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Versicherungs(un)wesen - Versicherungsreform

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Hans Dieter Meyer<br />

Das<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong><br />

Eine Branche jenseits<br />

Von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb<br />

WILHELM HEYNE VERLAG<br />

MÜNCHEN<br />

3


4<br />

HEYNE SACHBUCH<br />

Nr. 19/275<br />

Vom Autor überarbeitete Taschenbuchausgabe<br />

im Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München<br />

Copyright © 1990 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München<br />

Printed in Germany 1993<br />

Umschlaggestelat<strong>un</strong>g: Atelier Adolf Bachmann, Reischach<br />

Herstell<strong>un</strong>g: H * G Lidl, München<br />

Satz: Kort Satz GmbH, München<br />

Druck <strong>un</strong>d Verarbeit<strong>un</strong>g: Pressedruck, Augsburg<br />

ISBN 3-453-07026-7


Der historische Kardinalfehler<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>:<br />

Man hat gewinnorientierten<br />

Aktiengesellschaften die Verwalt<strong>un</strong>g<br />

von Treuhandgeldern überlassen, ohne<br />

dass sie Buch darüber führen müssen.<br />

Und das ist in etwa so <strong>un</strong>heilvoll,<br />

als wenn man Vampire mit der Verwalt<strong>un</strong>g<br />

einer Blutbank beauftragt, ohne sie zu<br />

verpflichten, das eingehende Blut zu<br />

registrieren.<br />

Das Manuskript für die Erstauflage dieses Buches hatte ich zufällig<br />

am Tag der deutschen Vereinig<strong>un</strong>g abgeschlossen <strong>un</strong>d das Buch<br />

deshalb den neuen B<strong>un</strong>desbürgern aus der ehemaligen DDR gewidmet<br />

– in der Hoffn<strong>un</strong>g, sie würden von <strong>un</strong>seren Politikern vor<br />

dem westdeutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> geschützt. Aber was zu<br />

erwarten war, geschah: Die Neub<strong>un</strong>desbürger wurden in kürzester<br />

Zeit von Drückerkolonnen mit <strong>un</strong>sinnigen <strong>un</strong>d viel zu teuren Versicher<strong>un</strong>gen<br />

um etliche Milliarden Mark „legal betrogen“. Insofern ist<br />

dieses Buch auch ein Lehrstück für Demokratie-, Politik- <strong>un</strong>d<br />

Marktversagen, das anhand der Missstände in <strong>un</strong>serem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong><br />

beschreibt, wie eine ganze Branche <strong>un</strong>ter Mitwirk<strong>un</strong>g<br />

von Politikern <strong>un</strong>d Beamten einen Wirtschaftsbereich jenseits<br />

von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb geschaffen <strong>un</strong>d bis heute erhalten hat.<br />

Hilfe ist vor allem von <strong>un</strong>abhängigen Wissenschaftlern, Richtern<br />

<strong>un</strong>d Journalisten zu erwarten, denen ich die Neufass<strong>un</strong>g dieses Buches<br />

widme.<br />

Ich werde weiterhin für verfass<strong>un</strong>gs-, markt- <strong>un</strong>d wettbewerbsgerechte<br />

Verhältnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> kämpfen <strong>un</strong>d danke allen,<br />

die mich bisher in diesem Kampf <strong>un</strong>terstützt haben <strong>un</strong>d weiterhin<br />

<strong>un</strong>terstützen.<br />

Hamburg, den 31. August 1993 Hans Dieter Meyer<br />

5


Inhalt<br />

KAPITEL 1<br />

Insider-Kenntnisse eines Aussteigers................................ 15<br />

Die Ursache allen Übels:<br />

Missverständnisse um die notwendigen Prämienüberschüsse ........... 17<br />

Intransparenz infolge der Vermeng<strong>un</strong>g <strong>un</strong>terschiedlicher<br />

Prämienbestandteile............................................................................ 18<br />

Ein langer Kampf um Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ........................................................................... 20<br />

KAPITEL 2<br />

Missstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> kosten<br />

B<strong>un</strong>desbürger Milliarden................................................... 25<br />

Ungeregelte Vermögensverhältnisse .................................................. 26<br />

Ungeregelte Vertragsverhältnisse....................................................... 27<br />

Unglaublich, aber wahr....................................................................... 29<br />

Die Spendenaffäre: mentale Korruption der Politiker........................ 31<br />

Der Branche bester Helfer – die „hauseigene“ Wissenschaft ............ 37<br />

Rechtsprech<strong>un</strong>g <strong>un</strong>ter dem Einfluss einer Lobby-Wissenschaft........ 38<br />

Staatsanwälte meinen:<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager wissen nicht, was sie t<strong>un</strong>........................ 40<br />

Ein raffiniertes System der Ausbeut<strong>un</strong>g eines ganzen Volkes........... 41<br />

KAPITEL 3<br />

Was ist eigentlich – Versicher<strong>un</strong>g?................................... 43<br />

Passende Definition für jeden Zweck................................................. 43<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist die Beseitig<strong>un</strong>g finanzieller Risiken ....................... 46<br />

Risikobeseitig<strong>un</strong>g durch Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld für Schäden.......... 49<br />

Versicher<strong>un</strong>g braucht eine Versichertengemeinschaft....................... 51<br />

Traditionelle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen ......................................... 53<br />

Veränder<strong>un</strong>g im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im Gefolge der<br />

„Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften“ ...................................... 55<br />

7


KAPITEL 4<br />

Die Geschichte der Versicher<strong>un</strong>g:<br />

Vier Kardinalfehler ............................................................ 59<br />

Kardinalfehler 1:<br />

Die Zulass<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften<br />

mit einer <strong>un</strong>geteilten Prämie............................................................... 59<br />

Kardinalfehler 2:<br />

Die Verbind<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g, Dienstleist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Sparen..... 60<br />

Kardinalfehler 3:<br />

Staatliche Aufsicht – Alibi für „legalen Betrug“................................ 62<br />

Kardinalfehler 4:<br />

„Legaler Betrug“ – gesetzlich zementiert........................................... 64<br />

Geld <strong>un</strong>d Geld vermengt sich leicht:<br />

Die Ursachen für die Entsteh<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g zur<br />

festen Prämie....................................................................................... 65<br />

Die Vermeng<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>g.................... 67<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist keine Dienstleist<strong>un</strong>g.<br />

Nur die Organisation der „Versicher<strong>un</strong>g“<br />

durch Unternehmen ist eine Dienstleist<strong>un</strong>g........................................ 68<br />

Die <strong>un</strong>geteilte Prämie ist kein Preis................................................... 70<br />

Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie ist kein Produkt............................... 73<br />

Autopreis <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie – ein <strong>un</strong>sinniger Vergleich ...... 76<br />

Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie –<br />

Massenspekulation ohne Risiko.......................................................... 80<br />

Fazit: Versicher<strong>un</strong>g ist Einkommensumverteil<strong>un</strong>g –<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erbringen Dienstleist<strong>un</strong>gen –<br />

Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich sind keine Gewinne..... 86<br />

KAPITEL 5<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften – Tatort für das<br />

größte Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten...................... 87<br />

Betrug: Beiträge sind kein Umsatz – Milliardenverluste<br />

der Bürger durch falsches Umsatzdenken .......................................... 89<br />

Betrug: „Automatisches Neugeschäft“ .............................................. 91<br />

Betrug: Mitversicher<strong>un</strong>g von Kleinschäden<br />

ist keine Versicher<strong>un</strong>g......................................................................... 91<br />

8


Betrug: Überteuerte Prämien für Verbraucher<br />

subventionieren Industrieversicher<strong>un</strong>gen........................................... 92<br />

Der Manipulation, dem Missbrauch <strong>un</strong>d der Untreue<br />

sind Tür <strong>un</strong>d Tor geöffnet................................................................... 93<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Erträgen aus Kapitalanlagen –<br />

Milliardenverluste für die Versicherten.............................................. 96<br />

Millionenverluste für Deutscher-Ring-Versicherte ............................ 98<br />

Milliardenskandal – Jahrelange Uneinigkeit innerhalb<br />

Der Staatsaufsicht um die Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

an Milliardenüberschüssen................................................................. 99<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld<br />

Auf dem Verschiebebahnhof Rückversicher<strong>un</strong>g.............................. 102<br />

Betrug durch falsche Zahlen:<br />

Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle............................................. 104<br />

Mal wenig, mal viel zahlen:<br />

Manipulation im Bereich der Schadensregulier<strong>un</strong>g......................... 106<br />

Betrug: Aufwend<strong>un</strong>gen für Rückkäufe –<br />

Millionen Lebensversicherte erleiden Milliardenverluste................ 107<br />

Betrug <strong>un</strong>d Untreue bei den Aufwend<strong>un</strong>gen für Beitragsrück-<br />

erstatt<strong>un</strong>g – Milliardenverluste der Versicherten ............................. 109<br />

Wem gehören Milliarden-Rückstell<strong>un</strong>gen?...................................... 111<br />

Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>g in der Krankenversicher<strong>un</strong>g –<br />

Privatversicherte: „Erst angelockt, dann abgezockt!“.................... 112<br />

„Aufwend<strong>un</strong>gen für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>betrieb“ –<br />

Tatort für Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Milliarden zum Ausgleich<br />

von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen ............................................................ 116<br />

Überhöhte Provisionen zu Lasten der Versicherten......................... 122<br />

Milliardenverschwend<strong>un</strong>gen bei der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittl<strong>un</strong>g................................................................. 122<br />

Einfirmenvertreter – Hauptwerkzeug<br />

Beim „legalen Betrug“..................................................................... 126<br />

Alle Einfirmenvertreter sind – notgedr<strong>un</strong>gen –<br />

schwarze Schafe................................................................................ 129<br />

Unwissenheit der Bürger über Versicher<strong>un</strong>gen –<br />

der billigste Rohstoff, aus dem Geld gemacht werden kann ............ 130<br />

Eine Mauer aus Einfirmenvertretern <strong>un</strong>d Zehnjahresverträgen<br />

Gegen die ausländische Konkurrenz ................................................ 131<br />

Zehnjahresverträge: So werden Versicherte durch falsche<br />

Und zu teure Versicher<strong>un</strong>gen genkebelt........................................... 133<br />

Aufwend<strong>un</strong>gen für Kapitalanlagen: So verschwinden<br />

Versichertenmilliarden in stillen Reserven....................................... 140<br />

9


Abschreib<strong>un</strong>gen – Geld, das die Versicherten<br />

abschreiben können .......................................................................... 140<br />

Stille Reserven – ein „stilles“ Problem............................................ 143<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>paläste aus Versichertengeldern ............................... 147<br />

Konzerntrenn<strong>un</strong>gen:<br />

Stille Reserven – „still“ beiseite geschafft<br />

Der Fall Deutscher Herold............................................................... 148<br />

Der Fall Raiffeisen <strong>un</strong>d Volksbanken<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g aG .................................................................... 156<br />

Jahresüberschuss – Versichertengeld am Ende<br />

Seines Leidensweges ........................................................................ 158<br />

Trotz mannigfacher Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g – im Jahresüberschuss<br />

Erscheint ein Rest von Versichertengeld.......................................... 159<br />

Die Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten am Jahresüberschuss.................. 161<br />

Lügen um die Überschussbeteilig<strong>un</strong>g............................................... 163<br />

Der Fehler im System:<br />

Die <strong>un</strong>geteilte Prämie verhindert gerechte<br />

Überschussbeteilig<strong>un</strong>g...................................................................... 165<br />

Gewinne können aus Treuhandgeld beschlossen werden ................ 166<br />

KAPITEL 6<br />

Die mächtigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften –<br />

eine Allianz zur Ausbeut<strong>un</strong>g der Versicherten.............. 167<br />

Der Allianz-Konzern: vom Adler zum „Paradegeier<br />

Mit dem Image einer Friedenstaube“ ............................................... 169<br />

Allianz-Geschichte............................................................................ 169<br />

60 000 Allianzer kämpfen in einer Palästra..................................... 171<br />

Skrupelloser Umgang mit Verbrauchern,<br />

dafür pflegliche Behandl<strong>un</strong>g der Industrie....................................... 173<br />

Allianz-Prämien für Privathaushalte oft doppelt bis dreifach<br />

zu teuer.............................................................................................. 174<br />

Die Allianz: So wird Vermögen <strong>un</strong>sichtbar...................................... 176<br />

Was macht die Allianz mit „ihrem“ Geld......................................... 177<br />

Ex-Allianz-„General“ Wolfgang Schieren....................................... 178<br />

Allianz-Konzerntrenn<strong>un</strong>g – Milliarden beiseite geschafft................ 180<br />

Der Überfall auf die Staatliche Versicher<strong>un</strong>g der DDR –<br />

Vom SED-Regen in die Allianz-Traufe............................................. 184<br />

„Die Macht der Allianz“ – „Die Macht der Assekuranz“............... 186<br />

10


KAPITEL 7<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen – „legaler Betrug“....... 188<br />

Ein Gericht entscheidet über „legalen Betrug“................................. 190<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen – rechtlich weitgehend <strong>un</strong>geregelt ...... 194<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen –<br />

rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrig......................................................... 197<br />

Branchenlügen – Gr<strong>un</strong>dlage für den Erfolg<br />

Des „legalen Betruges“.................................................................... 200<br />

KAPITEL 8<br />

Eine Branche ohne Wettbewerb...................................... 204<br />

Verbraucher in der Zwickmühle – erst Schuldner,<br />

dann Gläubiger.................................................................................. 205<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist kein Wettbewerbsbereich ...................................... 207<br />

Wettbewerb – „entscheidend“ ist der Verbraucher .......................... 210<br />

Ohne Preisangabe kein Wettbewerb um<br />

Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen......................................................... 211<br />

Die Deregulier<strong>un</strong>g eines Nichtmarktes – ein Krampf ...................... 212<br />

Reguliertes Chaos auf einem Flugplatz............................................ 214<br />

Fehlende Untersuch<strong>un</strong>g über das Wesen der Versicher<strong>un</strong>g ............ 217<br />

Ein „moderner <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt“-<br />

á la Deregulier<strong>un</strong>gskommission ....................................................... 219<br />

Wie die Deregulier<strong>un</strong>gskommission das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

Deregulieren möchte......................................................................... 221<br />

Ergebnis eines falschen Wettbewerbsverständnisses:<br />

Verfass<strong>un</strong>gswidrige Autoversicher<strong>un</strong>gstarife –<br />

Millionen Autofahrer zahlen Milliarden zuviel................................ 226<br />

„Regional-„ <strong>un</strong>d „Beamtenversicherer“ –<br />

Auslöser für Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife ....................................... 229<br />

Gruppenstatistiken als Begründ<strong>un</strong>g für die<br />

Ungleichbehandl<strong>un</strong>g......................................................................... 231<br />

Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Beitragsklassenbild<strong>un</strong>g<br />

in der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g................................................... 231<br />

Bewert<strong>un</strong>gsprobleme – „Fahrerqualität“ <strong>un</strong>d<br />

„Fahrzeugmobilität“ ........................................................................ 234<br />

Beruf als Ersatz-Risikomerkmal ....................................................... 236<br />

Wohnort als Ersatz-Risikomerkmal.................................................. 236<br />

Irreführende Statistiken .................................................................... 238<br />

11


Gr<strong>un</strong>dregeln der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik <strong>un</strong>d Statistik verletzt.......... 240<br />

Kardinalfehler der Tarifverordn<strong>un</strong>g:<br />

Die Pflichtversichertengemeinschaft wird aufgesplittert ................. 245<br />

Die Fahrvergangenheit – ein Ersatzmerkmal<br />

für Fahrerqualität <strong>un</strong>d Fahrzeugmobilität....................................... 246<br />

Das Dilemma der Pflichtversicher<strong>un</strong>g:<br />

die Aufteil<strong>un</strong>g der 100 Unternehmen................................................ 247<br />

eine Lös<strong>un</strong>g der Tarifier<strong>un</strong>gsprobleme............................................. 251<br />

Die japanische Lös<strong>un</strong>g ..................................................................... 254<br />

Die Ursache allen Übels –<br />

Missverständnisse um die Prämienüberschüsse ............................... 257<br />

Chancen für eine Reform.................................................................. 259<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten strebt gerichtliche Klär<strong>un</strong>g an .................... 262<br />

Ein falsches Wettbewerbsverständnis begünstigt<br />

Ungerechte Tarife in der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g ................. 263<br />

KAPITEL 9<br />

Die Staatsaufsicht – um das Wohl der Branche<br />

Besorgt. Im Interesse der Versicherten?........................ 264<br />

Das eklatante Versagen der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht ....... 267<br />

Überhöhte Prämien nicht verhindert................................................ 267<br />

Fehlkalkulationen in der Krankenversicher<strong>un</strong>g geduldet ................ 269<br />

Milliardenverschwend<strong>un</strong>gen nicht verhindert.................................. 269<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertenmilliarden nicht verhindert ............ 269<br />

Verfass<strong>un</strong>gswidrige Autoversicher<strong>un</strong>gstarife genehmigt................. 270<br />

Manipulationen bei der Überschussbeteilig<strong>un</strong>g nicht verhindert.... 270<br />

Der große Irrtum, alles sei privatrechtlich geregelt.......................... 271<br />

Verstaatlich<strong>un</strong>g oder staatliche Regulier<strong>un</strong>g.................................... 272<br />

„Schutztheorie“ <strong>un</strong>d staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht.................... 273<br />

Die <strong>un</strong>geteilte Prämie verhindert eine angemessene<br />

Aufgabenerfüll<strong>un</strong>g ............................................................................ 275<br />

Die Aufsichtsbehörde – ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>polizei............................ 276<br />

Wer schützt die entrechteten Versicherten? ..................................... 277<br />

KAPITEL 10<br />

Reform des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong>s: Ein perfektes<br />

Wirtschaftsverbrechen zu knacken braucht Zeit.......... 280<br />

Sogar das Aufsichtsamt gesteht ein: „Der Unmut ist berechtigt“ ... 283<br />

Auch Gerichte kommen der Prämientrenn<strong>un</strong>g näher....................... 284<br />

12


Hilfe von der EG-Kommission <strong>un</strong>d Regier<strong>un</strong>gskommissionen?....... 285<br />

Starrsinnige Systemerhalter im B<strong>un</strong>desfinanzministerium............... 286<br />

Eine Reform ohne „Gr<strong>un</strong>dlagenforsch<strong>un</strong>g“?................................... 290<br />

Was eine Reform so schwierig macht............................................... 292<br />

Reform durch Prämientrenn<strong>un</strong>g ....................................................... 293<br />

Der Traum von einem verfass<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d marktgerechten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.......................................................................... 293<br />

Eine neue „<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-/Dienstleist<strong>un</strong>gstheorie“ tut not............ 295<br />

Entscheidend ist die Lös<strong>un</strong>g der<br />

wirtschaftstheoretischen Probleme................................................... 295<br />

Lös<strong>un</strong>g der rechtlichen Probleme..................................................... 296<br />

Lös<strong>un</strong>g der praktischen Probleme: Niedrigere <strong>un</strong>d gerechte<br />

Beiträge – Von der Hölle der Ausbeut<strong>un</strong>g in das Paradies der<br />

Transparenz ...................................................................................... 297<br />

Das Ende des Einfirmenvertreter-Systems ....................................... 298<br />

Klare Verhältnisse <strong>un</strong>d mehr Freiheit beim Lebensversicher<strong>un</strong>gs-<br />

sparen <strong>un</strong>d bei der privaten Kranken- <strong>un</strong>d Pflegeversicher<strong>un</strong>g ...... 299<br />

Entspann<strong>un</strong>g des Verhältnisses staatliche Aufsicht<br />

<strong>un</strong>d Wettbewerb ................................................................................ 299<br />

Ein Schritt nach vorne (solange die Prämie <strong>un</strong>geteilt ist):<br />

die Staatsaufsicht zum F<strong>un</strong>ktionieren bringen.................................. 301<br />

Neue Köpfe braucht das … <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>............................. 302<br />

Eine neue Form der Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g............................................. 302<br />

Schluss mit den „kriminellen“ Vermögensaussonder<strong>un</strong>gen!<br />

Den Deckmantel „Bestandsübertrag<strong>un</strong>g“ zerreißen ....................... 303<br />

