Hohenzollerlsche Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Jahrgang 1967 13<br />
1 i e r s richtete sie im Münster zu Essen auf ihre Kosten<br />
„mit annoch continuirendem Flor und Eyffer" auf,<br />
stiftete dort und in St. Ursula zu Köln Jahrtäge, 4 musikalische<br />
Aemter zur Himmelskönigin, zwei Christenlehrkurse,<br />
eine Predigt auf alle Sonntage des ganzen Jahres; endlich<br />
sorgte sie für die nötigen Professoren „zur Erlernung der<br />
freyen Künste". (Seit 1546 war die Stiftsschule ein sechsklassiges<br />
Gymnasium.)<br />
Als besondere Tugend rühmt man der Verstorbenen ihre<br />
Demut und Bescheidenheit nach. Jeder Untertan<br />
hatte das Recht zu ihr zu gehen und die Anliegen vorzubringen.<br />
Weltliche Ehren lehnte sie ab. 1680 trug die Erzherzogin<br />
Maria Anna in Düsseldorf, Herzogin der Pfalz und<br />
Neuburg ihr wiederholt die Charge einer obersten Hofmeisterin<br />
an. (In dem freiweltlichen Stift hatte nur die Aebtissin<br />
die ewigen Gelübte abzulegen. Ein kirchliches Hindernis<br />
bestand also nicht.) Maria Franziska blieb ihrem Stande<br />
treu. Da aber die Erzherzogin den Umgang der frommen<br />
Chorfrau suchte, wurde Maria Franziska jährlich auf etliche<br />
Wochen in die Residenz nach Düsseldorf „mit Chur-Pfälzischen<br />
Gutschen abgeholt."<br />
1682 wünschten der Kurfürst Maximilian Heinrich von<br />
Köln und Cardinal von Fürstenberg die Wahl der damaligen<br />
Kapitularin zur Aebtissin der gräflichen Abtei St.<br />
Ursula in Köln. Maria Franziska vereitelte durch fluchtartige<br />
Abreise ihre Wahl. 1688 und 1691 schlug sie ebenfalls<br />
die Candidatur zur Fürstäbtissin zu Essen aus.<br />
Dagegen nahm sie, 62 Jahre alt, „auf einhellige Wahl der<br />
gesamten Capitularen die mühwaltige Regierung des Stiftes<br />
Buchau an. Nur ein Jahr sollte diese dauern. Aber<br />
in diesem Jahr habe sie außerordentlich viel geleistet. Vier<br />
teure Prozesse wurden zum Nutzen des Stiftes, von denen<br />
einer über 100 Jahre gedauert und 40 000 Gulden gekostet<br />
hatte, eine Schuld von etlichen tausend Gulden, die im<br />
Anfang des Jahrhunderts auf die Herrschaft Straßberg<br />
gemacht wurde, konnte gelöscht werden, versetzte Lehengüter<br />
wurden ausgelöst, neue Güter gekauft, unterschiedliche<br />
Differenzen mit Nachbarstaaten wurden aufgehoben.<br />
Besonders aber eines muß noch erwähnt werden. „Ihr, dieses<br />
Stifts liebe Untertanen, ihr, der Herrschaft Straßberg Untergebenen<br />
wißt es. Ach, wie manchmal hat es euern teuren<br />
Schweiß und Blut gekostet, bei diesen höchst bedrängten<br />
Kriegszeiten... bei den kostbaren Sommer- und schädlichen<br />
Winterpflanzungen. Es war viele Jahre inständig von vielen<br />
in der Reichsmatrikel zu hoch angeschlagenen Ständen um<br />
Verminderung angehalten worden, von Seiten Buchaus schon<br />
immerfort die Unmöglichkeit des unbilligen schweren Kontingents<br />
gefordert worden. Aber es half nichts. Endlich bei<br />
glücklicher Regierung Maria Franziskas, durch Nachdruck<br />
Ihr. Hochgräfl. Exzellenz, Herrn Sebastian Wunibald, Grafen<br />
zu Zeil-Wurzach, Vizepräsident und Kaiserl. Gesandter auf<br />
dem löblichen schwäbischen Kreis zu Ulm, hast du bedrängtes<br />
