Impressionismus in der Musik
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Impressionismus in der Musik
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� Die unterstrichenen Wörter s<strong>in</strong>d Hyperl<strong>in</strong>ks. Anhand von Beispielen werden die<br />
musikalischen Stilmittel des <strong>Impressionismus</strong> gezeigt. Es ist von Vorteil, e<strong>in</strong>leitend<br />
das Kapitel „<strong>Impressionismus</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Malerei“ zu lesen.<br />
as Genau diese Idee haben Komponisten des <strong>Impressionismus</strong> übernommen.<br />
Schliesslich hat auch <strong>der</strong> Klang Farben, und das funktioniert ähnlich wie bei den<br />
Komplementärfarben. Die Tonarten geben vor, <strong>in</strong> welcher Stimmung e<strong>in</strong> Stück ge-<br />
spielt wird. Wenn man e<strong>in</strong>zelne Akkorde aber so raff<strong>in</strong>iert aufschreibt, dass die ei-<br />
gentliche Tonart gar nicht mehr zu erkennen ist, versucht das Ohr automatisch diese<br />
e<strong>in</strong>zuordnen. So entsteht auch im Klang <strong>der</strong> Effekt <strong>der</strong> zusammenfliessenden Farben.<br />
Daraus entwickelte sich im <strong>Impressionismus</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Melodie Wellen-<br />
o<strong>der</strong> Kreisbewegungen macht. Das wird erreicht, <strong>in</strong> dem man e<strong>in</strong>e Melodie auf- und<br />
abkl<strong>in</strong>gen lässt.<br />
Um den momentanen o<strong>der</strong> unfertigen Effekt <strong>der</strong> Malerei nachzuahmen, komponier-<br />
ten impressionistische <strong>Musik</strong>er selten vollständige Motive. Bevor e<strong>in</strong> musikalischer<br />
Gedanke zu Ende geführt wird, lösen sie ihn wie<strong>der</strong> auf o<strong>der</strong> lassen ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en an-<br />
<strong>der</strong>n Gedanken e<strong>in</strong>fliessen.<br />
In <strong>der</strong> Malerei des <strong>Impressionismus</strong> gibt es kaum Gegenstände die im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen, die Ebenen werden verwischt. Diese Idee greifen auch die Komponisten auf.<br />
Sie vermeiden Harmonien, die nach traditioneller Ordnung e<strong>in</strong>em <strong>Musik</strong>stück Stabi-<br />
lität verleihen. Dafür benutzen sie schiefe (=dissonante) Akkorde o<strong>der</strong> setzen Nach-<br />
bartöne (=Sekunden) e<strong>in</strong> und verschieben diese parallel ohne sie wie<strong>der</strong> aufzulösen.<br />
Durch den fehlenden Grundton und die fehlenden Auflösungen wirken die Akkorde<br />
vieldeutig, die Tonart bleibt verborgen.<br />
Beispiel ab Takt 14 aus dem Orchesterstück „Nuages“ als Midi-File (sichere Seite)<br />
Aus dem Orchesterstück „Nocturnes“, 1. Satz Nuages von Debussy.<br />
1
Doch Debussy g<strong>in</strong>g sogar e<strong>in</strong>en Schritt weiter, er komponierte polytonale Stücke.<br />
Hier werden gleichzeitig mehrere Tonarten gespielt. Bei <strong>der</strong> Aufnahme siehst du<br />
deutlich, e<strong>in</strong>e Hand spielt auf schwarzen Tasten, die an<strong>der</strong>e auf weissen Tasten.<br />
Aber auch die Rhythmen müssen sich auflösen um den E<strong>in</strong>druck <strong>der</strong> Verschwommenheit<br />
zu erwecken. Dazu eignen sich z.B. Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Tempi o<strong>der</strong> das<br />
gleichzeitige Spielen von Triolen und Duolen, wie im Klavierstück "Arabesque".<br />
Um das Taktgefühl des Zuhörers zu täuschen, werden Taktschwerpunkte durch Pau-<br />
sen ersetzt, neue Schwerpunkte mit Synkopen gebildet o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Noten über die<br />
Taktstriche h<strong>in</strong>weg mit Haltebogen verbunden. So kann <strong>der</strong> Zuhörer kaum erken-<br />
nen, wann e<strong>in</strong> Takt beg<strong>in</strong>nt o<strong>der</strong> aufhört.<br />
„Danse sacrée et profane“ für Harfe und Streichorchester beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>er für De-<br />
bussy typischen e<strong>in</strong>stimmigen Melodie <strong>der</strong> Streicher, die sanft und extrem leise ge-<br />
spielt werden soll.<br />
Notenbeispiel als Midi-File (sichere Seite)<br />
Wie bei so vielen se<strong>in</strong>er Werke lässt Debussy bei diesem Anfang das Metrum im Un-<br />
