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Auf dem Weg in den WiderstAnd – die „echo“ - SPD Hamburg

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<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>WiderstAnd</strong> -<br />

<strong>die</strong> <strong>„echo“</strong>-VersAmmlung der<br />

hAmburger sPd 1933<br />

1


<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>WiderstAnd</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>„echo“</strong>-versAmmlung<br />

der hAmburger spd 1933<br />

dr. holger martens<br />

Erweiterte und ergänzte Fassung des Beitrags:<br />

Holger Martens: <strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933,<br />

<strong>in</strong>: <strong>Hamburg</strong> und se<strong>in</strong> norddeutsches Umland. Aspekte des Wandels seit der Frühen Neuzeit.<br />

Festschrift für Frankl<strong>in</strong> Kopitzsch, Hrsg. Dirk Brietzke, Norbert Fischer, Arno Herzig, <strong>Hamburg</strong> 2007, S. 354<strong>–</strong>376.<br />

3


4<br />

impressum<br />

Herausgeber: Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft ehemals verfolgter Sozial<strong>dem</strong>okraten <strong>Hamburg</strong> (AvS)<br />

Text und Redaktion: Dr. Holger Martens<br />

Gestaltung und Satz: Julia Werner<br />

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt<br />

Titelbild: ....<br />

Diese Publikation wurde durch <strong>die</strong> Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Freie und Hanse-<br />

stadt <strong>Hamburg</strong>, gefördert.<br />

© AvS c/o <strong>SPD</strong> <strong>Hamburg</strong>, <strong>Hamburg</strong> 2010<br />

Alle Rechte, auch <strong>die</strong> des auszugsweisen Nachdrucks, <strong>in</strong>sbesondere für Vervielfältigungen, der E<strong>in</strong>speicherung und<br />

Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischen Systemen sowie der fotomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Verfilmung,<br />

des Fernsehens und des Vortrages, vorbehalten.<br />

1. <strong>Auf</strong>lage 2010<br />

ISBN ……


<strong>in</strong>halt<br />

Vorwort 7<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>WiderstAnd</strong> <strong>–</strong> <strong>die</strong> <strong>„echo“</strong>-<br />

versAmmlung der hAmburger spd 1933<br />

Der NS-Terror 8<br />

Die Teilnehmer 14<br />

Die Diskussion 15<br />

Die Verhaftung 17<br />

Die Verteidigung 21<br />

Nachwort 25<br />

Anmerkungen 27<br />

biogrAphien der versAmmlungsteilnehmer<br />

Baumann, Franz 32<br />

Berkmann, Kurt 32<br />

Bock, Wilhelm 33<br />

Born, Friedrich 35<br />

Braune, He<strong>in</strong>rich 36<br />

Brügmann, Bernhard 37<br />

Brunhöver, August 37<br />

Burrmeister, Otto 38<br />

Dahrendorf, Gustav 39<br />

Eisenbarth, He<strong>in</strong>rich 41<br />

F<strong>in</strong>nern, Robert 42<br />

Göthel, Emil 43<br />

Günther, Hedwig 44<br />

Hartle<strong>in</strong>, Paul, 45<br />

Karp<strong>in</strong>ski, Paula 45<br />

Keilhack, Adolf 46<br />

Keilhack, Irma 47<br />

Meitmann, Karl 49<br />

Mette, Dr. Alfred 51<br />

Podeyn, Hans 51<br />

Raloff, Georg 52<br />

Ruscheweyh, Dr. Herbert 53<br />

Saalfeld, Rudolf 55<br />

Schacht, Jonni 58<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, Walter 59<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, Willi 62<br />

Schönfelder, Adolph 63<br />

Schüler, Willi 64<br />

Schumann, Otto 64<br />

Selbach, Theodor 65<br />

Sellmer, Louis 66<br />

Staud<strong>in</strong>ger, Hans 67<br />

Tessnow, Willi 68<br />

Thormann, Paul 70<br />

Ullrich, Karl 71<br />

Westphal, Hans 72<br />

Zabe, Grete 72<br />

dokumente<br />

Merkblätter der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei 74<br />

Rundscheiben 103<br />

Rotes Blitzlicht 127<br />

Der Polizeipräsi<strong>den</strong>t an das Reichsm<strong>in</strong>isterium<br />

des Inneren 130<br />

Schreiben von Dr. Ruscheweyh an <strong>die</strong> Gefangenen 132<br />

5


Vorwort<br />

Schon 1924 sahen sich republiktreue Parteien und<br />

Organisationen, allen voran <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>, gezwungen, das<br />

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ als überparteiliche<br />

Schutzorganisation zu grün<strong>den</strong>, zum Schutz der<br />

eigenen Veranstaltungen und vor allem zum Schutz<br />

der <strong>dem</strong>okratischen Republik. Stahlhelm oder <strong>die</strong> SA<br />

der NSDAP, sowie der KPD-nahe Rote Frontkämpferbund<br />

lieferten sich mit <strong>dem</strong> Reichsbanner <strong>–</strong> später<br />

Eiserne Front <strong>–</strong> blutige Straßen- und Saalschlachten.<br />

Nach <strong>den</strong> Erfahrungen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> neun Jahren bis<br />

zur Machtübernahme Hitlers gemacht wur<strong>den</strong>, konnten<br />

<strong>die</strong> Genossen eigentlich ke<strong>in</strong>e Illusionen haben,<br />

wie sich Nationalsozialisten im Besitz diktatorischer<br />

Vollmachten und unter der Beseitigung e<strong>in</strong>er pluralen<br />

Gesellschaft verhalten wür<strong>den</strong>. Schon waren kommunistische<br />

Mandatsträger und Funktionäre verhaftet,<br />

und als nächster Schritt erfolgte der Versuch, mit <strong>den</strong><br />

sogenannten „Gleichschaltungsgesetzen“ vom 1. März<br />

und 7. April 1933 bestehende gesellschaftliche und<br />

staatliche Organisationen zu übernehmen und entsprechend<br />

der NS- Ideologie auszurichten.<br />

In <strong>dem</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Beitrag zeichnet Holger Martens<br />

nach, wie sich das Netz um <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong><br />

enger und enger zog, wie man versuchte, <strong>die</strong> Partei<br />

auch unter Pressionen zusammen halten zu können,<br />

und <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung an <strong>die</strong> Verfolgungszeit unter <strong>dem</strong><br />

Sozialistengesetz Bismarcks auf e<strong>in</strong>en Zusammenbruch<br />

der NS-Diktatur und das Überleben der <strong>SPD</strong> zu<br />

hoffen. Die Verhaftungen der führen<strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>SPD</strong>-Funktionäre anlässlich der <strong>–</strong> genehmigten <strong>–</strong> Versammlung<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Räumen der parteieigenen Zeitung<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“ setzten <strong>den</strong> Schlusspunkt unter <strong>die</strong>se<br />

Illusionen und es begann der <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Illegalität.<br />

Nicht jeder und jede Genoss<strong>in</strong> g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand,<br />

aber fast alle blieben trotz Verlust des Arbeitsplatzes<br />

und massiver Pressionen <strong>in</strong> Distanz zum<br />

sogenannten Dritten Reich. Viele versuchten, <strong>den</strong><br />

NS-Organisationen fern zu bleiben, <strong>den</strong> Hitlergruß<br />

zu vermei<strong>den</strong>, Verfolgten zu helfen, ihre K<strong>in</strong>der <strong>dem</strong><br />

E<strong>in</strong>fluss der NS-Ideologie zu entziehen <strong>–</strong> lauter Versuche<br />

resistenten Verhaltens. Den Widerstand bezahlten<br />

nicht wenige mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit<br />

und nur zu selten wird <strong>die</strong> Notlage der Familien von<br />

Verhafteten geschildert, <strong>die</strong> als „politisch unzuverlässig“<br />

von der Volkswohlfahrt nicht viel zu erwarten<br />

hatten.<br />

Man hüte sich aber, über Anpassung oder Widerstand<br />

leichtfertig zu urteilen, vielmehr sollte man sich<br />

an <strong>die</strong> Mahnung Bertold Brechts <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gedicht<br />

„An <strong>die</strong> Nachgeborenen“ er<strong>in</strong>nern:<br />

„Ihr, <strong>die</strong> ihr auftauchen werdet aus der Flut<br />

In der wir untergegangen s<strong>in</strong>d<br />

Ge<strong>den</strong>kt<br />

Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht<br />

Auch der f<strong>in</strong>steren Zeit<br />

Der ihr entronnen seid“<br />

Helga Kutz-Bauer<br />

Vorsitzende AvS<br />

7


8<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

der ns-terror<br />

Mit der Wahl e<strong>in</strong>es von Nationalsozialisten geführten<br />

Senats am 8. März 1933 begann auch <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong><br />

der staatlich organisierte Terror. Die nach der<br />

Reichstagsbrandverordnung willkürlich e<strong>in</strong>setzbare<br />

Schutzhaft, <strong>die</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es der richterlichen<br />

Kontrolle entzogenen Konzentrationslagers und <strong>die</strong><br />

<strong>Auf</strong>stellung e<strong>in</strong>er Hilfspolizeitruppe, bestehend aus<br />

Mitgliedern von SA, SS und Stahlhelm, machten Massenverhaftungen<br />

von politischen Gegnern möglich. 2<br />

Am 23. März 1933 konnten <strong>die</strong> Mandatsträger der <strong>SPD</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>die</strong> Kommunisten waren bereits untergetaucht oder<br />

verhaftet <strong>–</strong> nur noch unter Lebensgefahr an der Tagung<br />

des Reichstags <strong>in</strong> der Krolloper teilnehmen. 3<br />

Systematisch schränkten <strong>die</strong> neuen Machthaber <strong>die</strong><br />

Bewegungsfreiheit und das öffentliche <strong>Auf</strong>treten der<br />

<strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. Das Anfang März 1933 gegen <strong>die</strong> Parteizeitung<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“ ausgesprochene Verbot wurde<br />

nicht wieder aufgehoben. Mitte März untersagten <strong>die</strong><br />

Nationalsozialisten das Heraushängen von Fahnen<br />

der <strong>SPD</strong> und der KPD. Im April wurde der <strong>SPD</strong> und<br />

ihren Organisationen verboten, Plakate zu kleben<br />

und öffentliche Gebäude wie Schulen und Turnhallen<br />

zu nutzen. Schließlich wur<strong>den</strong> der <strong>SPD</strong> Ende April<br />

politische Versammlungen und Demonstrationen<br />

gänzlich untersagt. Am 29. April 1933 fasste der Chef<br />

der Ordnungspolizei alle bisherigen Verbote <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

neuen Polizeiverordnung zusammen. Danach waren<br />

nun auch Flugblätter und Transparente verboten und<br />

von der Polizei zu beschlagnahmen. Ab Mitte Mai war<br />

es verboten, Abzeichen der <strong>SPD</strong> öffentlich zu tragen. 4<br />

Nach <strong>dem</strong> Verbot der Parteizeitung hatte sich <strong>die</strong><br />

<strong>SPD</strong>-Landesorganisation bemüht, <strong>die</strong> Mitglieder und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus auch <strong>die</strong> <strong>in</strong>teressierte Öffentlichkeit<br />

durch das „Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei,<br />

Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>“ über <strong>die</strong> wichtigsten<br />

politischen Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> und Deutschland<br />

zu unterrichten. Das Merkblatt, das offiziell „nur für<br />

Mitglieder der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei bestimmt“<br />

war, wurde zwar seit der Revolution von 1918 herausgegeben,<br />

erhielt nun aber e<strong>in</strong>e ganz neue Funktion.<br />

Die bei<strong>den</strong> ersten Merkblatt-Ausgaben erschienen<br />

noch vor <strong>dem</strong> endgültigen Verbot der Parteizeitung. 5<br />

In Merkblatt Nr. 5, das Anfang April herausgegeben<br />

wurde, war <strong>die</strong> Rede von Otto Wels zum Ermächtigungsgesetz<br />

am 23. März 1933 „nach <strong>dem</strong> amtlichen<br />

Stenogramm <strong>in</strong> ihrem Wortlaut“ abgedruckt, <strong>in</strong> der<br />

der Parteivorsitzende unter lebhaftem Beifall der Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

sagte: „Freiheit und Leben kann man<br />

uns nehmen, <strong>die</strong> Ehre nicht“ und anschließend <strong>die</strong><br />

Ablehnung des Gesetzes begründete. 6 Anfang April<br />

1933 wurde das Merkblatt im Abstand von wenigen<br />

Tagen gedruckt. Soweit bekannt, war <strong>die</strong> Ausgabe Nr.<br />

7 das letzte Exemplar, das um <strong>den</strong> 10. April erschienen<br />

ist. 7 <strong>Auf</strong> der ersten Seite war <strong>die</strong> Kandidatenliste der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> abgedruckt, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Neubesetzung<br />

der Bürgerschaft auf der Grundlage des Gleichschaltungsgesetzes<br />

der Länder bis zum 13. April e<strong>in</strong>gereicht<br />

wer<strong>den</strong> musste. Veröffentlicht wur<strong>den</strong> außer<strong>dem</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Stellungnahme des Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />

(ADGB) zur Vere<strong>in</strong>heitlichung des Gewerkschaftswesens<br />

und der Wortlaut des Gesetzes<br />

zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, mit<br />

<strong>dem</strong> Ju<strong>den</strong> sowie <strong>SPD</strong>- und KPD-Mitglieder aus <strong>dem</strong><br />

öffentlichen Dienst entfernt wur<strong>den</strong>.<br />

Es darf durchaus angenommen wer<strong>den</strong>, dass der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> der Druck und <strong>die</strong> Verbreitung des<br />

Merkblattes verboten wurde. Am 20. April 1933 gab der<br />

Landesvorstand e<strong>in</strong> weniger aufwendiges, sechsseitiges<br />

„Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisa-


tion“ heraus. Dar<strong>in</strong> trat der Landesvorstand Berichten<br />

der bürgerlichen Presse entgegen, nach <strong>den</strong>en <strong>die</strong><br />

<strong>SPD</strong> zerfalle. Dazu hieß es: „Die Gegner haben stark<br />

auf e<strong>in</strong>en Zerfall der Partei spekuliert, und es ist ihr<br />

großer Kummer, daß von e<strong>in</strong>em Zerfall oder gar e<strong>in</strong>er<br />

Selbstauflösung nicht <strong>die</strong> Rede se<strong>in</strong> kann. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen anderen Orten Austritte<br />

von Beamten und Angestellten erfolgt <strong>–</strong> aber<br />

nicht aus Protest gegen <strong>die</strong> Führung, sondern unter<br />

<strong>dem</strong> Druck behördlicher Zwangsmaßnahmen.“ Ausführlich<br />

wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> angeblichen Korruptionsskandale<br />

um Max Brauer und August Kirch <strong>in</strong> Altona und um<br />

Adolph Schönfelder <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> zurückgewiesen. 8 In<br />

der gleichen <strong>Auf</strong>machung erschienen neun Tage später<br />

„Organisations-Informationen für unsere Mitglieder“.<br />

Neben e<strong>in</strong>em kurzen Bericht über <strong>die</strong> Reichskonferenz<br />

der <strong>SPD</strong> am 26. April stand erneut <strong>die</strong> Zukunft<br />

der sozial<strong>dem</strong>okratischen Presse im Mittelpunkt. Die<br />

Autoren g<strong>in</strong>gen nunmehr davon aus, dass <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>-<br />

Zeitungen auf Dauer verboten bleiben wür<strong>den</strong>. Am<br />

Ende wur<strong>den</strong> alle Parteimitglieder „nachdrücklichst“<br />

ersucht, ihre Beiträge zu zahlen: „Die <strong>Auf</strong>rechterhaltung<br />

auch beschränkter Organisationsarbeit erfordert<br />

e<strong>in</strong>e pünktliche Beitragszahlung.“ 9 Entgegen <strong>den</strong> vorherigen<br />

Äußerungen hatte <strong>die</strong> Partei möglicherweise<br />

doch mit Zerfallsersche<strong>in</strong>ungen zu kämpfen.<br />

Bevor mit der Beschlagnahme des Parteivermögens<br />

am 10. Mai 1933 <strong>die</strong> Parteiarbeit endgültig zum Erliegen<br />

kam, gab <strong>die</strong> Landesorganisation am 5. Mai 1933 e<strong>in</strong><br />

weiteres, vermutlich letztes Mal gedruckte Mitteilungen<br />

heraus. In leicht veränderter <strong>Auf</strong>machung erschien<br />

das „Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong> der <strong>SPD</strong>“. In <strong>dem</strong> vierseitigen<br />

Papier wur<strong>den</strong> jetzt ausführliche Passagen von Wels‘<br />

Rede auf der Reichskonferenz abgedruckt. Es darf<br />

vermutet wer<strong>den</strong>, dass <strong>die</strong> detaillierte Wiedergabe der<br />

Ausführungen des Parteivorsitzen<strong>den</strong> zur politischen<br />

Situation auch auf <strong>den</strong> persönlichen Besuch von Wels<br />

Ende April / Anfang Mai <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> zurückzuführen<br />

war. In <strong>die</strong>ser Zeit <strong>–</strong> vermutlich Anfang Mai <strong>–</strong> kam der<br />

<strong>Hamburg</strong>er Parteivorstand zu e<strong>in</strong>er illegalen Sitzung<br />

im W<strong>in</strong>termoor <strong>in</strong> der Lüneburger Heide zusammen.<br />

Möglicherweise stand <strong>die</strong>se Zusammenkunft, an der<br />

nachweislich Karl Meitmann, Alfred Mette und Adolph<br />

Schönfelder teilnahmen, im Zusammenhang mit <strong>dem</strong><br />

Der NS-Terror 9<br />

Besuch von Wels. Beschlossen wurde je<strong>den</strong>falls, e<strong>in</strong>en<br />

Vertrauensmann mit Bargeld der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> <strong>in</strong>s<br />

Ausland zu sen<strong>den</strong>. 10 Diejenigen, <strong>die</strong> sich an <strong>den</strong> Vorbereitungen<br />

auf <strong>die</strong> Illegalität beteiligten, sollen von<br />

Otto Wels nachdrücklich <strong>in</strong> ihren Bemühungen unterstützt<br />

wor<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. 11 Wels, der sich unmittelbar nach<br />

der Besetzung der Gewerkschaftshäuser <strong>in</strong> das noch<br />

unter französischer Verwaltung stehende Saarbrücken<br />

begab, hatte schon auf der Reichskonferenz mit <strong>den</strong><br />

Worten:„E<strong>in</strong>e geistige Unterwerfung und Anpassung<br />

darf es für uns nicht geben“ deutlich gemacht, dass<br />

er anders als <strong>die</strong> ADGB-Führung zu ke<strong>in</strong>en Zugeständnissen<br />

bereit war. 12 Otto Wels grenzte sich damit<br />

auch <strong>in</strong>nerparteilich gegen <strong>die</strong>jenigen ab, <strong>die</strong> unter<br />

allen Umstän<strong>den</strong> am legalen Kurs festhalten wollten.<br />

Darauf, dass auch <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> beide Lager vertreten<br />

waren, deutet e<strong>in</strong> Artikel <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Rundschreiben vom<br />

20. April unter <strong>dem</strong> Titel: „Das Schicksal unserer Partei“<br />

h<strong>in</strong>. Der Autor erklärt dar<strong>in</strong>: „Wie <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okratie<br />

<strong>in</strong> Zukunft organisatorisch, agitatorisch und<br />

parlamentarisch arbeiten kann, steht noch nicht fest.<br />

Daraus erklärt sich e<strong>in</strong>e gewisse Unsicherheit, <strong>die</strong><br />

aus manchen Äußerungen <strong>in</strong> der Partei zu spüren ist.<br />

Nur e<strong>in</strong>es müßte allen klar se<strong>in</strong>: für ‚illegale‘ Arbeit<br />

ist <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okratie weder <strong>in</strong> ihrer bisherigen<br />

Organisation noch <strong>in</strong> ihren Menschen e<strong>in</strong>gerichtet.“ 13<br />

In <strong>dem</strong> Rundschreiben vom 5. Mai 1933 wurde mitgeteilt,<br />

dass seit <strong>dem</strong> 28. April 1933 sozial<strong>dem</strong>okratische<br />

Versammlungen verboten seien und dass <strong>die</strong>ses Verbot<br />

am Tag darauf durch e<strong>in</strong>e Verordnung bestätigt wor<strong>den</strong><br />

sei. Die neue Polizeiverordnung wurde vollständig<br />

abgedruckt. 14<br />

Nach<strong>dem</strong> <strong>die</strong> Nationalsozialisten mit brutaler Gewalt<br />

<strong>die</strong> Gewerkschaftshäuser besetzt hatten, befürchteten<br />

auch <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten Übergriffe. Da <strong>die</strong><br />

<strong>Auf</strong>bewahrung von Parteiunterlagen sowohl <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Räumen der Partei als auch <strong>in</strong> Meitmanns eigenem<br />

Haus zu gefährlich war, verbrannte der <strong>SPD</strong>-Vorsitzende<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Waschküche am Maienweg 281 zahlreiche<br />

Dokumente, darunter e<strong>in</strong>malige Orig<strong>in</strong>ale aus der<br />

Parteigeschichte von unersetzlichem Wert. 15 Der als<br />

Kassierer für <strong>die</strong> Partei hauptamtlich tätige Claus Umland<br />

hatte vorsorglich e<strong>in</strong>en Großteil der Geldreserven


10<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

mobilisiert und <strong>den</strong> Parteisekretären und <strong>–</strong>Angestellten<br />

drei Monatsgehälter im Voraus ausgezahlt. Über<br />

<strong>die</strong> Hälfte des Geldes wurde treuhänderisch e<strong>in</strong>em<br />

Rechtsanwalt übergeben, der damit se<strong>in</strong>e Unkosten<br />

und <strong>die</strong> anderer für <strong>die</strong> Verteidigung von Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

decken sollte. Mehrere Distriktsvorsitzende<br />

erhielten Geld für e<strong>in</strong>e Existenzgründung. Der Rest<br />

wurde an Verfolgte und deren Familienangehörige<br />

verteilt. Nach eigenen Angaben setzte sich Umland aus<br />

Furcht vor e<strong>in</strong>er Verhaftung vom 8. Mai vorübergehend<br />

nach Landskron im Sudetenland ab. Am 25. Juni 1933<br />

kehrte er zurück nach <strong>Hamburg</strong>. 16 Möglicherweise<br />

war es Umland, der als Vertrauensmann auf Beschluss<br />

des <strong>Hamburg</strong>er Parteivorstands Bargeld <strong>in</strong>s Ausland<br />

brachte. 17 Tatsächlich war <strong>die</strong> Gestapo am 10. Mai <strong>in</strong><br />

der Wohnung des Parteikassierers erschienen und<br />

wollte ihn verhaften. Durch das umsichtige Handeln<br />

des Kassierers fielen <strong>den</strong> Nationalsozialisten von <strong>den</strong><br />

Bankguthaben <strong>in</strong> Höhe von 59 000 Reichsmark nur<br />

17 000 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hände. 18<br />

Als am 10. Mai 1933 <strong>die</strong> erwartete Besetzung des<br />

Parteibüros mit der Beschlagnahme des Parteivermögens<br />

erfolgte, waren <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten vorbereitet.<br />

Verabredungsgemäß befand sich <strong>die</strong> Parteiangestellte<br />

Irma Schweder (spätere Keilhack) alle<strong>in</strong> im Parteibüro<br />

<strong>in</strong> der Großen Theaterstraße: „Mit ‚Hände hoch‘ und<br />

gezücktem Revolver sollte ich <strong>die</strong> Parteidokumente<br />

und Geld herausgeben, das wir bis auf e<strong>in</strong> paar wertlose<br />

Papiere und e<strong>in</strong> paar Mark bereits vorher <strong>in</strong> Sicherheit<br />

gebracht hatten. Die SA-Männer hausten aus Wut darüber<br />

wie <strong>die</strong> Barbaren, zerfetzten und zerstörten, was<br />

ihnen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> geriet und schlossen das Büro.“ 19<br />

Von der Beschlagnahmung des Parteivermögens war<br />

auch <strong>die</strong> parteieigene Verlagsanstalt mit der Druckerei<br />

betroffen. Die Sozial<strong>dem</strong>okraten hatten damit auch<br />

<strong>die</strong> letzte Möglichkeit verloren, durch Rundschreiben<br />

<strong>die</strong> eigenen Mitglieder zu <strong>in</strong>formieren und damit<br />

Verhaftungen, Verleumdungen und <strong>die</strong> Abschaffung<br />

der Pressefreiheit öffentlich zu machen.<br />

Darüber, wann, wo und wie <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

angesichts des Versammlungsverbotes Informationen<br />

austauschten, Verabredungen trafen und <strong>die</strong> aktuelle<br />

Situation diskutierten, ist nur wenig bekannt. Als Er-<br />

satz für <strong>die</strong> geschlossene Parteizentrale wur<strong>den</strong> zwei<br />

Ausweichbüros e<strong>in</strong>gerichtet, von <strong>den</strong>en aus <strong>die</strong> illegale<br />

Arbeit vorbereitet wer<strong>den</strong> sollte. Allerd<strong>in</strong>gs wur<strong>den</strong><br />

hier auch <strong>die</strong> üblichen Organisationsarbeiten wie <strong>die</strong><br />

Beitragskassierung vorgenommen. 20<br />

Dass Organisationsstrukturen fortbestan<strong>den</strong>, zeigte<br />

sich Mitte Juni 1933, als noch e<strong>in</strong>mal führende Vertreter<br />

der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> zusammenkamen. Anlass war<br />

das Interesse der Nationalsozialisten am „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo“. Nach E<strong>in</strong>schätzung des Reichstagsabgeordneten<br />

und „Echo“-Redakteurs Gustav Dahrendorf gab es bei<br />

<strong>den</strong> neuen Machthabern e<strong>in</strong> Interesse an der Übernahme<br />

der Parteizeitung, um <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er Arbeiter<br />

zu erreichen. Versuche, <strong>die</strong> „Echo“-Leser für <strong>den</strong> von<br />

<strong>den</strong> Nationalsozialisten kontrollierten <strong>Hamburg</strong>er<br />

Anzeiger zu gew<strong>in</strong>nen, waren erfolglos geblieben. Im<br />

Mai 1933 wandte sich NS-Reichstatthalter Karl Kaufmann<br />

über e<strong>in</strong>en Mittelsmann an <strong>den</strong> früheren Senator<br />

Emil Krause, der ebenfalls der Redaktion angehört<br />

hatte. Danach sollte Dahrendorf als Chefredakteur<br />

tätig wer<strong>den</strong> und drei weitere Redakteure benennen<br />

dürfen, während <strong>die</strong> Nationalsozialisten ebenfalls drei<br />

Redakteure bestimmen wollten. 21<br />

Inwieweit es sich hier überhaupt um e<strong>in</strong>en ernstzunehmen<strong>den</strong><br />

Vorschlag gehandelt hat, lässt sich<br />

nicht mehr feststellen. Kaum anzunehmen ist, dass<br />

<strong>die</strong> Nationalsozialisten Dahrendorf <strong>die</strong> Mehrheit <strong>in</strong><br />

der Redaktion überlassen hätten. Auch wären von<br />

e<strong>in</strong>em prom<strong>in</strong>enten Reichstags- und Bürgerschaftsabgeordneten<br />

wie Dahrendorf sicher weitreichende<br />

Zugeständnisse an <strong>die</strong> neuen Machthaber erwartet<br />

wor<strong>den</strong>. Andererseits waren <strong>die</strong> Möglichkeiten der<br />

Presseberichterstattung ohneh<strong>in</strong> schon sehr stark<br />

e<strong>in</strong>geschränkt. E<strong>in</strong>e kritische Berichterstattung gab<br />

es nach der Gleichschaltung der Presse nicht mehr.<br />

Dass es sich bei <strong>dem</strong> Vorstoß von Kaufmann <strong>den</strong>noch<br />

nicht um e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelaktion handelte, sondern auch <strong>in</strong><br />

anderen Regionen ähnliche Überlegungen angestellt<br />

wur<strong>den</strong>, belegt das Lübecker Beispiel.<br />

Lübeck war ebenfalls e<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-Hochburg mit e<strong>in</strong>em<br />

eigenen Parteiblatt, <strong>dem</strong> „Lübecker Volksboten“. Hier<br />

hatten <strong>die</strong> Redakteure Dr. Julius Leber und Dr. Fritz


Solmitz <strong>den</strong> Nationalsozialismus <strong>in</strong> scharfer Form<br />

bekämpft. Offensichtlich wurde mit der gleichen von<br />

Kaufmann <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> formulierten Zielsetzung<br />

<strong>die</strong> <strong>SPD</strong>-Zeitung unter Beibehaltung ihres Namens<br />

zum parteiamtlichen Organ der Lübecker NSDAP<br />

gemacht. Die politisch profiliertesten Redakteure wur<strong>den</strong><br />

verhaftet, e<strong>in</strong> Teil der Redaktion sowie Mitarbeiter<br />

des Verlags und des technischen Betriebs h<strong>in</strong>gegen<br />

übernommen. 22 Verlagsgeschäftsführer Max Blunck<br />

wurde von führen<strong>den</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten beauftragt,<br />

unter allen Umstän<strong>den</strong> se<strong>in</strong>e Position zu behaupten.<br />

Rückblickend wurde argumentiert, dass nur so<br />

e<strong>in</strong>e Rückführung des konfiszierten Verlags <strong>in</strong> <strong>SPD</strong>-<br />

Eigentum gewährleistet wer<strong>den</strong> konnte. Vermutlich<br />

spielte allerd<strong>in</strong>gs <strong>die</strong> 1933 weit verbreitete Me<strong>in</strong>ung,<br />

<strong>die</strong> Nationalsozialisten wür<strong>den</strong> sich nicht über e<strong>in</strong>e<br />

längere Zeit an der Macht halten können, e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Tatsächlich blieb Blunck, der 1938 der NSDAP beitrat,<br />

während der gesamten NS-Zeit Geschäftsführer. 23<br />

Wirkung zeigte offensichtlich auch e<strong>in</strong> <strong>Auf</strong>ruf des<br />

Geschäftsführers an <strong>die</strong> Leser des „Volksboten“ am<br />

16. Mai 1933. Immerh<strong>in</strong> konnte der von <strong>den</strong> neuen<br />

Machthabern e<strong>in</strong>gesetzte Chefredakteur Anfang Juli<br />

vermel<strong>den</strong>, dass von <strong>den</strong> 12 000 Abonnenten rund<br />

7 000 <strong>dem</strong> „Volksboten“ treu geblieben waren. 24 Die<br />

Erwartungen der Nationalsozialisten, mit der Übernahme<br />

der <strong>SPD</strong>-Zeitung auf <strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />

der Lübecker Arbeiter E<strong>in</strong>fluss nehmen zu können,<br />

dürften sich erfüllt haben.<br />

Gustav Dahrendorf erklärte rückblickend, dass er<br />

<strong>dem</strong> Kaufmann-Plan von vornhere<strong>in</strong> ablehnend gegenübergestan<strong>den</strong><br />

habe. Doch sah er <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

angesichts des Versammlungsverbots <strong>die</strong> führen<strong>den</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okraten zusammenzurufen, um<br />

<strong>die</strong> aktuelle politische Entwicklung und vermutlich<br />

vor allem <strong>die</strong> drohende Spaltung der <strong>SPD</strong>-Spitze zu<br />

diskutieren. Nach<strong>dem</strong> der Parteivorstand Anfang Mai<br />

1933 sechs Vorstandsmitglieder zum <strong>Auf</strong>bau e<strong>in</strong>er<br />

Auslandsführung nach Prag entsandt hatte, sprachen<br />

sich <strong>die</strong>se gegen e<strong>in</strong>e Teilnahme der <strong>SPD</strong>-Fraktion<br />

an der Reichstagssitzung am 17. Mai 1933 aus. Die<br />

sich noch <strong>in</strong> Freiheit bef<strong>in</strong>dlichen <strong>SPD</strong>-Abgeordneten<br />

entschie<strong>den</strong> sich jedoch unter <strong>den</strong> Morddrohungen<br />

des NS-Reichs<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isters Frick mehrheitlich für<br />

Der NS-Terror 11<br />

<strong>die</strong> Teilnahme. Im Reichstag stimmte <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>-Fraktion<br />

sogar e<strong>in</strong>er außenpolitischen Erklärung Hitlers<br />

zu. Die <strong>SPD</strong>-Exilführung plä<strong>die</strong>rte dagegen für e<strong>in</strong>e<br />

klare Haltung gegen das NS-Regime und forderte am<br />

21. Mai 1933 <strong>die</strong> Niederlegung aller Abgeordnetenmandate<br />

im Reichstag und im Preußischen Landtag.<br />

Der Vorschlag aus Prag traf <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> auf wenig Resonanz<br />

und so steuerten beide Gruppen weiter auf<br />

e<strong>in</strong>e Konfrontation zu. Als am 18. Juni 1933 <strong>in</strong> Prag<br />

<strong>die</strong> erste Nummer des „Neuen Vorwärts“ mit <strong>dem</strong><br />

<strong>Auf</strong>ruf „Zerbrecht <strong>die</strong> Ketten“ erschien, distanzierten<br />

sich <strong>die</strong> Vorstandsmitglieder um Paul Löbe von <strong>den</strong><br />

Emigranten. Bereits am darauf folgen<strong>den</strong> Tag ließ<br />

<strong>die</strong> Löbe-Gruppe e<strong>in</strong>en neuen Vorstand wählen, der<br />

am 21. Juni 1933 zu se<strong>in</strong>er ersten und letzten Sitzung<br />

zusammentrat. 25<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> kam es zu Richtungsstreitigkeiten.<br />

Besonders schmerzlich war für <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

der Anpassungskurs der <strong>Hamburg</strong>er ADGB-Leitung,<br />

<strong>die</strong> der L<strong>in</strong>ie der Gewerkschaftsführung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

folgte. In der zweiten Aprilhälfte führten Gewerkschaftsvertreter<br />

um <strong>den</strong> ADGB-Landesvorsitzen<strong>den</strong><br />

und <strong>SPD</strong>-Bürgerschaftsabgeordneten John Ehrenteit<br />

Gespräche mit <strong>den</strong> Nationalsozialisten. 26 Am 27. und<br />

28. April meldeten mehrere <strong>Hamburg</strong>er Tageszeitungen<br />

Abspaltungsten<strong>den</strong>zen <strong>in</strong>nerhalb der <strong>SPD</strong>-Bürgerschaftsfraktion.<br />

27 Möglicherweise hat dabei auch <strong>die</strong><br />

Rede von Otto Wels auf der Parteikonferenz am 26. April<br />

e<strong>in</strong>e Rolle gespielt, <strong>in</strong> der der <strong>SPD</strong>-Vorsitzende<br />

Zugeständnisse an <strong>die</strong> Nationalsozialisten abgelehnt<br />

und <strong>den</strong> Gewerkschaftskurs kritisiert hatte. Zum<strong>in</strong>dest<br />

ist davon auszugehen, dass der anschließende<br />

Besuch von Wels <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> nicht zur Beilegung<br />

der Me<strong>in</strong>ungsverschie<strong>den</strong>heiten führte. Im Gegenteil,<br />

auch <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> verhärteten sich <strong>die</strong> Fronten.<br />

In der Bürgerschaftsfraktion setzte <strong>die</strong> Mehrheit auf<br />

e<strong>in</strong>e legale Fortsetzung der Arbeit. So brachte der<br />

Fraktionsvorsitzende Hans Podeyn am 9. Mai, <strong>dem</strong><br />

Tag vor der Beschlagnahme des Parteivermögens, im<br />

Ältestenrat <strong>die</strong> „Bereitwilligkeit zu positiver, sachlicher<br />

Mitarbeit zum Wohle <strong>Hamburg</strong>s“ zum Ausdruck. Zwar<br />

<strong>dem</strong>onstrierte <strong>die</strong> Fraktion Geschlossenheit, <strong>in</strong><strong>dem</strong><br />

sie aus Protest gegen <strong>die</strong> Vermögensbeschlagnahme<br />

der konstituieren<strong>den</strong> Bürgerschaftssitzung fernblieb,


12<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

doch wurde zugleich <strong>die</strong> „Bereitwilligkeit zur praktischen<br />

Mitarbeit“ angekündigt. 28 Vermutlich trug<br />

<strong>die</strong> Fraktionsspitze damit auch <strong>dem</strong> starken Gewerkschaftsflügel<br />

<strong>in</strong> der Bürgerschaftsfraktion Rechnung.<br />

Ende Mai traten schließlich mit John Ehrenteit, Hugo<br />

Schotte, Wilhelm Petersen und Georg Amlung vier<br />

Gewerkschaftsvertreter aus der Fraktion aus. Ihnen<br />

folgte am 8. Juni Alfred Ehlers. Da <strong>die</strong> Gewerkschafter<br />

ke<strong>in</strong>e Fraktionsstärke erreichten, g<strong>in</strong>gen sie e<strong>in</strong><br />

Hospitantenverhältnis mit der NSDAP e<strong>in</strong>. Andere<br />

Gewerkschaftsfunktionäre wie He<strong>in</strong>rich Ste<strong>in</strong>feldt<br />

und August He<strong>in</strong> vollzogen <strong>den</strong> Bruch nicht. Peter<br />

Hass h<strong>in</strong>gegen erklärte am 21. Juni se<strong>in</strong>en Austritt aus<br />

der Fraktion „<strong>in</strong>folge der <strong>in</strong>nerorganisatorischen und<br />

politischen Vorgänge <strong>in</strong>nerhalb der <strong>SPD</strong>“. 29<br />

Allerd<strong>in</strong>gs drängte <strong>in</strong> der Bürgerschaftsfraktion<br />

e<strong>in</strong>e Gruppe zum Teil jüngerer Abgeordneter auf e<strong>in</strong>e<br />

Abkehr vom bisherigen Legalitätskurs und auf systematische<br />

Vorbereitungen für <strong>die</strong> Arbeit <strong>in</strong> der Illegalität.<br />

Zu <strong>die</strong>sen Sozial<strong>dem</strong>okraten gehörten Paula Karp<strong>in</strong>ski,<br />

Walter und Willi Schme<strong>dem</strong>ann, Karl Ullrich, Erich<br />

L<strong>in</strong>dstaedt, Louis Sellmer, Otto Schumann und August<br />

He<strong>in</strong>. 30 Mit der Teilnahme der <strong>SPD</strong>-Abgeordneten an<br />

der für <strong>den</strong> 31. Mai 1933 anberaumten Bürgerschaftssitzung<br />

setzten sich allerd<strong>in</strong>gs erneut <strong>die</strong> Vertreter<br />

e<strong>in</strong>es legalistischen Kurses durch.<br />

Trotz aller Repressalien gelang es <strong>den</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten,<br />

weiterh<strong>in</strong> Informationsblätter zu verbreiten.<br />

M<strong>in</strong>destens zwei masch<strong>in</strong>engeschriebene Ausgaben<br />

mit <strong>dem</strong> Titel „Rotes Blitzlicht“ wur<strong>den</strong> im Juni 1933<br />

hergestellt. Die Ausgabe vom 3. Juni 1933 trug <strong>den</strong><br />

Untertitel „Mitteilungen nur für Mitglieder der Sozial<strong>dem</strong>okratische<br />

Partei“. H<strong>in</strong>weise auf <strong>die</strong> Urheberschaft<br />

und auch e<strong>in</strong>e Unterschrift des 1. Vorsitzen<strong>den</strong> Karl<br />

Meitmann, wie es noch beim Rundschreiben vom<br />

5. Mai 1933 der Fall gewesen war, fehlten. In der ersten<br />

Ausgabe befassten sich <strong>die</strong> Autoren ausführlich<br />

mit <strong>dem</strong> Austritt der Gewerkschafter aus der Partei<br />

und der Fraktion, ohne <strong>die</strong> Bürgerschaftsmandate<br />

niederzulegen. Dazu hieß es: „Dieser Ausbruch [...]<br />

aus unserer Front kommt e<strong>in</strong>em Verrate gleich. In<br />

der Arbeiterbewegung s<strong>in</strong>d sie durch ihr Verhalten<br />

somit moralisch geächtet.“ Ausdrücklich wur<strong>den</strong> August<br />

He<strong>in</strong> und He<strong>in</strong>rich Ste<strong>in</strong>feld, <strong>die</strong> sich für <strong>den</strong><br />

Verbleib <strong>in</strong> der <strong>SPD</strong> entschie<strong>den</strong> hatten, erwähnt. 31<br />

E<strong>in</strong> weiteres „Blitzlicht“, von <strong>dem</strong> nur <strong>die</strong> erste Seite<br />

überliefert ist, erschien am 10. Juni 1933. Das Blatt<br />

befasste sich mit <strong>den</strong> Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

des NS-Regimes. 32<br />

Gustav Dahrendorf nutzte das Interesse der Nationalsozialisten<br />

am „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ und ließ Gauleiter<br />

Kaufmann übermitteln, dass er <strong>die</strong> Angelegenheit im<br />

Kreise se<strong>in</strong>er Freunde besprechen müsse. Hierzu gab<br />

der Reichsstatthalter se<strong>in</strong>e Zustimmung. Die Sitzung<br />

wurde für <strong>den</strong> 15. Juni 1933 im Redaktionsgebäude des<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“, Fehlandtstraße 11-19, anberaumt,<br />

das rückwärtig an <strong>die</strong> Parteizentrale der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> der<br />

Großen Theaterstraße 42-44 grenzte. 33<br />

Der Rechtsanwalt und frühere sozial<strong>dem</strong>okratische<br />

Bürgerschaftspräsi<strong>den</strong>t, Dr. Herbert Ruscheweyh, der<br />

selbst bis zum Verbot der <strong>SPD</strong> der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft angehörte und <strong>die</strong> <strong>in</strong>haftierten Parteifreunde<br />

vertrat, ermittelte, dass „Herr Schönfelder<br />

als e<strong>in</strong>er der Inhaber der offenen Handelsgesellschaft<br />

Auer & Co. […] <strong>die</strong> Zusammenkunft veranlasst“ hatte.<br />

Nach Ruscheweyhs Erkenntnissen hatten <strong>die</strong> bei Auer<br />

& Co sowie bei <strong>den</strong> Gewerkschaften von <strong>den</strong> neuen<br />

Machthabern als Kommissare e<strong>in</strong>gesetzten Nationalsozialisten<br />

Dr. Ha<strong>den</strong>feldt und Rudolf Habedank<br />

Besprechungen über <strong>die</strong> Herausgabe e<strong>in</strong>er Zeitung im<br />

Verlag Auer & Co geführt. Auch andere Regierungsstellen<br />

waren an <strong>den</strong> Verhandlungen beteiligt. Die<br />

Zusammenkunft wurde e<strong>in</strong>berufen, „um <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>er Verbreitung der etwa herauszugeben<strong>den</strong><br />

Zeitung zu prüfen“. 34<br />

Nach der Er<strong>in</strong>nerung von Rudolf Saalfeld wurde<br />

das Treffen von Adolph Schönfelder als e<strong>in</strong>em der<br />

Geschäftsführer des Verlags Auer & Co arrangiert, um<br />

über <strong>die</strong> illegale Weiterführung der <strong>SPD</strong> zu diskutieren.<br />

Unter <strong>dem</strong> Vorwand, Verhandlungen über <strong>die</strong> Zukunft<br />

des „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ führen zu wollen, sei <strong>die</strong> Versammlung<br />

genehmigt wor<strong>den</strong>. 35 Nach Staud<strong>in</strong>ger lud<br />

der Landesvorsitzende Karl Meitmann „zur allgeme<strong>in</strong>en<br />

Berichterstattung und ersten Besprechung e<strong>in</strong>es<br />

Entwurfes für <strong>die</strong> künftigen sozialistischen Aktionspläne“<br />

e<strong>in</strong>. 36 Nach Walter Schme<strong>dem</strong>ann handelte es sich<br />

um e<strong>in</strong>e Parteiausschusssitzung. 37 Rechtsanwalt Ruscheweyh<br />

vermied tunlichst <strong>die</strong> Bezeichnung Parteisit-


zung, sondern sprach von der „Echo-Zusammenkunft“<br />

und der „Zusammenkunft Fehlandtstraße“. 38 Obwohl<br />

Zweifel daran bestehen, dass Meitmann e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong><br />

hatte, wobei mit Sicherheit nicht <strong>die</strong> von Staud<strong>in</strong>ger<br />

genannten Beratungsthemen angeführt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d,<br />

kommt <strong>die</strong> Bezeichnung „Parteivorstands- und <strong>–</strong>ausschusssitzung“,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Literatur E<strong>in</strong>gang gefun<strong>den</strong><br />

hat, sowohl h<strong>in</strong>sichtlich des Teilnehmerkreises als<br />

auch der <strong>in</strong>haltlichen Ausrichtung <strong>dem</strong> eigentlichen<br />

Charakter der Zusammenkunft am nächsten. 39 Da <strong>die</strong><br />

Zusammenkunft im Redaktionsgebäude des „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo“ stattfand, wurde sie später auch schlicht<br />

„Echo“-Versammlung genannt. 40<br />

Nach bisherigen Erkenntnissen sche<strong>in</strong>t der Teilnehmerkreis<br />

nicht alle<strong>in</strong> auf <strong>die</strong> Parteivorstands- und<br />

<strong>–</strong>ausschussmitglieder beschränkt gewesen zu se<strong>in</strong>. 41 So<br />

nahmen neben <strong>den</strong> Mitgliedern des Landesvorstands<br />

und <strong>den</strong> Distriktsvorsitzen<strong>den</strong> zahlreiche Bürgerschaftsabgeordnete,<br />

Parteiangestellte, Mitarbeiter des<br />

„Echo“ und <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> Reichstagsabgeordneten teil.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs zahlreiche Doppelfunktionen zu<br />

berücksichtigen. Elf der anwesen<strong>den</strong> Bürgerschaftsabgeordneten<br />

waren zugleich Mitglied im Landesvorstand<br />

oder Vorsitzende e<strong>in</strong>es Distrikts und gehörten<br />

damit offiziell <strong>dem</strong> Parteiausschuss an. Unter Berücksichtigung<br />

von Doppelfunktionen könnten nach e<strong>in</strong>er<br />

vorsichtigen Schätzung bis zu 60 Personen e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong><br />

gewesen se<strong>in</strong>. Nach Dahrendorfs Er<strong>in</strong>nerung kamen<br />

etwa 30 bis 40 führende Vertreter der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong><br />

zusammen. Die Beratungen dauerten am 15. Juni bis<br />

Mitternacht, so dass beschlossen wurde, <strong>die</strong> Veranstaltung<br />

an nächsten Tag fortzusetzen. Dahrendorf<br />

und andere g<strong>in</strong>gen dabei davon aus, dass e<strong>in</strong>e Fortsetzung<br />

durch Kaufmanns Genehmigung abgedeckt sei.<br />

Nach<strong>dem</strong> sich der vermutlich <strong>in</strong> etwa gleiche Kreis<br />

am 16. Juni erneut <strong>in</strong> der Fehlandtstraße versammelt<br />

hatte, drang um 22.30 Uhr <strong>die</strong> Polizei <strong>in</strong> <strong>den</strong> Versammlungsraum<br />

e<strong>in</strong> und verhaftete <strong>die</strong> Anwesen<strong>den</strong>. Die<br />

Ordnungskräfte wur<strong>den</strong> vom Kommando zur besonderen<br />

Verwendung (KzbV) unterstützt, e<strong>in</strong>er für ihre<br />

brutalen Übergriffe berüchtigte Truppe der von <strong>den</strong><br />

Nationalsozialisten zur Durchsetzung der Diktatur<br />

e<strong>in</strong>richteten Hilfspolizei, <strong>die</strong> sich aus SA-, SS- und<br />

Stahlhelm-Männern rekrutierte. Nach Polizeiangaben<br />

wur<strong>den</strong> 30 Personen angetroffen. 42 Übere<strong>in</strong>stimmende<br />

Der NS-Terror 13<br />

Berichte von Gustav Dahrendorf und Rudolf Saalfeld<br />

bestätigen, dass es Alfred Mette gelang, sich der<br />

Verhaftung zu entziehen, und Walter Schme<strong>dem</strong>ann<br />

hatte nach eigenen Angaben <strong>die</strong> Veranstaltung e<strong>in</strong>e<br />

halbe Stunde vor <strong>dem</strong> Polizeie<strong>in</strong>satz verlassen, um an<br />

e<strong>in</strong>er Aktion teilzunehmen, <strong>die</strong> im Zusammenhang<br />

mit <strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>-Besuch von Goebbels stand, so dass<br />

unter Berücksichtigung der offiziellen Angaben von<br />

32 Teilnehmern ausgegangen wer<strong>den</strong> kann. 43<br />

Tatsächlich waren deutlich mehr Personen anwesend.<br />

Bis zum Ersche<strong>in</strong>en <strong>die</strong>ser Publikation wur<strong>den</strong><br />

36 Teilnehmer sicher i<strong>den</strong>tifiziert.Weder meldete der<br />

Polizeisenator e<strong>in</strong>e vollständige Liste der Teilnehmer,<br />

noch konnten sich <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> erst Jahrzehnte später<br />

ihre Er<strong>in</strong>nerungen an das Ereignis niederschrieben,<br />

an e<strong>in</strong>e größere Anzahl von Namen er<strong>in</strong>nern. Auch <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Polizei- und Gefängnisakten ist nach bisherigen<br />

Erkenntnissen ke<strong>in</strong>e Teilnehmerliste überliefert. Die<br />

Akten von Rechtsanwalt Ruscheweyh, der <strong>die</strong> verhafteten<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten vertrat, wur<strong>den</strong> im Bombenhagel<br />

vernichtet.


