strong>ge</strong> Intendant<br />
des Bayerischen Rundfunks, Prof. Dr.<br />
Albert Scharf zum Thema „Der Journalismus<br />
im Zug der Zeiten und Technologien“<br />
vor. Aus se<strong>in</strong>er langjähri<strong>ge</strong>n<br />
Erfahrung stellte er <strong>die</strong> Aufgabe des<br />
Journal<strong>ist</strong>en vor, der der Freiheit <strong>die</strong>nen<br />
sollte. Indem er den zu <strong>in</strong>formierenden<br />
Menschen <strong>die</strong> Welt vermittelt,<br />
wie er sie sieht. Indem er Missbräuche<br />
aufzeigt, H<strong>in</strong>tergründe erklärt, Akzente<br />
setzt. Dies bedeute, der Journal<strong>ist</strong><br />
müsse e<strong>in</strong>en Standpunkt haben,<br />
der dem Publikum bekannt se<strong>in</strong><br />
müsse, damit <strong>die</strong> richti<strong>ge</strong> E<strong>in</strong>ordnung<br />
der Information erfol<strong>ge</strong>, führte Prof.<br />
Scharf aus. Dabei kommt allerd<strong>in</strong>gs<br />
auch zum Tra<strong>ge</strong>n, dass Zeitun<strong>ge</strong>n und<br />
Verla<strong>ge</strong> heute wirtschaftliche Unternehmen<br />
se<strong>in</strong>e, <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />
aus<strong>ge</strong>richtet seien. Während früher<br />
Zeit zur Reflektion, Berichterstattung<br />
unter Beachtung des Zeit<strong>ge</strong><strong>ist</strong>es und<br />
vor allem der Zeitpunkt e<strong>in</strong>er Veröffentlichung<br />
e<strong>in</strong>e große Rolle spielten,<br />
setze heut <strong>die</strong> Globalisierung den Berichtenden<br />
unter Zeitdruck unter der<br />
Maxime: Verkauft es sich? Dadurch<br />
resultierenden Vorbehalten <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
den Journal<strong>ist</strong>en könne man nur be-<br />
<strong>ge</strong>gnen durch sorgfälti<strong>ge</strong> Recherche<br />
(trotz Zeitdruck), klare Sprache sowie<br />
e<strong>in</strong>en spürbaren D<strong>ist</strong>anz des Berichtenden<br />
<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber dem Bericht selbst.<br />
Das Programm setzte am Samstagvormittag<br />
Birgit Wentzien, Leiter<strong>in</strong><br />
des Hauptstadtstudios des SWR-<br />
Hörfunks fort. Sie referierte über<br />
„Hauptstadtjournalismus zwischen<br />
Vertraulichkeit, Enthüllung und politischer<br />
Aufklärung“. Der Journal<strong>ist</strong><br />
sei Mittler zwischen den Politikern<br />
und den Bür<strong>ge</strong>r (Wähler), begann <strong>die</strong><br />
Referent<strong>in</strong> ihren Vortrag. Dabei habe<br />
der Bür<strong>ge</strong>r teilweise Erwartun<strong>ge</strong>n an<br />
<strong>die</strong> Politiker, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se nicht erfüllen<br />
könnten (Fraktionszwang, Koalitionskompromisse),<br />
was letztendlich dazu<br />
führen könne, dass der Bür<strong>ge</strong>r sich<br />
von der repräsentativen Demokratie<br />
abwende. Durch e<strong>in</strong>e „Überhöhung“<br />
von M<strong>in</strong>derheiten aber auch<br />
Kle<strong>in</strong>igkeiten könnten Wichtigkeiten<br />
um<strong>ge</strong>kehrt werden, führte Birgit<br />
Wentzien aus. E<strong>in</strong> Beispiel sei das<br />
Gespräch zwischen Helmut Schmidt<br />
und Peer Ste<strong>in</strong>brück <strong>ge</strong>wesen. Hier<br />
sei dem Leser oder Zuschauer nur<br />
noch <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, dass das Schachbrett<br />
falsch auf<strong>ge</strong>stellt <strong>ge</strong>wesen war,<br />
der ei<strong>ge</strong>ntliche politische Inhalt des<br />
Gespräches sei davon verdrängt worden,<br />
erklärte sie <strong>die</strong>ses Phänomen.<br />
Beim „Kampf um <strong>die</strong> Aufmerksamkeit“<br />
se<strong>in</strong>e Schlagzeilen <strong>ge</strong>fragt, <strong>die</strong><br />
Aufla<strong>ge</strong>n br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n würden, dabei verkümmere<br />
der Sprach<strong>ge</strong>brauch. „Wer<br />
se<strong>in</strong>e Sprache nicht beherrscht, kann<br />
nicht <strong>in</strong>formieren und aufklären“ sagte<br />
<strong>die</strong> Leiter<strong>in</strong> des Hauptstadtstudios.<br />
Im Anschluss trug Prof. Dr. Michael<br />
Rutz zur Me<strong>die</strong>nlandschaft <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> vor. Er legte <strong>die</strong> neuesten<br />
Zahlen zur Me<strong>die</strong>nbenutzung vor,<br />
wobei <strong>in</strong>teressanterweise <strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>tme<strong>die</strong>n<br />
nach wie vor ihren Stellenwert<br />
behalten hätten. Der wachsende<br />
E<strong>in</strong>fluss des Internet sei <strong>ge</strong>rade bei<br />
den jün<strong>ge</strong>ren Konsumenten deutlich<br />
zu beobachten. Während früher <strong>die</strong><br />
Zeitung <strong>in</strong>formierte, was <strong>ge</strong>schehen<br />
war, <strong>ge</strong>schehe <strong>die</strong>s jetzt durch das<br />
Internet während <strong>die</strong> Zeitung erkläre,<br />
warum <strong>die</strong>s <strong>ge</strong>schehen sei. Diese<br />
Veränderung der Me<strong>die</strong>n würde<br />
begleitet durch <strong>die</strong> Veränderung des<br />
Verhaltens der Konsumenten. Es sei<br />
e<strong>in</strong>e wachsende Bildorientierung festzustellen,<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stei<strong>ge</strong>nden Unterhaltungsorientierung<br />
münde, führte<br />
Prof. Rutz aus. „Die Entwicklung <strong>ge</strong>ht<br />
zum Infota<strong>in</strong>ment“ sagte der Redner.<br />
Bei den Zeitun<strong>ge</strong>n hörte der Vortra<strong>ge</strong>nde<br />
„ke<strong>in</strong> Sterbeglöckle<strong>in</strong>“, wenn<br />
<strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>tme<strong>die</strong>n sich umstellen würden<br />
und auch im Internet Präsenz<br />
30 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
zeigten, um alle Gruppen zu erreichen.<br />
Lesen sei e<strong>in</strong>e universelle Kulture<strong>in</strong>richtung,<br />
schloss Michael Rutz<br />
se<strong>in</strong>en Vortrag.<br />
„Kirchliche Publiz<strong>ist</strong>ik – Zieht<br />
sich der Me<strong>in</strong>ungsträ<strong>ge</strong>r Kirche h<strong>in</strong>ter<br />
Kirchenmauern zurück?“ Unter <strong>die</strong>sem<br />
Thema brachte <strong>die</strong> Redaktionsleiter<strong>in</strong><br />
des „Zeit“ Supplements „Chr<strong>ist</strong><br />
und Welt“, Dr. Chr<strong>ist</strong>iane Flor<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Situation der katholischen Publiz<strong>ist</strong>ik<br />
den Zuhörern zur Kenntnis. E<strong>in</strong>e<br />
„Enthaltung“ sei der Kirche nicht<br />
möglich, denn sie sei immer im Fokus<br />
der Me<strong>die</strong>n. Dieses Interesse reiche<br />
von der Satire bis h<strong>in</strong> zur sach<strong>ge</strong>rechten<br />
Information, <strong>die</strong> es auch gäbe. Da<br />
sich Menschen für Menschen <strong>in</strong>teressieren<br />
würden, sei <strong>die</strong> Kirche dann<br />
<strong>in</strong>teressant, wenn es „<strong>in</strong>teressante“<br />
Kirchenvertreter gäbe, referierte Dr.<br />
Flor<strong>in</strong>. Somit müssten <strong>die</strong> Themen<br />
„personalisiert“ werden, damit <strong>die</strong><br />
Standpunkte dem Publikum auch im<br />
Gedächtnis haften würden. „Man verknüpft<br />
mit e<strong>in</strong>em Thema leichter e<strong>in</strong><br />
Gesicht als den Standpunkt mit vielen<br />
Facetten selbst“ führte <strong>die</strong> Redner<strong>in</strong><br />
aus. Während <strong>die</strong> kirchlichen<br />
Publikationen wie B<strong>ist</strong>umszeitun<strong>ge</strong>n<br />
immer weni<strong>ge</strong>r von den Menschen an<strong>ge</strong>nommen<br />
würden, seien E<strong>in</strong>zelpersönlichkeiten<br />
wie Pater Anselm Grün<br />
oder Margot Käßmann Bestsellerau-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
toren und nach<strong>ge</strong>fragt. Da werde sich<br />
<strong>die</strong> Kirche immer schwer tun, schloss<br />
Dr. Flor<strong>in</strong> ihren Vortrag.<br />
Vor dem Abendgottes<strong>die</strong>nst brachte<br />
der katholische Sozialethiker<br />
Pater Dr. Wolfgang Spndler das ethische<br />
Gerüst im Journalismus zur Sprache.<br />
Se<strong>in</strong> Thema war überschrieben:<br />
„Sprachlos vor dem Ge<strong>ist</strong>, ratlos vor<br />
der Tat“ (Karl Kraus) und drückte <strong>die</strong><br />
negative E<strong>in</strong>stellung von Karl Kraus1<br />
zum Ausdruck. Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Sozialethik führte der Redner<br />
aus, dass durch e<strong>in</strong>e Überhöhung<br />
der <strong>in</strong>dividuellen Ansprüche e<strong>in</strong>e Verdrehung<br />
des sozialen Geme<strong>in</strong>wohls<br />
stattfände. Als Beispiel führte er den<br />
Tierschutz aus, der e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert<br />
besäße, bei gleichzeiti<strong>ge</strong>r Negierung<br />
der Tötung von Föten (Abtreibung).<br />
Lebensweisen E<strong>in</strong>zelner<br />
würden zu all<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>en Moralvorstellun<strong>ge</strong>n.<br />
Freizügigkeit entarte zur Zü<strong>ge</strong>llosigkeit,<br />
ohne dass über <strong>die</strong> Fol<strong>ge</strong>n<br />
für das Geme<strong>in</strong>wohl nach<strong>ge</strong>dacht,<br />
<strong>ge</strong>schwei<strong>ge</strong> denn diskutiert würde.<br />
Zum Schluss legte der Redner den<br />
1 Karl Kraus (1874 – 1936), war e<strong>in</strong>er<br />
der bedeutendsten österreichischen<br />
Schriftsteller des beg<strong>in</strong>nenden 20.<br />
Jahrhunderts und e<strong>in</strong> scharfer Kritiker<br />
der Presse und des Hetzjournalismus<br />
oder, wie er selbst es ausdrückte, der<br />
Journaille<br />
Zentralkomitee der deutschen Katholiken<br />
Diakonat der Frau – E<strong>in</strong>e Chance für <strong>die</strong> Kirche<br />
Das Zentralkomitee der deutschen<br />
Katholiken (ZdK) hat nochmals<br />
für das Anlie<strong>ge</strong>n des Diakonats der<br />
Frau <strong>ge</strong>worben. Bei der <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit dem ZdK durch<strong>ge</strong>führten<br />
Veranstaltung des Katholischen Deutschen<br />
Frauenbundes „Tag der Diakon<strong>in</strong><br />
- Partnerschaftlich Kirche se<strong>in</strong>“<br />
am 29. April 2012 <strong>in</strong> Ulm sagte Dr.<br />
Claudia Lück<strong>in</strong>g-Michel, Vizepräsident<strong>in</strong><br />
des ZdK: „Die gleichberechtigte<br />
E<strong>in</strong>beziehung von Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong> volle<br />
Verantwortung für den Sendungsauftrag<br />
der Kirche <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> dr<strong>in</strong><strong>ge</strong>ndes<br />
Anlie<strong>ge</strong>n. Dies gilt nicht nur mit Blick<br />
auf <strong>die</strong> Frauen, sondern es <strong>ist</strong> vor allem<br />
e<strong>in</strong>e Überlebensfra<strong>ge</strong> für <strong>die</strong> Kirche.<br />
E<strong>in</strong>e Kirche, <strong>die</strong> Frauen nicht<br />
ihren Charismen entsprechend beteiligt,<br />
kann ihrem Auftrag, für das Heil<br />
der Menschen zu wirken, nicht im erforderlichen<br />
Maße <strong>ge</strong>recht werden.“<br />
Lück<strong>in</strong>g-Michel stellte heraus,<br />
dass zahlreiche mögliche positive Veränderun<strong>ge</strong>n<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>se Richtung ke<strong>in</strong>e<br />
theologischen, kirchenrechtlichen<br />
oder sonsti<strong>ge</strong>n Änderun<strong>ge</strong>n bräuchten.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus sei aber auch<br />
<strong>die</strong> konkrete Aus<strong>ge</strong>staltung der Ämtertheologie<br />
<strong>in</strong> den Blick zu nehmen<br />
und entsprechend den pastoralen Herausforderun<strong>ge</strong>n<br />
der Zeit im S<strong>in</strong>ne des<br />
kirchlichen Sendungsauftrags weiterzuentwickeln.<br />
Der Auftrag aller Chr<strong>ist</strong><strong>in</strong>nen<br />
und Chr<strong>ist</strong>en zur Diakonie bilde<br />
sich <strong>ge</strong>rade auch im sakramentalen<br />
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
Pressekodex des Presserates2 den<br />
Zuhörern ans Herz, denn nicht alles,<br />
was rechtlich zulässig wäre, sei auch<br />
ethisch vertretbar.<br />
Am Sonntagmor<strong>ge</strong>n beendete der<br />
Vortrag des Präsidenten der Bayerischen<br />
Landesanstalt für neue Me<strong>die</strong>n<br />
<strong>die</strong> 23. Me<strong>die</strong>nfachtagung des Cartellverbandes.<br />
Staatsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>er a.D. Siegfried<br />