klaren. Die Melodie schwebt dah<strong>in</strong> und bleibt auf e<strong>in</strong>em langen Ton stehen. Erst jetzt<br />
wird durch e<strong>in</strong> Pizzicato des Streichorchesters e<strong>in</strong> Metrum erkennbar. Die Anfangs-<br />
melodie besteht übrigens aus e<strong>in</strong>er pentatonischen Reihe. Die Pentatonik ist e<strong>in</strong>e 5<br />
Ton-Leiter und gilt als ältestes nachgewiesenes Tonsystem. Wenn du auf dem Kla-<br />
vier die schwarzen Tasten h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> spielst, hörst du die Pentatonik. Überträgt<br />
(transponiert) man die gleichen Noten<strong>in</strong>tervalle auf die weissen Tasten, s<strong>in</strong>d das die<br />
Töne g-a-c-d-e- <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangsmelodie. Debussy verwendet die Pentatonik gerne,<br />
wenn er auf Schlichtheit o<strong>der</strong> auf die Tradition früher <strong>Musik</strong> verweisen will.<br />
Nach <strong>der</strong> siebentaktigen doch recht statischen E<strong>in</strong>leitung setzt die Harfe mit e<strong>in</strong>em<br />
lebhafteren Motiv e<strong>in</strong>, auch dieses kl<strong>in</strong>gt pentatonisch, diesmal mit den Tönen a-c-d-<br />
f-g-.<br />
2
Hier kannst du das ganze Stück anhören.<br />
Wie die Maler auf zarte Farben setzen, so dass zum Teil die Le<strong>in</strong>wand durchschim-<br />
mert, suchen die Komponisten nach „durchsichtiger“ <strong>Musik</strong>. Durch lange, leise, hohe<br />
Töne und mit schwebenden Klängen erreichen sie das Gefühl e<strong>in</strong>er schwerelosen Mu-<br />
sik. „Voiles“ ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bemerkenswertesten Klavierkompositionen von Debussy.<br />
Das Stück ist dreiteilig aufgebaut, wobei je<strong>der</strong> Teil sich konsequent auf die Verwen-<br />
dung e<strong>in</strong>es bestimmten Tonmaterials beschränkt. Im ersten und dritten Teil benutzt<br />
Debussy e<strong>in</strong>e Skala, die nur aus Ganztonschritten besteht, die sogenannte Ganzton-<br />
leiter.<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s geschrieben:<br />
Notenbeispiel als Midi-File (sichere Seite)<br />
Durch die fehlenden Halbtöne wird das herkömmliche Gefüge <strong>der</strong> harmonischen<br />
Funktionen aufgehoben. Infolge <strong>der</strong> völlig regelmässigen Tonabstände und den<br />
dadurch wegfallenden Leit- und Grundtönen macht es im Pr<strong>in</strong>zip ke<strong>in</strong>en Unter-<br />
schied, auf welchem Ton die Ganztonleiter begonnen wird. Sie wirkt nicht abschlies-<br />
send, so als würden Anfang und Ende fehlen. Die Reihe könnte theoretisch unend-<br />
lich weit geführt werden.<br />
Bildet man aus den Tönen <strong>der</strong> Ganztonleiter Dreiklänge, können aufgrund <strong>der</strong> feh-<br />
lenden Halbtonschritte we<strong>der</strong> Dur- noch Molldreiklänge gebildet werden. Statt des-<br />
sen entstehen übermässige Dreiklänge, also Dreiklänge, die aus zwei aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>ge-<br />
schichteten grossen Terzen bestehen. Dabei s<strong>in</strong>d c und his identische Töne.<br />
Die übermässigen Dreiklänge aus dem Notenbeispiel als Midi-File (sichere Seite).<br />
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E<strong>in</strong> <strong>Musik</strong>stück aus übermässigen Dreiklängen führt zu ke<strong>in</strong>erlei harmonischen<br />
Spannungs- o<strong>der</strong> Entspannungsmomenten, wie sie durch Dur- und Mollakkorde<br />
möglich werden. Die Akkorde wirken deshalb schwebend. Hier kannst du das Stück<br />
"Voiles" anhören.<br />
Debussy liess sich von Bil<strong>der</strong>n und <strong>der</strong>en Farben <strong>in</strong>spirieren, so z.B. von e<strong>in</strong>em im<br />
Klee sitzenden K<strong>in</strong>d mit kirschroten Lippen und flachsblondem Haar. Die Tonarten<br />
Ges-Dur und Des-Dur werden von Debussy immer dann verwendet, wenn er Wärme<br />
und Harmonie vermitteln will. Das Hauptmotiv des Stückes „La fille aux cheveux de<br />
l<strong>in</strong>“ zeigt e<strong>in</strong>e wellenförmige Bewegung, die am Anfang nur von <strong>der</strong> rechten Hand<br />
gespielt wird.<br />
Die Töne des Motivs s<strong>in</strong>d auch hier Bestandteil e<strong>in</strong>er pentatonischen Reihe und sym-<br />
bolisieren E<strong>in</strong>fachheit und Schlichtheit. Im Verlaufe des Stückes harmonisiert De-<br />