14<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

<strong>die</strong> teilnehmer<br />

Der Polizeisenator nannte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht an <strong>den</strong><br />

Reichs<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister mit <strong>den</strong> Reichtagstagsabgeordneten<br />

Hans Staud<strong>in</strong>ger und Gustav Dahrendorf sowie<br />

<strong>den</strong> Bürgerschaftsmitgliedern Adolph Schönfelder,<br />

Karl Meitmann, Hans Podeyn, Willy Schme<strong>dem</strong>ann,<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth und Grete Zabe <strong>die</strong> aus polizeilicher<br />

Sicht vermutlich wichtigsten Teilnehmer. 44<br />

Tatsächlich handelte es sich bei <strong>den</strong> Genannten um<br />

<strong>die</strong> Führungsspitze der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>. Mit Schönfelder<br />

und Eisenbarth waren zwei frühere Senatoren<br />

anwesend, Meitmann war zugleich <strong>SPD</strong>-Landesvorsitzender<br />

und Podeyn Fraktionsvorsitzender. Gustav<br />

Dahrendorf war nicht nur Reichstagsabgeordneter,<br />

sondern auch Mitglied der Bürgerschaft, Mitglied des<br />

Landesvorstands und Redakteur beim „Echo“. Die Liste<br />

der Bürgerschaftsmitglieder war unvollständig. Auch<br />

<strong>die</strong> Abgeordneten Paula Karp<strong>in</strong>ski, Karl Ullrich und<br />

Louis Sellmer sowie Walter Schme<strong>dem</strong>ann, der <strong>die</strong><br />

Sitzung vorzeitig verlassen hatte und der unentdeckt<br />

gebliebene Alfred Mette gehörten der Bürgerschaft<br />

an. Karl Ullrich zählte wie Adolf Keilhack und Irma<br />

Schweder (spätere Keilhack) zu <strong>den</strong> anwesen<strong>den</strong> Parteiangestellten.<br />

Mehrere Bürgerschaftsabgeordnete<br />

waren zugleich Distriktsvorsitzende, so führte Louis<br />

Sellmer <strong>den</strong> Distrikt St. Pauli-Süd, Bernhard Brügmann<br />

<strong>den</strong> Distrikt Barmbek- Nord, Otto Schumann<br />

<strong>den</strong> Distrikt Neustadt, Walter Schme<strong>dem</strong>ann <strong>den</strong><br />

Distrikt Eilbek und se<strong>in</strong> Bruder Willi <strong>den</strong> Distrikt<br />

Barmbek-Süd. Brügmann und Schumann stehen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Liste von <strong>in</strong>sgesamt neun Personen, <strong>die</strong> nach<br />

Feststellung der Bürgerschaftskanzlei vom 6. Juli nach<br />

<strong>dem</strong> Verbot der <strong>SPD</strong> und der Aberkennung der sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Bürgerschaftsmandate trotz e<strong>in</strong>es<br />

Rundschreibens ihre Abgeordnetenfahrkarten und<br />

Schlüssel zum Aktenmappenschrank noch nicht ab-<br />

gegeben hatten. 45 Die anderen sieben Abgeordneten<br />

gehörten ebenfalls zu <strong>den</strong> Teilnehmern der „Echo“-<br />

Versammlung, <strong>die</strong> aufgrund ihrer Verhaftung <strong>die</strong>ser<br />

<strong>Auf</strong>forderung nicht nachkommen konnten.<br />

Der gleiche Grund kann für Brügmann und Schumann<br />

angenommen wer<strong>den</strong>, <strong>die</strong> zu<strong>dem</strong> als Vorsitzende<br />

der Distrikte Barmbek-Nord und Neustadt zu <strong>den</strong><br />

Parteiausschussmitgliedern zählten. Brügmann befand<br />

sich nachweislich 1933 vier Wochen <strong>in</strong> Schutzhaft. 46<br />

Von <strong>den</strong> 13 Landesvorstandsmitgliedern waren Wilhelm<br />

Bock 47 , August Brunhöver, Gustav Dahrendorf,<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth, Hedwig Günther, Paula Karp<strong>in</strong>ski,<br />

Karl Meitmann, Hans Podeyn, Adolph Schönfelder und<br />

Grete Zabe anwesend. Darüber h<strong>in</strong>aus nahmen teil <strong>die</strong><br />

Distriktsvorsitzen<strong>den</strong>: Willi Schüler von Hamm-Horn-<br />

Borgfelde, Jonni Schacht von Farmsen-Berne, Robert<br />

F<strong>in</strong>nern von Eppendorf-W<strong>in</strong>terhude, Hans Westphal<br />

von Groß-Borstel, Paul Thormann von Langenhorn,<br />

Willy Tessnow von St. Georg-Nord, Theodor Selbach<br />

von Hohenfelde und Friedrich Born von Harvestehude-Hoheluft.<br />

Emil Göthel stellte als Vertreter von<br />

Walter Schme<strong>dem</strong>ann <strong>die</strong> Präsenz des Distrikts Eilbek<br />

sicher. Aus Barmbek-Süd war neben <strong>dem</strong> Distriktsvorsitzen<strong>den</strong><br />

mit Kurt Berkmann e<strong>in</strong> Funktionär aus<br />

<strong>dem</strong> Kreis der <strong>in</strong>sgesamt 35 Bezirksführer anwesend,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Wohnbezirke des Distrikts repräsentierten.<br />

Georg Raloff, der als Funktionär <strong>in</strong> Eimsbüttel tätig<br />

war, aber auch als kaufmännischer Angestellter beim<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“ arbeitete, nahm als Vertreter des<br />

Eimsbütteler Distriktsvorsitzen<strong>den</strong> Karl Büscher teil.<br />

Außer<strong>dem</strong> gehörten zu <strong>den</strong> Verhafteten Rudolf Saalfeld,<br />

der <strong>dem</strong> Distriktsvorstand auf der Veddel angehörte,<br />

und der „Echo“-Redakteur He<strong>in</strong>rich Braune. 48 Franz<br />

Baumann wohnte <strong>in</strong> Barmbek-Nord und nahm auf Veranlassung<br />

se<strong>in</strong>es Schwagers, Wilhelm Schme<strong>dem</strong>ann,


an der Zusammenkunft teil. Er wurde am 16. Juni<br />

verhaftet und nach eigenen Angaben am 28. Juli 1933<br />

entlassen. Als Funktion gab er Distriktsvorsitzender<br />

an. 49 Über e<strong>in</strong>en von Friedrich Born genannten<br />

Teilnehmer namens Hartwig konnten bisher ke<strong>in</strong>e<br />

näheren Angaben ermittelt wer<strong>den</strong>. 50 Geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong><br />

dürfte der ebenfalls verhaftete Paul Hartle<strong>in</strong>, der als<br />

Pförtner <strong>in</strong> der Parteizentrale tätig war und zugleich<br />

als Vorsitzender des Distrikts Altstadt fungierte. 51<br />

Zu <strong>den</strong> Anwesen<strong>den</strong> gehörte auch Otto Burrmeister,<br />

über dessen Parteifunktion ke<strong>in</strong>e Angaben vorliegen.<br />

Bei <strong>den</strong> Teilnehmern aus <strong>den</strong> Distrikten handelte<br />

es sich vor allem um Vertreter der größeren Parteiorganisationen.<br />

Von <strong>den</strong> 20 mitgliederstärksten Distrikten<br />

der <strong>in</strong>sgesamt 34 <strong>Hamburg</strong>er Parteigliederungen<br />

waren 13Vorsitzende anwesend. Sie repräsentierten 55<br />

Prozent der Mitglieder. Mit Rudolf Saalfeld und Georg<br />

Raloff als Distriktsvertreter waren etwa 68 Prozent<br />

der Mitglieder vertreten. 52 Vermutlich gewährleisteten<br />

darüber h<strong>in</strong>aus auch noch andere Teilnehmer<br />

<strong>die</strong> Rückkoppelung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Distrikte. Es kann somit<br />

davon ausgegangen wer<strong>den</strong>, dass bis zum 16. Juni 1933<br />

<strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> noch über e<strong>in</strong>e funktionierende<br />

Parteiorganisation verfügte, <strong>die</strong> es der Parteiführung<br />

erlaubte, e<strong>in</strong>en Großteil der Funktionäre auf <strong>dem</strong><br />

Laufen<strong>den</strong> zu halten.<br />

<strong>die</strong> diskussion<br />

Die Diskussion 15<br />

Die Diskussion über <strong>die</strong> Zukunft des „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo“, der offizielle Anlass der Zusammenkunft, war<br />

offensichtlich kurz und verlief vermutlich ohne Kontroverse<br />

auf der von Dahrendorf vorgegebenen L<strong>in</strong>ie.<br />

Je<strong>den</strong>falls spielt <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em der Teilnehmerberichte <strong>die</strong><br />

Parteizeitung e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle, noch sche<strong>in</strong>t es<br />

abweichende Me<strong>in</strong>ungen zur ablehnen<strong>den</strong> Haltung<br />

gegenüber <strong>dem</strong> Angebot von Kaufmann gegeben zu<br />

haben. Alle Berichterstatter konzentrierten sich vor<br />

allem auf <strong>den</strong> 16. Juni 1933.<br />

Nach Angaben von Rudolf Saalfeld leitete Adolph<br />

Schönfelder als e<strong>in</strong>er der Geschäftsführer des Verlags<br />

Auer & Co <strong>die</strong> Versammlung. 53 Schönfelder selbst er<strong>in</strong>nerte<br />

sich, dass zunächst über das „<strong>Hamburg</strong>er Echo“<br />

gesprochen wurde, es dann aber um <strong>die</strong> Entwicklung<br />

politischer Perspektiven g<strong>in</strong>g. 54 Für <strong>die</strong> Diskussion<br />

hatte der Landesvorsitzende Karl Meitmann e<strong>in</strong>e<br />

vierseitige „Situations-Analyse“ über <strong>die</strong> politischen<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> Deutschland angefertigt. Der Inhalt<br />

dürfte im Wesentlichen von <strong>dem</strong> Nationalökonomen<br />

Prof. Dr. Paul Hermberg bestimmt wor<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. Hermberg<br />

leitete <strong>in</strong> <strong>den</strong> 1920er Jahren E<strong>in</strong>richtungen der<br />

Erwachsenenbildung und engagierte sich <strong>in</strong> der Arbeiterbildung.<br />

Seit 1929 war er Professor für Statistik an<br />

der Universität Leipzig. Mit Meitmann war Hermberg<br />

vermutlich seit se<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>nzeit <strong>in</strong> Kiel befreundet.<br />

Das Papier hatte Meitmann nach eigenen Angaben mit<br />

Hermberg <strong>in</strong> dessen Wohnung <strong>in</strong> Jena verfasst und<br />

e<strong>in</strong>en Tag später auf der Schreibmasch<strong>in</strong>e der Ehefrau<br />

von Hans Staud<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> niedergeschrieben. Die<br />

Schreibarbeit wurde <strong>in</strong> der Wohnung von Professor<br />

Lederer durchgeführt, wo sich das Ehepaar, das wegen<br />

der jüdischen Abstammung von Frau Staud<strong>in</strong>ger Übergriffe<br />

befürchtete, verborgen hielt. 55 Hier besprachen


16<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

Karl Meitmann und Hans Staud<strong>in</strong>ger, der das Papier<br />

als „Entwurf e<strong>in</strong>es neuen sozial<strong>dem</strong>okratischen Aktionsprogramms“<br />

bezeichnete, noch e<strong>in</strong>mal <strong>den</strong> Inhalt,<br />

bevor es <strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okraten vorgestellt<br />

wurde. 56 Die Staatspolizei <strong>–</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er Gestapo <strong>–</strong><br />

stellte Flugblätter sicher, „<strong>die</strong> sich mit der politischen<br />

Lage Deutschlands, wie <strong>die</strong> Führer der S.P.D. sie heute<br />

sehen und mit <strong>den</strong> daraus zu ziehen<strong>den</strong> Folgerungen“<br />

befassten. 57 Meitmann hatte 40 bis 50 Exemplare im<br />

Hektografierverfahren hergestellt.<br />

Nähere Angaben über <strong>den</strong> Inhalt des Papiers liegen<br />

nicht vor. Doch sche<strong>in</strong>t es nicht auf der L<strong>in</strong>ie der<br />

Berl<strong>in</strong>er Vorstandsmitglieder gelegen zu haben, <strong>den</strong>n<br />

nach Aussage von Meitmann hatte „ke<strong>in</strong> Mitglied des<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> verbliebenen Teiles des Gesamt-Vorstandes<br />

[...] jemals me<strong>in</strong>e Denkschrift gesehen, etwas von ihr<br />

erfahren, oder gar, weder <strong>in</strong>direkt noch direkt an ihrer<br />

Entstehung mitgewirkt.“ 58 Nach der Er<strong>in</strong>nerung von<br />

mehreren Anwesen<strong>den</strong> stellte sich Meitmann e<strong>in</strong>deutig<br />

h<strong>in</strong>ter <strong>die</strong> Forderung der jüngeren Funktionäre,<br />

<strong>die</strong> Parteiarbeit auf <strong>die</strong> Illegalität umzustellen. 59 Die<br />

<strong>Hamburg</strong>er Gestapo hielt h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e Urheberschaft<br />

der Berl<strong>in</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okraten für möglich<br />

und konnte sich sogar Paul Löbe als Autor vorstellen.<br />

Je<strong>den</strong>falls wurde der Inhalt für so brisant gehalten,<br />

dass <strong>die</strong> Gestapo Staud<strong>in</strong>gers Aussage, für das Flugblatt<br />

verantwortlich zu se<strong>in</strong>, als unglaubwürdig e<strong>in</strong>stufte.<br />

Vielmehr wurde dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf Befürchtungen<br />

gesehen, dass „Maßnahmen gegen <strong>die</strong> Gesamtpartei<br />

ergriffen wer<strong>den</strong> wür<strong>den</strong>, wenn <strong>die</strong> Herstellung <strong>die</strong>ser<br />

Flugblätter der Reichsleitung der Partei nachgewiesen<br />

wird“. Somit dürften Meitmanns Analyse und <strong>die</strong> daraus<br />

zu ziehen<strong>den</strong> Konsequenzen jenseits der Berl<strong>in</strong>er<br />

Legalitätspolitik gelegen haben. In der „e<strong>in</strong>gehen<strong>den</strong><br />

Debatte“ g<strong>in</strong>g es je<strong>den</strong>falls nicht um <strong>den</strong> Kurs der<br />

Berl<strong>in</strong>er Führung, sondern um das Für und Wider zur<br />

Haltung und zum Vorgehen des Prager Exilvorstands.<br />

Das entnahm je<strong>den</strong>falls <strong>die</strong> Gestapo <strong>den</strong> Notizen, <strong>die</strong><br />

bei <strong>den</strong> Versammlungsteilnehmern gefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong><br />

waren. 60 Auch Rudolf Saalfeld betont, dass „über <strong>die</strong><br />

illegale Weiterführung der <strong>SPD</strong> debattiert“ wurde, über<br />

<strong>die</strong> es „langwierige und gegensätzliche Ause<strong>in</strong>andersetzungen“<br />

gab, „<strong>die</strong> <strong>die</strong> Debatte <strong>in</strong> <strong>die</strong> Länge zogen.“ 61<br />

Zu welchen Ergebnissen <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>-Führung<br />

kam und ob <strong>die</strong> Diskussion vor der <strong>Auf</strong>lösung der<br />

Versammlung überhaupt schon beendet war, ist nicht<br />

bekannt. Nach der Er<strong>in</strong>nerung von Rudolf Saalfeld<br />

wurde <strong>die</strong> Diskussion beendet und anschließend e<strong>in</strong><br />

neuer Parteivorstand gewählt, <strong>dem</strong> er nach se<strong>in</strong>en<br />

eigenen Angaben angehörte. 62 E<strong>in</strong>e Bestätigung der<br />

Vorstandswahlen konnte bisher nicht gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.


<strong>die</strong> Verhaftung<br />

Gegen 22.30 verschafften sich Polizei und Hilfspolizei<br />

Zutritt zum Gebäude und verhafteten <strong>die</strong><br />

Anwesen<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>er Mitteilung des KzbV zu Folge<br />

wurde nach e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e geheime Versammlung<br />

das „Echo“-Gebäude überprüft. Nach<strong>dem</strong><br />

der Pförtner erklärt hatte, dass sich ke<strong>in</strong>e Personen<br />

im Gebäude befän<strong>den</strong>, drang <strong>die</strong> Polizeitruppe mit<br />

e<strong>in</strong>er Leiter über e<strong>in</strong>en Luftschacht durch e<strong>in</strong> Fenster<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Versammlungsraum e<strong>in</strong>. Die gleichgeschaltete<br />

<strong>Hamburg</strong>er Presse druckte <strong>den</strong> Bericht im Wortlaut<br />

ab. Nur <strong>die</strong> Überschriften variierten von „<strong>Hamburg</strong>s<br />

<strong>SPD</strong>-Führerschaft während e<strong>in</strong>er Geheimsitzung verhaftet“<br />

bis „30 <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>-Führer verhaftet“. 63 In<br />

<strong>Auf</strong>zeichnungen, <strong>die</strong> nach <strong>den</strong> Angaben von Gustav<br />

Dahrendorf gemacht wur<strong>den</strong>, heißt es dazu: „Durch<br />

<strong>die</strong> Fenster kamen etwa 6 SA-Leute mit gezücktem<br />

Revolver, <strong>die</strong> ‚Hände hoch!‘ riefen. Dr. Mette gelang<br />

es als e<strong>in</strong>zigem, aus der Versammlung zu entkommen;<br />

<strong>die</strong> anderen wur<strong>den</strong> zum Quartier des Kommandos<br />

z.b.V. <strong>in</strong> <strong>den</strong> Großen Bleichen gebracht. Zu <strong>die</strong>ser<br />

Zeit gab es noch ke<strong>in</strong> System der Quälerei von Gefangenen,<br />

und <strong>die</strong> Nazis schöpften aus ihrer eigenen,<br />

noch dürftigen und mehr k<strong>in</strong>dischen als sadistischen<br />

Fantasie. D[ahrendorf]. mußte e<strong>in</strong>en ‘Weihnachtsbaum‘<br />

aus schwarzrotgol<strong>den</strong>en Bändern anfertigen<br />

sowie e<strong>in</strong>en Artikel aus <strong>dem</strong> ‚<strong>Hamburg</strong>er Anzeiger‘<br />

über Hitler vorlesen, wobei man ihm <strong>die</strong> richtige Betonung<br />

beizubr<strong>in</strong>gen versuchte. Im Laufe der Nacht<br />

erschien Kaufmann mit se<strong>in</strong>em Stab, darunter Richter,<br />

Stanik, Grahl. [...] Kaufmann vernahm D[ahrendorf].<br />

und behauptete, man hätte am Versammlungsort das<br />

Exemplar e<strong>in</strong>er vervielfältigten Denkschrift gefun<strong>den</strong>.<br />

Dahrendorfs H<strong>in</strong>weis auf <strong>die</strong> Genehmigung der<br />

Versammlung blieb ohne je<strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck auf Kaufmann.<br />

In der Nacht wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ige der Gefangenen<br />

Die Verhaftung 17<br />

mißhandelt, darunter Schönfelder und Meitmann. Die<br />

Gefangenen wur<strong>den</strong> dann <strong>in</strong> das Strafjustizgebäude<br />

gebracht, von wo Dahrendorf und Meitmann nach<br />

Fuhlsbüttel kamen.“ 64<br />

Rudolf Saalfeld berichtete: „[...] plötzlich meldete<br />

uns der Hauswart, daß SA-Leute <strong>in</strong> das Gebäude e<strong>in</strong>drangen.<br />

Auch <strong>die</strong> großen Fensterscheiben splitterten<br />

und klirrten, <strong>den</strong>n auch von dort drangen über Dächer<br />

uniformierte und bewaffnete SA-Leute <strong>in</strong> <strong>den</strong> Saal.<br />

[...] Wir wur<strong>den</strong> sofort zusammengetrieben und unter<br />

Stoßen und Schubsen am Körper durchsucht. Jeder<br />

Protest wurde gewaltsam unterdrückt. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

hatten sie verdächtige Papiere gefun<strong>den</strong>. Denn darauf<br />

gründete sich unsere anschließende Verhaftung. Unter<br />

rauhbe<strong>in</strong>iger Behandlung wur<strong>den</strong> wir <strong>in</strong> Bussen <strong>in</strong>s<br />

Polizeipräsidium (Stadthaus) gebracht und dort <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Kellerräume getrieben. Dort mußten wir <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Gängen mit <strong>dem</strong> Gesicht zur Wand viele Stun<strong>den</strong><br />

stehen. Wir durften weder re<strong>den</strong> oder auch nur uns<br />

berühren, sofort setzte es Knüffe und Schläge und üble<br />

Beschimpfungen. Dann wur<strong>den</strong> wir e<strong>in</strong>er nach <strong>dem</strong><br />

anderen vernommen. Dabei erg<strong>in</strong>g es unserem Adolf<br />

Schönfelder am schlechtesten, ich hörte ihn mehrmals<br />

schreien. [...] Im Keller des Stadthauses stan<strong>den</strong> Georg<br />

Raloff und ich zusammen. Wir empörten uns gegen <strong>die</strong><br />

groben Mißhandlungen, <strong>die</strong> besonders Adolf Schönfelder<br />

betrafen. Aber wir wur<strong>den</strong> gewaltsam zur Ruhe<br />

gebracht. [...] Es kamen wohl sämtliche Nazigrößen,<br />

um uns e<strong>in</strong>zeln zu mustern. Gegen Mitternacht kamen<br />

der Gauleiter Kaufmann und der Arbeitsfrontleiter<br />

Habedank, um uns zu sehen. Danach wur<strong>den</strong> wir <strong>in</strong><br />

das Untersuchungsgefängnis gebracht und dort e<strong>in</strong>zeln<br />

<strong>in</strong> Zellen verteilt. Auch beim Spaziergang im Gefängnishof<br />

wur<strong>den</strong> wir von Mar<strong>in</strong>e-SA streng bewacht und<br />

weit ause<strong>in</strong>andergehalten.“ 65


18<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

Irma Schweder (spätere Keilhack) beschrieb <strong>die</strong><br />

Verhaftung so: „Trotz Schließung unseres <strong>Hamburg</strong>er<br />

Parteibüros versuchten wir danach, noch e<strong>in</strong>mal alle<br />

Spitzenfunktionäre im Konferenzsaal der Theaterstraße<br />

zusammenzubr<strong>in</strong>gen, um <strong>die</strong> Maßnahmen zu<br />

verabre<strong>den</strong>, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Tarnung und illegale Weiterarbeit<br />

notwendig wur<strong>den</strong>. Für <strong>den</strong> Fall, daß uns <strong>die</strong><br />

SA ‚besuchen‘ sollte, verabredeten wir, daß wir über<br />

<strong>die</strong> Bed<strong>in</strong>gungen gesprochen haben, über <strong>die</strong> man<br />

Verhandlungen zum Weiterersche<strong>in</strong>en des ‚<strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo‘ aufnahmen könne. Das war aus späterer<br />

Sicht natürlich absolut naiv von uns. Mitten <strong>in</strong> unsere<br />

Diskussion <strong>in</strong> später Abendstunde stürmte dann auch<br />

bewaffnete SA <strong>in</strong> unsere Versammlung, bedrohte und<br />

schlug uns und karrte uns mit Polizeiwagen <strong>in</strong> das<br />

‚Kommando zur besonderen Verwendung‘ das <strong>die</strong><br />

SA <strong>in</strong> <strong>den</strong> Großen Bleichen unterhielt. Dort verhörte<br />

und traktierte man uns <strong>die</strong> ganze Nacht. Ich hatte<br />

Adressenmaterial von Vertrauensleuten bei mir. Ich<br />

kann mich ents<strong>in</strong>nen, daß wir es <strong>–</strong> weil wir es anders<br />

nicht verstecken konnten <strong>–</strong> aufaßen, um weitere<br />

Verhaftungen zu verh<strong>in</strong>dern. Am anderen Vormittag<br />

landeten wir im <strong>Hamburg</strong>er Untersuchungsgefängnis<br />

und waren je<strong>den</strong>falls aus <strong>den</strong> Fängen der SA. Nach<br />

ständigen Verhören entließ man dann uns Frauen nach<br />

etwa e<strong>in</strong>er Woche und <strong>die</strong> Männer nach 6 Wochen<br />

mit der allseitigen Androhung e<strong>in</strong>es Hochverratsprozesses<br />

und verordnete Polizeiaufsicht für längere<br />

oder kürzere Zeit.“ 66<br />

Paula Karp<strong>in</strong>ski: „1933 hatten <strong>die</strong> Nazis <strong>den</strong> Vorstand<br />

der <strong>SPD</strong> aufgefordert, wir sollten uns mal überlegen,<br />

- damals hatten wir das <strong>Hamburg</strong>er Echo <strong>–</strong> wie<br />

das <strong>Hamburg</strong>er Echo <strong>in</strong> Zukunft ersche<strong>in</strong>en sollte. Das<br />

war nur e<strong>in</strong> Trick. Da ist der Parteivorstand der <strong>SPD</strong><br />

zusammengetreten. Während der Sitzung erschienen<br />

<strong>die</strong> Nazis auf e<strong>in</strong>mal. ‚Hände hoch!‘ Wir s<strong>in</strong>d dann<br />

alle <strong>in</strong> das berüchtigte ‚Kommando zur besonderen<br />

Verwendung‘ <strong>in</strong> <strong>die</strong> Großen Bleichen gebracht wor<strong>den</strong>.<br />

Der ganze Parteivorstand (über 20 Leute) ist verhaftet<br />

wor<strong>den</strong>. Wir s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Nacht über dort geblieben, und<br />

e<strong>in</strong>zelne von uns wur<strong>den</strong> herausgeholt und mißhandelt.<br />

Von dort s<strong>in</strong>d wir dann <strong>in</strong>s Untersuchungsgefängnis<br />

gekommen. Die Frauen s<strong>in</strong>d 5 Tage, <strong>die</strong> Männer e<strong>in</strong>ige<br />

Wochen e<strong>in</strong>gesperrt gewesen. Uns war ja nichts nach-<br />

zuweisen. Die Nazis haben allerd<strong>in</strong>gs durchs Radio<br />

gegeben, daß wir e<strong>in</strong>e konspirative Sitzung abgehalten<br />

hätten, um gegen <strong>die</strong> Nazis aufzutreten.“ 67<br />

Hans Staud<strong>in</strong>ger schrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Lebenser<strong>in</strong>nerungen:<br />

„Die meisten lasen schon <strong>den</strong> hektographierten<br />

Entwurf des neuen sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Aktionsprogramms. Inmitten <strong>die</strong>ser Ruhe klirrten<br />

plötzlich <strong>die</strong> Scheiben. Durch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>geschlagenen<br />

Fenster sprangen <strong>in</strong> <strong>den</strong> im zweiten Geschoß gelegenen<br />

Versammlungsraum zwei SS-Leute mit gezückten<br />

Revolvern. [...] Wir mußten mit erhobenen Hän<strong>den</strong> an<br />

<strong>den</strong> Wän<strong>den</strong> stehen und wur<strong>den</strong> zuerst nach Schuß-,<br />

Hieb und Stichwaffen untersucht. Wir hatten ke<strong>in</strong>e. Die<br />

Nazis lachten uns aus. Dann wur<strong>den</strong> unsere Taschen<br />

ausgeleert, unsere Namen und Adressen vermerkt.<br />

Ich gab an ‚Vier Jahreszeiten‘, was wiederum mit Gelächter<br />

vermerkt wurde. Müde vom Stehen wur<strong>den</strong><br />

wir <strong>in</strong> Tischgruppen und auf verschie<strong>den</strong>e Räume<br />

verteilt. Schönfelder und ich saßen im Vorraum der<br />

Damentoilette an <strong>den</strong> Spiegeln. E<strong>in</strong> SS-Führer betonte,<br />

nun beg<strong>in</strong>ne unsere Erziehung, um uns <strong>in</strong> Zukunft<br />

<strong>die</strong> Neigung zu solch verräterischen Verschwörungen<br />

gegen <strong>den</strong> Staat und <strong>die</strong> neue Ordnung auszutreiben.<br />

Die Nazis schlugen Schönfelder mit vierkantigen<br />

Schlagstöcken e<strong>in</strong>en Polizeihelm, <strong>den</strong> sie mitgebracht<br />

hatten, über <strong>die</strong> Ohren, daß er aufstöhnte. Mich selbst<br />

schlugen sie auf <strong>den</strong> H<strong>in</strong>terkopf und das Genick, bis ich<br />

völlig blutüberströmt war. [...] Zurückgekehrt, wurde<br />

ich im Versammlungsraum hoch auf e<strong>in</strong>en Stuhl, der<br />

auf e<strong>in</strong>em Tisch stand, gesetzt und mit <strong>den</strong> Ehrenwimpeln<br />

der Partei umhängt, <strong>die</strong> sie aus <strong>den</strong> Vitr<strong>in</strong>en<br />

geholt hatten. E<strong>in</strong>ige Genossen hatten Parteifahnen<br />

zu halten. Ich sollte <strong>die</strong> anderen anlernen, ‚Heil Hitler‘<br />

zu rufen. Als ich me<strong>in</strong>e Hand nicht erhob, schlugen<br />

sie mir auf das Armgelenk, so daß ich <strong>den</strong> rechten<br />

Arm nicht mehr bewegen konnte. Ich brachte gerade<br />

noch heraus, daß <strong>die</strong> Arbeiterbewegung durch <strong>die</strong>se<br />

Grausamkeit zum äußersten Widerstand getrieben<br />

werde. Daraufh<strong>in</strong> kippten <strong>die</strong> Nazis <strong>den</strong> Tisch um,<br />

ich fiel auf me<strong>in</strong>e Füße und sie befreiten mich von<br />

<strong>den</strong> Ehrenzeichen der Partei. [...] Sie jagten e<strong>in</strong>ige<br />

Genossen durch <strong>die</strong> Gänge und <strong>die</strong> Treppe h<strong>in</strong>unter,<br />

um ihnen e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> zu stellen. Stolperten sie, wur<strong>den</strong><br />

sie von <strong>den</strong> nachfolgen<strong>den</strong> SA-Männern überrannt.


[...] Ich wurde <strong>die</strong> Treppe h<strong>in</strong>untergestoßen, und als<br />

ich an der Türschwelle zurück <strong>in</strong> <strong>den</strong> Versammlungsraum<br />

über e<strong>in</strong> gestelltes Be<strong>in</strong> fiel, traten sie mir <strong>die</strong><br />

l<strong>in</strong>ke untere Rippe e<strong>in</strong>. Ich war physisch erledigt, und<br />

me<strong>in</strong>e Genossen setzten mich an <strong>die</strong> Wand. Doch ich<br />

hatte noch <strong>die</strong> Kraft e<strong>in</strong>en SS-Mann zu bitten, <strong>dem</strong><br />

Gauleiter Kaufmann, der mit <strong>den</strong> anderen Kommandoführern<br />

<strong>in</strong> Meitmanns Büro saß, mitzuteilen, daß<br />

ich e<strong>in</strong> wichtiges Geständnis zu machen hätte. [...] Ich<br />

machte dann e<strong>in</strong> Geständnis, daß ich alle<strong>in</strong> für das<br />

Aktionsprogramm verantwortlich sei.“ 68<br />

Adolph Schönfelder: „Unsere Zusammenkunft war<br />

vor <strong>den</strong> Nazis geheimgehalten wor<strong>den</strong>. Wir haben auch<br />

nicht <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> durch <strong>die</strong> Haustür <strong>in</strong> <strong>den</strong> Sitzungssaal<br />

genommen, sondern e<strong>in</strong>e Nebentür [...]. Da saßen<br />

wir nun und vere<strong>in</strong>barten schnell: ‚Sobald <strong>die</strong> Nazis<br />

kommen wird über das ‚Echo‘ gesprochen. Solange<br />

wir aber noch Zeit haben, machen wir Politik.‘ [...]<br />

Und sie kamen dann auch. Grete Zabel [richtig: Zabe<br />

(d.Verf.)] versuchte uns zu warnen. Sie kam[en] von<br />

draußen <strong>–</strong> erst über <strong>den</strong> Hof, dann durch das Fenster.<br />

Als <strong>die</strong> Häscher <strong>die</strong> Tür öffneten, redete Grete Zabel<br />

über ‚Echo‘-Angelegenheiten, und ich zog e<strong>in</strong>en Brief<br />

aus der Tasche, <strong>in</strong> <strong>dem</strong> auch von unserer Zeitung gesprochen<br />

wurde. [...] Dann s<strong>in</strong>d wir abgeführt wor<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Eckhaus Stadthausbrücke und Bleichen. E<strong>in</strong>er<br />

von <strong>den</strong>en, <strong>die</strong> mich mißhandelten, war e<strong>in</strong> früherer<br />

Kommunist, der zu <strong>den</strong> Nazis übergelaufen war. Ich<br />

weiß nicht mehr, wie oft ich geschlagen wor<strong>den</strong> b<strong>in</strong>.<br />

Während der Haft wur<strong>den</strong> wir von me<strong>in</strong>em Nachfolger<br />

Richter und von <strong>dem</strong> Gauleiter Kaufmann vernommen<br />

und auch der Senator v. Allwör<strong>den</strong> redete auf uns e<strong>in</strong>.“<br />

Nach se<strong>in</strong>en Er<strong>in</strong>nerungen wurde Schönfelder e<strong>in</strong>es<br />

Tages zu Polizeisenator Richter bestellt und dann vor<br />

<strong>den</strong> anderen sogleich aus der Haft entlassen. 69<br />

Paul Thormann schrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Entschädigungsantrag:<br />

„Nach me<strong>in</strong>er ersten Verhaftung durch <strong>die</strong><br />

Nazis im Mai [richtig: Juni] 1933 wurde ich zusammen<br />

mit <strong>den</strong> Teilnehmern der sog. ‚Echoversammlung‘ zum<br />

‚Kommando zur besonderen Verwendung‘ Stadthaus<br />

<strong>Hamburg</strong>, Nebene<strong>in</strong>gang Hohe Bleichen, gebracht. Ehe<br />

wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Raum alle beisammen waren,<br />

wur<strong>den</strong> wir <strong>in</strong> Gruppen durch Gänge gejagt, durch e<strong>in</strong><br />

Die Verhaftung 19<br />

Spalier von Nazis (teils Uniformträger, teils K.z.b.V.<br />

Angehörige [)]. Sie schlugen mit Knüppeln, Ruten<br />

auf uns e<strong>in</strong>. Danach wurde ich, wie andere Freunde,<br />

beim E<strong>in</strong>zelverhör mißhandelt. [...] Wir wur<strong>den</strong> dann<br />

alle ause<strong>in</strong>ander gebracht. Bis zu me<strong>in</strong>er Entlassung<br />

aus der ersten Haft habe ich me<strong>in</strong>e Freunde nur e<strong>in</strong>e<br />

Nacht wiedergesehen. Man hatte uns mit <strong>den</strong> Bremer<br />

Kommunisten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle gesperrt. Dazu der Vorsitzende<br />

des Deutschen freien Gewerkschaftsbundes,<br />

Ehrenteit. Man erhoffte sich wohl e<strong>in</strong>iges. Aber wir<br />

taten <strong>den</strong> Nazis <strong>den</strong> Gefallen nicht. Ich wurde <strong>in</strong> der<br />

anderen Zeit öfter vom Stadthaus nach <strong>den</strong> Hütten und<br />

UG herumgereicht. Und meistens mit <strong>dem</strong> übelsten<br />

Mob, <strong>den</strong> man aufgriff, <strong>den</strong> ganzen Tag und auch öfter<br />

nachts zusammengepfercht. E<strong>in</strong>mal brachte man<br />

mich mit unserem damaligen Reichstagsabgeordneten<br />

Dr. Staud<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en größeren Raum im Stadthaus.<br />

Die Fenster, welche zur Straße g<strong>in</strong>gen und bis zum Fußbo<strong>den</strong><br />

reichten, waren sämtlich weit geöffnet. Aber wir<br />

haben beide unsere Nerven behalten und <strong>den</strong> Tag mit<br />

Abschreiten des Raumes h<strong>in</strong>ter uns gebracht. E<strong>in</strong>mal<br />

während <strong>die</strong>ser ganzen ca. 7 Wochen konnte ich mich<br />

re<strong>in</strong>igen. Da konnten wir manchen zerschun<strong>den</strong>en<br />

Körper sehen. Man gab uns z.B. e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sammelzelle<br />

Salzher<strong>in</strong>ge und Pellkartoffeln. Ohne Messer,<br />

Gabel, Teller. Die D<strong>in</strong>ge wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>fach auf Tische<br />

geschüttet. Nach der Entlassung aus der ersten Haftzeit<br />

mußten ich mich immer bei me<strong>in</strong>er Polizeiwache<br />

mel<strong>den</strong>. Auch <strong>die</strong>ses wurde für mich schwer. Ich hatte<br />

immer <strong>den</strong> sog. Deutschen Gruß nicht befolgt beim<br />

Betreten e<strong>in</strong>es öffentlichen Gebäudes. Man zwang mich<br />

dazu. Sonst wäre ich wieder e<strong>in</strong>gesperrt wor<strong>den</strong>.“ 70<br />

In e<strong>in</strong>em ärztlichen Gutachten s<strong>in</strong>d weitere Details<br />

festgehalten. Danach berichtete Thormann, dass <strong>die</strong><br />

Nationalsozialisten, „<strong>die</strong> mit e<strong>in</strong>em Kommando mit<br />

Karab<strong>in</strong>ern erschienen, <strong>den</strong> Teilnehmern Handschellen<br />

anlegten und sie mit LKW’s zum Alten Stadthaus<br />

an <strong>den</strong> Hohen Bleichen brachten. Dort wur<strong>den</strong> sie,<br />

zusammen mit Frauen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Saal gesperrt, der mit<br />

schwarz-rot-gol<strong>den</strong>en Bändern behängt war. Vorher<br />

hatten <strong>die</strong> Festgenommenen <strong>–</strong> außer <strong>den</strong> Frauen <strong>–</strong><br />

4-5mal über 25 Meter Spießrutenlaufen müssen, wobei<br />

mit allen möglichen Instrumenten auf sie e<strong>in</strong>geschlagen<br />

wurde. Danach wur<strong>den</strong> sie von <strong>dem</strong> Reichsstatthalter<br />

Kaufmann besichtigt.“ 71


20<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

Schwere Mißhandlungen schilderten auch andere<br />

Teilnehmer. Georg Raloff wur<strong>den</strong> sechs Zähne ausgeschlagen.<br />

72 Adolf Keilhack und Karl Meitmann<br />

berichteten ebenfalls über Schläge mit Fäusten und<br />

Gummiknüppeln sowie Fußtritten. 73 Mit <strong>den</strong> brutalen<br />

Vernehmungen g<strong>in</strong>gen zahlreiche Hausdurchsuchungen<br />

e<strong>in</strong>her. Viele der Versammlungsteilnehmer nannten<br />

Hausdurchsuchungen als Teil der Verfolgungsmaßnahmen,<br />

ohne dass <strong>die</strong>se Aktionen mit konkreten<br />

Datumsangaben versehen wur<strong>den</strong>. Die Ehefrau von<br />

Robert F<strong>in</strong>nern bestätigte dagegen, dass <strong>die</strong> Gestapo<br />

im Zusammenhang mit der „Echo“-Versammlung<br />

zwei Hausdurchsuchungen durchführte. Dabei wurde<br />

auch e<strong>in</strong>e Schreibmasch<strong>in</strong>e beschlagnahmt. 74 Die<br />

Bürgerschaftsabgeordnete Else Schlüter, <strong>die</strong> später<br />

<strong>den</strong> ebenfalls verhafteten Kurt Berkmann heiratete,<br />

wurde am 17. Juni offensichtlich im Zusammenhang<br />

mit der „Echo“-Versammlung verhaftet. Sie musste<br />

Durchsuchungen <strong>in</strong> ihrer Wohnung und an ihrem<br />

Arbeitsplatz über sich ergehen lassen, kam aber nach<br />

e<strong>in</strong>er Vernehmung beim Kommando zur besonderen<br />

Verwendung wieder frei. 75<br />

Alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> vier Frauen, <strong>die</strong> an der Versammlung teilgenommen<br />

hatten, kamen glimpflich davon. Je<strong>den</strong>falls<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e körperlichen Übergriffe gegen sie bekannt.<br />

Ihnen blieb nach <strong>den</strong> Angaben von Paul Thormann<br />

auch das Spießrutenlaufen erspart. 76<br />

Die Augenzeugenberichte und <strong>die</strong> Angaben <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Wiedergutmachungsakten zu <strong>den</strong> Ereignissen im Zusammenhang<br />

mit der „Echo“-Versammlung wur<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em großen zeitlichen Abstand von etwa 20 Jahren<br />

und mehr gemacht. Dass <strong>die</strong> Berichte vone<strong>in</strong>ander<br />

abweichen, ist deshalb nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert<br />

ist dagegen, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Details<br />

übere<strong>in</strong>stimmend wiedergegeben wurde.<br />

E<strong>in</strong> Großteil der Versammlungsteilnehmer wurde<br />

zunächst <strong>in</strong> das Hauptquartier des Kommandos zur<br />

besonderen Verwendung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Großen Bleichen 23<br />

gebracht. Hier und <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kellerräumen des Stadthauses<br />

wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten schikaniert und<br />

misshandelt. Das rechtswidrige Vorgehen gegen <strong>die</strong><br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten wie <strong>die</strong> Körperverletzungen sowie<br />

<strong>die</strong> Missachtung der Immunität der Reichstags- und<br />

Bürgerschaftsabgeordneten fand mit Billigung der<br />

<strong>Hamburg</strong>er NSDAP-Führung statt. Dass Gauleiter<br />

Kaufmann und andere Führungskräfte persönlich<br />

erschienen und sich an <strong>den</strong> Verhören beteiligten, ist<br />

durch mehrere Aussagen belegt. Die Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

wur<strong>den</strong> im Stadthaus, im Untersuchungsgefängnis und<br />

im KZ Fuhlsbüttel <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft und <strong>in</strong> Sammelzellen<br />

gefangen gehalten.