Schneider sprach zum Thema:<br />
„Infota<strong>in</strong>ment, Quote usw.“ Er führte<br />
aus, dass <strong>die</strong> Notwendigkeit der unabhängi<strong>ge</strong>n<br />
Information zwar <strong>die</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Sender unabd<strong>in</strong>gbar<br />
machten, aber <strong>die</strong> Problematik sei <strong>die</strong><br />
gleiche wie bei den Privaten. Bei e<strong>in</strong>em<br />
An<strong>ge</strong>bot von über hundert Sendern,<br />
müsse sich der Sender nicht nur<br />
um den Zuschauer kümmern, er müsse<br />
zuerst e<strong>in</strong>mal <strong>ge</strong>funden werden.<br />
Das Internet sei mit den herkömmlichen<br />
Methoden nicht regulierbar,<br />
führte Siegfried Schneider aus. Zur<br />
Liberalisierung der Aufsicht müsse<br />
man national tun, was man tun könne,<br />
um danach e<strong>in</strong>e europäische Lösung<br />
zu f<strong>in</strong>den, beendete der Redner se<strong>in</strong>en<br />
Vortrag, der das Nebene<strong>in</strong>ander<br />
von öffentlich-rechtlichen und privaten<br />
Sendern als e<strong>in</strong>e sehr gute Wahl<br />
bezeichnete. ❏<br />
(Bertram Bastian)<br />
2 nachzulesen bei www.presserat.<strong>in</strong>fo<br />
Diakonat ab. „Da <strong>die</strong> diakonische Arbeit<br />
überwie<strong>ge</strong>nd von Frauen <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>et<br />
wird, s<strong>in</strong>d <strong>ge</strong>rade Frauen als Diakon<strong>in</strong>nen<br />
unverzichtbar.“<br />
Die ZdK-Vizepräsident<strong>in</strong> bezog<br />
sich <strong>in</strong> ihren Ausführun<strong>ge</strong>n auf <strong>die</strong><br />
im Herbst des vergan<strong>ge</strong>nen Jahres<br />
von der Vollversammlung des Zentralkomitees<br />
verabschiedete Erklärung<br />
„Für e<strong>in</strong> partnerschaftliches Zusammenwirken<br />
von Frauen und Männern<br />
<strong>in</strong> der Kirche“. Dar<strong>in</strong> setzt sich das<br />
ZdK unter anderem für den Diakonat<br />
der Frau e<strong>in</strong>. Dieses und alle weiteren<br />
Anlie<strong>ge</strong>n der Erklärung will es <strong>in</strong><br />
den Dialogprozess mit den deutschen<br />
Bischöfen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />
(Presseerklärung des ZdK)<br />
31
KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />
Ehemali<strong>ge</strong>r Soldat aus<strong>ge</strong>zeichnet<br />
Hauptmann a. D. Wilfried Puth hoch <strong>ge</strong>ehrt<br />
In e<strong>in</strong>er Feierstunde durfte Hauptmann a. D. Wilfried<br />
Puth (Ulmen) aus den Händen der Staatssekretär<strong>in</strong> im<br />
M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium des Innern, für Sport und Infrastruktur des<br />
Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Heike Raab, im Sitzungssaal<br />
der Verbands<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Ulmen <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nstmedaille des<br />
Landes <strong>in</strong> Empfang nehmen. Es <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s <strong>die</strong> höchste Ehre,<br />
<strong>die</strong> Bür<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>nen und Bür<strong>ge</strong>rn <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz verliehen<br />
werden kann.<br />
In ihrer Ansprache g<strong>in</strong>g <strong>die</strong> Staatssekretär<strong>in</strong> Heike<br />
Raab auf <strong>die</strong> besonderen Le<strong>ist</strong>un<strong>ge</strong>n des Geehrten e<strong>in</strong>. Er<br />
hätte, so Frau Raab, <strong>in</strong> den vergan<strong>ge</strong>nen Jahrzehnten sowohl<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em beruflichen Leben als auch im ehrenamtlichen<br />
Bereich außerordentlich viel <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>et und das sei<br />
mehr als lobenswert. Deshalb habe der M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erpräsident<br />
des Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Kurt Beck, <strong>die</strong>ser Ehrung<br />
auch <strong>ge</strong>rne zu<strong>ge</strong>stimmt.<br />
Hauptmann a. D. Wilfried Puth habe sich sowohl im<br />
kommunalpolitischen Bereich als auch im Vere<strong>in</strong>sleben<br />
ver<strong>die</strong>nt <strong>ge</strong>macht. Aber se<strong>in</strong> Haupt<strong>in</strong>teresse <strong>in</strong> der ehrenamtlichen<br />
Betätigung lie<strong>ge</strong> seit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n Jahrzehnten<br />
im kirchlichen Bereich. So sei er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimatpfarrei<br />
Kurznachrichten<br />
Der Vatikan-Vertreter bei den Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen <strong>in</strong> Genf hat Pak<strong>ist</strong>an<br />
für se<strong>in</strong>e Blockadehaltung <strong>in</strong> der<br />
UN-Abrüstungskonferenz kritisiert.<br />
Pak<strong>ist</strong>an verh<strong>in</strong>dere aus Angst vor e<strong>in</strong>er<br />
atomaren Übermacht In<strong>die</strong>ns <strong>die</strong><br />
Verhandlun<strong>ge</strong>n über e<strong>in</strong> Produktionsverbot<br />
für spaltbares Material, sagte<br />
Erzbischof Silvano Maria Tomasi <strong>in</strong> ei-<br />
Pak<strong>ist</strong>an blockiert atomare Abrüstung<br />
nem Interview mit Radio Vatikan (Mittwoch).<br />
Dieses Verhalten führe zu e<strong>in</strong>em<br />
Glaubwürdigkeitsverlust der Konferenz<br />
<strong>in</strong>s<strong>ge</strong>samt. Seit „zu vielen Jahren“<br />
habe das Gremium ke<strong>in</strong>e bedeutenden<br />
Er<strong>ge</strong>bnisse mehr erzielt, beklagte der<br />
Vertreter des Heili<strong>ge</strong>n Stuhls <strong>in</strong> Genf.<br />
Zugleich warnte Tomasi davor, <strong>die</strong> Gefahr<br />
e<strong>in</strong>es Atomschlags zu unterschät-<br />
St. Matthias Ulmen als Vorsitzender des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates,<br />
als Mitglied des Verwaltungsrates und als Lektor und<br />
Kommunionhelfer aktiv <strong>ge</strong>wesen und er stelle <strong>die</strong>s derzeit<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er sicher nicht alltäglichen Aufgabe als Diakon <strong>in</strong><br />
der aus 11 Pfarreien zusammen<strong>ge</strong>setzten Pfarreien<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft<br />
Ulmen täglich neu unter Beweis. Auch lä<strong>ge</strong>n im <strong>die</strong><br />
Pil<strong>ge</strong>r<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft St. Matthias Ulmen, der Fördervere<strong>in</strong><br />
Pfarrkirche St. Matthias – <strong>in</strong> beiden Vere<strong>in</strong>en sei er im<br />
Vorstand – aber auch <strong>die</strong> ehrenamtliche Arbeit mit Menschen<br />
mit Beh<strong>in</strong>derung des Bildungs- und Pfle<strong>ge</strong>heims St.<br />
Mart<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ulmen besonders am Herzen.<br />
In se<strong>in</strong>er militärischen Laufbahn als Luftwaffenoffizier<br />
habe er sich aber sowohl im Bereich der Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Katholischer Soldaten als Kreisvorsitzender von mehreren<br />
GKS-Kreisen, als Mitglied des Bereichsvorstandes West<br />
und damit verbunden auch als Mitglied des erweiterten<br />
Bundesvorstandes für <strong>die</strong> Interessen der GKS stark e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt.<br />
Derzeit nehme er <strong>die</strong> Aufgaben e<strong>in</strong>es Ansprechpartners<br />
im relativ neu <strong>ge</strong>gründeten GKS-Kreis Vulkaneifel<br />
wahr. Darüber h<strong>in</strong>aus sei er auch über viele Jahre bis<br />
zu se<strong>in</strong>er Zurruhesetzung im Sachausschuss „Geme<strong>in</strong>dearbeit“<br />
des Katholikenrates des Katholischen Militärbischofs<br />
vor allem bei der Erstellung neuer Ordnun<strong>ge</strong>n für<br />
<strong>die</strong> Laiengremien aktiv <strong>ge</strong>wesen, so <strong>die</strong> Staatssekretär<strong>in</strong><br />
bei ihrer Laudatio abschließend.<br />
Nach den kurzen Lobensansprachen des Landrates<br />
und der Bür<strong>ge</strong>rme<strong>ist</strong>er waren <strong>die</strong> Ehefrau Marita, <strong>die</strong> drei<br />
Töchter und <strong>die</strong> weiteren anwesenden Ehrengäste ersten<br />
Gratulanten. Hauptmann a. D. Wilfried Puth bedankte<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kurzen Ansprache für <strong>die</strong> verliehene Auszeichnung,<br />
machte aber anhand e<strong>in</strong>es Bibelzitates und<br />
e<strong>in</strong>es Zitates von Papst Johannes XXIII. deutlich, dass er<br />
sich auch aufgrund der erwiesenen Ehre nicht auf e<strong>in</strong>en<br />
Sockel stellen lassen würde. „Ich b<strong>in</strong> immer noch so, wie<br />
ich es vor der Ehrung war – und ich werde auch so bleiben<br />
und weiterh<strong>in</strong> da kräftig mit anpacken, wo ich es für<br />
richtig und notwendig halte.“<br />
(Text: Wilfried Puth, Foto: Pressestelle)<br />
zen. Es bestehe „<strong>die</strong> ernste und reale<br />
Gefahr, dass <strong>die</strong> Kernwaffen e<strong>in</strong><strong>ge</strong>setzt<br />
werden können“. Dies könne „durch e<strong>in</strong>en<br />
Fehler oder aufgrund des Man<strong>ge</strong>ls<br />
an Menschlichkeit e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>r politischer<br />
Führer oder we<strong>ge</strong>n anderer unvorhersehbarer<br />
Ereignisse“ passieren. In der<br />
Öffentlichkeit werde <strong>die</strong>se Gefahr jedoch<br />
kaum wahr<strong>ge</strong>nommen. (KNA)<br />
32 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
W<strong>in</strong>terwanderung<br />
Die Geme<strong>in</strong>schaft katholischer Soldaten (GKS) Bad<br />
Neuenahr-Ahrweiler hat bei Frost, Schnee und viel<br />
Sonnensche<strong>in</strong> den Geopfad V<strong>in</strong>xtbachtal oberhalb Königsfeld<br />
<strong>in</strong> der Eifel erwandert. Es g<strong>in</strong>g unter der Führung<br />
von Doris und Walter Schäffer über idyllische verschneite<br />
Feldwe<strong>ge</strong> mit herrlicher Fernsicht und zahlreichen Keramikskulpturen<br />
und We<strong>ge</strong>kreuzen. Mit dem Lied „Danke<br />
für den schönen Mor<strong>ge</strong>n“ und e<strong>in</strong>em Gebet wurde Gottes<br />
herrliche Schöpfung <strong>ge</strong>priesen. Der Aussichtsturm Weiselste<strong>in</strong><br />
wurde erklommen und nach erfolgreicher Wanderung<br />
<strong>die</strong> „Belohnung“ im Cafe e<strong>in</strong><strong>ge</strong>nommen. Der Vorsitzende<br />
Michael Wilke dankte den Wanderführern für <strong>die</strong> gute<br />
Tour und der Gruppe für <strong>die</strong> erfolgreiche Teilnahme. ❏<br />
(Text und Foto: Michael Wilke)<br />
GKS-Kreis Hammelburg<br />
Bundeswehr-Chor <strong>ge</strong>staltet Gottes<strong>die</strong>nst<br />
o nehmet auch e<strong>in</strong>s um das andere an, wie auch<br />
„Sder Herr an uns <strong>ge</strong>tan“ war das Motto des Adventsgottes<strong>die</strong>nstes,<br />
den Militärdekan Alfons Hutter <strong>in</strong><br />
der Chr<strong>ist</strong>könig-Kirche im La<strong>ge</strong>r Hammelburg vor vollem<br />
Haus zelebrierte.<br />
Die „Chr<strong>ist</strong>liche Chor<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>schaft Arche Noah“, e<strong>in</strong><br />
fast schon Profi-Chor von ca. 50 Sän<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>nen und Sän<strong>ge</strong>rn,<br />
Soldaten und deren Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>, <strong>ge</strong>staltete den<br />
Gottes<strong>die</strong>nst musikalisch mit hervorra<strong>ge</strong>nd vor<strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>nen,<br />
sowohl modernen, als auch traditionellen Advents- und<br />
Kirchenliedern. Chorleiter Oberstleutnant Thomas Mayer<br />
kann mit dem Chor, dessen Mitglieder aus dem <strong>ge</strong>samten<br />
Bundes<strong>ge</strong>biet kommen, lediglich zweimal jährlich e<strong>in</strong><br />
Probenwochenende durchführen. Abschluss <strong>ist</strong> dann e<strong>in</strong><br />
Konzert und /oder <strong>die</strong> Gestaltung e<strong>in</strong>es Gottes<strong>die</strong>nstes. An<br />
der Or<strong>ge</strong>l begleitete e<strong>in</strong> absoluter Könner se<strong>in</strong>es Fachs:<br />
Oberstleutnant a.D. Hans Orterer war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aktiven<br />
Soldatenzeit Chef mehrerer Bundeswehr-Musikkorps. In<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
der e<strong>in</strong>drucksvollen Predigt bezog sich Dekan Hutter auf<br />
