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Zufallsbefunde

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<strong>Zufallsbefunde</strong>:<br />

Praktische Erfahrungen<br />

Neurologische Forschung<br />

Kirsten R. Müller-Vahl<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

Definition<br />

„Ein Zufallsbefund ist ein unerwartet erhobener<br />

Befund, für den zuvor keine erkennbaren Hinweise<br />

bestanden und der nicht im Rahmen einer gezielten<br />

Suche festgestellt wurde.“<br />

(Dtsch Ärztebl 2007; 104(27):A1982-7)<br />

1


<strong>Zufallsbefunde</strong>: Methode<br />

• Röntgen<br />

• EEG<br />

• CT<br />

• MRT<br />

– Strukturell<br />

• VBM<br />

• DTI<br />

• MTI<br />

– funktionell<br />

• PET = Positronenemissions-Computertomographie<br />

• SPECT = Single-Photonenemissions-Computertomographie<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong>: Methode<br />

44-jährige Frau mit erstem Grand mal<br />

normales CT MRT: Gliom<br />

Lancet 2006;332:339-42<br />

2


<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

(Dtsch Ärztebl 2007; 104(27):A1982-7)<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

Kleinhirnzyste<br />

3


MRT in der Forschung<br />

Nikos Logothetis, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik,<br />

Tübingen, «Nature»<br />

• funktionelle Magnetresonanztomographie ist das wichtigste<br />

bildgebende Verfahren seit der Einführung der<br />

Röntgenstrahlen im Jahr 1895<br />

• atemberaubende Entwicklung<br />

• jeden Tag erscheinen heute acht Forschungsarbeiten, die sich<br />

dieser Technik bedienen<br />

• Die Hälfte dieser Arbeiten verfolgt das Ziel, bestimmte<br />

kognitive Fähigkeiten im Gehirn zu verorten.<br />

• So wird beispielsweise untersucht, welche Hirnareale aktiv<br />

werden, wenn Nonnen beten, Männer einen Ferrari sehen oder<br />

Frauen einkaufen gehen.<br />

4


<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

• Studie aus dem Jahre 2007<br />

• Ziel ⇒ <strong>Zufallsbefunde</strong> in der Allgemeinbevölkerung<br />

• N = 2000 (mittleres Alter = 63,3 Jahre, 45,7-96,7 J.)<br />

• Rotterdam / Niederlande<br />

• Auswertung durch 2 erfahrene Neuroradiologen<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

Insgesamt 13,8%<br />

Stumme Hirninfarkte 7,2%<br />

Aneurysmen 1,8%<br />

Gutartige Hirntumore 1,6%<br />

⇒ Für Bewertung der Befunde Wissen<br />

über Spontanverlauf erforderlich<br />

5


<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

6


<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

• 2000-2004<br />

• N = 2536<br />

• Männer, mittleres Alter = 20,5 Jahre (17-35 Jahre)<br />

• Eignungsuntersuchung für militärischen Flugdienst<br />

• Ziel: Ausschluss von Gehirnerkrankungen mit<br />

Risiken für die Luftsicherheit<br />

Weber F, Knopf H. Incidental findings in magnetic resonance imaging of the brains of<br />

healthy young men. J Neurol Sci. 2006 Jan 15;240(1-2):81-4. Epub 2005 Oct 26<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> im MRT<br />

N = 1921 (75,2%) „streng normal“<br />

N = 468 (18,3%) „Normvarianten“<br />

N = 166 (6,5%) „pathologische Befunde“<br />

Pathologische Befunde<br />

• Zysten (n=43)<br />

• Arteriovenöse Fehlbildungen (n=5)<br />

• Dringende Abklärung (n = 14) (0,6%)<br />

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<strong>Zufallsbefunde</strong>: vergrößerte Ventrikel<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong>: Kalkablagerung<br />