<strong>die</strong> Verteidigung<br />

Über <strong>die</strong> H<strong>in</strong>tergründe der Verhaftungsaktion liegen<br />

ke<strong>in</strong>e Informationen vor. Weder s<strong>in</strong>d Motive der NS-<br />

Führung überliefert, noch konnten bisher behördliche<br />

Akten zu <strong>den</strong> Vorgängen ausf<strong>in</strong>dig gemacht wer<strong>den</strong>. Es<br />

kann nicht ausgeschlossen wer<strong>den</strong>, dass <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

durch Verrat über <strong>den</strong> wahren Gegenstand<br />

der Besprechung unterrichtet wur<strong>den</strong>. Vermutet wer<strong>den</strong><br />

kann auch, dass <strong>die</strong> NS-Führung <strong>die</strong> Gelegenheit<br />

nutzte, um <strong>die</strong> gesamte <strong>SPD</strong>-Führung festzusetzen;<br />

<strong>den</strong>n e<strong>in</strong>s hatte sich gezeigt: Die Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

ließen sich trotz aller Verbote und E<strong>in</strong>schränkungen<br />

nicht bezw<strong>in</strong>gen und <strong>die</strong> Versammlung selbst machte<br />

deutlich, dass <strong>in</strong> ganz <strong>Hamburg</strong> immer noch e<strong>in</strong>e<br />

Grundstruktur der Partei existierte.<br />

Offensichtlich glaubten <strong>die</strong> Nationalsozialisten,<br />

genügend Belastungsmaterial zusammentragen zu<br />

können, um erfolgreich e<strong>in</strong>e Anklage wegen Vorbereitung<br />

zum Hochverrat durchsetzen zu können. Das<br />

<strong>Hamburg</strong>er Tageblatt berichtete am 18. Juni unter <strong>dem</strong><br />

Titel “Die Geheimsitzung im ‚Echo‘-Gebäude“ über <strong>die</strong><br />

Verhaftung und sah <strong>in</strong> <strong>den</strong> vorgefun<strong>den</strong>en Schriftstücken<br />

e<strong>in</strong>en Beweis für „hoch- und landesverräterische<br />

Umtriebe“. 77 Die Ermittlungen konzentrierten sich auf<br />

<strong>die</strong> vierseitige „Situations-Analyse“ von Karl Meitmann<br />

und e<strong>in</strong>e vermutete Verb<strong>in</strong>dung zur Berl<strong>in</strong>er<br />

Parteiführung um Paul Löbe. Um <strong>den</strong> Mitgefangenen<br />

weitere Grausamkeiten zu ersparen, entschloss sich der<br />

schwer misshandelte Hans Staud<strong>in</strong>ger, alle Schuld auf<br />

sich zu nehmen und sagte aus, er hätte „e<strong>in</strong>e Untergrundversammlung<br />

geleitet und e<strong>in</strong> Aktionsprogramm<br />

diskutiert mit der Absicht, <strong>die</strong> neue Regierung zu<br />

beseitigen oder ihre E<strong>in</strong>heit zu untergraben.“ 78 Die<br />

Staatsanwaltschaft bereitete daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Anklage<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat vor. Staud<strong>in</strong>gers<br />

Die Verteidigung 21<br />

Aussagen waren offensichtlich nicht überzeugend, <strong>den</strong>n<br />

<strong>die</strong> weiteren Ermittlungen konzentrierten sich auf<br />

<strong>die</strong> Herkunft des Papiers. Besonders belastet war der<br />

Parteivorsitzende Karl Meitmann, da e<strong>in</strong> aufgefun<strong>den</strong>es<br />

Exemplar zahlreiche von ihm handschriftlich<br />

angefertigte Randnotizen trug. 79 Während Staud<strong>in</strong>ger<br />

e<strong>in</strong> Geständnis ablegte, um se<strong>in</strong>e Frau zu schützen,<br />

schwieg Meitmann beharrlich, um nicht <strong>die</strong> beteiligten<br />

Personen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu belasten. 80 Weitere Verhöre<br />

und Hausdurchsuchungen blieben offensichtlich ohne<br />

greifbare Ergebnisse. Nur <strong>die</strong> Anwesenheit von Walter<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, der <strong>die</strong> Versammlung frühzeitig verlassen<br />

hatte, konnte ermittelt wer<strong>den</strong>. Schme<strong>dem</strong>ann<br />

wurde daraufh<strong>in</strong> vermutlich am 23. Juni ebenfalls<br />

verhaftet. 81<br />

Nach Staud<strong>in</strong>gers Er<strong>in</strong>nerung hatte se<strong>in</strong>e Ehefrau<br />

von der Verhaftung aus der Berl<strong>in</strong>er Zeitung erfahren<br />

und war auf <strong>dem</strong> schnellsten <strong>Weg</strong> nach <strong>Hamburg</strong><br />

gereist, um Herbert Ruscheweyh um Unterstützung<br />

zu bitten. Der renommierte Rechtsanwalt, der <strong>in</strong> zahlreichen<br />

Verfahren politisch Verfolgte vertrat, bemühte<br />

sich umgehend um se<strong>in</strong>en Parteifreund. E<strong>in</strong> erster<br />

Besuch fand nach der Er<strong>in</strong>nerung von Staud<strong>in</strong>ger<br />

etwa am dritten Tag der Haft statt. 82<br />

Nach und nach wurde Herbert Ruscheweyh vermutlich<br />

von allen Inhaftierten entweder direkt oder<br />

durch Angehörige mit der anwaltlichen Vertretung<br />

betraut. Allerd<strong>in</strong>gs flossen <strong>die</strong> Informationen spärlich<br />

und noch zehn Tage nach der Verhaftung hatte<br />

Ruscheweyh ke<strong>in</strong>en genauen Überblick über <strong>den</strong><br />

Umfang der Verhaftungen. Irma Schacht betraute <strong>den</strong><br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten ebenfalls mit der Vertretung ihres<br />

Mannes. Schon im April 1933 hatte Ruscheweyh Jonni


22<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

Schacht gegen unbegründete Korruptionsverwürfe<br />

verteidigt. Am 26. Juni 1933 schrieb er an <strong>die</strong> Ehefrau:<br />

„Ihren <strong>Auf</strong>trag, mich um Ihren Mann zu bemühen,<br />

habe ich erhalten. Ich werde gern alles tun, was sich<br />

erreichen lässt. Zuerst gilt es ausf<strong>in</strong>dig zu machen, wo<br />

Ihr Mann sich aufhält. Wissen Sie schon etwas darüber?<br />

Wissen Sie irgende<strong>in</strong>en Grund, weshalb <strong>die</strong> Verhaftung<br />

durchgeführt ist? Wann ist <strong>die</strong> Verhaftung erfolgt?“ 83<br />

Schon am darauffolgen<strong>den</strong> Tag erhielt Ruscheweyh<br />

endlich umfassende Informationen über <strong>die</strong> Verhaftungen<br />

und <strong>die</strong> Anschuldigungen im Zusammenhang mit<br />

der „Echo“-Versammlung. Noch reichte der E<strong>in</strong>fluss<br />

des weit über <strong>die</strong> Parteigrenzen h<strong>in</strong>aus hochangesehenen<br />

Rechtsanwalts aus, um von NS-Polizeisenator<br />

Alfred Richter persönlich empfangen und angehört zu<br />

wer<strong>den</strong>. Nach eigenen Angaben hatte er e<strong>in</strong>e ausführliche<br />

Unterredung mit <strong>dem</strong> NS-Senator. Offensichtlich<br />

erhielt Ruscheweyh e<strong>in</strong>e Liste mit <strong>den</strong> Namen der<br />

Inhaftierten, <strong>den</strong>n nun war er über <strong>den</strong> Verbleib von<br />

Jonni Schacht <strong>in</strong>formiert, an <strong>den</strong> er wie an alle anderen<br />

Inhaftierten am 28. Juni e<strong>in</strong> ausführliches Schreiben<br />

richtete. Auch kann davon ausgegangen wer<strong>den</strong>,<br />

dass es <strong>dem</strong> Anwalt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Unterredung gelang, <strong>die</strong><br />

Freilassung der vier <strong>in</strong>haftierten Frauen zu erreichen.<br />

Je<strong>den</strong>falls wur<strong>den</strong> Paula Karp<strong>in</strong>ski, Irma Schweder<br />

(spätere Keilhack), Hedwig Günther und Grete Zabe<br />

noch am gleichen Tag aus der Haft entlassen. 84 An<br />

<strong>die</strong> übrigen Versammlungsteilnehmer richtete Ruscheweyh<br />

<strong>den</strong> dr<strong>in</strong>gen<strong>den</strong> Appell, dass derjenige, der<br />

das Papier mitgebracht hatte, sich mel<strong>den</strong> möge. Das<br />

Interesse der Polizeibehörde richtete sich <strong>in</strong>sbesondere<br />

darauf, „woher e<strong>in</strong>e mit Schreibmasch<strong>in</strong>e geschriebene<br />

und vervielfältigte Niederschrift von 4 Seiten stammt<br />

und wie sie <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zusammenkunft gekommen ist“.<br />

Ruscheweyh betonte, dass <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>klärung auch im Interesse<br />

der Betroffenen und der sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Partei liege. Offensichtlich <strong>in</strong> Anspielung auf Staud<strong>in</strong>ger<br />

führte der Rechtsanwalt aus: „Es nützt nichts, dass<br />

der E<strong>in</strong>e oder Andere aus höchst achtbarer Ges<strong>in</strong>nung<br />

heraus ‚<strong>die</strong> Verantwortung übernimmt‘, vielmehr muss<br />

sich derjenige mel<strong>den</strong>, der tatsächlich <strong>die</strong> Niederschrift<br />

mitgebracht hat.“ Ruscheweyh erwartete, dass sich<br />

der Verantwortliche bei der Gestapo oder über e<strong>in</strong>en<br />

Brief an ihn zu erkennen gebe. Auch wies der Anwalt<br />

auf <strong>die</strong> Möglichkeit h<strong>in</strong>, ihm „weitere persönliche<br />

Wünsche“ schriftlich mitzuteilen. Hier wer<strong>den</strong> <strong>die</strong><br />

Grenzen deutlich, <strong>die</strong> NS-Senator Richter setzte. Es<br />

wurde Ruscheweyh nicht gestattet, <strong>die</strong> Gefangenen<br />

persönlich zu sprechen. Bei Staud<strong>in</strong>ger handelte es<br />

sich möglicherweise um e<strong>in</strong>e Ausnahme, vermutlich<br />

weil er sich selbst schwer belastet hatte. Auch hatte<br />

Richter <strong>in</strong> der Unterredung deutlich gemacht, dass<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Auf</strong>hebung der Schutzhaft erst <strong>in</strong> Frage komme,<br />

wenn <strong>die</strong> Herkunft des Papiers geklärt sei. „Erst dann<br />

[...] ist es möglich an <strong>den</strong> Polizeiherrn 85 und an der<br />

Herrn Reichsstatthalter heranzutreten.“ Ruscheweyh<br />

hatte Richter gebeten, ihm „<strong>die</strong> Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er<br />

persönlichen Besprechung mit <strong>den</strong> Beteiligten<br />

oder e<strong>in</strong>em Teil von ihnen zu geben, um <strong>die</strong>sem [...]<br />

schriftlichen Appell Nachdruck zu verleihen.“ Richters<br />

Entscheidung stand zum Zeitpunkt der Versendung<br />

des Briefes noch aus. 86<br />

Die Gestapo konnte offensichtlich ke<strong>in</strong>e neuen Erkenntnisse<br />

aus <strong>den</strong> Gefangenen herauspressen und<br />

Meitmann schwieg nach eigenen Angaben beharrlich.<br />

Auch <strong>die</strong> Durchsuchung des Fraktionszimmers der<br />

<strong>SPD</strong> im Rathaus und der Fächer der Abgeordneten,<br />

<strong>die</strong> am 24. Juni durchgeführt wurde, brachte nicht<br />

<strong>den</strong> gewünschten Erfolg. M<strong>in</strong>utiös notierte e<strong>in</strong> Mitarbeiter<br />

im Rathaus <strong>die</strong> Vorgänge: „<strong>die</strong> Beamten der<br />

Staatspolizei haben sich um 10.42 gemeldet u. unter<br />

Führung der Beamten u. Laatz 87 mit der Durchsuchung<br />

begonnen. [...] Die Durchsuchung war ergebnislos.<br />

11.30“. 88 Zwischenzeitlich hatten <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

auch <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er Ereignisse als Vorwand<br />

genutzt, um <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> am 22. Juni 1933 reichsweit endgültig<br />

zu verbieten. In der amtlichen Begründung<br />

des Reichs<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isters hieß es dazu, dass „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

von der Polizei überraschten Geheimversammlung<br />

sozial<strong>dem</strong>okratischer Führer <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> ebenfalls<br />

landesverräterisches Material gefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>“ sei. 89<br />

<strong>Auf</strong> der letzten Bürgerschaftssitzung <strong>–</strong> das Parlament<br />

wurde anschließend von <strong>den</strong> Nationalsozialisten<br />

abgeschafft <strong>–</strong> am 28. Juni 1933 verkündete der<br />

NSDAP-Fraktionsvorsitzende Dr. Hellmuth Becker<br />

noch großspurig, dass <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten zu e<strong>in</strong>er<br />

Geheimsitzung „<strong>in</strong> <strong>den</strong> Räumen des <strong>Hamburg</strong>er


Echos zusammengekommen waren, um landes- und<br />

hochverräterische Pläne zu betreiben. Die Dokumente,<br />

<strong>die</strong> dort gefun<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>, s<strong>in</strong>d dafür unabstreitbare<br />

Beweise.“ 90<br />

Am gleichen Tag <strong>in</strong>struierte <strong>die</strong> Gestapo <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er<br />

Polizei<strong>die</strong>nststellen über e<strong>in</strong>e für <strong>den</strong> 3. Juli<br />

geplante Aktion, bei der allen Distriktsvorsitzen<strong>den</strong>,<br />

Distriktskassierern und Bezirksvorsitzen<strong>den</strong> das Eigentum<br />

der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong>sbesondere „Geld, Marken, Kassenbücher<br />

pp.“ beschlagnahmt wer<strong>den</strong> sollte. 91 Ob<br />

<strong>die</strong> Aktion erfolgreich war, ist nicht bekannt. Material,<br />

das <strong>die</strong> Inhaftierten zusätzlich belastet haben könnte,<br />

wurde aber offensichtlich nicht gefun<strong>den</strong>.<br />

Nach der Unterredung mit Richter dauerte es weitere<br />

zehn Tage, bis endlich Bewegung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Angelegenheit<br />

kam. Am 12. Juli 1933 berichtete Ruscheweyh, dass<br />

am Samstag, <strong>dem</strong> 8. Juli, e<strong>in</strong>e „wichtige Besprechung<br />

und Vernehmung stattgefun<strong>den</strong>“ habe. „Dadurch ist<br />

<strong>die</strong> Sache entschie<strong>den</strong> gefördert“, so Ruscheweyh,<br />

der <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>klärung bereits soweit ge<strong>die</strong>hen sah, dass<br />

Richter nunmehr <strong>den</strong> Reichsstatthalter Kaufmann<br />

e<strong>in</strong>schalten wollte. Da <strong>die</strong>ser bis zum 13. Juli verreist<br />

war, rechnete Ruscheweyh frühestens am darauf folgen<strong>den</strong><br />

Tag mit e<strong>in</strong>er Entscheidung. 92<br />

Die genauen H<strong>in</strong>tergründe des neuen Sachstands<br />

s<strong>in</strong>d nicht bekannt. Nach <strong>den</strong> Er<strong>in</strong>nerungen von Staud<strong>in</strong>ger<br />

wurde „festgestellt, daß <strong>die</strong> handschriftlichen<br />

Änderungen im Orig<strong>in</strong>al des Parteiaktionsentwurfes<br />

zum Teil von Meitmann stammten. Dieser habe gestan<strong>den</strong>,<br />

daß er es mit e<strong>in</strong>igen Korrekturen von Prof.<br />

Hermberg aus Gött<strong>in</strong>gen erhalten habe. Hermberg<br />

wurde daraufh<strong>in</strong> sofort verhaftet. In der Vernehmung<br />

bekannte er sich der Urheberschaft. Es sei e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arvortrag<br />

über modernen Sozialismus gewesen.<br />

E<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Nazi-Stu<strong>den</strong>ten habe über <strong>den</strong> Nationalsozialismus<br />

referiert. Hermberg wurde sofort wieder<br />

entlassen.“ 93<br />

Tatsächlich kam Mitte Juli Bewegung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Angelegenheit.<br />

Die meisten Gefangenen wur<strong>den</strong> am 22. Juli<br />

1933 aus der Schutzhaft entlassen, zu ihnen gehörten<br />

Louis Sellmer, Jonni Schacht, Walter Schme<strong>dem</strong>ann,<br />

Die Verteidigung 23<br />

He<strong>in</strong>rich Braune, Hans Westphal, Paul Thormann,<br />

Robert F<strong>in</strong>nern, Friedrich Born, Kurt Berkmann und<br />

Rudolf Saalfeld. Nach der Er<strong>in</strong>nerung von Thormann<br />

und Schönfelder erfolgte <strong>die</strong> Entlassung ganz plötzlich.<br />

94 Karl Ullrich, Adolf Keilhack und Georg Raloff<br />

kamen am 30. Juli 1933 frei. Wann Hans Staud<strong>in</strong>ger<br />

und Adolph Schönfelder entlassen wur<strong>den</strong>, ist nicht<br />

bekannt. 95 Gustav Dahrendorf wurde noch bis zum<br />

4. August gefangen gehalten. Schließlich befand sich<br />

nur noch Karl Meitmann <strong>in</strong> Schutzhaft, der wegen se<strong>in</strong>er<br />

handschriftlichen Notizen besonders belastet war.<br />

Am 5. August 1933 <strong>in</strong>formierte Herbert Ruscheweyh<br />

se<strong>in</strong>en Mandaten Kurt Berkmann <strong>–</strong> und vermutlich<br />

auch alle anderen Beteiligten <strong>–</strong> über <strong>den</strong> Stand der<br />

D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>schließlich se<strong>in</strong>er Ermittlungen über <strong>den</strong><br />

Anlass der Zusammenkunft. Für Ruscheweyh hatte<br />

es sich nicht um e<strong>in</strong>e politische Versammlung gehandelt.<br />

Er g<strong>in</strong>g nach <strong>dem</strong> Stand der Ermittlungen<br />

davon aus, dass sich <strong>die</strong>se <strong>Auf</strong>fassung auch <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Behör<strong>den</strong> durchgesetzt habe. E<strong>in</strong> nicht namentlich<br />

genannter Amtsrichter hatte nach Vorführung aller<br />

Gefangenen e<strong>in</strong>en Haftbefehl abgelehnt. Damit hatte<br />

Ruscheweyh se<strong>in</strong> Ziel erreicht und <strong>die</strong> Haftentlassung<br />

se<strong>in</strong>er Parteifreunde erreicht. Zu <strong>den</strong> Zeitungsberichten,<br />

dass Schriftstücke politischen Inhalt sichergestellt<br />

wor<strong>den</strong> se<strong>in</strong>en, stellte der Anwalt fest, dass nach<br />

se<strong>in</strong>er Beurteilung <strong>die</strong> Ermittlungen ergeben hätten,<br />

„dass nur zwei der Beteiligten von der Existenz <strong>die</strong>ser<br />

Schriftstücke wußten“. Damit dürften Staud<strong>in</strong>ger und<br />

Meitmann geme<strong>in</strong>t gewesen se<strong>in</strong>. Ruscheweyh stellte<br />

fest: „Die Schriftstücke haben ke<strong>in</strong>erlei irgendwelche<br />

Verb<strong>in</strong>dung mit der Zusammenkunft. Würde der<br />

Amtsrichter e<strong>in</strong>e andere <strong>Auf</strong>fassung haben, würde <strong>die</strong><br />

Polizei nicht <strong>die</strong>se Feststellung als erwiesen ansehen,<br />

wäre sicherlich entweder e<strong>in</strong> Haftbefehl ergangen oder<br />

<strong>die</strong> Schutzhaftfortdauer angeordnet.“ 96<br />

Die Entlassenen unterstan<strong>den</strong> e<strong>in</strong>er strengen Polizeiaufsicht<br />

und mussten sich zweimal wöchentlich -<br />

nach anderen Angaben sogar täglich - auf der örtlichen<br />

Polizeiwache mel<strong>den</strong>. 97 Am 9. Oktober 1933 <strong>in</strong>formierte<br />

Ruscheweyh <strong>die</strong> Versammlungsteilnehmer über <strong>den</strong><br />

Sachstand. Er hoffte, „dass <strong>die</strong> Sache jetzt langsam zu<br />

e<strong>in</strong>er Entscheidung gebracht wer<strong>den</strong> kann.“ Allerd<strong>in</strong>gs<br />

war für <strong>den</strong> Anwalt noch völlig offen, ob es zu<br />

e<strong>in</strong>er Anklage kommen oder das Verfahren e<strong>in</strong>gestellt


24<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

wer<strong>den</strong> würde. Nach Ruscheweyhs Informationen<br />

war <strong>die</strong> Akte bei der Landesjustizverwaltung und sei<br />

jetzt an <strong>die</strong> Staatsanwaltschaft zurückgegangen. In<br />

<strong>dem</strong> Moment, als <strong>die</strong> Mitteilungen an <strong>die</strong> Mandanten<br />

geschrieben wur<strong>den</strong>, erhielt Ruscheweyh neue Informationen,<br />

<strong>die</strong> er noch anfügen ließ. Danach hatte der<br />

Staatsanwalt <strong>die</strong> Akte an <strong>die</strong> Gestapo zurückgegeben,<br />

um neue Ermittlungen durchzuführen. 98<br />

Ganz offensichtlich sah der Staatsanwalt ke<strong>in</strong>e ausreichen<strong>den</strong><br />

Gründe für e<strong>in</strong>e Anklageerhebung. Damit<br />

war <strong>die</strong> NS-Führung <strong>in</strong> der Justizverwaltung nicht<br />

e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>, so dass <strong>die</strong> Ermittlungen wieder aufgenommen<br />

wur<strong>den</strong>. Tatsächlich ist festzustellen, dass<br />

<strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten <strong>in</strong>tensiv überwacht wur<strong>den</strong> und<br />

auch ansonsten nach strafbaren Aktivitäten gefahndet<br />

wurde. Friedrich Born wurde schon nach zwei Tagen<br />

wieder <strong>in</strong> Haft genommen. Ihm wurde e<strong>in</strong> Verstoß<br />

gegen das Schusswaffengesetz vorgeworfen. Obwohl<br />

Friedrich Born von e<strong>in</strong>em Schnellgericht am 9. August<br />

freigesprochen wurde, überführte ihn <strong>die</strong> Gestapo<br />

vom Untersuchungsgefängnis <strong>in</strong>s KZ Fuhlsbüttel und<br />

hielt ihn noch bis zum 28. August gefangen. Auch<br />

Friedrich Born erlitt schwere Misshandlungen. Er<br />

wurde 24 Stun<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schrank e<strong>in</strong>gesperrt und<br />

verprügelt. Als Folge verlor er später e<strong>in</strong>en Großteil<br />

se<strong>in</strong>er Zähne. 99 Die Versammlungsteilnehmer Walter<br />

Schme<strong>dem</strong>ann und Emil Göthel wur<strong>den</strong> am 3. Oktober<br />

1933 erneut festgenommen. Ihnen wurde illegale politische<br />

Betätigung <strong>in</strong> Eilbek vorgeworfen. Aus Mangel<br />

an Beweisen mussten sie jedoch am 19. Oktober wieder<br />

freigelassen wer<strong>den</strong>. 100 Auch He<strong>in</strong>rich Braune wurde<br />

am 19. November 1933 erneut verhaftet. Er kam neun<br />

Tage später wieder frei. 101<br />

Der Gestapo gelang es offensichtlich nicht, Belastendes<br />

zu ermitteln, das <strong>die</strong> Staatsanwaltschaft hätte<br />

überzeugen können. In e<strong>in</strong>em späteren Gerichtsverfahren<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat gegen<br />

Emil Göthel wur<strong>den</strong> auch <strong>die</strong> Ermittlungsakten über<br />

<strong>die</strong> „Echo“-Versammlung herangezogen. Im Urteil<br />

hieß es dazu: „Nach der nationalen Erhebung nahm<br />

Göthel an der im Gebäude des <strong>Hamburg</strong>er Echo am 16.<br />

Juni 1933 abgehaltenen Sitzung sozial<strong>dem</strong>okratischer<br />

Funktionäre <strong>–</strong> unter <strong>den</strong>en sich der damalige Staats-<br />

sekretär Staud<strong>in</strong>ger, der hamburgische Polizeisenator<br />

Schönfelder, <strong>die</strong> Führer der sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Bürgerschaftsfraktion Podeyn und Meitmann befan<strong>den</strong><br />

<strong>–</strong> teil. Gegenstand der Erörterung war nach Göthels<br />

Angabe und <strong>dem</strong> Ergebnis der damaligen polizeilichen<br />

Ermittlungen <strong>die</strong> Fortführung des <strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er neutralen Tageszeitung. Göthel<br />

will als ehemaliger Zeitungswerber zum Besuch der<br />

Versammlung e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong> wor<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. Er wurde anläßlich<br />

der polizeilichen Aushebung der Versammlung<br />

festgenommen und bis Mitte Juni [richtig: Juli] 1933<br />

<strong>in</strong> Schutzhaft behalten, im übrigen aber nicht weiter<br />

belangt.“ 102<br />

Danach war es der Gestapo weder gelungen, E<strong>in</strong>zelheiten<br />

über <strong>die</strong> tatsächliche Diskussion <strong>in</strong> Erfahrung zu<br />

br<strong>in</strong>gen, noch Göthels Anwesenheit mit der Vertretung<br />

des Distriktsvorsitzen<strong>den</strong> Walter Schme<strong>dem</strong>ann <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen. Ende Oktober 1933 wurde als<br />

letzter auch Karl Meitmann entlassen mit der <strong>Auf</strong>lage,<br />

<strong>Hamburg</strong> umgehend zu verlassen. Meitmann begab<br />

sich daraufh<strong>in</strong> zunächst zu e<strong>in</strong>er befreundeten Familie<br />

<strong>in</strong> Niendorf an der Ostsee. 103 Am 29. November 1933<br />

konnte Ruscheweyh endlich berichten, dass ihm der<br />

Generalstaatsanwalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Besprechung mitgeteilt<br />

habe, dass „<strong>die</strong> Staatsanwaltschaft im E<strong>in</strong>vernehmen<br />

mit der Landesjustizverwaltung sich dah<strong>in</strong> entschie<strong>den</strong><br />

hat, daß <strong>die</strong> Angelegenheit nicht weiter verfolgt<br />

wird.“ Die staatlichen Organe bemühten sich nun nach<br />

Kräften, <strong>die</strong>sen Fehlschlag gegen <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

zu vertuschen und nicht durch weitere amtliche<br />

Vorgänge zu dokumentieren. Ruscheweyh teilte dazu<br />

mit: „E<strong>in</strong> besonderer E<strong>in</strong>stellungsbescheid wird nicht<br />

ergehen. Ich habe <strong>die</strong> ausdrückliche Ermächtigung,<br />

<strong>die</strong>s je<strong>dem</strong> E<strong>in</strong>zelnen mitzuteilen. Dieser Brief ist<br />

deshalb h<strong>in</strong>reichender Ausweis für <strong>die</strong> geschehene<br />

E<strong>in</strong>stellung des Verfahrens.“ 104<br />

Am 6. Dezember 1933 teilte Ruscheweyh schließlich<br />

mit, dass nach e<strong>in</strong>er Besprechung mit Gestapo-Chef<br />

Streckenbach auch <strong>die</strong> Meldepflicht aufgehoben sei.<br />

Gleichzeitig wies er daraufh<strong>in</strong>, dass „nunmehr der<br />

Fall mit Ausnahme der noch laufen<strong>den</strong> Scha<strong>den</strong>sersatzansprüche<br />

[...] erledigt“ sei. 105 Über <strong>den</strong> Ausgang<br />

<strong>die</strong>ser Verhandlungen ist nichts bekannt.


nachwort<br />

Als der Großteil der Versammlungsteilnehmer Mitte<br />

Juli 1933 entlassen wurde, hatten <strong>die</strong> neuen Machthaber<br />

<strong>die</strong> NSDAP bereits per Gesetz zur e<strong>in</strong>zigen legalen<br />

Partei erklärt. Gegen <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> war auch unter Berücksichtigung<br />

der <strong>Hamburg</strong>er Ereignisse am 22. Juni 1933<br />

reichsweit e<strong>in</strong> Verbot erlassen wor<strong>den</strong>.<br />

Vor allem <strong>die</strong> prom<strong>in</strong>enten Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

mussten weitere Verfolgungen fürchten und galten<br />

als besonders gefährdet. Hans Staud<strong>in</strong>ger begab sich <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Emigration nach Amerika. Karl Meitmann wurde<br />

der Stadt verwiesen. Er lebte bis 1945 vorwiegend <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, bevor er nach <strong>Hamburg</strong> zurückkehrte und<br />

<strong>den</strong> Parteivorsitz wieder übernahm. Gustav Dahrendorf<br />

sah ebenfalls ke<strong>in</strong>e berufliche Perspektive <strong>in</strong> der<br />

Hansestadt und siedelte Ende 1933 nach Berl<strong>in</strong> über.<br />

Auch Hans Podeyn und He<strong>in</strong>rich Braune verließen<br />

<strong>Hamburg</strong> und kehrten erst nach 1945 zurück.<br />

Alle übrigen blieben zunächst <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> und<br />

sahen sich <strong>in</strong>sbesondere bei <strong>dem</strong> Versuch der Arbeitsaufnahme<br />

staatlichen Repressalien ausgesetzt.<br />

Systematisch verh<strong>in</strong>derten <strong>die</strong> Nationalsozialisten über<br />

das Arbeitsamt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung von Sozial<strong>dem</strong>okraten.<br />

Viele blieben deshalb über Jahre arbeitslos und<br />

mussten sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen.<br />

Trotz des brutalen Vorgehens der Nationalsozialisten<br />

beteiligte sich <strong>die</strong> große Mehrheit der Versammlungsteilnehmer<br />

am aktiven Widerstand. Die Initiative<br />

für <strong>den</strong> <strong>Auf</strong>bau der illegalen <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> ergriff<br />

Walter Schme<strong>dem</strong>ann. Er hatte <strong>die</strong> Versammlung<br />

frühzeitig verlassen und war dadurch zunächst e<strong>in</strong>er<br />

Verhaftung entgangen. Diese Zeit nutzte er, um erste<br />

Maßnahmen für <strong>die</strong> Arbeit im Untergrund e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Nachwort 25<br />

Nach se<strong>in</strong>er Entlassung baute er e<strong>in</strong>e sechsköpfige<br />

Leitungsgruppe auf, der auch se<strong>in</strong> Bruder Willi Schme<strong>dem</strong>ann<br />

angehörte. Als e<strong>in</strong>e erneute Verhaftung drohte,<br />

emigrierte Willi Schme<strong>dem</strong>ann 1934 nach Dänemark.<br />

1946 kehrte er zurück nach <strong>Hamburg</strong>. Im Prozess gegen<br />

Schme<strong>dem</strong>ann und Genossen „wegen Verbrechens<br />

gegen Paragr. 2 des Gesetzes vom 14. Juli 1933 gegen<br />

<strong>die</strong> Neubildung der Parteien“ wur<strong>den</strong> Walter Schme<strong>dem</strong>ann<br />

am 18. Juni 1935 zu 30 Monaten Zuchthaus und<br />

Otto Schumann zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt.<br />

Zwar zählte Otto Schumann nicht zur Leitungsgruppe,<br />

doch gehörte er zum engeren Führungskreis. Schme<strong>dem</strong>ann<br />

hatte e<strong>in</strong> illegales Organisationsnetz aufgebaut,<br />

das bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Distrikte reichte und auch nach<br />

se<strong>in</strong>er Verhaftung noch funktionierte. Aus <strong>den</strong> Reihen<br />

der Versammlungsteilnehmer übernahmen frühere<br />

Distriktsvorsitzende <strong>die</strong> illegale Arbeit vor Ort. 106<br />

Nach mehreren Verhaftungswellen wur<strong>den</strong> schließlich<br />

Anfang 1937 auch <strong>die</strong> letzten aus <strong>dem</strong> Reichsbanner<br />

hervorgegangenen sozial<strong>dem</strong>okratischen Widerstandsgruppen<br />

aufgedeckt. 107 <strong>Weg</strong>en der Beteiligung an der<br />

illegalen Arbeit wur<strong>den</strong> Hans Westphal und Rudolf<br />

Saalfeld zu 18 Monaten und Paul Thormann zu 17 Monaten<br />

Gefängnis verurteilt, Jonni Schacht und Karl<br />

Ullrich erhielten drei Jahre Zuchthaus. Wilhelm Bock<br />

und Robert F<strong>in</strong>nern gehörten zu e<strong>in</strong>er Gruppe von<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten, <strong>die</strong> noch 1938 illegales Material aus<br />

Dänemark bezogen und verteilten. Beide wur<strong>den</strong> am<br />

3. März 1938 bei der Übergabe e<strong>in</strong>es Koffers, der e<strong>in</strong>e<br />

größere Anzahl der Schrift „Laßt Tatsachen sprechen“<br />

enthielt, verhaftet. Bock und F<strong>in</strong>nern wur<strong>den</strong> beide<br />

zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. 108<br />

Nicht alle Widerstandsaktivisten wur<strong>den</strong> entdeckt<br />

und verurteilt. Paula Karp<strong>in</strong>ski beteiligte sich an der


26<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

Verbreitung illegalen Materials. 109 Irma Schweder (spätere<br />

Keilhack) versuchte gleich nach ihrer Entlassung,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Parteiorganisationen noch vorhan<strong>den</strong>en<br />

Gelder für Anwaltskosten von Verhafteten, für <strong>in</strong> Not<br />

geratene Angehörige von Inhaftierten und für <strong>die</strong><br />

Flucht von Gefährdeten zu mobilisieren. Auch beteiligte<br />

sie sich an der Beobachtung von politischen<br />

Prozessen, um bei weiteren Verhaftungen über <strong>die</strong><br />

Kenntnisse der Gestapo <strong>in</strong>formiert zu se<strong>in</strong>. Sie beteiligte<br />

sich mit ihrem späteren Ehemann Adolf Keilhack an<br />

Treffen ehemaliger Jungsozialisten. 110 Kurt Berkmann,<br />

der im November 1943 vermutlich nach <strong>den</strong> schweren<br />

Luftangriffen auf <strong>Hamburg</strong> se<strong>in</strong>en Wohnsitz <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />

nahm, beteiligte sich nach eigenen Angaben von<br />

1933 bis zu se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>berufung zur Wehrmacht 1941<br />

an der illegalen Arbeit. 111<br />

Gustav Dahrendorf, der eng mit Julius Leber befreundet<br />

war, nahm aktiv an <strong>den</strong> Vorbereitungen des<br />

Attentats vom 20. Juli teil. Er wurde vom Volksgerichtshof<br />

zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Dahrendorf<br />

war als Zivilbevollmächtigter im Wehrbezirk X<br />

(<strong>Hamburg</strong>-Schleswig-Holste<strong>in</strong>) vorgesehen und hatte<br />

Adolph Schönfelder und Herbert Ruscheweyh <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Attentatspläne e<strong>in</strong>geweiht. 112 Auch Meitmann stand mit<br />

<strong>den</strong> führen<strong>den</strong> Vertretern des sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

und gewerkschaftlichen Widerstands <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

darunter Theodor Haubach, Carlo Mierendorff, Julius<br />

Leber und Wilhelm Leuschner. 113 Hans Podeyn und<br />

Gustav Dahrendorf, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e langjährige Freundschaft<br />

verband, stan<strong>den</strong> ebenfalls <strong>in</strong> Kontakt.<br />

Nachweislich wur<strong>den</strong> Adolph Schönfelder, He<strong>in</strong>rich<br />

Eisenbarth, Paula Karp<strong>in</strong>ski, Walter Schme<strong>dem</strong>ann,<br />

Otto Schumann, Louis Sellmer und Grete Zabe im<br />

Rahmen der Aktion „Gewitter“ nach <strong>dem</strong> Attentat<br />

vom 20. Juli erneut gefangen genommen. Die meisten<br />

wur<strong>den</strong> nach kurzer Zeit wieder entlassen.<br />

Sechs Versammlungsteilnehmer überlebten <strong>die</strong><br />

NS-Zeit nicht. Paul Hartle<strong>in</strong> verstarb 1941 <strong>in</strong> Alter<br />

von 68 Jahren. Robert F<strong>in</strong>nern und Wilhelm Bock<br />

wur<strong>den</strong> nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe nicht<br />

entlassen, sondern <strong>in</strong>s KZ Sachsenhausen überführt,<br />

wo beide ums Leben kamen. Emil Göthel, der nach der<br />

Verhaftung von Walter Schme<strong>dem</strong>ann e<strong>in</strong>e führende<br />

Funktion übernahm, wurde 1936 zu viere<strong>in</strong>halb Jahren<br />

Zuchthaus verurteilt. Er starb 1941 an <strong>den</strong> Folgen der<br />

Haft. Otto Schumann gehörte zu <strong>den</strong>jenigen, <strong>die</strong> im<br />

Zuge der Aktion „Gewitter“ verhaftet wur<strong>den</strong>, aber<br />

nicht nach wenigen Wochen wieder <strong>in</strong> Freiheit kamen.<br />

Über das Schicksal von Theodor Selbach ist nichts<br />

bekannt. Er starb vermutlich vor 1945. 114 Ende April<br />

1945 musste er sich mit 10.000 Gefangenen aus <strong>dem</strong><br />

KZ Neuengamme auf <strong>den</strong> Todesmarsch zur Lübecker<br />

Bucht begeben. Nach der Bombar<strong>die</strong>rung durch<br />

Alliierte fand Otto Schumann wie viele andere beim<br />

Untergang der „Cap Arcona“ <strong>den</strong> Tod. 115 Über <strong>den</strong> Verbleib<br />

von Willi Schüler liegen ke<strong>in</strong>e Informationen vor.<br />

Mit Ausnahme von Hans Staud<strong>in</strong>ger, der im amerikanischen<br />

Exil blieb, Kurt Berkmann, der <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />

<strong>die</strong> Volkshochschule leitete und später als Gewerkschaftssekretär<br />

nach Stuttgart wechselte, sowie Paul<br />

Thormann, der nach 1945 unmittelbar h<strong>in</strong>ter der Stadtgrenze<br />

<strong>in</strong> Glashütte (heute Norderstedt) lebte und<br />

dort als Geme<strong>in</strong>devertreter aktiv war, kehrten - soweit<br />

bekannt - alle überleben<strong>den</strong> Versammlungsteilnehmer<br />

zurück nach <strong>Hamburg</strong>. 116 Karl Meitman, Walter<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, Paul Karp<strong>in</strong>ski, Irma Keilhack (frühere<br />

Schweder) und Willi Schme<strong>dem</strong>ann gehörten <strong>dem</strong><br />

ersten am 27. Januar 1946 gewählten Landesvorstand<br />

an. 117 Von <strong>den</strong> 15 <strong>Hamburg</strong>er Vertretern auf <strong>dem</strong> ersten<br />

Nachkriegsparteitag der <strong>SPD</strong> im Mai 1946 <strong>in</strong> Hannover<br />

hatten mit Gustav Dahrendorf, Paula Karp<strong>in</strong>ski,<br />

Irma Keilhack (frühere Schweder); Adolf Keilhack,<br />

Karl Meitmann, Walter Schme<strong>dem</strong>ann, Willi Schme<strong>dem</strong>ann<br />

und Adolph Schönfelder acht Delegierte an<br />

der „Echo“-Versammlung teilgenommen. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, dass drei Delegierte aus <strong>dem</strong> erst 1937<br />

nach <strong>Hamburg</strong> e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>deten Altona kamen. 118 Als<br />

Parteifunktionäre, als Abgeordnete von Bürgerschaft<br />

und Bundestag sowie als Mitglieder des <strong>Hamburg</strong>er<br />

Senats beteiligten sich <strong>die</strong> Teilnehmer der letzten Parteivorstands-<br />

und Parteiausschusssitzung im Juni 1933<br />

nach 1945 führend am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau.


Anmerkungen<br />

1 Erweiterte und ergänzte Fassung des Beitrags: Holger Martens: <strong>Auf</strong><br />

<strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>SPD</strong> 1933, <strong>in</strong>: <strong>Hamburg</strong> und se<strong>in</strong> norddeutsches Umland. Aspekte des<br />

Wandels seit der Frühen Neuzeit. Festschrift für Frankl<strong>in</strong> Kopitzsch, Hrsg.<br />

Dirk Brietzke, Norbert Fischer, Arno Herzig, <strong>Hamburg</strong> 2007, S. 354<strong>–</strong>376.<br />

2 Dazu grundlegend: <strong>Hamburg</strong> im „Dritten Reich“, hg. von der<br />

Forschungsstelle für Zeitgeschichte <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>, Gött<strong>in</strong>gen 2005, hier<br />

<strong>in</strong>sbesondere Detlef Garbe: Institutionen des Terrors und der Widerstand<br />

der Wenigen, S. 519<strong>–</strong>530; zu Schutzhaft und KZ siehe: Dokumente der<br />

Gleichschaltung des Landes <strong>Hamburg</strong> 1933, hg. und kom. von Henn<strong>in</strong>g<br />

Timpke, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1964, S. 227<strong>–</strong>235; zur Hilfspolizei siehe: ebd.,<br />

S. 169<strong>–</strong>180; zur <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> 1933 siehe Friedrich-Wilhelm Witt: Die<br />

<strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okratie <strong>in</strong> der Weimarer Republik unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Jahre 1929/30<strong>–</strong>1933, Hannover 1971, <strong>in</strong>sbesondere<br />

S. 184<strong>–</strong>200; Karl Ditt: Sozial<strong>dem</strong>okraten im Widerstand: <strong>Hamburg</strong> <strong>in</strong> der<br />

Anfangsphase des Dritten Reiches, <strong>Hamburg</strong> 1984, <strong>in</strong>sbesondere<br />

S. 58 bis 68; zur „Echo“-Versammlung siehe Holger Martens: <strong>Weg</strong>weiser<br />

zu <strong>den</strong> Stätten von Verfolgung und sozial<strong>dem</strong>okratischem Widerstand <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>. Teil I: Die <strong>in</strong>nere Stadt, hg. von Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft ehemals<br />

verfolgter Sozial<strong>dem</strong>okraten (AvS), <strong>Hamburg</strong> 2005, S. 38ff.<br />

3 vgl. http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_datei/0,,9371,00.pdf,<br />

Zugriff 13.9.2010.<br />

4 Vgl. Ditt (wie Anm. 2), S. 60f., mit der abgedruckten Polizeiverordnung<br />

auf S. 62.<br />

5 Merkblatt 2 erschien Ende Februar, Merkblatt 4 im März 1933,<br />

zu <strong>den</strong> Merkblättern siehe auch Ditt: S. 61 und 63 sowie S. 31 mit <strong>dem</strong><br />

abgedruckten Titelblatt von Merkblatt Nr. 2: siehe auch Witt (wie Anm. 2),<br />

S.184<strong>–</strong>200; Merkblatt 6 Titelblatt abgedruckt <strong>in</strong>: Ursula Büttner / Werner<br />

Jochmann: <strong>Hamburg</strong> auf <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong>s Dritte Reich. Entscheidungsjahre<br />

1931<strong>–</strong>1933, <strong>Hamburg</strong> 1983, S. 165, <strong>die</strong> Merkblätter und Rundschreiben s<strong>in</strong>d<br />

im Dokumententeil abgedruckt.<br />

6 Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong>, 16. Jahrgang, Nr. 5, April 1933, Arbeiterarchiv Kopenhagen,<br />

33534 Tyskland, social<strong>dem</strong>okratisk valgmateriale 1933; auch <strong>die</strong> Merkblätter<br />

4 und 6 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Kopenhagen überliefert.<br />

7 Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong>, 16. Jahrgang, Nr. 7, April 1933, Archiv der sozialen Demokratie<br />

(AdsD), Sammlung Flugblätter und Flugschriften 1933, Band 1.<br />

8 Sozial<strong>dem</strong>okratische Partei Deutschlands (<strong>SPD</strong>), Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong>, Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation,<br />

<strong>Hamburg</strong>, 20. April [1933], AdsD, Sammlung Flugblätter und Flugschriften<br />

1933, Band 1; <strong>die</strong> Rundschreiben vom 20.4, 29.4. und 5.5.1933 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />

Literatur bisher unberücksichtigt geblieben.<br />

9 Sozial<strong>dem</strong>okratische Partei Deutschlands (<strong>SPD</strong>) Landes<br />

organisation <strong>Hamburg</strong>, Organisations-Informationen für unsere<br />

Mitglieder, <strong>Hamburg</strong>, 29. April [1933], AdsD, Sammlung Flugblätter<br />

und Flugschriften 1933 undatiert III.<br />

10 Siehe Christa Schramm: Entmachtung und Verbot der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> im Jahre 1933 : Hausarbeit im Wahlfach Geschichte zur ersten<br />

Lehrerprüfung, unveröffentlicht, <strong>Hamburg</strong> 1960, S. 62 und Anm. 2.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus konnten bisher ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise auf <strong>die</strong> Vorbereitung illegaler<br />

Aktivitäten schon zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Auch über<br />

Gustav Dahrendorf, der mit entsprechen<strong>den</strong> Tätigkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

Anmerkungen 27<br />

gebracht wurde, liegen <strong>die</strong>sbezüglich ke<strong>in</strong>e Informationen vor, siehe dazu<br />

Erich Matthias: Die Sozial<strong>dem</strong>okratische Partei Deutschlands, <strong>in</strong>: Erich<br />

Matthias/Rudolf Morsey (Hrsg.): Das Ende der Parteien 1933.<br />

Darstellungen und Dokumente, unveränderter Nachdruck,<br />

Düsseldorf 1979, S. 188 und Anm. 4.<br />

11 Vgl. Witt (wie Anm. 2), S. 194, FN 132.<br />

12 Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong> der S.P.D., <strong>Hamburg</strong>, 5. Mai [1933], AdsD, Sammlung<br />

Flugblätter und Flugschriften 1933 undatiert III.<br />

13 Sozial<strong>dem</strong>okratische Partei Deutschlands (<strong>SPD</strong>), Landesorganisation<br />

<strong>Hamburg</strong>, Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation,<br />

<strong>Hamburg</strong>, 20. April [1933], AdsD, Sammlung Flugblätter und Flugschriften<br />

1933, Band 1.<br />

14 Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation <strong>Hamburg</strong><br />

der S.P.D., <strong>Hamburg</strong>, 5. Mai [1933], AdsD, Sammlung Flugblätter und<br />

Flugschriften 1933 undatiert III.<br />

15 Eidesstattliche Erklärung von Margarethe Kober, 17.6.1955, Wiedergutmachungsakte<br />

Karl Meitmann, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt<br />

<strong>Hamburg</strong> (StAH), 351<strong>–</strong>11. Frau Kober war <strong>die</strong> geschie<strong>den</strong>e Ehefrau von<br />

