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Zufallsbefunde in der genetischen<br />

Diagnostik<br />

____________________________________<br />

Sabine Rudnik-Schöneborn<br />

Institut für Humangenetik der RWTH Aachen<br />

Gesellschaft für Humangenetik e.V.


„Zufallsbefunde“<br />

____________________________________<br />

• Sie entstehen nicht etwa zufällig, sondern sind<br />

Nebenbefunde, die sich unabhängig von der<br />

ursprünglichen Fragestellung ergeben.<br />

• Sie sind umso häufiger, je umfangreicher und<br />

sensitiver das Diagnoseverfahren ist.<br />

• Sie sind vor allem bei der Chromosomenanalyse<br />

(Microarray-CGH) und der Genomsequenzierung<br />

ein wichtiges Problem.<br />

• Sie sind nach GenDG Bestandteil der Aufklärung<br />

vor einer genetischen Diagnostik.


Ebenen der genetischen Diagnostik<br />

____________________________________<br />

Gen (DNA)<br />

Chromosom<br />

Genprodukt (Protein)<br />

Klinisches Merkmal


Familiäre Krebsformen<br />

_________________________________<br />

Gen Betroffene Organe Mutations-<br />

Häufigkeit<br />

BRCA1 Brust, Eierstöcke,<br />

Pankreas, Prostata<br />

BRCA2 Brust, Eierstöcke,<br />

Pankreas, Prostata<br />

Penetranz (mit 70 Jahren)<br />

1 zu 850 65-85% (Brustkrebs)<br />

40-45% (Eierstockkrebs)<br />

1 zu 500 60-80% (Brustkrebs)<br />

15% (Eierstockkrebs)<br />

APC (FAP) Darm (Polyposis coli) 1 zu 8.000 100%<br />

MLH1, MSH2, MSH6,<br />

PMS1 (HNPCC)<br />

TP53 (Li-Fraumeni-<br />

Syndrom)<br />

Magen-Darmtrakt,<br />

Gebärmutter, Niere<br />

Muskeln, Knochen,<br />

Gehirn, Blutbildung,<br />

Brust, Nebenniere<br />

RET (MEN2) Schilddrüse,<br />

Nebenschilddrüse,<br />

Nebennierenmark<br />

1 zu 200 bis<br />

1 zu 3.000<br />

80% (Darmkrebs)<br />

50% (Gebärmutterkrebs)<br />

1 zu 15.000 80-90% (40% < 20 Jahre)<br />

1 zu 30.000 90-100%<br />

Bei 0,6% der Microarrays werden Anlagen für Krebserkrankungen offenkundig.


Genetische Faktoren bei Volkskrankheiten<br />

____________________________________<br />

Eineiige<br />

Zwillinge<br />

Zweieiige<br />

Zwillinge<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

Alkoholismus<br />

Schizophrenie<br />

Depression<br />

Autismus<br />

Alzheimer Krankheit<br />

0,58<br />

0,26<br />

Legasthenie


Prädiktive APOE-Testung<br />

____________________________________<br />

• Bei Vorhandensein eines APOE4-Allels erhöht sich die<br />

Wahrscheinlichkeit für eine Alzheimer-Demenz ab dem<br />

60. Lebensjahr auf das 3-fache, bei Homozygotie für<br />

das APOE4-Allel auf das 10-15-fache.<br />

• APOE4-Heterozygotie findet sich bei 14%, APOE4-<br />

Homozygotie bei 2% der Bevölkerung.<br />

• Eine Vorbeugung oder Behandlung der Alzheimer-<br />

Demenz steht nicht zur Verfügung.<br />

• Soll ein junger Mensch wissen, ob er ein genetisches<br />

Risiko für eine Demenz hat?


Kategorisierung von Zufallsbefunden<br />

____________________________________<br />

1. Hohe Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitliche Störung<br />

- mit der Möglichkeit einer Behandlung oder Vorbeugung (z. B. erbliches<br />

Krebsleiden)<br />

- ohne Möglichkeit einer Behandlung oder Vorbeugung (z. B. Alzheimer<br />

Demenz)<br />

2. Geringe Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitliche Störung<br />

-mit der Möglichkeit einer Behandlung oder Vorbeugung (z. B. Hämochromatose)<br />

