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Geschlechterbeziehungen und Frauenbild in Martin Gusindes ...

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ignoriert <strong>und</strong> damit unsichtbar gemacht, verzerrt oder auf e<strong>in</strong>e stereotype<br />

Weise dargestellt.“ 92<br />

Gus<strong>in</strong>de schreibt über die Arbeitsteilung der Selk’nam folgendes: „Die<br />

Zuweisung bestimmter Beschäftigung an jedes Geschlecht erzw<strong>in</strong>gt das<br />

Zusammenarbeiten <strong>und</strong> das Ine<strong>in</strong>andergreifen der Tätigkeit beider Gatten;<br />

dadurch bleibt der e<strong>in</strong>e vom anderen abhängig.“ 93 An anderer Stelle ist zu<br />

erfahren: „Im besonderen ist es die unabhängige wirtschaftliche Tätigkeit,<br />

die auch der Frau e<strong>in</strong>e ausgedehnte Selbständigkeit verleiht; denn ihr<br />

Beitrag zum Bestand des Familienganzen ist Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e ungetrübte<br />

Liebes- <strong>und</strong> Seelengeme<strong>in</strong>schaft. Aus diesen [. . .] Voraussetzungen erfließt<br />

e<strong>in</strong>e völlige Gleichberechtigung beider Geschlechter <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Eheb<strong>und</strong>es. Die Frau steht nicht unter ihrem Manne, sondern neben ihm. Ihr<br />

wie auch ihm kommen Pflichten <strong>und</strong> Rechte zu, die der andere Teil nicht zu<br />

schmälern wagt. [. . .] Das Bewusstse<strong>in</strong> dieser Abhängigkeit wirkt niemals<br />

drückend, vielmehr ist jeder mit unverbrüchlicher Selbstverständlichkeit für<br />

den anderen tätig. Überdies wird jeder der Gatten von hohem<br />

Selbstbewusstse<strong>in</strong> getragen; denn er weiß sehr wohl, wie die eigene<br />

Persönlichkeit dem andern Teile e<strong>in</strong> ausreichendes Genügen bietet <strong>und</strong> was<br />

die eigene Arbeit ganz wesentlich zum Gedeihen der ganzen Familie<br />

beiträgt.“ 94 Um der Realität doch noch den Tribut zu zollen verschweigt<br />

Gus<strong>in</strong>de auch dies nicht: „Me<strong>in</strong>e Selk’nam s<strong>in</strong>d Leute mit ausgeprägter<br />

Eigenart <strong>und</strong> besonderen Charakterfehlern, nicht jeder passt <strong>in</strong> das<br />

überlieferte Bild e<strong>in</strong>er Musterehe.“ 95 Schließlich das E<strong>in</strong>geständnis: „E<strong>in</strong>e<br />

vollständige Angleichung beider Eheleute wird wohl niemals erreicht.“ 96<br />

Dazu hält der Pater e<strong>in</strong>ige Beispiele parat: Sollte e<strong>in</strong> Ehemann se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong><br />

grob <strong>und</strong> brutal behandeln, so sei es ihr gutes Recht, ihm davonzulaufen. In<br />

solchen Fällen – gerade auch <strong>in</strong> unseren Breiten - wird oft der Frau e<strong>in</strong>e<br />

Mitschuld zugeschoben. Gus<strong>in</strong>de tut das nicht, er anerkennt, dass es<br />

Misshandlungen <strong>in</strong> der Ehe gibt, die nur der Mann zu verantworten hat. Die<br />

Selk’nam hätten dies ebenfalls so gesehen, schreibt der Forscher: Man dürfe<br />

„[. . .] nie aus dem Auge verlieren, dass der Stamm für die misshandelte<br />

Frau Partei nimmt <strong>und</strong> dass jeder Rohl<strong>in</strong>g später sehr schwer e<strong>in</strong>e andere<br />

Gatt<strong>in</strong> erhält.“ 97 Mart<strong>in</strong> Gus<strong>in</strong>de schreibt also mit Sicherheit nicht an e<strong>in</strong>em<br />

stereotypen <strong>Frauenbild</strong>, er lässt ke<strong>in</strong>e chauv<strong>in</strong>istischen Gedanken mit<br />

92 Ebd. S. 56.<br />

93 Gus<strong>in</strong>de (Anm. 70). S. 354.<br />

94 Ebd. S. 355-356.<br />

95 Ebd. S. 359-360.<br />

96 Ebd. S. 360.<br />

97 Ebd. S. 360.<br />

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