Max Leuteritz, der als Vorgänger von Karl Meitmann der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong><br />

vorstand.<br />

16 Mitteilung an <strong>den</strong> Vorstand der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>, Claus Umland, Dezember 1951, (Forschungsstelle für Zeitgeschichte<br />

<strong>Hamburg</strong> (FZH), 8332; Wiedergutmachungsakte Claus Umland,<br />

StAH, 351<strong>–</strong>11.<br />

17 Siehe Schramm (wie Anm. 10), S.62.<br />

18 Mitteilung an <strong>den</strong> Vorstand der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>, Claus Umland, Dezember 1951, FZH, 8332; angeblich wur<strong>den</strong><br />

„Beträge und Werte von 3 790 682,46 Reichsmark“ im Parteibüro der<br />

<strong>SPD</strong>, im Reichsbanner, bei der Produktion, der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Cuxhaven, <strong>dem</strong><br />

Gewerkschaftshaus <strong>Hamburg</strong> GmbH, der <strong>Hamburg</strong>ischen Buchdruckerei<br />

und Verlagsanstalt Auer & Co, der Hanseatischen Landdruckerei GmbH<br />

<strong>in</strong> Bergedorf, bei der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten<br />

(Konto<strong>in</strong>haber <strong>SPD</strong> und Nebenorganisationen sowie Auer & Co) und <strong>dem</strong><br />

Postscheckamt <strong>Hamburg</strong> (Konto<strong>in</strong>haber <strong>SPD</strong> und Nebenorganisationen<br />

sowie Auer & Co) beschlagnahmt, <strong>Hamburg</strong>er Frem<strong>den</strong>blatt, 14.5.1933.<br />

Inwieweit es sich um e<strong>in</strong>e seriöse Zusammenstellung oder um NS-Propaganda<br />

handelte, ist nicht bekannt. Siehe auch Ditt (wie Anm. 2), S. 61.<br />

19 Bericht von Irma Keilhack, <strong>in</strong>: Frauen im FaschismusFrauen im<br />

Widerstand. <strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okrat<strong>in</strong>nen berichten, hrsg. v. AsF<br />

<strong>Hamburg</strong>, o.D. <strong>Hamburg</strong>, S. 32.<br />

20 Witt (wie Anm. 2), S. 194 FN 133.<br />

21 Mitteilungen von Herrn Gustav Dahrendorf für Herrn Dr. Heffter<br />

und Herrn Biermann von der Forschungsstelle am 25. September 1950,<br />

FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

22 Siehe dazu Markus Oddey: Der „Lübecker Volksbote“, <strong>in</strong>:<br />

Demokratische Geschichte 16, 2004, S.112.<br />

23 Holger Martens: Die Geschichte der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei<br />

Deutschlands <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> 1945 bis 1949, Malente 1998, Bd. 1,<br />

S.172.<br />

24 Siehe dazu Oddey (wie Anm. 22), S.112.<br />

25 Siehe dazu Matthias (wie Anm. 10), S. 180<strong>–</strong>187.<br />

26 Witt (wie Anm. 2), S. 198.


28<br />

<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Widerstand <strong>–</strong> Die „Echo“-Versammlung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> 1933<br />

27 Witt (wie Anm. 2), S. 198 FN 154.<br />

28 Dokument 15: Der Fraktionsvorsitzende der <strong>SPD</strong> an <strong>den</strong> Alterspräsi<strong>den</strong>ten<br />

der Bürgerschaft, 10.5.1933, <strong>in</strong>: Timpke (wie Anm. 2), S. 115.<br />

29 Ditt (wie Anm. 2), S. 67; Witt (wie Anm. 2), 198f. und FN 160.<br />

30 Witt (wie Anm. 2), S. 193 und FN 130.<br />

31 Rotes Blitzlicht. Mitteilungen nur für Mitglieder der Sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Partei, <strong>Hamburg</strong>, 3. Juni 1933, FZH, Kasten 833.<br />

32 Rotes Blitzlicht, 10.6.1933,FZH, Kasten 833, bei bei<strong>den</strong> Ausgaben<br />

handelt es sich um Kopien unbekannter Herkunft.<br />

33 Dahrendorf datiert <strong>die</strong> Sitzung fälschlicherweise auf <strong>den</strong> 13. Juni,<br />

Mitteilungen von Herrn Gustav Dahrendorf für Herrn Dr. Heffter und<br />

Herrn Biermann von der Forschungsstelle am 25. September 1950,<br />

FZH 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte. Darüber, ob tatsächlich an zwei Tagen<br />

getagt wurde, liegen widersprüchliche Angaben vor.<br />

34 Herbert Ruschweyh an Kurt Berkmann, 5.8.1933, AdsD,<br />

Nachlass Else Berkmann.<br />

35 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der<br />

<strong>SPD</strong> 1933), o.D., FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

36 Hans Staud<strong>in</strong>ger: Wirtschaftspolitik im Weimarer Staat. Lebenser<strong>in</strong>nerungen<br />

e<strong>in</strong>es politischen Beamten im Reich und <strong>in</strong> Preußen 1889 bis<br />

1934, hg. und e<strong>in</strong>gel. von Hagen Schulze, Bonn 1982, S. 128.<br />

37 Walter Schme<strong>dem</strong>ann: Die Tätigkeit der Eilbeker Genossen <strong>in</strong> der<br />

Widerstandsbewegung nach <strong>dem</strong> Verbot der <strong>SPD</strong> im Jahre 1933, <strong>in</strong>: <strong>SPD</strong><br />

Landesorganisation <strong>Hamburg</strong> (Hg.): Begleitheft zur Ausstellung „125 Jahre<br />

<strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>“, <strong>Hamburg</strong> o.J. (1988), S. 27.<br />

38 Herbert Ruschweyh an Jonni Schacht, 9.10.1933 und 29.11.1933, Privatbesitz<br />

Arlt.<br />

39 Ditt (wie Anm. 2), S. 68; Frankl<strong>in</strong> Kopitzsch: Für <strong>Hamburg</strong> im<br />

Parlamentarischen Rat: Bürgermeister A.D. Adolph Schönfelder / <strong>SPD</strong>,<br />

Präsi<strong>den</strong>t der Bürgerschaft, <strong>in</strong>: Drei <strong>Hamburg</strong>er im Parlamentarischen<br />

Rat: Adolph Schönfelder und Paul de Chapeaurouge, Hermann Schäfer, hg.<br />

Landeszentrale für politische Bildung, <strong>Hamburg</strong> 1999, S. 17.<br />

40 Entschädigungsakte Paul Thormann, Landesarchiv Schleswig (LAS).<br />

41 Der Parteiausschuss setzte sich aus <strong>den</strong> 13 Mitglieder des Landesvorstandes<br />

und <strong>den</strong> 36 Distriktsvorsitzen<strong>den</strong> zusammen. Der letzte<br />

Landesvorstand wurde auf der Generalversammlung am 25.1.1932 gewählt,<br />

<strong>Hamburg</strong>er Echo 26.1.1932; siehe auch Witt (wie Anm. 2), S. 202f.; <strong>die</strong><br />

zuverlässigsten Angaben über <strong>die</strong> Vorsitzen<strong>den</strong> der Distrikte gibt e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Auf</strong>stellung der Polizeibehörde, Die Polizeibehörde <strong>Hamburg</strong>, Betrifft: Beschlagnahme<br />

des Vermögens der S.P.D., 28.6.1933, FZH, 833-3 <strong>SPD</strong> <strong>Hamburg</strong><br />

1933<strong>–</strong>1945, allerd<strong>in</strong>gs war auch <strong>die</strong>se Liste nicht auf <strong>dem</strong> neuesten<br />

Stand, so hatten <strong>in</strong> Langenhorn Paul Thormann und Bruno Lauenroth <strong>die</strong><br />

Distriktsführung von Fritz Spangenberg und Wilhelm Hagen übernommen,<br />

Entschädigungsakte Paul Thormann, LAS.<br />

42 Hier wird fälschlicherweise der 18.6. als Tag der Versammlung<br />

genannt, Dokument 18: Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium des<br />

Innern, 21. Juni [1933], Timpke (wie Anm. 2), S. 118.<br />

43 Walter Schme<strong>dem</strong>ann: Die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> der Emigration und <strong>in</strong> der Widerstandsbewegung,<br />

o.D., FZH, 18-2.6. Nachlass Blankenfeld - AvS, Diverses;<br />

bestätigt wird <strong>die</strong>se Zahl von Friedrich Born; nach Staud<strong>in</strong>ger gab es 36<br />

Teilnehmer, nach Thormann nahmen gut 40 Leute teil, nach Dahrendorf<br />

waren es 30 bis 40 Teilnehmer, nach Berkmann wur<strong>den</strong> 67 <strong>SPD</strong>-Mitglieder<br />

verhaftet.<br />

44 Grete Zabe wird hier fälschlicherweise noch als Bürgerschaftsmitglied<br />

bezeichnet. Sie war am 14. Mai 1933 zurückgetreten, Dokument 18:<br />

Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium des Innern, 21. Juni [1933],<br />

Timpke (wie Anm. 2), S. 118.<br />

45 Die <strong>SPD</strong>-Abgeordneten hatten mit <strong>dem</strong> Rundschreiben vom<br />

24.6.1933 <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>forderung erhalten, Fahrkarten und Schlüssel bis zum<br />

30.6. abzugeben, „Die Nichtbefolgung <strong>die</strong>ser <strong>Auf</strong>forderung wird <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

meisten Fällen dar<strong>in</strong> ihren Grund haben, daß <strong>die</strong> Beteiligten sich <strong>in</strong> Verwahrung<br />

bef<strong>in</strong><strong>den</strong>“, Der Präsi<strong>den</strong>t der Bürgerschaft, 6.7.1933, StAH, 121-3 I<br />

Bürgerschaft I A 34/2;Verzeichnis [mit <strong>den</strong> neun Namen], 6.7.1933, StAH,<br />

121-3 I Bürgerschaft I A 34/2; Brügmanns Teilnahme wurde von se<strong>in</strong>em<br />

Sohn Gerhard bestätigt, Telefon<strong>in</strong>terview 13.9.2010; Hedwig Günther<br />

nennt Schumann als Teilnehmer bei ihrer Aussage gegen Karl Kaufmann<br />

am 20.10.1949, StAH, 213-11, 12790/57 Bd. 2.<br />

46 Für Freiheit und Demokratie. <strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okrat<strong>in</strong>nen und<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten <strong>in</strong> Verfolgung und Widerstand 1933<strong>–</strong>1945, hrsg. v. <strong>SPD</strong><br />

Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Arbeitskreis Geschichte und Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

ehemals verfolgter Sozial<strong>dem</strong>okraten, <strong>Hamburg</strong> 2003, S. 195.<br />

47 Der Sohn, Wilhelm Bock Junior, Jahrgang 1918, konnte sich nach<br />

Angaben der Enkel<strong>in</strong> 2009 nicht daran er<strong>in</strong>nern, dass der Vater bereits<br />

1933 vorübergehend <strong>in</strong> Haft gewesen ist. Für <strong>die</strong> Teilnahme von Wilhelm<br />

Bock gibt es e<strong>in</strong>en handschriftlichen H<strong>in</strong>weis <strong>in</strong> der AvS Kartei. Auch<br />

Hedwig Günther nennt Bock als Teilnehmer bei ihrer Aussage gegen Karl<br />

Kaufmann am 20.10.1949, StAH, 213-11, 12790/57 Bd. 2.<br />

48 Gesichtet wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> Wiedergutmachunsgakten von Born, Braune,<br />

Brunhöver, Dahrendorf, F<strong>in</strong>nern, Hartle<strong>in</strong>, Adolf Keilhack, Meitmann,<br />

Raloff, Saalfeld, Schacht, Willi Schme<strong>dem</strong>ann, Walter Schme<strong>dem</strong>ann,<br />

Sellmer, Tessnow, Ullrich, Westphal, Zabe, alle StAH, 351-11; Entschädigungsakte<br />

Paul Thormann, LAS Schleswig; Kurt Berkmann, Antrag auf<br />

Wiedergutmachung, Landesarchiv Ba<strong>den</strong>-Württemberg (LABW), Wie 33<br />

T 1 Nr. 3590; Berkmann nennt als Teilnehmer: Adolf Schönfelder, Hans<br />

Podeyn, Gustav Dahrendorf, Hans Staud<strong>in</strong>ger, Walter Schme<strong>dem</strong>ann und<br />

Willi Schüler, AdsD, Nachlass Else Berkmann.<br />

49 Karteiblatt der AvS (Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft ehemals verfolgten Sozial<strong>dem</strong>okraten),<br />

FZH, 18-2.3.5. Nachlass Blankenfeld. Der Tag der Entlassung<br />

deckt sich allerd<strong>in</strong>gs nicht mit <strong>den</strong> Angaben anderer Inhaftierter. Die<br />

meisten wur<strong>den</strong> am 22. und am 30. Juli 1933 entlassen. Auch verzeichnet<br />

das von der Polizei verwendete Funktionärsverzeichnis Baumann weder<br />

als Distriktsvorsitzen<strong>den</strong> noch das Bezirksführer. Allerd<strong>in</strong>gs befand sich<br />

das Verzeichnis nicht auf <strong>dem</strong> letzten Stand, Die Polizeibehörde <strong>Hamburg</strong>,<br />

Betrifft: Beschlagnahme des Vermögens der S.P.D., 28.6.1933, FZH, 833-3<br />

<strong>SPD</strong> <strong>Hamburg</strong> 1933-1945.<br />

50 Friedrich Born an das Amt für Wiedergutmachung, 12.4.1961, Wiedergutmachungsakte<br />

Friedrich Born, StAH, 351-11; <strong>die</strong> Teilnehmer wur<strong>den</strong><br />

vor allem durch <strong>die</strong> Sichtung von Wiedergutmachungsakten von <strong>in</strong> Frage<br />

kommen<strong>den</strong> Personen ermittelt, hier und <strong>in</strong> Berichten von Anwesen<strong>den</strong><br />

konnten weitere Teilnehmer ermittelt wer<strong>den</strong>, <strong>die</strong> Teilnahme von Wilhelm<br />

Bock ist auf der Karteikarte der AvS vermerkt, Mitgliederkartei, FZH,<br />

18-2.3.5. Nachlass Blankenfeld.<br />

51 Biographien von Dahrendorf, F<strong>in</strong>nern, Karp<strong>in</strong>ski, Irma Keilhack<br />

(frühere Schweder), Meitmann, Raloff, Saalfeld, Walter Schme<strong>dem</strong>ann,<br />

Schönfelder, Sellmer, Zabe, <strong>in</strong>: Für Freiheit und Demokratie (wie Anm. 46).<br />

52 Die Berechnung orientiert sich an <strong>den</strong> Mitgliederzahlen der<br />

<strong>Hamburg</strong>er Distrikte ohne Geesthacht und Cuxhaven im Verhältnis zur<br />

Gesamtmitgliederzahl nach <strong>den</strong> Angaben vom 31. Dezember 1928, Bericht<br />

der Landesorganisation / Sozial<strong>dem</strong>okratischer Vere<strong>in</strong> für das <strong>Hamburg</strong>ische<br />

Staatsgebiet: über <strong>die</strong> Geschäftsjahre 1927<strong>–</strong>1928, <strong>Hamburg</strong> o.J. [1929],<br />

S. 216f.<br />

53 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der<br />

<strong>SPD</strong> 1933), o.D., FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

54 Kopitzsch (wie Anm. 39), S.17.<br />

55 Karl Meitmann am 3. Februar 1965 an <strong>die</strong> Forschungsstelle für<br />

<strong>die</strong> Geschichte des Nationalsozialismus <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>, FZH, 8332 <strong>SPD</strong><br />

1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

56 Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S. 128.<br />

57 Dokument 18: Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium des<br />

Innern, 21. Juni [1933], Timpke (wie Anm. 2), S.118.<br />

58 Karl Meitmann am 3. Februar 1965 an <strong>die</strong> Forschungsstelle für<br />

<strong>die</strong> Geschichte des Nationalsozialismus <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>, FZH, 8332 <strong>SPD</strong><br />

1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

59 Witt (wie Anm. 2), S. 200.<br />

60 Dokument 18: Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium des<br />

Innern, 21. Juni [1933], Timpke (wie Anm. 2), S. 119.<br />

61 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der<br />

<strong>SPD</strong> 1933), o.D.,FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

62 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der<br />

<strong>SPD</strong> 1933), o.D.,FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

63 <strong>Hamburg</strong>er Anzeiger vom 17./18.6.1933; <strong>Hamburg</strong>er Frem<strong>den</strong>blatt<br />

vom 17.6.1933; <strong>Hamburg</strong>er Tageblatt vom 18.6.1933; <strong>Hamburg</strong>er Nachrichten<br />

vom 17.6.1933; <strong>Hamburg</strong>ischer Correspon<strong>den</strong>t vom 17.6.1933.<br />

64 Mitteilungen von Herrn Gutav Dahrendorf für Herrn Dr. Heffter<br />

und Herrn Biermann von der Forschungsstelle am 25. September 1950,<br />

FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.


65 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung der<br />

<strong>SPD</strong> 1933), o.D., FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

66 Keilhack (wie Anm. 19), S. 32.<br />

67 Lebensbilder von Frauen <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> nach 1945. Gesellschaftspolitisch<br />

aktive Frauen berichten über ihre Erfahrungen <strong>in</strong> der Kriegs- und<br />

Nachkriegszeit, hrsg. v. Landesverband <strong>Hamburg</strong>er Frauenr<strong>in</strong>g e.V., <strong>Hamburg</strong><br />

1989, S. 102f.; nach Irma Keilhack befan<strong>den</strong> sich <strong>die</strong> Frauen etwa e<strong>in</strong>e<br />

Woche <strong>in</strong> Haft, nur Grete Zabe gibt als letzten Hafttag <strong>den</strong> 26. Juni 1933 an,<br />

siehe Anm. 84.<br />

68 Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S. 128f.<br />

69 E<strong>in</strong> Leben für <strong>Hamburg</strong>. Aus <strong>den</strong> Er<strong>in</strong>nerungen Adolph Schönfelders,<br />

aufgezeichnet von Erich Lüth, <strong>Hamburg</strong>er Echo, 8.4.1960.<br />

70 Entschädigungsakte Paul Thormann, LAS.<br />

71 Ebd..<br />

72 Wiedergutmachungsakte Georg Raloff, StAH, 351-11.<br />

73 Wiedergutmachungsakten Adolf Keilhack und Karl Meitmann, StAH,<br />

351-11.<br />

74 Wiedergutmachungsakte Robert F<strong>in</strong>nern, StAH, 351-11.<br />

75 Else Berkmann, geb. Schlüter, Antrag auf Wiedergutmachung, LABW,<br />

Wie 33 T 1 Nr. 3591.<br />

76 Entschädigungsakte Paul Thormann, LAS.<br />

77 <strong>Hamburg</strong>er Tageblatt, 18.6.1933.<br />

78 Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S. 129.<br />

79 Ebd. S. 131.<br />

80 Karl Meitmann am 3. Februar 1965 an <strong>die</strong> Forschungsstelle für<br />

<strong>die</strong> Geschichte des Nationalsozialismus <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>, FZH, 8332 <strong>SPD</strong><br />

1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

81 In der Wiedergutmachungsakte wird der 23.6. angegeben, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Er<strong>in</strong>nerungen spricht Schme<strong>dem</strong>an von zwei Tage bis wenige Tage später,<br />

Schme<strong>dem</strong>ann (wie Anm. 37), S. 27; Walter Schme<strong>dem</strong>ann: Die <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong> der Emigration und <strong>in</strong> der Widerstandsbewegung, o.D., FZH, 18-2.6.<br />

Nachlass Blankenfeld - AvS, Diverses.<br />

82 Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S. 130f.<br />

83 Herbert Ruscheweyh an Irma Schacht, 26.6.1933, Privatbesitz Arlt.<br />

84 Die geme<strong>in</strong>same Verhaftung und Entlassung erwähnt Irma Keilhack,<br />

Grüße zum 100. Geburtstag <strong>in</strong>: Paula Karp<strong>in</strong>ski: Mit der Zeit wird man<br />

immer stärker, hrsg. von der <strong>SPD</strong> Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, <strong>Hamburg</strong><br />

1997, S. 15; Keilhack und Karp<strong>in</strong>ski machen unterschiedliche Angaben<br />

über <strong>die</strong> Dauer der Haft, siehe Anm. 67. Alle<strong>in</strong> Grete Zabe nennt konkrete<br />

Daten im Wiedergutmachungsantrag, danach befand sie sich vom 16. bis<br />

26.6.1933 <strong>in</strong> Haft, der 27.6. ist danach der Tag der Entlassung gewesen,<br />

Wiedergutmachungsakte Grete Zabe, StAH, 351-11.<br />

85 Polizeiherr war Richter, weitere Verhandlungen mit Ruscheweyh<br />

hatte Richter offensichtlich davon abhängig gemacht.<br />

86 Herbert Ruscheweyh an Jonni Schacht, 28.6.1933, Privatbesitz Arlt;<br />

das Schreiben ist veröffentlicht unter Jonni Schacht: Dokumente<br />

www.politisch-verfolgte.de; unter <strong>dem</strong> Aktenzeichen 24945 vertrat<br />

Ruscheweyh vermutlich alle Versammlungsteilnehmer, übere<strong>in</strong>stimmende<br />

Schreiben wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wiedergutmachungsakten von Schacht,<br />

Ullrich, Born und Braune sowie <strong>in</strong> der Entschädigungsakte von Thormann<br />

gefun<strong>den</strong>.<br />

87 Geme<strong>in</strong>t ist möglicherweise Max Lahts, NSDAP-Gau<strong>in</strong>spektor und<br />

später Präsi<strong>den</strong>t des Strafvollzugsamtes.<br />

88 Vermerk, 24. Juni 1933, W. Rupprecht, StAH, 121-3 I Bürgerschaft I A<br />

34/2.<br />

89 Dokument II: Verbot der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei Deutschlands,<br />

22.6.1933, <strong>in</strong>: Peter Grasmann: Sozial<strong>dem</strong>okraten gegen Hitler 1933<strong>–</strong>1945,<br />

München 1976, S. 142f.<br />

90 Protokoll der 7. (3.) Sitzung der Bürgerschaft, Mittwoch, <strong>den</strong> 28. Juni 1933.<br />

91 Die Polizeibehörde <strong>Hamburg</strong>, Betrifft: Beschlagnahme des Vermögens<br />

der S.P.D., 28.6.1933, FZH, 833-3 <strong>SPD</strong> <strong>Hamburg</strong> 1933<strong>–</strong>1945; Bezirke<br />

waren <strong>die</strong> Untergliederungen der Distrikte.<br />

92 Herbert Ruscheweyh an Jonni Schacht, 12.7.1933, Privatbesitz Arlt.<br />

93 Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S. 131.<br />

94 Entschädigungsakte Paul Thormann, LAS; E<strong>in</strong> Leben für <strong>Hamburg</strong>.<br />

Aus <strong>den</strong> Er<strong>in</strong>nerungen Adolph Schönfelders, aufgezeichnet von Erich Lüth,<br />

<strong>Hamburg</strong>er Echo 8.4.1960.<br />

95 Nach Staud<strong>in</strong>gers Er<strong>in</strong>nerung erfolgte se<strong>in</strong>e Entlassung am 17. Tag,<br />

Anmerkungen 29<br />

Staud<strong>in</strong>ger (wie Anm. 36), S.133, das wäre etwa der 3. Juli gewesen, nach<br />

<strong>den</strong> bisherigen Erkenntnissen ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Entlassung zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />

als eher unwahrsche<strong>in</strong>lich.<br />

96 Herbert Ruschweyh an Kurt Berkmann, 5.8.1933, AdsD, Nachlass<br />

Else Berkmann.<br />

97 Nach Thormann zweimal wöchentlich, Entschädigungsakte Paul<br />

Thormann, LAS; Ullrich musste täglich um 12.00 auf der Polizeiwache<br />

Marktplatz Eimsbüttel ersche<strong>in</strong>en., Wiedergutmachungsakte Karl Ullrich,<br />

StAH, 351-11.<br />

98 Ruscheweyh an Jonni Schacht, 9.10.1933, Privatbesitz Arlt.<br />

99 Wiedergutmachungsakte Friedrich Born, StAH, 351-11.<br />

100 Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil, O. Js. 324/35. Hausen und<br />

Andere (Anklage 6), FZH, 833-8.<br />

101 Wiedergutmachungsakte He<strong>in</strong>rich Braune, StAH, 351-11.<br />

102 Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil, O. Js. 324/35. Hausen und<br />

Andere (Anklage 6), FZH, 833-8. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Fall fan<strong>den</strong> nach<br />

bisherigen Erkenntnissen <strong>die</strong> Vorgänge um <strong>die</strong> „Echo“-Versammlung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen Verfahren Berücksichtigung. In der Anklageschrift<br />

gegen Karl Ullrich heißt es: „Im Jahre 1933 wurde er <strong>in</strong> Schutzhaft genommen,<br />

da er an e<strong>in</strong>er Zusammenkunft sozial<strong>dem</strong>okratischer Führer im<br />

Parteihaus <strong>in</strong> der Fehlandstrasse teilgenommen hatte. Im Juli 1933 wurde<br />

er aus der Schutzhaft entlassen“, Anklageschrift gegen Ullrich u.a., O Js<br />

267/35, FZH, 18-2.6. Nachlass Blankenfeld - AvS, Diverses.<br />

103 Eidesstattliche Erklärung von Herbert Dohrendorf, 24.5.1955,<br />

Wiedergutmachungsakte Karl Meitmann, StAH, 351-11.<br />

104 Herbert Ruscheweyh an Jonni Schacht, 29.11.1933, Privatbesitz Arlt.<br />

105 Herbert Ruscheweyh an Jonni Schacht, 6.12.1933, Privatbesitz Arlt.<br />

106 Martens: <strong>Weg</strong>weiser (wie Anm. 2), S. 15<strong>–</strong>18.<br />

107 Siehe Ditt (wie Anm. 2), S. 87-92.<br />

108 Wiedergutmachungsakte Robert F<strong>in</strong>nern, StAH, 351-11; zu Widerstand<br />

und Verfolgung siehe: Für Freiheit und Demokratie (wie Anm. 46),<br />

<strong>in</strong>sbesondere Walter Torm<strong>in</strong>: Verfolgung und Widerstand von <strong>Hamburg</strong>er<br />

Sozial<strong>dem</strong>okrat<strong>in</strong>nen und Sozial<strong>dem</strong>okraten 1933<strong>–</strong>1945, S. 10<strong>–</strong>22.<br />

109 Liste der Delegierten, o.D., AdsD, <strong>SPD</strong> Parteivorstand <strong>–</strong> Referat<br />

Organisation, Mappe 02986.<br />

110 Keilhack (wie Anm. 19), S. 33.<br />

111 Kurt Berkmann, Antrag auf Wiedergutmachung, LABW, Wie 33 T 1<br />

Nr. 3590.<br />

112 Mitteilungen von Herrn Gutav Dahrendorf für Herrn Dr. Heffter<br />

und Herrn Biermann von der Forschungsstelle am 25. September 1950,<br />

FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933<strong>–</strong>1945 Berichte.<br />

113 Liste der Delegierten, o.D., AdsD, <strong>SPD</strong> Parteivorstand <strong>–</strong> Referat<br />

Organisation, Mappe 02986.<br />

114 Hedwig Günther nennt Selbach zusammen mit Schumann, Bock<br />

und F<strong>in</strong>nern, Aussage gegen Karl Kaufmann am 20.10.1949, StAH, 213-11,<br />

12790/57 Bd. 2<br />

115 Zu Otto Schumann siehe: Frank Müller: Mitglieder der Bürgerschaft<br />

<strong>–</strong> Opfer totalitärer Verfolgung, 2. überarbeitete und ergänzte<br />

<strong>Auf</strong>lage, <strong>Hamburg</strong> 1995, S. 68f.<br />

116 Ke<strong>in</strong>e Informationen liegen über Willi Schüler vor.<br />

117 Walter Torm<strong>in</strong>: Die Geschichte der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> 1945 bis 1950,<br />

<strong>Hamburg</strong> 1995, S. 314.<br />

118 Liste der Delegierten, o.D., AdsD, <strong>SPD</strong> Parteivorstand <strong>–</strong> Referat<br />

Organisation, Mappe 02986.


Biographien der<br />

Versammlungsteilnehmer<br />

Baumann, Franz<br />

Berkmann, Kurt<br />

Bock, Wilhelm<br />

Born, Friedrich<br />

Braune, He<strong>in</strong>rich<br />

Brügmann, Bernhard<br />

Brunhöver, August<br />

Burrmeister, Otto<br />

Dahrendorf, Gustav<br />

Eisenbarth, He<strong>in</strong>rich<br />

F<strong>in</strong>nern, Robert<br />

Göthel, Emil<br />

Günther, Hedwig<br />

Hartle<strong>in</strong>, Paul,<br />

Karp<strong>in</strong>ski, Paula<br />

Keilhack, Adolf<br />

Keilhack, Irma<br />

Meitmann, Karl<br />

Mette, Dr. Alfred<br />

Podeyn, Hans<br />

Raloff, Georg<br />

Ruscheweyh, Dr. Herbert<br />

Saalfeld, Rudolf<br />

Schacht, Jonni<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, Walter<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, Willi<br />

Schönfelder, Adolph<br />

Schüler, Willi<br />

Schumann, Otto<br />

Selbach, Theodor<br />

Sellmer, Louis<br />

Staud<strong>in</strong>ger, Hans<br />

Tessnow, Willi<br />

Thormann, Paul<br />

Ullrich, Karl<br />

Westphal, Hans<br />

Zabe, Grete<br />

31


32<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Franz Ernst Baumann<br />

* 23.11.1886 † 16.6.1962<br />

Franz Baumann wurde <strong>in</strong> Altona geboren und trat<br />

1914 der <strong>SPD</strong> bei. Bis 1933 arbeitete er als Gewerkschaftsangestellter.<br />

Er wohnte <strong>in</strong> Barmbek-Nord <strong>in</strong><br />

der Rungestraße 12. Franz Baumann war bis 1933 Distriktsführer<br />

und nahm <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Funktion an der<br />

„Echo“-Versammlung teil. Er verlor se<strong>in</strong>en Arbeitsplatz<br />

und war 1937 e<strong>in</strong>e Woche sowie 1939 e<strong>in</strong>en Monat<br />

unter <strong>dem</strong> Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat<br />

<strong>in</strong> Haft.<br />

Nach 1945 arbeitete Franz Bauman als Bauführer<br />

und betätigte sich als Distriktsleiter am Wiederaufbau<br />

der <strong>SPD</strong>. Er starb am 16. Juni 1962.<br />

Karl Berkmann<br />

* 1.1.1903 † 7.10.1969<br />

Karl Berkmann wurde <strong>in</strong> Köln geboren. Nach der<br />

Schule absolvierte er e<strong>in</strong>e kaufmännische Ausbildung.<br />

Bis zum 10. Mai 1933 versah er Büro<strong>die</strong>nst <strong>in</strong> der Abteilung<br />

Gartenwesen der <strong>Hamburg</strong>er Baubehörde.<br />

Berk mann war Mitglied der <strong>SPD</strong> und gewerkschaftlich<br />

organisiert. In bei<strong>den</strong> Organisationen übte er<br />

Funktionen aus. In der gewerkschaftlichen Arbeit hatte<br />

Berkmann berechtigte Aussicht, im Laufe des Jahres<br />

1933 e<strong>in</strong>e Anstellung als Gewerkschaftssekretär zu erhalten.<br />

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />

machte <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>stiegsmöglichkeit zunichte. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus wurde Berkmann aus politischen Grün<strong>den</strong><br />

aus <strong>dem</strong> Staats<strong>die</strong>nst entlassen. Bis 1938 war er mit<br />

kurzen Unterbrechungen arbeitslos.<br />

Kurt Berkmann wohnte <strong>in</strong> der Reesestraße 1 zur<br />

Untermiete und leitete <strong>den</strong> Bezirk 25 im Distrikt<br />

Barmbek-Süd. Er wurde bei der „Echo“-Versammlung<br />

verhaftet und am 22. Juli 1933 aus <strong>dem</strong> Konzentrationslager<br />

<strong>Hamburg</strong>-Fuhlsbüttel entlassen. Im Zusammenhang<br />

mit der „Echo“-Versammlung wurde<br />

auch Berkmanns spätere Ehefrau Else Schlüter vorübergehend<br />

festgenommen und verhört. Schlüter war<br />

<strong>SPD</strong>-Abgeordnete der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft.<br />

Sie musste Hausdurchsuchungen über sich ergehen<br />

lassen und verlor ihren Arbeitsplatz als Kontorist<strong>in</strong><br />

bei der G.E.G. <strong>Hamburg</strong> (Große<strong>in</strong>kaufs-Gesellschaft<br />

Deutscher Consumvere<strong>in</strong>e). Bis 1934 stand Kurt Berkmann<br />

unter Polizeiaufsicht. Nach eigenen Angaben<br />

beteiligte er sich bis zu se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>berufung zur Wehrmacht<br />

1941 an der Widerstandsarbeit der <strong>SPD</strong>. Seit<br />

November 1943 hatte er se<strong>in</strong>en Wohnsitz <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen.<br />

Se<strong>in</strong>em Wiedergutmachungsantrag ist zu entnehmen,<br />

dass Kurt Berkmann der „NSDAP oder e<strong>in</strong>er<br />

ihrer Gliederungen“ angehörte. Dabei handelte es sich<br />

um Mitgliedschaften <strong>in</strong> der DAF (Deutsche Arbeits-


front) 1 von 1938 bis 1941 und der NSV (Nationalsozialistische<br />

Volkswohlfahrt) 1937 bis 1943. Aus bei<strong>den</strong><br />

Organisationen trat er nach eigenen Angaben wieder<br />

aus. Die Spruchkammer Tüb<strong>in</strong>gen stufte Berkmann<br />

als „Mitläufer ohne Maßnahmen“ e<strong>in</strong>.<br />

Nach 1945 gehörte Else Berkmann zu <strong>den</strong> Mitbegründern<br />

der <strong>SPD</strong> Württemberg-Hohenzollern. Von<br />

1960<strong>–</strong>1968 war sie Mitglied des Landtages von Ba<strong>den</strong>-<br />

Württemberg. Kurt Berkmann leitete von 1947 bis 1950<br />

<strong>die</strong> Volkshochschule Tüb<strong>in</strong>gen. Am 1. Februar 1950<br />

wechselte er als Tarifsekretär beim Hauptvorstand<br />

der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und<br />

Verkehr nach Stuttgart. 2<br />

Wilhelm Bock<br />

* 30.4.1886 † 21.8.1940<br />

Wilhelm Bock 33<br />

Wilhelm Bock wurde am 30. April 1886 <strong>in</strong> Hammerbrook<br />

als Sohn e<strong>in</strong>es Eisenbahnbeamten geboren.<br />

Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule machte er e<strong>in</strong>e<br />

Lehre bei e<strong>in</strong>er <strong>Hamburg</strong>er Bier-Im- und Exportfirma.<br />

Er verlor früh se<strong>in</strong>en Vater und nach <strong>dem</strong> Tod<br />

se<strong>in</strong>er Mutter lebte er bei Freun<strong>den</strong> se<strong>in</strong>er Eltern. Nach<br />

se<strong>in</strong>em Militär<strong>die</strong>nst war Wilhelm Bock drei Jahre<br />

<strong>in</strong> Nigeria und <strong>in</strong> Kamerun tätig. Die menschenunwürdigen<br />

Arbeitsverhältnisse der E<strong>in</strong>heimischen begründeten<br />

se<strong>in</strong> politisches Engagement, das 1911 <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> zum E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> führte. Wilhelm<br />

Bock heiratete 1913 Wiebke Krogmann. Das Ehepaar<br />

zog nach Eppendorf. Wilhelm Bock nahm als Soldat<br />

am Ersten Weltkrieg teil und machte sich nach der<br />

Revolution mit der Übernahme e<strong>in</strong>er Vertretung für<br />

Textilwaren selbstständig, später für Fahrräder und<br />

Autoreifen. In der Eppendorfer <strong>SPD</strong>-Parteiorganisation<br />

wurde er 1923 zum Distriktsführer gewählt. Wilhelm<br />

Bock gehörte <strong>dem</strong> Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an<br />

und war 1933 Mitglied des Landesvorstands der <strong>SPD</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus engagierte er sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Hamburg</strong>er Freimaurerloge. 1936 übernahm Bock e<strong>in</strong><br />

Geschäft für <strong>den</strong> Verkauf und <strong>die</strong> Vermietung von<br />

Feld- und Eisenbahnen. Se<strong>in</strong>e selbstständige Tätigkeit<br />

machte ihn f<strong>in</strong>anziell unabhängig und ermöglichte ihm<br />

unauffällige Reisen und Kontakte im Zusammenhang<br />

mit der Widerstandsarbeit.<br />

Wilhelm Bock nahm an der „Echo“-Versammlung<br />

teil, <strong>die</strong> am 15. und 16. Juni 1933 im Redaktionsgebäude<br />

der <strong>SPD</strong>-Parteizeitung stattfand. Die etwa 30<br />

Teilnehmer wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Nationalsozialisten verhaftet,<br />

misshandelt und nach fünf Wochen Haft wieder<br />

entlassen.<br />

Seit wann sich Wilhelm Bock aktiv am Widerstand<br />

beteiligte, ist nicht bekannt. Nach <strong>dem</strong> Verbot


34<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

der <strong>SPD</strong> durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten hatte Walter<br />

Schme<strong>dem</strong>ann <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> e<strong>in</strong>e illegale Parteiführung<br />

aufgebaut. Die Widerstandsorganisation richtete e<strong>in</strong>en<br />

eigenen Nachrichten<strong>die</strong>nst e<strong>in</strong>, der systematisch<br />

Informationen aus ganz <strong>Hamburg</strong> sammelte. Dieses<br />

Informationssystem lieferte auch <strong>die</strong> Nachrichten für<br />

<strong>die</strong> Roten Blätter, das illegale Organ der <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>SPD</strong>, das wöchentlich mit e<strong>in</strong>er <strong>Auf</strong>lage von mehreren<br />

1000 Exemplare hergestellt wurde und auch über<br />

<strong>Hamburg</strong> h<strong>in</strong>aus verbreitet wurde. Gleichzeitig wur<strong>den</strong><br />

<strong>die</strong> gesammelten Informationen über Kuriere <strong>dem</strong><br />

Prager Exilvorstand zur Verfügung gestellt. Die dort<br />

e<strong>in</strong>gegangenen Nachrichten wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Deutschland-Berichten<br />

veröffentlicht und wieder <strong>in</strong>s Land<br />

geschmuggelt. Über geheime Vertriebswege wur<strong>den</strong><br />

<strong>die</strong> illegalen Schriften des Exilvorstands aus Dänemark<br />

oder der Tschechoslowakei nach <strong>Hamburg</strong> geschafft<br />

und verteilt.<br />

Nach mehreren Verhaftungswellen stellte <strong>die</strong> illegale<br />

Parteiführung <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> <strong>die</strong> Produktion eigener<br />

Schriften e<strong>in</strong>. Von Kopenhagen aus koord<strong>in</strong>ierte<br />

Richard Hansen im <strong>Auf</strong>trag des Parteivorstands <strong>die</strong><br />

Widerstandsarbeit. Vermutlich schon 1936 spätestens<br />

aber 1937 übernahm Walter Sier<strong>in</strong>g aus Eppendorf<br />

<strong>die</strong> Leitung der Widerstandsaktivitäten <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong><br />

und organisierte <strong>den</strong> Informationsaustausch sowie<br />

<strong>die</strong> Materiallieferungen mit Richard Hansen. Nach<br />

Sier<strong>in</strong>gs Angaben war Wilhelm Bock, der über zahlreiche<br />

Kontakte vom Bürgertum bis zu Militärkreisen<br />

verfügte, se<strong>in</strong>e wichtigste Stütze. 1937 kam Wilhelm<br />

Bock zu Beratungen mit Richard Hansen im dänischen<br />

Kold<strong>in</strong>g zusammen. Am 1. März 1938 erhielt Sier<strong>in</strong>g<br />

<strong>die</strong> Mitteilung aus Kopenhagen, dass zwei Tage später<br />

e<strong>in</strong>e Lieferung e<strong>in</strong>treffen würde, <strong>die</strong> am <strong>Hamburg</strong>er<br />

Hauptbahnhof zu übernehmen sei. Sier<strong>in</strong>g, der durch<br />

<strong>die</strong> Verhaftung e<strong>in</strong>es Sozial<strong>dem</strong>okraten, der von <strong>den</strong><br />

Aktivitäten Kenntnis hatte, beunruhigt war, traf sich<br />

mit Bock, um <strong>die</strong> Lage zu beraten. Dieser riet zur<br />

sofortigen Flucht nach Dänemark und versprach, sich<br />

um <strong>die</strong> Sendung des illegalen Materials zu kümmern.<br />

Mit se<strong>in</strong>em Parteifreund, <strong>dem</strong> Kolonialwarenhändler<br />

Robert F<strong>in</strong>nern, der se<strong>in</strong> Fahrzeug zum Transport<br />

zur Verfügung stellte, wollte Wilhelm Bock <strong>die</strong><br />

Lieferung <strong>in</strong> Empfang nehmen. Als am 3. März 1938<br />

F<strong>in</strong>nern um 19.30 Uhr zur Übergabe der illegalen<br />

Sendung aus Dänemark durch <strong>den</strong> Kieler Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

Oskar Nielsen erschien, griff <strong>die</strong> Gestapo zu.<br />

Der Koffer mit <strong>dem</strong> illegalen Material enthielt 4 000<br />

Exemplare der Flugschrift Flugschriften wie „Lasst<br />

Tatsachen sprechen“ sowie e<strong>in</strong>e nicht näher bekannte<br />

Anzahl von Postsendungen. Noch am gleichen Abend<br />

wurde Wilhelm Bock verhaftet. Dieser hatte vermutlich<br />

schon unter Beobachtung gestan<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n e<strong>in</strong><br />

Gestapo-Spitzel hatte alle E<strong>in</strong>zelheiten verraten und<br />

<strong>die</strong> Verhaftung von langer Hand vorbereitet. Auch <strong>die</strong><br />

bei<strong>den</strong> Ehefrauen Hilde F<strong>in</strong>nern und Wiebke Bock<br />

sowie der zwanzigjährige Wilhelm Bock Junior wur<strong>den</strong><br />

für mehrere Tage verhaftet.<br />

Oskar Nielsen war <strong>den</strong> Metho<strong>den</strong> der Gestapo nicht<br />

gewachsen und starb schon nach zwei Tagen Haft.<br />

Wilhelm Bock und Robert F<strong>in</strong>nern wurde der Prozess<br />

vor <strong>dem</strong> Volksgerichtshof gemacht.<br />

Am 23. August 1938 wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> Angeklagten<br />

wegen Beihilfe zur Vorbereitung e<strong>in</strong>es hochverräterischen<br />

Unternehmens zu e<strong>in</strong>em Jahr und drei Monaten<br />

Gefängnis verurteilt. Nach<strong>dem</strong> <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> Männer ihre<br />

Strafe verbüßt hatten, wur<strong>den</strong> sie nicht freigelassen,<br />

sondern <strong>in</strong>s KZ Sachsenhausen überführt. Hier starb<br />

Wilhelm Bock am 21. August 1940 an Lungenentzündung,<br />

Herzschwäche und Darmkatarrh, wie es <strong>in</strong> der<br />

telegrafischen Nachricht hieß. Se<strong>in</strong> Parteifreund Robert<br />

F<strong>in</strong>nern war wenige Monate zuvor ebenfalls <strong>in</strong><br />

Sachsenhausen verstorben.<br />

1985 wurde <strong>in</strong> Alsterdorf der Wilhelm-Bock-<strong>Weg</strong><br />

nach <strong>dem</strong> Widerstandskämpfer benannt. Die Verlegung<br />

e<strong>in</strong>es Stolperste<strong>in</strong>s vor se<strong>in</strong>em letzten Wohnsitz<br />

im Hegestieg 14 fand 2009 statt. E<strong>in</strong> weiterer Stolperste<strong>in</strong><br />

er<strong>in</strong>nert seit 2010 vor <strong>dem</strong> <strong>SPD</strong>-Parteihaus <strong>in</strong> der<br />

Kurt Schumacher Allee 10 an ihn.