bussy dieses Motiv immer wie<strong>der</strong> neu und ungewöhnlich. An 4 Beispielen hörst du,<br />
wie sich die Klangfarben verän<strong>der</strong>n. Ab Takt 23 wird das Motiv von parallel ver-<br />
schobenen Septakkorden begleitet. Am Ende ersche<strong>in</strong>t das Motiv noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> ho-<br />
her Lage, nur von e<strong>in</strong>em stehenden Ces-Dur-Akkord gestützt. Die Dynamik des Stü-<br />
ckes bewegt sich meist im Bereich zwischen pianissimo und piano und steigert sich<br />
nur am Höhepunkt bis zum mezzoforte. Innerhalb dieses schmalen Dynamikbe-<br />
reichs for<strong>der</strong>t Debussy e<strong>in</strong>e differenzierte Gestaltung. Hier hörst du das ganze Kla-<br />
vierstück.<br />
E<strong>in</strong> weiteres wichtiges Stilmittel des <strong>Impressionismus</strong> wird <strong>in</strong> „La Cathédrale eng-<br />
loutie“ angewendet. Dem Klavierstück liegt die alte bretonische Legende <strong>der</strong> ver-<br />
sunkenen Stadt Ys zugrunde, die im 4. o<strong>der</strong> 5. Jahrhun<strong>der</strong>t wegen <strong>der</strong> Pietätlosigkeit<br />
ihrer Bewohner versenkt wurde und seither angeblich bei Sonnenaufgang als mah-<br />
nendes Beispiel sichtbar wird. Ausserdem sollen die Fischer an w<strong>in</strong>dstillen Tagen die<br />
Glocken <strong>der</strong> untergegangenen Stadt hören.<br />
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Nachdem das Stück am Anfang aus dem pianissimo heraus entsteht, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte<br />
das Thema <strong>der</strong> Stadt, bzw. <strong>der</strong> Kathedrale <strong>in</strong> vollem Glanz zu hören (Notenbeispiel),<br />
bevor es am Ende <strong>in</strong> tiefer Lage wie<strong>der</strong> unter Wasser verschw<strong>in</strong>det. <strong>Musik</strong>alisch ba-<br />
siert das ganze Stück auf e<strong>in</strong>em kurzen Motiv, das als das Schlagen von drei Glocken<br />
<strong>in</strong>terpretiert werden könnte. Dieses Motiv, das aus e<strong>in</strong>er aufsteigenden Sekunde und<br />
e<strong>in</strong>er Quart, beziehungsweise e<strong>in</strong>er Qu<strong>in</strong>t besteht, f<strong>in</strong>det sich als Grundelement im<br />
ganzen Stück wie<strong>der</strong>. Auch das Thema <strong>der</strong> Kathedrale (s. obiges Notenbeispiel) be-<br />
g<strong>in</strong>nt mit diesem Motiv. Im folgenden Notenbeispiel s<strong>in</strong>d beide Varianten sichtbar.<br />
Debussy arbeitete bewusst mit archaischen Elementen. Sowohl <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz alter<br />
Kirchentonarten, diese wurden im Mittelalter vor dem Aufkommen <strong>der</strong> Dur- und<br />
Molltonarten verwendet, als auch die Verwendung von Quart- und Qu<strong>in</strong>tschichtun-<br />
gen. Quarten und Qu<strong>in</strong>ten waren die ersten Begleit<strong>in</strong>tervalle, die bei mehrstimmigen<br />
Gesängen angewendet wurden. Debussy deutet damit auf die Zeit h<strong>in</strong>, aus <strong>der</strong> die<br />
Legende stammt. Beim Thema <strong>der</strong> Kathedrale f<strong>in</strong>den sich musikalische Mittel, die<br />
für die Orgel typisch s<strong>in</strong>d. Die Kirchentonart mixolydisch (g-Tonleiter aus g-a-h-c-d-<br />
e-f-g, also ohne fis!), <strong>der</strong> tiefe, lange gleichbleibende Basston als Orgelpunkt (hier das<br />
tiefste C auf dem Klavier) und die parallele Führung <strong>der</strong> Oberstimmen als e<strong>in</strong>e Art<br />
Mixturklang. Mixturen bei <strong>der</strong> Orgel s<strong>in</strong>d Pfeifen, die an Tasten gekoppelt werden<br />
und <strong>in</strong> diesem festgelegten Intervallabstand immer mitkl<strong>in</strong>gen.<br />
La cathédrale engloutie<br />
Die stilistischen Merkmale des <strong>Impressionismus</strong> streben vorwiegend nach e<strong>in</strong>em<br />
schwebenden, atmosphärischen Klangcharakter, vergleichbar mit <strong>der</strong> Wirkung im-<br />
pressionistischer Gemälde. Im Klavierstück "Reflets dans l'eau" von Claude Debussy<br />
ist das Funkeln und Glitzern <strong>der</strong> Wassertropfen im Sonnenlicht und auch <strong>der</strong> Bezug<br />
zur impressionistischen Malerei deutlich hörbar.<br />
Kompositionen die als impressionistisch gelten, entstanden hauptsächlich <strong>in</strong> Frank-<br />
