Denkmalpflege Informationen Denkmal - Bayerisches Landesamt für ...
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Aktuell<br />
haar. Auch das Schweißtuch der Veronika ist aus echtem<br />
Stoff und zeigt das aufgemalte Antlitz Jesu. Aufgesetzte<br />
Schmuckpunkte aus kleinsten, rund ausgestanzten Messingplättchen<br />
sind so nebeneinander angeordnet, dass sie<br />
Halskettchen oder Stickereien auf Schuhen oder Gewandsäumen<br />
ergeben. Die Inkarnatfassungen sind durch einen<br />
hart glänzenden, ehemals transparenten, heute vergilbten<br />
Überzug betont. Durch ihre stark farbigen Fassungen heben<br />
sich die Figuren aus der bunten kleinteiligen Umgebung des<br />
Krippenberges heraus.<br />
Dass sich Farbigkeit und Ursprünglichkeit von Figuren<br />
und Landschaft so einzigartig gut erhalten haben, ist nicht<br />
zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass der Standort im<br />
nördlichen Seitenschiff der Kirche verhältnismäßig dunkel<br />
ist und das Werk in einer verglasten Vitrine vor allzu viel<br />
Staub und dem Zugriff der Betrachter geschützt war. So<br />
konnte es unversehrt und ohne größere Eingriffe und Zerstörungen<br />
die Zeiten überdauern.<br />
Kreuztragungsszene, nach der Restaurierung<br />
20<br />
Die Restaurierung<br />
Anlass der Arbeiten<br />
an der Krippe war der<br />
unglückliche Umstand,<br />
dass bei Verpressarbeiten<br />
am Mauerwerk<br />
der Kirche 2009 Mörtel<br />
von oben in die Vitrine<br />
eingedrungen war und<br />
sich auf die Krippenlandschaft<br />
ergoss. Figuren,<br />
Landschaft und<br />
Zierwerk wurden mit<br />
Mörtel überzogen bzw.<br />
bespritzt und zusammen<br />
mit dem aufliegenden<br />
Staub und Schmutz<br />
verbacken. Unabhängig<br />
von dem Mörtelschaden<br />
hatte sich die Unterkonstruktion<br />
der gesamten<br />
Landschaft im Lauf der<br />
Jahrzehnte außerdem<br />
nach vorne geneigt. Einzelne Bretter fehlten. Große Steine<br />
waren abgestürzt. Auf der linken Seite war eine Grotte<br />
völlig zerstört und der Weg nicht mehr nachvollziehbar.<br />
Eine Vielzahl herabgefallener Muscheln, kleiner Steine und<br />
Blumen war schuttartig auf den ebenen Flächen angehäuft.<br />
Die gesamte Landschaft zeigte sich stark verschmutzt. Bei<br />
älteren Reparaturen hatte man Moose und Flechten eingefügt.<br />
Die Skulpturen waren ebenfalls stark verschmutzt<br />
und oft nicht stabil befestigt. Durch den Feuchteeintrag<br />
des Mörtels waren Fassungen stark gelockert und Lacke<br />
geschädigt worden. Ein großes Schadenspotenzial barg der<br />
zementhaltige und damit stark alkalische Mörtel. Ein erster<br />
Versuch, ihn abzunehmen, erbrachte einen Verlust originaler<br />
Überzüge und Malschichten und ließ nicht nur ähnliche<br />
Verluste an den anderen betroffenen Figuren be<strong>für</strong>chten,<br />
sondern auch ein Verbacken des Mörtels mit Teilen der Fassungen.<br />
Nach einer sehr ausführlichen und detaillierten Voruntersuchung<br />
durch die Diplom-Restauratorin Ute Tuch, die<br />
umfangreiche Materialanalysen miteinbezog, wurden die<br />
Standorte aller Figuren und beweglichen Ausstattungsstücke<br />
kartiert und fotografiert und die Figuren über das Winterhalbjahr<br />
zur Bearbeitung in die klimatisierte Werkstatt der<br />
Diplom-Restauratorin Irmgard Schnell-Stöger gebracht.<br />
Glücklicherweise konnte der Mörtel im vollständig abgebundenen<br />
Zustand gut und völlig schadfrei mit weichen<br />
Haarpinseln entfernt werden. Ein Umstand, der sich nach<br />
Rücksprache mit der Herstellerfirma des Mörtels wohl vor<br />
allem dadurch erklären lässt, dass der sowieso schon mit<br />
geringerem Bindemittelanteil versehene Verpressmörtel<br />
durch seinen hohen Wasseranteil und gefiltert durch seinen<br />
langen Weg durch das Risssystem der Mauern bis zur Vitrine<br />
am Ende nur noch einen so geringen Anteil an alkalisch<br />
schädigenden Bindemitteln hatte, dass er im abgetrockneten<br />
Zustand im Grunde keine Bindekraft mehr besaß. Vermutlich<br />
war die erste Abnahme des Mörtels zu früh erfolgt,<br />
sodass er noch Restfeuchte hatte und auf diese Weise noch<br />
ausreichend alkalisch war, um die Farbfassung der Figuren<br />
anzugreifen.<br />
Erst während der Fassungsfestigung an den Figürchen<br />
konnte man den hervorragenden Erhaltungszustand des<br />
barocken Bestandes in vollem Umfang erkennen, denn in<br />
keinem Bereich waren Überfassungen festzustellen. Lediglich<br />
rote Lacke waren verschiedentlich ausgeblichen. Sogar<br />
der heute verbräunte, ehemals transparente Überzug auf<br />
den Inkarnaten scheint barocken Ursprungs zu sein. Dies<br />
durch eine entsprechende Bindemittelanalyse überprüfen<br />
zu können, bliebe noch zu wünschen. Nach Abnahme<br />
der Mörtelspritzer zeigten sich vor allem in gelüsterten<br />
Partien, in Fassungsbereichen mit Streutechnik und dort,<br />
wo dünne Überzüge lagen, weißliche Krepierungen, die<br />
jedoch mittels Lösungsmitteln und teils durch Hinzufügen<br />
des jeweiligen Bindemittels regeneriert werden konnten.<br />
Während der feuchten Oberflächenreinigung überprüfte<br />
man den PH-Wert durch Lackmuspapierstreifen. Vor Ort<br />
in der Kirche wurde die stark nach vorne geneigte Unterkonstruktion<br />
der Landschaft durch Spannschlösser mit der<br />
Vitrinenrückwand verbunden und auf diese Weise wieder<br />
begradigt. Auch die anderen Schäden konnten behoben<br />
werden: durch eine Rekonstruktion der eingestürzten Grotte<br />
und des Weges, Entfernen des Oberflächenschmutzes und<br />
neuerer Zutaten aus der Landschaft und Wiederbefestigen<br />
aller herabgefallenen Teile. Sie wurden geborgen, gereinigt<br />
und soweit möglich in den ursprünglichen Zusammenhang<br />
gebracht. Nach abgeschlossener Oberflächenreinigung,<br />
Fassungsfestigung, Kittung und Retusche der Fehlstellen<br />
stellte man alle Figuren wieder in der Vitrine auf. Dabei<br />
konnte man anhand alter Nummerierungen und Dübel-<br />
oder Nagellöcher die ursprünglichen Standorte weitgehend<br />
rekonstruieren. Bei Unklarheiten orientierte man sich<br />
an der vorgefundenen Aufstellung oder besprach sich mit<br />
den Vertretern der Pfarrei, sodass der Krippenberg dem<br />
Betrachter nun wieder in nahezu authentischem Zustand<br />
präsentiert werden kann.<br />
Judith Schekulin und<br />
Irmgard Schnell-Stöger