Friedrich Wilhelm Born<br />

* 18.4.1903<br />

Friedrich Born wurde <strong>in</strong> Magdeburg geboren und<br />

absolvierte nach der Volksschule von 1917 bis 1921<br />

e<strong>in</strong>e Ausbildung als Masch<strong>in</strong>enbauer. Anschließend<br />

arbeitete er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beruf, ab 1925 war er als Heizungsmonteur<br />

tätig und fand 1932 e<strong>in</strong>e Anstellung<br />

als Heizungsmonteur und Montagemeister bei der<br />

Wandsbeker Firma Karl M. Gross KG.<br />

Friedrich Born wurde1925 Mitglied der <strong>SPD</strong> und trat<br />

<strong>in</strong> das Reichsbanner e<strong>in</strong>. Hier betätigte er sich <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit <strong>dem</strong> Oberleutnant der Polizei, Carl<br />

Breuer, als Ausbilder der Schutzformation (Schufo).<br />

Born wohnte <strong>in</strong> der Düppelstraße 51 und engagierte<br />

sich im <strong>SPD</strong> Distrikt Harvestehude-Hoheluft zunächst<br />

als Bezirksleiter und später als Pionierleiter. Im Februar<br />

1932 wurde er zum Distriktsführer gewählt.<br />

Da Friedrich Born an mehreren Zusammenstößen<br />

des Reichsbanners mit der SA beteiligt war, sah er sich<br />

unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> der Verfolgung ausgesetzt.<br />

Bereits am 7. März 1933 suchten SA Männer bei ihm<br />

nach Waffen. Im April 1933 wur<strong>den</strong> er und andere<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten abgeholt. Born wurde aufgefordert,<br />

Aussagen, <strong>die</strong> er im Zusammenhang mit <strong>den</strong><br />

Zusammenstößen gemacht hatte, zurückzunehmen.<br />

Auch verlangten <strong>die</strong> NS-Schergen von Born, an Hitlers<br />

Geburtstag <strong>die</strong> Hakenkreuzflagge zu hissen. Daraufh<strong>in</strong><br />

tauchte Friedrich Born mehrere Wochen unter und<br />

nahm se<strong>in</strong>e Arbeit erst wieder auf, als sich <strong>die</strong> Lage<br />

etwas beruhigt hatte. Am 15. Juni 1933 folgte er der<br />

nach se<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerung „offiziell e<strong>in</strong>berufenen Sitzung<br />

der Funktionäre der S.P.D. im <strong>Hamburg</strong>er Echo“ und<br />

wurde verhaftet.<br />

Nach<strong>dem</strong> Friedrich Born zusammen mit anderen<br />

Teilnehmern am 22. Juli 1933 aus <strong>dem</strong> Gefängnis entlassen<br />

wor<strong>den</strong> war, geriet er bereits zwei Tage später<br />

Friedrich Wilhelm Born 35<br />

wieder <strong>in</strong> Haft. Born wurde im Zusammenhang mit<br />

Waffenfun<strong>den</strong> gesucht und nach se<strong>in</strong>er Verhaftung<br />

geprügelt, getreten und 24 Stun<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schrank<br />

e<strong>in</strong>gesperrt. Die schwere Misshandlung führte später<br />

zum Verlust der Zähne. Zusammen mir drei weiteren<br />

Reichsbannermännern kam er am 7. August 1933 vor<br />

e<strong>in</strong> Schnellgericht. Da <strong>die</strong> Gewehre ordnungsgemäß<br />

von der E<strong>in</strong>wohnerwehr übernommen wor<strong>den</strong> waren,<br />

wur<strong>den</strong> nur <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> Waffenbesitzer wegen Verbrechen<br />

gegen das Schusswaffengesetz zu sechs Monaten<br />

Haft verurteilt. Friedrich Born wurde h<strong>in</strong>gegen auf der<br />

Grundlage der „Schleicher-Amnestie“ freigesprochen.<br />

Die Gestapo ließ ihn allerd<strong>in</strong>gs nicht frei, sondern<br />

überführte ihn <strong>in</strong> das Konzentrationslager Fuhlsbüttel,<br />

wo er noch bis zum 28. August 1933 gefangen gehalten<br />

wurde.<br />

Friedrich Born konnte se<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Firma<br />

zunächst wieder aufnehmen. Im November 1934 erhielt<br />

er <strong>–</strong> nach se<strong>in</strong>er Ansicht aus politischen Grün<strong>den</strong> <strong>–</strong> <strong>die</strong><br />

Kündigung. Das Arbeitsamt lehnte e<strong>in</strong>e Vermittlung<br />

ab. Schließlich fand Born mit Hilfe von Gleichges<strong>in</strong>nten<br />

Ende Januar 1935 e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz bei der<br />

Firma Hei<strong>den</strong>reich & Harbeck, bei der schon andere<br />

Verfolgte untergekommen waren. Die Verfolgung<br />

durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten dauerte an. Als im März<br />

1938 Robert F<strong>in</strong>nern und Wilhelm Bock wegen e<strong>in</strong>er<br />

Sendung illegalen Materials aus Dänemark verhaftet<br />

wur<strong>den</strong>, musste Friedrich Born erneut e<strong>in</strong>e Hausdurchsuchung<br />

über sich ergehen lassen. Nach 1945<br />

engagierte sich Friedrich Born beim Wiederaufbau<br />

der <strong>SPD</strong> und übernahm wieder <strong>die</strong> Funktion e<strong>in</strong>es<br />

Distriktsleiters. Friedrich Born arbeitete zunächst als<br />

Behör<strong>den</strong>angestellter im Amt für Wirtschaft und von<br />

1947 bis 1961 als kaufmännischer Angestellter bevor er<br />

Sachbearbeiter beim Bundesluftschutzverband wurde.


36<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Aus der Wiedergutmachungsakte:<br />

III. Angaben über Verfolgung<br />

<strong>Auf</strong> Grund der Verfolgung, aus politischen Grün<strong>den</strong>,<br />

der N.S.D.A.P. wurde ich als Funktionär (Distriktsleiter)<br />

der S.P.D. am 16.6.1933 im „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ mit<br />

32 anderen Funktionären, wie Schönfelder, Meitmann,<br />

Staud<strong>in</strong>ger, Podeyn, Schme<strong>dem</strong>ann, Grete Zabe, Karp<strong>in</strong>ski<br />

u. anderen verhaftet und unter Anklage wegen<br />

Hochverrat gestellt, am 22.7.33 entlassen. Am 24.7.33<br />

erneut verhaftet und es wurde mir e<strong>in</strong> Verfahren, als<br />

Waffenmeister des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold<br />

gegen mich eröffnet wegen Verbrechen gegen das Schußwaffengesetz.<br />

Vor e<strong>in</strong>em Schnellgericht wurde ich auf<br />

Grund der Schleicher-Amnestie vom Dezember 32 freigesprochen.<br />

Mit <strong>die</strong>sem Freispruch war <strong>die</strong> Gestapo<br />

nicht e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong> und ich wurde nach Fuhlsbüttel,<br />

Frauenzuchthaus C 4 überführt, von hier am 28.8.1933<br />

entlassen, jedoch unter Polizeiaufsicht gestellt, welche<br />

im Dezember 33 aufgehoben wurde. Während <strong>die</strong>ser<br />

Zeit wurde me<strong>in</strong>e Entlassung [aus <strong>dem</strong> Betrieb, d.V.]<br />

betrieben & 7 Hausdurchsuchungen vorgenommen, bei<br />

welchen mir 17 Bücher, welche, da es sich zum Teil um<br />

Jubiläumsausgaben handelt, überhaupt nicht ersetzt<br />

wer<strong>den</strong> können, e<strong>in</strong> Teil kann ich nicht mehr genau<br />

angeben. Me<strong>in</strong>e R.B. [Reichsbanner] Ausrüstung wurde<br />

beschlagnahmt. Se<strong>in</strong>er Zeit stand ich <strong>in</strong> Beschäftigung<br />

als Heizungsmonteur & Montagemeister und hatte e<strong>in</strong>en<br />

Lohn von 1,52 RM, durch wiederholtes Nachfassen der<br />

Gestapo wurde ich im November 1934 wegen Arbeitsmangel<br />

entlassen. Während <strong>den</strong> Vernehmungen bei der<br />

Gestapo wur<strong>den</strong> mir 22 Zähne losgeschlagen, welche nie<br />

wieder richtig fest wur<strong>den</strong> und ich <strong>in</strong> Behandlung bei Dr.<br />

Blanke-Rower auf Parodondose behandelt & operiert<br />

wurde, dadurch erreichte ich e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>halten, verlor jedoch<br />

Zahn um Zahn u. b<strong>in</strong> heute Prothesenträger.<br />

He<strong>in</strong>rich Karl Adolf<br />

Braune<br />

* 8.11 1904 † 14.11.1990<br />

He<strong>in</strong>rich Braune wurde <strong>in</strong> Lüneburg geboren. Unter<br />

<strong>dem</strong> E<strong>in</strong>druck des Kapp-Putsches wurde er 1922 Mitglied<br />

der <strong>SPD</strong>. Er legte 1924 das Lehrerexamen ab und<br />

stu<strong>die</strong>rte anschließend Psychologie, Philosophie und<br />

Volkswirtschaft. Bereits im darauf folgen<strong>den</strong> Jahr wurde<br />

er Redakteur beim „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ und leitete<br />

das Feuilleton. Darüber h<strong>in</strong>aus arbeitete er als Sonderkorrespon<strong>den</strong>t<br />

für verschie<strong>den</strong>e Blätter im Ausland<br />

und als Auslandskorrespon<strong>den</strong>t für <strong>den</strong> damals noch<br />

jungen Rundfunk. Mit <strong>dem</strong> Verbot der Parteizeitung<br />

verlor He<strong>in</strong>rich Braune se<strong>in</strong>e wirtschaftliche Existenz.<br />

Vermutlich nahm er als bisheriger Mitarbeiter an der<br />

„Echo“-Versammlung teil.<br />

He<strong>in</strong>rich Braune erhielt Berufsverbot und war nach<br />

se<strong>in</strong>er Entlassung aus der Haft arbeitslos. Im November<br />

1933 wurde er noch e<strong>in</strong>mal zehn Tage im KZ Fuhlsbüttel<br />

gefangen gehalten. Se<strong>in</strong>e Bemühungen, sich<br />

e<strong>in</strong>e neue Existenz als freier Schriftsteller aufzubauen,<br />

scheiterten zunächst daran, dass er nicht <strong>in</strong> <strong>den</strong> gleichgeschalteten<br />

Reichsverband Deutscher Schriftsteller,<br />

später Reichsschrifttumskammer, aufgenommen wurde.<br />

Zwar erreichte er <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>nahme im Jahre 1934,<br />

doch der Versuch, sich <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> als Werbeberater<br />

zu etablieren, schlug fehl. Um der Verfolgung zu entgehen,<br />

verzog He<strong>in</strong>rich Braune nach Berl<strong>in</strong> und fand<br />

1935/36 Arbeit <strong>in</strong> der Filmbranche. Er wurde 1943 zur<br />

Wehrmacht e<strong>in</strong>gezogen und kehrte im Sommer 1948<br />

aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück nach <strong>Hamburg</strong>.<br />

Am 1. Dezember 1948 setzte er se<strong>in</strong>e Arbeit beim<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“ als stellvertretender Chefredakteur<br />

fort. Im Jahr darauf gründete er mit der „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Morgenpost“ <strong>die</strong> erste deutsche Boulevardzeitung nach<br />

<strong>dem</strong> Krieg. Bis 1968 war er Chefredakteur der „Mopo“<br />

und bis 1986 ihr Herausgeber. He<strong>in</strong>rich Braune wurde<br />

1975 mit <strong>dem</strong> Bundesver<strong>die</strong>nstkreuz gegehrt. Er starb<br />

am 14. November 1990 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.


Bernhard Ernst Mart<strong>in</strong><br />

Brügmann<br />

* 8.4.1899 † 8.12.1987<br />

Bernhard Brügmann wurde <strong>in</strong> Kiel geboren und<br />

besuchte bis 1913 <strong>die</strong> Volksschule. 1914 kam er nach<br />

<strong>Hamburg</strong>. Bis 1917 arbeitete bei verschie<strong>den</strong>en Firmen<br />

als Haus<strong>die</strong>ner, Arbeitsbursche und Bote. Von 1917<br />

bis 1919 leistete er Militär<strong>die</strong>nst. Von 1920 bis 1932<br />

arbeitete er als Bote für <strong>die</strong> Deutsche Bank <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

Bernhard Brügmann gehörte der sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Jugendorganisation an, wo er se<strong>in</strong>e spätere<br />

Frau kennenlernte, und trat frühzeitig <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>.<br />

Er wohnte <strong>in</strong> der Tischbe<strong>in</strong>straße Nr. 6 und leitete<br />

<strong>den</strong> <strong>SPD</strong> Distrikt Barmbek-Nord. 1933 gehörte er der<br />

<strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft an. Als Distriktsführer<br />

nahm er an der „Echo“-Versammlung teil und wurde<br />

mehrere Wochen <strong>in</strong>haftiert.<br />

1934 wurde er wieder von der Deutschen Bank e<strong>in</strong>gestellt.<br />

1940 wurde Bernhard Brügmann zur Wehrmacht<br />

e<strong>in</strong>gezogen. Nach <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg arbeitete<br />

er wieder als Bote für <strong>die</strong> Deutsche Bank und<br />

engagiert sich im Betriebsrat, wo er<strong>den</strong> Vorsitz ausübte.<br />

Später übernahm er bis zum E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> der Ruhestand<br />

1965 als Prokurist Leitungsverantwortung. 1978 verzog<br />

Bernhard Brügmann zu se<strong>in</strong>em Sohn nach Rottenburg.<br />

Dort starb er am 8. Dezember 1987.<br />

August Christoph<br />

Brunhöver<br />

* 5.12.1875 † 9.3.1952<br />

Bernhard Ernst Mart<strong>in</strong> 37<br />

August Brunhöver wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren. Bevor<br />

er 1908 Angestellter des Deutschen Metallarbeiter-<br />

Verbandes wurde, arbeitete er auf der Werft als Nieter.<br />

August Brunhöver wohnte <strong>in</strong> der He<strong>in</strong>estraße, heute<br />

<strong>Hamburg</strong>er Berg, St. Pauli. 1910 heiratete er Anna Haberlandt.<br />

Er gehörte der <strong>SPD</strong> an und war von 1912 bis<br />

1918 Distriktsführer. Von 1929 bis 1933 war er Mitglied<br />

des Landesvorstands.<br />

Nach der Besetzung des Gewerkschaftshauses wurde<br />

August Brunhöver zum 30. Juni 1933 entlassen.<br />

Er nahm an der „Echo“-Versammlung teil und blieb<br />

nach se<strong>in</strong>er Entlassung arbeitslos. Ab 1936 bezog er<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Angestelltenrente <strong>in</strong> Höhe von monatlich<br />

64,50 RM. Mitte 1939 gelang es August Brunhöver, beim<br />

Geme<strong>in</strong>schaftswerk Versorgungsr<strong>in</strong>g <strong>Hamburg</strong>, <strong>dem</strong><br />

Nachfolger der von <strong>den</strong> Nationalsozialisten zerschlagenen<br />

Konsumgenossenschaft „Produktion“, e<strong>in</strong>e Anstellung<br />

als Kontorist zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Er ver<strong>die</strong>nte zunächst<br />

monatlich 150 RM, später 190 RM. Seit E<strong>in</strong>kommen<br />

lag damit immer noch deutlich unter se<strong>in</strong>em früheren<br />

Gehalt bei der Gewerkschaft, das zuletzt 338 RM<br />

betragen hatte. Zum 1.1.1941 trat August Brunhöver <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Ruhestand. Er starb am 9. März 1952 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.


38<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Otto Bernhard Friedrich<br />

Burrmeister<br />

* 14.10.1899 † 21.10.1966<br />

Otto Burrmeister wurde als Sohn e<strong>in</strong>es Bauhilfsarbeiters<br />

geboren und wuchs mit sieben Geschwistern<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> auf. Nach der Volksschule machte er e<strong>in</strong>e<br />

kaufmännische Ausbildung. Er trat während des Ersten<br />

Weltkrieges der Arbeiterjugend bei und gehörte als<br />

Soldat 1918/1919 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> <strong>dem</strong> Soldatenrat an. Als<br />

Autodidakt und durch <strong>den</strong> Besuch der Volkshochschule<br />

bildete sich Otto Burrmeister fort und übernahm<br />

bereits 1923 als Prokurist Leitungsverantwortung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Exportfirma. Später war er als Werbefachmann<br />

tätig. Otto Burrmeister entwarf das Zeichen der Eisernen<br />

Front, <strong>die</strong> drei Pfeile. Politische Arbeit leistete<br />

er im Distrikt Eimsbüttel. Als Teilnehmer der „Echo“-<br />

Versammlung wurde er <strong>in</strong>haftiert. Otto Burrmeister<br />

beteiligte sich an Widerstandsaktivitäten und hatte<br />

Verb<strong>in</strong>dungen nach Norwegen und Schwe<strong>den</strong>. Nach<br />

se<strong>in</strong>er Entlassung war er fünf Jahre ohne Arbeit. Von<br />

1939 bis 1945 musste er Kriegs<strong>die</strong>nst leisten.<br />

Nach <strong>dem</strong> Krieg engagierte sich Otto Burrmeister<br />

beim Wiederaufbau der <strong>SPD</strong> und arbeitete als Verwaltungsdirektor<br />

am Deutschen Schauspielhaus <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>. Im W<strong>in</strong>ter 1946/47 organisierte er nichtgenehmigte<br />

Kohlentransporte von Reckl<strong>in</strong>ghausen nach<br />

<strong>Hamburg</strong>, um das Theater beheizen zu können. Unter<br />

der Schirmherrschaft von Bürgermeister Brauer traten<br />

im Sommer 1947 als Dank <strong>Hamburg</strong>er Schauspieler <strong>in</strong><br />

Reckl<strong>in</strong>ghausen auf. Aus <strong>die</strong>ser Initiative entstan<strong>den</strong><br />

<strong>die</strong> Ruhrfestspiele.<br />

1948 wechselte Otto Burrmeister als Kulturreferent<br />

zum DGB-Bundesvorstand. Er organisierte <strong>die</strong><br />

Ruhrfestspiele und übte deren künstlerische Leitung<br />

von 1952 bis 1965 aus. Er war Träger des Kulturpreises<br />

des DGB. Für se<strong>in</strong>e Ver<strong>die</strong>nste wur<strong>den</strong> ihm 1959<br />

das Große Ver<strong>die</strong>nstkreuz der Bundesrepublik und<br />

1966 <strong>die</strong> Ehrenbürgerschaft der Stadt Reckl<strong>in</strong>ghau-<br />

sen verliehen. Otto Burrmeister starb wenige Monate,<br />

nach<strong>dem</strong> er <strong>die</strong> Leitung der Festspiele abgegeben hatte,<br />

am 21. Oktober 1966.<br />

In Reckl<strong>in</strong>ghausen wurde er mit der Benennung der<br />

Otto-Burrmeister-Allee und der Otto-Burrmeister-<br />

Realschule geehrt. In <strong>Hamburg</strong> wurde der Otto-Burrmeister-R<strong>in</strong>g<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-Bramfeld nach ihm benannt.


Gustav Dahrendorf<br />

* 8.2.1901 † 30.10.1954<br />

Als Sohn e<strong>in</strong>es Arbeiters <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren,<br />

absolvierte er nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule e<strong>in</strong>e<br />

kaufmännische Lehre. Bereits 1917 trat er <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gewerkschaft<br />

e<strong>in</strong>, 1918 wurde er Mitglied der <strong>SPD</strong>. Dahrendorf,<br />

der schon nach <strong>dem</strong> Schulabschluss Mitglied<br />

der Arbeiterjugend gewor<strong>den</strong> war, engagierte sich<br />

später bei <strong>den</strong> Jungsozialisten. Er gehörte <strong>dem</strong> Reichsausschuss<br />

der Jungsozialisten an und war führend<br />

<strong>in</strong> <strong>dem</strong> 1923 gegründeten „Hofgeismarer Kreis“ aktiv.<br />

Nach der Berufsausbildung arbeitete Dahrendorf<br />

zunächst als Angestellter des Zentralverbands der<br />

Angestellten, 1924 wechselte er als Redakteur zum<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“. In der Weimarer Zeit entwickelte<br />

sich Dahrendorf <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> zu e<strong>in</strong>em vielversprechen<strong>den</strong><br />

Nachwuchspolitiker. Er gehörte <strong>dem</strong> <strong>SPD</strong>-<br />

Landesvorstand von 1921 bis 1933 an, war Mitglied des<br />

Gauvorstands des Reichsbanners und wurde 1927 <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft sowie am 6. November<br />

1932 <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag gewählt.<br />

Nach der Machtübernahme durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

wurde Gustav Dahrendorf unter <strong>dem</strong> Bruch<br />

der Immunität am 24. März 1933 für drei Tage <strong>in</strong>haftiert.<br />

In <strong>die</strong>ser Zeit erfolgte <strong>die</strong> Durchsuchung se<strong>in</strong>er<br />

Wohnung und <strong>die</strong> Beschlagnahmung von Literatur<br />

durch <strong>die</strong> Gestapo. Die neuen Machthaber veranlassten<br />

se<strong>in</strong>e Entlassung als Redakteur. Dahrendorf nahm am<br />

16. Juni 1933 an der Parteivorstands- und -ausschusssitzung<br />

im Redaktionsgebäude des <strong>Hamburg</strong>er Echos<br />

<strong>in</strong> der Fehlandstraße teil. Er wurde wie <strong>die</strong> anderen<br />

Anwesen<strong>den</strong> von der Gestapo verhaftet und bis Anfang<br />

August 1933 gefangen gehalten.<br />

Dahrendorf setzte sich nach Berl<strong>in</strong> ab und fand hier<br />

im Dezember 1933 e<strong>in</strong>e Anstellung bei der Märkischen<br />

Brikett- und Kohlen-Verkaufs AG. Vermutlich brachte<br />

ihn das Vorstandsmitglied Herbert Dorendorf, der zu-<br />

Gustav Dahrendorf 39<br />

vor schon für <strong>die</strong> Sicherheit von Karl Meitmann gesorgt<br />

hatte, bei der Aktiengesellschaft unter. Dahrendorf erhielt<br />

am 1. Juli 1936 Prokura und wurde am 1. Mai 1940<br />

Vorstandsmitglied und Direktor der Firma. Immerh<strong>in</strong><br />

ermöglichte ihm <strong>die</strong> gesicherte wirtschaftliche Existenz,<br />

se<strong>in</strong>en Vater, Gustav Dahrendorf, und se<strong>in</strong>en Schwiegervater,<br />

Otto Witt, f<strong>in</strong>anziell zu unterstützen. Beide,<br />

der e<strong>in</strong>e als Angestellter beim Arbeitsamt, der andere<br />

als Gärtner bei der Friedhofsverwaltung Ohlsdorf,<br />

waren von <strong>den</strong> Nationalsozialisten 1933 aus politischen<br />

Grün<strong>den</strong> entlassen wor<strong>den</strong>.<br />

Dahrendorf unterhielt Kontakt zu <strong>dem</strong> Widerstandskreis<br />

um Theodor Haubauch, Julius Leber und<br />

Wilhelm Leuschner und beteiligte sich aktiv an <strong>den</strong><br />

Umsturzplanungen. Er war für <strong>den</strong> Wehrkreis X (<strong>Hamburg</strong>)<br />

als politischer Beauftragter vorgesehen. Nach<br />

<strong>dem</strong> Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erfolgte drei<br />

Tage später se<strong>in</strong>e Verhaftung <strong>in</strong> Buckow / Märkische<br />

Schweiz. Unter <strong>dem</strong> Vorwurf des Landesverrats wurde<br />

ihm vor <strong>dem</strong> Volksgerichtshof der Prozess gemacht.<br />

Während <strong>die</strong> Mitangeklagten Julius Leber, Hermann<br />

Maass und Adolf Reichwe<strong>in</strong> wegen ihrer Zusammenarbeit<br />

mit Wilhelm Leuschner und Carl Friedrich<br />

Goerdeler am 20. Oktober 1944 zum Tode verurteilt<br />

wur<strong>den</strong>, erhielt Dahrendorf für se<strong>in</strong>e Mitwisserschaft<br />

sieben Jahre Zuchthaus. Bis zu se<strong>in</strong>er Verurteilung<br />

wurde er im Berl<strong>in</strong>er Gestapo-Gefängnis und im KZ<br />

Ravensbrück gefangen gehalten. Hier war er schweren<br />

körperlichen Misshandlungen ausgesetzt. Am 28. April<br />

1945 wurde er von sowjetischen Panzertruppen<br />

aus <strong>dem</strong> Zuchthaus Bran<strong>den</strong>burg befreit. Auch der<br />

erst 15-jährige Sohn Ralf wurde Ende November 1944<br />

verhaftet und bis zum 30. Januar 1945 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em KZ bei<br />

Frankfurt an der Oder gefangen gehalten.


40<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Nach <strong>dem</strong> Zusammenbruch des NS-Regimes arbeitete<br />

Dahrendorf im Juni und Juli 1945 beim Magistrat<br />

der Stadt Berl<strong>in</strong>. Von August 1945 bis Januar 1946 war<br />

er als Vizepräsi<strong>den</strong>t der Deutschen Zentralverwaltung<br />

der Brennstoff<strong>in</strong>dustrie für <strong>die</strong> Sowjetische Zone tätig.<br />

Er engagierte sich beim <strong>Auf</strong>bau der Berl<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong> und<br />

wurde <strong>in</strong> <strong>den</strong> sozial<strong>dem</strong>okratischen Zentralausschuss<br />

gewählt. Anfangs von der Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Zusammenführung<br />

von <strong>SPD</strong> und KPD überzeugt, bekämpfte<br />

er bald <strong>die</strong> von der sowjetischen Besatzungsmacht<br />

betriebene Zwangsvere<strong>in</strong>igung.<br />

Nach<strong>dem</strong> Gegner der Vere<strong>in</strong>igung verhaftet oder<br />

verschwun<strong>den</strong> waren, floh Dahrendorf nach <strong>Hamburg</strong>.<br />

Er wurde <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vorstand der Konsumgenossenschaft<br />

„Produktion“ gewählt, 1948 erfolgte se<strong>in</strong>e Berufung <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Geschäftsführung der Große<strong>in</strong>kaufs-Gesellschaft<br />

Deutscher Konsumgenossenschaften (GEG), später<br />

wurde er Vorsitzender der Geschäftsleitung. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus übte er ab 1951 im Vorstand des Zentralverbandes<br />

deutscher Konsumgenossenschaften <strong>den</strong> Vorsitz<br />

aus.<br />

Dahrendorf wurde im Oktober 1946 <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische<br />

Bürgerschaft gewählt und gehörte ab 1948<br />

<strong>dem</strong> Fraktionsvorstand an. Als Vizepräsi<strong>den</strong>t war er<br />

von 1947 bis 1949 im Frankfurter Wirtschaftsrat tätig.<br />

Gustav Dahrendorf erlag am 30. Oktober 1954 <strong>in</strong><br />

Braunlage/Harz e<strong>in</strong>em Herzlei<strong>den</strong>.<br />

In Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg wurde 1957 <strong>die</strong> Dahrendorfzeile<br />

nach ihm benannt, <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-Horn 1964<br />

der Dahrendorfweg.<br />

Mitteilungen von Herrn Gustav Dahrendorf für Herrn<br />

Dr. Hefter und Herrn Biermann von der Forschungsstelle<br />

am 25. September 1950 4 :<br />

… Kaufmann war sehr bemüht, Kontakt zur Arbeiterschaft<br />

zu erhalten. Er war sich der Stärke der organisierten<br />

Arbeiterschaft <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> durchaus bewusst.<br />

So war er auch daran <strong>in</strong>teressiert, <strong>die</strong> Leser des bereits<br />

verbotenen „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ für <strong>den</strong> „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Anzeiger“ zu gew<strong>in</strong>nen, <strong>den</strong> <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

kontrollierten. Diese Bemühungen hatten aber ke<strong>in</strong>en<br />

Erfolg, und so entstand der Plan bei ihnen, das „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo“ mit e<strong>in</strong>er anderen Redaktion evt. wieder<br />

aufzumachen. Kaufmann wandte sich im Mai 1933 mit<br />

e<strong>in</strong>em <strong>die</strong>sbezüglichen Vorschlag über e<strong>in</strong>en Mittelsmann<br />

an <strong>den</strong> früheren Schulsenator Emil Krause. (Auch<br />

e<strong>in</strong> ehemaliges Mitglied der Echo-Redaktion) In <strong>die</strong>sem<br />

Plan war vorgesehen, dass D[ahrendorf]. Chefredakteur<br />

der neuen Echo-Redaktion wer<strong>den</strong> sollte mit der<br />

Berechtigung, von sich aus 3 Redakteure zu benennen,<br />

während <strong>die</strong> Nationalsozialisten 3 weitere Redakteure<br />

bestimmen wür<strong>den</strong>.<br />

D[ahrendorf]. stand zwar <strong>dem</strong> Plan von vornhere<strong>in</strong><br />

ablehnend gegenüber, wollte aber <strong>die</strong> dadurch gegebene<br />

Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er Aussprache unter <strong>den</strong> führen<strong>den</strong><br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten benutzen. Er ließ daher Kaufmann sagen,<br />

er müsse <strong>die</strong> Angelegenheit im Kreise se<strong>in</strong>er Freunde<br />

besprechen. Kaufmann gab hierzu se<strong>in</strong>e Zustimmung.<br />

Die hiernach e<strong>in</strong>berufene Sitzung fand (wahrsche<strong>in</strong>lich)<br />

am 13. Juni 1933 [richtig: 15. Juni] statt.<br />

D[ahrendorf]. kann <strong>den</strong> Term<strong>in</strong> nicht mit voller Sicherheit<br />

bestimmen; er besaß aber zu <strong>die</strong>ser Zeit noch se<strong>in</strong>en<br />

Reichstagsausweis. Bei der Beratung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Räumen<br />

<strong>in</strong> der Fehlandstrasse vor sich g<strong>in</strong>g, waren etwa 30<strong>–</strong>40<br />

führende Vertreter der <strong>SPD</strong> anwesend, darunter Schönfelder,<br />

Meitmann, Eisenbarth, Podeyn, Dr. Staud<strong>in</strong>ger,<br />

Dr. Mette, Saalfeld. Die Sitzung dauerte bis Mitternacht,<br />

und es wurde beschlossen, da man annahm, <strong>die</strong> Erlaubnis<br />

dafür zu haben, sie am nächsten Tag fortzusetzen.<br />

Am folgen<strong>den</strong> Tag trat man im Sitzungssaal der <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong> der Theaterstraße zusammen. Gegen 11 Uhr hörte<br />

man Geräusche von draussen. Durch <strong>die</strong> Fenster kamen<br />

etwa 6 SA-Leute mit gezücktem Revolver, <strong>die</strong> „Hände<br />

hoch!“ riefen. Dr. Mette gelang es als e<strong>in</strong>zigem, aus<br />

der Versammlung zu entkommen; <strong>die</strong> anderen wur<strong>den</strong>


zum Quartier des Kommandos z.b.V. <strong>in</strong> <strong>den</strong> Grossen<br />

Bleichen brach.<br />

Zu <strong>die</strong>ser Zeit gab es noch ke<strong>in</strong> System der Quälerei<br />

von Gefangenen, und <strong>die</strong> Nazis schöpften aus ihrer eigenen,<br />

noch dürftigen und mehr k<strong>in</strong>dlichen als sadistischen<br />

Fantasie. D[ahrendorf]. musste e<strong>in</strong>en „Weihnachtsbaum“<br />

aus schwarzrotgol<strong>den</strong>en Bändern anfertigen sowie e<strong>in</strong>en<br />

der Titel aus <strong>dem</strong> „<strong>Hamburg</strong>er Anzeiger“ über<br />

Hitler vorlesen, wobei man ihm <strong>die</strong> richtige Betonung<br />

beizubr<strong>in</strong>gen versuchte. Im Laufe der Nacht erschien<br />

Kaufmann mit se<strong>in</strong>em Stab, darunter Richter, Stanik,<br />

Grahl (Letzterer hat sich 1945 umgebracht). Kaufmann<br />

vernahm D[ahrendorf]. und behauptete, man hätte<br />

am Versammlungsort das Exemplar e<strong>in</strong>er vervielfältigen<br />

Denkschrift gefun<strong>den</strong>. Dahrendorfs H<strong>in</strong>weis auf<br />

<strong>die</strong> Genehmigung der Versammlung blieb ohne je<strong>den</strong><br />

E<strong>in</strong>druck auf Kaufmann<br />

In der Nacht wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ige der Gefangenen misshandelt,<br />

darunter Schönfelder und Meitmann. Die Gefangenen<br />

wur<strong>den</strong> dann <strong>in</strong> das Strafjustizgebäude gebracht,<br />

von wo Dahrendorf und Meitmann nach Fuhlsbüttel<br />

kamen. Die bei<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> als letzte im August entlassen<br />

mit der <strong>Auf</strong>lage, sich regelmäßig bei der Polizei zu mel<strong>den</strong>.<br />

D[ahrendorf]., der ke<strong>in</strong>e Arbeit hatte, hielt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Zeit Arbeitslosenunterstützung. Kaufmann gab dann<br />

se<strong>in</strong>e Genehmigung zur Übersiedlung D[ahrendorf].‘s<br />

nach Berl<strong>in</strong>, wo er sich auch polizeilich mel<strong>den</strong> musste.<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth<br />

* 7.7.1884 † 1.8.1950<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth 41<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth wurde <strong>in</strong> Koblenz geboren.<br />

Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule erlernte er bis 1901<br />

das Tischlerhandwerk. Anschließend begab er sich<br />

auf Wanderschaft und leistete Militär<strong>die</strong>nst. 1907 kam<br />

He<strong>in</strong>rich Eisenbarth nach <strong>Hamburg</strong>, wo er sich im<br />

darauf folgen<strong>den</strong> Jahr der <strong>SPD</strong> anschloss. Von 1915<br />

bis 1918 nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Nach se<strong>in</strong>er<br />

Rückkehr fand er e<strong>in</strong>e Anstellung beim <strong>Hamburg</strong>er<br />

Arbeitsamt. 1919 wurde er <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft<br />

gewählt, der er bis 1933 angehörte. Ebenfalls von<br />

1919 bis 1933 übte er das Amt des 2. Vorsitzen<strong>den</strong> der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> aus und bis 1930 führte er im Reichsbanner<br />

<strong>den</strong> Gau <strong>Hamburg</strong>-Bremen-Nordhannover.<br />

Als Senator leitete He<strong>in</strong>rich Eisenbarth von 1925 bis<br />

1933 <strong>die</strong> Jugend- und Gesundheitsbehörde. <strong>Weg</strong>en<br />

der Teilnahme an der „Echo“-Versammlung kam er<br />

1933 für mehrere Wochen <strong>in</strong> Haft. Nach <strong>dem</strong> Hitler-<br />

Attentat von 20. Juli 1944 wurde He<strong>in</strong>rich Eisenbarth<br />

im Zuge der „Aktion Gewitter“ erneut verhaftet. Nach<br />

der Befreiung wurde er wieder zum Senator berufen<br />

und übernahm se<strong>in</strong>e früheren <strong>Auf</strong>gaben. Unter Bürgermeister<br />

Max Brauer wechselte er als Senator zur<br />

Sozialbehörde. Später gehörte auch <strong>die</strong> Arbeitsbehörde<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zuständigkeit. He<strong>in</strong>rich Eisenbarth starb am<br />

1. August 1950.


42<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Robert F<strong>in</strong>nern<br />

* 13.3.1894 † 22.4.1940<br />

Robert F<strong>in</strong>nern wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren und<br />

erlernte nach <strong>dem</strong> Schulbesuch das Schlosserhandwerk.<br />

Von 1919 bis 1926 war er als Schlossergeselle <strong>in</strong><br />

der Kunst- und Bauschlosserei H. L. Me<strong>in</strong>hardt tätig.<br />

Anschließend wechselte er zur Konsumgenossenschaft<br />

„Produktion”, wo er bis zum 1. April 1933 beschäftigt war.<br />

Robert F<strong>in</strong>nern trat 1912 <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. 1920 übernahm<br />

er <strong>die</strong> Funktion e<strong>in</strong>es Bezirksführers, von 1929<br />

bis 1933 war er Distriktsführer <strong>in</strong> Eppendorf-W<strong>in</strong>terhude.<br />

In <strong>die</strong>ser Eigenschaft nahm er am 16. Juni<br />

1933 an der Parteivorstands- und -ausschusssitzung<br />

im Redaktionsgebäude des „<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der<br />

Fehlandstraße teil. Bei der Besetzung des Hauses durch<br />

<strong>die</strong> Gestapo wurde auch F<strong>in</strong>nern verhaftet. Nach sechs<br />

Wochen Schutzhaft wurde er am 29. Juli 1933 wieder<br />

freigelassen. Se<strong>in</strong>e Frau Hilde hatte während <strong>die</strong>ser<br />

Zeit zwei Hausdurchsuchungen erdul<strong>den</strong> müssen.<br />

Der politisch motivierten Entlassung bei der „Produktion”<br />

folgte e<strong>in</strong>e Zeit der Arbeitslosigkeit bis es<br />

Robert F<strong>in</strong>nern und se<strong>in</strong>er Frau unter Zuhilfenahme<br />

e<strong>in</strong>es Darlehens gelang, am 15. Januar 1934 <strong>in</strong> Eppendorf,<br />

Im Tale 27, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Kolonialwarengeschäft<br />

zu eröffnen.<br />

Mehrere Jahre war Robert F<strong>in</strong>nern aktiv im Widerstand.<br />

Der Prozessakte zufolge erhielt <strong>die</strong> Gruppe um<br />

F<strong>in</strong>nern zunächst von Walter Sier<strong>in</strong>g illegale Schriften<br />

wie „Neuer Vorwärts” und „Sozialistische Aktion”.<br />

Später fuhr der mit F<strong>in</strong>nern verurteilte Wilhelm Bock<br />

nach Kopenhagen und holte Material nach <strong>Hamburg</strong>.<br />

Am 3. März 1938 war für 19.30 Uhr <strong>die</strong> Übergabe e<strong>in</strong>er<br />

illegalen Sendung aus Dänemark durch <strong>den</strong> Kieler<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten Oskar Nielsen an F<strong>in</strong>nern verabredet.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt stan<strong>den</strong> beide bereits unter<br />

Beobachtung. Der überbrachte Koffer enthielt mehrere<br />

tausend Exemplare der Flugschrift „Laßt Tatsachen<br />

sprechen!”. Nielsen und F<strong>in</strong>nern wur<strong>den</strong> noch am<br />

gleichen Abend verhaftet. Sodann führte <strong>die</strong> Gestapo<br />

e<strong>in</strong>e Hausdurchsuchung durch und nahm auch Hilde<br />

F<strong>in</strong>nern für vier Tage <strong>in</strong> Haft. Nielsen war nach zwei<br />

Tagen Polizeihaft tot. Robert F<strong>in</strong>nern und Wilhelm<br />

Bock wurde vor <strong>dem</strong> Volksgerichtshof <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> der<br />

Prozess gemacht. In der Anklageschrift wurde ausführlich<br />

aus <strong>dem</strong> beschlagnahmten Flugblatt zitiert:<br />

„Wir s<strong>in</strong>d gegen <strong>die</strong> fünfjährige Schande, gegen braunes<br />

Parteibuch, braunes Amt und braune Verschwendung,<br />

braunen Bettelsack und braunen Fettwanst, <strong>die</strong><br />

das Volk ausbeuten und immer tiefer <strong>in</strong> Not und Elend<br />

stoßen [...] Wir s<strong>in</strong>d dagegen, dass der versoffene Ley<br />

und se<strong>in</strong>e Kumpanei über Lohn und Brot der Arbeiter<br />

bestimmen, dass der Mann, der <strong>den</strong> Staat trägt, Bürger,<br />

Bauer und Beamter, von <strong>den</strong> Großen ausgebeutet wird,<br />

wir s<strong>in</strong>d dagegen, dass <strong>dem</strong> Volk der Mund zugehalten<br />

wird, [...] dass <strong>die</strong> Dummheit über das Wissen,<br />

dass der Banause über <strong>den</strong> Künstler, dass <strong>die</strong> Uniform<br />

über <strong>den</strong> Zivilisten, dass Ges<strong>in</strong>del über das anständige<br />

Deutschland herrscht [...]<br />

Jeder Krieg, <strong>den</strong> Deutschland wagt, wird zum Zermürbungskrieg<br />

wer<strong>den</strong> [...] Es fehlt schon jetzt an<br />

Getreide und Nahrungsmitteln, es fehlt an Eisen und<br />

Stahl, an Holz und Zement. Frankreich liegt h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>er<br />

Mag<strong>in</strong>ot-L<strong>in</strong>ie unerreichbar [...] Englands ‚Schatten<strong>in</strong>dustrie’<br />

für Flugzeuge ist heute schon [...] größer<br />

als <strong>die</strong> deutsche Fabrikation [...] Will Deutschland<br />

gegen <strong>die</strong> Welt e<strong>in</strong>en Zermürbungskrieg beg<strong>in</strong>nen,<br />

bei <strong>dem</strong> es selbst mit der Brotkarte anfängt, <strong>die</strong> SA<br />

als braune Kolonialtruppen benutzt, um das eigene<br />

H<strong>in</strong>terland und <strong>die</strong> Rüstungsarbeiter zu bewachen<br />

und Söhne marschieren lässt, deren Väter im Konzentrationslager<br />

sitzen?[...]


Heute wird das deutsche Volk wie e<strong>in</strong> Negerstaat<br />

von Eroberern regiert. Ke<strong>in</strong>e freie Presse, ke<strong>in</strong>e freie<br />

Me<strong>in</strong>ung, ke<strong>in</strong>e Versammlungs- und Vere<strong>in</strong>sfreiheit.<br />

Was <strong>die</strong> Bonzen <strong>in</strong> ihrem Gral aushecken, das soll<br />

das Volk ausba<strong>den</strong> [...] Die Arbeiter s<strong>in</strong>d seit fünf<br />

Jahren Gegner des Nazisystems, der Mittelstand hat<br />

seit vier Jahren <strong>die</strong> Nase voll, <strong>die</strong> Bauern wissen seit<br />

drei Jahren, dass sie sich getäuscht haben, <strong>die</strong> Industrie<br />

ist seit zwei Jahren klüger gewor<strong>den</strong>, <strong>die</strong> Bürokratie,<br />

<strong>die</strong> Diplomaten und <strong>die</strong> Generale <strong>–</strong> sie haben sich das<br />

anders vorgestellt [...] Erst wenn sie begreifen, dass<br />

sie mit <strong>dem</strong> freiheitslieben<strong>den</strong> Volke, mit <strong>den</strong> wahren<br />

Patrioten gehen müssen, dass sie <strong>den</strong> Mut haben<br />

müssen, offen für e<strong>in</strong> anständiges, sauberes, freies<br />

Deutschland e<strong>in</strong>zutreten <strong>–</strong> dann lebt der Nationalsozialismus<br />

ke<strong>in</strong>e vierundzwanzig Stun<strong>den</strong> länger! Es<br />

lebe das freie Deutschland!”<br />

Am 23. August 1938 wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> Angeklagten<br />

wegen Beihilfe zur Vorbereitung e<strong>in</strong>es hochverräterischen<br />

Unternehmens zu e<strong>in</strong>em Jahr und drei Monaten<br />

Gefängnis verurteilt. Nach<strong>dem</strong> Robert F<strong>in</strong>nern se<strong>in</strong>e<br />

Strafe <strong>in</strong> Fuhlsbüttel verbüßt hatte, wurde er nicht<br />

freigelassen, sondern <strong>in</strong>s KZ Sachsenhausen überführt.<br />

Hier starb er am 22. April 1940 nach offiziellen<br />

Angaben an e<strong>in</strong>er Lungenentzündung.<br />

In Alsterdorf wurde 1985 der Robert-F<strong>in</strong>nern-<strong>Weg</strong><br />

nach ihm benannt. Vor se<strong>in</strong>em letzten Wohnsitz Im<br />

Tale 27 wurde e<strong>in</strong> Stolperste<strong>in</strong> verlegt.<br />

Oskar Emil Göthel<br />

* 20.2.1878 † 1941<br />

Oskar Emil Göthel 43<br />

Emil Göthel wurde am 20. Februar 1878 als Sohn<br />

e<strong>in</strong>es Maurers <strong>in</strong> Ober-Schöna bei Freiberg geboren.<br />

Er besuchte <strong>die</strong> Volksschule und war anschließend<br />

als Former tätig. 1915 zog er nach <strong>Hamburg</strong>, wo er<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beruf arbeitete. 1930 wurde Emil Göthel<br />

arbeitslos. Es gelang ihm nicht, wieder e<strong>in</strong>e Dauerstellung<br />

zu erhalten. Göthel betätigte sich als Werber<br />

für <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>-Parteizeitung „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ und <strong>die</strong><br />

Versicherungsgesellschaft Volksfürsorge. Er wohnte <strong>in</strong><br />

der Menckesallee 23 zur Untermiete.<br />

Seit wann Emil Göthel der <strong>SPD</strong> angehörte, ist nicht<br />

bekannt. Im Distrikt Eilbek fungierte er 1933 als Bezirksführer.<br />

Als am 16. Juni 1933 noch e<strong>in</strong>mal ca. 30<br />

führende <strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okraten im Redaktionsgebäude<br />

des <strong>Hamburg</strong>er Echos zusammenkamen,<br />

gehörte auch Emil Göthel zu <strong>den</strong> Teilnehmern. Er<br />

vertrat <strong>den</strong> Vorsitzen<strong>den</strong> des mitgliederstarken Distrikts<br />

Eilbek, Walter Schme<strong>dem</strong>ann, der <strong>die</strong> Sitzung<br />

vorzeitig verlassen musste. Die Nationalsozialisten<br />

sprengten <strong>die</strong> Veranstaltung und verhafteten <strong>die</strong> Anwesen<strong>den</strong>.<br />

Dabei kam es gegenüber <strong>den</strong> Verhafteten zu<br />

Schikanen, Demütigungen und Misshandlungen. Die<br />

Versammlungsteilnehmer beriefen sich auf e<strong>in</strong>e von<br />

Gauleiter Kaufmann erteilte Genehmigung zur Beratung<br />

über <strong>die</strong> Fortführung des <strong>Hamburg</strong>er Echo. Da<br />

nichts Gegenteiliges bewiesen wer<strong>den</strong> konnte, wurde<br />

Emil Göthel mit e<strong>in</strong>em Großteil der Teilnehmer nach<br />

mehrwöchiger Haft entlassen. Wenige Wochen später<br />

geriet Göthel erneut <strong>in</strong> <strong>den</strong> Verdacht, <strong>in</strong> Eilbek illegal<br />

für <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> zu arbeiten. Nach 16 Tagen Haft wurde<br />

Göthel am 19. Oktober 1933 aus Mangel an Beweisen<br />

frei gelassen.<br />

Unter Walter Schme<strong>dem</strong>ann entwickelte sich Eilbek<br />

zum Zentrum des Widerstands. Von hieraus operierte<br />

<strong>die</strong> illegale Führung der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>. Als Schme-


44<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

<strong>dem</strong>ann und se<strong>in</strong> engster Führungskreis Ende 1934<br />

verhaftet wur<strong>den</strong>, übernahm John Kienow zusammen<br />

mit Emil Göthel <strong>die</strong> Leitung. Bereits im Sommer 1935<br />

kam <strong>die</strong> Gestapo auch <strong>die</strong>ser Gruppe auf <strong>die</strong> Spur.<br />

Nach der im August 1935 durchgeführten Verhaftung<br />

folgte am 30. Juni 1936 <strong>die</strong> Verurteilung durch das<br />

Hanseatische Oberlandesgericht. Göthel wurde vorgeworfen,<br />

sich seit 1933 an <strong>den</strong> Widerstandsaktivitäten<br />

von Walter Schme<strong>dem</strong>ann beteiligt zu haben.<br />

Der wahre Umfang se<strong>in</strong>er Tätigkeit konnte allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht aufgedeckt wer<strong>den</strong>. Für <strong>die</strong> Weitergabe illegaler<br />

Schriften, für <strong>die</strong> Kassierung kle<strong>in</strong>er Geldbeträge, für<br />

<strong>die</strong> Beschaffung e<strong>in</strong>es Besprechungsraums und für <strong>die</strong><br />

Teilnahme an drei bis vier Treffen erhielt Emil Göthel<br />

mit viere<strong>in</strong>halb Jahren Zuchthaus <strong>die</strong> höchste Strafe<br />

von <strong>den</strong> <strong>in</strong>sgesamt sechs Angeklagten. Zur Verbüßung<br />

der Haftstrafe wurde Emil Göthel am 6. August 1936<br />

nach Bremen verlegt.<br />

Emil Göthel starb 1941 an <strong>den</strong> Folgen der Haft.<br />

Hedwig Bertha Günther<br />

(geb. Brosterhues)<br />

* 14.6.1896 † 11.4.1966<br />

Hedwig Brosterhues wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren<br />

und absolvierte nach der Volksschule e<strong>in</strong>e kaufmännische<br />

Ausbildung. Bis zu ihrer Heirat 1923 war sie als<br />

Kontorist<strong>in</strong> und Buchhalter<strong>in</strong> tätig. Hedwig Günther<br />

gehörte von 1911 bis 1914 <strong>dem</strong> Arbeiterjugendbund<br />

der <strong>SPD</strong> an. Ab 1928 war sie Vorstandsmitglied des<br />

Frauenaktionsausschusses der <strong>SPD</strong>. Nach <strong>dem</strong> Krieg<br />

engagierte sich Hedwig Günther wieder für <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>.<br />

Von 1946 bis 1957 war sie Mitglied der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft. Hedwig Günther starb am 11. April 1966.