das e<strong>in</strong>gangs <strong>ge</strong>nannte Adventslied und gab dazu e<strong>in</strong>fache,<br />
praktische Beispiele aus dem täglichen Leben. Die<br />
Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmer spürten deutlich se<strong>in</strong>e lebensnahen,<br />
auch humorvollen Aussa<strong>ge</strong>n und dankten ihn nach<br />
den Dankesworten des Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>deratsvorsitzenden Andreas<br />
Wacker viel mit Applaus.<br />
Zum Schluss empfahl Dekan Hutter den Anwesenden,<br />
<strong>die</strong> chr<strong>ist</strong>lichen Grundsätze der Nächstenliebe durch<br />
das ei<strong>ge</strong>ne praktische Leben auch <strong>in</strong> vielen so <strong>ge</strong>nannten<br />
Kle<strong>in</strong>igkeiten erkennbar werden zu lassen und dabei das<br />
Gebet für <strong>die</strong> „<strong>in</strong>nere Ausrichtung“ nicht zu ver<strong>ge</strong>ssen.<br />
Der Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>liche machte es au<strong>ge</strong>nzw<strong>in</strong>kernd deutlich<br />
an der Fra<strong>ge</strong>, wann und wie denn daheim <strong>ge</strong>betet würde.<br />
Auf <strong>die</strong>se Fra<strong>ge</strong> gab e<strong>in</strong> Schüler an<strong>ge</strong>blich <strong>die</strong> h<strong>in</strong>ters<strong>in</strong>ni<strong>ge</strong><br />
Antwort: „ja, wir beten e<strong>in</strong>mal im Jahr vor dem Essen,<br />
und zwar dann, wenn der Vater vom Schwammerlsuchen<br />
zurück <strong>ist</strong>.“ Am Ende des Gottes<strong>die</strong>nstes zog der Chor erneut<br />
alle Reg<strong>ist</strong>er und brachte mit mehreren wundervollen<br />
Adventsliedern den Kirchenraum zum vollen Erkl<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />
Dabei blieben <strong>die</strong> Zuhörer <strong>ge</strong>rne fast schon andächtig<br />
sitzen und man hätte noch stundenlang zuhören können.<br />
Wiederholter lang anhaltender Applaus war der Dank vor<br />
dem <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen anschließenden Frühschoppen. Es war<br />
wahrlich e<strong>in</strong> ganz besonderes liturgisches Erlebnis. ❏<br />
(Text und Fotos: Franz Herrler)<br />
GKS-Kreis Hammelburg<br />
Waldweihnacht <strong>in</strong> Hammelburg<br />
Soldaten und Zivil<strong>ist</strong>en feiern <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam – <strong>in</strong> Gedanken<br />
bei den Soldaten im E<strong>in</strong>satz<br />
Der W<strong>in</strong>d pfeift durch <strong>die</strong> Ritzen, hefti<strong>ge</strong> W<strong>in</strong>dböen<br />
treiben <strong>die</strong> stürmischen, kalten Re<strong>ge</strong>nschauer fast<br />
horizontal über <strong>die</strong> „Hohe Lanz“. Etwa 140 Soldaten und<br />
Zivil<strong>ist</strong>en suchten Schutz <strong>in</strong> der Wetterhütte Schießbahn<br />
6 des Truppenübungsplatzes Hammelburg. Die Teilnehmer<br />
waren froh, e<strong>in</strong>en Platz im Trockenen <strong>ge</strong>funden zu haben.<br />
„Ei<strong>ge</strong>ntlich sollten wir jetzt alle unter freiem Himmel<br />
am Franzosenkreuz stehen“ sprach Oberstleutnant a.D.<br />
Franz Herrler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Begrüßung. „Aber das Wetter hat<br />
uns ke<strong>in</strong>e Wahl <strong>ge</strong>lassen. Er<strong>in</strong>nern Sie sich: Im Vorjahr<br />
lag hier zur gleichen Zeit hoher Schnee und es war bitter-<br />
33
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
kalt. Diesmal wäre es e<strong>in</strong>e wahrlich unan<strong>ge</strong>messene Härteübung<br />
im Sturm und Dauerre<strong>ge</strong>n. Also s<strong>in</strong>d wir froh um<br />
<strong>die</strong>se Möglichkeit hier“ führte Herrler weiter aus. Frauen<br />
und Männer der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Chr<strong>ist</strong>könig<br />
hatten <strong>die</strong> nüchterne Wetterhütte mit Tannengrün und vielen<br />
Kerzen weihnachtlich aus<strong>ge</strong>staltet und der Glühwe<strong>in</strong><br />
duftete schon.<br />
Die 12 Musiker der Kapelle des Bundeswehr-Dienstle<strong>ist</strong>ungszentrums<br />
Hammelburg unter Leitung von Gerald<br />
Bach (zugleich Personalratsvorsitzender im BwDLZ)<br />
stimmten <strong>die</strong> Besucher mit dem „Bayerischen Andachtsjodler“<br />
auf <strong>die</strong> liturgische Feier e<strong>in</strong>.<br />
Militärpfarrer Stephan Frank hieß alle Besucher herzlich<br />
willkommen und freute sich über <strong>die</strong> große Teilnahme<br />
der Soldaten vom Gefreiten bis zum Oberst und ziviler<br />
Mitarbeiter bis zum Behördenleiter des BwDLZ sowie<br />
Familien der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de Chr<strong>ist</strong>könig La<strong>ge</strong>r<br />
Hammelburg. Bereits zum vierten Mal fand <strong>die</strong>se „Waldweihnacht“<br />
statt, sie <strong>ist</strong> <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> fester Bestandteil<br />
der Veranstaltun<strong>ge</strong>n des katholischen Militärpfarramtes<br />
am Standort <strong>ge</strong>worden. MilPfr Frank hob den Advent als<br />
Zeit der Bes<strong>in</strong>nung hervor, als Zeit für sich selbst zum <strong>in</strong>nehalten<br />
und der <strong>in</strong>neren Vorbereitung auf Weihnachten.<br />
Als Oberstleutnant Klaus Schöneich <strong>die</strong> Erlebnisse des<br />
Unteroffizier Emil Schlund an Weihnachten 1944 während<br />
se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes im Elsass vorlas, war es mucksmäuschenstill:<br />
Inmitten der Kriegswirren, während <strong>die</strong> Amerikaner<br />
bereits <strong>die</strong> deutsche Rhe<strong>in</strong>seite erobert hatten, wurde e<strong>in</strong>er<br />
deutschen Kompanie e<strong>in</strong> Brückenkopf am jenseiti<strong>ge</strong>n<br />
Ufer befohlen, nachdem Zivil<strong>ist</strong>en, alte Männer und Frauen,<br />
Panzergräben ausheben mussten - e<strong>in</strong>e sehr schwere<br />
und harte Arbeit, mit nur ganz e<strong>in</strong>fachem Handwerkszeug<br />
und bei klirrendem Frost. Doch schon vor Fertigstellung<br />
der Panzergräben eroberten <strong>die</strong> Amerikaner das Gebiet,<br />
<strong>die</strong> ganze mühevolle Schwerstarbeit war umsonst <strong>ge</strong>wesen.<br />
Aber befehls<strong>ge</strong>mäß musste der Brückenkopf <strong>ge</strong>bildet<br />
werden; <strong>die</strong> Amerikaner sollten unbed<strong>in</strong>gt zurück<strong>ge</strong>schla<strong>ge</strong>n<br />
werden.<br />
Unteroffizier Schlund schrieb dazu: „Mit Sturmbooten<br />
der Pioniere rasten wir über den Rhe<strong>in</strong> und kamen vor bis<br />
zum Hochwasserdamm, h<strong>in</strong>ter dem sich <strong>die</strong> Amerikaner<br />
verschanzt hatten. Mit Handgranaten versuchten wir, Meter<br />
um Meter Boden zu <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nen, kamen aber nicht voran,<br />
<strong>die</strong> Ge<strong>ge</strong>nwehr war e<strong>in</strong>fach zu stark. Trotzdem wurde der<br />
Befehl aus<strong>ge</strong>führt, den Brückenkopf bis zum letzten Mann<br />
zu halten. Was für e<strong>in</strong> Irrs<strong>in</strong>n! Unsere Verluste waren sehr<br />
hoch: von unserem Zug fielen <strong>in</strong> knapp e<strong>in</strong>er Stunde neun<br />
Kameraden. Ir<strong>ge</strong>ndwann nachts wurde uns mit den Sturmbooten<br />
Essen <strong>ge</strong>bracht; aber <strong>die</strong> doppelte Ration hätten<br />
wir <strong>ge</strong>braucht, um e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>rmaßen satt zu werden. Unser<br />
Hauptmann erkannte am nächsten Mor<strong>ge</strong>n unsere ausweglose<br />
Situation und befahl am 24. Dezember vormittags den<br />
Rückzug, bevor wir vollends auf<strong>ge</strong>rieben würden. Me<strong>in</strong>e<br />
Gruppe hatte noch fünf Mann. Kaum waren <strong>die</strong> Sturmboote<br />
an<strong>ge</strong>kommen, setzte e<strong>in</strong> Granatha<strong>ge</strong>l e<strong>in</strong>, wie ich ihn seit<br />
me<strong>in</strong>em Kriegsbeg<strong>in</strong>n im Frühjahr 1941 noch nicht erlebt<br />
habe. Jetzt hieß es nur noch, rette sich, wer kann, und jeder<br />
rannte um se<strong>in</strong> Leben. Von den Booten aus sahen wir<br />
das ganze Ausmaß. Wo wir noch vor weni<strong>ge</strong>n M<strong>in</strong>uten <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>n<br />
hatten, schlug jetzt e<strong>in</strong>e Granate nach der anderen<br />
e<strong>in</strong>. Hätten <strong>die</strong> Amerikaner unsere Absetzbewegung nur<br />
e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> M<strong>in</strong>uten früher bemerkt, hätte ganz sicher ke<strong>in</strong>er<br />
von uns <strong>die</strong>ses Inferno überlebt. Auf der anderen Rhe<strong>in</strong>seite<br />
an<strong>ge</strong>kommen, wurde der Rest der Kompanie wieder<br />
zwischen e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>n zerschossenen Häusern <strong>ge</strong>sammelt. Wieder<br />
hatte ich e<strong>in</strong>en Kameraden me<strong>in</strong>er Gruppe verloren.<br />
Nach ca. zwei Kilometer Flucht fanden wir <strong>in</strong> dem verlassenen<br />
Dorf Fre<strong>ist</strong>ett <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten Wirtshaus-Saal e<strong>in</strong><br />
Dach über dem Kopf. Wir hockten auf dem Boden, zitterten<br />
am ganzen Körper, waren total benommen und froren<br />
bitterlich. Zu essen hatten wir nichts außer zwei Brocken<br />
Chr<strong>ist</strong>stollen und e<strong>in</strong> Brot, das unser Feldwebel ir<strong>ge</strong>ndwo<br />
besorgt hatte. So, jetzt war es „Heili<strong>ge</strong>r Abend“ und wir<br />
wollten nach dem Bissen Chr<strong>ist</strong>stollen und Wasser zusammen<br />
„Stille Nacht, heili<strong>ge</strong> Nacht“ s<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, so wie es sich<br />
für Chr<strong>ist</strong>en <strong>ge</strong>hört. Aber schon nach den ersten rauen<br />
Tönen blieb uns <strong>die</strong> Sprache weg und es wurde ganz still<br />
– ke<strong>in</strong>er sagte e<strong>in</strong> Wort. Und den sonst ei<strong>ge</strong>ntlich so ab<strong>ge</strong>brühten<br />
Landsern liefen <strong>die</strong> Tränen übers Gesicht. Ich<br />
dachte jetzt nur noch an daheim: wie wird es wohl me<strong>in</strong>er<br />
Familie er<strong>ge</strong>hen, daheim <strong>in</strong> Waldsassen? Ir<strong>ge</strong>ndwann<br />
später schliefen wir dann doch vor lauter Übermüdung<br />
e<strong>in</strong>, wir la<strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>fach ane<strong>in</strong>ander<strong>ge</strong>reiht auf dem Boden<br />
und versuchten, uns <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseitig e<strong>in</strong> wenig zu wärmen. Am<br />
nächsten Mor<strong>ge</strong>n, dem Weihnachtstag, marschierten wir<br />
unter Führung unseres Leutnants nach Sasbach. Unser<br />
Hauptmann war seit dem Rückzug über den Rhe<strong>in</strong> nicht<br />
mehr bei uns. In Sasbach wurden wir dann spät am Abend<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Internat unter<strong>ge</strong>bracht. Drei alte, sicher schon<br />
80-jähri<strong>ge</strong> Schwestern waren noch da. Sie halfen uns, so<br />
gut sie konnten. Und das schönste Weihnachts<strong>ge</strong>schenk<br />
war e<strong>in</strong> gutes warmes Essen, sogar mit Fleisch und Nudeln.“<br />
Dieses Kriegserlebnis bee<strong>in</strong>druckte alle Anwesenden<br />
spürbar und <strong>die</strong> Musikkapelle vertiefte <strong>die</strong> Bes<strong>in</strong>nung<br />
mit e<strong>in</strong>em meditativen Choral.<br />
In se<strong>in</strong>er Predigt betonte Militärpfarrer Frank <strong>die</strong> Bedeutung<br />
der Geme<strong>in</strong>schaft, das erlebbare Gefühl der Gebor<strong>ge</strong>nheit,<br />
auch unter primitivsten Verhältnissen – so wie<br />
im Kriegserlebnis <strong>ge</strong>schildert. Er stellte <strong>die</strong> Gebor<strong>ge</strong>nheit<br />
<strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft heraus im Zusammenhang mit dem<br />
Weihnachtsereignis, auf dass alle Chr<strong>ist</strong>en <strong>die</strong>se Gebor<strong>ge</strong>nheit<br />
erfahren können durch <strong>die</strong> Menschwerdung Gottes.<br />
Und er er<strong>in</strong>nerte an <strong>die</strong> fernab im Auslands-E<strong>in</strong>satz stehenden<br />
Soldaten, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Geme<strong>in</strong>schaft auch im E<strong>in</strong>satz<br />
besonders brauchten, weil sie eben an Weihnachten nicht<br />
mit ihren Familien zusammen se<strong>in</strong> können. Der Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>liche<br />