- ohne Möglichkeit einer Behandlung oder Vorbeugung (z. B.TMEM43-<br />

Variante)<br />

3. Ohne Bedeutung für die untersuchte Person, aber Risiko für<br />

gesundheitliche Störung bei Nachkommen (z. B. Anlageträgerschaft<br />

für spinale Muskelatrophie)<br />

4. Befunde ohne (derzeit) gesicherte klinische Bedeutung


Ethische Anforderungen an die Diagnostik<br />

(nach Beauchamp und Childress, 2009)<br />

____________________________________<br />

• Respekt vor der Autonomie – Entscheidungsfreiheit /<br />

«informed consent» / Recht auf Nichtwissen<br />

• Hilfeleistung („Beneficence“) / Nutzen für den<br />

Betroffenen<br />

• Schadensvermeidung („Non-Maleficence“) –<br />

Qualitätssicherung und Aufklärung / Anbieten<br />

wirksamer Präventionsmaßnahmen<br />

• Gerechtigkeit/Solidarität („justice“) – keine<br />

Diskriminierung / gerechte Ressourcenverteilung


Medizinethische Konflikte<br />

____________________________________<br />

Aufklärung:<br />

Rückmeldung:<br />

Kategorisierung der<br />

Ergebnisse:<br />

Informationelle<br />

Selbstbestimmung:<br />

Forschungsfortschritt:<br />

• Forderung nach Informed Consent vs. Broad<br />

Consent bei komplexen Sachverhalten<br />

• Verantwortung des Arztes vs. Recht auf<br />

Nichtwissen<br />

• Klinischer Nutzen vs. unnötige Beunruhigung,<br />

Stigmatisierung<br />

• Prädiktive Diagnostik vs. Schutz von Minderjährigen<br />

• Pflicht zur Kontaktaufnahme vs. Abschluss der<br />

Diagnostik oder des Projekts


Hoher Nutzen<br />

• Lebensbedrohliche<br />

bzw. schwere und<br />

behandelbare<br />

Störung<br />

• Hohes Risiko für<br />

lebensbedrohliche<br />

oder schwere<br />

Störung bei<br />

Nachkommen<br />

Möglicher Nutzen<br />

• Schwere Störung,<br />

nicht behandelbar<br />

• Ernste (nichtlebensbedrohliche)<br />

Störung bei<br />

Nachkommen<br />

Fraglicher Nutzen<br />

• <strong>Kein</strong>e schwere<br />

gesundheitliche<br />

Störung<br />

• Unsichere<br />

Datenlage<br />

Rückmeldung: verpflichtend möglich nicht sinnvoll


„Packages“ zur Mitteilung im Forschungskontext*<br />

____________________________________<br />

Unklare<br />

klinische<br />

Bedeutung<br />

Mittlerer<br />

klinischer<br />

Nutzen<br />

Lebensrettend<br />

bzw. mit<br />

unmittelbarem<br />

klinischen<br />

Nutzen<br />

Geringe<br />

gesundheitliche<br />

Bedeutung<br />

Reproduktive<br />

Bedeutung<br />

Nur Daten mit<br />

unmittelbarem<br />

klinischen Nutzen<br />

müssen in die<br />

Aufklärung zur<br />

Befundmitteilung<br />

aufgenommen<br />

werden, während die<br />

übrigen Pakete<br />

optional sind.<br />

*Bredenoord et al.<br />

Hum Mutat (2011)


Mustertext zur Durchführung genetischer Analysen bei<br />

einwilligungsfähigen Personen*<br />

____________________________________<br />

Punkt 6. Erhalte ich Informationen über Ergebnisse des Forschungsprojekts?<br />

Die Ergebnisse der genetischen Analyse dienen nur zu Forschungszwecken.<br />

Deshalb werden … individuelle Befunde weder Ihnen noch Ihrem Arzt<br />

zugänglich gemacht.<br />

Gegebenenfalls:<br />

Werden … wider Erwarten medizinische Erkenntnisse gewonnen, die für die<br />

Erhaltung oder Wiederherstellung Ihrer eigenen Gesundheit von erheblicher<br />

Bedeutung sind, so wird Ihr Studienarzt darüber informiert, damit er mit Ihnen<br />

das weitere Vorgehen besprechen kann. Unter Umständen müssen Sie die<br />

erhaltenen Informationen anderen Stellen (z. B. vor Abschluss eines<br />

Lebensversicherungsvertrages) offenbaren.<br />

Wenn Sie eine Information des Studienarztes nicht wünschen, können Sie<br />

dies in der Einwilligungserklärung zum Ausdruck bringen.<br />

*Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen, 27.11.2010


Ungeklärte Fragen im Umgang mit<br />

Zufallsbefunden<br />

____________________________________<br />

• Forschung oder klinische Diagnostik?<br />

• Umfang von Aufklärung und Einwilligung<br />

• Recht auf Nichtwissen<br />

• Definition des klinischen Nutzens (Positivliste?)<br />

• Schutz nicht-einwilligungsfähiger Personen<br />

• Kommunikationswege<br />

• Haftungsansprüche

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