Beding<strong>un</strong>gsvielfalt durch Bausteinsystem ........................................ 304<br />

Ein weiterer Schritt nach vorne<br />

(solange die Prämie <strong>un</strong>geteilt ist): Unabhängige Vermittler<br />

<strong>un</strong>d Makler als Wettbewerbsersatz................................................... 304<br />

Kündig<strong>un</strong>gsfreiheit durch Abschaff<strong>un</strong>g der Zehnjahresverträge..... 305<br />

Der Elfenbeinturm „<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft“ muss fallen........ 306<br />

Goethes Kritik am Recht................................................................... 306<br />

Demokratisier<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s –<br />

mehr Rechte <strong>un</strong>d mehr Mitwirk<strong>un</strong>g für die Versicherten ................. 307<br />

KAPITEL 11<br />

Private Versicher<strong>un</strong>gen.................................................... 310<br />

Das Problem mit dem Kleingedruckten............................................ 311<br />

Private Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g........................................................ 311<br />

Hausratversicher<strong>un</strong>g (Feuer, Einbruch, Leit<strong>un</strong>gswasser, Sturm)..... 312<br />

13


Unfallversicher<strong>un</strong>g............................................................................ 312<br />

Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g ....................................................... 313<br />

Risikolebensversicher<strong>un</strong>g................................................................. 313<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g............................................................. 314<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g zum Steuern sparen............................ 314<br />

Private Rentenversicher<strong>un</strong>g.............................................................. 316<br />

Vermögensbildende Lebensversicher<strong>un</strong>g ......................................... 316<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g in Verbind<strong>un</strong>g mit Darlehen<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gshypothek, betriebliche Finanzier<strong>un</strong>gen .......... 317<br />

Direktversicher<strong>un</strong>g (durch Gehaltsumwandl<strong>un</strong>g)............................ 318<br />

Krankentagegeldversicher<strong>un</strong>g .......................................................... 319<br />

Private Kranken- <strong>un</strong>d Pflegeversicher<strong>un</strong>g........................................ 319<br />

Wohngebäudeversicher<strong>un</strong>g............................................................... 320<br />

Mietverlustversicher<strong>un</strong>g ................................................................... 321<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz selbst gestalten – kein Problem...................... 321<br />

Wie aus falschen <strong>un</strong>d teuren Versicher<strong>un</strong>gen rauskommen?........... 322<br />

Wie aus falschen Lebensversicher<strong>un</strong>gen herauskommen?............... 323<br />

Laufzeit verkürzen............................................................................. 323<br />

Kündig<strong>un</strong>g, Beitragsfreistell<strong>un</strong>g....................................................... 324<br />

Wenn Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen fortgeführt werden................ 324<br />

Darauf sollten Sie während der Laufzeit von<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen achten........................................................... 324<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g – Geldanlage – Wiederanlage von<br />

Ausgezahlten Lebensversicher<strong>un</strong>gen ............................................... 325<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g............................................................................... 325<br />

Geldanlage........................................................................................ 326<br />

Wiederanlage von Ablaufleist<strong>un</strong>gen aus der<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g .......................................................................... 327<br />

Schlussbermerk<strong>un</strong>gen ....................................................................... 327<br />

____________________________________________________<br />

14


KAPITEL 1<br />

Insider-Kenntnisse eines<br />

Aussteigers<br />

"Legaler Betrug"! - So habe ich in meinem ersten Buch "Ratgeber<br />

Versicher<strong>un</strong>g" die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g bezeichnet, die viele<br />

B<strong>un</strong>desbürger zur zusätzlichen Altersversorg<strong>un</strong>g abgeschlossen haben.<br />

Das war im Jahre 1982. Drei Jahre später nannte ich Versicher<strong>un</strong>g<br />

durch Aktiengesellschaften "das größte <strong>un</strong>d bestorganisierte<br />

Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten". Und jetzt dieses Buch "Das<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> - eine Branche jenseits von Recht <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb".<br />

Gegen den ersten Vorwurf des "legalen Betruges" wehrte sich die<br />

Branche noch. Sie <strong>un</strong>terlag in einem Gerichtsverfahren. So nahm sie<br />

- als gebranntes Kind - alle weiteren Angriffe schweigend hin. Und<br />

auch die in diesem Buch erhobenen Vorwürfe werden die besonders<br />

betroffenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften sicher mit Nichtacht<strong>un</strong>g<br />

zu strafen versuchen.<br />

Als Leser sollen Sie z<strong>un</strong>ächst einmal wissen, wer in aller Öffentlichkeit<br />

diese massiven Vorwürfe gegen eine so finanzstarke <strong>un</strong>d<br />

mächtige Branche erhebt: Ich bin 1936 als Sohn eines Allianz-<br />

Generalvertreters in das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> hineingeboren, half<br />

bereits als Schüler in der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>agentur meines Vaters <strong>un</strong>d<br />

arbeitete während des Jurastudiums <strong>un</strong>d der Referendarzeit als<br />

Werkstudent bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen. Der für meinen beruflichen<br />

Werdegang entscheidende P<strong>un</strong>kt war sicher die Übernahme<br />

der väterlichen Generalagentur, was ich nicht geplant hatte. Es ergab<br />

sich aber durch eine schwere Krankheit meines Vaters <strong>un</strong>d das Ausscheiden<br />

seines Nachfolgers kurz vor seinem Tod. Die Agenturübernahme<br />

war deshalb eine eher "widerwillige" Entscheid<strong>un</strong>g, auch<br />

weil ich schon immer eine kritische <strong>un</strong>d negative Einstell<strong>un</strong>g zur<br />

Arbeitsweise eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreters hatte, der an einen Konzern<br />

geb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d dazu verdammt ist, seinen K<strong>un</strong>den die oft viel<br />

zu teuren <strong>un</strong>d falschen Angebote eben dieser Gesellschaft aufzuschwatzen.<br />

Mir war also durchaus bewußt, daß für meine Erfolge als<br />

Vertreter vor allem meine Person <strong>un</strong>d meine persönlichen Bezieh<strong>un</strong>gen<br />

von Bedeut<strong>un</strong>g waren. Wie sehr die Vertreter aber von den<br />

15


großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften ausgenutzt<br />

werden, um Riesengewinne einzufahren, das erfuhr ich erst später.<br />

Als Generalvertreter, <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>kaufmann <strong>un</strong>d Ausbilder für<br />

diesen Beruf lernte ich das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> von Gr<strong>un</strong>d auf kennen,<br />

zumal ich von der Allianz auch noch - vielleicht wegen meiner<br />

permanent kritischen Einstell<strong>un</strong>g - in mehrere Kommissionen der<br />

Generaldirektion berufen wurde. Dadurch erfuhr ich dann einige<br />

Internas, insbesondere daß es den Vorständen vieler <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften gar nicht darum geht, den Bürgern bestmöglichen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz zu geringstmöglichen Prämien zu bieten,<br />

sondern daß ihre Strategie vielmehr ist, <strong>un</strong>informierten Bürgern <strong>un</strong>ter<br />

dem Vorwand von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d mit einem verschwenderischen<br />

Werbe- <strong>un</strong>d Vertriebsaufwand so viel Geld wie möglich aus<br />

der Tasche zu ziehen <strong>un</strong>d <strong>un</strong>ter ihre Kontrolle zu bringen.<br />

Diese skrupellose <strong>un</strong>d verantwort<strong>un</strong>gslose Taktik <strong>un</strong>d die entsprechend<br />

überteuerten Prämien, die bei günstigen Unternehmen für<br />

einen völlig gleichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz halb so hoch waren, veranlaßten<br />

mich, die Allianz-Generalvertret<strong>un</strong>g wieder aufzugeben.<br />

Ich hatte am eigenen Leibe erfahren, daß ein an einen Konzern geb<strong>un</strong>dener<br />

Vertreter nur ein Werkzeug der Gesellschaft zur Durchsetz<strong>un</strong>g<br />

der eben beschriebenen Ausbeut<strong>un</strong>gs-Taktik ist. Für einen<br />

solchen Einfirmen-Vertreter ist es schlichtweg <strong>un</strong>möglich, eine Prämiendifferenz<br />

von 100 bis 200 Prozent durch Berat<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Service<br />

gegenüber seinen K<strong>un</strong>den auszugleichen. Denn die 100 bis 200 Prozent<br />

Überteuer<strong>un</strong>g kommen nicht etwa dem Vertreter in Form von<br />

hohen Provisionen zugute, sondern werden von der Gesellschaft für<br />

Kostenverschwend<strong>un</strong>gen oder Gewinne oder auch zur Subvention<br />

von verlustträchtigen Industrieversicher<strong>un</strong>gen verwendet. Vernünftige<br />

Versicher<strong>un</strong>gen - wie zum Beispiel Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

für die Familienversorg<strong>un</strong>g - hatte die Allianz seinerzeit gar<br />

nicht im Angebot <strong>un</strong>d zwang so die Vertreter zum Abschluß meist<br />

<strong>un</strong>sinniger Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen, die mit einem Sparvorgang<br />

verb<strong>un</strong>den sind <strong>un</strong>d - bei gleichem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz - das<br />

Zehnfache kosten, der Gesellschaft aber zehnmal mehr Geld in die<br />

Kasse bringen, über das sie langfristig weitgehend beliebig verfügen<br />

können.<br />

Seit Mitte der 70er Jahre beschäftigte mich die Frage, warum denkende<br />

Menschen für einen völlig gleichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz bis<br />

zu doppelt <strong>un</strong>d dreifach <strong>un</strong>terschiedliche Prämien bezahlen. Das ist<br />

gleichzeitig die Frage, wie es in einem demokratischen Rechtsstaat<br />

16


mit sozialer Marktwirtschaft <strong>un</strong>d einer staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

möglich sein kann, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerte Prämien durchsetzen <strong>un</strong>d sich<br />

dann bei den meisten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten die Prämienüberschüsse<br />

als Gewinne einstecken können. Die Antwort auf diese Fragen<br />

konnte nur sein: Markt <strong>un</strong>d Wettbewerb f<strong>un</strong>ktionieren nicht im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Die Ursache allen Übels:<br />

Mißverständnisse um die notwendigen Prämienüberschüsse<br />

Ich erkannte sehr bald, daß die Prämienüberschüsse das zentrale<br />

Problem im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sind. Jeder kann verstehen, daß<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien - sicherheitshalber - überkalkuliert sein müssen,<br />

damit auch beim schlechtesten Schadenverlauf alle Schäden bezahlt<br />

werden können. Aber warum sollen die zwangsläufig entstehenden<br />

Überschüsse dann Gewinne von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften sein ? - Welche Gegenleist<strong>un</strong>g der Unternehmen<br />

wird hier ausgetauscht ? - Das Ersta<strong>un</strong>lichste ist, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bilanzen<br />

nicht einmal Aufschluß darüber geben, wie hoch diese<br />

Überschüsse sind. Die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen weisen zwar<br />

einen Gesamtüberschuß aus, lassen aber nicht erkennen, ob <strong>un</strong>d in<br />

welcher Höhe darin Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich,<br />

also aus Versichertengeld, oder aus dem Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich, also<br />

aus Unternehmensgeld, enthalten sind.<br />

Nach jahrelangem Grübeln über die Ursachen für die Gr<strong>un</strong>dprobleme<br />

<strong>un</strong>seres <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s kam mir eines Tages - beim<br />

Joggen im Stadtpark von Hamburg - die simple Frage in den Kopf:<br />

"Warum ist die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie eigentlich nicht aufgeteilt in<br />

Versichertengeld für Schadenzahl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d in einen Preis für die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen?" - Tatsächlich ist die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

als Ganzes nicht - wie alle Welt glaubt - ein Preis, sondern<br />

enthält einen reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag, den die Versicherten<br />

für Schadenszahl<strong>un</strong>gen bereitstellen. Und sie enthält einen Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil<br />

- einen Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen, die die Unternehmen<br />

beim Vertragsabschluß <strong>un</strong>d Geldeinzug, bei der Vertragsverwalt<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Schadenregulier<strong>un</strong>g erbringen. Und bei der mit einem<br />

Sparvorgang verb<strong>un</strong>denen Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g kommt<br />

als dritter Bestandteil noch ein Sparanteil hinzu.<br />

17


Intransparenz durch Vermeng<strong>un</strong>g <strong>un</strong>terschiedlicher<br />

Prämienbestandteile<br />

Das Problem ist, daß niemand - vor allem nicht der Verbraucher -<br />

die einzelnen Bestandteile einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie erkennen<br />

kann. Sie sind in der Prämie bis hin in die Bilanzen miteinander<br />

vermengt. Und damit können Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d<br />

Bilanzen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften zum "Tatort für<br />

Betrug <strong>un</strong>d Untreue" werden. Die Gesellschaften können nämlich<br />

die Überschüsse aus Versichertengeld - nach außen <strong>un</strong>bemerkt -<br />

zum Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Mißmanagement<br />

im Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich verwenden <strong>un</strong>d die danach verbleibenden<br />

Überschüsse auch noch ganz oder teilweise als Gewinn einstecken.<br />

Und das geschieht - wie wir noch sehen werden - bei den großen<br />

<strong>un</strong>d teuren Aktiengesellschaften tagtäglich in Millionenhöhe.<br />

Vollends <strong>un</strong>verständlich ist, daß sogar der von den Versicherten<br />

gezahlte Sparanteil bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen in die Prämie reingemengt<br />

wird <strong>un</strong>d als solcher nicht mehr zu erkennen ist, so daß den<br />

Gesellschaften im Bereich der Lebensversicher<strong>un</strong>g auch noch die<br />

Erträge aus dem Spargeld der Versicherten zum Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Mißmanagement sowie als Gewinne zur<br />

Verfüg<strong>un</strong>g stehen.<br />

Den Kardinalfehler im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> hatte ich entdeckt:<br />

die eigentlich <strong>un</strong>zulässige Vermeng<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen<br />

mit den Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen.<br />

Auch der Tatort für Betrug <strong>un</strong>d Untreue war entdeckt: Gewinn-<br />

<strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Bilanzen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften. Auf der Suche nach weiteren Erkenntnissen<br />

<strong>un</strong>ternahm ich ausgedehnte Studienreisen durch Europa <strong>un</strong>d Nordamerika<br />

<strong>un</strong>d fand dabei eine Reihe von Tatsachen <strong>un</strong>d Unterlagen,<br />

die meine Auffass<strong>un</strong>g bestätigten, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie aufgeteilt<br />

werden müßte in einen reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag <strong>un</strong>d einen<br />

Preis für die Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen - bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

dazu noch in einen Sparanteil.<br />

In den USA schrieb ich ein kleines Büchlein "Insurance and Regulation<br />

- Services and Competition" (Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Staatsaufsicht<br />

- Dienstleist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Wettbewerb), das die Folgen der fehlenden<br />

Trenn<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

darstellte <strong>un</strong>d einiges Aufsehen erregte. So wurde ich zu<br />

zahlreichen Zeit<strong>un</strong>gs-, R<strong>un</strong>df<strong>un</strong>k- <strong>un</strong>d Fernsehinterviews, zu Anhö-<br />

18


<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Kongressen sowie zu Vorträgen eingeladen. Selbst der<br />

US-Senat wurde auf meine Thesen aufmerksam, <strong>un</strong>d ein Senats-<br />

Kommittee lud mich zu einem Referat ein. Als Director of International<br />

Research arbeitete ich längere Zeit mit der National Insurance<br />

Consumer Organization der USA zusammen (eine von dem<br />

Verbraucheranwalt Ralph Nader gegründete Verbraucherschutzorganisation).<br />

Im Jahre 1980 beantragte <strong>un</strong>d erhielt ich in Hamburg die gerichtliche<br />

Zulass<strong>un</strong>g als <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>berater. Als solcher berate ich vor<br />

allem große Firmen zu <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fragen, aber auch private<br />

Haushalte. Dabei habe ich festgestellt, daß gerade die Verbraucher<br />

immer wieder die gleichen Probleme mit ihren Versicher<strong>un</strong>gen haben,<br />

insbesondere mit ihren Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d mit<br />

zu teuren, aber nicht kündbaren Zehnjahresverträgen. Das Hauptproblem<br />

war allerdings, daß es für die B<strong>un</strong>desbürger keine neutralen<br />

Informationen gab, weil Gesellschaften <strong>un</strong>d Vertreter ein Informationsmonopol<br />

besaßen <strong>un</strong>d dieses ausgiebig für Falschinformationen<br />

nutzten nach der Devise: Wer dumm ist darf betrogen werden. Und<br />

Dummheit ist der billigste Rohstoff, aus dem Geld gemacht werden<br />

kann.<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist also mehr ein Informations- als ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>problem.<br />

Bei ständig gleichen Problemen <strong>un</strong>d Fragen der<br />

Verbraucher <strong>un</strong>d immer gleichen Auskünften meinerseits lag es nahe,<br />

zu den einzelnen Problembereichen schriftliche Informationen<br />

zu entwickeln. So schrieb ich zu allen möglichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>problemen<br />

ein Bündel von Merkblättern, die ich im Jahre 1981 zu einem<br />

Buch "Ratgeber Versicher<strong>un</strong>g" zusammenfaßte <strong>un</strong>d als solches vielen<br />

Verlagen anbot. Ich erhielt nur Absagen: Ein Buch über Versicher<strong>un</strong>gen<br />

ließe sich nicht verkaufen, die Verbraucher seien daran<br />

nicht interessiert, ein zu trockenes Thema usw. Ein Verlag schrieb<br />

sogar, er könne ein solches Buch mit Rücksicht auf die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche<br />

nicht verlegen, weil diese ein großer K<strong>un</strong>de des Verlages<br />

sei.<br />

Weil das Buch n<strong>un</strong> einmal geschrieben war, gründete ich im Jahre<br />

1982 einen Eigenverlag <strong>un</strong>d ließ 10.000 Exemplare drucken, von<br />

denen ich auch einige an die Medien verschickte. Einige Zeitschriften<br />

gaben dem Buch so gute Kritiken, daß die erste Auflage innerhalb<br />

eines Monats vergriffen war. Und mit monatlichen Verkaufszahlen<br />

von 10.000 Exemplaren ging es weiter. Dann meldeten sich<br />

natürlich die Verlage <strong>un</strong>d waren plötzlich an der Übernahme des<br />

19


"Ratgeber Versicher<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d an weiteren Büchern interessiert. So<br />

habe ich inzwischen fünf weitere Ratgeber geschrieben, davon im<br />

Heyne Verlag den "Ratgeber Lebensversicher<strong>un</strong>g", "Ratgeber Krankenversicher<strong>un</strong>g",<br />

"<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>ratgeber für Geschäft <strong>un</strong>d Beruf"<br />

<strong>un</strong>d den 500-seitigen "VERSICHERUNGSRATGEBER". Diese<br />

<strong>un</strong>d andere Bücher sowie von mir verfaßte Broschüren haben derzeit<br />

eine Gesamtauflage von weit über eine Million Exemplare erreicht.<br />

Die Bücher <strong>un</strong>d Broschüren haben sicher einiges bewegt. Doch<br />

war mir <strong>un</strong>d einigen engagierten Mitstreitern klar geworden, daß bei<br />

den gravierenden Mißständen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> eine Interessenvertret<strong>un</strong>g<br />

der Versicherten vonnöten war. So gründeten wir im<br />

Jahre 1982 in Hamburg den B<strong>un</strong>d der Versicherten (BdV), dessen<br />

Geschäftsführer ich wurde. Bereits im Jahre seiner Gründ<strong>un</strong>g wurde<br />

dem als gemeinnützig anerkannten Verein von einer aus sieben Journalisten<br />

bestehenden Jury der "Verbraucherpreis 1982" zugesprochen<br />

- wie es in der Begründ<strong>un</strong>g heißt - "für seine Bemüh<strong>un</strong>gen,<br />

durch Veröffentlich<strong>un</strong>gen, sachliche Berat<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d mutige Informationen<br />

Transparenz in das Dickicht der Versicher<strong>un</strong>gen zu bringen".<br />

Durch Öffentlichkeitsarbeit <strong>un</strong>d Informationen hat der B<strong>un</strong>d<br />

der Versicherten sicher dazu beigetragen, daß im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

einige Veränder<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Verbesser<strong>un</strong>gen zug<strong>un</strong>sten der<br />