Stift vor allen anderen auch vielfach anhaltenden Ständen<br />
erhalten die sogenannten Moderation, da schier 2 /s<br />
deines Ordinarii Contingents auf alle verfallende Kriegsund<br />
Friedensforderungen nachgesehen wurden." (Mit Kontingent<br />
ist der Beitrag zum Unterhalt des Heeres gemeint,<br />
der durch die Reichsmatrikel auf die einzelnen Staaten umgelegt<br />
wurde. Seit dem 30jährigen Krieg wurden die geistlichen<br />
Fürstentümer besonders schwer zu diesen Lasten<br />
herangezogen. Auch nach obiger Moderation, d. i. Ermäßigung,<br />
waren diese Lasten so groß, daß das Stift fast beständig<br />
in Geldnöten war.)<br />
Eine schwere, neunwöchige Krankheit riß die Fürstin aus<br />
ihrer Arbeit. Weder die Gebete der Stiftsdamen, noch die<br />
Kunst der Aerzte konnte die Gesundheit wiederbringen.<br />
In der rechten Hand das Kruzifix, in der linken das zu<br />
Maria-Einsiedeln geweihte Wachslicht (Sterbekerze) sprach<br />
sie kurz vor dem Tod noch die Worte: „Jesus, Maria. O<br />
Jesu! Dir leb ich. O Jesu! Dir sterb ich. Jesu! Durch Dein<br />
bitteres Leyden und Sterben, laß meine arme Seele nit verderben.<br />
Jesu, in Deine Hände befihle ich meinen Geist!"<br />
Ein von ihr „geistreich concipiertes und in täglicher Uebung<br />
practiciertes Betrachtungsbüchlein, „Geistliches Senfkörnlein"<br />
genannt, kam einst einem Prinzen zu Gesicht, der<br />
das Büchlein im Jahre 1688 drucken ließ zu Köln bei Sebastian<br />
Ketterer, Buchhändler vor St. Paul im Rosenkranz.<br />
Soweit die Leichenrede.<br />
Die Vaganten-Familien von Benzingen<br />
Soziales Elend auf der Alb vor 125 Jahren bei denen, die<br />
weder Bauern noch Handwerker, sondern Tagelöhner waren;<br />
Arbeitslosigkeit besonders bei der ledigen weiblichen Bevölkrung;<br />
Machtlosigkeit der Behörden, hier tatkräftig zu<br />
helfen; patriarchalische Bevormundung der Untertanen und<br />
der Gemeinden durch den Staat; schließlich ein lebendiges<br />
briefliches Bild vom Leben und Vorwärtskommen vieler<br />
Schwaben in Ober-Ungarn: Das sind die Einblicke, die uns<br />
ein Aktenstück des ehemaligen Oberamts Gammertingen<br />
betreffend „die Auswanderung der Vaganten zu Benzingen",<br />
1837/1841, vermittelt 1 ).<br />
In Benzingen lebten auf engstem Raum zusammen vier<br />
Familien ohne Besitz und ohne Mittel, die der Gemeinde<br />
zugewiesen waren, weil sie dort <strong>Heimat</strong>recht hatten. Es<br />
waren dies:<br />
I. Familie des t Long in Koch von Benzingen und<br />
der f Ursula Eisenhut von Bischofszell/Schweiz, bestehend<br />
aus den verwaisten unverheirateten Kindern: 1) Marianne<br />
(* 26. 10. 1809 Otterswang) mit 2 unehelichen Kindern a) Willibald<br />
(* 22. 6. 35 Osrtrach) und b) Annemarie (* 29. 6. 38 Benzingen),<br />
2) Engelberta (* 7. 11. 1812 Frohnstetten) mit ihrem<br />
unehelichen Roman Friedrich (* 27. 2. 35 Benzingen), 3) Joseph<br />
(25. 5. 15 Wuppenau/Schweiz), 4) Monica (29. 4. 19 Ruhstetten)<br />
und ihre Zwillingsschwester 5) Elisabeth, 6) Matthäus<br />
(* 8. 5. 23 Feldhausen), 7) Juliana (* 13. 2. 26 Benzingen),<br />
= 10 Personen;<br />
II. Familie Johann Kleinmann (* 21. 2. 1776<br />
Benzingen) - Maria NN. v. Veringendorf. Kinder: 1) Theresia<br />