reich zwischen 1890 und 1920. Obschon Claude Debussy (1862-1918) nicht als Im-<br />
pressionist bezeichnet werden wollte, gilt er bis heute als Hauptvertreter <strong>der</strong> impres-<br />
sionistischen <strong>Musik</strong>. Wie kaum e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Komponist liess sich Debussy von <strong>der</strong><br />
Malerei und Literatur zum Komponieren anregen.<br />
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Clair de lune<br />
Im August 2012 könnte Claude Debussy se<strong>in</strong>en<br />
150. Geburtstag feiern. Er lebte lange <strong>in</strong> grösster<br />
Armut, was heute bei se<strong>in</strong>er zweifelsfreien<br />
Hochachtung und Anerkennung kaum vorstell-<br />
bar ist. Mehr über se<strong>in</strong> Leben und se<strong>in</strong>e Werke<br />
kannst du unter Debussy nachlesen.<br />
Debussy liess sich von <strong>der</strong> Sprache und ihrer<br />
Poesie anregen. Die befreundeten Dichter<br />
Charles Baudelaire, Paul Verla<strong>in</strong>e und Stéphane<br />
Mallarmé <strong>in</strong>spirierten ihn mit ihren symboli-<br />
schen Texten. Debussy suchte bei <strong>der</strong> Vertonung<br />
von Texten nach e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>klang zwischen dem<br />
Klang <strong>der</strong> Sprache, <strong>der</strong> Aussage, dem symboli-<br />
schen Gehalt des Textes und se<strong>in</strong>er Kompositi-<br />
on. Um die vielfältigen und wechselnden Stimmungen und Schattierungen auch <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Musik</strong> abzubilden, war es ihm unmöglich, wie bis anh<strong>in</strong> für alle Strophen e<strong>in</strong>es<br />
Gedichtes die gleiche Melodie zu verwenden. Neu wurde das Lied durchkomponiert,<br />
d.h. jede Strophe wurde ihrem Text entsprechend an<strong>der</strong>s vertont und gestaltet.<br />
Hier hörst du "Harmonie du soir" nach e<strong>in</strong>em Gedicht von Charles Baudelaire.<br />
Auf e<strong>in</strong> Libretto (=Text <strong>der</strong> Oper) des symbolhaften Märchens von Maeterl<strong>in</strong>ck,<br />
komponierte Debussy se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Oper „ Pelléas et Mélisande“. Debussy wollte <strong>der</strong><br />
Oper e<strong>in</strong>e neue Richtung geben und den natürlichen Sprachfluss zurückholen. An<br />
e<strong>in</strong>igen Stellen werden Passagen als Rezitativ gesungen. Hier s<strong>in</strong>d die Klangfarben<br />
des Orchesters von weitaus grösserer Bedeutung als die Melodie <strong>der</strong> S<strong>in</strong>gstimme.<br />
Das Orchester „malt“ Landschaften und „betont“ die emotionale Bef<strong>in</strong>dlichkeit <strong>der</strong><br />
Figuren. Je<strong>der</strong> Person wird e<strong>in</strong> bestimmtes musikalisches Motiv zugeordnet, das<br />
aber immer nur im Orchester ersche<strong>in</strong>t. Hier hörst du e<strong>in</strong>en kurzen Ausschnitt aus<br />
<strong>der</strong> 3. Szene.<br />
Votre âme est un paysage choisi<br />
Que vont charmant masques et bergamasques<br />
Jouant du luth et dansant et quasi<br />
Tristes sous leurs déguisements fantasques.<br />
Tout en chantant sur le mode m<strong>in</strong>eur<br />
L'amour va<strong>in</strong>queur et la vie opportune,<br />
Ils n'ont pas l'air de croire à leur bonheur<br />
Et leur chanson se mêle au clair de lune,<br />
Au calme clair de lune triste et beau,<br />
Qui fait rêver les oiseaux dans les arbres<br />
Et sangloter d'extase les jets d'eau,<br />
Les grands jets d'eau sveltes parmi les marbres.<br />
Als Ausgangspunkt für das bekannte Klavierstück<br />
„Clair de lune“ diente das Gedicht mit demselben<br />
Titel aus dem Gedichtzyklus „Fêtes galantes“ von<br />
Paul Verla<strong>in</strong>e. Das Stück wurde 1890 komponiert,<br />
aber erst 15 Jahre später veröffentlicht.<br />
„Clair de lune“ wurde bereits <strong>in</strong> vielen Filmszenen<br />
verwendet, z.B. <strong>in</strong> „Twilight o<strong>der</strong> im Film “Sieben<br />
Jahre <strong>in</strong> Tibet“. Der Dalai Lama schenkt dem Berg-<br />
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steiger He<strong>in</strong>rich Harrer e<strong>in</strong>e Spieluhr, welche e<strong>in</strong>en Ausschnitt aus „Clair de lune“<br />
spielt, aber hier hörst du das Orig<strong>in</strong>al.<br />
Die impressionistischen Künstler fühlten sich <strong>der</strong> Freiheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur verbunden.<br />