Verbraucher vorgenommen wurden. Neben der Berat<strong>un</strong>g der inzwischen<br />

fast 15.000 Mitglieder führt der BdV auch eine Reihe von<br />

Prozessen <strong>un</strong>d Verfass<strong>un</strong>gsbeschwerden zu Gr<strong>un</strong>dsatzfragen des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s.<br />

Ein langer Kampf um Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

Während meines n<strong>un</strong> schon über zehnjährigen "Kampfes" gegen die<br />

Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> habe ich erkannt <strong>un</strong>d gelernt, wie<br />

schwer es auch in einem demokratischen Rechtsstaat ist, rechts- <strong>un</strong>d<br />

wettbewerbswidrige Zustände anzugreifen <strong>un</strong>d zu Fall zu bringen.<br />

Das umsomehr, wenn sich diese Verhältnisse über Jahrzehnte erhalten<br />

<strong>un</strong>d zu Milliardenverlusten der Bürger geführt haben. Die Reaktion<br />

vieler auf meine Kritik waren Ungläubigkeit <strong>un</strong>d Zweifel: "Das<br />

darf doch nicht wahr sein" oder "Das kann es in einem Rechtsstaat<br />

mit sozialer Marktwirtschaft doch nicht geben". Darüber hinaus<br />

werfe ich den Verantwortlichen - Regier<strong>un</strong>gen, Politikern, Beamten<br />

20


<strong>un</strong>d Wissenschaftlern vor, daß sie versagt haben. Selbst wenn die<br />

Argumente überzeugen: Welcher Einsichtige gibt sein Versagen<br />

schon gerne zu <strong>un</strong>d übernimmt damit gleichzeitig auch noch die<br />

Mitschuld an den Milliardenverlusten der Bürger ? -<br />

Das ist ja gerade die große "Leist<strong>un</strong>g" der von Aktiengesellschaften<br />

beherrschten Branche: Sie hat eine <strong>un</strong>vorstellbare Globalstrategie<br />

entwickelt <strong>un</strong>d seit Jahrzehnten nahezu alle demokratischen<br />

Kontrollorgane mit Lobbyisten besetzt oder manipuliert. Sie hat die<br />

demokratische, rechtsstaatliche <strong>un</strong>d marktwirtschaftliche Ordn<strong>un</strong>g<br />

korrumpiert, Politiker <strong>un</strong>d Beamte <strong>un</strong>ter ihren Einfluß gebracht <strong>un</strong>d<br />

- mit Hilfe einer hauseigenen Wissenschaft - indirekt auch die Gesetzgeb<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Rechtsprech<strong>un</strong>g beeinflußt. Die größte Ironie ist<br />

dabei, das dies alles mit objektiv ver<strong>un</strong>treutem Geld der Versicherten<br />

gegen die Verbraucher geschehen ist.<br />

Der Parlamentarische Staatssekretär beim B<strong>un</strong>desminister der Finanzen,<br />

Dr. Friedrich Voss, schreibt am 26.7.90, für gesetzgeberische<br />

Maßnahmen wolle er nicht eintreten: "Das wäre ein Schritt hin<br />

zur staatlichen Wirtschaftslenk<strong>un</strong>g. Die führt aber nicht zu besseren<br />

Zuständen, wie <strong>un</strong>s gerade jetzt wieder besonders deutlich wird." -<br />

Vielen Verantwortlichen ist genau diese Mein<strong>un</strong>g von Branchenf<strong>un</strong>ktionären<br />

<strong>un</strong>d Lobbyisten beigebracht worden: "Wenn Ihr verhindert,<br />

daß wir anvertrautes Versichertengeld beim Ausgleich von<br />

Verlusten <strong>un</strong>d als Gewinn verwenden können, dann ist das Verstaatlich<strong>un</strong>g<br />

oder Wirtschaftslenk<strong>un</strong>g - wie in den sozialistischen Staaten."<br />

- Kaum jemand erkennt, daß Versicher<strong>un</strong>g - als gegenseitige<br />

Hilfe innerhalb einer Versichertengemeinschaft - nichts mit Marktwirtschaft<br />

<strong>un</strong>d Wettbewerb zu t<strong>un</strong> haben kann <strong>un</strong>d daß der<br />

Mißbrauch anvertrauter Gelder in den Bereich des Strafrechts fällt.<br />

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe nichts<br />

gegen Gewinne - im Gegenteil ! - Sie müssen nur im Wettbewerb<br />

erzielt werden. Weil das bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften nicht der<br />

Fall ist, kämpfe ich - wie dieses Buch zeigt - für das F<strong>un</strong>ktionieren<br />

von Marktwirtschaft <strong>un</strong>d Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Ein Wandel ist sicher nicht mit den alten Köpfen möglich, sondern<br />

"neue Köpfe braucht das Land" - vor allem <strong>un</strong>ter den Beamten<br />

<strong>un</strong>d Wissenschaftlern. Dann würden sicher Regier<strong>un</strong>gen, Gesetzgeber<br />

<strong>un</strong>d Richter anders handeln <strong>un</strong>d entscheiden als bisher. Deshalb<br />

halte ich Öffentlichkeitsarbeit, also die Aufklär<strong>un</strong>g der Bürger, für<br />

<strong>un</strong>geheuer wichtig. Informationen über die Mißstände <strong>un</strong>d über das<br />

Versagen von Politikern, Beamten <strong>un</strong>d Wissenschaftlern könnten<br />

21


eine Wende herbeiführen. Möglicherweise verursacht auch die Kollision<br />

mit dem in vielen Bereichen besseren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> der<br />

ehemaligen DDR einen Zwang zu Reformen. So konnte man in der<br />

DDR jede Versicher<strong>un</strong>g einen Monat vor der Beitragsfälligkeit kündigen.<br />

Die B<strong>un</strong>desbürger können die oft doppelt bis dreifach zu teuren<br />

Versicher<strong>un</strong>gen meistens zehn Jahre lang nicht kündigen. Und<br />

die staatliche Versicher<strong>un</strong>g der DDR arbeitete mit Kosten zwischen<br />

sechs bis acht Prozent, während b<strong>un</strong>desdeutsche Aktiengesellschaften<br />

bei manchen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten mehr als die Hälfte der Prämieneinnahmen<br />

als Kosten <strong>un</strong>d Gewinne verbrauchen. Aber der<br />

Allianz-Konzern hat sich in einer Nacht- <strong>un</strong>d Nebelaktion auf die<br />

Staatliche Versicher<strong>un</strong>g der DDR gestürzt, die Mehrheitsbeteilig<strong>un</strong>g<br />

übernommen <strong>un</strong>d wird n<strong>un</strong> wohl das b<strong>un</strong>desdeutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong><br />

auch in der ehemaligen DDR einführen.<br />

Der Wirtschaftsjournalist Dieter Kampe schrieb im Jahre 1984 in<br />

einem Artikel der Zeitschrift "Transatlantik", ich brächte "die Sturheit<br />

<strong>un</strong>d den langen Atem mit, den man braucht, um die mit Filz,<br />

Geld <strong>un</strong>d Paragraphen verkleisterte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>materie aufzudröseln".<br />

Fünf Jahre später, im Jahre 1989, war "dem B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

erstmals ein Einbruch in das feste Bollwerk des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

gel<strong>un</strong>gen". So der Herausgeber der "Wirtschaftswoche"<br />

Professor Dr. Wolfram Engels. Der Verein hätte im "Kampf um<br />

Reformen auf dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sektor Verbündete gewonnen".<br />

Über zehn Jahre ein langer <strong>un</strong>d mühsamer Weg für erste Anfangserfolge.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften, deren Geschäftsgr<strong>un</strong>dlage<br />

die Unwissenheit der Bürger ist, hassen natürlich nichts mehr<br />

als Aufklär<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Informationen. Also bekämpfen sie Verbraucherschützer<br />

<strong>un</strong>d Informanten wie den B<strong>un</strong>d der Versicherten. Und<br />

sie gewinnen dabei immer wieder Verbündete. So schreibt Dieter<br />

Kampe in seinem Artikel über ein Gespräch mit August Angerer, bis<br />

1989 Präsident des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>:<br />

"Als ich einwerfe, daß es mittlerweile doch ernstz<strong>un</strong>ehmende<br />

Kritiker gebe, schwindet das fre<strong>un</strong>dliche Lächeln aus dem Gesicht<br />

des Präsidenten Angerer. Der Herr Meyer - <strong>un</strong>d er holt tief Luft <strong>un</strong>d<br />

ist jetzt richtig böse -, der sei nicht nur krankhaft ehrgeizig, fanatisch<br />

sei der, wirre Ideen habe der. Und die Medien, die plötzlich einfach<br />

nachdruckten, was der Meyer da verzapfe - nein, nein, das sei ein<br />

Kreuz." - Ähnlich hat sich im Jahre 1989 ein verantwortlicher Beamter<br />

im B<strong>un</strong>desfinanzministerium - namens Kaulbach - über mich ge-<br />

22


äußert. Er wurde im September 1990 vom Landgericht Hamburg<br />

zur Unterlass<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Widerruf seiner falschen Behaupt<strong>un</strong>gen verurteilt.<br />

Herr Angerer ist jedenfalls seit 1989 nicht mehr Aufsichtsamtspräsident,<br />

sondern "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>professor" <strong>un</strong>d Aufsichtsratsmitglied<br />

eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens <strong>un</strong>d tätig für eine Zeitschrift,<br />

die ein Verlag herausgibt, der der Branche gehört. Aber der<br />

Beamte Kaulbach schaltet <strong>un</strong>d waltet - noch - im B<strong>un</strong>desfinanziministerium.<br />

Apropos einstweilige Verfüg<strong>un</strong>gen: Natürlich hat mich die Branche<br />

mit ihren vielen Helfershelfern immer wieder attackiert. Das<br />

ging so weit, daß mich der Präsident des B<strong>un</strong>desverbandes Deutscher<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>kaufleute, Max Engl, in einer Fernsehsend<strong>un</strong>g<br />

als "dummes Schwein" beschimpfte. Später sagt er über mich: "Es<br />

gibt leider Gottes einen Menschen, eine Figur, die von sich behauptet,<br />

ein Verbraucherschützer zu sein, die im Gr<strong>un</strong>de genommen<br />

nichts anderes zum Ziele hat, als die deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

<strong>un</strong>d insbesondere den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter mit Kübeln voll<br />

Schmutz <strong>un</strong>d <strong>un</strong>wahren Behaupt<strong>un</strong>gen zu übergießen <strong>un</strong>d damit<br />

selbstgeschriebene Bücher zu verkaufen." - Natürlich wehrte ich<br />

mich, <strong>un</strong>d Engl verlor alle Gerichtsverfahren. Von anderer Seite erhielt<br />

er aber zwei B<strong>un</strong>desverdienstkreuze. Ich kann dagegen mit<br />

einstweiligen Verfüg<strong>un</strong>gen gegen Branchenf<strong>un</strong>ktionäre <strong>un</strong>d ihre<br />

Helfershelfer ganze Wände tapezieren.<br />

Die Branche suchte sogar Schutz <strong>un</strong>d Hilfe beim damaligen Wirtschaftsminister<br />

Graf Lambsdorff, wie sich aus einem Schreiben des<br />

Staatssekretärs Schlecht an den Präsidenten des Gesamtverbandes<br />

der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft vom 21.7.83 ergibt, in dem<br />

es heißt: "Sehr geehrter Herr Büchner, in Ihrem Brief an Minister<br />

Graf Lambsdorff berichten Sie von den Aktivitäten von Herrn Hans<br />

Dieter Meyer ...". - Dem Schreiben beigefügt war eine Pressenotiz<br />

des B<strong>un</strong>desministeriums für Wirtschaft mit völlig falschen Wiedergaben<br />

der Aktivitäten <strong>un</strong>d Thesen des B<strong>un</strong>des der Versicherten -<br />

mehr "Schlecht" als recht. Und der Brief des Herrn Schlecht schloß:<br />

"Ich stelle Ihnen anheim, dieses Schreiben nach Ihrem Gutdünken<br />

öffentlich zu verwerten. Darüber hinaus habe ich beigefügte Klarstell<strong>un</strong>g<br />

an die Presse gegeben." - Dies als Beispiel, welche Bezieh<strong>un</strong>gen<br />

zwischen Branche <strong>un</strong>d politisch Verantwortlichen bestehen<br />

<strong>un</strong>d wie diese - in konzertierter Aktion - gegen <strong>un</strong>liebsame Interessenvertreter<br />

der Verbraucher eingesetzt werden. Ziel aller Attacken<br />

gegen den B<strong>un</strong>d der Versicherten <strong>un</strong>d gegen meine Person war vor<br />

23


allem, ernsthafte Gespräche mit Politikern, Regier<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Aufsichtsbeamten<br />

zu verhindern. Und damit war die Branche erfolgreich,<br />

jedenfalls in den achtziger Jahren. Für die ne<strong>un</strong>ziger Jahre hat<br />

sich bereits eine Wende abgezeichnet.<br />

In der Mitgliederzeit<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten hatte ich<br />

den DDR-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler Prof. Dr. Bader zitiert: "Mit<br />

dem Tatbestand des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>risikos wird die Aneign<strong>un</strong>g von<br />

Teilen der Beitragseinnahmen in Form von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>profit begründet<br />

bzw. zu rechtfertigen versucht. Die Erfahr<strong>un</strong>g lehrt jedoch,<br />

daß das Geschäft mit dem Risiko das risikoloseste Geschäft ist."<br />

Nach Rudolf Kraus von der CSU soll das Zitieren von Prof. Bader<br />

eine "Verbreit<strong>un</strong>g von pseudowissenschaftlichen Klassenkampfparolen"<br />

sein. Mit dem Vorwurf der "erkauften Untätigkeit" aller in der<br />

B<strong>un</strong>desrepublik für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> Verantwortlichen soll<br />

ich "weite Bereiche <strong>un</strong>serer wirtschaftlichen, gesellschaftlichen <strong>un</strong>d<br />

politischen Ordn<strong>un</strong>g bis an die Grenze des strafrechtlich Erheblichen<br />

den<strong>un</strong>ziert" haben. Statt Interesse an einem Gespräch mit Andersdenkenden<br />

traf ich in der B<strong>un</strong>desrepublik - anders als in den<br />

USA - auf einen Eisernen Vorhang.<br />

In dem vorliegenden Buch habe ich meine Erfahr<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d die<br />

Ergebnisse meiner Recherchen zusammengefaßt. Um aufzuzeigen,<br />

daß ich mit meiner massiven Kritik nicht allein stehe, habe ich besonders<br />

viele Zitate in das Buch eingearbeitet, aber auf vollständige<br />

Quellenangaben verzichtet - aus Gründen einer besseren Lesbarkeit<br />

auch für Laien. Wer sich an mich oder den B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

(2359 Henstedt-Ulzburg 1) wendet <strong>un</strong>d ein begründetes Interesse an<br />

der genauen Quelle eines bestimmten Zitates nachweist, kann diese<br />

Angaben gern erhalten. Das Buch soll in möglichst einfacher, aber<br />

auch ausführlicher Form interessierte Verbraucher über die<br />

Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d deren Ursachen informieren.<br />

Es soll aber gleichzeitig auch alle Verantwortlichen - Politiker, Beamte,<br />

Wissenschaftler, Richter <strong>un</strong>d Journalisten - zum Nachdenken<br />

anregen. Möglicherweise gibt das Buch auch einen Anstoß für längst<br />

überfällige wissenschaftliche Untersuch<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>seres <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s.<br />

Also kein Lehrbuch, wohl aber ein Buch mit wissenschaftlichem<br />

"touch" - ein weiterer Schritt zum "Aufdröseln der mit<br />

Filz, Geld <strong>un</strong>d Paragraphen verkleisterten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>materie".<br />

24


KAPITEL 2<br />

Missstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

kosten B<strong>un</strong>desbürger Milliarden<br />

Durch die vielen Mißstände im b<strong>un</strong>desdeutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

haben die B<strong>un</strong>desbürger über Jahrzehnte H<strong>un</strong>derte von Milliarden<br />

Mark verloren. Vorweg nur einige Beispiele:<br />

Allein im Bereich der mit einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>denen Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

haben Millionen Versicherte wegen der <strong>un</strong>geregelten<br />

Vermögensverhältnisse Milliarden von Mark verloren -<br />

entweder bei vorzeitiger Vertragsaufheb<strong>un</strong>g oder durch eine<br />

schlechte Rendite beim Ablauf des Vertrages.<br />

Fahrzeughalter mit gleichen Autos <strong>un</strong>d gleicher Fahrvergangenheit<br />

zahlen wegen der zur Zeit geltenden Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife<br />

völlig <strong>un</strong>terschiedliche Prämien, manche Großstädter zum Beispiel<br />

bis zu 50 Prozent mehr als ein Beamter in der Provinz. Und<br />

das in einer gesetzlichen Pflichtversicher<strong>un</strong>g! - Alle benachteiligten<br />

Fahrer, zusammengenommen, verlieren jährlich Milliarden von<br />

Mark durch zuviel gezahlte Beiträge.<br />

Weil <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften überwiegend Verträge<br />

mit zehnjähriger Laufzeit abschließen, können die Versicherten ihre<br />

Versicher<strong>un</strong>gen nicht kündigen, wenn sie später einmal erfahren,<br />

daß die Prämien doppelt <strong>un</strong>d dreifach zu teuer sind. Die Gesellschaften<br />

können aber während der Vertragsdauer einseitig die Prämien<br />

erhöhen. Und selbst dann haben die Versicherten kein realistisches<br />

Kündig<strong>un</strong>gsrecht. Auch hier verlieren die Verbraucher jährlich<br />

Milliarden.<br />

Selbständige oder Gutverdienende werden mit niedrigen Beiträgen<br />

in die private Krankenversicher<strong>un</strong>g gelockt <strong>un</strong>d später - im Alter<br />

- "abgezockt" (so der "stern" im Jahre 1989). Wenn die Gesellschaften<br />

die Beiträge für ältere Versicherte drastisch erhöhen, kommen<br />

diese nicht mehr in eine gesetzliche Krankenkasse zurück, sind also<br />

den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen hilflos ausgeliefert.<br />

Die Verantwortlichen wollen das alles nicht wahrhaben. Als sich<br />

ein Bürger über die Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d eigene<br />

finanzielle Verluste beschwerte, antwortete - Ein verhängnisvoller<br />

Irrtum, wie wir noch sehen werden. Vielleicht verursacht durch<br />

mangelhafte Information. Denn das Problem einer jeden Demokratie<br />

ist, daß die Informations-Kanäle hin zu den Verantwortlichen oft<br />

25


von vorgeschalteten Beamten verstopft sind. Insoweit sind die Vorgänge<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> für manche möglicherweise ein<br />

Lehrstück oder Musterbeispiel für Demokratieversagen.<br />

Es mag <strong>un</strong>glaublich erscheinen, daß eine ganze Branche jenseits<br />

von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb arbeitet. Und das seit etwa 100 Jahren.<br />

Dazu noch eine Branche, die im Jahre 1990 etwa 400 Millionen Verträge<br />

<strong>un</strong>d ein Vermögen im Werte von 800 Milliarden Mark verwaltet.<br />

Eine Branche, die 1990 annähernd 200 Milliarden Mark einnehmen<br />

wird: über 140 Milliarden Mark an Prämien <strong>un</strong>d etwa 60 Milliarden<br />

Mark an Erträgen <strong>un</strong>d Wertsteiger<strong>un</strong>gen aus dem 800-<br />

Milliarden-Mark-Vermögen. Und auch dies mag <strong>un</strong>glaublich erscheinen:<br />

Niemand weiß so recht, wem diese gewaltigen Geldmengen<br />

eigentlich gehören - das heißt, ob <strong>un</strong>d in welchem Umfang sie<br />

vermögensrechtlich den Versicherten oder den Unternehmen zustehen.<br />

Ungeregelte Vermögensverhältnisse<br />

Derart <strong>un</strong>geregelte Vermögensverhältnisse, die es in einem Rechtsstaat<br />

eigentlich nicht geben dürfte, findet man nur im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Diese Besonderheit resultiert aus der Natur der Versicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d ihrer geschichtlichen Entwickl<strong>un</strong>g: Wegen der Ungewißheit<br />

der Zuk<strong>un</strong>ft <strong>un</strong>d künftiger Schäden müssen die Versicherten<br />

immer mehr Beiträge bezahlen, als für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen erforderlich<br />

sind. Es bleibt also regelmäßig Geld übrig. Die alles entscheidende<br />

Frage im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist n<strong>un</strong>: Wem gehören<br />

diese Überschüsse, wem stehen sie vermögensrechtlich zu ?<br />

Hier stehen sich zwei völlig konträre Mein<strong>un</strong>gen gegenüber, die<br />