(* 8. 10. 1800 Heudorf/Baden) mit unehelichen a) Paulina<br />
(* 28. 6. 23 Thalheim), und b) Ursula (* 19. 10. 28 Benzingen),<br />
2) Marianna (* 17. 4. 04 Heudorf) mit unehelichem Theodor<br />
(* 9. 1. 33 Benzingen), 3) Barbara (* 4. 12. 05 Tigerfeld), 4)<br />
Conrad (* 08 Nesselwang/Bad.), 5) Franziska (* 25. 11. 11.<br />
Rast/Bad.), 6) Josepha (* 17. 3. 13 Laiz) mit 3 unehelichen<br />
Kindern (a. Josef * 25. 4. 34, b. Karolina * 17. 5. 36, c. Jo-<br />
und ihre versuchte Auswanderung nach Ungarn<br />
Bis zum Jahre 1716 amtete Kanonikus Biermann noch im<br />
Stift Buchau. Dann zog er nach Straßberg, wo er 1731 starb.<br />
Sein Grabstein, einst innerhalb der Kirche, weil die heutige<br />
Nordwand damals noch die Südwand der alten Kirche bildete,<br />
oder später erst in die Mauer eingelassen, ist heute<br />
morsch; ein Ornament um das andere fällt ab. Auch die<br />
Inschrift ist nicht mehr ganz leserlich. Um so mehr freute<br />
ich mich, ein gedrucktes Andenken an ihn zu finden, ein<br />
Kind seines Geistes, eben diese Predigt auf den Tod der<br />
Fürstäbtissin Maria Franziska von Buchau. Nik. M a i e r.<br />
hann (* 19. 8. 38, alle Benzingen), 7) Jacob (* 18. 17. Ringenbach,<br />
8) Justina (* 26. 9. 19 Kreenheinstetten/Bad (= 16<br />
Köpfe).<br />
III. Familie Gottfried Kraft (* 20. 12. 1781<br />
Schmidheim/Württ.) - Agathe Koch von Hausen a. d. Donau-<br />
Württ. mit 1) Pius (* 5. 5. 1802 Langenenslingen), 2) Simon<br />
(* 30. 9. 03 Benzingen), 3) Johann Nepomuk (* 22. 5. 06 Benzingen),<br />
4) Anna (* 2. 5. 10 Benzingen), 5) Magdalena (* 20.<br />
7. 12 Benzingen), 6) Josef (* 10. 4. 14 Benzingen) = 8 Köpfe.<br />
IV. Familie der ledigen Maria Anna Saible, * vor<br />
etwa 40 Jahren in Hölzle bei Meßkirch, mit ihren zwei illegitimen<br />
Kindern a) Catharina Nierengart, auch „Legat" genannt<br />
(* 11. 9. 14 Riedetsweiler), b) Matthäus, genannt Scheck<br />
(* 20. 9. 16 Engelswies) (= 3 Köpfe). Zusammen (Stand<br />
1839) 37 Personen.<br />
Diese Vagantenfamilien versucht die Gemeinde loszuwerden.<br />
Es geht das Gerücht, sie wollten nach Ungarn auswandern.<br />
(Das veranlaßt allerdings auch eine von Conrad<br />
Kleinmann (s. oben II, 4) geschwängerte Marianne Teufel,<br />
sich über das Oberamt Strasberg an sein Amt mit der Bitte<br />
zu wenden, vor seiner Abreise nach Ungarn ihre Alimentenforderung<br />
sicherzustellen.) Das Oberamt Gammertingen teilt<br />
der fürstl. Regierung in Sigmarigen mit, die Gemeinde sei<br />
bereit, „alle Kosten aufzuwenden, um das Vorhaben der Auswanderung<br />
zu bewerkstelligen", und fragt, ob man der Gemeinde<br />
bewilligen könne, „die erforderlichen Mittel" aufzuwenden,<br />
und ob man auf diplomatischem Wege die Auswanderung<br />
einleiten solle (23. 5. 1837). Damit gerät die Angelegenheit<br />
in die Mühlen der Bürokratie und insbesondere<br />
der Diplomatie; die mahlen bekanntlich langsam (und nicht<br />
einmal sicher).<br />
Die Regierung wendet sich an die landesfürstliche Geheime<br />
Konferenz und diese an den Geschäftsträger in W;en, ob Ansiedler-<br />
auf Krongüter (Weshalb diese Beschränkung?) noch<br />
angenommen würden. Er berichtet, daß die Entscheidung nur