Die Maler liebten die Freiluftmalerei, Debussy träumte von e<strong>in</strong>er Freiluftmusik. „Mir<br />
schwebt e<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong> vor, die eigens fürs Freie geschaffen wäre, e<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong> <strong>der</strong> gros-<br />
sen L<strong>in</strong>ienzüge, e<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong> <strong>der</strong> vokalen und <strong>in</strong>strumentalen Kühnheiten, die sich <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> freien Luft entfalten und unbeschwert über die Wipfel <strong>der</strong> Bäume schweben<br />
würden… Das Wehen <strong>der</strong> Lüfte, das Säuseln <strong>der</strong> Blätter, <strong>der</strong> Blumenduft würden<br />
geheimnisvoll mit <strong>der</strong> <strong>Musik</strong> zusammenwirken…“<br />
Viele <strong>Musik</strong>stücke zeigen deshalb e<strong>in</strong>en freien, atmosphärischen Klangcharakter.<br />
Bewährte und traditionelle Regeln werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Musik</strong> gebrochen und entsprechen<br />
den Auflösungen von L<strong>in</strong>ie, Form und Farbe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Malerei.<br />
Viele <strong>Musik</strong>stücke haben malerische Titel, „zeichnen“ Naturstimmungen <strong>in</strong> allen<br />
Schattierungen, so z.B. das Orchesterstück „La mer“.<br />
Erst nach mehreren Umarbeitungen wurden die drei symphonischen Sätze aufge-<br />
führt. Heute gehören sie zu den häufigsten aufgeführten Kompositionen von Debus-<br />
sy. Der 2. Satz heisst „Jeux de vagues“ (Spiel <strong>der</strong> Wellen) und ist typisch für den Stil<br />
des <strong>Impressionismus</strong>. Die Partitur kam 1905 mit e<strong>in</strong>em Ausschnitt aus Katsushika<br />
Hokusais farbigem Holzschnitt "The Great Wave" als Titelbild heraus. Der Holz-<br />
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schnitt des japanischen Künstlers, <strong>der</strong> von 1760 bis 1849 gelebt hat, ist Teil <strong>der</strong> Serie<br />
"Thirty-six views of Fuji". Debussy sammelte zeitlebens japanische Holzschnitte.<br />
Debussy suchte immer wie<strong>der</strong> nach neuen Ausdrucksmitteln. Aufgrund <strong>der</strong> speziel-<br />
len Besetzung werden die Orchesterwerke „Trois Nocturnes“ lei<strong>der</strong> eher selten auf-<br />
geführt. Im 3. Stück „Sirènes“ setzt Debussy Summchöre e<strong>in</strong>. Jeweils acht Sopran-<br />
und Mezzosopranstimmen s<strong>in</strong>gen Vokalisen, also Tonsilben. Die Uraufführung fand<br />
im November 1900 statt. Im Vorwort schrieb Debussy: „Es handelt sich also nicht um<br />
die übliche Form des Nocturno, son<strong>der</strong>n um alle E<strong>in</strong>drücke und speziellen Beleuch-<br />
tungen, die <strong>in</strong> diesem Wort enthalten se<strong>in</strong> können.“ Das Publikum war begeistert<br />
vom Werk. Die Stücke brachten Debussy zwar wenig Geld e<strong>in</strong>, aber doch grosse An-<br />
erkennung bei den <strong>Musik</strong>kritikern.<br />
Das Klavierstück "The Snow Is Danc<strong>in</strong>g" aus <strong>der</strong> berühmten Suite „Children’s Cor-<br />
ner“ beschreibt auch e<strong>in</strong> Geschehen <strong>der</strong> Natur und vermittelt dem Zuhörer e<strong>in</strong>e be-<br />
son<strong>der</strong>e ausdrucksvolle Stimmung. Debussy widmete den Zyklus se<strong>in</strong>er dreijährigen<br />
Tochter Emma-Claude, genannt Chouchou. In <strong>der</strong> Erstausgabe steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
roten Plüschelefanten verzierten Widmung: „A ma chère petite Chouchou, avec les<br />
tendres excuses de son Père pour ce qui va suivre“ (Me<strong>in</strong>er lieben kle<strong>in</strong>en Chouchou,<br />
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mit den liebevollsten Entschuldigungen ihres Papas für das, was folgen wird). Die<br />
Suite ist ke<strong>in</strong> pädagogisches Werk, die sechs poetischen Charakterstücke s<strong>in</strong>d tech-<br />
nisch recht anspruchsvoll. 1908 wurden diese <strong>in</strong> Paris erstmals aufgeführt.<br />
1912 spielte Debussy „Children’s Corner“ und weitere Klavierstücke, darunter „La<br />
cathédrale engloutie“, für die Firma Welte & Söhne <strong>in</strong> Freiburg im Breisgau auf Kla-<br />