<strong>wesen</strong>tlich dadurch bestimmt werden, was man <strong>un</strong>ter "Versicher<strong>un</strong>g"<br />

versteht. Die einen meinen, Versicher<strong>un</strong>g sei eine Leist<strong>un</strong>g der<br />

Versicherten, die mit der Bereitstell<strong>un</strong>g ihrer Gelder alle finanziellen<br />

Risiken beseitigten. Deshalb gehörten alle Prämienüberschüsse <strong>un</strong>d<br />

das daraus gebildete Kapital den Versicherten. Die anderen behaupten,<br />

Versicher<strong>un</strong>g sei eine von den Gesellschaften hergestellte <strong>un</strong>sichtbare<br />

Ware, die gegen die Prämie als Preis verkauft werde. Und<br />

so seien Prämienüberschüsse Gewinne der Unternehmen <strong>un</strong>d alles<br />

von den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen verwaltete Kapital sei Vermögen<br />

der Gesellschaften.<br />

Die erste Mein<strong>un</strong>g kann als Beweis für ihre Richtigkeit anführen:<br />

Bei Lebens-, Kranken- <strong>un</strong>d Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicher<strong>un</strong>gen<br />

26


gibt es eine Pflicht der Unternehmen zur Rückerstatt<strong>un</strong>g von Prämienüberschüssen.<br />

Also stehen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder <strong>un</strong>d deren<br />

Überschüsse den Versicherten zu. Dagegen kann die gegenteilige<br />

Mein<strong>un</strong>g anführen: Bei allen anderen als den eben genannten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten<br />

gibt es keine Verpflicht<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

überschüssige Beiträge zurückzuerstatten.<br />

Die erste Mein<strong>un</strong>g kann sich auch noch darauf stützen, daß das<br />

gesamte Vermögen eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereins - <strong>un</strong>bestritten - den<br />

Versicherten gehört. Die zweite Mein<strong>un</strong>g kontert, bei Aktiengesellschaften<br />

sei das eben anders, kann dafür aber keine gesetzliche<br />

Gr<strong>un</strong>dlage anführen. Man behauptet eben, die Prämie sei ein Preis.<br />

Und dieser gehe n<strong>un</strong> einmal - wie alle Preise - in die <strong>un</strong>eingeschränkte<br />

Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt des Verkäufers über. (Den Widerspruch, daß<br />

von den vermeintlichen "Preisen" für Lebens-, Kranken- <strong>un</strong>d Autoversicher<strong>un</strong>gen<br />

Überschüsse an die Versicherten zurückgezahlt werden<br />

müssen, hat man offenbar noch nicht entdeckt oder geflissentlich<br />

übersehen).<br />

Ungeregelte Vertragsverhältnisse<br />

Es gibt nur ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertragsgesetz <strong>un</strong>d nicht eines für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine<br />

<strong>un</strong>d eines für Aktiengesellschaften. Und es gibt<br />

nur einen Paragraphen 1 als gr<strong>un</strong>dsätzliche Regel<strong>un</strong>g für alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge,<br />

also keine andere Regel<strong>un</strong>g zum Beispiel für die<br />

mit einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>dene Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g. In<br />

diesem Paragraphen 1 wird auch nicht <strong>un</strong>terschieden zwischen der<br />

Versicher<strong>un</strong>g durch <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine auf Gegenseitigkeit <strong>un</strong>d<br />

Aktiengesellschaften. Und er definiert nicht, was Versicher<strong>un</strong>g eigentlich<br />

ist, sondern besagt nur, daß der Versicherte die Prämie oder<br />

den Beitrag zu zahlen habe. Und das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

müsse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fall die vereinbarte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g.<br />

Sogar die mit einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>dene Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g soll durch diese gesetzliche Bestimm<strong>un</strong>g erfaßt<br />

sein. Wie <strong>un</strong>zulänglich der Paragraph 1 des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-<br />

Gesetzes ist, wird sicher jedem deutlich, wenn man bedenkt, daß der<br />

in dieser Vorschrift mitgeregelte Sparvorgang in einer Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

sicher nichts mit Versicher<strong>un</strong>g zu t<strong>un</strong> hat <strong>un</strong>d die Rückzahl<strong>un</strong>g<br />

der angesparten Gelder bei Vertragsablauf sicher keine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g<br />

ist. Und wenn man weiß, daß bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereinen<br />

<strong>un</strong>d Aktiengesellschaften völlig <strong>un</strong>terschiedliche Vermö-<br />

27


gensverhältnisse bestehen, dann dürfen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge bei<br />

diesen Unternehmen eigentlich nicht durch die gleiche Vorschrift<br />

geregelt sein.<br />

Hierzu eine kleine Geschichte: Da gibt es den bereits erwähnten<br />

Beamten Kaulbach im für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> zuständigen<br />

B<strong>un</strong>desfinanzministerium, der sich als eine Art Dreieinigkeit sieht.<br />

Er rechnet sich sowohl der Exekutive als auch der Legislative <strong>un</strong>d<br />

schließlich auch noch der Wissenschaft zu. Dieser Beamte sieht jede<br />

Geldhingabe als Zahl<strong>un</strong>g eines Preises an <strong>un</strong>d meint: Weil im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-Gesetz<br />

geregelt sei, daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

die Prämie zu zahlen habe, sei diese Prämie das Entgelt der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

Und er macht dabei keinen Unterschied zwischen<br />

der Prämie für eine Glasversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d einer Prämie für<br />

eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g, die zum größten Teil aus Spargeld<br />

besteht. So sieht der Beamte Kaulbach auch das gesamte von Aktiengesellschaften<br />

verwaltete Kapital als deren Vermögen an. Und er<br />

sitzt mit dieser Einstell<strong>un</strong>g am Hebel des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s <strong>un</strong>d<br />

handelt danach seit Jahren - exekutiv, legislativ <strong>un</strong>d wissenschaftlich.<br />

Dabei verlangt sein Ministerium Vermögenssteuer auf die angesammelten<br />

Spargelder aus Lebensversicher<strong>un</strong>gen - nicht von den Gesellschaften,<br />

sondern von den Lebensversicherten. Wie soll dann dieses<br />

Vermögen den Gesellschaften gehören ? - Wie soll dann die Lebensversicher<strong>un</strong>gsprämie<br />

ein Preis sein ? - Noch entscheidender ist<br />

allerdings die Frage: Wie sollen wir mit solchen Beamten zu einem<br />

vernünftig geregelten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> kommen ? -<br />

In einer Fachzeit<strong>un</strong>g wurde eine Entscheid<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts<br />

aus dem Jahre 1989 wie folgt kommentiert: "Dem<br />

Urteil scheint die Vorstell<strong>un</strong>g zugr<strong>un</strong>de zu liegen, als handele es sich<br />

bei den aus den Prämien erwirtschafteten Überschüssen um 'Geld<br />

der Versicherten', das der Versicherer lediglich als Treuhänder der<br />

Versichertengemeinschaft zu verwalten habe." - Der Beamte Kaulbach<br />

beeilte sich, diese richtige Mein<strong>un</strong>g gleich wieder falsch zu stellen,<br />

indem er selbst einen Kommentar schrieb <strong>un</strong>d meinte, das Urteil<br />

hätte so nicht ergehen dürfen. Er fühle sich jedenfalls nicht "veranlaßt,<br />

über theoretische Schwächen zu grübeln".<br />

Als der Deutsche Ring Ende 1985 Vermögen innerhalb des Konzerns<br />

verschob <strong>un</strong>d dadurch die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten<br />

her<strong>un</strong>termanipulierte, stellten das B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

<strong>un</strong>d das ihm <strong>un</strong>tergeordnete B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

plötzlich fest, daß sie seit Jahren <strong>un</strong>terschiedliche<br />

28


Auffass<strong>un</strong>gen über die Beteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten an den<br />

Überschüssen der Gesellschaften hatten - zu einer Regel<strong>un</strong>g, nach<br />

welcher Jahr für Jahr zu über fünfzig Millionen Kapitalversicher<strong>un</strong>gen<br />

Milliarden von Mark verteilt worden sind. Dieser skandalöse<br />

Vorgang, der gravierende Fehler im Bereich der staatlichen Aufsicht<br />

aufdeckt, ist ausführlich ab Seite XX dargestellt.<br />

Manipulation, Konfusion <strong>un</strong>d Schizophrenie, wohin man schaut !<br />

- Und dies ist nur ein Vorgeschmack. Dabei darf nicht übersehen<br />

werden, daß diese Fragen von gr<strong>un</strong>dlegender Bedeut<strong>un</strong>g sind für die<br />

Gesetzgeb<strong>un</strong>g, für die Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d für den Wettbewerb<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> - <strong>un</strong>d für einen vernünftigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

eines ganzen Volkes, für jährliche Beitragsleist<strong>un</strong>gen von 140<br />

Milliarden Mark <strong>un</strong>d ein aufgelaufenes Vermögen von weit über 800<br />

Milliarden Mark. Und für die Frage, wem dieses ganze Geld gehört.<br />

Unglaublich, aber wahr ...<br />

Viele werden vielleicht meinen, daß bei den vielen Mißständen im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> längst öffentliche Diskussionen <strong>un</strong>d parlamentarische<br />

Debatten hätten stattfinden müssen. Aber auch hier hat die<br />

Branche wieder ganz raffiniert reagiert. Der Fachjournalist Arno<br />

Surminski hatte ihr schon zu Beginn der achtziger Jahre geraten, sich<br />

nicht auf gr<strong>un</strong>dsätzliche Diskussionen einzulassen. Die Branche<br />

könne diese nicht gewinnen. So hat auch der Gesamtverband der<br />

Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft - wie sein Präsident in einer<br />

B<strong>un</strong>destagsanhör<strong>un</strong>g selbst bestätigte - einen Beschluß gefaßt, nicht<br />

an öffentlichen Diskussionen zu gr<strong>un</strong>dsätzlichen Fragen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

teilz<strong>un</strong>ehmen. Das gewünschte Ergebnis: Da gerade<br />

die Massenmedien Fernsehen <strong>un</strong>d R<strong>un</strong>df<strong>un</strong>k peinlich auf "Ausgewogenheit"<br />

bedacht sind, wurden viele Send<strong>un</strong>gen abgesagt, weil die<br />

Branche nicht zu einer Mitwirk<strong>un</strong>g bereit war. -<br />

Nur wenige Redakteure ließen sich nicht von ihrer Informationspflicht<br />

abhalten <strong>un</strong>d arbeiteten mit einem "leeren Branchen-Stuhl".<br />

Solche Redakteure <strong>un</strong>d Journalisten, ja sogar Wissenschaftler mußten<br />

sich nach kritischen Verlautbar<strong>un</strong>gen in aller Regel einem Trib<strong>un</strong>al,<br />

bestehend aus Vorgesetzten <strong>un</strong>d Branchenvertretern, stellen <strong>un</strong>d<br />

ihre "anrüchige" Kritik an einer "honorigen" Branche verteidigen -<br />

an einer Branche mit einem H<strong>un</strong>dertmillionen Mark Werbeetat. Also<br />

kritisierten viele Wissenschaftler <strong>un</strong>d Journalisten die Branche nur<br />

einmal <strong>un</strong>d nie wieder. - Tatsächlich gibt es derzeit nur eine Hand-<br />

29


voll Wissenschaftler <strong>un</strong>d Journalisten, die sich - <strong>un</strong>d dafür möchte<br />

ich ihnen an dieser Stelle danken - nicht in dieser Weise von der<br />

Branche erpressen lassen <strong>un</strong>d die auch noch an höherer Stelle mit<br />

ihrer Kritik durchkommen. So habe ich selbst erlebt, daß viele hervorragend<br />

recherchierte Zeit<strong>un</strong>gsartikel, R<strong>un</strong>df<strong>un</strong>k- <strong>un</strong>d Fernsehsend<strong>un</strong>gen<br />

zu einzelnen Mißständen nicht veröffentlicht wurden,<br />

weil Chefredaktion oder Anzeigenabteil<strong>un</strong>g dagegen waren oder die<br />

Branche Einspruch erhoben hatte.<br />

Vielleicht macht sich bei einigen Lesern jetzt schon <strong>un</strong>gläubiges<br />

Sta<strong>un</strong>en breit. Andere werden vielleicht ihre Ahn<strong>un</strong>gen, daß es im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nicht mit rechten Dingen zugehe, bestätigt finden.<br />

Etliche werden aber wohl - wie der verantwortliche Minister<br />

Waigel - immer noch meinen: Derartige Mißstände kann es in einem<br />

demokratischen Rechtsstaat mit sozialer Marktwirtschaft <strong>un</strong>möglich<br />

geben, schon gar nicht seit mehr als einh<strong>un</strong>dert Jahren. Diesen Vertrauensseligen<br />

sei gesagt: Die Demokratie hat eine große Schwäche -<br />

den Menschen; sie muß von Menschen, von Politikern <strong>un</strong>d Beamten,<br />

realisiert werden, <strong>un</strong>d diese sind n<strong>un</strong> einmal anfällig für Lobbyismus<br />

<strong>un</strong>d mentale oder auch finanzielle Korruption. Das Gleiche<br />

gilt leider auch für Wissenschaftler, die eigentlich die Hauptkontrolleure<br />

des Staates sein sollten.<br />

Um auch den letzten Demokratie- <strong>un</strong>d Marktwirtschafts-<br />

Gläubigen skeptisch zu machen, nachfolgend einige Zitate als Beleg,<br />

daß es in <strong>un</strong>serem demokratischen Rechtsstaat sehr wohl seit Jahrzehnten<br />

eine Branche jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb geben<br />

kann, daß <strong>un</strong>ser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrig<br />

strukturiert ist, <strong>un</strong>d daß dieser Strukturfehler den Aktiengesellschaften<br />

viele Möglichkeiten des Mißbrauchs von anvertrauten Geldern<br />

eröffnet. Die Zitate sollen auch zeigen, wie die großen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

mit objektiv ver<strong>un</strong>treuten Versichertengeldern<br />

die demokratische, rechtsstaatliche <strong>un</strong>d marktwirtschaftliche<br />

Ordn<strong>un</strong>g korrumpiert, Politiker <strong>un</strong>d Beamte <strong>un</strong>ter ihren Einfluß gebracht<br />

<strong>un</strong>d - mit Hilfe einer hauseigenen Wissenschaft - indirekt<br />

auch die Gesetzgeb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Rechtsprech<strong>un</strong>g beeinflußt haben.<br />

Eine B<strong>un</strong>destags-Drucksache aus dem Jahre 1982 beschreibt die<br />

objektive Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g anvertrauter Gelder durch <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

wie folgt: "Die Beiträge enthalten hohe Sicherheitszuschläge.<br />

Zur Wahr<strong>un</strong>g der Belange der Versicherten müssen die dabei<br />

anfallenden Überschüsse den Versicherten möglichst <strong>un</strong>geschmälert<br />

gutgebracht werden. Dies ist jedoch derzeit nicht gewähr-<br />

30


leistet. Die Versicherer können Verluste aus anderen Bereichen, insbesondere<br />

aus dem Abschluß- <strong>un</strong>d Verwalt<strong>un</strong>gsbereich, mit den<br />

Überschüssen zu Lasten der Versicherten voll saldieren." - Ein leitender<br />

Beamter aus dem Aufsichtsamt hatte schon zwei Jahre vorher<br />

zugegeben, daß derartiges geschieht, aber eigentlich nicht zulässig<br />

sei. Denn jeder Bereich solle "sich eigentlich selbst tragen".<br />

Die Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g zieht daraus im Jahre 1982 den Schluß:<br />

"Der Staat selbst sorgt für paradiesische Zustände, die für Unternehmen<br />

der Assekuranz Möglichkeiten garantieren, wie sie sonst nur<br />

in Bananenrepubliken anzutreffen sind. Immerhin darf hierzulande<br />

behauptet werden, eine Lebensversicher<strong>un</strong>g sei nach den bisherigen<br />

Erfahr<strong>un</strong>gen der legale Betrug."<br />

Die Zeitschrift Capital führt diese Kritik im Dezember 1983 fort:<br />

"In der Tat ist es ersta<strong>un</strong>lich, was der Staat der Lebensversicher<strong>un</strong>gsbranche<br />

alles zugesteht. Dank der hohen verordneten Gewinne<br />

<strong>un</strong>d der Steuersubventionen kommt die Erlaubnis zum Betrieb einer<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g der staatlichen Konzession gleich, sich Geld<br />

selber drucken zu dürfen."<br />

Spendenaffäre: mentale Korruption der Politiker<br />

Der Spiegel deckte im Sommer 1985 die Ursache für die falschen<br />

gesetzlichen Regel<strong>un</strong>gen in <strong>un</strong>serem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> auf, daß<br />

nämlich die Branche die für die Gesetzgeb<strong>un</strong>g zuständigen Politiker<br />

in Bonn seit Jahrzehnten mit Wahlkampfspenden in jährlicher Millionenhöhe<br />

wohlgesonnen machte - um nicht zu sagen "schmierte":<br />

"Staatsanwälte ermitteln gegen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>konzerne <strong>un</strong>d -<br />

verbände, auf deren Spendenlisten weit über h<strong>un</strong>dert Politiker stehen,<br />

dar<strong>un</strong>ter die meisten Minister des jetzigen B<strong>un</strong>deskabinetts. Allein<br />

bei der B<strong>un</strong>destagswahl 1976 wurden vom 'Arbeitskreis Private<br />

Versicherer' 106 Kandidaten <strong>un</strong>terstützt, dar<strong>un</strong>ter der jetzige B<strong>un</strong>despräsident.<br />

Gezahlt wurde bevorzugt an Einzelpersonen, deren<br />

Wohlwollen sich die Unternehmen sichern wollten.<br />

Die Staatsanwälte haben sich mit Millionensummen zu befassen,<br />

mit denen eine Reihe der größten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>konzerne Einfluß<br />

auf die Bonner Politik zu nehmen versucht. Ermittl<strong>un</strong>gen laufen gegen<br />

den Präsidenten des Gesamtverbandes der Dt. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft,<br />

Georg Büchner. Erkennbar geworden ist ein ausgeklügeltes,<br />

durch strenge Geheimhalt<strong>un</strong>g abgeschirmtes System politischer<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g, mit dem die Großen der Branche seit Jahrzehn-<br />

31


ten ihre politischen Interessen zu wahren versuchen. Die Assekuranz<br />

hatte Vertrauensleute in allen B<strong>un</strong>destagsfraktionen plaziert:<br />

Abgeordnete, die Gesprächspartner für gesetzgeberische Details benennen<br />

konnten <strong>un</strong>d die auch mal Besucher für einen der regelmäßig<br />

von den Versicherern veranstalteten parlamentarischen Abende<br />

in Bonn zusammentrommelten.<br />

Über die Eigenschaften, die ein Politiker aufweisen muß, um<br />

spendenwürdig zu sein, brauchte im Kreis der Geldgeber kaum geredet<br />

zu werden. Die Spendenadressaten mußten bereit sein, 'Stell<strong>un</strong>gnahmen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft zu einzelnen Gesetzgeb<strong>un</strong>gsvorhaben<br />

als Beiträge zur Mein<strong>un</strong>gsbild<strong>un</strong>g aufz<strong>un</strong>ehmen'.<br />

Vom Geldempfänger werde 'lediglich' erwartet, daß er bereit sei, 'im<br />

Zuge der parlamentarischen Berat<strong>un</strong>g anstehender Gesetzgeb<strong>un</strong>gsvorhaben<br />

<strong>un</strong>seren Sachvortrag anzuhören <strong>un</strong>d ihn zu würdigen, ggf.<br />