bezeichnete Jesus Chr<strong>ist</strong>us als Halt, Klammer<br />
und Orientierung, auch oder <strong>ge</strong>rade <strong>in</strong> schweren Zeiten.<br />
Die Zusammen<strong>ge</strong>hörigkeit mit den Soldaten im E<strong>in</strong>satz<br />
wurde auch deutlich <strong>in</strong> den Fürbitten, <strong>die</strong> Oberstleutnant<br />
Ulrich Schröder vortrug. Stellvertretend für alle Anwesenden<br />
betete er „für alle Soldaten und Militärseelsor<strong>ge</strong>r <strong>in</strong><br />
ihren vielfälti<strong>ge</strong>n Aufgaben und E<strong>in</strong>sätzen, dass sie ihre<br />
Aufgaben mit gutem Gewissen und starkem Glauben, mit<br />
Überzeugung und Menschlichkeit bewälti<strong>ge</strong>n, und <strong>ge</strong>sund<br />
an Leib und Seele wieder nach Hause kommen können<br />
…,für <strong>die</strong> Familienan<strong>ge</strong>höri<strong>ge</strong>n unserer Soldaten, <strong>die</strong><br />
durch <strong>die</strong> Trennung oder Auswirkung von Verletzun<strong>ge</strong>n,<br />
Verwundun<strong>ge</strong>n oder sogar durch den Tod e<strong>in</strong>es Familienmitglieds<br />
schwer belastet s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong>nere Kraft und<br />
34 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
Zuversicht im Glauben f<strong>in</strong>den mö<strong>ge</strong>n …und für unsere<br />
<strong>ge</strong>fallenen oder auf andere Art ums Leben <strong>ge</strong>kommenen<br />
Soldaten und Militärseelsor<strong>ge</strong>r, dass wir ihr Andenken<br />
<strong>in</strong> Ehren halten und sie den ewi<strong>ge</strong>n Frieden f<strong>in</strong>den mö<strong>ge</strong>n.“<br />
Alle Anlie<strong>ge</strong>n fassten <strong>die</strong> Teilnehmer zusammen im<br />
<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen Gebet des Herrn, dem „Vater unser“. Zusammen<br />
mit der Musikkapelle san<strong>ge</strong>n <strong>die</strong> Besucher das<br />
<strong>in</strong>haltlich so gut passende Weihnachtslied „Tochter Zion,<br />
freue dich, denn de<strong>in</strong> König kommt zu dir, der Friedensfürst.<br />
… Ewig steht de<strong>in</strong> Friedensthron …“.<br />
Vor dem Se<strong>ge</strong>n sprach MilPfr Frank noch fol<strong>ge</strong>ndes<br />
Se<strong>ge</strong>ns<strong>ge</strong>bet: „Gott lasse dich e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>segnetes Weihnachtfest<br />
erleben. Er schenke dir <strong>die</strong> nöti<strong>ge</strong> Ruhe, damit du<br />
dich auf Weihnachten und <strong>die</strong> frohe Botschaft e<strong>in</strong>lassen<br />
kannst. Gott nehme dir Sor<strong>ge</strong>n und Angst und schenke dir<br />
neue Hoffnung. Er bereite dir den Raum, den du brauchst<br />
und an dem du so se<strong>in</strong> kannst, wie du b<strong>ist</strong>. …Gott <strong>ge</strong>be<br />
dir Phantasie, Entschlossenheit und Mut, damit du auch<br />
anderen Weihnachten bereiten kannst. Und er bleibe bei<br />
dir mit dem Licht der Heili<strong>ge</strong>n Nacht, wenn dunkle Ta<strong>ge</strong><br />
kommen.“<br />
Nach dem Se<strong>ge</strong>n begleitete <strong>die</strong> Musikkapelle zu dem<br />
Weihnachtslied „Jauchzet ihr Himmel“, <strong>in</strong> dem es so treffend<br />
heißt „… sehet doch da, Gott will so freundlich und nah zu<br />
den Verlorenen sich kehren“ und „…seht <strong>die</strong> Wunder, wie<br />
tief sich der Höchste hier beu<strong>ge</strong>t …“ und weiter „…Komm<br />
doch, me<strong>in</strong> Heiland, denn ohne dich b<strong>in</strong> ich verloren ...“.<br />
Mit dem Dank an <strong>die</strong> Teilnehmer für das Mitfeiern, e<strong>in</strong>em<br />
herzlich Ver<strong>ge</strong>lt´s Gott allen Helfern, e<strong>in</strong>em Geschenk an<br />
<strong>die</strong> Musikkapelle und den Wünschen für e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>segnetes<br />
und frohes Weihnachtsfest lud MilPfr Frank alle Anwesenden<br />
e<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Imbiss mit Stollen, Glühwe<strong>in</strong> und<br />
herzhaften Wüstchen „Diese Stunde hier <strong>ist</strong> wertvoll, sie<br />
hat gut <strong>ge</strong>tan, danke,“ erläuterte Oberst Wolfgang Schraut<br />
zum Schluss. ❏<br />
(Text: Franz Herrler)<br />
GKS-Kreis Hammelburg<br />
Festgottes<strong>die</strong>nst zum Patroz<strong>in</strong>ium<br />
„Chr<strong>ist</strong>könig“ im La<strong>ge</strong>r Hammelburg<br />
er <strong>ist</strong> der ei<strong>ge</strong>ntliche König <strong>die</strong>ser Welt?“ So frag-<br />
„Wte Militärpfarrer Stephan Frank zum Beg<strong>in</strong>n des<br />
Festgottes<strong>die</strong>nstes zum Patroz<strong>in</strong>ium „Chr<strong>ist</strong>könig“ und <strong>die</strong>se<br />
Fra<strong>ge</strong> war auch der Kern der Predigt. Es war e<strong>in</strong> etwas<br />
anderer Gottes<strong>die</strong>nst als an den übri<strong>ge</strong>n Sonnta<strong>ge</strong>n, und<br />
<strong>die</strong>s nicht nur, weil <strong>die</strong> Kirche wirklich voll war mit zahlreichen<br />
Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmern. Darüber h<strong>in</strong>aus wurde<br />
der Gottes<strong>die</strong>nst musikalisch <strong>ge</strong>staltet von der „Gruppe St.<br />
Johannes“ aus Hammelburg, <strong>die</strong> mehrstimmig mit unterschiedlicher<br />
Instrumental-Unterstützung sowohl moderne<br />
deutsche Lieder und Gospels, als auch bekannte Lieder<br />
aus dem Gotteslob mit der Geme<strong>in</strong>de sang. Dabei erklang<br />
wahrlich herzerfischend „Chr<strong>ist</strong>könig, alleluja“ zum E<strong>in</strong>zug!<br />
Zudem waren <strong>die</strong> M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ranten fünf ehemali<strong>ge</strong> Berufs-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
soldaten, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>sem Fest der Militärkirchen<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>de<br />
mit Anzug und Krawatte am Altar <strong>die</strong>nten.<br />
Pfarrer Frank leitete <strong>die</strong> Predigt e<strong>in</strong> mit der Schilderung<br />
e<strong>in</strong>er Szene von Charlie Chapl<strong>in</strong> aus dessen Film „Der<br />
große Diktator“ von 1940, wor<strong>in</strong> der Diktator mit der Welt<br />
(dar<strong>ge</strong>stellt als auf se<strong>in</strong>er F<strong>in</strong><strong>ge</strong>rkuppe tanzender Globus)<br />
spielt und sie letztendlich zerstört. Und <strong>die</strong> Kernfra<strong>ge</strong> war<br />
dann: Beteiligt sich auch Chr<strong>ist</strong>us als König (siehe se<strong>in</strong>e<br />
Aussa<strong>ge</strong> vor Pilatus: Ja, ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> König) am <strong>ge</strong>fährlichen<br />
Spiel mit dem Globus? Steht er im Wettstreit mit den<br />
Machthabern <strong>die</strong>ser Welt? Die Kernantwort dazu lautete:<br />
Es gibt Machthaber und Diktatoren auf <strong>die</strong>ser Welt, <strong>die</strong><br />
ihr ei<strong>ge</strong>nes ihnen anvertrautes Volk aus Egoismus zugrunde<br />
richten. Unsere Hoffnung für uns Chr<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong> jedoch,<br />
dass Chr<strong>ist</strong>us als König <strong>die</strong> Welt schützend <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ber<strong>ge</strong>nden<br />
Händen hält. Chr<strong>ist</strong>us will nicht den Untergang,<br />
sondern <strong>die</strong> Rettung der Welt – und jeder von uns kann im<br />
Vertrauen darauf se<strong>in</strong>en Anteil beitra<strong>ge</strong>n. ❏<br />
(Text und Foto: Franz Herrler)<br />
GKS-Kreis Köln<br />
„Advent – kurz vor Weihnachten“<br />
A m vierten Adventssonntag trafen sich, nun schon<br />
zum zweiten Mal <strong>in</strong> Fol<strong>ge</strong>, zahlreiche Mitglieder und<br />
Freunde des GKS-Kreises Köln zum Familiennachmittag<br />
im Sieben<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong>. Nachdem mit großen Erfolg beim Familiennachmittag<br />
im Dezember 2010 <strong>die</strong> Schonung bei der<br />
Burg R<strong>in</strong>gsheim „leer<strong>ge</strong>fegt“ wurde, fand man mit dem<br />
Weihnachtsbaumhof Stockhausen <strong>in</strong> Aegi<strong>die</strong>nberg e<strong>in</strong>e<br />
sehr gute Alternative und wieder den passenden Rahmen<br />
für e<strong>in</strong>en vorweihnachtlichen Nachmittag. Die Vorbereitung<br />
lag <strong>in</strong> den bewährten Händen des Kreisvorsitzenden Köln<br />
I, OTL Walter Raab, wieder mit tatkräfti<strong>ge</strong>r praktischer<br />
Unterstützung des Pfarrhelfers Köln I, Herrn Willi Jung.<br />
Neben den zentral e<strong>in</strong><strong>ge</strong>kauften Leckereien wie Glühwe<strong>in</strong>,<br />
K<strong>in</strong>derpunsch und Würsteln hatten auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />
Jahr wieder viele Familien ei<strong>ge</strong>nes weihnachtliches Gebäck<br />
zum <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samen Verzehr mit<strong>ge</strong>bracht. Ideale w<strong>in</strong>-<br />
35
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
terliche Bed<strong>in</strong>gun<strong>ge</strong>n wie im Vorjahr waren es zwar nicht,<br />
aber am Vormittag hatte es im Sieben<strong>ge</strong>bir<strong>ge</strong> tatsächlich<br />
leicht <strong>ge</strong>schneit, so dass der Blick aus der Eventhütte<br />
durchaus w<strong>in</strong>terliche Perspektiven bot. Diesen ersten<br />
„nassen“ Schnee nutzten <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der gleich zu e<strong>in</strong>er ausgiebi<strong>ge</strong>n<br />
Schneeballschlacht.<br />
E<strong>in</strong> Höhepunkt des Nachmittags war wieder der durch<br />
den Militärdekan van Don<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>haltene Feldgottes<strong>die</strong>nst,<br />
<strong>in</strong> dessen Evan<strong>ge</strong>lium und Predigt <strong>die</strong> Geburtsankündigung<br />
Jesu durch den En<strong>ge</strong>l Gabriel anschaulich thematisiert<br />
wurde. Obwohl er bereits seit dem Herbst 2011 kommissarisch<br />
se<strong>in</strong>en Dienst <strong>in</strong> Erfurt verrichtet, nahm er den<br />
weiten Weg zum Aegi<strong>die</strong>nberg auf sich, um wieder dabei<br />
zu se<strong>in</strong>. Darüber freuten sich alle sehr.<br />
Den musikalischen Rahmen für <strong>die</strong> stimmungsvolle<br />
Messe krönte – wie bereits im vergan<strong>ge</strong>nen Jahr – e<strong>in</strong><br />
Trompetenensemble der Musikschule Euskirchen unter der<br />
Leitung des Trompetenlehrers Herrn Hense. Auch nach der<br />
Messe spielten sie weitere allseits bekannte Advents- und<br />
Weihnachtslieder, <strong>die</strong> zum Mits<strong>in</strong><strong>ge</strong>n e<strong>in</strong>luden.<br />
Anschließend hatten <strong>die</strong> Familien Gele<strong>ge</strong>nheit, e<strong>in</strong>en<br />
Chr<strong>ist</strong>baum direkt vom Weihnachtshof zu erwerben. Dazu<br />
standen Chr<strong>ist</strong>bäume <strong>in</strong> allen Größen zum Verkauf bereit.<br />
Das kn<strong>ist</strong>ernde La<strong>ge</strong>rfeuer und <strong>die</strong> wärmenden Gasstrahler<br />
<strong>in</strong> der Eventhütte sorgten für wohli<strong>ge</strong> Wärme bei Speis<br />
und Trank und guten Gesprächen. Die letzten verließen<br />
erst bei E<strong>in</strong>bruch der Dunkelheit e<strong>in</strong>en rundum <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>nen<br />
Nachmittag „kurz vor Weihnachten“. ❏<br />
(Text und Foto: Walter Raab)<br />
Katholisches Militärpfarramt Bonn<br />
Empfang anlässlich des Neuen Kirchenjahres<br />
Am Dienstag, den 29. November 2011 fand im Ge<strong>ist</strong>lichen<br />
Forum, Haus 32 auf der Hardthöhe der Empfang<br />
der beiden Militärseelsor<strong>ge</strong>n anlässlich des Neuen<br />
Kirchenjahres statt. E<strong>in</strong><strong>ge</strong>laden hatten Militärdekan Peter<br />
Schmidt von der Evan<strong>ge</strong>lischen Militärseelsor<strong>ge</strong> und Militärdekan<br />
Paul Hauser von der Katholischen Militärseelsor<strong>ge</strong><br />
und ca. 100 Personen waren der E<strong>in</strong>ladung <strong>ge</strong>folgt.<br />
Umrahmt wurde der Empfang durch e<strong>in</strong>e Bläsergruppe<br />
des Musikkorps der Bundeswehr.<br />
Nach e<strong>in</strong>em kurzen Musikstück begrüßten <strong>die</strong> beiden<br />
Militär<strong>ge</strong><strong>ist</strong>lichen aus Bonn ihre Gäste, bevor der Militär<strong>ge</strong>neraldekan<br />
Matthias Heimer vom Evan<strong>ge</strong>lischen<br />
Kirchenamt das Ge<strong>ist</strong>liche Wort sprach. Er betonte, dass<br />