vierrollen. Die Firma produzierte von 1832 bis 1932 mechanische, selbstspielende<br />
<strong>Musik</strong><strong>in</strong>strumente und war durch ihre Entwicklungen auf dem Gebiet <strong>der</strong> automati-<br />
schen <strong>Musik</strong>wie<strong>der</strong>gabe und den Orchestrien bereits berühmt, als sie das neue „Wel-<br />
te-Mignon-Reproduktionsklavier“ 1904 patentieren liessen.<br />
Ab jetzt wurden die ersten<br />
Aufnahmen gemacht und<br />
dazu die bekanntesten Pia-<br />
nisten <strong>der</strong> damaligen Zeit<br />
engagiert. Die Firma bot bis<br />
1932 <strong>in</strong>sgesamt etwa 5.500<br />
Aufnahmen an, darunter<br />
zahlreiche Opern- und Ope-<br />
rettenpotpourris, aber auch<br />
Unterhaltungsstücke, Schla-<br />
ger, Märsche und Tanzmu-<br />
sik. Es war das erste Medi-<br />
um, mit dem <strong>Musik</strong> e<strong>in</strong>fach<br />
und billig abgespielt werden<br />
konnte. Mit den Apparaten<br />
konnten durch Lochstreifen<br />
aus Papier, den sogenannten<br />
Noten- o<strong>der</strong> Klavierrollen,<br />
vorgefertigte <strong>Musik</strong>stücke<br />
auf den Instrumenten abge-<br />
spielt werden. Mit den Rollen wurde es erstmals möglich, das e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>gespielte<br />
Spiel e<strong>in</strong>es Pianisten <strong>in</strong>klusive Anschlagsdynamik weitgehend orig<strong>in</strong>algetreu wie-<br />
<strong>der</strong>zugeben.<br />
Dieses technische Wun<strong>der</strong>werk war damals wie heute e<strong>in</strong>e Sensation und erlaubt mit<br />
den wenigen gut erhaltenen Instrumenten bis heute e<strong>in</strong>e authentische Wie<strong>der</strong>gabe<br />
dieser Aufnahmen. Da diese Instrumente und die Notenrollen extrem aufwändig<br />
und teuer waren, blieben sie nur für wohlhabende Kreise erschw<strong>in</strong>glich. E<strong>in</strong> Welte-<br />
Flügel mit Notenrolle kostete bereits 1924 über 8‘000 Reichsmark. Bei heutiger Kauf-<br />
9
kraft wären das ca. 40‘000 sFr. Weltweit wurden bis 1930 über 2 Millionen selbst-<br />
spielende Instrumente und Vorsetzer hergestellt.<br />
Das Orchestrion kann e<strong>in</strong> komplettes Orchester imitieren und wurde für zur Unter-<br />
haltung <strong>in</strong> grossen Hotelhallen aufgestellt. Das Orchestrion „spielte“ Tanzmusik,<br />
aber auch Symphonien von Beethoven.<br />
Neue E<strong>in</strong>flüsse<br />
Der Ferne Osten fasz<strong>in</strong>ierte die Europäer seit Jahrhun<strong>der</strong>ten. Die Impressionisten,<br />
ganz gleich ob Maler, Dichter o<strong>der</strong> <strong>Musik</strong>er, begannen sich aufgrund <strong>der</strong> Weltaus-<br />
stellung <strong>in</strong> Paris (1889) mit fremden, aussereuropäischen Künsten <strong>in</strong>tensiver zu be-<br />
fassen. Die Ausstellung war e<strong>in</strong> grosser Erfolg und lockte 28 Millionen Zuschauer <strong>in</strong><br />
die Stadt. Hier hörst du e<strong>in</strong>en Feuilleton-Bericht e<strong>in</strong>er Besucher<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltausstel-<br />
lung. Dazu werden Bil<strong>der</strong> aus dem damaligen Paris und <strong>der</strong> „Exposition Universel-<br />
le“ e<strong>in</strong>geblendet.<br />
Debussy hörte während <strong>der</strong> Ausstellung erstmals e<strong>in</strong> Gamelan-Orchester. Gamelan-<br />
<strong>Musik</strong> stammt aus Indonesien und wird vor allem auf den Inseln Java, Madura und<br />
Bali gespielt. Bei allen wichtigen Festen, bei religiösen, kulturellen und gesellschaftli-<br />
chen Zusammenkünften spielt diese <strong>Musik</strong> auch heute noch e<strong>in</strong>e grosse Rolle und<br />
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egleitet Theateraufführungen (Wayang) wie Schatten- und Puppenspiele aber auch<br />
Tanzdarbietungen.<br />
Die Gamelan-<strong>Musik</strong> illustriert die Gemütszustände und Handlungsmotive <strong>der</strong> Figu-<br />
ren, die meist Götter und Dämonen darstellen. Viele Figuren und Szenen des Spiels<br />
haben untrennbare Beziehungen zu bestimmten Gamelan-Melodien, an denen <strong>der</strong><br />
mit dieser <strong>Musik</strong> Vertraute bereits die Situation zum Voraus erkennt.<br />
Zur Aufführung kommen dabei Szenen aus den grossen <strong>in</strong>dischen Epen, <strong>der</strong>en Mo-<br />