<strong>un</strong>s (die Lobby) zu beraten'.<br />

'Der Zweck der Sache', pflegt auch Präsident Büchner zu erklären,<br />

'ist die finanzielle Unterstütz<strong>un</strong>g von Politikern, die marktwirtschaftlich<br />

orientiert sind.'<br />

Marktwirtschaft - die Verwend<strong>un</strong>g dieses Wortes im Zusammenhang<br />

mit Versicher<strong>un</strong>gen erinnert fatal an jene Sprache, in der das<br />

Kriegsministerium Friedenministerium heißt. Denn: In kaum einer<br />

Branche ist das Gesetz des Marktes so sehr außer Kraft gesetzt wie<br />

in der Assekuranz. Mehr noch: Nichts müssen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

so fürchten wie Politiker, für die Marktwirtschaft mehr<br />

ist als ein Lippenbekenntnis. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft hat es geschafft,<br />

daß der Gesetzgeber ihre Pfründe bis ins Detail schützt.<br />

Aus einem Brief des Arbeitskreises Private Versicherer an Herrn<br />

Vogel (CDU): 'Wir werden zu gegebener Zeit gern Ihre Anreg<strong>un</strong>g<br />

aufgreifen, die benannten <strong>un</strong>d in ihrem Wahlkampf <strong>un</strong>terstützten<br />

Damen <strong>un</strong>d Herren zu einem Parlamentarischen Abend mit dem<br />

Ziel einzuladen, über aktuelle Fragen zu informieren <strong>un</strong>d diskutieren<br />

sowie einander näher kennenzulernen ...'<br />

Der Gesamtverband der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

(GDV) reagierte auf den SPIEGEL-Artikel mit folgender Stell<strong>un</strong>gnahme:<br />

"Seit Anfang der 50er Jahre haben zahlreiche Unternehmen<br />

der privaten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft über den 'Arbeitskreis Private<br />

Versicherer' Mittel aufgebracht, die den demokratischen Parteien<br />

<strong>un</strong>d ihren für die soziale Marktwirtschaft eintretenden Wahlkandidaten<br />

als Beitrag zur Bestreit<strong>un</strong>g von Wahlkampfkosten zur Verfüg<strong>un</strong>g<br />

gestellt wurden. Die Wahlkampfhilfen an einzelne Mandatsberwer-<br />

32


er wurden jeweils mit dem ausdrücklichen schriftlichen Hinweis<br />

geleistet, der Empfänger übernehme 'nicht die geringste Verpflicht<strong>un</strong>g';<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft bitte lediglich darum, in versicher<strong>un</strong>gsrelevanten<br />

Gesetzgeb<strong>un</strong>gsangelegenheiten ihren Sachvortrag<br />

anzuhören <strong>un</strong>d zu würdigen. Wenn es im Zusammenhang mit den<br />

Wahlspenden der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft ein Problem gibt, so besteht<br />

es nicht in der finanziellen Unterstütz<strong>un</strong>g marktwirtschaftlich<br />

orientierter Politiker. Sie war demokratisch legitim, steuerlich korrekt<br />

<strong>un</strong>d moralisch einwandfrei. Das Problem besteht in der Materialbeschaff<strong>un</strong>gspraxis<br />

des 'Spiegel'."<br />

Daraufhin DIE ZEIT: "Halten <strong>un</strong>s denn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bosse<br />

wirklich für so dumm, daß wir nicht merkten, welch höchst eigennützigen<br />

Zwecken ihre vorwiegend ad personam gezielten Gaben<br />

dienten ? - Haben sie ihre Prämienzahler gefragt, ob die mit der Weitergabe<br />

ihres Geldes an die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>lobby in Bonn einverstanden<br />

sind ?"<br />

In der Fernsehsend<strong>un</strong>g "tagesthemen" fragte der Moderator den<br />

Präsidenten des Gesamtverbandes der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft:<br />

"Wie eigentlich wollen Sie Ihren Versicherten erklären,<br />

daß Sie Teile des Überschusses an Politiker spenden anstatt sie an<br />

Ihre Klientel auszuzahlen oder für diese anzulegen?" - Georg Büchner:<br />

"Ich sehe da keine Schwierigkeiten. Für 1.000 Mark Beitragseinnahmen<br />

entfällt auf diesen Zweck gerade ein halber Pfennig. Ich<br />

glaube, das werden alle <strong>un</strong>sere K<strong>un</strong>den einsehen, daß die soziale<br />

Marktwirtschaft <strong>un</strong>d die Unterstütz<strong>un</strong>g marktwirtschaftlicher Politiker<br />

<strong>un</strong>s das wert ist. Das muß auch <strong>un</strong>seren K<strong>un</strong>den das wert sein."<br />

(Hochgerechnet auf 100 Milliarden Mark jährliche Beitragseinnahmen<br />

aller <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sind das 5 Millionen Mark)<br />

Kommentar der Wirtschaftswoche: "Von Bonner Politikern, die<br />

kräftig Wahlkampfkostenhilfe von der Assekuranz kassieren, haben<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>k<strong>un</strong>den wohl ähnlich viel Unterstütz<strong>un</strong>g zu erwarten<br />

wie in der Vergangenheit - wenig." Und DIE ZEIT schrieb dazu<br />

im August 1985: "So w<strong>un</strong>dert es nicht, daß BdV-Geschäftsführer<br />

Meyer nach der jüngst bekanntgewordenen Spendenaffäre den Bonner<br />

Gesetzemachern gleich das Schlimmste <strong>un</strong>terstellte: erkaufte Untätigkeit'."<br />

Über Sinn <strong>un</strong>d zweck der Spenden <strong>un</strong>d ihre Wirk<strong>un</strong>gen auf Politiker<br />

braucht sicher nicht spekuliert zu werden. Die Abgeordnete<br />

Hamm-Brücher (keine Spendenempfängerin) traf in einem Fernsehinterview<br />

den Nagel auf den Kopf: "Das ist so menschlich. Man hört<br />

33


dann zu, <strong>un</strong>d man ist dankbar <strong>un</strong>d fre<strong>un</strong>dlich miteinander. Insoweit<br />

ist es eben schlecht, wenn ein weiter Teil der Bevölker<strong>un</strong>g auch Anliegen<br />

hat <strong>un</strong>d nicht auf diese Art Gesprächspartner findet." - Eine<br />

fraulich zarte <strong>un</strong>d diplomatische Umschreib<strong>un</strong>g von mentaler, wenn<br />

nicht sogar finanzieller Korruption.<br />

Das Problem solcher erkauften Gespräche sind Politiker, die<br />

glauben, ihnen werde Sachverstand beigebracht. Weil <strong>un</strong>sere Gesetzemacher<br />

B<strong>un</strong>destagsabgeordnete sind, der Gesetzgeber also<br />

menschlich ist, kommen die Schwächen von Politikern gleichzeitig<br />

in einer falschen Gesetzgeb<strong>un</strong>g zum Ausdruck. Die Folgen falscher<br />

Gesetze oder der erkauften Untätigkeit sind aber gerade im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

verheerend, wo es keinen Leist<strong>un</strong>gsaustausch, sondern<br />

nur Geld, Worte, Verträge, Gesetze <strong>un</strong>d Beding<strong>un</strong>gen gibt, wo<br />

aber die Versicherten <strong>un</strong>ter weitgehend <strong>un</strong>geregelten Beding<strong>un</strong>gen<br />

jährlich 140 Milliarden Mark an Prämien zahlen.<br />

Natürlich wissen die Branchenf<strong>un</strong>ktionäre, daß ein Abgeordneter<br />

nicht gegen sein Gewissen handelt. Den F<strong>un</strong>ktionären ist aber auch<br />

bewußt, daß Wissen <strong>un</strong>d Gewissen machbar sind. Also ist die Devise<br />

ganz einfach: Man muß nur den gesetzemachenden Politikern ein<br />

falsches Wissen beibringen, <strong>un</strong>d sie machen guten Gewissens entsprechend<br />

falsche Gesetze. Und dabei wird eben mit Geld in Form<br />

von Spenden nachgeholfen. Der Präsident des Gesamtverbandes der<br />

Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft, Dachorganisation aller <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

nennt diesen Vorgang "demokratisch legitim".<br />

Im Gr<strong>un</strong>de hat er ja recht. Aber er zeigt auch die Schwäche der<br />

Demokratie auf, die von finanzstarken <strong>un</strong>d dementsprechend<br />

einflußreichen Branchen skrupellos ausgenutzt wird - die Menschlichkeit;<br />

denn die Qualität <strong>un</strong>serer Demokratie hängt <strong>un</strong>trennbar mit<br />

der Qualität <strong>un</strong>serer Politiker zusammen. Und von denen sind viele<br />

hierzulande - so Capital im Jahre 1985 - "zweite Wahl". Jeder verantwort<strong>un</strong>gsbewußte<br />

Politiker müßte sich eigentlich nach jedem<br />

Gespräch mit einem F<strong>un</strong>ktionär oder Lobbyisten um gleichrangige<br />

Informationen der anderen Seite bemühen. Doch mit Verbrauchervertretern<br />

wird kaum geredet. Ein Gr<strong>un</strong>d, weshalb die Interessen<br />

der Verbraucher hierzulande so wenig Berücksichtig<strong>un</strong>g finden.<br />

Das macht natürlich die vielen Gesetzesausnahmen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

verständlich, die für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen keine<br />

Preise anzugeben brauchen, die keine ordn<strong>un</strong>gsgemäße Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g<br />

durchführen müssen, die dadurch anvertraute Versichertengelder<br />

<strong>un</strong>gestraft ver<strong>un</strong>treuen können, die in der Autoversicher<strong>un</strong>g<br />

34


verfass<strong>un</strong>gswidrige Tarife anwenden, die privat Krankenversicherte<br />

im Alter mit <strong>un</strong>tragbaren Beitragserhöh<strong>un</strong>gen überraschen, die Versicherte<br />

zehn Jahre lang an doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerte Versicher<strong>un</strong>gen<br />

knebeln dürfen, wobei Versicherte nicht einmal ein Widerrufsrecht<br />

bei Haustürgeschäften haben usw. usw. ... Die Ausnahme<br />

vom Haustürgeschäfte-Widerrufs-Gesetz verschafften die<br />

Gesetzemacher in Bonn, dar<strong>un</strong>ter viele Spendenempfänger, der<br />

Branche in dem Glauben, die Unternehmen würden - wie zur Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

- auch in anderen Bereichen ein freiwilliges Widerrufsrecht<br />

einführen. Als eine Verbraucherzentrale anfragte, wer denn<br />

kontrolliere, ob die Branche ihre Zusage eingehalten habe, antwortet<br />

der B<strong>un</strong>destagsabgeordnete Dr. Anton Stark im Oktober 1989:<br />

"Leider hat der B<strong>un</strong>destag keine Stelle, die überprüft <strong>un</strong>d kontrolliert,<br />

ob solche Zusagen dann auch tatsächlich eingehalten werden."<br />

- So leicht kommt man zu Gesetzen <strong>un</strong>d Gesetzesausnahmen ! -<br />

Auch die vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister eingesetzte Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

hat nicht die beste Mein<strong>un</strong>g über <strong>un</strong>sere Politiker<br />

- so in ihrem ersten Bericht vom März 1990: "Politiker sind nicht<br />

bloß Agenten des Gemeinwohls. Sie verfolgen auch Einzel-<br />

Interessen <strong>un</strong>d bedienen sich dabei der Hilfe des staatlichen Machtapparates.<br />

So gewinnen die Politiker Fre<strong>un</strong>de bei den Unternehmen,<br />

ohne Gefahr zu laufen, an anderen Fronten <strong>wesen</strong>tlich zu verlieren.<br />

Die Fre<strong>un</strong>de verschaffen Spenden. Die Verlierer - allemal die Konsumenten<br />

- sind im einzelnen kaum artikulationsfähig <strong>un</strong>d also still.<br />

Statt sich <strong>un</strong>ternehmerisch anzustrengen, sucht man seinen Vorteil<br />

am wirksamsten durch Einflußnahme auf die Entsteh<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Praktizier<strong>un</strong>g<br />

staatlicher Regel<strong>un</strong>gen. Freilich, ohne Aufwand geht auch<br />

das nicht. Eine Aufbläh<strong>un</strong>g von Lobbyismus <strong>un</strong>d Bürokratie ist Beiprodukt<br />

des Prozesses. Der Aufwand - ein volkswirtschaftlich nur<br />

allzu oft verlorener Aufwand - lohnt sich privatwirtschaftlich, solange<br />

der privat getragene Teil geringer ist als der Gewinn aus der<br />

Einflußnahme auf die staatlichen Entscheid<strong>un</strong>gen."<br />

So ein B<strong>un</strong>desminister der Justiz: "Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>d der Gesamtverband leben seit langem mit meinem Hause<br />

in friedlicher Koexistenz" - Und sein Kollege, ein B<strong>un</strong>desminister<br />

der Finanzen (dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

übergeordnet): "Staat <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft sind in den hinter<br />

<strong>un</strong>s liegenden Jahren recht gut miteinander ausgekommen. Es könnte<br />

übrigens bei Dritten der Verdacht aufkommen, daß hier Verständnis<br />

zu Lasten der Versicherten geschaffen werde."<br />

35


Die Zeitschrift für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> beschrieb dieses "Verständnis"<br />

zwischen Aufsehern <strong>un</strong>d Beaufsichtigten so: "Staatssekretär<br />

Böhme aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium hatte den Lebensversicherern<br />

so viel Positives zu sagen, daß die zur Schau gestellte Gemeinsamkeit<br />

schon fast peinlich wirkte. Das klang nach Komplicenschaft<br />

zwischen öffentlicher Hand <strong>un</strong>d Versicherern. Fast konnte<br />

man denken, es bestehe ein heimliches Komplott zwischen Fiskus<br />

<strong>un</strong>d Lebensversicherern. Die einen beschaffen über langfristige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

das Kapital, <strong>un</strong>d die anderen bedienen sich daraus."<br />

Das Handelsblatt schrieb schon vor Jahren: "Die Lebensversicherer<br />

finanzieren den Staat - fast 70 Milliarden Mark haben die Gesellschaften<br />

der öffentlichen Hand geliehen." - Und das kann zum Beispiel<br />

so gehen: Die B<strong>un</strong>desrepublik legte in der Niedrigzinsphase<br />

1986 eine dreißigjährige (!) Anleihe mit einem Zinssatz von 5,6 Prozent<br />

auf. Diese wurde auch von Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen,<br />

gezeichnet. Es bedarf keiner besonderen Wertpapierkenntnisse, um<br />

zu wissen, daß sich Hoch- <strong>un</strong>d Niedrigzinsphasen ablösen <strong>un</strong>d eine<br />

Anlage über einen so langen Zeitraum praktisch auf der Sohle des<br />

Zinstales verantwort<strong>un</strong>gslos gegenüber den Versicherten ist. Ein<br />

privater Vermögensverwalter könnte für solche Handl<strong>un</strong>gen schadenersatzpflichtig<br />

gemacht werden. Für den Kreditnehmer, die<br />

B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g, dagegen kein schlechtes Geschäft. Die erwähnte<br />

Anlage notiert im Jahre 1990 an der Börse nur noch mit zwei Drittel<br />

ihres Nominalwertes ! - Wäscht hier eine Hand die andere ? -<br />

Viele Abgeordnete, die nach dem Gr<strong>un</strong>dgesetz für <strong>un</strong>ser Gemein<strong>wesen</strong><br />

verantwortlich sind, wissen bis heute noch nicht, daß die<br />

sogenannte "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft" nicht neutral ist. Sie haben<br />

bei ihrer einseitigen Information bisher nicht erfahren, daß Millionen<br />

B<strong>un</strong>desbürger Jahr für Jahr Milliarden Mark verloren haben <strong>un</strong>d<br />

trotz jährlicher Beitragsaufwend<strong>un</strong>gen von fast 150 Milliarden Mark<br />

so miserabel versichert sind, daß H<strong>un</strong>derttausende von Invaliden,<br />

Witwen <strong>un</strong>d Waisen als Sozialhilfefälle in Armut leben. Insofern ist<br />

es ersta<strong>un</strong>lich, daß nicht nur die Verantwortlichen, sondern auch die<br />

Medien - wie alle Welt - die Bedeut<strong>un</strong>g der oben erwähnten Spendenaffäre<br />

total <strong>un</strong>terschätzt haben. Die Bedeut<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Spendenaffäre<br />

ist tausendfach größer als die Flick- <strong>un</strong>d andere<br />

Parteispendenaffären zusammengenommen, über die die Medien<br />

nicht nur wochen- oder monatelang, sondern jahrelang in aller Breite<br />

berichteten. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d ihre Verbände ha-<br />

36


en nicht an Parteien gespendet, sondern gezielt an Abgeordnete<br />

(sprich Gesetzemacher) mit dem Ziel lobbyhaften Verhaltens. Hier<br />

wurde objektiv ver<strong>un</strong>treutes Geld der Versicherten gegen deren Interessen<br />

eingesetzt. Hier geht es um H<strong>un</strong>derte von Milliarden Mark,<br />

die sich bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen angesammelt haben <strong>un</strong>d<br />

die Versicherte weiterhin Jahr für Jahr <strong>un</strong>ter weitgehend <strong>un</strong>geregelten<br />

Verhältnissen an die Gesellschaften zahlen. Hier ging es nicht<br />

um einen einmaligen Vorgang, sondern um Vorgänge jenseits von<br />

Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb, die seit über h<strong>un</strong>dert Jahren <strong>un</strong>d ohne Eingreifen<br />

des Gesetzgebers bis in alle Ewigkeit praktiziert werden,<br />

wenn dem legalen Betrug <strong>un</strong>d der jährlichen Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Milliarden<br />

Mark Versichertengeld nicht endlich die Legalität entzogen<br />

wird. - Umso ersta<strong>un</strong>licher, wie oberflächlich <strong>un</strong>d kurzfristig der<br />

Blätterwald nach dem Bekanntwerden der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Spendenaffäre rauschte <strong>un</strong>d sofort wieder verstummte.<br />

Der Branche bester Helfer - eine "hauseigene" Wissenschaft<br />

Die Wissenschaft hüllt sich in Schweigen. Der Spiegel schreibt dazu<br />

im Jahre 1981 in einem Bericht "Wie in einer Bananenrepublik":<br />

"Mit großem Geschick haben die Unternehmen es bisher verstanden,<br />

jede Kritik an ihrem Geschäftsgebaren zu verniedlichen oder<br />

abzuwürgen. Auf gr<strong>un</strong>dsätzliche Auseinandersetz<strong>un</strong>gen haben sie<br />

sich nie eingelassen. Und von den Wissenschaftlern sind kritische<br />

Töne kaum zu erwarten. Die Experten an den Instituten sind hinreichend<br />

mit Gutachten für die Unternehmen <strong>un</strong>d mit ihrer Arbeit in<br />

den Aufsichtsräten der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften ausgelastet.<br />

So ist etwa Professor Reimer Schmidt, Mitverfasser zum Kommentar<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht-Gesetz, <strong>un</strong>ter anderem Vorstandschef<br />

der Aachener <strong>un</strong>d Münchener Beteilig<strong>un</strong>gs AG <strong>un</strong>d sitzt<br />

im Aufsichtsrat von 14 Assekuranz<strong>un</strong>ternehmen. Professor Helten,<br />

Direktor des Instituts für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft an der Universität<br />

Mannheim, arbeitet in vier Aufsichtsräten, dar<strong>un</strong>ter der Berlinischen<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g AG. Sein Kölner Kollege Dieter Farny ist<br />

Aufsichtsratsmitglied bei der Gothaer Rückversicher<strong>un</strong>gs AG <strong>un</strong>d<br />

der Gothaer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bank."<br />

So befassen sich mit Fragen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s nur besondere<br />

"<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler", die häufig personell oder<br />

finanziell mit den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen oder ihren Verbänden<br />

verflochten sind. Der Gesamtverband der Deutschen Versiche-<br />

37


<strong>un</strong>gswirtschaft scheut sich nicht einmal, in seinem Geschäftsbericht<br />

das "harmonische Zusammenwirken" herauszustellen <strong>un</strong>d die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler<br />

als "seine besten Helfer" zu bezeichnen.<br />

Bezeichnend für den Stand der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft ist<br />

auch die Feststell<strong>un</strong>g von Prof. Dr. Walter Schmidt-Rimpler: "Wenn<br />

ein Streit auf wissenschaftlichem Gebiet kein Ende findet, nicht<br />

einmal das Ende einer klar herrschenden Mein<strong>un</strong>g, sondern höchstens<br />

ein Friedhofsende, nämlich das resignierte Absterben des Interesses<br />

an ihm, so liegt es häufig an der Unrichtigkeit der Problemstell<strong>un</strong>g."<br />