der Mensch e<strong>in</strong>e Re<strong>ge</strong>lmäßigkeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lebensablauf<br />
bräuchte, damit er auch zur Ruhe und Bes<strong>in</strong>nung fände.<br />
Gerade das Kirchenjahr sei dazu sehr gut <strong>ge</strong>eignet, habe<br />
man doch zum Schluss des alten Kirchenjahres den Toten<br />
<strong>ge</strong>dacht und feiere mit dem vergan<strong>ge</strong>nen Sonntag den ersten<br />
Advent und bereite sich auf <strong>die</strong> Ankunft des Erlösers<br />
vor. Da der religiöse Inhalt von Weihnachten schon stark<br />
vom Konsumdenken verwässert sei, müssen <strong>die</strong> Kirchen<br />
<strong>die</strong>sen Inhalt stärker hervorheben. Dazu sei <strong>die</strong> „Verschiebung“<br />
des Kirchenjahres von dem normalen Jahresanfang<br />
Neujahr <strong>ge</strong>eignet, um das Besondere des religiösen Lebens<br />
<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu rufen.<br />
Bei dem fol<strong>ge</strong>nden Musikstück von Johann Sebastian<br />
Bach setzte sich der Festredner Brigade<strong>ge</strong>neral Chr<strong>ist</strong>of<br />
Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r spontan an <strong>die</strong> Or<strong>ge</strong>l (Bild) und begleitete das<br />
Bläserqu<strong>in</strong>tett. Se<strong>in</strong>en Bericht über <strong>die</strong> Arbeit als Beauftragter<br />
für körperlich und seelisch E<strong>in</strong>satz<strong>ge</strong>schädigte begann<br />
General Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r auch dann mit e<strong>in</strong>em Vergleich<br />
der bisher <strong>ge</strong>hörten Musikstücke <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Kompon<strong>ist</strong>en<br />
aus vergleichsweise e<strong>in</strong>fachen Grundmelo<strong>die</strong>n <strong>die</strong>se<br />
Me<strong>ist</strong>erwerke <strong>ge</strong>schaffen hätten. E<strong>in</strong>fach sei es, körperlich<br />
Versehrte zu erkennen, schlug der Redner den Bo<strong>ge</strong>n zu<br />
se<strong>in</strong>em Thema, problematisch sei es h<strong>in</strong><strong>ge</strong><strong>ge</strong>n, <strong>die</strong> seelisch<br />
Verwundeten zu erkennen, noch dazu <strong>die</strong>se Problematik<br />
ke<strong>in</strong>e Karenzzeit kenne und auch nach Jahren auftreten<br />
könne. Zur L<strong>in</strong>derung der zume<strong>ist</strong> h<strong>in</strong>zukommenden ma-<br />
teriellen Not zählte Munzl<strong>in</strong><strong>ge</strong>r <strong>die</strong> bisher erreichten Gesetzesänderun<strong>ge</strong>n<br />
auf, <strong>die</strong> jetzt den Zeitraum vor 2001 erfassen<br />
würden und damit den Personenkreis, <strong>die</strong> Anspruch<br />
hätten, deutlich erweitern würde. Auch wenn noch e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong>s<br />
zu tun sei, könne sich <strong>Deutschland</strong> <strong>in</strong> der Versorgung se<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>satzkräfte mit den anderen Alliierten messen, führte<br />
der Redner zum Schluss se<strong>in</strong>es Berichtes aus.<br />
Während des anschließenden Empfan<strong>ge</strong>s <strong>in</strong> den Räumern<br />
des Ge<strong>ist</strong>lichen Forums und vor dem Gebäude, bedankten<br />
sich Militärdekan Hauser und der Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>deratsvorsitzende<br />
Joachim Lensch mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Präsent<br />
bei dem Festredner für se<strong>in</strong>e Ausführun<strong>ge</strong>n und se<strong>in</strong>e<br />
tatkräfti<strong>ge</strong> Unterstützung an der Or<strong>ge</strong>l. ❏<br />
(Text und Foto: Bertram Bastian)<br />
36 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
Katholisches Militärpfarramt Bonn<br />
E<strong>in</strong>führungsgottes<strong>die</strong>nst für den „Neuen“<br />
Mit Wirkung vom 1. November 2011 hat der Katholische<br />
Militärbischof für <strong>die</strong> Deutsche Bundeswehr Dr.<br />
Franz-Josef Overbeck Militärdekan Paul Hauser mit der<br />
Leitung des katholischen Militärpfarramtes Bonn betraut.<br />
Mit e<strong>in</strong>em feierlichen Gottes<strong>die</strong>nst am 7. Dezember <strong>in</strong> der<br />
Kirche St. August<strong>in</strong>us <strong>in</strong> Bonn-Duisdorf führte der Leitende<br />
Dekan Msgr Ra<strong>in</strong>er Schnettker den neuen Ge<strong>ist</strong>lichen<br />
auf der Hardthöhe <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Amt e<strong>in</strong> und las allen Anwesenden<br />
<strong>die</strong> Bestallungsurkunde des Bischofs vor. Aufgrund<br />
der zahlreichen Anmeldun<strong>ge</strong>n zu <strong>die</strong>ser Feier musste man<br />
Bild 1<br />
nach St. August<strong>in</strong>us ausweichen, da fast 200 Personen <strong>die</strong>sem<br />
Festakt beiwohnen wollten und nach Bonn-Duisdorf<br />
<strong>ge</strong>kommen waren.<br />
In der Lesung hörte <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Geschichte der<br />
Jün<strong>ge</strong>r, <strong>die</strong> mit ihrem Boot auf dem See Genezareth <strong>in</strong> Seenot<br />
kamen, so dass sie den schlafenden Jesu weckten, der<br />
daraufh<strong>in</strong> W<strong>in</strong>d und Wellen <strong>ge</strong>bot zu schwei<strong>ge</strong>n. In se<strong>in</strong>er<br />
Predigt (Bild 1) g<strong>in</strong>g Dekan Hauser zuerst auf den See Genezareth<br />
e<strong>in</strong>, den er aus se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Israel verbrachten Zeit<br />
kannte. Plastisch schilderte er der Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Be<strong>ge</strong>benheiten<br />
<strong>die</strong>ses Landstriches, bevor er zu dem Schluss<br />
kam, dass <strong>die</strong>se Geschichte sowohl für unser Privatleben<br />
aber auch für den Dienst als Soldat und ganz besonders<br />
Bild 2<br />
im E<strong>in</strong>satz zur Geltung käme. Schließlich könne es überall<br />
<strong>ge</strong>schehen, dass e<strong>in</strong>e plötzliche La<strong>ge</strong>änderung zur Not<br />
führen könne. Gerade dann sei es an<strong>ge</strong>bracht, auf Gott zu<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
Bild 3<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
vertrauen, predigte Dekan Hauser aus se<strong>in</strong>er reichen Erfahrung<br />
als E<strong>in</strong>satzpfarrer beim Kommando Spezialkräfte.<br />
Ass<strong>ist</strong>iert von M<strong>in</strong><strong>ist</strong>ranten, Lektor und Kantor aus se<strong>in</strong>em<br />
Seelsor<strong>ge</strong>bereich feierte der neue Seelsor<strong>ge</strong>r <strong>in</strong> St. August<strong>in</strong>us,<br />
zusammen mit e<strong>in</strong>er großen Delegation des Wachbataillons<br />
(Bild 2) <strong>die</strong>se E<strong>in</strong>führungsmesse.<br />
Beim anschließenden Empfang auf der Hardthöhe<br />
begrüßte der Leitende Dekan Schnettker <strong>die</strong> zahlreichen<br />
Gäste (Bild 3) im ehemali<strong>ge</strong>n Speisesaal der Unteroffiziere<br />
im Haus 930. Dekan Hauser bedankte sich danach für<br />
<strong>die</strong> Teilnahme an <strong>die</strong>ser Feierlichkeit und sagte den Anwesenden<br />
zu, für sie als Ansprechpartner zur Verfügung<br />
zu stehen. Besonders <strong>die</strong> ebenfalls erschienenen „Ehemali<strong>ge</strong>n“<br />
begrüßte Dekan Hauser herzlich. Für <strong>die</strong> Soldat<strong>in</strong>nen<br />
und Soldaten sprach deren ranghöchster Vertreter,<br />
Bild 4<br />
Generalmajor Staudacher (Bild 4), e<strong>in</strong> Grußwort, <strong>in</strong>dem er<br />
auf <strong>die</strong> Vorverwendun<strong>ge</strong>n von Dekan Hauser e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g. Vom<br />
Missionarspfarrer <strong>in</strong> Ekuador mit e<strong>in</strong>er Pfarrei so groß wie<br />
das Saarland, über e<strong>in</strong>e „normale“ Pfarrei <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zum Militärpfarrer beim Kommando Spezialkräfte, das sei<br />
schon e<strong>in</strong>e große Spanne als Seelsor<strong>ge</strong>r, führte der General<br />
aus. Herzlich willkommen hieß auch der Vorsitzende des<br />
Pfarr<strong>ge</strong>me<strong>in</strong>derates, Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch<br />
(Bild 5), <strong>in</strong> Bonn den neuen Dekan, dankte aber auch ausdrücklich<br />
dem Leitenden Dekan, der se<strong>in</strong> Versprechen wahr<br />
<strong>ge</strong>macht hatte und das Militärpfarramt Bonn nur e<strong>in</strong>e kurze<br />
Vakanz erdulden lies, bevor <strong>die</strong> Stelle neu besetzt wurde.<br />
Da Dekan Hauser zum ersten Mal im Erzb<strong>ist</strong>um Köln Verwendung<br />
habe, übergab ihm Joachim Lensch e<strong>in</strong>en Kate-<br />
37
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
Bild 5<br />
chismus des Erzb<strong>ist</strong>ums aus dem Jahre 1896, damit der<br />
neue Dekan se<strong>in</strong>en neuen Wirkungskreis langsam und von<br />
Grund auf kennen lerne. Bei dem anschließenden Imbiss<br />
konnte Dekan Hauser noch weitere, <strong>in</strong>teressante Gespräche<br />
mit den erschienenen Soldaten sowie den Damen und<br />
Herren aus der Verwaltung des M<strong>in</strong><strong>ist</strong>eriums führen. ❏<br />
(Text und Fotos. Bertram Bastian)<br />
GKS-Kreis Köln-Wahn<br />
Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>ht uns alle an<br />
Se<strong>in</strong> bereits traditionelles Familienwochenende im Advent<br />
verbrachte der GKS-Kreis Köln Wahn auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />
Jahr wieder im Bildungshaus des Erzb<strong>ist</strong>ums Köln Maria<br />
<strong>in</strong> der Aue <strong>in</strong> Wermelskirchen. Zum Abschluss des Jahresthemas<br />
„Zwischen Himmel und Erde“ hatte der Vorsitzende<br />
des Kreises, Oberstleutnant Albert Hecht, das Wochenende<br />
unter das Thema Cybermobb<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>stellt.<br />
Den Auftakt zu e<strong>in</strong>em harmonischen Wochenende bildete<br />
am Freitagabend e<strong>in</strong>e weihnachtlich <strong>ge</strong>staltete Jahresabschlussfeier,<br />
<strong>in</strong> deren Verlauf auch das Mitglied des Jahres<br />
der Köln-Wahn aus<strong>ge</strong>zeichnet wurde. In <strong>die</strong>sem Jahr fiel <strong>die</strong><br />
Wahl auf Hauptmann Gerhard Kollmann, der sich vielfach<br />
unei<strong>ge</strong>nnützig <strong>in</strong> den Dienst der GKS <strong>ge</strong>stellt hat.<br />
Mit e<strong>in</strong>er Spielrunde zu Beg<strong>in</strong>n des Bildungsteiles am<br />
Samstag, erforschten <strong>die</strong> Referenten das Wissen der erwachsenen<br />
Teilnehmer über <strong>die</strong> elektronische Welt des Internets.<br />
Bereits hierbei wurde deutlich, dass das Thema alle vertretenen<br />
Altersschichten betrifft und nicht nur e<strong>in</strong> Thema der<br />
K<strong>in</strong>der und Ju<strong>ge</strong>ndlichen <strong>ist</strong>. Dies wurde im anschließenden<br />
E<strong>in</strong>stiegsvortrag nochmals verdeutlicht, zeigten <strong>die</strong> Referenten<br />
hier doch <strong>die</strong> unterschiedlichen Felder auf, <strong>in</strong> denen Cybermobb<strong>in</strong>g<br />
auftreten kann. Auch <strong>die</strong> Fra<strong>ge</strong>n und lebhaften<br />
Diskussionen zeigten, dass <strong>die</strong> Nutzung des Internets viele<br />
Menschen immer wieder vor Situationen stellt, auf <strong>die</strong> es<br />
nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Standartantwort gibt. „Das Internet <strong>ist</strong><br />
sicherlich ke<strong>in</strong> Hort der Glückseeligkeit. Aber mit der entsprechenden<br />
Vorsicht kann man <strong>die</strong> Vorteile <strong>die</strong>ses modernen<br />
Mediums für se<strong>in</strong>e Zwecke sicherlich <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong><strong>ge</strong>nd<br />
nutzen:“, so der Referent zum Abschluss des Vormittags.<br />
Nachdem <strong>in</strong> den Arbeitse<strong>in</strong>heiten des Vormittags der<br />
Blickw<strong>in</strong>kel auf <strong>die</strong> Erwachsenen <strong>ge</strong>legt wurde, g<strong>in</strong>g man<br />
am Nachmittag erstmals neue We<strong>ge</strong>. So arbeiteten <strong>die</strong> beiden<br />
Referenten jetzt ausschließlich mit den K<strong>in</strong>dern und Ju<strong>ge</strong>ndlichen.<br />
In zwei alters<strong>ge</strong>rechten Arbeitsgruppen wurden ihnen<br />
e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> D<strong>in</strong><strong>ge</strong> näher <strong>ge</strong>bracht, <strong>die</strong> auch bei den erfahrenen<br />
Internetnutzern für das e<strong>in</strong> oder andere Aha-Erlebnis sorgten.<br />
Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Internet konnten<br />
hier u.a. Empfehlun<strong>ge</strong>n erarbeitet werden, bei deren E<strong>in</strong>haltung,<br />
<strong>die</strong> Gefahren, Opfer von Cybermobb<strong>in</strong>g zu werden,<br />
<strong>ge</strong>r<strong>in</strong>g zu halten s<strong>in</strong>d. Als Parallelprogramm für <strong>die</strong> Eltern<br />
u. Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der fand e<strong>in</strong> W<strong>in</strong>terspaziergang statt, der se<strong>in</strong>en<br />
Abschluss auf dem Weihnachtsmarkt des Bildungshauses<br />
fand. Auch das, bei allen Familienwochenenden obligatorische<br />
B<strong>in</strong>gospiel, durfte <strong>die</strong>ses Mal nicht fehlen. Kurz vor<br />
dem Weihnachtsfest hatte Oberstleutnant Hecht noch mal<br />
tief <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schatzk<strong>ist</strong>e <strong>ge</strong>griffen und wieder viele attraktive<br />
Preise zur Verfügung <strong>ge</strong>stellt.<br />
Nach dem Familiengottes<strong>die</strong>nst am Sonntag, der durch<br />
den dafür extra an<strong>ge</strong>re<strong>ist</strong>en Militärdekan Bern<strong>in</strong>g <strong>ge</strong>staltet<br />
wurde, trafen sich alle Teilnehmer im Foyer des Bildungshauses,<br />
um unter der musikalischen Begleitung von Oberstabsärzt<strong>in</strong><br />
Dr. Kar<strong>in</strong> Schrödl und deren K<strong>in</strong>dern <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />
Weihnachtslieder zu s<strong>in</strong><strong>ge</strong>n. „E<strong>in</strong> bes<strong>in</strong>nlicher Abschluss<br />
e<strong>in</strong>es sehr <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>nen Wochenendes.“, so e<strong>in</strong> Teilnehmer<br />
bei der Abschlussrunde. ❏<br />
(Text und Foto: Andreas Quir<strong>in</strong>)<br />
38 AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
2
GKS Bereich West<br />
Interkulturelle Kompetenz<br />
oder „den dritten Weg suchen“<br />
Dank der Großzügigkeit des Bundesvorstandes der<br />
GKS war es möglich e<strong>in</strong>e zweite Familienwerkwoche<br />
im Bereich West durchzuführen. Ziel war <strong>die</strong> Kolp<strong>in</strong>g-Familienferienstätte<br />
Allgäuhaus <strong>in</strong> Wertach. Unter der bewährten<br />
Leitung von Albert Hecht trafen sich 14 Familien<br />
aus dem Bereich West. Das Kennzeichen der Gruppe<br />
Bild 1<br />
war e<strong>in</strong> braunes T-Shirt mit goldfarbenem GKS-Aufdruck<br />
(Bild 1). Dieses Aussehen zeigt Aussenwirkung und fällt<br />
auf. „Die GKS kommt!“<br />
E<strong>in</strong> vielfälti<strong>ge</strong>s Programm aus den drei Säulen Bildung,<br />
Bes<strong>in</strong>nung und Be<strong>ge</strong>gnung erwartete <strong>die</strong> Teilnehmer. Begonnen<br />
wurde jeder Tag <strong>in</strong> der hausei<strong>ge</strong>nen Kapelle. Kurze<br />
nachdenkliche Texte und Gesän<strong>ge</strong> aus dem extra von<br />
Markus Wolters an<strong>ge</strong>fertigten Liederheft boten e<strong>in</strong>e gute<br />
E<strong>in</strong>stimmung <strong>in</strong> den Tag.<br />
Bild 2<br />
Das Thema der Werkwoche lautete: „Wo Himmel und<br />
Erde sich berühren“ –Multi – Kulti? – Deutsche Leitkultur?<br />
– Parallel<strong>ge</strong>sellschaft(en)?<br />
Zu <strong>die</strong>sem Thema konnte Frau Kawka-Wegmann als<br />
Referent<strong>in</strong> <strong>ge</strong>wonnen werden (Bild 2). Sie leitet e<strong>in</strong>e katholische<br />
Grundschule <strong>in</strong> Bonn mit e<strong>in</strong>em sehr hohen Aus-<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
länderanteil. K<strong>in</strong>der und Eltern vieler Nationen und Religionen<br />
besuchen ihre katholische Schule, sie s<strong>in</strong>d willkommen,<br />
leben hier mite<strong>in</strong>ander und lernen vone<strong>in</strong>ander.<br />
Chr<strong>ist</strong>en und Muslime stellen mehr als 55% der Weltbevölkerung.<br />
„Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stunde des Dialogs und<br />
überleben nur, wenn <strong>die</strong> wachsenden Konfrontationen<br />
durch e<strong>in</strong>e Kultur der Verständigung überwunden werden.“<br />
schreibt Eu<strong>ge</strong>n Biser (<strong>ge</strong>b. 1918, Fundamentaltheolo<strong>ge</strong> und<br />
Religionsphilosoph). Leitl<strong>in</strong>ien der katholischen Kirche<br />
und e<strong>in</strong> Dialog aus chr<strong>ist</strong>lichem Ursprung s<strong>in</strong>d <strong>ge</strong>gründet<br />
auf Hebr 13.1-2: „Bleibt fest <strong>in</strong> der brüderlichen Liebe.<br />
Gastfrei zu se<strong>in</strong> ver<strong>ge</strong>sst nicht, denn dadurch haben e<strong>in</strong>i-<br />
<strong>ge</strong> ohne ihr Wissen En<strong>ge</strong>l beherbergt.“ Elementare Motive<br />
kirchlichen Integrationsenga<strong>ge</strong>ments s<strong>in</strong>d Wertschätzung<br />
von zunächst Fremden, Verteidigung ihrer Menschenwürde<br />
und Bereitschaft Gastfreundschaft zu <strong>ge</strong>währen. Das 2.<br />
Vatikanische Konzil stellt e<strong>in</strong>en entscheidenden Moment<br />
für <strong>die</strong> Seelsor<strong>ge</strong> der Migranten dar. „Die Aufnahme der<br />
Fremden <strong>ge</strong>hört zum Wesen selbst der Kirche und bezeugt<br />
ihre Treue zum Evan<strong>ge</strong>lium. Im Mittelpunkt der Integration<br />
steht <strong>die</strong> von Gott verbürgte Würde des Menschen. Trotz<br />
aller Unterschiede kommt allen Menschen <strong>die</strong> gleiche<br />
Würde zu, weil sie K<strong>in</strong>der des e<strong>in</strong>en Vaters s<strong>in</strong>d.“ Interreligiöse<br />
Kompetenz entwickelt sich <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />
zu e<strong>in</strong>er wichti<strong>ge</strong>n Schlüsselkompetenz. Wir können uns<br />
e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>andersetzung mit kultureller und religiöser<br />
Andersartigkeit nicht mehr entziehen.<br />
Interreligiöse Kompetenz <strong>ist</strong><br />
– Persönlichkeitsbildung: mit Bewusstwerdung, Erneuerung<br />
des ei<strong>ge</strong>nen Glaubens; Wahrung chr<strong>ist</strong>licher<br />
Identität; Zeugnis <strong>ge</strong>ben der ei<strong>ge</strong>nen Religion und<br />
Spiritualität; offene, von <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>m Respekt <strong>ge</strong>tra<strong>ge</strong>ne<br />
Gespräche; Selbstreflektion; gleichberechtigte<br />
Partner kennenlernen, nicht belehren wollen; andere<br />
Religion nicht als Gefahr sondern als ei<strong>ge</strong>ne Horizonterweiterung<br />
erkennen; Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />
anderen Religionen; offen se<strong>in</strong> für Gotteserfahrun<strong>ge</strong>n<br />
anderer Menschen<br />
– Ehrfurcht vor Gott<br />
– Ehrfurcht vor anderen Religionen<br />
– Nächstenliebe<br />
39
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
Religionen hatten immer schon mit Konflikten zu tun.<br />
Religionen haben Konflikte aus<strong>ge</strong>löst. Durch Religionen<br />
wurden Konflikte vermieden, verstärkt oder bei<strong>ge</strong>legt.<br />
Für <strong>die</strong> Verständigung im sozialen und im <strong>in</strong>terkulturellen<br />
Dialog hat das Zuhören e<strong>in</strong>en besonderen Stellenwert.<br />
Bild 3<br />
Bereit B i zu se<strong>in</strong>, i zuzuhören, h ddem anderen d AAufmerksamkeit f k k i<br />
zu schenken, <strong>in</strong> der anderen Welt Anregun<strong>ge</strong>n zu suchen,<br />
andere Sprachen, Traditionen und Religionen kennenzulernen,<br />
nur so kann sich unsere <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>, emotionale und<br />
<strong>ge</strong>sellschaftliche Welt weiter entwickeln. E<strong>in</strong> weiterer<br />
Faktor <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Kommunikation. Hierbei spielt <strong>die</strong> Beziehungsebene<br />
neben der Sachebene immer e<strong>in</strong>e Rolle. Ist<br />
<strong>die</strong> Beziehungsebene nicht stimmig, so führt das zu Problemen<br />
auf der Sachebene. Vorhandene Vorurteile <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüber<br />
dem anderen Menschen bee<strong>in</strong>flussen <strong>die</strong> Kommunikation.<br />
Handlungskonzept: den dritten Weg suchen<br />
Es <strong>ist</strong> wichtig, dass das Anlie<strong>ge</strong>n beider Seiten gleichberechtigt<br />
berücksichtigt und bei unterschiedlichen Vorstellun<strong>ge</strong>n<br />
im Interesse aller Beteiligten e<strong>in</strong> <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>samer<br />
Weg <strong>ge</strong>sucht und <strong>ge</strong>funden wird. Hier hat sich <strong>die</strong> Suche<br />
nach e<strong>in</strong>em dritten Weg bewährt. Es wird bei unterschiedlichen<br />
Interessen nach Lösun<strong>ge</strong>n <strong>ge</strong>sucht, <strong>die</strong> beide Seiten<br />
gut annehmen können, <strong>in</strong> der nicht e<strong>in</strong>e Seite mit ihren<br />
Interessen dom<strong>in</strong>iert und <strong>in</strong> der es nicht zu Entscheidun<strong>ge</strong>n<br />
kommt, <strong>die</strong> durch Machtverhältnisse bestimmt s<strong>in</strong>d.<br />
Bild 4<br />
Der leitende MilDekan Msgr. Schnettker lud <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
zum Gedankenaustausch e<strong>in</strong>, aus<strong>ge</strong>hend vom Dialogprozess,<br />
der <strong>in</strong> Mannheim im Sommer begonnen wurde.<br />
Dar<strong>in</strong> äußerte u.a. Kard<strong>in</strong>al Lehmann, dass e<strong>in</strong> Spagat<br />
zwischen dem theologischen Labor und dem praktischen<br />
Leben <strong>ge</strong>funden werden muss. Wie können e<strong>in</strong> Aufbruch<br />
und Änderun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> der Militärseelsor<strong>ge</strong> aussehen? In<br />
Kle<strong>in</strong>gruppen wurde re<strong>ge</strong> diskutiert. Das Er<strong>ge</strong>bnis lautete:<br />
– das katholische Profil müsse sichtbarer werden<br />
– <strong>die</strong> Kirche im Amt müsse mehr Präsenz zei<strong>ge</strong>n<br />
– <strong>die</strong> Qualität müsse verbessert werden<br />
– <strong>die</strong> Militärseelsor<strong>ge</strong> müsse noch besser bekannt<strong>ge</strong>macht<br />
werden<br />
We<strong>ge</strong> zu <strong>die</strong>sen Forderun<strong>ge</strong>n s<strong>in</strong>d nicht nur <strong>in</strong>nerkirchliche<br />
Dialo<strong>ge</strong> mit Ehrlichkeit, Vertrauen und Offenheit<br />
sondern auch Gespräche über andere Lebensbereiche<br />
und mit anderen Religionen. Alle Möglichkeiten müssen<br />
aus<strong>ge</strong>lotet werden, um wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>en dritten Weg<br />
zu f<strong>in</strong>den, den jetzt noch kaum jemand vermutet. Durch<br />
das ähnliche Handlungskonzept schließt sich der Themenkreis<br />
der Werkwoche.<br />
Thematisch können <strong>die</strong> Eltern natürlich nur un<strong>ge</strong>stört<br />
arbeiten, wenn <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der gut betreut werden. Unter<br />
fachkundi<strong>ge</strong>r Anleitung von zwei Erzieher<strong>in</strong>nen bastelten<br />
<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der (Bild 3). Auf dem Abenteuerspielplatz konnten<br />
sich <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen nach Herzenslust austoben und<br />
bei schlechtem Wetter wurde der tolle Indoor-Spielplatz<br />
über zwei Ebenen <strong>ge</strong>nutzt. Die große Sporthalle bot ebenso<br />
viele Möglichkeiten für <strong>die</strong> Ju<strong>ge</strong>ndlichen mal so richtig<br />
auszupowern, z.B. beim Tischtennis, Fußball, Handball<br />
oder Tennis.<br />
Die Erkundung der Um<strong>ge</strong>bung <strong>ist</strong> bei e<strong>in</strong>er Werkwoche<br />
selbstverständlich. Dies <strong>ge</strong>schieht selbstredend <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam<br />
mit der ganzen Gruppe. Das Allgäu bietet viele Möglichkeiten.<br />
E<strong>in</strong> Ziel war <strong>die</strong> Wallfahrtskapelle „Maria Trost“ <strong>in</strong><br />
Nesselwang. Die Geschichte der Kapelle <strong>ge</strong>ht bis <strong>in</strong>s 17.<br />
Jahrhundert zurück. 1662 wurde zum ersten Mal <strong>in</strong> dem<br />
heuti<strong>ge</strong>n Chorraum e<strong>in</strong>e heili<strong>ge</strong> Messe <strong>ge</strong>feiert. Anfang des<br />
18. Jh. entstand e<strong>in</strong> größerer Kirchbau, der 1725 e<strong>in</strong><strong>ge</strong>weiht<br />
wurde. Die Innenaus<strong>ge</strong>staltung mit den Fresken und<br />
dem Stuck erfolgte von 1750 bis 1770. In <strong>die</strong>sen Jahren<br />