tive den jeweiligen lokalen Verhältnissen angepasst werden. Gamelan erkl<strong>in</strong>gt aber<br />
auch als Begleitmusik zu bestimmten Handlungen wie <strong>der</strong> Begrüssung und Verab-<br />
schiedung von Gästen o<strong>der</strong> auch nur zur Unterhaltung. Früher besass jedes Dorf und<br />
je<strong>der</strong> Fürstenhof e<strong>in</strong> eigenes Gamelan.<br />
Die Bedeutung des Wortes Gamelan ist vielfältig. Im Javanischen bezeichnet es e<strong>in</strong>en<br />
Schmiedehammer, und tatsächlich werden die meisten Gamelan-Instrumente mit<br />
mit aufgehängten Platten) gespielt.<br />
e<strong>in</strong>em Hammer geschlagen, <strong>der</strong> aus Holz o<strong>der</strong> Horn<br />
besteht und teilweise mit Le<strong>der</strong> überzogen ist. "Me-<br />
gamel" o<strong>der</strong> "gamel-an" bedeutet "handhaben", "etwas<br />
mit den Händen tun", "e<strong>in</strong> Instrument spielen". Heute<br />
wird das Wort allgeme<strong>in</strong> verwendet und im S<strong>in</strong>ne von<br />
"Klang" und "<strong>Musik</strong>" gebraucht.<br />
Das javanische Gamelan besteht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aus<br />
Gongs, Gongspielen und Metallophonen aus Bronze,<br />
Xylophon, Felltrommeln, Zither und Spiessgeige. Die<br />
Hauptmelodie wird von den Saron (Metallophone un-<br />
terschiedlicher Grösse und Tonhöhe, im Oktavabstand<br />
gestimmt) und Slentem (tiefgestimmtes Metallophon<br />
Die formale Struktur e<strong>in</strong>er Komposition, d.h. die E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> Abschnitte und Mar-<br />
kierung von Phrasenenden, wird bestimmt von den Gong<strong>in</strong>strumenten (Gong, Kem-<br />
pul, Kenong, Ketuk und Kempyang). Die Instrumente Bonang (kle<strong>in</strong>e "Metallbecken"<br />
auf e<strong>in</strong>em Holzgestell), Gambang (Xylophon), Gen<strong>der</strong> (Metallophon mit aufgehäng-<br />
ten Metallplatten) und Siter (Kastenzither) umspielen und verzieren die Hauptmelo-<br />
die. Für die rhythmische Kont<strong>in</strong>uität sorgen die Felltrommeln Kendang, wobei <strong>der</strong><br />
Trommler Anfang und Ende e<strong>in</strong>er Komposition sowie Tempoverän<strong>der</strong>ungen be-<br />
stimmt. E<strong>in</strong>e Art Gegenmelodie o<strong>der</strong> zweite Melodieebene übernehmen die Bambus-<br />
flöte Sul<strong>in</strong>g, die Spiessgeige Rebab und <strong>der</strong> Gesang. Vere<strong>in</strong>facht kann man sagen,<br />
dass die tiefen Instrumente lange Töne spielen und somit e<strong>in</strong>e Art Fundament legen,<br />
die mittleren Instrumente mässig bewegte Figuren spielen, während die hellen, ho-<br />
hen Instrumente die schnellsten Bewegungen ausführen.<br />
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E<strong>in</strong> vollständiges Gamelan besteht aus zwei Teilen: Slendro-Instrumente, d.h. In-<br />
strumente <strong>in</strong> fünftöniger, pentatonischer Skala, wobei die Abstände zwischen den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Tönen nahezu gleich s<strong>in</strong>d; und Pelog-Instrumente <strong>in</strong> siebentöniger Skala<br />
mit ungleichen Abständen zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Tönen. Wegen <strong>der</strong> unterschiedli-<br />
chen Tonskalen können beide Teile des Gamelan nicht zusammen gespielt werden.<br />
Um aber e<strong>in</strong>en reibungslosen Übergang von Slendro zu Pelog und umgekehrt zu<br />
ermöglichen, s<strong>in</strong>d beide Teile des Gamelan über Eck, bzw. vermischt aufgebaut. In<br />
Pelog und Slendro gibt es jeweils drei Modi, (=festgelegte Schemata) was mit Stim-<br />
mung o<strong>der</strong> Farbe übersetzt werden könnte.<br />
E<strong>in</strong>ige Instrumente s<strong>in</strong>d hier abgebildet und detailliert beschrieben. Wie sie kl<strong>in</strong>gen<br />
kannst du selber anklicken. Hier hörst du aber noch e<strong>in</strong> komplettes Stück. (Dies ist e<strong>in</strong>e<br />
sichere Seite).<br />
Debussy war bee<strong>in</strong>druckt vom exotischen Klang<br />
<strong>der</strong> Gamelanmusik. Se<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wendung zeigt sich<br />
auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werken, z.B. <strong>in</strong> „Pagodes“.<br />
Pagoden s<strong>in</strong>d fernöstliche turmartige Tempelbauten<br />