- So sieht die "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft" ihre Aufgabe<br />

mehr darin, Theorienstreitigkeiten zu beerdigen, als sie zu lösen.<br />

Dementsprechend werden auch kritische Abhandl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>terdrückt<br />

- durch hauseigene Wissenschaftler der Branche als ehrenamtliche<br />

Berater von Fachzeit<strong>un</strong>gen. So habe ich selbst erlebt, daß kritische<br />

Artikel von Fachzeit<strong>un</strong>gen z<strong>un</strong>ächst begeistert angenommen, später<br />

aber mit dem Ausdruck größten Bedauerns <strong>un</strong>veröffentlicht wieder<br />

zurückgegeben wurden.<br />

Prof. Dr. Rudolf Gärtner, einer der wenigen <strong>un</strong>abhängigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler,<br />

kritisert seine Kollegen in seinem Buch<br />

"Privatversicher<strong>un</strong>gsrecht" ganz offen: "Die engere Fachdisziplin in<br />

Deutschland zeichnet sich durch einen weitgehenden argumentativen<br />

Stillstand aus <strong>un</strong>d läuft dabei Gefahr, in eine z<strong>un</strong>ehmende wissenschaftliche<br />

Isolier<strong>un</strong>g zu geraten. Einstweilen ist es so, daß umfassende<br />

wissenschaftliche Analysen für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

noch nicht vorliegen. Insoweit steht eine Gr<strong>un</strong>dlagenforsch<strong>un</strong>g<br />

noch in den Anfängen. Das Forum öffentlicher wissenschaftlicher<br />

Diskussion wird weitgehend gemieden. Das Ergebnis sind die bekannten<br />

wissenschaftlichen Defizite. Die Wirklichkeit läuft eher auf<br />

eine Universal-Nichtwissenschaft hinaus."<br />

Rechtsprech<strong>un</strong>g <strong>un</strong>ter dem Einfluß einer Lobby-Wissenschaft<br />

Beim B<strong>un</strong>d der Versicherten, von dem die stärkste Kritik am <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

<strong>un</strong>d an der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht ausgeht,<br />

gehen oft Anfragen von Studenten, Doktoranden <strong>un</strong>d Habilitanden<br />

ein nach F<strong>un</strong>dstellen für kritische Abhandl<strong>un</strong>gen. Es werden<br />

kritische Diskussionen <strong>un</strong>d Einwände im Bereich der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft<br />

vermißt. Zusammenfassend kann man also mit<br />

dem Informationsdienst "assekuranz report" feststellen, daß Öffentlichkeit,<br />

Politiker, Beamte <strong>un</strong>d Richter dazu gebracht werden, an die<br />

38


Richtigkeit von Darstell<strong>un</strong>gen zu glauben, die in Wirklichkeit nichts<br />

weiter als "wissenschaftlich verkleidete Mein<strong>un</strong>gsmache" sind. Man<br />

müsse also die Frage stellen, "ob die Publikationen, die von den Gerichten<br />

so häufig in ihren Urteilsbegründ<strong>un</strong>gen zitiert werden, nicht<br />

eine gewisse Tendenz vertreten, die sich schließlich auch in der herrschenden<br />

Rechtsprech<strong>un</strong>g auswirkt. Bei bösartiger Wert<strong>un</strong>g dieser<br />

Sachverhalte könnte man zu dem Verdacht kommen, daß ein<br />

Machtfaktor, wie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ihn in der deutschen<br />

Wirtschaft n<strong>un</strong> einmal darstellen, die Wissenschaft <strong>un</strong>d die<br />

Fachpresse so im Griff hat, daß von daher eine Beeinfluss<strong>un</strong>g der<br />

Rechtsprech<strong>un</strong>g in einem den Unternehmen genehmen Sinn möglich<br />

wird."<br />

Ähnlich äußert sich Professor Dr. Udo Reifner vom Hamburger<br />

Institut für Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen in seiner Schrift "Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen,<br />

soziale Diskrimier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Verbraucherschutz", wo er<br />

von einer "erfolgreichen Einflußnahme der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

auf das Vorfeld gesetzgeberischer Aktivitäten" redet: "Die<br />

Gründe, warum die Jurisprudenz so abstinent ist, dürften in einer<br />

beinahe schon anstößigen Verflecht<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

mit der <strong>un</strong>iversitären Rechtswissenschaft liegen. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft<br />

hat die versicher<strong>un</strong>gsrechtlichen Institute ganz überwiegend<br />

als ausgelagerte Rechtsabteil<strong>un</strong>gen angesehen. Die juristischen<br />

Kommentare im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>recht werden fast ausschließlich<br />

von Vertretern der anbietenden Wirtschaft selber geschrieben,<br />

die herausragenden Lehrstuhlinhaber sind zu einem großen Teil<br />

gleichzeitig immer auch Vorstandsvorsitzende oder Aufsichtsratsmitglieder<br />

großer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>konzerne ge<strong>wesen</strong>."<br />

Bevorzugt werden von der Branche <strong>un</strong>d ihren Medien Richter<br />

<strong>un</strong>d verantwortliche Beamte als Kommentatoren beschäftigt, zu<br />

Vorträgen <strong>un</strong>d Veranstalt<strong>un</strong>gen eingeladen <strong>un</strong>d dafür sicher nicht<br />

schlecht "entlohnt". Auf diese Art <strong>un</strong>d Weise geriet auch die Rechtsprech<strong>un</strong>g<br />

als letzte Kontrollinstanz <strong>un</strong>ter den Einfluß der Branche<br />

<strong>un</strong>d ihrer Wissenschaft. Ergebnis der Globalstrategie: Wer sich im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> auf "herrschende" Rechtsprech<strong>un</strong>g, Literatur<br />

<strong>un</strong>d Mein<strong>un</strong>gen beruft, beruft sich auf die "herrschende" Branchenmein<strong>un</strong>g.<br />

Damit diese Herrschaft nicht gestört wird, nimmt die<br />

Branche neuerdings öfters Klagen zurück, wenn ihr ein Prozeßverlust<br />

droht. Verbraucherfre<strong>un</strong>dliche Gerichtsentscheid<strong>un</strong>gen werden<br />

so verhindert. Bis vor kurzem sind die wenigen Prozesse, die<br />

Gr<strong>un</strong>dsatzfragen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s berührten, alle im Sinne<br />

39


der Branche entschieden worden. Erst seit personellen Veränder<strong>un</strong>gen<br />

im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt <strong>un</strong>d im zuständigen Senat des B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts<br />

hat die Branche seit Ende der 80er Jahre einige<br />

Schlappen hinnehmen müssen.<br />

Staatsanwälte meinen:<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager wissen nicht, was sie t<strong>un</strong><br />

Der B<strong>un</strong>d der Versicherten hat auch schon versucht, mit Strafanzeigen<br />

wegen Untreue zu geordneten Verhältnissen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

zu gelangen. Doch zogen sich die Unternehmensvorstände<br />

gegenüber der Staatsanwaltschaft einfach auf den Standp<strong>un</strong>kt zurück,<br />

sie wüßten nicht, was sie t<strong>un</strong>. Bei einem Mißbrauch von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geldern<br />

sei ihnen nicht bewußt, daß es sich um Gelder der<br />

Versicherten handele. Sie seien der Mein<strong>un</strong>g, alles Geld sei ihr Geld<br />

<strong>un</strong>d sie könnten damit machen, was sie wollten. Und so wurden alle<br />

Ermittl<strong>un</strong>gsverfahren bisher eingestellt oder gar nicht erst eröffnet,<br />

weil den Angeschuldigten selbst für den Fall, daß der objektive Tatbestand<br />

der Untreue erfüllt ge<strong>wesen</strong> ist, ein Vorsatz oder ein Unrechtsbewußtsein<br />

nicht nachzuweisen wären. Dabei hatte die Branche<br />

bis zum Jahre 1983 mit der "treuhänderischen Verwalt<strong>un</strong>g" der<br />

Versichertengelder geworben. Eine Anzeige wegen irreführender<br />

Werb<strong>un</strong>g wurde von denselben Staatsanwälten zurückgewiesen mit<br />

der Begründ<strong>un</strong>g, die Werb<strong>un</strong>g mit der "Treuhänderschaft" sei richtig<br />

<strong>un</strong>d nicht irreführend. Inzwischen hat die Branche ihre Werb<strong>un</strong>g<br />

mit der Treuhänderschaft aber wieder gestrichen. Bei dieser Konfusion<br />

<strong>un</strong>d den dauernden Kehrtwenden ist es sehr schwer, einen mutigen<br />

Staatsanwalt zu finden, der hier endlich einmal durchgreift.<br />

Auch hier wird deutlich, welche Auswirk<strong>un</strong>gen es hat, daß bei<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften Versichertengeld als solches<br />

nicht ausgewiesen wird - ein gesetzgeberischer Fehler, den die Branche<br />

über ihre hauseigene Wissenschaft <strong>un</strong>d Lobby selbst herbeigeführt<br />

<strong>un</strong>d bis heute erhalten hat. So sind skrupellose <strong>un</strong>d selbst kriminelle<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager vor Strafverfolg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Gefängnis<br />

sicher. Entweder sind sie wirklich dumm. Oder sie stellen sich<br />

dumm. Und sie können als Alibi für den legalen Betrug oder für die<br />

legale Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g anvertrauter Gelder sogar noch die von ihnen<br />

beeinflußte staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht anführen.<br />

40


Ein raffiniertes System der Ausbeut<strong>un</strong>g eines Volkes<br />

Die Strategie der teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften ist: Überrumpel<strong>un</strong>g<br />

ahn<strong>un</strong>gsloser Verbraucher durch große Vertreterscharen<br />

<strong>un</strong>d Knebel<strong>un</strong>g der Versicherten an langfristige Verträge. Dafür<br />

erhielt die Branche die volle Unterstütz<strong>un</strong>g der Verantwortlichen<br />

durch die bereits erwähnten Gesetzesausnahmen. Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

sind jährlich kündbar. Wer aber vorzeitig aus dem Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen<br />

aussteigen will, verliert bekanntlich viel Geld -<br />

oft mehrere Jahresbeiträge. B<strong>un</strong>desbürgern, die dabei den finanziellen<br />

Verlust begrenzen <strong>un</strong>d die Laufzeit des Vertrages verkürzen wollen,<br />

versucht die Branche Knüppel in den Weg zu werfen. Und das<br />

B<strong>un</strong>desfinanzministerium spielt mit. Eine Laufzeitverkürz<strong>un</strong>g soll -<br />

so das Ministerium - ein Neuabschluß einer Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

sein. Und so müsse der Vertrag nach einer Änder<strong>un</strong>g noch einmal<br />

zwölf Jahre lang laufen, damit die in der Lebensversicher<strong>un</strong>g aufgelaufenen<br />

Erträge steuerfrei ausgezahlt werden können.<br />

Wer seinen Vertrag dann nicht mehr verkürzt, sondern vor Ablauf<br />

der ersten zwölf Jahre kündigt, soll die Erträge im Jahr der Auszahl<strong>un</strong>g<br />

versteuern <strong>un</strong>d nicht - wie zum Beispiel bei einem Sparvertrag<br />

- jeweils im Jahr der Gutschrift. Dadurch verlieren die Lebensversicherten<br />

noch mehr Geld. Denn bei einer Besteuer<strong>un</strong>g der Erträge<br />

im Jahr ihrer Gutschrift wäre die Kapitalertragssteuer <strong>wesen</strong>tlich<br />

geringer, weil für jedes einzelne Jahr ein Freibetrag geltend gemacht<br />

werden könnte. Aber die Branche hat das nicht gewollt - um<br />

ihre K<strong>un</strong>den besser an <strong>un</strong>sinnige Lebensversicher<strong>un</strong>gen knebeln zu<br />

können. Und auch hier spielte das Ministerium mit.<br />

Vom B<strong>un</strong>desaufsichtsamt über das B<strong>un</strong>deskartellamt bis hin zur<br />

EG-Kommision sind alle inzwischen gegen die in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

üblichen Zehnjahresverträge. So sah sich das B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

wohl auch genötigt, so zu t<strong>un</strong>, als wolle es die Zehnjahresverträge<br />

abschaffen. Ein Gesetzentwurf wurde vorbereitet. Aber lesen<br />

Sie, was dann geschah - aus DIE ZEIT im J<strong>un</strong>i 1989: "Im<br />

Schutze der D<strong>un</strong>kelheit haben es die Lobbyisten der Assekuranz geschafft,<br />

daß so gut wie alles ersatzlos gestrichen wurde, was Bonn im<br />

Sinne der Versicherten geplant hatte. Sie besuchten den zuständigen<br />

Beamten. Ergebnis des Gesprächs: Zehnjährige Verträge wird es<br />

weiterhin geben." - Branchenf<strong>un</strong>ktionäre sind im B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

ein <strong>un</strong>d aus gegangen <strong>un</strong>d haben sich fast wie leitende Beamte<br />

aufgeführt. Nur durch diese Unterwander<strong>un</strong>g des Ministeriums<br />

41


<strong>un</strong>d die Beeinfluss<strong>un</strong>g der verantwortlichen Beamten ist zu verstehen,<br />

wie die <strong>un</strong>glaublichen Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> entstehen<br />

<strong>un</strong>d sich so lange halten konnten.<br />

Öffentliche Auseinandersetz<strong>un</strong>gen werden gemieden. Kritiker<br />

werden m<strong>un</strong>dtot gemacht oder eingeschüchtert. Brancheneigene<br />

Wissenschaftler führen jeden gefährlichen Theorienstreit einem<br />

"Friedhofsende" zu. Es gab kaum Gr<strong>un</strong>dsatzprozesse. Und wenn,<br />

dann wurden sie nach den eigenen "herrschenden" Mein<strong>un</strong>gen gewonnen.<br />

So konnte die Branche bis in die achtziger Jahre - hinter<br />

Friedhofsmauern - in einer fast völligen Isolation <strong>un</strong>gestört das<br />

größte Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten betreiben.<br />

Alles in allem: ein raffiniertes System der Ausbeut<strong>un</strong>g eines Volkes<br />

<strong>un</strong>ter dem Deckmantel der Versicher<strong>un</strong>g - eine Branche jenseits<br />

von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb. Ein B<strong>un</strong>desbürger schrieb mir: "Wie ist<br />

es möglich, daß fast eine ganze Nation den Raffinessen einer Branche<br />

aufgesessen ist?" - Genau diese Frage soll im folgenden beantwortet<br />

werden. Und es wird sich zeigen, daß vor allem ein totales<br />

Mißverständnis über das Wesen von Versicher<strong>un</strong>g die Existenz einer<br />

Branche jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb ermöglicht hat.<br />

42


KAPITEL 3<br />

Was ist eigentlich –<br />

Versicher<strong>un</strong>g ?<br />

Es ist schon ersta<strong>un</strong>lich: Die Deutschen - einschließlich der ehemaligen<br />

DDR - haben im Jahre 1990 etwa 150 Milliarden Mark für Versicher<strong>un</strong>gen<br />

ausgegeben, die Schweizer etwa 22 Milliarden Franken<br />

<strong>un</strong>d die Österreicher etwa 80 Milliarden Schilling. Aber keiner weiß<br />

so recht, was Versicher<strong>un</strong>g eigentlich ist. Es gibt keine herrschende<br />

Mein<strong>un</strong>g, nicht einmal einen wissenschaftlichen Streit. Der Gr<strong>un</strong>d<br />

ist einfach: Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft ist personell <strong>un</strong>d finanziell<br />

mit den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften verb<strong>un</strong>den. Und<br />

die Gesellschaften haben kein Interesse an der Klär<strong>un</strong>g von Fragen,<br />

die zu dem Ergebnis führen könnte, daß sie sich die Überschüsse<br />

aus Versichertengeld nicht als Gewinne einstecken dürfen. Die Gesellschaften<br />

leben - wie wir noch sehen werden - mit den <strong>un</strong>geklärten<br />

Vertrags- <strong>un</strong>d Vermögensverhältnissen <strong>un</strong>d ohne Wettbewerb<br />

ganz vortrefflich.<br />

Passende Definitionen für jeden Zweck<br />

So gibt es <strong>un</strong>zählige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>begriffe - für jeden Zweck den<br />

passenden. Will die Branche sich zum Beispiel als humanitäres Gewerbe<br />

darstellen, dann ist Versicher<strong>un</strong>g "gegenseitige Hilfe" - eine<br />

beliebte Begründ<strong>un</strong>g dafür, den Branchenf<strong>un</strong>ktionären ständig B<strong>un</strong>desverdienstkreuze<br />

umzuhängen. Verteidigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften ihre rechtswidrige Praxis, Überschüsse aus Versichertengeld<br />

- also Überschüsse aus der "gegenseitigen Hilfe" - als<br />

Gewinne zu vereinnahmen, dann soll Versicher<strong>un</strong>g plötzlich eine<br />

von ihnen produzierte <strong>un</strong>d verkaufte "<strong>un</strong>sichtbare Ware" sein. Eine<br />

notwendige Begründ<strong>un</strong>g für die Träger der B<strong>un</strong>desverdienstkreuze,<br />

damit sie nicht wegen Betruges <strong>un</strong>d Untreue ins Gefängnis wandern.<br />

Die Branche versäumt auch nicht, bei jeder passenden Gelegenheit<br />

Victor Hugo zu zitieren: "Die Lebensversicher<strong>un</strong>g ist in ihrer<br />

Menschlichkeit der heilsamste <strong>un</strong>d vorsorglichste Gedanke, der jemals<br />

einem menschlichen Hirn entsprang, um die Schicksalsschläge<br />

abzuschwächen <strong>un</strong>d das Familienleben vor der Zerstör<strong>un</strong>g zu schützen"<br />

- Dabei soll dieses Zitat natürlich so verstanden werden, als<br />

43


hätten diejenigen den von Victor Hugo bew<strong>un</strong>derten "Gedanken"<br />

gehabt, die die Idee <strong>un</strong>serer Vorfahren in einen legalen Betrug pervertiert<br />

haben - die großen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften.<br />

Ganz im Stile von Victor Hugo haben sich Branchentexter im<br />

Jahre 1990 versucht, Versicher<strong>un</strong>g in einer Broschüre für DDR-<br />

Bürger zu beschreiben: "Vor den kleinen <strong>un</strong>d großen Katastrophen<br />

des Alltags braucht keiner zu kapitulieren. Krankheit <strong>un</strong>d Unfall,<br />

Feuer <strong>un</strong>d Diebstahl, Prozeßkosten <strong>un</strong>d Haft<strong>un</strong>gsfolgen verlieren<br />

zumindest finanziell ihre Schrecken; die Sorge um einen angemessenen<br />

Lebensstandard im Alter ist <strong>un</strong>begründet. Das alles verdanken<br />

wir einer genialen Menschheits-Idee: den Versicher<strong>un</strong>gen. Sie halten<br />

<strong>un</strong>s den Rücken frei, machen Schicksal <strong>un</strong>d Ungewißheit erträglich,<br />

nehmen <strong>un</strong>s die Angst vor der Zuk<strong>un</strong>ft." - Und seit Jahrzehnten<br />

glaubt alle Welt, "die Versicher<strong>un</strong>gen" seien die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

denen wir derartige Wohltaten verdanken. Natürlich helfen<br />

da auch Werbekampagnen mit, wie zum Beispiel eine ganze Serie<br />

großer Anzeigen in den letzten Jahren, die immer mit der Aussage<br />

endeten: "Gut, daß es die Versicher<strong>un</strong>gen gibt." Und jeder spricht<br />

von seiner Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d meint dabei die Gesellschaft, bei der er<br />

einen Vertrag abgeschlossen hat. - Daß Versicher<strong>un</strong>g die Leist<strong>un</strong>g<br />

der Versicherten ist <strong>un</strong>d die Gesellschaften nur das von den Versicherten<br />

bereitgestellte Geld verteilen, darauf ist offenbar noch keiner<br />

gekommen. Aber es soll ja manchmal vorkommen, daß ein j<strong>un</strong>ges<br />