wurde auch der zwei<strong>ge</strong>schossi<strong>ge</strong> Anbau als Bildungsstätte<br />
der katholischen Ju<strong>ge</strong>nd der Diözese Augsburg <strong>ge</strong>baut.<br />
Der Kreuzweg und der Kalvarienberg am alten Wall sowie<br />
der Fahrtweg wurden 1842 errichtet. E<strong>in</strong>e Aussen- und Innenrenovierung<br />
erfolgte von 1978 bis 1982. E<strong>in</strong> weiteres<br />
Ziel war der h<strong>ist</strong>orische Stadtkern von Füssen. Durch <strong>die</strong><br />
Nähe zu den Königsschlössern und mit Wurzeln aus der<br />
Römerzeit bietet sich e<strong>in</strong>e tour<strong>ist</strong>ische Hochburg.<br />
Das Allgäu lockt auch mit se<strong>in</strong>en Ber<strong>ge</strong>n. Ob zu Fuß<br />
oder mit der Seilbahn wurden das Wertacher Hörnle oder<br />
der Alpspitz erklommen. Für Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der und nicht so Höhenfreudi<strong>ge</strong><br />
bot sich e<strong>in</strong>e Wanderung um den Grüntensee<br />
oder im Tannheimer Tal an.<br />
Auch an den Abenden gibt es <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sames Programm,<br />
wobei <strong>die</strong> Gespräche im Vordergrund stehen. Immer wieder<br />
unterhaltsam und spannend <strong>ist</strong> das B<strong>in</strong>go-Spiel. Viele<br />
große Preise gab es zu <strong>ge</strong>w<strong>in</strong>nen. Wie dramatisch <strong>ist</strong> es,<br />
wenn zwei Spieler beim Haupt<strong>ge</strong>w<strong>in</strong>n <strong>die</strong>selben Zahlen haben.<br />
Traditionell <strong>ist</strong> der Mittwochabend etwas Besonderes.<br />
In der St. Sebastians-Kapelle (auch Kle<strong>in</strong>e Wies <strong>ge</strong>nannt<br />
we<strong>ge</strong>n der Bee<strong>in</strong>flussung bei Planung und Bau durch das<br />
große Vorbild) feierte MilDekan Msgr. Ra<strong>in</strong>er Schnettker<br />
e<strong>in</strong>e Familienmesse mit uns. Musikalisch <strong>ge</strong>staltet wurde<br />
<strong>die</strong> Messe <strong>in</strong> bewährte Weise von Markus Wolters an der<br />
40 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
Or<strong>ge</strong>l. Selbstverständlich kamen <strong>die</strong> Mess<strong>die</strong>ner aus unseren<br />
Reihen. Der Abend endete mit e<strong>in</strong>em Candlelightd<strong>in</strong>ner<br />
<strong>in</strong> stilvollem Ambiente. Auch hier wurden wieder<br />
viele Gespräche <strong>ge</strong>führt. Am Abschlussabend gab es etwas<br />
Besonderes. Das Alphornblasen wird im Allgäu als<br />
Brauchtum <strong>ge</strong>pflegt. Das Alphorn <strong>ge</strong>hört aufgrund se<strong>in</strong>er<br />
Anblastechnik <strong>in</strong>strumentenkundlich zu den Aerophonen<br />
und wird traditionell überwie<strong>ge</strong>nd aus Holz <strong>ge</strong>fertigt. Es<br />
besitzt weder Klappen, Zü<strong>ge</strong> noch Ventile und <strong>ist</strong> daher<br />
bezüglich der zu spielenden Töne auf <strong>die</strong> Naturtonreihe<br />
beschränkt. Die Technik der Rohrherstellung aus Holz <strong>ist</strong><br />
uralt. Heute gibt es e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> spezialisierte Instrumentenbauer,<br />
<strong>die</strong> aus <strong>ge</strong>eigneten Holzstämmen, e<strong>in</strong> Alphorn herstellen.<br />
Me<strong>ist</strong> Fichten werden <strong>ge</strong>schält und der Län<strong>ge</strong> nach<br />
halbiert. Das Aushöhlen der beiden Hälften auf e<strong>in</strong>e Wanddicke<br />
von e<strong>in</strong>em halben Zentimeter <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>e über siebzig<br />
Stunden dauernde Handarbeit. E<strong>in</strong>e anschließende Umwicklung<br />
mit Peddigrohr <strong>die</strong>nt als Wetterschutz. E<strong>in</strong> hölzernes<br />
Kesselmundstück erleichtert das Blasen. Der Preis für<br />
e<strong>in</strong> solches Instrument liegt bei etwa 1000 bis 2500 Euro.<br />
Am weitesten verbreitet <strong>ist</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> das F-Alphorn.<br />
Se<strong>in</strong>e Län<strong>ge</strong> beträgt 3,68m. E<strong>in</strong> „normales“ Alphorn hat<br />
16 Töne, wobei der tiefste Ton das F1 <strong>ist</strong>. In der üblichen<br />
Ausführung kann man Alphörner heute <strong>in</strong> zwei oder drei<br />
Teile zerle<strong>ge</strong>n. Wir kamen <strong>in</strong> den Genuss e<strong>in</strong>er Darbietung<br />
mit 3 Alphornbläsern (Bild 4). Selbstverständlich<br />
gab es Erklärun<strong>ge</strong>n und Zugaben. Dies war e<strong>in</strong> würdi<strong>ge</strong>r<br />
Abschluss für <strong>die</strong> <strong>ge</strong>le<strong>ist</strong>ete Arbeit der Organisatoren Albert<br />
Hecht und Hubert Berners, da beide nach 6mali<strong>ge</strong>r<br />
Verantwortung ihre Arbeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Form beenden. ❏<br />
(Text und Fotos: Magdalene Berners)<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
GKS Bereich West<br />
AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS<br />
Wechsel im Amt<br />
des Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers<br />
Zum 01. Januar 2012 erfolgte e<strong>in</strong> Wechsel im Amt des<br />
Bereichs<strong>ge</strong>schäftsführers der GKS West. Der bisheri<strong>ge</strong><br />
Geschäftsführer OStFw a.D. Hubert Berners übergab<br />
<strong>die</strong> Aufgaben an den neuen Geschäftsführer Andreas<br />
Quir<strong>in</strong>. ❏<br />
(Text und Foto: Andreas Quir<strong>in</strong>)<br />
Kurznachrichten<br />
Papstbrief <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zu<strong>ge</strong>ständnis an Konservative<br />
In der Debatte um <strong>die</strong> Wandlungs-<br />
Worte <strong>in</strong> der katholischen Messe<br />
ruft der Bochumer Theolo<strong>ge</strong> Thomas<br />
Söd<strong>in</strong>g zu Besonnenheit auf.<br />
Die Aufforderung von Papst Benedikt<br />
XVI. an <strong>die</strong> deutschen Bischöfe,<br />
<strong>in</strong> den Gottes<strong>die</strong>nsten <strong>die</strong><br />
ursprünglichen Worte Jesu zu verwenden,<br />
sei ke<strong>in</strong> Zu<strong>ge</strong>ständnis an<br />
konservative Kreise wie <strong>die</strong> Piusbrüder,<br />
sagte Söd<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Interview des <strong>Deutschland</strong>funks.<br />
E<strong>in</strong>e solche Interpretation halte er<br />
für verfehlt. Zudem beteten beispielsweise<br />
<strong>die</strong> Traditional<strong>ist</strong>en <strong>in</strong><br />
late<strong>in</strong>ischer Sprache und seien deswe<strong>ge</strong>n<br />
von dem Brief aus Rom ohneh<strong>in</strong><br />
nicht betroffen.<br />
Papst Benedikt XVI. hatte <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Schreiben <strong>die</strong> deutschen<br />
Bischöfe auf<strong>ge</strong>fordert, dafür zu sor<strong>ge</strong>n,<br />
dass <strong>die</strong> E<strong>in</strong>setzungsformel<br />
<strong>ge</strong>ändert wird. Demnach müsse es<br />
künftig <strong>ge</strong>mäß dem Urtext heißen:<br />
„me<strong>in</strong> Blut, das für Euch und für<br />
viele vergossen wird zur Ver<strong>ge</strong>bung<br />
der Sünden“. Das Schreiben<br />
<strong>ist</strong> <strong>ge</strong>richtet an den Vorsitzenden<br />
der Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Erzbischof Robert Zollitsch. Dar<strong>in</strong><br />
betont der Papst, dass <strong>die</strong> seit der<br />
Liturgiereform von 1970 übliche<br />
Formel „für Euch und für alle“<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretierende Übersetzung<br />
sei. Söd<strong>in</strong>g erläuterte, es <strong>ge</strong>he um<br />
e<strong>in</strong>e „Veränderung im Ausdruck“<br />
und ke<strong>in</strong>e „Veränderung <strong>in</strong> der Sache“.<br />
Dem Papst seien dabei vor<br />
allem zwei Aspekte wichtig: e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>heitliche Formel für <strong>die</strong> <strong>ge</strong>samte<br />
katholische Kirche durchzusetzen<br />
und <strong>die</strong> E<strong>in</strong>setzungsworte näher<br />
an <strong>die</strong> biblische Überlieferung heranzubr<strong>in</strong><strong>ge</strong>n.<br />
Gleichzeitig räumte<br />
Söd<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>, dass auch <strong>in</strong> den biblischen<br />
Texten <strong>die</strong> Bedeutung von<br />
„für alle“ und „für viele“ <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>ntlich<br />
nahe beie<strong>in</strong>ander lie<strong>ge</strong>. Nach<br />
theologischem Verständnis sei aber<br />
klar, dass Jesus für alle <strong>ge</strong>storben<br />
sei, <strong>die</strong> Formulierung „für viele“<br />
mache jedoch zugleich klar, dass<br />
es ke<strong>in</strong>e „Zwangsbeglückung“ im<br />
Glauben <strong>ge</strong>be. (KNA)<br />
41
BUCHBESPRECHUNGEN<br />
Buchbesprechung<br />
Dieser vorlie<strong>ge</strong>nde Band enthält <strong>die</strong><br />
Vorlesun<strong>ge</strong>n und den Festvortrag der<br />
Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen 2011, <strong>die</strong><br />
vom 1. August bis zum 7.August<br />
<strong>in</strong> der großen Aula der<br />
Universität Salzburg <strong>ge</strong>halten<br />
wurden. Beg<strong>in</strong>nend mit<br />
dem Vortrag von Alois Glück<br />
„Orientierun<strong>ge</strong>n <strong>in</strong> unsicheren<br />
Zeiten“, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Hauptvorlesun<strong>ge</strong>n<br />
hier ab<strong>ge</strong>druckt.<br />
Damit kann man sowohl nachvollziehen,<br />
was Prof. Lieven<br />
Boeve über „Chr<strong>ist</strong>licher Glaube<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit der Verunsicherung:<br />
Theologie, Kirche<br />
und <strong>die</strong> Angst vor dem Risiko“<br />
aussagte, aber auch den Vortrag von<br />
Maximilian Bur<strong>ge</strong>r-Scheidl<strong>in</strong> „Wirtschaft<br />
Buchbesprechung<br />
Sicher – unsicher<br />
und Ethik – e<strong>in</strong> Widerspruch“. Im AUF-<br />
TRAG 284, Seite 13 ff haben wir darüber<br />
berichtet. Dieser Band<br />
mit mi den wichtigsten Vorlesun<strong>ge</strong>n<br />
<strong>ge</strong> spie<strong>ge</strong>lt <strong>die</strong> Salzbur<strong>ge</strong>r<br />
Hochschulwochen H<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
großarti<strong>ge</strong>n gr Weise wider und<br />
gibt gi den Menschen, <strong>die</strong> dabei<br />
waren, w <strong>die</strong>se Gedanken klar<br />
und u deutlich wieder <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung,<br />
n den Menschen, <strong>die</strong><br />
noch n nicht an den Salzbur<strong>ge</strong>r<br />
g Hochschulwochen dabei<br />
waren, w <strong>ist</strong> <strong>die</strong>ser Band e<strong>in</strong><br />
„Appetithäppchen“, „<br />
um <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>sem d Jahr dabei zu se<strong>in</strong>,<br />
wenn w das Thema über „Ver-<br />
antworten“ <strong>ge</strong>ht. In <strong>die</strong>sem Band s<strong>in</strong>d<br />
<strong>die</strong> Vorträ<strong>ge</strong> des Publikumspreises ab-<br />
Erneuerungsdenken <strong>in</strong> der islamischen Welt<br />
<strong>ge</strong>druckt und <strong>die</strong> Laudatio von Prof. Dr.<br />
Elmar Salmann über den Pre<strong>ist</strong>rä<strong>ge</strong>r sowie<br />
<strong>die</strong> Dankesrede des Erzbischofs von<br />
Chieti-Vasto, Italien Dr. Bruno Forte, der<br />
den Theologischen Preis der Salzbur<strong>ge</strong>r<br />
Hochschulwochen erhalten hatte. E<strong>in</strong>e<br />
Übersicht über <strong>die</strong> Lehrveranstaltun<strong>ge</strong>n<br />
und <strong>die</strong> Vorstellun<strong>ge</strong>n der ab<strong>ge</strong>druckten<br />
Autoren runden <strong>die</strong>ses <strong>ge</strong>lun<strong>ge</strong>ne Compendium<br />
der Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen<br />
2011 ab. (BB)<br />
Im Auftrag des Direktoriums<br />
der Salzbur<strong>ge</strong>r Hochschulwochen<br />
als Jahrbuch heraus<strong>ge</strong><strong>ge</strong>ben<br />
von Gregor Maria Hoff,<br />
Sicher – unsicher, 256 Seiten,<br />
Tyrolia – Verlag, Innsbruck – Wien,<br />
ISBN 978-3-7022-3148-4<br />
Orthodoxie-Kritik und neue Selbstver<strong>ge</strong>wisserung als Mittel zur Überw<strong>in</strong>dung der <strong>ge</strong><strong>ist</strong>ig-kulturellen Krise?<br />
Das Beispiel der Altajdeed Cultural & Social Society<br />
Der Autor Said alDailami folgte als<br />
Neunjähri<strong>ge</strong>r se<strong>in</strong>em Vater aus dem<br />
Jemen <strong>in</strong>s politische Exil nach <strong>Deutschland</strong>.<br />
Hier sorgte se<strong>in</strong> Vater dafür, dass er<br />