9


<strong>Zufallsbefunde</strong>: möglicher älterer Infarkt<br />

Zufallsbefund: Multiple Sklerose<br />

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Monica Lierhaus – so groß sind ihre Heilungschancen<br />

Bochum. „Wird Monica Lierhaus jemals wieder ganz gesund? Eine Gefäßchirurgin<br />

erklärt, was die Diagnose Aneurysma bedeutet.“<br />

„Der Reihe nach. Vor zwei Jahren wird bei Monica Lierhaus ein Aneurysma im Gehirn<br />

entdeckt, eine Arterie, die zu platzen droht. Sie soll bei einer Operation entfernt<br />

werden; während der OP kommt es zu Komplikationen. Die Patientin wird in ein<br />

künstliches Koma versetzt; es dauert vier Monate.“<br />

Zufallsbefund: Aneurysma<br />

11


Zufallsbefund: Aneurysma<br />

Zufallsbefund: Aneurysma<br />

Rupturrisiko eines nicht-rupturierten<br />

intrakraniellen Aneurysmas<br />

• Größe<br />

• Lage<br />

• frühere Blutung<br />

• Familienanamnese<br />

• Alter des Betroffenen<br />

12


Zufallsbefund: Aneurysma<br />

1. Für asymptomatische intrakranielle Aneurysmen der vorderen Zirkulation < 7 mm Maximaldurchmesser ohne<br />

stattgehabte Subarachnoidalblutung aus einem anderen Aneurysma kann keine generelle Behandlungsempfehlung<br />

gegeben werden.<br />

2. Asymptomatische intrakranielle Aneurysmen ≥ 7 mm Maximaldurchmesser rechtfertigen eine Behandlung, bei der das<br />

Alter, der neurologische Zustand und der Allgemeinzustand des Patienten sowie die Risiken der Therapieverfahren<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

3. Asymptomatische intrakranielle Aneurysmen der hinteren Zirkulation einschließlich der A. communicans posterior<br />

rechtfertigen eine Behandlung, bei der das Alter, der neurologische Zustand und der Allgemeinzustand des Patienten<br />

sowie die Risiken der Therapieverfahren berücksichtigt werden müssen.<br />

4. Asymptomatische intrakranielle (additionale) Aneurysmen nach stattgehabter Subarachnoidalblutung aus einem<br />

anderen, bereits versorgten Aneurysma rechtfertigen eine Behandlung, bei der das Alter, der neurologische Zustand<br />

und der Allgemeinzustand des Patienten sowie die Risiken der Therapieverfahren berücksichtigt werden müssen.<br />

5. Die Behandlung kleiner asymptomatischer intrakavernöser Karotisaneurysmen wird nicht empfohlen.<br />

6. Über die Behandlung großer symptomatischer intrakavernöser Karotisaneurysmen sollte individuell unter<br />

Berücksichtigung des Alters des Patienten, der Schwere und Progression der Symptomatik entschieden werden.<br />

7. Bei nichtrupturierten, aber kompressiv symptomatischen intraduralen Aneurysmen jeder Größe sollte eine Behandlung<br />

empfohlen werden. Hierbei bedürfen große oder Riesenaneurysmen aufgrund des höheren chirurgischen Risikos einer<br />

besonders sorgfältigen Analyse.<br />

8. Eine Empfehlung zur Beobachtung eines Aneurysmas beinhaltet die Durchführung von Kontrolluntersuchungen,<br />

wenn möglich mittels MR-Angiographie unter Berücksichtigung der notwendigen Qualitätsanforderungen. Änderungen<br />

von Aneurysmagröße oder -konfiguration sollten zur erneuten Prüfung einer Behandlungsindikation führen.<br />

9. Eine Modifikation der Risikofaktoren Rauchen, arterielle Hypertonie und Alkoholmissbrauch ist zu empfehlen.<br />

10.Ein Screening asymptomatischer Angehöriger eines Patienten mit einer nichtfamiliären aneurysmalen<br />

