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Geschlechterbeziehungen und Frauenbild in Martin Gusindes ...

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5. Conclusio<br />

Ist nun aber das <strong>Frauenbild</strong> Gus<strong>in</strong>des e<strong>in</strong> positives oder e<strong>in</strong><br />

diskrim<strong>in</strong>ierendes? Nach dem Referat zu diesem Thema wurden kritische<br />

Stimmen laut, die fragten, welche Ansichten des Ethnographen denn<br />

annehmbar oder gar fortschrittlich seien. Ich wage zu behaupten: Viele. Die<br />

Eigenschaft „Fortschrittlich“ ist ke<strong>in</strong> absolutes Wertmaß, sondern abhängig<br />

von se<strong>in</strong>er historischen E<strong>in</strong>bettung. Von 1918 bis 1924 unternahm Mart<strong>in</strong><br />

Gus<strong>in</strong>de se<strong>in</strong>e Forschungsreisen, zu e<strong>in</strong>er Zeit, zu der <strong>in</strong> Europa das<br />

weibliche Geschlecht bei weitem nicht gleich gestellt war. Bronislaw<br />

Mal<strong>in</strong>owski erforschte während des Ersten Weltkrieges das Leben der<br />

Menschen auf den Inseln von Melanesisch-Neugu<strong>in</strong>ea. Se<strong>in</strong> Hauptaugenmerk<br />

lag aber auf „Unternehmungen <strong>und</strong> Abenteuern der E<strong>in</strong>geborenen“, <strong>und</strong> diese<br />

waren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen Männerangelegenheit. Das Werk „Die elementaren<br />

Strukturen der Verwandtschaft“ von Claude Lévi-Strauss wurde 1947<br />

veröffentlicht. Dar<strong>in</strong> wurde den Frauen der Status e<strong>in</strong>es „knappen Gutes“ <strong>und</strong><br />

somit wichtigen „Tauschmittels“ zugestanden. Diese beiden wichtigen<br />

Vertreter der Anthropologie schenkten den Frauen als aktivem Teil der<br />

Gesellschaft wenig Aufmerksamkeit.<br />

Nicht so Gus<strong>in</strong>de. Er erkannte den großen Wert der weiblichen Arbeit für die<br />

Wirtschaft. Die Jagd, der männliche Bereich, wird zwar von Gus<strong>in</strong>de<br />

wesentlich ausführlicher beschrieben <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Nähe von Heldentaten (was<br />

sie unbestreitbar auch waren) gerückt. So berichtet der Ethnograph von der<br />

Waljagd: „Manchmal [. . .] entwickelt sich zwischen beiden [Jäger <strong>und</strong><br />

gejagtem Wal] e<strong>in</strong> ernster Kampf, der nicht selten alle Kanu<strong>in</strong>sassen<br />

gefährdet.“ 98 Doch auch wenn die männliche Jagd spektakulärer <strong>und</strong><br />

gefährlicher gewesen se<strong>in</strong> mochte, so schmälert Gus<strong>in</strong>de das Tun der Frauen<br />

ke<strong>in</strong>eswegs: „Ohne ihre [der Frauen] fleißige Sammeltätigkeit sähen sich<br />

Mann <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der gar oft dem Hunger überantwortet.“ 99 Neuere Forschungen<br />

haben gezeigt, dass der männliche Part bei Wildbeutergesellschaften ob<br />

se<strong>in</strong>er Waghalsigkeit überbewertet wurde. Auch Eleanor Leacock hat das<br />

beanstandet. Heute wird allgeme<strong>in</strong> anerkannt, dass Frauen e<strong>in</strong>en Gutteil der<br />

98<br />

Mart<strong>in</strong> Gus<strong>in</strong>de: Urmenschen im Feuerland. Vom Forscher zum Stammesmitglied. – Paul Zsolnay<br />

Verlag: Berl<strong>in</strong> Wien Leipzig 1946. S. 206.<br />

99<br />

Ebd. S. 204.<br />

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