Paul Hartle<strong>in</strong><br />

* 15.7.1872 † 4.4.1941<br />

Paul Hartle<strong>in</strong> hat als Masch<strong>in</strong>ist gearbeitet und<br />

war seit 1903 mit Luise Lütjens verheiratet. Paul Hartle<strong>in</strong>,<br />

der seit 1910 der <strong>SPD</strong> angehörte, wohnte <strong>in</strong> der<br />

Deichstraße 25 und leitete bis 1933 <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Distrikt<br />

Altstadt. Zuletzt war er beim „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ als<br />

Pförtner beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er auch am<br />

16. Juni 1933 aus, als <strong>die</strong> Teilnehmer der Versammlung<br />

im Redaktionsgebäude verhaftet wur<strong>den</strong>. Paul Hartle<strong>in</strong><br />

war der älteste Opfer der Verhaftungsaktion und<br />

musste se<strong>in</strong>en 71. Geburtstag im Gefängnis verbr<strong>in</strong>gen.<br />

Paul Hartle<strong>in</strong> starb am 1. April 1941.<br />

Hartle<strong>in</strong>s Tochter Emma hat <strong>die</strong> Vorgänge beobachtet<br />

und berichtete darüber 1954:<br />

„Ich weiß genau, dass Herr Willi Schme<strong>dem</strong>ann se<strong>in</strong>erzeit<br />

zusammen mit me<strong>in</strong>em Vater und <strong>den</strong> übrigen<br />

im Parteibüro anwesen<strong>den</strong> Mitgliedern der <strong>SPD</strong> auf<br />

e<strong>in</strong>en Lastwagen gela<strong>den</strong> und von der Gestapo abgeführt<br />

wurde. Ich wohnte damals <strong>in</strong> der Fehlandstraße<br />

und habe mit eigenen Augen <strong>den</strong> Menschenauflauf <strong>in</strong><br />

der Theaterstraße und <strong>den</strong> Abtransport der Verhafteten<br />

gesehen.“<br />

Paula Karp<strong>in</strong>ski<br />

* 6.11.1897 † 8.3.2005<br />

Paul Hartle<strong>in</strong> 45<br />

Paula Karp<strong>in</strong>ski wurde am 6. November 1897 <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> geboren und wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Elternhaus auf. Der Vater war Hafenarbeiter,<br />

<strong>die</strong> Mutter bis zur Heirat Dienstmädchen. Nach e<strong>in</strong>em<br />

Abschluss an der Handelsschule arbeitete Paula Karp<strong>in</strong>ski<br />

von 1913 bis 1925 als Kontorist<strong>in</strong>, Stenotypist<strong>in</strong><br />

und Buchhalter<strong>in</strong>. Von 1925 bis 1927 besuchte sie das<br />

Sozialpädagogische Institut. Nach e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>jährigen<br />

Praktikum beim Arbeitsamt konnte sie ihre Ausbildung<br />

als staatlich geprüfte Wohlfahrtspfleger<strong>in</strong> abschließen.<br />

Im Alter von 14 Jahren trat Paula Karp<strong>in</strong>ksi <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Arbeiterjugendbund e<strong>in</strong>. Zwei Jahre später wurde sie<br />

Mitglied der <strong>SPD</strong>. Sie engagierte sich <strong>in</strong> der Frauenarbeit<br />

und wurde 1928 <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Landesvorstand<br />

und <strong>den</strong> Frauenaktionsausschuss gewählt. Von 1931<br />

bis 1933 gehörte sie der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft<br />

an. Als am 16. Juni 1933 <strong>die</strong> Teilnehmer der Parteivorstands-<br />

und <strong>–</strong>ausschusssitzung <strong>in</strong> Redaktionsgebäude<br />

des ”<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der Fehlandstraße<br />

von der Gestapo festgenommen wur<strong>den</strong>, befand sich<br />

auch Paula Karp<strong>in</strong>ski unter <strong>den</strong> Verhafteten. Wie <strong>die</strong><br />

anderen Frauen, Hedwig Günther, Grete Zabe und<br />

Irma Keilhack, wurde auch sie nach elf Tagen Haft frei<br />

gelassen. Nach <strong>dem</strong> Attentat auf Hitler wurde sie noch<br />

e<strong>in</strong>mal sieben Wochen im KZ Fuhlsbüttel <strong>in</strong>haftiert.<br />

Nach <strong>dem</strong> Ende der NS-Diktatur beteiligte sich<br />

Paula Karp<strong>in</strong>ski am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau. Sie gehörte<br />

<strong>dem</strong> <strong>SPD</strong>-Landesvorstand von 1945 bis 1960 an<br />

und war Mitglied im Parteiausschuss der Westzonen.<br />

Sie engagierte sich bei der Gründung des „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Frauenr<strong>in</strong>gs e.V.“ und baute <strong>die</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozial<strong>dem</strong>okratischer Frauen (AsF) auf, deren<br />

Vorsitzende sie von 1946 bis 1949 war. Im Oktober<br />

1946 kandi<strong>die</strong>rte sie erfolgreich für <strong>die</strong> Bürgerschaft.<br />

Im darauffolgen<strong>den</strong> Monat übernahm sie als erste


46<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Frau <strong>in</strong> der Geschichte der Hansestadt das Amt e<strong>in</strong>es<br />

Senators. Von 1946 bis 1953 sowie von 1957 bis 1961<br />

leitete Paula Karp<strong>in</strong>ski <strong>die</strong> Jugendbehörde, von 1951<br />

bis 1953 zusätzlich noch das Sportamt. Nach<strong>dem</strong> sie<br />

aus <strong>dem</strong> Senat ausgeschie<strong>den</strong> war, blieb sie noch bis<br />

1968 Abgeordnete der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft.<br />

Für ihre Ver<strong>die</strong>nste wurde Paula Karp<strong>in</strong>ski 1967 mit<br />

der Otto-Stolten-Medaille ausgezeichnet. Sie starb am<br />

8. März 2005 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

Adolf Hermann<br />

Keilhack<br />

* 19.4.1907 † 12.7.1974<br />

Adolf Keilhack wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren und<br />

besuchte <strong>die</strong> Volksschule. Nach <strong>dem</strong> Schulabschluss<br />

begann er 1922 e<strong>in</strong>e Ausbildung zum Zimmerer, <strong>die</strong><br />

er 1925 abschloss.<br />

Frühzeitig schloss er sich der sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Jugendorganisation an und trat <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. 1927<br />

nahm Adolf Keilhack e<strong>in</strong>e Tätigkeit als Volontär im<br />

Zentralbüro der <strong>SPD</strong> Landesorganisation <strong>Hamburg</strong><br />

auf. Bereits im darauf folgen<strong>den</strong> Jahr wurde er hauptamtlicher<br />

Leiter der Betriebsgruppen im Städtegebiet<br />

Groß-<strong>Hamburg</strong>. Ab 1930 war er zuständig für <strong>die</strong><br />

Agitations- und Organisationsarbeit im <strong>Hamburg</strong>er<br />

Landgebiet.<br />

Adolf Keilhack nahm an der „Echo“-Versammlung<br />

teil und war nach se<strong>in</strong>er Entlassung aus der Haft ab<br />

<strong>dem</strong> 31. Juli 1933 arbeitslos, da <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

<strong>die</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong>zwischen verboten hatten. Erst im Juli<br />

1934 konnte er <strong>in</strong> Mecklenburg wieder e<strong>in</strong>e Arbeit<br />

aufnehmen. Bis Mitte 1936 arbeitete Keilhack mit<br />

Unterbrechungen für verschie<strong>den</strong>e Baufirmen u.a.<br />

als Zimmerer. E<strong>in</strong>e anschließende fast zweijährige<br />

Tätigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grundstückverwaltung mit Fortbildungsmaßnahmen<br />

legte <strong>den</strong> Grundste<strong>in</strong> für <strong>die</strong><br />

berufliche Selbstständigkeit, <strong>die</strong> er von 1938 bis zur<br />

E<strong>in</strong>berufung zur Wehrmacht 1940 als Grundstücksmakler<br />

und Verwalter ausübte.<br />

Adolf Keilhack heiratete 1935 Irma Schweder. Beide<br />

kannten sich aus der geme<strong>in</strong>samen Jungsozialisten-<br />

Zeit. Sie unterhielten Kontakt zu früheren Gruppenmitgliedern<br />

und gründeten unter <strong>dem</strong> Dachverband<br />

des Norddeutschen Wanderbundes <strong>die</strong> „<strong>Hamburg</strong>er<br />

Wanderfreunde“, um unverdächtig Treffen, Wanderungen<br />

und Fahrten durchführen zu können.<br />

Unmittelbar nach Kriegsende stellte sich Adolf<br />

Keilhack <strong>dem</strong> Wiederaufbau der <strong>SPD</strong> zur Verfügung.


Ab <strong>dem</strong> ersten 1. November 1945, noch bevor <strong>die</strong> <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> offiziell von der britischen Militärregierung<br />

genehmigt wor<strong>den</strong> war, wurde Adolf Keilhack<br />

von der Partei wieder als Sekretär beschäftigt. Am<br />

31. Dezember 1953 schied er aus <strong>dem</strong> Partei<strong>die</strong>nst aus,<br />

um am 1. März 1954 <strong>die</strong> Geschäftsführung der Wohnungsbaugenossenschaft<br />

Gartenstadt <strong>Hamburg</strong> zu<br />

übernehmen. Adolf Keilhack gehörte von 1957 bis<br />

1961 der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft an. Er starb<br />

am 12. Juli 1974.<br />

Irma Keilhack<br />

(geb. Schweder)<br />

* 25.1.1908 † 3.6.2001<br />

Irma Keilhack (geb. Schweder) 47<br />

Irma Keilhack wurde am 25. Januar 1908 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong><br />

geboren und wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Arbeiterfamilie auf. Der Vater war kurz nach<br />

der Jahrhundertwende aus e<strong>in</strong>em mecklenburgischen<br />

Dorf gekommen und hatte zunächst als Hafenarbeiter<br />

Beschäftigung gefun<strong>den</strong>.<br />

Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule absolvierte sie<br />

e<strong>in</strong>e Ausbildung als Büroangestellte. Sie wurde Mitglied<br />

des Zentralverbands der Angestellten und schloss<br />

sich 1924 der sozial<strong>dem</strong>okratischen K<strong>in</strong>derfreundebewegung<br />

an. Zwei Jahre später erfolgte der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) und <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>.<br />

1929 besuchte Irma Keilhack e<strong>in</strong>en Lehrgang an der<br />

Heimvolkshochschule T<strong>in</strong>z. Anschließend wurde sie<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> des damaligen <strong>SPD</strong>-Landesvorsitzen<strong>den</strong><br />

Karl Meitmann und arbeitete <strong>in</strong> der Parteizentrale<br />

<strong>in</strong> der Theaterstraße. Als am 10. Mai 1933 reichsweit<br />

<strong>die</strong> bereits erwartete Beschlagnahmung des Parteivermögens<br />

erfolgte, befand sich Irma Keilhack wie<br />

vere<strong>in</strong>bart alle<strong>in</strong> im Parteibüro. Geld und Parteidokumente<br />

waren zuvor <strong>in</strong> Sicherheit gebracht wor<strong>den</strong>.<br />

Als Parteiangestellte war sie auch am 16. Juni 1933 auf<br />

der Parteivorstands- und <strong>–</strong>ausschusssitzung <strong>in</strong> Redaktionsgebäude<br />

des ”<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der Fehlandstraße<br />

anwesend, als <strong>die</strong> Gestapo das Haus besetzte<br />

und <strong>die</strong> Teilnehmer verhaftete. Die Adressenlisten<br />

von Vertrauensleuten, <strong>die</strong> Irma Keilhack dabei hatte,<br />

wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Verhafteten aufgegessen, um weitere<br />

Verhaftungen zu verh<strong>in</strong>dern. Mit <strong>dem</strong> „Kommando<br />

zur besonderen Verfügung“ (KzbV) wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> Gefangenen<br />

<strong>in</strong> das Gestapo-Hauptquartier im Stadthaus<br />

an der Stadthausbrücke gebracht. Irma Keilhack wurde<br />

<strong>in</strong> das Untersuchungsgefängnis überführt und nach elf<br />

Tagen zusammen mit drei weiteren Frauen entlassen.


48<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Umgehend beteiligte sie sich an der illegalen Arbeit.<br />

So versuchte sie, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Parteiorganisationen noch<br />

vorhan<strong>den</strong>en Gelder für Anwaltskosten von Verhafteten,<br />

für <strong>in</strong> Not geratene Angehörige von Inhaftierten<br />

und für <strong>die</strong> Flucht von Gefährdeten zu mobilisieren.<br />

Auch beteiligte sie sich an der Beobachtung von politischen<br />

Prozessen, um bei weiteren Verhaftungen<br />

über <strong>die</strong> Kenntnisse der Gestapo <strong>in</strong>formiert zu se<strong>in</strong>.<br />

Irma Keilhack war nach <strong>dem</strong> Verbot der <strong>SPD</strong> arbeitslos.<br />

Sie begann, Haushaltswäsche zu verkaufen,<br />

und nutzte <strong>die</strong> Kun<strong>den</strong>besuche, um Nachrichten unter<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten auszutauschen. Dann gelang es ihr,<br />

bei e<strong>in</strong>er englisch-jüdischen Niederlassung für Büromasch<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>e Anstellung zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Anschließend<br />

arbeitete sie bei e<strong>in</strong>er jüdischen Firma für Autozubehör.<br />

Von 1938 bis 1943 war sie mit ihrem Ehemann Adolf<br />

Keilhack, <strong>den</strong> sie 1935 geheiratet hatte, <strong>in</strong> der Haus- und<br />

Grundstücksverwaltung selbstständig tätig.<br />

Irma und Adolf Keilhack hielten weiterh<strong>in</strong> Kontakt<br />

zu früheren Mitgliedern der Jungsozialisten-Gruppe.<br />

Geme<strong>in</strong>sam wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> „<strong>Hamburg</strong>er Wanderfreunde“<br />

unter <strong>dem</strong> Dachverband des Norddeutschen Wanderbundes<br />

gegründet, damit bestand <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

unverdächtige Treffen, Wanderungen und Fahrten<br />

durchzuführen.<br />

Nach <strong>dem</strong> Ende der NS-Diktatur beteiligte sich<br />

Irma Keilhack am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau. 1949 wurde<br />

sie <strong>in</strong> <strong>den</strong> Deutschen Bundestag gewählt, <strong>dem</strong> sie bis<br />

Januar 1962 angehörte. Im Dezember 1961 trat sie als<br />

Jugendsenator<strong>in</strong> <strong>die</strong> Nachfolge von Paula Karp<strong>in</strong>ski<br />

an. Auch für Ernährung und Landwirtschaft war sie<br />

zeitweise zuständig. Nach ihrem Ausschei<strong>den</strong> aus <strong>dem</strong><br />

Senat 1970 übernahm sie ehrenamtlich <strong>die</strong> Leitung<br />

der Verbraucherzentrale. Der Bürgerschaft gehörte<br />

sie von 1966 bis 1974 an. Auch <strong>in</strong> der Partei übte sie<br />

zahlreiche Funktionen aus. 1946/47 sowie von 1966<br />

bis 1972 war sie Mitglied des Landesvorstandes. Sie<br />

gehörte <strong>dem</strong> <strong>SPD</strong>-Parteivorstand <strong>in</strong> Bonn an und war<br />

Distriktsvorsitzende <strong>in</strong> Berne. Irma Keilhack starb<br />

am 3. Juni 2001.


Karl Meitmann<br />

* 20.3.1891 † 17.2.1971<br />

Karl Meitmann wurde am 20. März 1891 <strong>in</strong> Kiel <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratischen Elternhaus geboren. Der<br />

Vater leitete als Geschäftsführer <strong>die</strong> Kieler Genossenschaftsbäckerei<br />

„Vere<strong>in</strong>sbäckerei“. Von 1897 bis 1905<br />

besuchte Meitmann <strong>die</strong> Volksschule <strong>in</strong> Kiel-Ellerbek<br />

und Kiel-Gaar<strong>den</strong>. Anschließend absolvierte er e<strong>in</strong>e<br />

kaufmännische Ausbildung. Frühzeitig begann se<strong>in</strong>e<br />

Aktivität <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung. Er gehörte 1905 zu<br />

<strong>den</strong> Gründern der Kieler Arbeiterjugend und wurde<br />

deren erster Vorsitzender. 1908 bestätigte er sich als<br />

Jugendturnwart <strong>in</strong> der „Freien Turnerschaft an der<br />

Kieler Förde“. Meitmann wechselte 1909 nach <strong>Hamburg</strong><br />

und arbeitete als Buchhalter bei der Große<strong>in</strong>kaufsgesellschaft<br />

Deutscher Konsumvere<strong>in</strong>e (GEG).<br />

Neben se<strong>in</strong>er Berufstätigkeit bildete er sich vor allem<br />

<strong>in</strong> Fremdsprachen sowie <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Bereich Wirtschaft<br />

und Genossenschaftswesen fort. 1912 wurde er zum<br />

Militär<strong>die</strong>nst e<strong>in</strong>gezogen und befand sich anschließend<br />

bis 1918 im Kriegse<strong>in</strong>satz.<br />

Nach der Revolution beteiligte sich Meitmann am<br />

<strong>Auf</strong>bau <strong>dem</strong>okratischer Verhältnisse. Bereits im Dezember<br />

1918 wurde er Sekretär des Beigeordneten<br />

beim Regierungspräsi<strong>den</strong>ten von Schleswig-Holste<strong>in</strong>,<br />

<strong>dem</strong> <strong>die</strong> Umsetzung der Politik der neuen Reichsregierung<br />

oblag. Anschließend arbeitete er als erster<br />

Sekretär für Dr. Adolf Köster, der im Zusammenhang<br />

mit der im Versailler Frie<strong>den</strong>svertrag vorgesehenen<br />

Neufestlegung der deutsch-dänischen Grenze zum<br />

Staatskommissar für <strong>die</strong> Prov<strong>in</strong>z Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

ernannt wor<strong>den</strong> war. Meitmann war auf der deutschen<br />

Seite mit <strong>den</strong> organisatorischen Vorbereitungen für <strong>die</strong><br />

Abstimmung über <strong>den</strong> neuen Grenzverlauf betraut. Als<br />

Reichskommissar e<strong>in</strong>gesetzt, hatte er maßgeblichen<br />

Anteil an der Niederschlagung des Kapp-Putsches<br />

<strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Anschließend wurde er vom<br />

Karl Meitmann 49<br />

preußischen Innenm<strong>in</strong>ister zum Zivilkommissar für<br />

<strong>den</strong> <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau der Polizei <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z<br />

ernannt. Das für <strong>die</strong>se <strong>Auf</strong>gabe, <strong>die</strong> er bis 1923<br />

wahrnahm, notwendige H<strong>in</strong>tergrundwissen eignete er<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em achtsemestrigen Studium als Hospitant<br />

an der Universität Kiel an. Er besuchte Veranstaltungen<br />

zum Verfassungs- und Verwaltungsrecht, zum<br />

Staatsrecht sowie zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie.<br />

Angebote, preußischer Landrat und Kieler<br />

Polizeipräsi<strong>den</strong>t zu wer<strong>den</strong>, lehnte er ab.<br />

Meitmann übernahm 1924 <strong>die</strong> Gründung des<br />

Reichsbanner <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> und wurde<br />

Gausekretär. Zwei Jahre später stellte ihn der <strong>SPD</strong>-<br />

Bezirksverband Schleswig-Holste<strong>in</strong> als Parteisekretär<br />

e<strong>in</strong>. Zugleich erfolgte se<strong>in</strong>e Wahl <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bezirksvorstand.<br />

1928 wurde Meitmann zum Vorsitzen<strong>den</strong> der<br />

<strong>SPD</strong>-Landesorganisation <strong>Hamburg</strong> gewählt, auf Reichsebene<br />

gehörte er <strong>dem</strong> <strong>SPD</strong>-Parteiausschuss an. Auch<br />

übernahm er <strong>den</strong> Vorsitz des <strong>SPD</strong>-Bezirksverbands<br />

<strong>Hamburg</strong>-Bremen-Nordwest. 1931 wurde er <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft gewählt.<br />

Nach der Machtübernahme durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

wurde Meitmann unter Bruch der Immunität<br />

zusammen mit <strong>dem</strong> Reichstagsabgeordneten Gustav<br />

Dahrendorf am 24. März 1933 <strong>in</strong>haftiert und nach drei<br />

Tagen wieder frei gelassen. Se<strong>in</strong>e zweite Verhaftung<br />

dauerte vom 2. Mai bis zum 15. Mai 1933. Meitmann<br />

musste Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen<br />

und da <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>bewahrung von Parteiunterlagen sowohl<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Räumen der Partei als auch im eigenen Haus<br />

zu gefährlich war, verbrannte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Waschküche<br />

am Maienweg 281 zahlreiche Dokumente, darunter<br />

e<strong>in</strong>maliger Orig<strong>in</strong>ale aus der Parteigeschichte von<br />

unersetzlichem Wert. Als am 16. Juni 1933 <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

der Parteivorstands- und <strong>–</strong>ausschusssitzung


50<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

<strong>in</strong> Redaktionsgebäude des ”<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der<br />

Fehlandstraße von der Gestapo verhaftet wur<strong>den</strong>, kam<br />

auch Meitmann <strong>in</strong>s Gefängnis. Während <strong>die</strong> meisten<br />

Verhafteten nach mehreren Wochen aus <strong>dem</strong> KZ<br />

Fuhlsbüttel entlassen wur<strong>den</strong>, blieb Meitmann bis<br />

Ende Oktober 1933 <strong>in</strong> Haft und erhielt dann <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>lage,<br />

<strong>in</strong>nerhalb von 24 Stun<strong>den</strong> <strong>die</strong> Stadt zu verlassen.<br />

Während der Haft war er schweren Misshandlungen<br />

ausgesetzt.<br />

Meitmann begab sich nach Niendorf an der Ostsee.<br />

Hier holte der mit ihm befreundete Herbert Dorendorf,<br />

Vorstandsmitglied der Märkischen Brikett<strong>–</strong> und<br />

Kohlen-Verkaufs AG, Berl<strong>in</strong>, ihn und se<strong>in</strong>e Frau mit<br />

<strong>dem</strong> Auto ab und brachte <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> nach Berl<strong>in</strong>.<br />

Dohrendorf verschaffte Meitmann e<strong>in</strong>e Anstellung<br />

als Lohnbuchhalter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Werk der „Anhaltischen<br />

Kohlenwerke“, 50 Kilometer östlich von<br />

Frankfurt an der Oder. Zunächst wohnte Meitmann <strong>in</strong><br />

Zielenzig, dann zog er nach Drossen. 1936 wechselte er<br />

für <strong>die</strong> gleiche Firma <strong>in</strong> <strong>die</strong> Berl<strong>in</strong>er Hauptverwaltung.<br />

Nach <strong>dem</strong> Zusammenbruch des NS-Regimes gelangte<br />

Meitmann am 24. Juni 1945 zurück nach <strong>Hamburg</strong>.<br />

Sofort übernahm er beim <strong>Auf</strong>bau der <strong>SPD</strong> <strong>die</strong><br />

Führung. Dem am 14. Juli 1945 gewählten provisorischen<br />

Landesvorstand stand Karl Meitmann erneut<br />

bis 1952 vor. Anschließend gehörte er noch weitere<br />

sechs Jahre <strong>dem</strong> Landesvorstand an. Auch im Bezirk<br />

<strong>Hamburg</strong>-Nordwest führte er wieder <strong>den</strong> Vorsitz. Von<br />

1947 bis 1954 war er Mitglied des zentralen Parteivorstandes.<br />

Er gehörte von 1946 bis 1949 der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft an und war von 1949 bis 1961<br />

Mitglied des Deutschen Bundestages.<br />

Nach <strong>dem</strong> Rückzug aus der Politik lebte Karl Meitmann<br />

<strong>in</strong> Mönkeberg bei Kiel, wo er am 17. Februar<br />

1971 starb.<br />

Karl Meitmann am 3. Februar 1965 an <strong>die</strong> Forschungsstelle<br />

für <strong>die</strong> Geschichte des Nationalsozialismus <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> 5<br />

Auszug:<br />

„Das auf <strong>den</strong> Seiten 118 und 119 enthaltene Dokument<br />

Nr. 18 enthält <strong>die</strong> Vermutung se<strong>in</strong>es Schreibers Abraham,<br />

daß e<strong>in</strong>e, bei der dar<strong>in</strong> beschriebenen Durchsuchungs-<br />

aktion gefun<strong>den</strong>e Denkschrift, <strong>die</strong> er als „Flugblatt“<br />

bezeichnet, als Verfasser <strong>den</strong> Reichstagspräsi<strong>den</strong>ten Paul<br />

Löbe gehabt habe. Er (Abraham) knüpft an <strong>den</strong> Versuch<br />

Staud<strong>in</strong>gers, <strong>die</strong> Urheberschaft auf sich zu übernehmen,<br />

<strong>die</strong> weitere Vermutung, das St[aud<strong>in</strong>ger]. Dies nur getan<br />

habe, „um Maßnahmen gegen <strong>die</strong> Gesamtpartei“ abzuwen<strong>den</strong>,<br />

<strong>die</strong> er (St[aud<strong>in</strong>ger].) „offensichtlich befürchtet,<br />

wenn <strong>die</strong> Herstellung <strong>die</strong>ser Flugblätter der Gesamtpartei<br />

nachgewiesen wird“.<br />

Tatsächlich hat sich folgendes <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bezug ereignet:<br />

a) Der Verfasser und Hersteller <strong>die</strong>ser Denkschrift<br />

<strong>in</strong> höchstens 40 bis 50 Exemplaren im Hektografierverfahren,<br />

b<strong>in</strong> ich selber gewesen, zusammen mit me<strong>in</strong>em<br />

Freund Professor Dr. Paul Hermberg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Hause<br />

am Philosophenweg <strong>in</strong> Jena. Die Niederschrift unserer<br />

beider Arbeit habe ich e<strong>in</strong>en Tag später auf der Schreibmasch<strong>in</strong>e<br />

von Frau Staud<strong>in</strong>ger im Hause des Professors<br />

Lederer <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> durchgeführt, wo sie und ihr Mann<br />

sich verborgen hielten, weil Frau Staud<strong>in</strong>ger als Jüd<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

höchstem Grade gefährdet war. Um Frau Staud<strong>in</strong>ger <strong>die</strong><br />

erforderliche Zeit zur Flucht <strong>in</strong>s Ausland zu verschaffen,<br />

habe ich <strong>dem</strong> mich vernehmen<strong>den</strong> Hauptmann<br />

Abraham (am Tage nach der polizeilichen „Durchsuchung“)<br />

und auch weiterh<strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Urheberschaft und<br />

<strong>die</strong> oben erwähnten Umstände der Vervielfältigung<br />

e.t.c. verschwiegen. Das wußte auch me<strong>in</strong> Freund Hans<br />

Staud<strong>in</strong>ger, mit <strong>dem</strong> ich me<strong>in</strong>e, alle<strong>in</strong> für <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er<br />

Verstandsmitglieder entworfene Situations-Analyse<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Wohnung se<strong>in</strong>es Freundes Professor<br />

Dr. Lederer noch e<strong>in</strong>mal durchgesprochen hatte. Um<br />

se<strong>in</strong>e Frau vor <strong>dem</strong> sicheren Tode zu schützen, hat er<br />

<strong>die</strong> Urheberschaft versucht auf sich zu nehmen. Ke<strong>in</strong><br />

Mitglied des <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> verbliebenen Teiles des Gesamt-<br />

Vorstandes hat jemals me<strong>in</strong>e Denkschrift gesehen, etwas<br />

von ihr erfahren, oder gar, weder direkt noch <strong>in</strong>direkt<br />

an ihrer Entstehung mitgewirkt. Das ist <strong>die</strong> Wahrheit<br />

<strong>in</strong> der Sache!<br />

Ich freue mich noch heute, daß auf <strong>die</strong>se Weise Frau<br />

Staud<strong>in</strong>ger <strong>die</strong> Flucht nach Amerika geglückt ist und<br />

daß sie noch lebt!<br />

Der dafür gezahlte Preis der <strong>Auf</strong>rechterhaltung der<br />

„Schutz-Haft“ des ganzen <strong>Hamburg</strong>er Partei-Vorstandes<br />

der S.P.D. hat mich niemals gereut.


Dr. Alfred Friedrich<br />

Wilhelm Mette<br />

* 18.9.1898<br />

Alfred Mette wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren und absolvierte<br />

nach der Volksschule e<strong>in</strong>e kaufmännische<br />

Ausbildung. Von 1916 bis 1918 leistete er Kriegs<strong>die</strong>nst.<br />

Nach bestan<strong>den</strong>er Reifeprüfung 1920 stu<strong>die</strong>rte er an<br />

der Universität <strong>Hamburg</strong> Sozialökonomie und Geschichte.<br />

Nach der Promotion 1923 zum Dr. rer.pol.<br />

wurde er 1924 als Sekretär für das Bildungswesen bei<br />

der <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> tätig. Dr. Alfred Mette gehörte<br />

der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft von 1927 bis 1933<br />

an. Nach <strong>den</strong> Angaben von mehreren Teilnehmern<br />

war auch Alfred Mette bei der „Echo“-Versammlung<br />

anwesend. Als e<strong>in</strong>ziger konnte er sich verstecken und<br />

entg<strong>in</strong>g damit der Verhaftung. Nach 1945 arbeitete er<br />

als Geschäftsführer der <strong>Hamburg</strong>er Gaswerke und der<br />

<strong>Hamburg</strong>er Wasserwerke.<br />

Hans Carl Podeyn<br />

* 1.3.1894 † 19.8.1965<br />

Dr. Alfred Friedrich Wilhelm Mette 51<br />

Hans Podeyn wurde als Sohn e<strong>in</strong>es Straßenbahners<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-Hammerbrook geboren und besuchte<br />

nach der Volksschule das Lehrersem<strong>in</strong>ar. Von 1914<br />

bis 1918 leistete er Kriegs<strong>die</strong>nst. Nach <strong>dem</strong> Ende des<br />

Krieges wurde er Lehrer <strong>in</strong> Altengamme, wo er sich<br />

<strong>in</strong> der <strong>SPD</strong> und der Geme<strong>in</strong>deverwaltung engagierte.<br />

1924 erfolgte se<strong>in</strong>e Wahl <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft.<br />

Vier Jahre später wurde er Vorsitzender<br />

der <strong>SPD</strong>-Fraktion <strong>in</strong> der Bürgerschaft. Das Amt übte<br />

er bis 1933 aus. Als im Rahmen der Gleichschaltung<br />

der Länder <strong>die</strong> Bürgerschaft nach <strong>dem</strong> Ergebnis der<br />

Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt<br />

wurde und öffentlich be<strong>die</strong>nstete <strong>SPD</strong>-Mitglieder bei<br />

e<strong>in</strong>er Kandidatur mit der Kündigung bedroht wur<strong>den</strong>,<br />

gab Podeyn nicht nach. Es folgte <strong>die</strong> Entlassung aus<br />

<strong>dem</strong> Schul<strong>die</strong>nst und <strong>die</strong> Verhaftung als Teilnehmer<br />

der „Echo“-Versammlung. Hans Podeyn musste sich<br />

e<strong>in</strong>e neue Existenz aufbauen und wechselte bis 1945<br />

aus wirtschaftlichen Grün<strong>den</strong> neun Mal <strong>den</strong> Wohnsitz.<br />

Beschäftigung fand er mit der Unterstützung von<br />

Gustav Dahrendorf im Kohlenhandel. 1935 geriet Hans<br />

Podeyn erneut <strong>in</strong> das Visier der Gestapo und stand<br />

im Verdacht, sich an der illegalen Parteiarbeit zu beteiligen.<br />

Im darauf folgen<strong>den</strong> Jahr wurde er erneut<br />

vorübergehend festgenommen.<br />

Im November 1945 kehrte Hans Podeyn zurück nach<br />

<strong>Hamburg</strong>. Es fand e<strong>in</strong>e Anstellung beim Landeswirtschaftsrat<br />

und wechselte im Juni 1946 <strong>in</strong> das Zentralamt<br />

für Ernährung und Landwirtschaft der britischen<br />

Zone. Bis 1949 war er <strong>in</strong> der Bizone als Abteilungsleiter<br />

und M<strong>in</strong>isterialdirektor tätig. Nach der Gründung<br />

der Bundesrepublik Deutschland wechselte er <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

diplomatischen Dienst und war von 1954 bis 1959 als<br />

Botschafter <strong>in</strong> Pakistan tätig. Hans Podeyn starb am<br />

19. August 1965 <strong>in</strong> Bad Homburg von der Höhe.


52<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Georg Helmuth<br />

Christian Raloff<br />

* 9.4.1902 † 1.10.1965<br />

In Altona geboren, wuchs Georg Raloff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Eimsbütteler Familie auf, <strong>in</strong> der beide Eltern und alle<br />

sechs Söhne aktive Sozial<strong>dem</strong>okraten waren. Wie<br />

Georg („Schorsch“) wur<strong>den</strong> auch se<strong>in</strong>e Brüder Karl,<br />

He<strong>in</strong>rich, Friedrich, Max und Gottlieb von <strong>den</strong> Nationalsozialisten<br />

entlassen oder um ihre berufliche<br />

Zukunft gebracht. Karl war schon aus <strong>dem</strong> Ersten<br />

Weltkrieg als Arbeiter- und Soldatenrat zurückgekehrt.<br />

Später wurde er <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstags gewählt und führte<br />

das Reichsbanner <strong>in</strong> Hannover. Unmittelbar nach der<br />

Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz musste er<br />

vor der Gestapo <strong>in</strong> Deutschland untertauchen, bis ihm<br />

später <strong>die</strong> Flucht nach Dänemark und anschließend<br />

nach Schwe<strong>den</strong> gelang.<br />

Georg Raloff begann 1917 e<strong>in</strong>e kaufmännische Ausbildung<br />

bei e<strong>in</strong>er Getreidehandelsfirma. Ab 1929 war<br />

er dort als Handlungsbevollmächtigter, später als Prokurist<br />

und schließlich als Teilhaber tätig. Dann wechselte<br />

er zum ”<strong>Hamburg</strong>er Echo” als kaufmännischer<br />

Angestellter. Frühzeitig war er zur Arbeiterjugend<br />

gekommen, 1919 trat er <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. Bis 1933 war<br />

er als Funktionär <strong>in</strong> Eimsbüttel tätig. Er gehörte <strong>dem</strong><br />

Reichsbanner an und war Mitglied im Arbeitersportvere<strong>in</strong><br />

Fichte Eimsbüttel.<br />

Am 16. Juni 1933 wurde er <strong>in</strong> <strong>den</strong> Räumen des <strong>Hamburg</strong>er<br />

Echo <strong>in</strong> der Fehlandstraße mit <strong>dem</strong> dort tagen<strong>den</strong><br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>-Vorstand verhaftet. Auch er<br />

bekam <strong>die</strong> gegenüber vielen Verhafteten angewandte<br />

Brutalität der Nationalsozialisten zu spüren. Bei <strong>den</strong><br />

Vernehmungen im Stadthaus, <strong>dem</strong> Polizeigebäude<br />

an der Stadthausbrücke, wur<strong>den</strong> ihm sechs Zähne<br />

ausgeschlagen. Der Vorwurf des Landes- und Hochverrats<br />

wurde schließlich fallengelassen, so dass Georg<br />

Raloff am 30. Juli 1933 aus der Schutzhaft <strong>in</strong> Fuhlsbüttel<br />

entlassen wurde. Bis Ende 1933 wur<strong>den</strong> bei ihm wie-<br />

derholt Hausdurchsuchungen durchgeführt, dabei<br />

wurde <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>e Bibliothek mit über 400<br />

wissenschaftlichen Werken beschlagnahmt. Längere<br />

Zeit stand er noch unter Polizeiaufsicht.<br />

Friedrich, der sich 1943 freiwillig zur Wehrmacht<br />

meldete, um nicht als Richter zum Sondergericht Kiel<br />

versetzt zu wer<strong>den</strong>, kam ums Leben. Alle anderen<br />

Brüder beteiligten sich nach <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg<br />

am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau Deutschlands. Karl wurde<br />

Attaché an der Deutschen Botschaft <strong>in</strong> Kopenhagen,<br />

wo ihm zu Ehren e<strong>in</strong>e Ge<strong>den</strong>kplakette angebracht wor<strong>den</strong><br />

ist. He<strong>in</strong>rich wurde als Rechtsanwalt zugelassen.<br />

Max war Vorstandsmitglied e<strong>in</strong>er Versicherungsgesellschaft<br />

und Vorsitzender der Bezirksversammlung<br />

<strong>Hamburg</strong>-Nord und Gottlieb Senatsdirektor <strong>in</strong> der<br />

Jugendbehörde.<br />

Georg Raloff wurde wegen se<strong>in</strong>er besonderen Fachkenntnisse<br />

schon 1945 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Leitung der Außenhandelsorganisation<br />

für Saatgut berufen. Von 1946 bis zu<br />

se<strong>in</strong>em Tod am 1. Oktober 1965 gehörte er der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft an. In Steilshoop wurde der<br />

„Georg-Raloff-R<strong>in</strong>g“ nach ihm benannt.


Herbert Ruscheweyh<br />

* 13.11.1892 † 19.8.1965<br />

Herbert Ruscheweyh wurde am 13. November 1892<br />

als Sohn e<strong>in</strong>es Hausmaklers <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-Hohenfelde<br />

geboren. Er wuchs <strong>in</strong> bürgerlichen Verhältnissen auf<br />

und besuchte nach der Volksschule ab 1899 das Matthias-Claudius-Gymnasium<br />

<strong>in</strong> Wandsbek. Hier legte<br />

er 1911 se<strong>in</strong>e Reifeprüfung ab, anschließend stu<strong>die</strong>rte<br />

er Rechtswissenschaften <strong>in</strong> Neuenburg (Neuchatel),<br />

Schweiz, <strong>in</strong> München und <strong>in</strong> Kiel. Nach der Ersten<br />

juristischen Staatsprüfung 1914 leistete er als Freiwilliger<br />

Kriegs<strong>die</strong>nst im Ersten Weltkrieg. Unter <strong>dem</strong><br />

E<strong>in</strong>druck der Kriegserlebnisse trat Ruscheweyh 1917 <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>, zwei Jahre später wurde er <strong>in</strong> <strong>den</strong> großen<br />

Arbeiterrat gewählt.<br />

1918 wurde er an der Christian-Albrechts-Universität<br />

zu Kiel mit e<strong>in</strong>er Dissertation über <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des deutschen Jugendgerichts promoviert. Nach<strong>dem</strong><br />

er <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> 1921 <strong>die</strong> Zweite juristische Staatsprüfung<br />

abgelegt hatte, machte er sich <strong>in</strong> der Hansestadt<br />

als Rechtsanwalt selbstständig. Zusammen mit <strong>dem</strong><br />

Bürgerschaftsabgeordneten der Deutschen Demokratischen<br />

Partei (DDP), Dr. Max Eichholz, der später von<br />

<strong>den</strong> Nationalsozialisten als Jude verfolgt und ermordet<br />

wurde, unterhielt Ruscheweyh e<strong>in</strong>e Sozietät.<br />

Ruscheweyh, der seit 1928 der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft<br />

angehörte, wurde nach <strong>den</strong> Neuwahlen am<br />

4. November 1931 zum Präsi<strong>den</strong>ten der Bürgerschaft<br />

gewählt. Er übernahm das Amt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schwierigen<br />

Zeit, <strong>die</strong> von e<strong>in</strong>er zunehmen<strong>den</strong> politischen Radikalisierung<br />

gekennzeichnet war. Die bisherigen Regierungsparteien<br />

hatten <strong>die</strong> Mehrheit verloren, ohne<br />

dass e<strong>in</strong>e neue regierungsfähige Mehrheit zustande<br />

kam. Die Nationalsozialisten, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> ihren<br />

ersten großen Wahlerfolg erzielt hatten, machten<br />

entgegen <strong>dem</strong> <strong>dem</strong>okratischen Brauch der stärksten<br />

Parlamentsfraktion <strong>den</strong> Anspruch auf das Amt des<br />

Herbert Ruscheweyh 53<br />

Bürgerschaftspräsi<strong>den</strong>ten streitig. Ruscheweyh wurde<br />

erst im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit<br />

gewählt. Als bei der erneuten Wahl am 24. April 1932<br />

<strong>die</strong> NSDAP knapp vor der <strong>SPD</strong> lag und nun ihrerseits<br />

Anspruch auf das Präsi<strong>den</strong>tenamt erhob, revanchierten<br />

sich <strong>die</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten und setzten wiederum im<br />

dritten Wahlgang Ruscheweyh durch.<br />

Herbert Ruscheweyh blieb bis Ende März 1933 im<br />

Amt. Ihm oblag <strong>die</strong> schwere <strong>Auf</strong>gabe, am 8. März 1933<br />

<strong>den</strong> unter Führung der Nationalsozialisten gebildeten<br />

neuen Senat zu vereidigen. Es war zugleich <strong>die</strong> letzte<br />

<strong>dem</strong>okratische Handlung <strong>in</strong> der Hansestadt. Die<br />

Nationalsozialisten scherten sich nicht um ihren Eid,<br />

der Verfassung <strong>die</strong> Treue zu halten und <strong>die</strong> Gesetze<br />

zu achten. Erfolglos setzte sich Ruscheweyh bis zum<br />

Schluss für <strong>die</strong> unter Bruch der Immunität verhafteten<br />

Abgeordneten von <strong>SPD</strong> und KPD e<strong>in</strong>. Mit <strong>dem</strong> „Vorläufigen<br />

Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit<br />

<strong>dem</strong> Reich“ vom 31. März 1933 endete se<strong>in</strong>e Amtszeit.<br />

Ruscheweyh war während der NS-Zeit als Anwalt<br />

tätig und erwarb sich schnell e<strong>in</strong>en Ruf als Verteidiger<br />

<strong>in</strong> politischen Prozessen. So verteidigte er 1933<br />

Dr. Julius Leber vor <strong>dem</strong> Lübecker Schwurgericht.


54<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Ruscheweyh vertrat im Sommer 1933 <strong>die</strong> gesamte Parteiführung<br />

der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>, <strong>die</strong> bei der „Echo“-<br />

Versammlung verhaftet wor<strong>den</strong> war. Erfolgreich konnte<br />

er e<strong>in</strong>en Prozess wegen Hochverrat abwen<strong>den</strong>, so<br />

dass alle Verhafteten noch mehreren Wochen wieder<br />

frei kamen. Obwohl Ruscheweyh auf Betreiben der<br />

Gestapo ab 1934 nicht mehr <strong>in</strong> Hoch- Landesverratsprozessen<br />

als Verteidiger auftreten durfte, war er häufig<br />

der Anwalt, bei <strong>dem</strong> <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> politisch verfolgte<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten zunächst Rat suchten. Nach <strong>dem</strong><br />

Hitler-Attentat wurde auch Ruscheweyh vom 22. August<br />

bis zum 18. September 1944 im KZ Fuhlsbüttel<br />

gefangengehalten.<br />

Nach <strong>dem</strong> Ende des NS-Regimes beteiligte sich<br />

Ruscheweyh am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau. Am 30. Oktober<br />

1945 wurde er zum Präsi<strong>den</strong>ten der Anwaltskammer<br />

gewählt. Schon wenige Monate später gab er se<strong>in</strong>e<br />

anwaltliche Tätigkeit auf und übernahm am 2. Januar<br />

1946 das Amt des Vizepräsi<strong>den</strong>ten des Hanseatischen<br />

Oberlandesgerichts. Am 1. Oktober 1946 wurde er<br />

Präsi<strong>den</strong>t des Gerichts. Als ehemaliger <strong>dem</strong>okratischer<br />

Bürgerschaftspräsi<strong>den</strong>t vor April 1933 eröffnete er am<br />

27. Februar 1946 <strong>die</strong> von der britischen Militärregierung<br />

ernannte Bürgerschaft. Von 1948 bis 1951 amtierte<br />

Ruscheweyh als Präsi<strong>den</strong>t des Deutschen Obergerichts<br />

für das Vere<strong>in</strong>igte Wirtschaftsgebiet <strong>in</strong> Köln. Er wirkte<br />

an der <strong>Hamburg</strong>ischen Verfassung von 1952 mit und<br />

wurde erster Präsi<strong>den</strong>t des <strong>Hamburg</strong>ischen Verfassungsgerichts.<br />

Als Oberlandesgerichtspräsi<strong>den</strong>t war er<br />

durch <strong>die</strong> <strong>in</strong> Personalunion geführten Ämter zugleich<br />

höchster Richter am <strong>Hamburg</strong>ischen Oberverwaltungsgericht.<br />

Ruscheweyhs Ruf als anerkannter Jurist<br />

reichte weit über <strong>Hamburg</strong>s Grenzen h<strong>in</strong>aus. Er übernahm<br />

neben se<strong>in</strong>er richterlichen Tätigkeit nationale<br />

und <strong>in</strong>ternationale <strong>Auf</strong>gaben. Seit 1946 war er an der<br />

Universität <strong>Hamburg</strong> als Lehrbeauftragter tätig, 1951<br />

ernannte der Senat ihn zum Honorarprofessor. 1961,<br />

e<strong>in</strong> Jahr nach <strong>dem</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> <strong>den</strong> Ruhestand, wurde<br />

ihm <strong>in</strong> Anerkennung se<strong>in</strong>er Ver<strong>die</strong>nste das Große<br />

Bundesver<strong>die</strong>nstkreuz mit Stern und Schulterband<br />

des Ver<strong>die</strong>nstor<strong>den</strong>s der Bundesrepublik Deutschland<br />

verliehen. Herbert Ruscheweyh starb am 11. März 1965<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

In Wandsbek wurde 1975 e<strong>in</strong>e Straße nach ihm<br />

benannt.