Subarachnoidalblutung ist derzeit nicht zu empfehlen.<br />

11.Bei familiärer Aneurysmaanamnese (≥ 2 erstgradige Angehörige mit Subarachnoidalblutung oder Aneurysma),<br />

autosomal-dominanter polyzystischer Nierenkrankheit oder monozygoten Kozwillingen Betroffener kann ein Screening<br />

mittels MR-Angiographie erwogen werden.<br />

Leitlinien der DGN - Unrupturierte intrakranielle Aneurysmen<br />

Zufallsbefund: Aneurysma<br />

Aneurysmen: n= 35 (1,8%)<br />

• 32/35 < 7 mm<br />

• 35/35 in der vorderen Zirkulation<br />

Rupturrisiko = 0% (4 Jahresverlauf)<br />

⇒ Für Bewertung der <strong>Zufallsbefunde</strong> Wissen über<br />

Spontanverlauf erforderlich<br />

13


<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

• Häufigkeit (Bildgebende Verfahren)<br />

– bei Erwachsenen: ca. 5% (1-8%)<br />

– bei Kindern: ca. 5-10%<br />

• Abhängig von<br />

– Methode (MRT, DTI, MTI, VBM, fMRT)<br />

• in Studien oft reduzierte Sensitivität (reduzierter<br />

Datensatz, bestimmt Sequenzen)<br />

• Ziel der Studie ist nicht die individuelle Diagnostik<br />

• Diagnostik: Auswahl der Methode in Abhängigkeit von<br />

der klinischen Fragestellung<br />

<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

• Beurteilung durch Doktoranden, PhD-Studenten<br />

• Beurteilung aller Befunde durch Neuroradiologen<br />

– Informell<br />

– Formal, zeitnah<br />

– Formal, pauschal am Ende der Studie<br />

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<strong>Zufallsbefunde</strong> in der Forschung<br />

• 843 Einladungen (27 Länder)<br />

• Fragebogenstudie<br />

• Rücklauf: n=74 (10%)<br />

• <strong>Zufallsbefunde</strong>: „ja“ = 82%<br />

Befragung eines Neuroradiologen Zeitraum Bezahlung<br />

Illes J, Kirschen MP, Karetsky K, Kelly M, Saha A, Desmond JE, Raffin TA, Glover GH, Atlas SW. Discovery<br />

and disclosure of incidental findings in neuroimaging research. J Magn Reson Imaging. 2004 Nov;20(5):743-7.<br />

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Probleme für Forscher<br />

• Hohe Kosten für MRT (200-500 Euro)<br />

• Hohe Kosten für zusätzliche Befundung durch<br />

Neuroradiologen<br />

• Falsch positive Befunde durch hochauflösende<br />

MRT-Einstellungen<br />

• Aus Normvarianten werden Krankheiten gemacht<br />

• Häufigkeit bei Kindern unklar<br />

• Wenig Wissen über „Normalbefunde“ des sich<br />

entwickelnden Gehirns<br />

Zufallsbefund<br />

"Es war Mitte der 90er Jahre, als der Student einer<br />

angesehenen Universität an einer Magnet-Resonanz-<br />

Tomografie-Studie teilnahm. Weil damals nur wenige<br />

Scanner von vier Tesla existierten, war die Studie<br />

experimentell. Die Betreiber ließen die Scans nicht von<br />

einem klinischen Experten kontrollieren. Wenige Jahre nach<br />

der erfolglosen Studie - sie wurde niemals veröffentlicht -<br />

erlitt der Student einen epileptischen Anfall. In der<br />

neurologischen und neurochirurgischen Untersuchung fand<br />

man einen Hirntumor. Auf dem MRT-Bild der früheren<br />

Studie erkannte der Neurochirurg den Tumor und<br />

vermutete, er sei wohl seit seiner Geburt dort.„<br />

Charles Nelson, Harvard University<br />

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