neben se<strong>in</strong>er religiösen Erziehung auch<br />
<strong>die</strong> neue Landessprache lernte. Dieses<br />
H<strong>in</strong>- und Her<strong>ge</strong>rissense<strong>in</strong> zwischen se<strong>in</strong>em<br />
Zuhause und der Alltagswelt, <strong>die</strong><br />
dem jun<strong>ge</strong>n Muslim be<strong>ge</strong>gnete, prägte<br />
den jun<strong>ge</strong>n Mann. Die Be<strong>ge</strong>gnung mit<br />
der „westlichen Kultur“, das Kennenlernen<br />
der Aufklärung und der Philosophen<br />
wie Hobbes, Descartes, Kant und He<strong>ge</strong>l,<br />
um nur e<strong>in</strong>i<strong>ge</strong> zu nennen, weckte se<strong>in</strong><br />
Interesse. Während se<strong>in</strong>es Studiums der<br />
Staatswissenschaften vertiefte er se<strong>in</strong>e<br />
Kenntnisse um <strong>die</strong> abendländische Theologie<br />
und Philosophie. Aus dem Vorwort:<br />
„Auf der empirischen Ebene zog der <strong>in</strong>zwischen<br />
<strong>in</strong> der Bundeswehr <strong>die</strong>nende<br />
muslimische Offizier („Treues Dienen<br />
versus treues Glauben“, AUFTRAG 281,<br />
Seite 26 ff, <strong>die</strong> Redaktion) alltäglich den<br />
Vergleich zwischen der Mentalität, der<br />
Bewusstse<strong>in</strong>sla<strong>ge</strong> sowie den Denkmustern<br />
se<strong>in</strong>er „Glaubensbrüder“ und jener<br />
vorwie<strong>ge</strong>nd chr<strong>ist</strong>lich-abendländisch<br />
<strong>ge</strong>prägten <strong>ge</strong><strong>ist</strong>i<strong>ge</strong>n E<strong>in</strong>stellung se<strong>in</strong>er<br />
deutschen und europäischen Bekannten,<br />
Freunden und Kameraden. Das Resultat<br />
<strong>die</strong>ses Vergleiches <strong>ist</strong> <strong>die</strong> nahelie<strong>ge</strong>nde,<br />
wissenschaftlich jedoch nicht unbestrittene<br />
Feststellung, dass <strong>die</strong> Handlun<strong>ge</strong>n<br />
der e<strong>in</strong>en wie der anderen, wenn<br />
sie nicht oberflächlich ab<strong>ge</strong>urrteilt werden sollen, nur vor dem m<br />
H<strong>in</strong>tergrund ihres zugrunde-<br />
lie<strong>ge</strong>nden Weltbildes <strong>in</strong> ihren n<br />
ganzen Dimensionen begriffen n<br />
werden können.“ Dieses Buch<br />
wird allen empfohlen, denen,<br />
<strong>die</strong> dem Islam kritisch <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nüberstehen,<br />
denen, <strong>die</strong> den<br />
Weg der Verständigung suchen,<br />
denen, <strong>die</strong> dem muslimischen<br />
Glauben <strong>die</strong> Kraft<br />
der Veränderung wünschen.<br />
Wer mit islamischen Glau-<br />
bensbrüdern und Glaubensfrauen auen dis-<br />
kutieren möchte, für den <strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Abhandlung<br />
e<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gtes Muss, um <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
H<strong>ist</strong>orie <strong>die</strong>ser dritten monothe<strong>ist</strong>ischen<br />
Weltreligion e<strong>in</strong>zutauchen. So wie es <strong>die</strong><br />
Erklärung des II.Vaticanums „nostra<br />
aetate“ aussagt: „Die katholische Kirche<br />
lehnt nichts von alledem ab, was <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen<br />
Religionen wahr und heilig <strong>ist</strong>. Mit aufrichti<strong>ge</strong>m<br />
Ernst betrachtet sie jene Handlungs-<br />
und Lebensweisen, jene Vorschriften<br />
und Lehren, <strong>die</strong> zwar <strong>in</strong> manchem von<br />
dem abweichen, was sie selber für wahr<br />
hält und lehrt, doch nicht selten e<strong>in</strong>en<br />
Strahl jener Wahrheit erkennen lassen,<br />
<strong>die</strong> alle Menschen erleuchtet.“ Und weiter<br />
führt f <strong>die</strong>se Erklärung aus:<br />
„Da „ es jedoch im Lauf der<br />
Jahrhunderte J zu manchen<br />
Zw<strong>ist</strong>igkeiten Z<br />
und Fe<strong>in</strong>dschaften<br />
s zwischen Chr<strong>ist</strong>en<br />
und u Muslim kam, ermahnt<br />
<strong>die</strong> di Heili<strong>ge</strong> Synode alle, das<br />
Vergan<strong>ge</strong>ne Ve beiseite zu lassen,<br />
sen sich aufrichtig um <strong>ge</strong><strong>ge</strong>nseiti<strong>ge</strong>s<br />
<strong>ge</strong>n Verstehen zu bemühen<br />
mü und <strong>ge</strong>me<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>zutreten<br />
zut für Schutz und Förderung<br />
der der sozialen Gerechtigkeit,<br />
tigk der sittlichen Güter<br />
und<br />
nicht zuletzt des Friedens<br />
und der Freiheit für alle Menschen“. Die<br />
Kenntnis <strong>die</strong>ses Buch von Said alDailami<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> wichti<strong>ge</strong>r Schritt zu <strong>die</strong>sem lobenswerten<br />
Ziel. (BB)<br />
Said alDailami, Erneuerungsdenken<br />
<strong>in</strong> der islamischen Welt, Kultur,<br />
Recht und Politik <strong>in</strong> muslimischen<br />
Gesellschaften, Band 21, 457 Seiten,<br />
Ergon Verlag, Würzburg,<br />
ISBN 978-3-89913-860-3<br />
42 AUFTRAG 285 • APRIL 2012
2012 Allg. Term<strong>in</strong>e u. Bundesebene<br />
15.05. – 16.05. Vollversammlung ZdK, Mannheim<br />
16.05. – 20.05. 98. Deutscher Katholikentag<br />
<strong>in</strong> Mannheim<br />
„E<strong>in</strong>en neuen Aufbruch wa<strong>ge</strong>n“<br />
30.05. – 03.06. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Cloppenburg<br />
15.06. – 16.06. Vorstand Katholikenrat, Essen<br />
15.06. – 17.06. GKS Bundesvorstand, Nürnberg<br />
22.06. Politiker<strong>ge</strong>spräch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
06.09. Verwaltungsrat<br />
08.09. Vorkonferenz zur Woche der Be<strong>ge</strong>gnung<br />
10.09. – 15.09. 52. Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, Berl<strong>in</strong><br />
„Kirche unter Soldaten – Verantwortung<br />
durch Gottvertrauen“<br />
15.10. – 19.10. 57. Gesamtkonferenz, Bensberg<br />
24.10. – 28.10. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />
10.11. – 11.11. GKS Bundesvorstand, Mülheim/Ruhr<br />
17.11. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />
23.11. – 24.11. Vollversammlung ZdK, Bonn<br />
29.11. Verwaltungsrat<br />
Bereichs- / Arbeitskonferenzen / Familienwochenenden<br />
KMilD Kiel / GKS Nord/Küste<br />
13.11. – 15.11. Salem<br />
KMilD Erfurt / GKS Mitte<br />
19.10. – 21.10. Duderstadt<br />
KMilD Ma<strong>in</strong>z / GKS West<br />
21.09. – 23.09. Cochem<br />
KMilD München / GKS Süd<br />
26.10. – 28.10. Wertach<br />
AUFTRAG 285 • APRIL 2012<br />
GKS-Sachausschüsse<br />
SA „Innere Führung“<br />
22.06. – 24.06. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (mit S&F)<br />
Term<strong>in</strong>e für das Laienapostolat<br />
<strong>in</strong> der Kath. Militärseelsor<strong>ge</strong><br />
SA „Sicherheit und Frieden“<br />
10.02. Sitzung <strong>in</strong> Bonn<br />
23.03. Sitzung <strong>in</strong> Bonn<br />
22.06. – 24.06. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (mit IF)<br />
SA „Internationaler Sachausschuss“<br />
29.06. – 01.07. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
19.10. – 21.10. Sitzung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
Vorschau 2013<br />
BILD DES SOLDATEN<br />
19.01. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />
19.01. <strong>ge</strong>schäftsführender Bundesvorstand,<br />
Berl<strong>in</strong><br />
24. – 28.04. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />
22. – 28.05. 55. Lourdeswallfahrt<br />
07. – 09.06. Vorstand Katholikenrat, Hamm<strong>in</strong>keln<br />
15. – 20.09. Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, Hamm<strong>in</strong>keln<br />
29.05. – 02.06. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Cloppenburg<br />
16. – 20.10. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />
04. – 08.11. GKS-Akademie Oberst Korn, Fulda<br />
09.11. Vorstand Katholikenrat, Berl<strong>in</strong><br />
Vorschau 2014<br />
14. – 18.05. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />
28.05. – 01.06. 99.Katholikentag, Re<strong>ge</strong>nsburg<br />
02. – 07.07. Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Fulda<br />
15. – 19.10 Sem<strong>in</strong>ar 3. Lebensphase, Nürnberg<br />
Regionale Zuständigkeit der Katholischen<br />
Militärdekanate<br />
KMilD Kiel: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holste<strong>in</strong>,<br />
Dienststellen im Bereich des Flottenkommandos<br />
KMilD Ma<strong>in</strong>z: Hessen, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Rhe<strong>in</strong>land-<br />
Pfalz, Saarland<br />
KMilD München: Bayern, Baden-Württemberg<br />
KMilD Erfurt: Berl<strong>in</strong>, Brandenburg, Thür<strong>in</strong><strong>ge</strong>n, Sachsen,<br />
Sachsen-Anhalt, Bremen, Niedersachsen<br />
VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: BK – Konferenz der GKS im Bereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz der GKS,<br />
BV GKS – Bundesvorstand der GKS, DAK – Dekanatsarbeitskonferenz im Bereich….., GKMD – Geme<strong>in</strong>schaft der kath.<br />
Männer <strong>Deutschland</strong>s, IS – Internationaler Sachausschuss, IThF – Institut Theologie und Frieden, Hamburg, KMilD –<br />
Kath. Militärdekanat, MGV – Militär<strong>ge</strong>neralvikar, SA InFü – Sachausschuss »Innere Führung«, SA S+F – Sachausschuss<br />
»Sicherheit und Frieden«, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Be<strong>ge</strong>gnung, KR – Katholikenrat beim Militärbischof,<br />
VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.<br />
43
Der Königste<strong>in</strong>er En<strong>ge</strong>l<br />
Der »siebte En<strong>ge</strong>l mit der siebten Posaune«<br />
(Offb 11,15–19) <strong>ist</strong> der Bote der Hoffnung,<br />
der <strong>die</strong> une<strong>in</strong><strong>ge</strong>schränkte Herrschaft<br />
Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische<br />
En<strong>ge</strong>l am Haus der Be<strong>ge</strong>gnung <strong>in</strong> Königste<strong>in</strong>/<br />
Ts., dem Grün dungsort des Königste<strong>in</strong>er<br />
Offi zier kreises (KOK), <strong>ist</strong> heute noch das<br />
Tra di tionszeichen der GKS, das <strong>die</strong> katholische<br />
Laienarbeit <strong>in</strong> der Militärseelsor<strong>ge</strong><br />
seit mehr als 40 Jahren begleitet.<br />
Das Kreuz der GKS<br />
Das »Kreuz der GKS« <strong>ist</strong> das Symbol<br />
der Geme<strong>in</strong>schaft Katholischer Soldaten.<br />
Vier Kreise als Symbol für <strong>die</strong><br />
GKS-Kreise an der Basis formen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em größeren Kreis, der wiederum<br />
<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft ver s<strong>in</strong>nbildlicht, e<strong>in</strong><br />
Kreuz, unter dem sich katholische Soldaten<br />
versammeln.<br />
Impressum<br />
AUFTRAG <strong>ist</strong> das Organ der<br />
GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN<br />
(GKS) und er sche<strong>in</strong>t viermal im Jahr.<br />
Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2,<br />
10117 Berl<strong>in</strong><br />
www.katholische-soldaten.de<br />
Redaktion: verantwortlicher Redakteur<br />
Bertram Bastian (BB),<br />
Ra<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>k (RZ), Oberstlt a.D., Redakteur<br />
Zuschriften: Redaktion AUFTRAG<br />
c/o Bertram Bastian,<br />
Alter Heerweg 104, 53123 Bonn,<br />
Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164,<br />
E-Mail: redaktion-auftrag@kath-soldaten.de<br />
Für unverlangte E<strong>in</strong>sendun<strong>ge</strong>n wird ke<strong>in</strong>e<br />
Haftung übernommen. Namensartikel werden<br />
alle<strong>in</strong> vom Verfasser verantwortet. Nicht immer<br />
s<strong>in</strong>d bei Nachdrucken <strong>die</strong> Inhaber von Rechten<br />
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verpfl ichtet sich der Heraus<strong>ge</strong>ber,<br />
nachträglich <strong>ge</strong>ltend <strong>ge</strong>machte rechtmäßi<strong>ge</strong><br />
Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen<br />
zu vergüten.<br />
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Boxgraben 73, 52064 Aachen<br />
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GKS e.V. Berl<strong>in</strong>, Pax Bank eG Köln,<br />
BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018.<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit<br />
Genehmigung der Redaktion und mit<br />
Quellenangabe. Nach be stellung <strong>ge</strong><strong>ge</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e Schutz<strong>ge</strong>bühr von EUR 10,- an<br />
den ausliefernden Verlag.<br />
ISSN 1866-0843