Mädchen den Postboten küßt, der ihr den Brief ihres Liebsten überbracht<br />

hat. Allerdings ist ihr Irrtum nicht so folgenschwer wie die<br />

Milliardenverluste der Versicherten als Folge des Irrglaubens, <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

seien "die Versicher<strong>un</strong>gen" <strong>un</strong>d Wohltäter<br />

der Menschheit.<br />

Bis zum Jahre 1984 konnte es sich die Branche auch noch leisten,<br />

das Wesen der Versicher<strong>un</strong>g richtig darzustellen, so zum Beispiel in<br />

der Broschüre "Risikoschutz durch Versicher<strong>un</strong>gen": "Was heißt<br />

Versichern? - Der Gr<strong>un</strong>dgedanke der Versicher<strong>un</strong>g besteht darin,<br />

daß sich eine größere Zahl von Menschen zu einer Gruppe zusammenschließt,<br />

um den tatsächlich von Mißgeschick Betroffenen zu<br />

helfen. Das Risiko wird auf viele Schultern verteilt." Und in der<br />

Verbandsbroschüre "Ihre Zuk<strong>un</strong>ft in sicher Hand hieß es, "daß die<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Unternehmen die treuhänderisch verwalteten<br />

Gelder ihrer Versicherten gewinnbringend anlegen". Bis vor gar<br />

nicht langer Zeit redete also auch die Branche von gegenseitiger Hilfe<br />

<strong>un</strong>d treuhänderischer Verwalt<strong>un</strong>g der Versichertengelder. Nichts<br />

44


anderes als genau diese Mein<strong>un</strong>g wird auch in diesem Buch vertreten.<br />

Die Branche <strong>un</strong>d auch sonst niemand hatte bemerkt, daß diese<br />

Äußer<strong>un</strong>gen im totalen Widerspruch zu der Praxis standen, Überschüsse<br />

aus den Prämien <strong>un</strong>d sogar aus dem Sparvorgang der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

als Gewinne einzustecken.<br />

Erst durch meine Angriffe <strong>un</strong>d Kritik wurde die Branche darauf<br />

aufmerksam, daß sie mit ihren eigenen Aussagen einen Beweis dafür<br />

lieferte, daß ihre F<strong>un</strong>ktionäre eigentlich hinter Gitter gehörten. So<br />

las ich im Jahre 1984 in der Branchenzeitschrift "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft",<br />

daß der Verband seine Broschüren "in einigen Gestalt<strong>un</strong>gselementen<br />

verändert" hätte. Tatsächlich waren die verhängnisvollen<br />

Textstellen gestrichen worden. Die neuen Definitionen lauten jetzt:<br />

"Was heißt Versichern ? - Der Gr<strong>un</strong>dgedanke der Versicher<strong>un</strong>g besteht<br />

darin, daß mehrere Personen das finanzielle Risiko des Gefahreneintritts<br />

auf den Versicherer übertragen <strong>un</strong>d ihm dafür ein Entgelt,<br />

den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag zahlen." - Und die treuhänderische<br />

Geldverwalt<strong>un</strong>g wurde gestrichen <strong>un</strong>d dafür neu formuliert, "daß die<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Unternehmen die Beiträge sicher <strong>un</strong>d gewinnbringend<br />

anlegen". Also kein Wort mehr von treuhänderischer Verwalt<strong>un</strong>g.<br />

- So einfach kann man eine Mein<strong>un</strong>g zur vermögensrechtlichen<br />

Zuordn<strong>un</strong>g von 800 Milliarden Mark ändern: gestern Treuhandgeld<br />

- heute Unternehmensgeld !<br />

Und so klingen Definitionen aus dem Jahre 1990 in einer für<br />

DDR-Bürger entwickelten Branchen-Broschüre: "Der Gr<strong>un</strong>dgedanke<br />

der Versicher<strong>un</strong>g besteht darin, daß die Mitglieder dieser Risikogemeinschaft<br />

das finanzielle Risiko des Gefahreneintritts nicht tragen<br />

wollen, sondern auf den Versicherer abwälzen. Dafür zahlen sie<br />

- wie für andere Güter auch - ein Entgelt. Den Preis für die <strong>un</strong>sichtbare<br />

Ware <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz nennt man '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag',<br />

gelegentlich auch 'Prämie'." Und bei den Informationen zur Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

wird eine Branchen-Dauerlüge auf ganz raffinierte<br />

Weise verkauft: "Es hat sich eingebürgert, vom 'Drei-Säulen-System'<br />

der Alters- <strong>un</strong>d Hinterbliebenenversicher<strong>un</strong>g zu sprechen: einer<br />

Kombination von gesetzlicher Rente, betrieblicher Altersversorg<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d privater Lebensversicher<strong>un</strong>g. Erst alle drei zusammen bieten<br />

eine umfassende Absicher<strong>un</strong>g." - Eine Riesenlüge ! - Die dritte Säule<br />

der Altersversorg<strong>un</strong>g ist nicht die private Lebensversicher<strong>un</strong>g, sondern<br />

die "private Vorsorge", die viel besser über eine eigene Geldanlage<br />

- zum Beispiel in Wohneigentum oder Aktienfonds - betrieben<br />

werden kann.<br />

45


Aber weg von den Branchenlügen <strong>un</strong>d zurück zum Wesen der<br />

Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d zu den damit zusammenhängenden Fragen: Wem<br />

gehören 800 Milliarden Mark ? - Kann es Wettbewerb um Versicher<strong>un</strong>g<br />

geben ? - Wessen Leist<strong>un</strong>g ist eigentlich Versicher<strong>un</strong>g, eine<br />

Leist<strong>un</strong>g der Versicherten oder der Unternehmen ? - Mit welcher<br />

Berechtig<strong>un</strong>g vereinnahmen Aktiengesellschaften jährlich die Milliardenüberschüsse<br />

aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich als Gewinne? -<br />

Sind <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien Preise ? -<br />

Ähnliche Fragen waren auch schon Gegenstand von Untersuch<strong>un</strong>gen.<br />

Nur wurde immer der gleiche Fehler gemacht, nämlich<br />

nicht mit der Frage nach dem Wesen der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrages<br />

begonnen. Selbst von der B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g eingesetzte<br />

Kommissionen (wie die Monopol- <strong>un</strong>d die Deregulier<strong>un</strong>gskommission)<br />

lassen in ihren Gutachten jegliche Untersuch<strong>un</strong>g dieser<br />

entscheidenden Fragen vermissen. Entsprechend sind dann auch die<br />

Ergebnisse (Seite XX). Was aber ist n<strong>un</strong> eigentlich Versicher<strong>un</strong>g ? -<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist die Beseitig<strong>un</strong>g finanzieller Risiken<br />

Sich selbst <strong>un</strong>d die Familie abzusichern, ist ein ganz natürliches Bedürfnis.<br />

So gesehen ist Versicher<strong>un</strong>g z<strong>un</strong>ächst einmal die Sicher<strong>un</strong>g<br />

der eigenen Existenz, der Ges<strong>un</strong>dheit, des Lebens. Versicher<strong>un</strong>g in<br />

dem hier behandelten Sinne hat aber vor allem mit den Fähigkeiten<br />

des Menschen <strong>un</strong>d seinen Plänen zu t<strong>un</strong>. Dabei sind Begriffe wie<br />

"Gefahr, Risiko <strong>un</strong>d Schaden" von <strong>wesen</strong>tlicher Bedeut<strong>un</strong>g. Zur<br />

Begriffsklär<strong>un</strong>g einige Beispiele:<br />

Ein Mann will ein Regal zusammenbauen. Neben seiner persönlichen<br />

handwerklichen Fähigkeit benötigt er dafür Holz <strong>un</strong>d Nägel als<br />

Material, das ihm die Fähigkeit des Regalbaus vermittelt. Dieser<br />

Mann kann sich leicht ausrechnen, wieviel Nägel er für sein Vorhaben<br />

benötigt. Doch ergibt sich hier für den Regalbauer das erste<br />

Problem: die Ungewißheit der Zuk<strong>un</strong>ft ! - Es besteht die Gefahr,<br />

daß er Nägel krumm schlägt <strong>un</strong>d am Ende nicht genug hat, um das<br />

Regal fertigzubauen <strong>un</strong>d seine Fähigkeit zu verwirklichen. Gefahren<br />

können also eine Fähigkeit nachteilig verändern oder vernichten.<br />

Das Gegenstück zur Gefahr ist das Risiko, nämlich die jeder Fähigkeit<br />

innewohnende Möglichkeit, nachteilig verändert oder vernichtet<br />

werden zu können.<br />

Der Regalbauer hat jetzt mehrere Möglichkeiten, Risiko <strong>un</strong>d Gefahr<br />

seines Regalbaus zu beseitigen. Er kann einmal sagen: "Ich lege<br />

46


keinen besonderen Wert darauf, daß das Regal <strong>un</strong>bedingt heute fertig<br />

wird. Wenn ich zuviele Nägel krummschlage, kaufe ich mir später<br />

neue <strong>un</strong>d arbeite an einem anderen Tage weiter." - Er kann sogar<br />

sagen: "Wenn ich den Regalbau nicht schaffe, verheize ich das Holz<br />

im Kamin." Dieser Mann sieht für seinen Regalbau überhaupt keine<br />

Gefahr. Gefahr <strong>un</strong>d Risiko werden also durch den Wert bestimmt,<br />

der einer bestimmten Fähigkeit beigemessen wird.<br />

Will <strong>un</strong>ser Mann <strong>un</strong>bedingt an einem bestimmten Tage sein Regal<br />

fertigstellen, mißt er dieser Fähigkeit also einen besonderen Wert<br />

bei, dann hat er das natürliche Bedürfnis, diese Fähigkeit zu sichern -<br />

er hat ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>interesse <strong>un</strong>d einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bedarf.<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist also eine Vorsorgemaßnahme, um sich eine Fähigkeit<br />

zu erhalten.<br />

In <strong>un</strong>serem Beispiel wird sich der Mann so viele Nägel kaufen,<br />

daß er sicher sein kann, genug zu haben, auch wenn er viele krumm<br />

schlägt. Er bildet eine Nägel-Reserve. Damit hat er seinem Regalbau<br />

insoweit die Gefahr des Nichtfertigwerdens genommen <strong>un</strong>d damit<br />

auch das entsprechende Risiko beseitigt. Er kann <strong>un</strong>besorgt auf die<br />

Nägel schlagen. Schlägt er einen krumm, nimmt er einen neuen. Er<br />

hat sich versichert. Versicher<strong>un</strong>g als Absicher<strong>un</strong>g einer Fähigkeit<br />

kann also durch die ausreichende Deck<strong>un</strong>g eines Mittelbedarfs hergestellt<br />

werden - durch eine Reserve.<br />

Anders ergeht es dem, der auch <strong>un</strong>bedingt an einem bestimmten<br />

Tag ein Regal fertigstellen will, der aber keine Sicherheitsreserve an<br />

Nägeln gebildet hat. Für diesen birgt jeder Hammerschlag die Gefahr,<br />

sein Vorhaben zu vernichten. Dieser Regalbauer kann sich nur<br />

durch besondere Sorgfalt <strong>un</strong>d Vorsicht beim Hämmern versichern.<br />

Er kann zum Beispiel die Nagellöcher vorbohren, um nicht von versteckten<br />

Knästen überrascht zu werden. Versicher<strong>un</strong>g kann also<br />

auch dadurch erreicht werden, daß eine Gefahr <strong>un</strong>d damit auch das<br />

Risiko eingedämmt oder beseitigt wird (Gefahrenabwehr).<br />

Das Krummschlagen der letzten Nägel vor der Fertigstell<strong>un</strong>g des<br />

Regals könnte für alle Regalbauer ein Schaden sein. Aber genau wie<br />

Gefahr <strong>un</strong>d Risiko nach dem Wert zu beurteilen sind, den jemand<br />

seiner Fähigkeit beimißt, so ist auch ein tatsächlich eintretendes<br />

Schadenereignis einzuschätzen. Der Mann, dem der Regalbau gleichgültig<br />

war <strong>un</strong>d der jetzt sein Holz im Kamin verheizt, sieht für sich<br />

keinen Schaden. Also ist ein Schaden nur eine solche nachteilige<br />

Veränder<strong>un</strong>g oder Vernicht<strong>un</strong>g einer Fähigkeit, der ein besonderer<br />

Wert beigemessen wird.<br />

47


Es ist an den Beispielen deutlich geworden, wie Risiko, Gefahr<br />

<strong>un</strong>d Schaden durch die Bewert<strong>un</strong>g einer Fähigkeit bestimmt werden<br />

<strong>un</strong>d wie sie sich gegenseitig beeinflussen: kein Wert - keine Gefahr,<br />

keine Gefahr - kein Risiko, kein Wert - kein Schaden ! -<br />

Wichtig ist zu erkennen, was gr<strong>un</strong>dsätzlich übersehen wird: Versicher<strong>un</strong>g,<br />

Gefahr, Risiko <strong>un</strong>d Schaden haben mit Fähigkeiten zu<br />

t<strong>un</strong> - also mit "Vermögen" im weitesten Sinne. Erst in zweiter Linie<br />

sind hier Sachen oder Geld als "Vermögen" im engeren Sinne von<br />

Bedeut<strong>un</strong>g, die ihren Wert erst dadurch erhalten, daß sie dem Menschen<br />

Fähigkeiten vermitteln. Eine Sache, die keine Fähigkeit vermittelt,<br />

hat keinen Wert. An ihr besteht kein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>interesse.<br />

Die wichtigsten Fähigkeiten in Bezug auf Sachen sind, sie benutzen<br />

<strong>un</strong>d nutzen, sie verkaufen <strong>un</strong>d verwerten zu können. Es ist ein<br />

allgemeiner Gr<strong>un</strong>dsatz, daß Versicher<strong>un</strong>gen im Schadensfall nicht zu<br />

einer Bereicher<strong>un</strong>g führen dürfen. Dabei erscheint es z<strong>un</strong>ächst als<br />

Widerspruch zu dieser Forder<strong>un</strong>g, wenn alte gebrauchte Gebäude,<br />

Hausratgegenstände, Autos oder Betriebseinricht<strong>un</strong>gen nach dem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag "zum Neuwert" ersetzt werden. Dieser Widerspruch<br />

löst sich allerdings auf durch die Erkenntnis, daß Versicher<strong>un</strong>g<br />

nichts mit dem Geldwert einer Sache zu t<strong>un</strong> hat, sondern mit<br />

der Fähigkeit, die sie vermittelt, sie nutzen <strong>un</strong>d benutzen zu können<br />

(Nutzen, Nutzwert). Die Familie, die mit einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g<br />

ihr abgebranntes altes Haus wieder aufgebaut hat, ist zwar - in<br />

Geld gerechnet - bereichert, weil sie ein neues Haus mit einem höheren<br />

Wiederverkaufswert besitzt. Sie nutzt aber das neue Haus<br />

nicht anders <strong>un</strong>d nicht mehr als das alte.<br />

An diesem Beispiel kann gleichzeitig dargestellt werden, daß es<br />

diese Familie bei der Versicher<strong>un</strong>g ihres Wohnens nicht so einfach<br />

hat wie <strong>un</strong>ser Mann beim Regalbau, der sich einfach ein paar Nägel<br />

in Reserve legte. Es kann sich kaum jemand ein zweites Haus in Reserve<br />

halten, um sich für den Fall eines Brandes die Fähigkeit des<br />

Wohnens zu erhalten.<br />

Es gibt eine Reihe von Fähigkeiten, für die jemand alleine nur<br />

sehr schwer oder überhaupt nicht für Ersatz sorgen kann. Was zum<br />

Beispiel (noch) niemand kann, ist, sich Körperteile oder einen ges<strong>un</strong>den<br />

Körper in Reserve zu halten, um sich seine Lebens-, Beweg<strong>un</strong>gs-<br />

<strong>un</strong>d Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Bei größeren Schäden <strong>un</strong>d<br />

beim Verlust der Beweg<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Arbeitsfähigekit ist der einzelne<br />

auf die Hilfe anderer angewiesen.<br />

48


Schon zu Urzeiten hatten sich deshalb Gruppen zum Zwecke der<br />

gemeinschaftlichen Gefahrenabwehr gebildet. War ein Schaden eingetreten,<br />

so halfen sich die Mitglieder der Gruppe gegenseitig. So<br />

sind seit altersher Lebensgemeinschaften - von der Familie bis hin<br />

zum Staat - eine Art Versicher<strong>un</strong>g (Daseinsvorsorge).<br />

Versicher<strong>un</strong>g war in ihren Anfängen gegenseitige praktische Hilfe,<br />

zum Beispiel bei der Abwehr einer Gefahr, beim Wiederaufbau<br />

eines zerstörten Hauses oder beim Anlegen von Vorräten. Man versprach<br />

sich für den Fall eines Schadens den Ersatz verlorengegangener<br />

Mittel oder Fähigkeiten in Form von Naturalien oder Arbeit -<br />

<strong>un</strong>d zwar <strong>un</strong>entgeltlich; denn Hilfe ist immer <strong>un</strong>entgeltlich - eine Art<br />

Schenk<strong>un</strong>g. So gesehen war Versicher<strong>un</strong>g das gegenseitige Versprechen<br />

von praktischer Hilfe für einen gemeinschaftlichen Schadenausgleich.<br />

Risikobeseitig<strong>un</strong>g durch Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld für Schäden<br />

Durch das Erfordernis der praktischen Hilfe im Schadenfall war die<br />

Versicher<strong>un</strong>g natürlich räumlich <strong>un</strong>d auf kleine Personengruppen<br />

begrenzt. Das bloße Versprechen von Hilfe ist auch nicht <strong>un</strong>bedingt<br />

sicher. Außerdem geriet der von einem Schaden Betroffene immer<br />

in eine große, oft dauernde Abhängigkeit von seinen helfenden<br />

Mitmenschen. Und für Schäden größeren Umfangs, von denen<br />

gleich mehrere oder alle Mitglieder betroffen wurden, war dann auch<br />

die Gruppe für eine Versicher<strong>un</strong>g zu klein <strong>un</strong>d konnte nur schwer<br />

oder überhaupt nicht einen Ausgleich der Schäden herbeiführen.<br />

Diese Mängel der Versicher<strong>un</strong>g durch gegenseitige praktische<br />

Hilfe im Schadenfall wurden beseitigt mit der Einführ<strong>un</strong>g des Geldes.<br />

Durch das Geld wurde es möglich, die Arbeit <strong>un</strong>d Hilfe, die<br />

sonst nur versprochen <strong>un</strong>d erst nach dem Schaden erbracht werden<br />

konnte, schon im voraus zu leisten <strong>un</strong>d diese in Form des Geldes zu<br />

speichern <strong>un</strong>d bereitzustellen. Der Vorgang kann bildlich so dargestellt<br />

werden: Jemand arbeitet <strong>un</strong>d packt seine Arbeitsleist<strong>un</strong>g in Papier.<br />

Auf das Papier wird eine Zahl als Werteinheit geschrieben. Dieses<br />

Papier voll erbrachter Arbeitsleist<strong>un</strong>g mit einer Zahl darauf ist<br />

das Geld.<br />

Wer sich Werteinheiten erarbeitet hat, kann diese für sich selbst<br />

aufbewahren. Dann spart er <strong>un</strong>d versichert sich gleichzeitig, indem<br />

er sich einen Vorrat an bereits geleisteter Eigenarbeit anlegt. Dadurch<br />

könnte er eine Fähigkeit ersetzen, die er vielleicht später ver-<br />

49


liert. Er kann aber auch dieses Geld einer Gemeinschaft zur Verfüg<strong>un</strong>g<br />

stellen, die es zusammen mit dem Geld der anderen Mitglieder<br />

für besondere Notfälle aufbewahrt. Dann spart eine Gemeinschaft -<br />

eine Versichertengemeinschaft.<br />

Bei einer Versichertengemeinschaft braucht jetzt nicht mehr der<br />

einzelne seine versprochene Hilfe zu leisten, sondern er hat diese<br />

schon vorgeleistet, in Papier verpackt <strong>un</strong>d als Geld bereitgestellt.<br />