Rudolf Saalfeld<br />

* 26.9.1902 † 6.12.1991<br />

Rudolf Saalfeld wurde als siebtes K<strong>in</strong>d des Zigarrenmachers<br />

Eli Saalfeld <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren. Der<br />

Vater war jüdischer Abstammung ohne Konfession<br />

(Frei<strong>den</strong>ker), <strong>die</strong> Mutter protestantisch. Die <strong>in</strong>sgesamt<br />

acht K<strong>in</strong>der wuchsen ohne religiöse B<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratisch und gewerkschaftlich<br />

geprägten Elternhaus auf. Eli Saalfeld war als Sekretär<br />

der Tabakarbeiter-Gewerkschaft tätig und betrieb e<strong>in</strong><br />

Tabakwarengeschäft, das zugleich als Zahlstelle der<br />

Gewerkschaft und als Treffpunkt für <strong>SPD</strong>-Mitglieder<br />

<strong>die</strong>nte. Am 30. Oktober 1913 wurde er als <strong>SPD</strong>-Abgeordneter<br />

Mitglied der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft<br />

Rudolf Saalfeld gehörte mit se<strong>in</strong>en Geschwistern<br />

der Arbeiterjugend <strong>in</strong> Eimsbüttel an und erlernte <strong>den</strong><br />

Beruf e<strong>in</strong>es Elektrikers. 1916 trat er der Gewerkschaft<br />

bei, zwei Jahre später wurde er Mitglied der <strong>SPD</strong>. <strong>Auf</strong><br />

der Veddel war er später als <strong>SPD</strong>-Distriktsvorstandsmitglied<br />

aktiv, hier setzte er sich für <strong>die</strong> sozial<strong>dem</strong>okratische<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft der K<strong>in</strong>derfreunde e<strong>in</strong><br />

und übernahm <strong>den</strong> örtlichen Vorsitz. 1924 trat er <strong>dem</strong><br />

Reichsbanner bei.<br />

Rudolf Saalfeld nahm am 16. Juni 1933 an der Parteivorstands-<br />

und -ausschusssitzung im Redaktionsgebäude<br />

des „<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der Fehlandstraße<br />

teil. Dem hier noch gewählten Parteivorstand gehörte<br />

auch Saalfeld an. Bei der Besetzung des Hauses durch<br />

<strong>die</strong> Gestapo wurde er verhaftet. Am 22. Juli 1933 kam<br />

er wieder frei. Anschließend beteiligte er sich aktiv<br />

am sozial<strong>dem</strong>okratischen Widerstand. Saalfeld unterhielt<br />

Kontakt zu Herbert Dau, der <strong>in</strong> Rothenburgsort<br />

als Verb<strong>in</strong>dungsmann zur illegalen <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>-<br />

Parteiführung fungierte.<br />

Im September 1934 wurde Saalfeld im Zusammenhang<br />

mit e<strong>in</strong>er Verhaftungsaktion gefangen genommen,<br />

<strong>die</strong> sich vor allem gegen <strong>die</strong> illegale Sozialistische<br />

Rudolf Saalfeld 55<br />

Arbeiterpartei (SAP) um <strong>den</strong> letzten Vorsitzen<strong>den</strong><br />

Arthur Busch richtete.<br />

Als im August 1934 Mitglieder der illegalen SAP auf<br />

der Uhlenhorst Flugblätter verteilten mit <strong>dem</strong> <strong>Auf</strong>ruf,<br />

bei der Abstimmung über <strong>die</strong> Zusammenlegung der<br />

Ämter des Reichspräsi<strong>den</strong>ten und des Reichskanzlers<br />

am 19. August 1934 mit „Ne<strong>in</strong>“ zu stimmen, wur<strong>den</strong><br />

mehrere Aktivisten verhaftet. Den Nationalsozialisten<br />

gelang es mit ihren Foltermetho<strong>den</strong>, <strong>die</strong> H<strong>in</strong>termänner<br />

zu ermitteln. Am 17. September 1934 wurde Arthur<br />

Busch verhaftet, e<strong>in</strong>e Woche später Rudolf Saalfeld. Bis<br />

zum 25. Oktober 1934 saß er <strong>in</strong> Fuhlsbüttel <strong>in</strong> Schutzhaft,<br />

dann <strong>in</strong> Untersuchungshaft. Zusammen mit 20<br />

Mitangeklagten wurde ihm am 2. Mai 1935 vor <strong>dem</strong><br />

Hanseatischen Oberlandesgericht der Prozess gemacht.<br />

Saalfeld hatte offensichtlich Flugblätter der Busch-<br />

Gruppe entweder für <strong>die</strong> eigene Widerstandsarbeit<br />

genutzt oder nur weitergegeben. Der ganze Umfang<br />

se<strong>in</strong>er Aktivitäten kam je<strong>den</strong>falls nicht zum Vorsche<strong>in</strong>.<br />

Nicht e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Verteilung von Flugblättern konnte<br />

Saalfeld nachgewiesen wer<strong>den</strong>. Lediglich <strong>die</strong> Weitergabe<br />

von Flugblättern an e<strong>in</strong>en mit der Verbreitung<br />

beauftragten Genossen hatte er <strong>in</strong> zwei Fällen zugegeben.<br />

Rudolf Saalfeld folgte damit e<strong>in</strong>er gängigen<br />

Verteidigungsstrategie. Er belastete e<strong>in</strong>e andere Person,<br />

<strong>die</strong> bekanntermaßen untergetaucht war. Der Vorwurf<br />

der Vorbereitung zum Hochverrat ließ sich damit nicht<br />

aufrechterhalten. Saalfeld wurde aber zur Last gelegt,<br />

dass mit der planmäßigen Flugblattversorgung auf der<br />

Veddel <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>rechterhaltung e<strong>in</strong>es organisatorischen<br />

Zusammenhalts e<strong>in</strong>er im Gegensatz zur NSDAP stehen<strong>den</strong><br />

politischen Partei bezweckt wor<strong>den</strong> sei. <strong>Weg</strong>en<br />

Verstoßes gegen das Gesetz gegen <strong>die</strong> Neubildung von<br />

Parteien vom 14. Juli 1933 wurde Rudolf Saalfeld zu<br />

e<strong>in</strong>em Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.


56<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Am 3. April 1936 wurde er nach der Strafverbüßung<br />

<strong>in</strong> Fuhlsbüttel aus der Haft entlassen.<br />

Nach der Freilassung war Rudolf Saalfeld zunächst<br />

arbeitslos, dann Hilfsarbeiter und vom 14. November<br />

1941 bis 21. Juli 1942 als Bordelektriker auf Handelsbegleitschiffen<br />

der Horn-Reederei tätig. <strong>Weg</strong>en<br />

Wehrunwürdigkeit wurde er entlassen. Ihm wurde <strong>die</strong><br />

Fahrerlaubnis entzogen. Nach e<strong>in</strong>er vorübergehen<strong>den</strong><br />

Beschäftigung bei der Firma Kramke als Elektriker<br />

musste er im letzten Kriegsjahr aus sogenannten rassischen<br />

Grün<strong>den</strong> zwangsweise <strong>Auf</strong>räumungsarbeiten<br />

leisten.<br />

Sofort nach Ende des Krieges hat Rudolf Saalfeld<br />

aktiv am <strong>Auf</strong>bau der <strong>SPD</strong> und der Gewerkschaften<br />

teilgenommen. Er wurde <strong>SPD</strong>-Distriktsvorsitzender<br />

<strong>in</strong> Eimsbüttel sowie Kreis- und Landesdelegierter der<br />

<strong>SPD</strong>. Zunächst war Rudolf Saalfeld beim <strong>Hamburg</strong>er<br />

Arbeitsamt tätig. Dann übernahm er leitende Funktionen<br />

<strong>in</strong> der Gewerkschaft, ab 18. September 1946 DGB-<br />

Sekretär und von 1949 bis 1959 1. Bevollmächtigter<br />

(1. Vorsitzender) der <strong>Hamburg</strong>er IG Metall sowie stellvertretender<br />

Vorsitzender des DGB-Ortsausschusses<br />

<strong>Hamburg</strong>. Von 1953 bis 1957 gehörte er der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft an. Zuletzt war er bei <strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Elektrizitätswerken und weiter ehrenamtlich<br />

im Bereich der <strong>SPD</strong> und der Gewerkschaften tätig.<br />

Rudolf Saalfeld starb 6. Dezember 1991 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

Rudolf Saalfeld 6<br />

(Die Verhaftung der gesamte Parteiführung der <strong>SPD</strong> 1933)<br />

Damals war ich dabei.<br />

Diese Er<strong>in</strong>nerung rief e<strong>in</strong> Bericht im „ <strong>Hamburg</strong>er<br />

Kurs“ über <strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>er Reichstagsabgeordneten vor<br />

1933, Hans Staud<strong>in</strong>ger, <strong>in</strong> mir wieder wach.<br />

Die dort angesprochene Versammlung am 16. Juni 1933<br />

im Gebäude des früheren „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ (unsere<br />

damalige Parteizeitung) war von Adolph Schönfelder<br />

arrangiert wor<strong>den</strong>. Er war e<strong>in</strong>er der Geschäftsführer des<br />

Verlags Auer & Co., bei <strong>dem</strong> das „Echo“ erschien. Als<br />

Deckmantel <strong>die</strong>ser an sich illegalen Versammlung war<br />

<strong>die</strong> Weiterführung <strong>die</strong>ser Zeitung unter <strong>den</strong> gegenwärtigen<br />

Verhältnissen angegeben. Als solche war sie nach<br />

Angaben Schönfelders von <strong>den</strong> Nazis erlaubt wor<strong>den</strong>.<br />

Es kam alles ganz anders.<br />

Vertreter aller Distrikte und der Parteivorstand und<br />

führende Parteigenossen, wie Staud<strong>in</strong>ger, Schönfelder,<br />

Gustav Dahrendorf, Walter Schme<strong>dem</strong>ann, Karl Meitmann<br />

und Dr. Mette waren anwesend. An Ihrer er<strong>in</strong>nere<br />

ich mich. Viele <strong>die</strong>ser Teilnehmer leben heute nicht mehr.<br />

Es wurde über <strong>die</strong> illegale Weiterführung der <strong>SPD</strong><br />

debattiert. Es gab langwierige und gegensätzliche Ause<strong>in</strong>andersetzungen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Debatte <strong>in</strong> <strong>die</strong> Länge zogen.<br />

Schönfelder als Versammlungsleiter warnte laufend, <strong>die</strong><br />

Versammlung zu been<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> neuer Parteivorstand<br />

wurde schließlich gewählt, <strong>dem</strong> ich angehörte.<br />

Es musste damit gerechnet wer<strong>den</strong>, dass wir überwacht<br />

und bespitzelt wur<strong>den</strong>. Vielleicht war es so gewollt,<br />

da wir hier alle zusammen waren. Denn plötzlich meldete<br />

uns der Hauswart, daß SA-Leute <strong>in</strong> das Gebäude<br />

e<strong>in</strong>drangen. Auch <strong>die</strong> großen Fensterscheiben splitterten<br />

und klirrten, <strong>den</strong>n auch von dort drangen über Dächer<br />

uniformierte und bewaffnete SA-Leute <strong>in</strong> <strong>den</strong> Saal.


Hier hatten kurz vorher beschlossen, daß niemand<br />

flüchten sollte. Wer verdächtiges Material bei sich hatte,<br />

sollte es vernichten. Wir wur<strong>den</strong> sofort zusammengetrieben<br />

und unter Stoßen und Schubsen am Körper<br />

durchsucht. Jeder Protest wurde gewaltsam unterdrückt.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich hatten sie verdächtige Papiere gefun<strong>den</strong>.<br />

Denn darauf gründete sich unsere anschließende Verhaftung.<br />

Unter rauhbe<strong>in</strong>iger Behandlung wur<strong>den</strong> wir <strong>in</strong><br />

Bussen <strong>in</strong>s Polizeipräsidium (Stadthaus) gebracht und<br />

dort <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kellerräume getrieben. Dort mußten wir <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Gängen mit <strong>dem</strong> Gesicht zur Wand viele Stun<strong>den</strong><br />

stehen. Wir durften weder re<strong>den</strong> oder auch nur uns<br />

berühren, sofort setzte es Knüffe und Schläge und üble<br />

Beschimpfungen. Dann wur<strong>den</strong> wir e<strong>in</strong>er nach <strong>dem</strong><br />

anderen vernommen. Dabei erg<strong>in</strong>g es unseren Adolph<br />

Schönfelder am schlechtesten, ich hörte ihn mehrmals<br />

schreien.<br />

An jenes möchte ich ändern. E<strong>in</strong>em von uns war es<br />

gelungen zu entkommen. Es war Dr. Mette, der damalige<br />

Kulturleiter beim <strong>Hamburg</strong>er Parteivorstand. Er war <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> oberen Etagen geflüchtet und hatte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

der Zimmer auf e<strong>in</strong>em Schrank versteckt. Auch bei der<br />

Hausdurchsuchung wurde er nicht entdeckt. Wie er aus<br />

<strong>dem</strong> noch lange bewachten Haus herausgekommen ist,<br />

weiß ich nicht. So konnte er uns später sehr nützlich se<strong>in</strong>.<br />

Im Keller des Stadthauses stan<strong>den</strong> Georg Raloff und<br />

ich zusammen. Wir empörten uns gegen <strong>die</strong> groben Mißhandlungen,<br />

<strong>die</strong> besonders Adolph Schönfelder betrafen.<br />

Aber wir wur<strong>den</strong> gewaltsam zur Ruhe gebracht. E<strong>in</strong>er<br />

nach <strong>dem</strong> anderen wur<strong>den</strong> wir verhört. Das dauerte<br />

viele Stun<strong>den</strong> lang, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en wir auf <strong>den</strong> Gängen stehen<br />

mußten ohne uns zu rühren. Es kamen wohl sämtliche<br />

Nazigrößen, um uns e<strong>in</strong>zeln zu mustern. Gegen<br />

Mitternacht kamen der Gauleiter Kaufmann und der<br />

Arbeitsfrontleiter Habedank, um uns zu sehen. Danach<br />

Rudolf Saalfeld 57<br />

wur<strong>den</strong> wir <strong>in</strong> das Untersuchungsgefängnis gebracht und<br />

dort e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> Zellen verteilt. Auch beim Spaziergang<br />

im Gefängnishof wur<strong>den</strong> wir von Mar<strong>in</strong>e-SA streng<br />

bewacht und weit ause<strong>in</strong>andergehalten.<br />

In me<strong>in</strong>er Zelle traf ich auf e<strong>in</strong>en politischen Gefangenen.<br />

Er wurde sehr viel zur Vernehmung zur Gestapo<br />

geführt. Stets kam er fürchterlich zugerichtet zurück.<br />

Als ich e<strong>in</strong>mal Tücher verlangte, wurde mir strikt jede<br />

Hilfe verboten. Er selbst glaubte, nicht mehr mit <strong>dem</strong><br />

Leben davonzukommen.<br />

Unsere Verteidigung übernahm der Anwalt Dr. Ruscheweyh.<br />

Etwa 13 Wochen blieben wir <strong>in</strong> Haft im UG.<br />

Danach wur<strong>den</strong> wir nache<strong>in</strong>ander ohne Prozeß entlassen.<br />

Die führen<strong>den</strong> Genossen - ich weiß es <strong>in</strong>sbesondere<br />

von Gustav Dahrendorf - blieben noch länger <strong>in</strong> Haft.<br />

Dr. Mette traf ich später wieder. Er hatte <strong>in</strong> der<br />

Kaiser-Wilhelm-Straße e<strong>in</strong> Zigarrengeschäft e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Das war unsere Zentrale, <strong>in</strong> der ich noch kassierte<br />

Beiträge der Genossen me<strong>in</strong>es Distrikts abführte. Wir<br />

kamen auch immer noch zusammen auf Wanderungen,<br />

Radtouren, Barkassenfahrten und geselligen Zusammenkünften.<br />

Bis zu me<strong>in</strong>er zweiten Verhaftung am 24.<br />

September 1934, <strong>die</strong> weitaus dramatischer verlief.


58<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

H<strong>in</strong>rich Jonni Schacht<br />

* 15.7.1904 † 29.10.1992<br />

Jonni Schacht wurde am 15. Juli 1904 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-<br />

F<strong>in</strong>kenwärder. Se<strong>in</strong> Vater, der Schiffsführer H<strong>in</strong>rich<br />

Schacht, gehörte seit 1901 der <strong>SPD</strong> an und wechselte<br />

1924 zu <strong>den</strong> Kommunisten. Jonni Schacht besuchte<br />

acht Jahre <strong>die</strong> Volksschule und anschließend e<strong>in</strong> Jahr<br />

<strong>die</strong> Handelsschule. 1919 begann er e<strong>in</strong>e kaufmännische<br />

Ausbildung, <strong>die</strong> ihn <strong>in</strong> das Exportgeschäft führte. 1932<br />

wurde er Geme<strong>in</strong>desekretär der <strong>Hamburg</strong>er Landgeme<strong>in</strong>de<br />

Farmsen-Berne.<br />

Mit 14 Jahren trat Jonni Schacht am 1. Februar 1919<br />

<strong>dem</strong> Arbeiterjugendbund <strong>Hamburg</strong> bei. Er wurde Vorstandsmitglied<br />

der SAJ Harburg und engagierte sich<br />

bei <strong>den</strong> K<strong>in</strong>derfreun<strong>den</strong>. Im <strong>SPD</strong>-Distrikt Farmsen-<br />

Berne fungierte Jonni Schacht von 1928 bis 1930 als<br />

Bildungsobmann. 1931 übernahm er <strong>den</strong> Distriktsvorsitz.<br />

Er war Mitglied des Reichsbanners und Leiter der<br />

„Eisernen Front“ im örtlichen Wahlkreis.<br />

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />

wurde Jonni Schacht der Unterschlagung bezichtigt<br />

und am 31. März 1933 verhaftet. Nach<strong>dem</strong> er se<strong>in</strong>e<br />

Unschuld bewiesen hatte, wurde er nach acht Tagen<br />

Schutzhaft wieder entlassen. Als Distriktsführer nahm<br />

Jonni Schacht an der „Echo“-Versammlung teil und<br />

wurde erneut verhaftet. Nach se<strong>in</strong>er Freilassung beteiligte<br />

er sich an der illegalen Parteiarbeit und leitete <strong>den</strong><br />

Kreis <strong>Hamburg</strong>-Walddörfer. Jonni Schacht, der 1933<br />

aus <strong>dem</strong> Staats<strong>die</strong>nst entlassen wor<strong>den</strong> war, blieb bis<br />

zu se<strong>in</strong>er Verhaftung 1935 arbeitslos. Die Verurteilung<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat brachte Jonni<br />

Schacht 3 Jahre Zuchthaus e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Jahr verbüßte er<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-Fuhlsbüttel, zwei Jahre im Aschendorfermoor<br />

/ Papenburg. Die Nationalsozialisten veranlassten<br />

se<strong>in</strong>en Ausschluss aus der Baugenossenschaft<br />

„Gartenstadt <strong>Hamburg</strong>“, so dass Jonni Schacht se<strong>in</strong><br />

Siedlungshaus räumen musste. Nach se<strong>in</strong>er Entlas-<br />

sung fand Jonni Schacht ab 1940 e<strong>in</strong>e Beschäftigung<br />

bei se<strong>in</strong>em Parteifreund Adolf Keilhack, der sich als<br />

Grundstücksverwalter und Hausmakler selbständig<br />

gemacht hatte. Erneut betätigte sich Jonni Schacht im<br />

Widerstand und unterhielt <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> und Bremen<br />

Verb<strong>in</strong>dungen zu Sozial<strong>dem</strong>okraten und Kommunisten.<br />

Jonni Schacht wurde 1942 zum Bewährungsbataillon<br />

999 e<strong>in</strong>gezogen und musste Kriegs<strong>die</strong>nst <strong>in</strong> Belgien,<br />

Griechenland und Jugoslawien leisten. 1946 kehrte er<br />

aus Jugoslawien aus der Kriegsgefangenschaft zurück<br />

nach <strong>Hamburg</strong>. Er erhielt se<strong>in</strong> Haus <strong>in</strong> Berne <strong>in</strong> der<br />

Lienaustraße 10 zurück und wurde Ortsamtsleiter <strong>in</strong><br />

Rahlstedt. Jonni Schacht starb am 20. Oktober 1992<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.


Walter Schme<strong>dem</strong>ann<br />

* 3.2.1901 † 1.4.1976<br />

Walter Schme<strong>dem</strong>ann wurde am 3. Februar 1901<br />

im <strong>Hamburg</strong>er Stadtteil Barmbek als Sohn e<strong>in</strong>es Lagermeisters<br />

geboren. Er wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Elternhaus auf und trat mit 14 Jahre <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) e<strong>in</strong>. Trotz guter<br />

schulischen Leistungen musste Schme<strong>dem</strong>ann nach<br />

acht Jahren <strong>die</strong> Volksschule verlassen und 1915 e<strong>in</strong>e<br />

Ausbildung als Verkäufer bei der Genossenschaft „Produktion“<br />

beg<strong>in</strong>nen. Nach der Revolution 1918 arbeitete<br />

er als Hafenarbeiter. 1924 fand er e<strong>in</strong>e Anstellung als<br />

Hausarbeiter <strong>in</strong> der Gesundheitsbehörde. Schme<strong>dem</strong>ann<br />

wurde im A.K. St. Georg beschäftigt und begann<br />

hier 1925 se<strong>in</strong>e Betriebsratsarbeit. Später übte er <strong>den</strong><br />

Vorsitz <strong>in</strong> der Arbeitnehmervertretung aus.<br />

Schme<strong>dem</strong>ann trat 1917 <strong>in</strong> <strong>die</strong> U<strong>SPD</strong> e<strong>in</strong> und wurde<br />

1924 mit der Wiedervere<strong>in</strong>igung <strong>SPD</strong>-Mitglied.<br />

Er übernahm zunächst <strong>die</strong> Funktion e<strong>in</strong>es Bezirkskassierers,<br />

wurde dann Bezirksführer und 1931 Distriktsvorsitzender<br />

<strong>in</strong> Eilbek. Auch der Gewerkschaft<br />

und <strong>dem</strong> Reichsbanner gehörte er an. 1932 wurde<br />

Schme<strong>dem</strong>ann <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft<br />

gewählt, deren Mitglied er bis zum Ausschei<strong>den</strong> der<br />

<strong>SPD</strong>-Abgeordneten 1933 war.<br />

Bereits Anfang 1933 wurde Schme<strong>dem</strong>ann sechs<br />

Wochen <strong>in</strong>haftiert, als er e<strong>in</strong>em von e<strong>in</strong>er Gruppe von<br />

Nationalsozialisten bedrohten Reichsbannermann mit<br />

se<strong>in</strong>er Pistole zur Seite stand. Im August 1933 wurde<br />

er deshalb wegen des Führens e<strong>in</strong>er Schusswaffe außerhalb<br />

der Wohnung ohne Waffensche<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

Geldstrafe verurteilt. Als am 16. Juni 1933 <strong>die</strong> gesamte<br />

Parteiführung bei e<strong>in</strong>er Zusammenkunft <strong>in</strong> der Fehlandtstraße<br />

verhaftet wurde, hatte sich Schme<strong>dem</strong>ann<br />

für se<strong>in</strong>en Distrikt vertreten lassen und konnte somit<br />

nicht gefangen genommen wer<strong>den</strong>. Erst am 23. Juni<br />

erfolgte se<strong>in</strong>e Verhaftung. Schme<strong>dem</strong>ann nutzte <strong>die</strong><br />

Walter Schme<strong>dem</strong>ann 59<br />

Zeit, um zum<strong>in</strong>dest im eigenen Distrikt <strong>die</strong> noch vorhan<strong>den</strong>en<br />

Gelder für Durchschlagpapier, Farben für<br />

<strong>den</strong> Vervielfältigungsapparat, Wachsbogen und <strong>in</strong>sbesondere<br />

Abzugspapier zu beschaffen. Schon <strong>die</strong>se<br />

Beschaffungen mußten getarnt wer<strong>den</strong>, um durch<br />

größere Ankäufe nicht aufzufallen.<br />

Als Schme<strong>dem</strong>ann am 22. Juli 1933 aus der Haft<br />

entlassen wurde, begann er umgehend <strong>die</strong> illegale<br />

Parteiarbeit <strong>in</strong> Eilbek zu organisieren. Regelmäßige<br />

Zusammenkünfte, Wanderungen und Versammlungen<br />

im Freien, später sogar e<strong>in</strong>e Maifeier, sorgten für <strong>den</strong><br />

notwendigen Zusammenhang. Um <strong>die</strong> illegale Arbeit<br />

f<strong>in</strong>anzieren und Angehörige von Inhaftierten unterstützen<br />

zu können, wur<strong>den</strong> Beiträge kassiert. Nach e<strong>in</strong>er<br />

Denunziation wurde Schme<strong>dem</strong>ann am 3. Oktober 1933<br />

zusammen mit e<strong>in</strong>em Kassierer erneut verhaftet. Der<br />

Kassierer erklärte, <strong>die</strong> Partei nur vorgeschoben und das<br />

Geld zur eigenen Bereicherung gesammelt zu haben.<br />

Schme<strong>dem</strong>ann kam Mitte November wieder frei.<br />

Die illegale Organisation hatte <strong>in</strong>zwischen feste<br />

Formen angenommen. Im Spätsommer 1933 bestand<br />

zu allen ehemaligen Distrikten Verb<strong>in</strong>dung. Größere<br />

Gruppierungen delegierten e<strong>in</strong>en Vertreter <strong>in</strong> <strong>die</strong>


60<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

illegale Leitung, so vertrat Helmut Weidt <strong>die</strong> Genossen<br />

aus Rothenburgsort. Auch nach Altona gab es<br />

Kontakte. Allwöchentlich kam e<strong>in</strong>e etwa sechsköpfige<br />

Leitungsgruppe <strong>in</strong> der Wohnung von Inga Dengler<br />

nahe der Gestapo-Zentrale im Stadthaus zusammen.<br />

Die illegale Parteiorganisation brachte mit <strong>den</strong> „Roten<br />

Blättern“ jede Woche e<strong>in</strong>e eigene Zeitung heraus, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er <strong>Auf</strong>lage von bis zu 5.000 Exemplaren hergestellt<br />

wurde. Außer<strong>dem</strong> wurde Material aus <strong>dem</strong> Ausland<br />

herangeschafft und verteilt. Die Verb<strong>in</strong>dungen reichten<br />

zum <strong>SPD</strong>-Auslandssekretariat <strong>in</strong> Kopenhagen und<br />

zum Exilvorstand <strong>in</strong> Prag. Unter Schme<strong>dem</strong>anns Leitung<br />

wurde <strong>die</strong> illegale Arbeit auf <strong>den</strong> norddeutschen<br />

Raum ausgedehnt. Die Verb<strong>in</strong>dungen erstreckten sich<br />

bis nach Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Bremen,<br />

Berl<strong>in</strong> und Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Schme<strong>dem</strong>ann<br />

selbst fuhr wiederholt nach Dänemark. Auch wur<strong>den</strong><br />

gefährdete Genossen <strong>in</strong> das Nachbarland geschleust.<br />

Erste Station auf der Flucht war zumeist <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

Bauernstelle von Schme<strong>dem</strong>anns Eltern <strong>in</strong> Tangstedt.<br />

Nach e<strong>in</strong>igen Tagen g<strong>in</strong>g es mit der Bahn nach<br />

Flensburg, wo Ortskundige <strong>die</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge über <strong>die</strong><br />

Grenze brachten.<br />

Zu <strong>den</strong> spektakulärsten Aktionen gehörte <strong>die</strong> Versendung<br />

e<strong>in</strong>es von Schme<strong>dem</strong>ann verfaßten Berichts<br />

über <strong>die</strong> Zustände im KZ Fuhlsbüttel und <strong>in</strong>sbesondere<br />

über <strong>die</strong> Mißhandlung und <strong>den</strong> Tod des sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Redakteurs Fritz Solmitz. Das vierseitige<br />

Papier wurde etwa 100 Rechtsanwälten, Pastoren und<br />

sogar Polizeistationen direkt zugestellt.<br />

Ende 1934 kam <strong>die</strong> Gestapo der Widerstandsorganisation<br />

auf <strong>die</strong> Spur. Schme<strong>dem</strong>ann wurde am<br />

6. November 1934 verhaftet. Als Kern der illegalen<br />

Organisation ermittelten <strong>die</strong> Behör<strong>den</strong> neun Personen,<br />

von <strong>den</strong>en vier <strong>in</strong>s Ausland geflüchtet waren. Verurteilt<br />

wur<strong>den</strong> am 18. Juni 1935 vom Hanseatischen Oberlandesgericht<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat als<br />

Haupttäter Walter Schme<strong>dem</strong>ann, Otto Schumann, Dr.<br />

Georg Diedrichs, Wilhelm Ropers und Helmut Weidt<br />

sowie als Mittäter<strong>in</strong> Klara Hippe. Schme<strong>dem</strong>ann erhielt<br />

mit zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus <strong>die</strong><br />

höchste Strafe. Dabei gelang es <strong>den</strong> Ermittlungsbehör<strong>den</strong><br />

nicht, <strong>den</strong> gesamten Umfang der illegalen Arbeit<br />

aufzudecken. Der KZ-Bericht war nicht Gegenstand<br />

des Verfahrens und <strong>die</strong> Herstellung der „Roten Blätter“<br />

wurde auf <strong>den</strong> <strong>in</strong>zwischen geflüchteten Emil Auhagen<br />

abgeschoben. Auch hatten sich Schme<strong>dem</strong>anns Vorsichtsmaßnahmen<br />

bewährt. Es war verabredet, bei<br />

der Verhaftung führender Genossen <strong>die</strong>se durch <strong>die</strong><br />

verstärkte Herausgabe von schriftlichem Material zu<br />

entlasten. Tatsächlich sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Urheberschaft dann<br />

bei anderen vermutet wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>.<br />

Nach der Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe wurde Schme<strong>dem</strong>ann<br />

nicht entlassen, sondern wie zuvor Helmut<br />

Weidt und Wilhelm Ropers am 11. September 1937 <strong>in</strong><br />

das KZ-Sachsenhausen überführt und hier weitere 13<br />

Monate bis zum 15. Oktober 1938 gefangen gehalten.<br />

Trotz der jahrelangen Inhaftierung war se<strong>in</strong> Widerstandswille<br />

ungebrochen. Zusammen mit <strong>dem</strong> <strong>Hamburg</strong>er<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten und Reichsbannermann Emil<br />

Wellke organisierte er geheime Zusammenkünfte von<br />

Ges<strong>in</strong>nungsfreun<strong>den</strong> <strong>in</strong> Sachsenhausen.<br />

Wie zuvor <strong>in</strong> Fuhlsbüttel, wo Schme<strong>dem</strong>ann drei<br />

Monaten mit Eisenketten an Hän<strong>den</strong> und Füßen gefesselt<br />

war und bei Vernehmungen geschlagen wurde,<br />

war er auch im KZ-Sachsenhausen schwersten<br />

Mißhandlungen ausgesetzt. An <strong>den</strong> auf <strong>dem</strong> Rücken<br />

zusammengebun<strong>den</strong>en Hän<strong>den</strong> wurde er e<strong>in</strong>e halbe<br />

Stunde am Pfahl aufgehängt. Die dadurch verursachten<br />

Schä<strong>den</strong> an Muskeln, Nerven und Bändern führten zu<br />

e<strong>in</strong>er dauerhaften gesundheitlichen Bee<strong>in</strong>trächtigung.<br />

Angewiesen auf <strong>die</strong> Wohlfahrtsunterstützung lebten<br />

<strong>die</strong> Ehefrau Erna Schme<strong>dem</strong>ann und <strong>die</strong> bei<strong>den</strong> K<strong>in</strong>der<br />

während der Haftzeit <strong>in</strong> großer Not. Erna Schme<strong>dem</strong>ann<br />

war im November 1934 selbst zwei Tage <strong>in</strong> Haft<br />

und wurde mit <strong>dem</strong> Entzug des Sorgerechts bedroht.<br />

Am 1. September 1939, am Tag des Kriegsbeg<strong>in</strong>n,<br />

wurde Schme<strong>dem</strong>ann als e<strong>in</strong>ziger <strong>Hamburg</strong>er Sozial<strong>dem</strong>okrat<br />

erneut verhaftet. Bis zum 11. November 1939<br />

wurde er wiederum im KZ-Sachsenhausen gefangen<br />

gehalten.<br />

Schme<strong>dem</strong>ann, der am 21. April 1933 als Mitarbeiter<br />

der Gesundheitsbehörde aus politischen Grün<strong>den</strong><br />

entlassen wor<strong>den</strong> war und bis zu se<strong>in</strong>er Verhaftung im<br />

November 1934 ke<strong>in</strong>e Arbeit gefun<strong>den</strong> hatte, wurde<br />

nach se<strong>in</strong>er Entlassung aus <strong>dem</strong> KZ Sachsenhausen<br />

1938 <strong>die</strong>nstverpflichtet und nahm e<strong>in</strong>e Beschäftigung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Farbenfabrik auf. Auch hier begann er umgehend,<br />

e<strong>in</strong>e illegale Gruppe aufzubauen. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus hielt er weiterh<strong>in</strong> zu früheren <strong>SPD</strong>-Mitgliedern


Kontakt. Als im Juli 1941 Mitarbeiter der Firma wegen<br />

illegaler Aktivitäten verhaftet wur<strong>den</strong> und Schme<strong>dem</strong>anns<br />

Arbeitskollege Friedrich Coenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Prozess gegen Kommunisten zu fünf Jahren Zuchthaus<br />

verurteilt wurde, bestand auch für ihn höchste<br />

Gefahr. Doch zu se<strong>in</strong>er Verwunderung stellte er bei<br />

se<strong>in</strong>er Vernehmung fest, dass er von nieman<strong>den</strong> belastet<br />

wor<strong>den</strong> war. Später erfuhr Schme<strong>dem</strong>ann, dass<br />

unter <strong>den</strong> Verhafteten sofort <strong>die</strong> Parole ausgegeben<br />

wurde, ihn unter ke<strong>in</strong>en Umstän<strong>den</strong> zu belasten, da<br />

se<strong>in</strong> Schicksal sonst besiegelt gewesen wäre. Doch<br />

wurde se<strong>in</strong>e Situation von anderen auch ausgenutzt.<br />

Von Kollegen gedrängt, gab Schme<strong>dem</strong>ann, der im<br />

<strong>dem</strong> Lager der Firma beschäftigt war, Farben heraus.<br />

Als <strong>die</strong>ses bemerkt wurde, drohten <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>traggeber<br />

ihn zu <strong>den</strong>unzieren, falls er sie verrate. Um e<strong>in</strong>er<br />

Überprüfung durch <strong>die</strong> Gestapo zu entgehen, gestand<br />

Schme<strong>dem</strong>ann e<strong>in</strong>en beabsichtigten Diebstahl der<br />

Farbe. Am 4. Juli 1943 wurde er zu vier Monaten Haft<br />

verurteilt, für <strong>die</strong> Strafaussetzung gewährt wurde. Als<br />

Schme<strong>dem</strong>ann 1948 Senator wer<strong>den</strong> sollte, wurde se<strong>in</strong>e<br />

Vorstrafe öffentlich diskutiert. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>terfraktioneller<br />

Ausschuss befaßte sich mit <strong>dem</strong> Fall und kann zu der<br />

Überzeugung, dass Schme<strong>dem</strong>ann unschuldig sei. Das<br />

Urteil wurde von der Oberstaatsanwaltschaft aufgehoben.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang wur<strong>den</strong> noch e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>die</strong> Aktivitäten <strong>in</strong> der Farbenfirma dargelegt. Danach<br />

gehörte Schme<strong>dem</strong>ann zu <strong>den</strong>jenigen, <strong>die</strong> gegenseitig<br />

Nachrichten der Fe<strong>in</strong>dsender austauschten und <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

im Betrieb beschäftigten Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln<br />

und Kleidung versorgten. Nach Aussage der<br />

Zeugen war es üblich, dass <strong>die</strong> Betriebsangehörigen<br />

D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Ausländer bestimmt waren, auf<br />

Schme<strong>dem</strong>anns Schreibtisch ablegten.<br />

Nach <strong>dem</strong> Hitler Attentat wurde Schme<strong>dem</strong>ann<br />

im Zuge der Aktion „Gewitter“ noch e<strong>in</strong>mal vom 22.<br />

August 1944 bis zum 13. September 1944 im Polizeigefängnis<br />

<strong>in</strong>haftiert. E<strong>in</strong>e offensichtlich verunsicherte<br />

Gestapo-Führung ließ ihn <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zentrale br<strong>in</strong>gen und<br />

führte mit <strong>dem</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten Gespräche über <strong>die</strong><br />

aktuelle Situation. Als Ende März 1945 e<strong>in</strong>e größere<br />

Gruppe von etwa dreißig bis vierzig Sozial<strong>dem</strong>okraten<br />

zusammenkam, war auch Schme<strong>dem</strong>ann dabei. E<strong>in</strong>er<br />

im April 1945 drohen<strong>den</strong> Verhaftung entzog er sich<br />

durch <strong>die</strong> <strong>Auf</strong>nahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus.<br />

Walter Schme<strong>dem</strong>ann 61<br />

Nach <strong>dem</strong> Ende der NS-Diktatur beteiligte sich<br />

Schme<strong>dem</strong>ann am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau an führender<br />

Stelle. So übernahm er <strong>den</strong> Vorsitz der unmittelbar<br />

nach der Kapitulation aus Sozial<strong>dem</strong>okraten, Kommunisten<br />

und Gewerkschaftern gebildeten Sozialistischen<br />

Freien Gewerkschaft (SFG). In der Vere<strong>in</strong>igung der<br />

Verfolgten des Naziregimes (VVN) übte er bis 1948,<br />

als mit der Gründung der Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft ehemals<br />

verfolgter Sozial<strong>dem</strong>okraten (AvS) <strong>die</strong> Spaltung<br />

vollzogen wurde, das Amt des zweiten Vorsitzen<strong>den</strong><br />

aus. Von 1945 bis 1962 war Schme<strong>dem</strong>ann zweiter<br />

Vorsitzender der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> und anschließend<br />

noch weitere vier Jahre Beisitzer im Landesvorstand.<br />

Der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft gehörte er von 1949<br />

bis 1970 an. Nach se<strong>in</strong>er Wiedere<strong>in</strong>stellung bei der<br />

Gesundheitsbehörde war er dort zuletzt als Personaldezernent<br />

tätig. Von Oktober 1948 bis 1953 und von<br />

1957 bis 1967 übte er das Amt des Gesundheitssenators<br />

aus. Walter Schme<strong>dem</strong>ann starb am 1. April 1976 <strong>in</strong><br />

Bad Bevensen.<br />

In Langenhorn wurde 1980 <strong>die</strong> Walter-Schme<strong>dem</strong>ann-Straße<br />

nach <strong>dem</strong> Sozial<strong>dem</strong>okraten benannt.


62<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Wilhelm August Carl<br />

Schme<strong>dem</strong>ann<br />

* 21.3.1899 † 4.9.1972<br />

Willi Schme<strong>dem</strong>ann wurde als Sohn e<strong>in</strong>es Lagerarbeiters<br />

<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren und besuchte <strong>die</strong> Volksschule.<br />

Er wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratischen Elternhaus<br />

auf, war frühzeitig <strong>in</strong> der Arbeitersport- und<br />

Jugendbewegung aktiv und trat 1918 der <strong>SPD</strong> bei. Willi<br />

Schme<strong>dem</strong>ann arbeitete als Krankenpfleger und war<br />

Angestellter der Gesundheitsbehörde. Er war Gewerkschaftsmitglied,<br />

gehörte <strong>dem</strong> Reichsbanner an und<br />

leitete von 1928 bis 1933 <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Distrikt Barmbek-<br />

Süd. Von 1931 bis 1933 war er Mitglied der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft. Als <strong>die</strong> Nationalsozialisten nach<br />

der Machtübernahme <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> im Rahmen der<br />

Gleichschaltung der Länder e<strong>in</strong>e Neubesetzung der<br />

Bürgerschaft durchsetzten und öffentlich Be<strong>die</strong>nsteten<br />

e<strong>in</strong>e Kandidatur auf der <strong>SPD</strong>-Liste untersagten, ließ<br />

sich Will Schme<strong>dem</strong>ann davon nicht bee<strong>in</strong>drucken<br />

und kandi<strong>die</strong>rte auf Platz 2. Daraufh<strong>in</strong> erfolgte <strong>die</strong><br />

fristlose Kündigung.<br />

Nach<strong>dem</strong> Will Schme<strong>dem</strong>ann schon vom 25. März<br />

bis zum 4. April 1933 gefangen gehalten wor<strong>den</strong> war,<br />

kam er am 16. Juni 1933 als Teilnehmer der „Echo“-<br />

Versammlung erneut <strong>in</strong> Haft. Zusammen mit se<strong>in</strong>em<br />

Bruder Walter gehörte er nach se<strong>in</strong>er Freilassung der<br />

sechsköpfigen Leitungsgruppe der illegalen <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>SPD</strong> an, <strong>die</strong> <strong>den</strong> <strong>Auf</strong>bau der Widerstandsarbeit organisierte.<br />

Am 2. Dezember 1933 wurde Willi Schme<strong>dem</strong>ann<br />

erneut verhaftet und bis zum 18. März 1934 <strong>in</strong><br />

das KZ Fuhlsbüttel gesperrt, ohne dass ausreichende<br />

Beweise für e<strong>in</strong>e Anklageerhebung gefun<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>.<br />

Als er mit e<strong>in</strong>er erneuten Verhaftung rechnete,<br />

setzte er sich im August 1934 nach Dänemark ab und<br />

fand hier politisches Asyl. Se<strong>in</strong>e Ehefrau Olga blieb<br />

mit <strong>den</strong> drei geme<strong>in</strong>samen K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Die f<strong>in</strong>anzielle Situation der Familie war schwierig.<br />

Der Besuch des Geflüchteten <strong>in</strong> Dänemark war zwar<br />

möglich, blieb aber <strong>die</strong> Ausnahme. Der Versuch von<br />

Willi Schme<strong>dem</strong>ann, sich mit <strong>den</strong> Ersparnissen im<br />

Herbst 1933 mit e<strong>in</strong>em Brot- und Kaffeegeschäft e<strong>in</strong>e<br />

Existenz aufzubauen, scheiterte. Bis zu se<strong>in</strong>er Flucht<br />

blieb er arbeitslos. Dazu schrieb Olga Schme<strong>dem</strong>ann<br />

1947 an <strong>den</strong> Sonderausschuss für Wiedergutmachung:<br />

„Durch <strong>die</strong> Verhaftungen me<strong>in</strong>es Mannes Wilhelm<br />

Schme<strong>dem</strong>ann <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1933<strong>–</strong>34 und der dann<br />

im Aug. 1934 erfolgten Flucht, um erneuter Verhaftung<br />

durch <strong>die</strong> Gestapo zu entgehen, war ich mit me<strong>in</strong>en drei<br />

K<strong>in</strong>dern des Ernährers beraubt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Notlage<br />

geraten. Von Seiten der Wohlfahrt habe ich nur e<strong>in</strong>e<br />

beschränkte Unterstützung erhalten, und war gezwungen<br />

durch Arbeit mich und <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der durchzubr<strong>in</strong>gen. Unterstützungen<br />

von Seiten me<strong>in</strong>es Mannes aus Dänemark<br />

wur<strong>den</strong> durch <strong>die</strong> Gestapo beschlagnahmt. Trotz aller<br />

Widerstände habe ich me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der antifaschistisch<br />

erzogen und es verstan<strong>den</strong>, <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der der Hitlerjugend<br />

und ihren Verbän<strong>den</strong> fernzuhalten.“<br />

Als Dänemark 1940 von deutschen Truppen besetzt<br />

wurde, tauchte Willi Schme<strong>dem</strong>ann unter, bis ihm nach<br />

mehreren Monaten <strong>die</strong> Flucht nach Schwe<strong>den</strong> gelang.<br />

Dort war er bis zu se<strong>in</strong>er Rückkehr nach <strong>Hamburg</strong><br />

Anfang 1946 als Waldarbeiter tätig. Nach fast zwölf<br />

Jahren Exil kehrte er zu se<strong>in</strong>er Familie zurück<br />

Willi Schme<strong>dem</strong>ann erhielt e<strong>in</strong>e Anstellung im<br />

öffentlichen Dienst und beteiligte sich am <strong>Auf</strong>bau der<br />

<strong>SPD</strong>. 1946/47 war er im <strong>SPD</strong>-Kreis XI, Barmbek-Nord,<br />

Barmbek-Süd und Uhlenhorst Kreisvorsitzender. 1947<br />

wechselte er als hauptamtlicher Parteisekretär <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Dienst der <strong>SPD</strong>-Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>.<br />

Die Familie fand nach der langen Emigration nicht<br />

wieder zusammen. Olga und Willi Schme<strong>dem</strong>ann<br />

trennten sich 1949 endgültig. Willi Schme<strong>dem</strong>ann<br />

starb am 4. September 1972.


