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Geschlechterbeziehungen und Frauenbild in Martin Gusindes ...

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e<strong>in</strong>em kollektiven bösartigen Wesen dieser Indianer. Er stützt diese<br />

Behauptung auf e<strong>in</strong> Geschehen, das er <strong>in</strong> der Fußnote se<strong>in</strong>es Buches<br />

ausführlich schildert: „E<strong>in</strong>en Beweis für ihren [der Alakuluf] böswilligen,<br />

verräterischen Charakter lieferte die verbrecherische Tat, die sich am 3.<br />

September 1889 auf der Salesianer-Mission der Dawson<strong>in</strong>sel wenige Monate<br />

nach ihrer Eröffnung zutrug.“ 68 Der Missionar berichtet von e<strong>in</strong>em<br />

heimtückischen Überfall e<strong>in</strong>er Gruppe von Alakuluf<strong>in</strong>dianern auf die<br />

Ordensbrüder. 69 Alberto De Agost<strong>in</strong>i äußert sich über weite Teile se<strong>in</strong>er<br />

Aufzeichnungen „Zehn Jahre im Feuerland“ sehr wohlwollend über die<br />

Feuerland<strong>in</strong>dianer. Auch er verurteilt die Verfolgung <strong>und</strong> Ausrottung dieser<br />

Menschen. Warum wechselt er hier mit e<strong>in</strong>em Mal <strong>in</strong>s andere Lager,<br />

beschuldigt die Ure<strong>in</strong>wohner unisono mit Siedlern <strong>und</strong> Militärs der<br />

Blutrünstigkeit? Die Antwort ist e<strong>in</strong>fach. Alberto De Agost<strong>in</strong>i war selbst<br />

Salesianermissionar. 70 Wenn die eigene Ges<strong>in</strong>nungsgeme<strong>in</strong>schaft angegriffen<br />

wird, ist das natürlich e<strong>in</strong>e emotional sehr belastende Situation. Objektivität<br />

bleibt dabei meist auf der Strecke. Der Missionar begeht genau den selben<br />

Fehler, wie andere Weiße bewusst oder unbewusst auch, er verallgeme<strong>in</strong>ert.<br />

E<strong>in</strong>e schlimme Tat wird sofort als Vergehen der ganzen Gruppe gewertet.<br />

Nachdenklich stimmt auch, dass De Agost<strong>in</strong>i wenige Buchseiten vorher,<br />

folgendes feststellt: „Das ganze Vergehen des Indianers bestand dar<strong>in</strong>, dass<br />

er nicht zwischen Guanako <strong>und</strong> Schaf hatte unterscheiden können [. . .].<br />

Blutdürstig oder grausam ist er nie gewesen. Erst als die abscheulichen<br />

Absichten der Weißen erkannte, hat er Gleiches mit Gleichem vergolten <strong>und</strong><br />

sich e<strong>in</strong>ige Male <strong>in</strong> furchtbarer Weise gerächt.“ 71 Die Indianer konnten nicht<br />

zwischen Schaf <strong>und</strong> Guanako unterscheiden, vielleicht auch nicht zwischen<br />

Siedler <strong>und</strong> Missionar. Das e<strong>in</strong>zusehen war dem Missionar nicht so e<strong>in</strong>fach<br />

möglich. Persönliche Interessen, persönliche Empf<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> Erlebnisse<br />

standen ihm dabei im Weg.<br />

Warum wird obiges Beispiel so ausführlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arbeit erwähnt, <strong>in</strong> der<br />

doch fem<strong>in</strong>istische Aspekte der Gus<strong>in</strong>de’schen Werke diskutiert werden<br />

sollten? Die beschriebene Begebenheit ist deshalb von so großem Interesse,<br />

weil dabei offensichtlich wird, wie sehr das persönliche Umfeld <strong>und</strong> der<br />

persönliche H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> den Blick des Beobachters lenken. Dabei besteht gar<br />

nicht e<strong>in</strong>mal so e<strong>in</strong> erheblicher Unterschied zwischen e<strong>in</strong>em<br />

68 Ebd. S. 267.<br />

69 Vgl. Ebd. S. 267.<br />

70 Vgl. Mart<strong>in</strong> Gus<strong>in</strong>de: Die Feuerland Indianer. Ergebnisse me<strong>in</strong>er vier Forschungsreisen <strong>in</strong> den Jahren<br />

1918 bis 1924, unternommen im Auftrage des M<strong>in</strong>isterio De Instruccion Publica De Chile. Band I Die<br />

Selk’nam. Vom Leben <strong>und</strong> Denken e<strong>in</strong>es Jägervolkes auf der großen Feuerland<strong>in</strong>sel. – Verlag der<br />

<strong>in</strong>ternationalen Zeitschrift „Anthropos“: Mödl<strong>in</strong>g bei Wien 1931. S. 61.<br />

71 De Agost<strong>in</strong>i (Anm. 50) S. 261-262.<br />

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