mit mehreren aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gebauten, nach oben sich<br />
verjüngenden Dächern. Debussy setzt hier konse-<br />
quent Mittel e<strong>in</strong>, die später typisch wurden für die<br />
Tonmalerei des <strong>Impressionismus</strong>.<br />
In den ersten Takten kann man sogar optisch e<strong>in</strong>e<br />
Pagode erkennen. Die Bewegung <strong>der</strong> Oberstimmen<br />
steigert sich im Laufe des Stücks bis zu e<strong>in</strong>er weit<br />
ausladenden, sich über mehrere Oktaven erstre-<br />
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ckenden Figur, mit <strong>der</strong> das Stück endet.<br />
Die fast ausschliessliche Verwendung <strong>der</strong><br />
Pentatonik verleiht dem Stück e<strong>in</strong>e fern-<br />
östliche Atmosphäre. Die vielen Bordun-<br />
qu<strong>in</strong>ten im Bass er<strong>in</strong>nern an Gongschläge.<br />
Viele ost<strong>in</strong>ate, also sich immer wie<strong>der</strong>holende Motive betonen den statischen Cha-<br />
rakter. Mancherorts begleiten Quart- o<strong>der</strong> Qu<strong>in</strong>tparallelen die Melodie. Gelegentlich<br />
verliert die Melodie wegen des häufigen Wechsels zwischen Duolen und Triolen ihre<br />
Konturen. Der grosse Tonumfang auf dem Klavier erschwert das Hören und Erken-<br />
nen von Strukturen o<strong>der</strong> klaren Melodien. "Pagodes" ist e<strong>in</strong> Stück aus dem Zyklus<br />
„Estampes“ (Kupferstich).<br />
Debussy liess sich ausserdem von fremden Rhythmen <strong>in</strong>spirieren. Synkopische<br />
Rhythmen tönten für die Europäer um 1900 noch sehr ungewohnt. Elemente aus dem<br />
Jazz und den im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t weit verbreiteten amerikanischen M<strong>in</strong>strel-Shows,<br />
bei <strong>der</strong> sich Weisse als Schwarze verkleideten und auf <strong>der</strong> Bühne jede Menge Non-<br />
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sens trieben, fanden E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> verschiedene Kompositionen. Für e<strong>in</strong>e Klavierschule<br />
komponierte Debussy e<strong>in</strong> kurzes Stück mit Synkopen. Wer kennt nicht „Le petit nèg-<br />
re“? Zur damaligen Zeit sah man diese Stücke als reizvolle kle<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong>nummern<br />
mit dem Touch des Exotischen, ohne über gesellschaftliche Ungleichheiten o<strong>der</strong> kul-<br />
turelle Wurzeln nachzudenken.<br />
Der Cake-Walk, e<strong>in</strong> Gesellschaftstanz und Bestandteil <strong>der</strong> M<strong>in</strong>strel-Shows, war zur<br />
damaligen Zeit beson<strong>der</strong>s beliebt. Aus den Rhythmen des Cake-Walk, e<strong>in</strong>er Mi-<br />
schung aus Rag und europäischen Klängen, entstand das witzige Stück "Golliwog's<br />
Cake-Walk". In <strong>der</strong> Aufnahme spielt Debussy selber Klavier.<br />
Obschon Debussy <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Kompositionen ke<strong>in</strong>e wirklich folkloristischen Elemente<br />
verwendet, trifft er das lokale Kolorit genau, auch <strong>in</strong> „Soirée dans Grenade“. Auffäl-<br />
lig ist das langsame E<strong>in</strong>blenden und Verschw<strong>in</strong>den <strong>der</strong> <strong>Musik</strong> und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schub von<br />
„<strong>Musik</strong>fetzen“. Diese sche<strong>in</strong>en von irgendwo herbei zu wehen. Das Ganze wird vom<br />
durchgehenden Habanera-Rhythmus zusammengehalten. Übrigens: Debussy war,<br />
als er das Stück komponierte, noch nie <strong>in</strong> Spanien gewesen.<br />
Weitere Komponisten die teilweise im impressionistischen Stil komponierten, s<strong>in</strong>d<br />
z.B. Maurice Ravel, Manuel de Falla, Fre<strong>der</strong>ic Mompou und Ottor<strong>in</strong>o Respighi.<br />
Der <strong>Impressionismus</strong> entwickelte se<strong>in</strong>e eigenständige Tonsprache und hatte grossen<br />
E<strong>in</strong>fluss auf die Zukunft <strong>der</strong> <strong>Musik</strong>. Auch an<strong>der</strong>e Komponisten begannen sich von<br />
traditionellen Regeln zu lösen und suchten nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.<br />
Aber mehr davon <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Ausgabe…<br />
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