He<strong>in</strong>rich Ferd<strong>in</strong>and<br />

Adolph Schönfelder<br />

* 5.4.1875 † 3.5.1966<br />

Adolph Schönfelder wurde als Sohn e<strong>in</strong>es Konstablers<br />

(Schutzmann) im <strong>Hamburg</strong>er Kehrwiederviertel<br />

geboren. Als <strong>die</strong> Bewohner des Stadtteils durch <strong>den</strong><br />

Bau der Speicherstadt verdrängt wur<strong>den</strong>, zog <strong>die</strong> Familie<br />

nach Barmbek. Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule<br />

erlernte Adolph Schönfelder das Zimmererhandwerk.<br />

1898 wurde er Gewerkschaftsmitglied, drei Jahre später<br />

trat er <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. Ab 1905 arbeitete er als hauptamtlicher<br />

Gewerkschaftssekretär und von 1921 bis 1926<br />

war Vorsitzender des Zentralverbands der Zimmerer.<br />

Adolph Schönfelder, der von 1915 bis 1918 am Ersten<br />

Weltkrieg teilnahm, wurde 1919 <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Landesvorstand<br />

gewählt und kandi<strong>die</strong>rte erfolgreich für <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische<br />

Bürgerschaft. Als Senator übernahm er 1925<br />

<strong>die</strong> Baubehörde und als „Polizeiherr“ unterstan<strong>den</strong><br />

ihm von 1926 bis 1933 <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>er Polizeikräfte. Als<br />

<strong>die</strong> Hitler-Regierung e<strong>in</strong> Verbot der <strong>SPD</strong>-Parteizeitung<br />

„<strong>Hamburg</strong>er Echo“ verlangte, traten Senator Schönfelder<br />

und se<strong>in</strong>e sozial<strong>dem</strong>okratischen Amtskollegen am<br />

3. März 1933 von ihren Ämtern zurück.<br />

Adolph Schönfelder gehörte als e<strong>in</strong>er der Inhaber<br />

des <strong>SPD</strong>-Presseverlags Auer & Co und als Landesvorstandsmitglied<br />

zu <strong>den</strong> Initiatoren der „Echo“-<br />

Versammlung. Nach se<strong>in</strong>er Freilassung lebte er zurückgezogen,<br />

unterhielt aber Kontakt zu zahlreichen<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten. Durch Gustav Dahrendorf war er<br />

frühzeitig über <strong>die</strong> Attentatspläne auf Hitler <strong>in</strong>formiert.<br />

Nach <strong>dem</strong> 20. Juli 1944 wurde Adolph Schönfelder im<br />

Rahmen der Aktion „Gewitter“ erneut vorübergehend<br />

<strong>in</strong>haftiert.<br />

Nach <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg engagierte sich Adolph<br />

Schönfelder für <strong>den</strong> <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau. Von der<br />

britischen Besatzungsmacht wurde er zum Stellvertreter<br />

des Ersten Bürgermeisters ernannt. Die Ernannte<br />

Bürgerschaft wählte ihn am 8. März 1946 zu ihrem<br />

He<strong>in</strong>rich Ferd<strong>in</strong>and Adolph Schönfelder 63<br />

Präsi<strong>den</strong>ten. Das Amt, <strong>in</strong> <strong>dem</strong> er nach <strong>den</strong> ersten <strong>dem</strong>okratischen<br />

Wahlen bestätigt wurde, übte er bis 1960<br />

aus. Im Oktober 1961 schied er aus der Bürgerschaft<br />

aus. Adolph Schönfelder vertrat <strong>Hamburg</strong> 1948/49 im<br />

Parlamentarischen Rat, dessen Vizepräsi<strong>den</strong>t er war.<br />

Für se<strong>in</strong>e Ver<strong>die</strong>nste um se<strong>in</strong>e Heimatstadt wur<strong>den</strong><br />

Adolph Schönfelder zahlreiche Ehrungen zuteil. Er<br />

starb am 3. Mai 1966 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>. In Barmbek-Süd<br />

trägt <strong>die</strong> Schule an der Zeisigstraße se<strong>in</strong>en Namen und<br />

1970 wurde <strong>die</strong> Rönnhaidstraße <strong>in</strong> Adolph-Schönfelder-Straße<br />

unbenannt.


64<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Willi Schüler Otto Schumann<br />

Willi Schüler fungierte 1933 als Disktriktsführer<br />

des Distrikts Hamm-Horn-Borgfelde, der nach <strong>den</strong><br />

Zahlen von 1928 mit 4792 Mitgliedern der drittgrößte<br />

Distrikt <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> war.<br />

* 5.11.1888 † 3.5.1945<br />

Otto Schumann wurde <strong>in</strong> Magdeburg-Buckau geboren<br />

und erlernte nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule<br />

<strong>den</strong> Beruf des Formers. Nach der Ausbildung kam<br />

er nach <strong>Hamburg</strong> und fand 1908 e<strong>in</strong>e Beschäftigung<br />

bei Blohm & Voss. Er leistete Kriegs<strong>die</strong>nst im Ersten<br />

Weltkrieg und übte anschließend noch bis 1926 se<strong>in</strong>en<br />

erlernten Beruf aus.<br />

Otto Schumann gehörte der Gewerkschaft an und<br />

trat 1907 der <strong>SPD</strong> bei. In bei<strong>den</strong> Organisationen übernahm<br />

er Funktionen und nutzte Fortbildungsangebote,<br />

so dass er als Arbeitsvermittler <strong>in</strong> <strong>den</strong> öffentlichen<br />

Dienst beim Arbeitsamt wechseln konnte. Otto Schumann<br />

gehörte <strong>dem</strong> Reichsbanner an und wurde 1931<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische Bürgerschaft gewählt.<br />

Nach der Machtübernahme wurde Otto Schumann<br />

von <strong>den</strong> Nationalsozialisten aus <strong>dem</strong> Staats<strong>die</strong>nst entlassen.<br />

Als Distriktsführer des <strong>SPD</strong>-Distrikts Neustadt<br />

nahm er an der „Echo“-Versammlung teil und wurde<br />

für mehrere Wochen <strong>in</strong>haftiert. Nach se<strong>in</strong>er Freilassung<br />

beteiligte er sich am <strong>Auf</strong>bau der illegalen <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>SPD</strong> und gehörte zum engeren Führungskreis<br />

der Widerstandsgruppe um Walter Schme<strong>dem</strong>ann. Als<br />

<strong>die</strong>se im Oktober 1934 von der Gestapo aufgedeckt


wurde, kam Otto Schumann erneut <strong>in</strong> Haft. Er wurde<br />

zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt.<br />

Nach <strong>dem</strong> Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wurde<br />

Otto Schumann im Rahmen der Aktion „Gewitter“<br />

erneut verhaftet und <strong>in</strong> das KZ Neuengamme verschleppt.<br />

Als das KZ Ende April 1945 evakuiert wurde,<br />

gehörte er zu <strong>den</strong> etwa 10 000 Gefangenen, <strong>die</strong> auf <strong>den</strong><br />

Todesmarsch zur Lübecker Bucht gezwungen wur<strong>den</strong>.<br />

Dort angekommen, wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> Gefangenen auf <strong>die</strong><br />

Schiffe „Cap Arcona“ und Thielbeck gebracht. Der<br />

vermutlich e<strong>in</strong>kalkulierte Angriff alliierter Kampfflugzeuge<br />

erfolgte am 3. Mai 1945. Bei der Versenkung<br />

der Schiffe kamen etwa 7 000 Gefangene ums Leben,<br />

darunter Otto Schumann.<br />

In <strong>Hamburg</strong>-Lohbrügge und <strong>in</strong> Ahrensburg wur<strong>den</strong><br />

Straßen nach Otto Schumann benannt.<br />

Theodor Selbach<br />

Theodor Selbach 65<br />

Theodor Selbach wohnte <strong>in</strong> der Ottostraße 16 und<br />

leitete als Distriktsführer <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Distrikt Hohenfelde.


66<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Louis Carsten Sellmer<br />

* 4.5.1889 † 14.1.1978<br />

Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule erlernte der <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> geborene Louis Sellmer das Gürtlerhandwerk.<br />

Von 1912 bis 1923 war am Chemischen Staats<strong>in</strong>stitut<br />

<strong>Hamburg</strong> als Laborant tätig. Im Dezember 1923<br />

schied er aus, um sich auf das Abitur vorzubereiten,<br />

das er im Februar 1925 an der Oberrealschule Uhlenhorst<br />

als Externer ablegte. Von 1925 bis 1928 stu<strong>die</strong>rte<br />

er an der Universität <strong>Hamburg</strong> Chemie, Biologie und<br />

Mathematik.<br />

Louis Sellmer stammte aus e<strong>in</strong>em sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Elternhaus. Er gründete 1905 mit der „Jungen<br />

Garde“ e<strong>in</strong>e Arbeiterjugendgruppe und trat frühzeitig<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. Bis 1933 leitete er <strong>den</strong> Distrikt St. Pauli.<br />

Der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft gehörte er 1932/33<br />

an. <strong>Auf</strong> der Parteivorstands- und <strong>–</strong>ausschusssitzung<br />

im Redaktionsgebäude des ”<strong>Hamburg</strong>er Echo” <strong>in</strong> der<br />

Fehlandstraße am 16. Juni 1933 wurde er mit zahlreichen<br />

anderen Mandatsträgern verhaftet und am 22.<br />

Juli 1933 aus <strong>dem</strong> Untersuchungsgefängnis <strong>Hamburg</strong><br />

wieder entlassen. Se<strong>in</strong>e Beschäftigung als Angestellter<br />

bei der Volksfürsorge-Versicherungsgesellschaft war<br />

ihm <strong>in</strong>zwischen zum 1. Juli 1933 fristlos gekündigt<br />

wor<strong>den</strong>. Louis Sellmer blieb über vier Jahre arbeitslos<br />

und konnte erst zum 1. Januar 1938 e<strong>in</strong>e durch Freunde<br />

vermittelte Tätigkeit als Hausverwalter aufnehmen.<br />

Drei Jahre später fand er e<strong>in</strong>e Anstellung als Chemiker<br />

bei der Nahrungsmittelfabrik Orkers-Kraftsuppen.<br />

Nach <strong>dem</strong> Hitler-Attentat wurde Louis Sellmer erneut<br />

<strong>in</strong>haftiert und vom 22. August bis zum 19. September<br />

1944 gefangen gehalten.<br />

Nach <strong>dem</strong> Krieg beteiligte sich Louis Sellmer am<br />

Wiederaufbau der <strong>SPD</strong>. Er gehörte 1945 <strong>dem</strong> vorläufigen<br />

Landesvorstand an und wurde als Parteisekretär<br />

e<strong>in</strong>gestellt. Von 1946 bis 1953 und noch e<strong>in</strong>mal von 1955<br />

bis 1957 war er Mitglied der <strong>Hamburg</strong>ischen Bürgerschaft.<br />

Louis Sellmer starb am 14. Januar 1978.


Dr. phil. Hans Staud<strong>in</strong>ger<br />

* 16.8.1889 † 25.2.1980<br />

Hans Staud<strong>in</strong>ger wurde <strong>in</strong> Worms als Sohn e<strong>in</strong>es<br />

Gymnasialprofessors geboren. Er besuchte das Gymnasium<br />

und legte se<strong>in</strong> Abitur <strong>in</strong> Darmstadt ab. Ab<br />

1907 stu<strong>die</strong>rte er zunächst <strong>in</strong> München Literatur und<br />

Germanistik, dann <strong>in</strong> Heidelberg Nationalökonomie<br />

und Soziologie bei <strong>den</strong> Brüdern Alfred und Max Weber.<br />

Hier wurde Hans Staud<strong>in</strong>ger 1913 promoviert.<br />

Bee<strong>in</strong>flusst durch das sozial<strong>dem</strong>okratisch orientierte<br />

Elternhaus trat Hans Staud<strong>in</strong>ger bereits als Stu<strong>den</strong>t der<br />

<strong>SPD</strong> bei. Er leistete von 1915 bis 1918 Kriegs<strong>die</strong>nst und<br />

fand nach e<strong>in</strong>er schweren Verwundung Beschäftigung<br />

im Kriegsernährungsamt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. 1919 wechselte<br />

er <strong>in</strong>s Reichswirtschaftsm<strong>in</strong>isterium, wo er bis 1927<br />

leitende Positionen u.a. als persönlicher Referent von<br />

mehreren M<strong>in</strong>istern übernahm. Anschließend wechselte<br />

Hans Staud<strong>in</strong>ger <strong>in</strong>s preußische Handelsm<strong>in</strong>isterium<br />

und stieg unter M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Otto Braun<br />

1929 zum Staatssekretär auf.<br />

Mit der Amtsenthebung des preußischen M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>ten<br />

Braun durch Reichskanzler von Papen<br />

im Juli 1932 endete auch Staud<strong>in</strong>gers Karriere im<br />

Staats<strong>die</strong>nst. Bei <strong>den</strong> Reichstagswahlen im November<br />

1932 wurde Hans Staud<strong>in</strong>ger als Spitzenkandidat der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Reichstag gewählt. Er gehörte<br />

zu <strong>den</strong> 94 <strong>SPD</strong>-Abgeordneten, <strong>die</strong> am 23. März 1933<br />

im Reichstag gegen Hitlers „Ermächtigungsgesetz“<br />

stimmten. Hans Staud<strong>in</strong>ger nahm an der „Echo“-Versammlung<br />

teil und wurde während der Haft schwer<br />

misshandelt. Nach se<strong>in</strong>er Freilassung flüchtete er mit<br />

se<strong>in</strong>er jüdischen Ehefrau Else, mit der er seit 1912<br />

verheiratet war, zunächst nach Belgien und dann über<br />

Frankreich und Großbritannien <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA.<br />

An der New School for Social Research <strong>in</strong> New<br />

York übernahm Hans Staud<strong>in</strong>ger 1934 e<strong>in</strong>e Professur<br />

für Wirtschaftswissenschaften. Seit 1940 war er<br />

Dr. phil. Hans Staud<strong>in</strong>ger 67<br />

amerikanischer Staatsbürger. Er unterhielt Kontakt<br />

zu <strong>den</strong> emigrierten Sozial<strong>dem</strong>okraten und gehörte<br />

zu <strong>den</strong> Gründern der German Labor Delegation um<br />

Max Brauer.<br />

Nach <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg engagierte sich Hans<br />

Staud<strong>in</strong>ger für <strong>die</strong> deutsch-amerikanische Verständigung.<br />

Er starb am 25. Februar 1980 <strong>in</strong> New York.


68<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Willi Alfred Adalbert<br />

Tessnow<br />

* 5.9.1904 † 11.4.1998<br />

Willi Tessnow wurde <strong>in</strong> Waren an der Müritz geboren.<br />

Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule erlernte er<br />

das Tischlerhandwerk bei e<strong>in</strong>em örtlichen Tischler.<br />

Er begab sich auf <strong>die</strong> Wanderschaft und ließ sich als<br />

Tischlergeselle <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> nieder. Willi Tessnow trat<br />

schon 1919 als Jugendlicher der SAJ und später der <strong>SPD</strong><br />

bei. Darüber h<strong>in</strong>aus engagierte er sich <strong>in</strong> der Gewerkschaft<br />

und wurde später Mitglied des Reichsbanners.<br />

Willi Tessnow ließ sich nach se<strong>in</strong>er Wanderschaft <strong>in</strong><br />

<strong>Hamburg</strong> nieder. Während der Weltwirtschaftskrise<br />

verlor er se<strong>in</strong>en Arbeitsplatz. Die Zeit der Arbeitslosigkeit<br />

nutze er für e<strong>in</strong>e Beteiligung am Bau des<br />

Hauses der Naturfreunde <strong>in</strong> Maschen. Zu <strong>die</strong>ser Zeit<br />

wohnte Willi Tessnow zur Untermiete <strong>in</strong> St. Georg,<br />

Holzdamm 44, und übernahm 1933 <strong>die</strong> Leitung des<br />

<strong>SPD</strong>-Distrikts St. Georg-Nord.<br />

Als Distriktsleiter nahm Willi Tessnow am 15. und<br />

16. Juni 1933 an der „Echo“-Versammlung teil. Nach<br />

se<strong>in</strong>er Verhaftung wurde er <strong>in</strong>s Untersuchungsgefängnis<br />

Fuhlsbüttel überführt. Bei <strong>den</strong> Misshandlungen<br />

während der Verhöre wur<strong>den</strong> ihm mehrere Zähne<br />

ausgeschlagen. Nach se<strong>in</strong>er Entlassung Ende Juli 1933<br />

war Willi Tessnow bis April 1934 arbeitslos. Während<br />

des Krieges arbeitete er auch der Deutschen Werft bei<br />

U-Boot-Bau.<br />

Nach <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg beteiligte sich Willi<br />

Tessnow am <strong>Auf</strong>bau der <strong>SPD</strong> und der Gewerkschaften.<br />

Beschäftigung fand er zunächst im Krankenhaus<br />

Barmbek, später war er hauptamtlicher Hauskassierer<br />

bei der Gewerkschaft Holz. Willi Tessnow starb am 11.<br />

April 1998 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

Inke Burmeister, Enkel<strong>in</strong> von Willi Tessnow, berichtet<br />

über ihr Gespräch mit ihrem Großvater (ca. 1990):<br />

„Me<strong>in</strong> Großvater hat nie über <strong>die</strong> Nazizeit mit se<strong>in</strong>er<br />

Familie gesprochen. Nur e<strong>in</strong>mal hat er e<strong>in</strong>e Ausnahme<br />

gemacht, da ich ihn darum gebeten hatte. Dabei hat er<br />

mir se<strong>in</strong>e persönlichen Er<strong>in</strong>nerungen an se<strong>in</strong>e Verhaftung<br />

und <strong>die</strong> Zeit danach geschildert.<br />

Se<strong>in</strong>e Erzählung begann am Tag se<strong>in</strong>er Verhaftung.<br />

Er war auf e<strong>in</strong>er Versammlung der <strong>SPD</strong>. Hier waren alle<br />

höheren Funktionäre der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong> zusammen<br />

gekommen.<br />

Das beherrschende Thema bei der Versammlung<br />

war <strong>die</strong> mögliche Gefahr für <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> und ihre Leute<br />

nach der Machtergreifung der NSDAP. Laut me<strong>in</strong>em<br />

Großvater machten sich <strong>die</strong> meisten Anwesen<strong>den</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

großen Sorgen, e<strong>in</strong>ige prahlten sogar damit, dass sie<br />

ke<strong>in</strong>e Angst vor <strong>den</strong> Nazis hätten. Und mitten <strong>in</strong> der<br />

Versammlung wur<strong>den</strong> sie überfallen. Von allen Seiten,<br />

sogar durch <strong>den</strong> Schornste<strong>in</strong> stürmten plötzlich Nazi-<br />

Schergen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Raum. Es gab ke<strong>in</strong> Entkommen und<br />

nur e<strong>in</strong>en kurzen Kampf.<br />

Dann wur<strong>den</strong> <strong>die</strong> gefangenen Sozialisten erst mal<br />

verprügelt, wobei auch Stühle zu Bruch g<strong>in</strong>gen. Später<br />

wur<strong>den</strong> ihnen e<strong>in</strong>e Art ‚Wimpel’ angesteckt und sie wur<strong>den</strong><br />

gezwungen, Zigaretten bzw. <strong>die</strong> Asche aufzufangen<br />

oder zu apportieren. Auch wur<strong>den</strong> Zigaretten und Zigarren<br />

auf ihnen ausgedrückt. Im Gefängnis wurde me<strong>in</strong><br />

Großvater verhört und danach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle gesteckt.<br />

Während der Verhöre wur<strong>den</strong> ihm Zähne ausgeschlagen.<br />

Nach se<strong>in</strong>er Freilassung hat me<strong>in</strong> Großvater e<strong>in</strong> Gebiss<br />

von se<strong>in</strong>em jüdischen Zahnarzt anfertigen lassen.<br />

Ich er<strong>in</strong>nere mich noch fast wörtlich an se<strong>in</strong>e Worte<br />

hierzu: ‚Der Zahnarzt war e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>er Kerl, e<strong>in</strong> ganz<br />

fe<strong>in</strong>er. Und er hat exzellente Arbeit geleistet. Er musste<br />

mir zuerst noch e<strong>in</strong>ige Stümpfe ziehen. Und da sagte<br />

er nur:“Mensch Willi, was haben <strong>die</strong> <strong>den</strong>n mit Dir gemacht.“<br />

Das Gebiss hat von Anfang an gesessen, nichts<br />

hat geklappert. <strong>–</strong> Pause <strong>–</strong> Später haben ihn dann leider<br />

auch <strong>die</strong> Nazis geholt.’


Über <strong>die</strong> Zeit im Untersuchungsgefängnis hat me<strong>in</strong><br />

Großvater nicht sehr detailliert berichtet. Nur wenige<br />

Details, wie, dass er manchmal während der Verhöre<br />

zum absoluten Stillstand gezwungen wurde. Prügel<br />

waren wohl obligatorisch bei <strong>den</strong> Verhören, genauso<br />

wie E<strong>in</strong>schüchterungen.<br />

Oft ist me<strong>in</strong> Großvater nachts von <strong>den</strong> Schreien se<strong>in</strong>er<br />

Mithäftl<strong>in</strong>ge aufgewacht. Diese Schreie haben ihn<br />

als über 80-jährigen wieder heimgesucht, <strong>in</strong> Form von<br />

Alpträumen. Er ist <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Alter häufig schweißüberströmt<br />

aufgewacht, im Ohr noch <strong>die</strong> Schreie, <strong>die</strong> durch<br />

das Gefängnis hallten.<br />

Nach e<strong>in</strong>iger Zeit wurde me<strong>in</strong> Großvater <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lager<br />

abgeschoben um, wie er sagte, Platz für neue Häftl<strong>in</strong>ge<br />

im Gefängnis zu schaffen. In <strong>die</strong>sem Lager waren <strong>die</strong><br />

Bed<strong>in</strong>gungen deutlich besser. Die Männer schliefen zusammen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Baracke und arbeiteten tagsüber als<br />

Erntehelfer auf <strong>den</strong> Feldern der Umgebung. Abends gab<br />

es dann noch Umerziehungsmaßnahmen und Lektionen<br />

über <strong>den</strong> Nationalsozialismus. Me<strong>in</strong> Großvater nannte<br />

es e<strong>in</strong> Umerziehungslager.<br />

Das Essen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Lager war zwar knapp für <strong>die</strong><br />

Häftl<strong>in</strong>ge, doch <strong>die</strong> Männer fan<strong>den</strong> schnell raus, dass<br />

im Anschluss an ihren Schlafraum Äpfel <strong>in</strong> der Baracke<br />

gelagert wur<strong>den</strong>, nur durch e<strong>in</strong>e dünne Holzwand von<br />

<strong>dem</strong> Schlafraum getrennt. Me<strong>in</strong> Großvater als Tischler<br />

fand schnell e<strong>in</strong>e Möglichkeit e<strong>in</strong>e der Holzlatten so zu<br />

lösen, dass sie <strong>die</strong> Äpfel raus holen konnten. Und h<strong>in</strong>terher<br />

wurde <strong>die</strong> Latte wieder vor der Öffnung befestigt,<br />

so dass <strong>die</strong> Wärter nichts merkten.<br />

Der Unterricht ist komplett an me<strong>in</strong>em Großvater<br />

abgeprallt. Und sehr bald wurde auch auf Seiten der<br />

Wärter e<strong>in</strong>gesehen, dass er nicht umerziehbar war, so<br />

dass er nicht mehr an allen Sitzungen teilnehmen musste.<br />

Da me<strong>in</strong> Großvater bei der Er<strong>in</strong>nerung daran gelacht<br />

Willi Alfred Adalbert Tessnow 69<br />

hat, gehe ich davon aus, dass zum Unterricht ke<strong>in</strong>e<br />

Prügel gehörten.<br />

Doch <strong>die</strong> wertvollste Er<strong>in</strong>nerung an <strong>die</strong>se Zeit bezieht<br />

sich auf e<strong>in</strong>ige Mithäftl<strong>in</strong>ge. Diese gehörten der Kommunistischen<br />

Partei an. Nach<strong>dem</strong> sie schon e<strong>in</strong>ige Zeit<br />

zusammen <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Lager verbracht hatten, klopfte bei<br />

e<strong>in</strong>er Gelegenheit e<strong>in</strong>er von ihnen me<strong>in</strong>em Vater auf <strong>die</strong><br />

Schulter und sagte: „Mensch Willi, du bist ja doch ke<strong>in</strong><br />

schlechter Kerl, obwohl du Sozialist bist.“<br />

1951 hat me<strong>in</strong> Großvater e<strong>in</strong>e Entschädigung von<br />

300 DM für se<strong>in</strong>e 2-Monatige Haftstrafe erhalten. Der<br />

<strong>SPD</strong> ist me<strong>in</strong> Großvater bis an se<strong>in</strong> Lebensende verbun<strong>den</strong><br />

geblieben. Obwohl er <strong>in</strong> <strong>den</strong> 80er Jahren aus Protest<br />

gegen <strong>die</strong> se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung unverschämte Diätenerhöhung<br />

aus der <strong>SPD</strong> ausgetreten ist.“


70<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Paul Thormann<br />

* 26.4.1901 † 1.1.1982<br />

Paul Thormann wurde als Sohn e<strong>in</strong>es Fe<strong>in</strong>mechanikermeisters<br />

geboren. Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule<br />

begann er 1917 ebenfalls e<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>mechanikerausbildung,<br />

<strong>die</strong> er 1921 erfolgreich abschloss. Bis 1925<br />

arbeitete er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beruf, dann fand er e<strong>in</strong>e Anstellung<br />

beim <strong>SPD</strong>-Presseverlag Auer & Co als Drucker.<br />

Vom Elternhaus bee<strong>in</strong>flusst trat Paul Thormann<br />

bereits als Jugendlicher 1915 der Arbeiterjugend bei<br />

und wechselte nach deren <strong>Auf</strong>lösung 1919 zur Sozialistischen<br />

Arbeiterjugend (SAJ). 1920 wurde er Mitglied<br />

der <strong>SPD</strong> und 1924 Mitglied des Reichsbanners. Am<br />

24. Oktober 1924 heiratete er Margarethe Lohse, mit der<br />

er <strong>in</strong> der Staatssiedlung Langenhorn, Timmerloh 14,<br />

wohnte. Hier engagierte er sich im Verwaltungsbeirat<br />

der Siedlung.<br />

Paul Thormann, der e<strong>in</strong>en Langenhorner <strong>SPD</strong>-<br />

Bezirk geleitet hatte, übernahm zusammen mit Bruno<br />

Lauenroth 1933 <strong>die</strong> Führung des Distrikts Langenhorn<br />

und nahm <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Eigenschaft an der „Echo“-Versammlung<br />

teil. Er wurde nach über siebenwöchiger<br />

Haft am 31. Juli 1933 freigelassen. Durch <strong>die</strong> Schließung<br />

des Verlags Auer & Co verlor er se<strong>in</strong>en Arbeitsplatz.<br />

Nach anderthalb Jahren Arbeitslosigkeit konnte er mit<br />

Unterstützung se<strong>in</strong>es jüngeren Bruders bei der Firma<br />

C. Plath, <strong>Hamburg</strong>, e<strong>in</strong>e neue Beschäftigung f<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Nach <strong>dem</strong> Verbot der <strong>SPD</strong> beteiligte sich Paul Thormann<br />

an der Widerstandsarbeit. Zusammen mit se<strong>in</strong>en<br />

Langenhorner Parteifreun<strong>den</strong> wurde er am 29. Januar<br />

1935 verhaftet und <strong>in</strong> der Strafsache „Mehnke<br />

und Genossen“ wegen Vorbereitung zum Hochverrat<br />

zu e<strong>in</strong>em Jahr Gefängnis verurteilt. Se<strong>in</strong> 62-jähriger<br />

Schwiegervater, der frühere Gewerkschaftssekretär<br />

Hermann Lohse, erhielt sieben Monate Gefängnis.<br />

Nach se<strong>in</strong>er Entlassung wurde Paul Thormann<br />

wieder von der Firma C. Plath beschäftigt. Ende 1944<br />

wurde er noch für wenige Monate zur Wehrmacht<br />

e<strong>in</strong>gezogen. 1946 fand er e<strong>in</strong>e neue Beschäftigung<br />

als Handwerker bei der <strong>Hamburg</strong>er Hochbahn. Paul<br />

Thormann beteiligte sich am <strong>dem</strong>okratischen <strong>Auf</strong>bau<br />

<strong>in</strong> Glashütte (heute Norderstedt) als Geme<strong>in</strong>devertreter.<br />

Er starb am 1. Januar 1982.<br />

Aus der Wiedergutmachungsakte von Paul Thormann 7 :<br />

Im Juni 1933 fand e<strong>in</strong>e Versammlung der früheren<br />

Mitarbeiter des Auerdrucks, <strong>die</strong> das „<strong>Hamburg</strong>er Echo“<br />

hergestellt hatten, statt <strong>die</strong> so genannte „Echoversammlung“.<br />

Diese wurde von <strong>den</strong> Nationalsozialisten aufgelöst,<br />

<strong>die</strong> mit e<strong>in</strong>em Kommando mit Karab<strong>in</strong>ern erschienen,<br />

<strong>den</strong> Teilnehmern Handschellen anlegten und sie mit<br />

LKW‘s zum Alten Stadthaus <strong>in</strong> der Hohen Bleichen<br />

brachten. Dort wur<strong>den</strong> sie, zusammen mit Frauen,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Saal gesperrt, der mit schwarz-rot-gol<strong>den</strong>en<br />

Bändern behängt war. Vorher hatten <strong>die</strong> Festgenommenen<br />

<strong>–</strong> außer <strong>den</strong> Frauen <strong>–</strong> 4-5 mal über 25 Meter<br />

Spießrutenlaufen müssen, wobei mit allen möglichen<br />

Instrumenten auf sie e<strong>in</strong>geschlagen wurde. Danach<br />

wur<strong>den</strong> sie von <strong>dem</strong> Reichsstatthalter Kaufmann besichtigt.<br />

E<strong>in</strong>mal wurde Herr Th. zusammen mit e<strong>in</strong>em<br />

Mithäftl<strong>in</strong>g namens Dr. Staud<strong>in</strong>ger bei weit geöffneten<br />

Fenstern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum alle<strong>in</strong>gelassen, als ob man<br />

ihnen Gelegenheit geben wolle, ihrem Leben selbst e<strong>in</strong><br />

Ende zu setzen. Danach war Herr Th. mehrere Tage<br />

<strong>in</strong> verschie<strong>den</strong>en Sammelzellen im Neuen Stadthaus<br />

untergebracht, und zwar zusammen mit Krim<strong>in</strong>ellen<br />

und Zuhältern. Später wurde er <strong>in</strong>s Polizeigefängnis<br />

verlegt, wo ke<strong>in</strong>e Verhöre und auch ke<strong>in</strong>e Misshandlungen<br />

stattfan<strong>den</strong>. Danach kamen <strong>die</strong> Angehörigen der


Firma Auer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sammelzelle im Untersuchungsgefängnis,<br />

zusammen mit Bremer Kommunisten. […]<br />

In <strong>die</strong>sen sechs Wochen nach der ersten Verhaftung hat<br />

Herr Th. sich nur e<strong>in</strong>mal waschen können. Auch sonst<br />

fehlte es e<strong>in</strong>fach an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>fachsten D<strong>in</strong>gen. So wurde<br />

zum Beispiel <strong>die</strong> Verpflegung auch Kartoffeln und Her<strong>in</strong>ge,<br />

e<strong>in</strong>fach auf <strong>den</strong> Tisch geworfen, und zwar ohne<br />

Eßbestecke. <strong>Auf</strong> Intervention des <strong>Hamburg</strong>er Juristen<br />

Dr. Ruscheweyh wurde Herr Th. dann ganz plötzlich<br />

entlassen. Er musste sich aber zweimal <strong>in</strong> der Woche bei<br />

der Polizei mel<strong>den</strong>. Durch e<strong>in</strong>en neuen Beamten, der<br />

ihm mit <strong>dem</strong> KZ drohte, wurde er zum „Deutschen Gruß“<br />

gezwungen. Herr Th. wollte daraufh<strong>in</strong> flüchten, ließ sich<br />

aber von se<strong>in</strong>er Frau mit <strong>dem</strong> Argument beruhigen, <strong>die</strong><br />

Nazis wollten betrogen se<strong>in</strong>. Seit<strong>dem</strong> senkten <strong>die</strong> älteren<br />

Polizeibeamten, <strong>die</strong> Herrn Th. Kannten, beschämt <strong>die</strong><br />

Köpfe, wenn er „Heil Hitler“ sagte.<br />

Karl Wilhelm Mart<strong>in</strong><br />

Ullrich<br />

* 9.6.1903 † 21.11.1972<br />

Karl Wilhelm Mart<strong>in</strong> Ullrich 71<br />

Karl Ullrich wurde <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> geboren und absolvierte<br />

nach der Volksschule von 1918 bis 1923 e<strong>in</strong>e<br />

Ausbildung zum Werkzeugmacher. Als Jugendlicher<br />

wurde er 1918 Mitglied der SAJ, 1924 trat er der <strong>SPD</strong><br />

bei. Von 1931 bis 1933 war er Mitglied der <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Bürgerschaft. Bis 1932 arbeitete Karl Ullrich<br />

bei Blohm & Voss. Dort wurde er entlassen, weil er<br />

als Vorsitzender des Arbeiterrates gegen <strong>die</strong> Firma<br />

e<strong>in</strong>en Prozess wegen des Verbots des Tragens von<br />

schwarz-rot-gol<strong>den</strong>en Abzeichen beim Betreten der<br />

Werft geführt hatte. Ab Mitte Juni 1932 war Karl Ullrich<br />

zunächst nebenamtlich und am Januar 1933 hauptamtlich<br />

für <strong>die</strong> <strong>SPD</strong>-Landesorganisation <strong>Hamburg</strong> tätig.<br />

Er wohnte <strong>in</strong> der Henriettenstraße 29 und nahm als<br />

Distriktsführer an der „Echo“-Versammlung teil. Nach<br />

se<strong>in</strong>er Entlassung stand er unter Polizeiaufsicht und<br />

musste sich täglich auf der Wache mel<strong>den</strong>. Bis Mitte<br />

1934 war Karl Ullrich arbeitslos, dann fand er e<strong>in</strong>e<br />

Beschäftigung als Werkzeugmacher. Er koord<strong>in</strong>ierte<br />

<strong>die</strong> Widerstandsarbeit <strong>in</strong> Eimsbüttel und wurde1935 zu<br />

drei Jahren Zuchthaus verurteilt, <strong>die</strong> er <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>-<br />

Fuhlsbüttel verbüßte. Bis zu se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>berufung 1943<br />

arbeitete er wieder als Werkzeugmacher. Nach <strong>dem</strong><br />

Krieg war Karl Ullrich im Wohnungsamt beschäftigt.<br />

Er starb im am 21. November 1972.


72<br />

Biographien der Versammlungsteilnehmer<br />

Hans Wulf Otto<br />

Westphal<br />

* 3.3.1882<br />

Hans Westphal wurde <strong>in</strong> Garbeck, Kreis Segeberg<br />

geboren. Er war von Beruf Schneider, begann aber<br />

schon früh, <strong>in</strong> der Güterabfertigung zu arbeiten. Von<br />

1903 bis 1905 leistete er se<strong>in</strong>e Militärzeit ab. Anschließend<br />

war er wieder <strong>in</strong> der Güterabfertigung tätig, dann<br />

Lagerarbeiter und später Großhändler am Deichtormarkt<br />

bei der Genossenschaft Konsum-, Bau- und<br />

Sparvere<strong>in</strong> „Produktion“. Dort stieg Hans Westphal<br />

zum Abteilungsleiter auf. 1919 machte er sich als Frucht-<br />

und Gemüsehändler selbstständig. 1930 musste er das<br />

Geschäft aufgeben und war bis 1933 arbeitslos.<br />

Der <strong>SPD</strong> trat Hans Westphal 1911 bei. Er gehörte<br />

<strong>dem</strong> Reichsbanner an und nahm als Distriktsführer<br />

von Groß-Borstel an der „Echo“-Versammlung teil.<br />

Nach der Inhaftierung blieb er weiterh<strong>in</strong> arbeitslos und<br />

beteiligte sich an der Widerstandarbeit. 1935 wurde er<br />

wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 18 Monaten<br />

Haft verurteilt. Anschließend verrichtete er e<strong>in</strong> Jahr<br />

lang Fürsorgearbeit <strong>in</strong> Ohlsdorf. Nach e<strong>in</strong>er vorübergehen<strong>den</strong><br />

Beschäftigung im Straßenbau wurde er<br />

1940 Vorarbeiter und Platzmeister bei der Luftwaffe<br />

auf <strong>dem</strong> Flughafen Fuhlsbüttel.<br />

Nach <strong>dem</strong> Krieg beteiligte sich Hans Westphal am<br />

Wiederaufbau der <strong>SPD</strong>.<br />

Grete Zabe<br />

(geb. Tischkowski)<br />

* 18.3.1877 † 1.12.1963<br />

Als der Vater, e<strong>in</strong> Schiffszimmerergeselle, und <strong>die</strong><br />

Mutter, e<strong>in</strong> Dienstmädchen, starben, kam <strong>die</strong> <strong>in</strong> Danzig<br />

geborene Grete Zabe im Alter von fünf Jahren <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Waisenhaus. Nach <strong>dem</strong> Besuch der Volksschule<br />

wurde sie Dienstmädchen und später Arbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Zigarrenfabrik. Sie heiratete e<strong>in</strong>en Malergehilfen<br />

und zog 1906 mit ihrem Mann und drei K<strong>in</strong>dern nach<br />

<strong>Hamburg</strong>. 1907 trat Grete Zabe <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>. Sie<br />

wurde 1913 <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>SPD</strong>-Distriktsvorstand <strong>Hamburg</strong>-<br />

Uhlenhorst gewählt. Während des Ersten Weltkrieges<br />

leitete sie im Stadtteil <strong>die</strong> Kriegsküche. Grete Zabe<br />

gehörte 1919 zu <strong>den</strong> ersten <strong>SPD</strong>-Frauen, <strong>die</strong> nach <strong>dem</strong><br />

neuen <strong>dem</strong>okratischen Wahlrecht <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Hamburg</strong>ische<br />

Bürgerschaft gewählt wur<strong>den</strong>. Bis 1933 gehörte sie ununterbrochen<br />

<strong>dem</strong> Parlament an. Von 1922 bis 1933 war<br />

sie Mitglied des <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>-Parteivorstands. Sie<br />

engagierte sich vor allem im Frauenaktionsausschuss,<br />

<strong>dem</strong> sie von 1922 bis 1927 vorstand. Grete Zabe arbeitete<br />

von 1928 bis zum 31. März 1933 als Fürsorger<strong>in</strong><br />

für entlassene Strafgefangene und war Angestellte<br />

der David-Jonas-Stiftung. Nach der Machtübernahme<br />

durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten wurde ihr e<strong>in</strong>e Kündigung<br />

nahegelegt. Bis zur Erreichung des Rentenalters<br />

1942 blieb sie erwerbslos.


Grete Zabe wurde auf der Parteiausschusssitzung<br />

am 16. Juni 1933 im <strong>SPD</strong>-Parteigebäude verhaftet und<br />

nach elf Tagen wieder entlassen. Von 1933 bis 1944<br />

stand sie unter ständiger Beobachtung. Vier Hausdurchsuchungen<br />

musste sie über sich ergehen lassen.<br />

Nach <strong>dem</strong> Hitler-Attentat wurde Grete Zabe am 20.<br />

August 1944 erneut verhaftet, aber wegen ihres Gesundheitszustands<br />

bereits am 24. August wieder entlassen.<br />

Tochter Ilse, geboren 1902, <strong>die</strong> ebenfalls der <strong>SPD</strong><br />

angehörte und zwei Jahre im Parteibüro beschäftigt<br />

gewesen war, wurde wegen ihrer Parteizugehörigkeit<br />

am 29. August 1933 von ihrem damaligen Arbeitgeber,<br />

<strong>den</strong> <strong>Hamburg</strong>er Gaswerken, entlassen.<br />

Grete Zabe beteiligte sich nach 1945 am Wiederaufbau<br />

der <strong>SPD</strong> und der Arbeiterwohlfahrt. Sie starb<br />

am 1. Dezember 1963 <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>.<br />

1 Auch wenn formal ke<strong>in</strong> Beitrittszwang bestand, war es<br />

schwierig, sich der DAF zu entziehen, zumal der DAF-Beitrag<br />

(1,5 Prozent) direkt vom Lohn abgezogen wurde.<br />

2 Kurt Berkmann, Antrag auf Wiedergutmachung, LABW,<br />

Wü 33 T 1 Nr. 3590¸ Else Berkmann, geb. Schlüter, Antrag<br />

auf Wiedergutmachung, LABW, Wü 33 T 1 Nr. 3591.<br />

3 Wiedergutmachungsakte Friedrich Born, StAH, Bestand: 351-11.<br />

4 FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933-1945 Berichte.<br />

5 FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933-1945 Berichte, Meitmann bezieht sich<br />

auf das Dokument 18: Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium<br />

des Innern, 21. Juni [1933], Timpke (wie Anm. 2), S. 119.<br />

6 Rudolf Saalfeld (Die Verhaftung der gesamten Parteiführung<br />

der <strong>SPD</strong> 1933), o.D., FZH, 8332 <strong>SPD</strong> 1933-1945 Berichte.<br />

7 Entschädigungsakte Paul Thormann, 761/15210, LAS.<br />

Grete Zabe (geb. Tischkowski) 73


74<br />

Dokumente<br />

Die vorliegen<strong>den</strong> Dokumente zeigen <strong>die</strong> letzten Veröffentlichungen der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong>, mit <strong>den</strong>en <strong>die</strong> Parteimitglieder<br />

nach <strong>dem</strong> Verbot der Parteizeitung „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ <strong>in</strong>formiert wur<strong>den</strong>, sowie <strong>die</strong> Bemühungen von Dr. Ruscheweyh<br />

um <strong>die</strong> Freilassung der verhafteten Sozial<strong>dem</strong>okraten.<br />

Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 2 und 4-71 75<strong>–</strong>102<br />

Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation, <strong>Hamburg</strong>, 20. April [1933] 2 103<strong>–</strong>108<br />

Organisations-Informationen für unsere Mitglieder, <strong>Hamburg</strong>, 29. April [1933] 3 Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation <strong>Hamburg</strong> der S.P.D.,<br />

109<strong>–</strong>118<br />

<strong>Hamburg</strong>, 5. Mai [1933] 4 119<strong>–</strong>126<br />

Rotes Blitzlicht5 127<strong>–</strong>129<br />

Der Polizeisenator an das Reichsm<strong>in</strong>isterium des Innern6 130<strong>–</strong>131<br />

Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Herbert Ruscheweyh an <strong>die</strong> Inhaftierten7 132<strong>–</strong>141<br />

1 Von <strong>den</strong> Merkblättern, <strong>die</strong> offensichtlich von der <strong>Hamburg</strong>er <strong>SPD</strong><br />

verstärkt nach <strong>dem</strong> Verbot der Parteizeitung „<strong>Hamburg</strong>er Echo“ herausgegeben<br />

wur<strong>den</strong>, existieren nur wenige Exemplare. Die ebenfalls 1933<br />

herausgegebenen Merkblätter Nr. 1 und 3 wur<strong>den</strong> nicht gefun<strong>den</strong>: Merkblatt<br />

Nr. 2: e<strong>in</strong>e zweiseitige Kopie bef<strong>in</strong>det sich im Besitz von Karl Ditt,<br />

e<strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>al konnte nicht gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Ob das Merkblatt vollständig<br />

ist, konnte nicht festgestellt wer<strong>den</strong>. Die Merkblätter Nr. 4, 5 und 6 s<strong>in</strong>d<br />

überliefert im Arbeiterarchiv Kopenhagen, 33534 Tyskland, social<strong>dem</strong>okratisk<br />

valgmateriale 1933; das Merkblatt Nr. 7 hat der Verfasser im Archiv<br />

der sozialen Demokratie (AdsD), Sammlung Flugblätter und Flugschriften<br />

1933, Band 1 gefun<strong>den</strong>. Für <strong>die</strong> vorliegende Veröffentlichung konnte das<br />

Merkblatt nicht gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Es gilt im AdsD als verschollen. Als<br />

Druckvorlage <strong>die</strong>nte e<strong>in</strong>e Kopie des Verfassers.<br />

2 Das Rundschreiben hat der Verfasser gefun<strong>den</strong> <strong>in</strong>: AdsD, Sammlung<br />

Flugblätter und Flugschriften 1933, Band 1. Für <strong>die</strong> vorliegende Veröffentlichung<br />

konnte das Rundschreiben nicht gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Es gilt im AdsD<br />

als verschollen. Als Druckvorlage <strong>die</strong>nte e<strong>in</strong>e Kopie des Verfassers.<br />

3 AdsD, Sammlung Flugblätter und Flugschriften 1933 undatiert III.<br />

4 AdsD, Sammlung Flugblätter und Flugschriften 1933 undatiert III.<br />

5 Forschungsstelle für Zeitgeschichte <strong>Hamburg</strong> (FZH), Kasten 833, bei<br />

bei<strong>den</strong> Ausgaben handelt es sich um Kopien unbekannter Herkunft, <strong>die</strong><br />

Ausgabe vom 10.6.1933 ist erkennbar unvollständig.<br />

6 Dokumente der Gleichschaltung des Landes <strong>Hamburg</strong> 1933, hg. und<br />

kom. von Henn<strong>in</strong>g Timpke, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1964, S.118f.<br />

7 Die Dokumente auf <strong>den</strong> Seiten 136 und 137, <strong>die</strong> Kurt Berkmann<br />

betreffen, bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong>: AdsD, Nachlass Else Berkmann, alle übrigen<br />

Dokumente bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich im Privatbesitz von Jürgen Arlt.


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 2, Februar 1933 75


76<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 4, März 1933 77


78<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 4, März 1933 79


80<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 4, März 1933 81


82<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 5, April 1933 83


84<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 5, April 1933 85


86<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 5, April 1933 87


88<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 89


90<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 91


92<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 93


94<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 7, April 1933 95


96<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 97


98<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 99


100<br />

Dokumente


Merkblatt der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, Landesorganisation <strong>Hamburg</strong>, Nr. 6, April 1933 101


102<br />

Dokumente


Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation 20. April 1933 103


104<br />

Dokumente


Rundschreiben an <strong>die</strong> Mitglieder der Landesorganisation 20. April 1933 105

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