Dem Geschädigten wird dann eine entprechende Menge Geldes übergeben,<br />

das ihn befähigt, seine verlorengegangenen Fähigkeiten zu<br />

ersetzen.<br />

Die im Geld gespeicherte Arbeitsleist<strong>un</strong>g kann auch jederzeit<br />

durch den Kauf von Gegenständen umgewandelt werden, wobei<br />

dann der gekaufte Gegenstand die frühere Arbeitsleist<strong>un</strong>g repräsentiert.<br />

Durch Verkauf kann diese Sache wieder in Geld <strong>un</strong>d durch die<br />

Bestell<strong>un</strong>g eines Dienstes auch wieder in Arbeit zurückverwandelt<br />

werden.<br />

Das Geld wurde zum Tauschmittel für Sachen <strong>un</strong>d Arbeit. Es hat<br />

den großen Vorteil, daß es beliebig lange auf kleinstem Raume in<br />

großen Mengen aufbewahrt werden kann. Es läßt sich leicht verteilen.<br />

Und Mitglieder einer Versichertengemeinschaft, die von einem<br />

Schaden betroffen sind, erhalten eine einmalige Entschädig<strong>un</strong>g in<br />

Geld <strong>un</strong>d sind so nicht von ihren Helfern abhängig. Sie können mit<br />

dieser Hilfe in Form von Geld alle materiellen Fähigkeiten ersetzen<br />

<strong>un</strong>d Naturalersatz <strong>un</strong>d Arbeit kaufen. Damit war eine ganz neue Fähigkeit<br />

entstanden, nämlich die Fähigkeit, Arbeit <strong>un</strong>d praktische Hilfe<br />

durch Geld <strong>un</strong>d finanzielle Hilfe zu ersetzen.<br />

Geld wurde zum Ersatzmittel bei der gegenseitigen Hilfe (Versicher<strong>un</strong>g).<br />

Es ermöglichte duch die neutrale Ansparmöglichkeit <strong>un</strong>d<br />

durch seine Umwandelbarkeit ganz neue Vorsorgemaßnahmen. War<br />

es früher <strong>un</strong>wirtschaftlich oder sogar <strong>un</strong>möglich, alle Dinge in Reserve<br />

zu halten, so machte jetzt das Geld eine Versicher<strong>un</strong>g für die<br />

verschiedensten Fälle möglich.<br />

Das älteste Beispiel für Versicher<strong>un</strong>g ist der Zusammenschluß<br />

von Eseltreibern schon zur Zeit des Altertums. Fielen ihre Esel, mit<br />

denen sie ihren Lebens<strong>un</strong>terhalt verdienten, Raubtieren oder Räubern<br />

zum Opfer, dann brauchten sie keine praktische Hilfe, sondern<br />

neue Esel. Diese in <strong>un</strong>bestimmter Zahl vorsorglich in Reserve zu<br />

halten <strong>un</strong>d zu füttern, ohne daß sie arbeiteten, war <strong>un</strong>wirtschaftlich<br />

<strong>un</strong>d für den einzelnen sicher gar nicht möglich. Sie mußten also im<br />

Schadenfall gekauft werden. So versprachen sich die Eseltreiber,<br />

50


gemeinschaftlich für den Ersatz verloren gegangener Tiere zu sorgen.<br />

Ebenso schlossen sich im Alten Rom die Schiffseigner zusammen<br />

<strong>un</strong>d ersetzten sich gemeinschaftlich <strong>un</strong>d gegenseitig ihre Schäden,<br />

wenn Schiffe <strong>un</strong>d Lad<strong>un</strong>gen verlorengingen.<br />

Das Versprechen von gegenseitiger praktischer Hilfe im Schadenfall<br />

als Mittel der Versicher<strong>un</strong>g wurde durch die gegenseitige finanzielle<br />

Hilfe <strong>un</strong>d die Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld ersetzt. Dadurch wurde<br />

Versicher<strong>un</strong>g sicherer, weil durch die Vorleist<strong>un</strong>g der gegenseitigen<br />

Hilfe schon vor dem Schadenfall das finanzielle Risiko beseitigt<br />

werden konnte. Versicher<strong>un</strong>g ist also die Beseitig<strong>un</strong>g finanzieller Risiken<br />

durch die gemeinschaftliche Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld.<br />

Versicher<strong>un</strong>g braucht eine Versichertengemeinschaft<br />

Durch die Besonderheit des Geldes war jetzt auch die Bild<strong>un</strong>g größerer<br />

Versichertengemeinschaften möglich, die für die Wirtschaftlichkeit<br />

<strong>un</strong>d Sicherheit der Versicher<strong>un</strong>g von ganz entscheidender<br />

Bedeut<strong>un</strong>g sind. Wirtschaften ist vernünftiges Entscheiden des einzelnen<br />

über die Verwend<strong>un</strong>g seiner Mittel - in diesem Fall über den<br />

Einsatz seines Geldes, um auf wirtschaftlichste Art <strong>un</strong>d Weise Versicher<strong>un</strong>g<br />

zu erreichen. Der Mensch der vor der Frage steht, ob er<br />

sich versichern soll, <strong>un</strong>d ob er dafür allein oder in einer Gemeinschaft<br />

Geld ansparen soll, fragt sich z<strong>un</strong>ächst einmal: "Kann ich überhaupt<br />

von einem Schaden betroffen werden ? - Wie groß könnte<br />

der Schaden sein ? - Wann könnte mich der Schaden treffen ?" -<br />

Wegen der Ungewißheit der Zuk<strong>un</strong>ft sind diese Fragen für den<br />

einzelnen schwer zu beantworten. Und deswegen kann der einzelne<br />

auch nur schwer alleine für einen möglichen Schadenfall <strong>un</strong>d seine<br />

<strong>un</strong>gewissen Folgen vorsorgen. Was nutzt es, wenn heute einer anfängt,<br />

die ersten 1.000 Mark für ein Reservehaus anzusparen <strong>un</strong>d<br />

morgen schon sein Haus abbrennt ? - Auf was hat ein Mensch verzichtet,<br />

wenn er es tatsächlich geschafft hat, bis zu seinem Tode entsprechend<br />

viel Geld für ein Reservehaus anzusparen, sein Haus aber<br />

nicht abgebrannt ist ? -<br />

Der einzelne kann also für große Risiken das Problem der Ungewißheit<br />

der Zuk<strong>un</strong>ft nicht sinnvoll <strong>un</strong>d wirtschaftlich lösen, sondern<br />

nur eine Gemeinschaft, für die das Gesetz der Großen Zahl gilt.<br />

Was für den einzelnen völlig <strong>un</strong>gewiß ist - ob, wann <strong>un</strong>d in welchem<br />

Umfang ihn ein Schaden trifft - läßt sich für eine Gemeinschaft<br />

ziemlich genau vorhersagen, <strong>un</strong>d zwar nach dem Gesetz der Großen<br />

51


Zahl umso genauer, je größer die Gemeinschaft ist. Jeder kennt dieses<br />

Gesetz, nach welchem bei einem Würfelspiel oder beim Roulette<br />

im Laufe der Zeit alle Zahlen gleich oft fallen. So läßt sich auch anhand<br />

von Statistiken annähernd vorhersagen, wieviel Brände von<br />

Wohnhäusern mit welchen Schadenfolgen sich in einem Lande innerhalb<br />

eines Jahres ereignen werden. Und so war es oft die einzig<br />

mögliche Lös<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d auf jeden Fall am wirtschaftlichsten, daß für<br />

größere Schäden nicht mehr der einzelne sparte, sondern eine Gemeinschaft<br />

mit dem Ziel <strong>un</strong>d dem Willen, alle Schäden durch gegenseitige<br />

finanzielle Hilfe gemeinschaftlich <strong>un</strong>d <strong>un</strong>entgeltlich auszugleichen.<br />

Damit sind die Probleme der Versicher<strong>un</strong>g erklärt. Und so werden<br />

sie gelöst: Die Ungewißheit der Zuk<strong>un</strong>ft wird weitgehend durch<br />

die Bild<strong>un</strong>g einer Versichertengemeinschaft beseitigt. Für diese<br />

Große Zahl sind die finanziellen Risiken in der Gesamtheit abschätzbar.<br />

Und sie werden durch die gemeinschaftliche Bereitstell<strong>un</strong>g<br />

einer entsprechenden Geldreserve für den Schadenausgleich<br />

beseitigt. Versicher<strong>un</strong>g ist also die Beseitig<strong>un</strong>g finanzieller Risiken<br />

durch die gemeinschaftliche Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld für einen gegenseitigen<br />

Schadenausgleich.<br />

Wichtig ist zu erkennen: Versicher<strong>un</strong>g ist eigentlich eine einfache<br />

Sache. Und - ganz wichtig: Sie ist die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten als<br />

Gemeinschaft; denn das Geld für den Schadenausgleich fällt nicht<br />

vom Himmel <strong>un</strong>d kann von niemand anders kommen als von den<br />

Versicherten selbst. Trotzdem behaupten viele, Versicher<strong>un</strong>g könne<br />

durch Aktiengesellschaften hergestellt werden. Wir werden noch sehen,<br />

wie <strong>un</strong>sinnig diese Behaupt<strong>un</strong>g ist (die natürlich die Berechtig<strong>un</strong>g<br />

liefern soll dafür, daß sich Aktiengesellschaften die regelmäßigen<br />

Überschüsse aus den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geldern als Gewinne einstecken<br />

dürfen).<br />

Und noch eines sollte vorab registriert werden: Das Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen,<br />

also das Ansparen der Summe, die bei Ablauf einer<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g ausgezahlt wird, ist individuelles <strong>un</strong>d nicht gemeinschaftliches<br />

Sparen, hat also mit Versicher<strong>un</strong>g im hier behandelten<br />

Sinne überhaupt nichts zu t<strong>un</strong>. Trotzdem wurde diese Form<br />

des Sparens zusammen mit einer Versicher<strong>un</strong>g für den Todesfall<br />

<strong>un</strong>d zusammen mit den Dienstleist<strong>un</strong>gen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens<br />

in einen Topf geschmissen, wodurch der Sparvorgang wie<br />

auch die dafür gezahlten Gelder in einer <strong>un</strong>geteilten Prämie versteckt<br />

wurden. So konnten die Aktiengesellschaften auch über das<br />

52


Spargeld <strong>un</strong>d dessen Erträge weitgehend beliebig verfügen. Kein<br />

W<strong>un</strong>der, daß das mehr als 80 Jahre alte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertragsgesetz,<br />

das all dieses (nicht) regelt, von Branchenf<strong>un</strong>ktionären als "Meisterwerk<br />

der Gesetzgeb<strong>un</strong>g" bezeichnet wird.<br />

Traditionelle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

So wie sich mit z<strong>un</strong>ehmender Zivilisation <strong>un</strong>d technischer Entwickl<strong>un</strong>g<br />

der Wirk<strong>un</strong>gskreis der Menschen <strong>un</strong>d ihr Besitz vergrößert hatten,<br />

haben sich auch die Fähigkeiten <strong>un</strong>d damit der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bedarf<br />

<strong>un</strong>d das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>interesse der Menschen enorm ausgeweitet.<br />

Man denke nur an das Autofahren, das jährlich Milliardenschäden<br />

verursacht.<br />

Im Mittelalter schlossen sich vor allem Berufsstände <strong>un</strong>d Hausbesitzer<br />

in <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereinen auf Gegenseitigkeit zusammen<br />

<strong>un</strong>d in öffentlich-rechtlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>anstalten, die nichts weiter<br />

darstellten als eine Verwalt<strong>un</strong>gsstelle, welche die Organisation<br />

der Gemeinschaft <strong>un</strong>d insbesondere den Einzug <strong>un</strong>d die Verteil<strong>un</strong>g<br />

des bereitgestellten Geldes erledigte. Die Verwalt<strong>un</strong>gsstellen der mittelalterlichen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen schätzten nach den Statistiken<br />

<strong>un</strong>d dem Gesetz der Großen Zahl den Geldbedarf, der die<br />

Schäden <strong>un</strong>d die Verwalt<strong>un</strong>gskosten für eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>periode<br />

abdecken sollte. Dieser Geldbedarf wurde anteilig auf die Mitglieder<br />

als Versicherte umgelegt <strong>un</strong>d von diesen in Form von Beiträgen im<br />

voraus bezahlt. Natürlich konnte dieser Geldbedarf nur geschätzt<br />

werden. Zufallsbedingte Schwank<strong>un</strong>gen im Schadenverlauf ergaben<br />

Abweich<strong>un</strong>gen nach oben oder <strong>un</strong>ten. Blieb nach den Aufwend<strong>un</strong>gen<br />

für Kosten <strong>un</strong>d Schäden am Ende einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>periode<br />

Geld übrig, wurde dieses an die Versicherten zurückgezahlt, auf<br />

künftige Beiträge angerechnet oder als Sicherheitskapital im Eigentum<br />

der Versicherten angesammelt. Reichten die vorausgezahlten<br />

Beiträge für Kosten <strong>un</strong>d Schäden nicht aus, mußten die Versicherten<br />

entsprechende Nachschußzahl<strong>un</strong>gen leisten. Logisch, denn - wie gesagt<br />

- das Geld für Schadenzahl<strong>un</strong>gen fällt nicht vom Himmel, sondern<br />

muß n<strong>un</strong> einmal von der Versichertengemeinschaft aufgebracht<br />

werden.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d ihre Verwalt<strong>un</strong>gsstellen beanspruchten<br />

für sich keinerlei Gewinne, nicht einmal für rationell<br />

erbrachte Dienstleist<strong>un</strong>gen. Es entstanden vor allem Personalkosten<br />

<strong>un</strong>d nur in ganz geringem Umfang wurden Sachmittel eingesetzt.<br />

53


Alle Kosten wurden von den Mitgliedern mit den Beiträgen im voraus<br />

bezahlt. Es gab also kein <strong>un</strong>ternehmerisches Risiko <strong>un</strong>d somit<br />

auch keine Gewinnberechtig<strong>un</strong>g. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine <strong>un</strong>d deren<br />

Vermögen gehörten ihren Mitgliedern, die in Mitgliederversamml<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d durch Repräsentanten die Geschäftspolitik bestimmten.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Vereine <strong>un</strong>d öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />

erbrachten für die Versichertengemeinschaften eine Arbeitsleist<strong>un</strong>g,<br />

einen Dienst für die wirtschaftliche Lös<strong>un</strong>g des Problems "Versicher<strong>un</strong>g",<br />

so wie Banken eine Dienstleist<strong>un</strong>g bei der wirtschaftlichen<br />

Lös<strong>un</strong>g des Problems Sparen, Geldüberweis<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Geldanlage<br />

erbringen. Aber so wie Banken nicht sparen, sondern die Sparer, so<br />

wie Banken nicht die Rechn<strong>un</strong>gen der K<strong>un</strong>den im Giroverkehr bezahlen,<br />

sondern die K<strong>un</strong>den selbst, so versichern auch nicht die traditionellen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen ihre Mitglieder, sondern die<br />

Versicherten versichern sich selbst durch ihre gegenseitige Hilfe <strong>un</strong>d<br />

die Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld. Dementsprechend bestand der an die<br />

traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen gezahlte Beitrag aus zwei<br />

Teilen, die den Verwalt<strong>un</strong>gsstellen anvertraut wurden <strong>un</strong>d bis zum<br />

Verbrauch im Eigentum der Versichertengemeinschaft verblieben:<br />

- einem Verwalt<strong>un</strong>gskostenanteil <strong>un</strong>d<br />

- dem eigentlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag für den Schadenausgleich.<br />

Der an die traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen gezahlte<br />

Beitrag war aus mehreren Gründen nicht aufgeteilt worden, <strong>un</strong>d die<br />

zwei sehr <strong>un</strong>terschiedlichen Teile wurden weder im voraus noch<br />

nach Abschluß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>periode angegeben: Die Verwalt<strong>un</strong>gsstellen<br />

wurden hoheitlich oder <strong>un</strong>ter Mitwirk<strong>un</strong>g der Mitglieder<br />

der Versichertengemeinschaft geleitet. Und sie arbeiteten ohne Gewinnstreben.<br />

Ihnen wurde also ein entsprechend großes Vertrauen<br />

entgegengebracht, daß sie mit dem ihnen anvertrauten Geldern verantwort<strong>un</strong>gsvoll<br />

umgingen. Wegen des nie zu beseitigenden Restes<br />

an Ungewißheit konnten die Schadenzahl<strong>un</strong>gen nicht genau im voraus<br />

kalkuliert werden. Die dadurch bedingte nachträgliche Abrechn<strong>un</strong>g<br />

wurde hoheitlich oder von Versichertenvertretern kontrolliert<br />

<strong>un</strong>d alle Beitragsüberschüsse korrekt erstattet, auf künftige Beitragszahl<strong>un</strong>gen<br />

angerechnet oder in Sicherheitsreserven überführt.<br />

54


Veränder<strong>un</strong>g im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im Gefolge der<br />

"Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften"<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>welt war bis in das 19. Jahrh<strong>un</strong>dert in Ordn<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d die Versicher<strong>un</strong>g hatte sich bis zu diesem Zeitp<strong>un</strong>kt friedlich<br />

entwickelt. Niemand kann nach den bisherigen Darstell<strong>un</strong>gen behaupten,<br />

daß Versicher<strong>un</strong>g als gegenseitige Hilfe der Versicherten<br />

oder daß die Leist<strong>un</strong>g der Verwalt<strong>un</strong>gsstellen bei der Versicher<strong>un</strong>g<br />

kompliziert sind oder Vorwürfe wie "legaler Betrug" oder das "größte<br />

<strong>un</strong>d bestorganisierte Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten" verursachen<br />

können. Dann aber kam es zu einem völligen Umbruch, der im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> zu Kompliziertheit, Intransparenz <strong>un</strong>d<br />

Mißtrauen führte. Im 19. Jahrh<strong>un</strong>dert drangen Aktiengesellschaften<br />

in das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ein. Es entstand die sogenannte erwerbswirtschaftliche<br />

Assekuranz oder "<strong>un</strong>ternehmerisch betriebene<br />

Versicher<strong>un</strong>g".<br />

Für die Verbraucher schien es so, als gäbe es zwischen der Arbeitsweise<br />

der Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d ihren Konkurrenten, den<br />

traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen, keinen großen Unterschied.<br />

Wie ihre Konkurrenten verwendeten die Aktiengesellschaften<br />

die gleichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen. Wie ihre Konkurrenten<br />

erhoben sie einen <strong>un</strong>geteilten Beitrag, den sie allerdings "Prämie"<br />

nannten. Und sie gaben auch im voraus weder den eigentlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag<br />

noch ihre kalkulierten Verwalt<strong>un</strong>gskosten oder<br />

einen Preis für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen an. Wie ihre Konkurrenten erteilten<br />

auch die Aktiengesellschaften dem einzelnen Versicherten<br />

keine nachträgliche Abrechn<strong>un</strong>g über die Verwend<strong>un</strong>g des an sie<br />

gezahlten Geldes, wieviel davon zum Beispiel als Verwalt<strong>un</strong>gskosten<br />

oder für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen verbraucht worden war <strong>un</strong>d wieviel<br />

Überschüsse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich übrig geblieben waren.<br />

Der große Unterschied <strong>un</strong>d die entscheidende Neuer<strong>un</strong>g, die alle<br />

Probleme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ausgelöst hat, war die Tatsache,<br />

daß Aktiengesellschaften die Prämienüberschüsse nicht an ihre Versicherten<br />

zurückzahlten, sondern als Gewinne vereinnahmten - also<br />

auch die Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich, aus der Leist<strong>un</strong>g<br />

der Versicherten. Dafür verzichteten sie auf Nachschußzahl<strong>un</strong>gen<br />

für den Fall, daß die Prämien für die Schadenzahl<strong>un</strong>gen nicht<br />

ausreichen sollten. Überschäden hätten dann aus dem Eigenkapital<br />

der Gesellschaften bezahlt werden müssen. Die Aktiengesellschaften<br />

55


oten also eine Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie, die durch Erstatt<strong>un</strong>gen<br />

oder Nachzahl<strong>un</strong>gen nicht mehr verändert werden konnte.<br />

Hier ist aber die typische Eigenart der Versicher<strong>un</strong>g zu beachten:<br />

Die von den Versicherten bereitzustellenden Beiträge müssen wegen<br />

des <strong>un</strong>gewissen Schadenverlaufs in der Zuk<strong>un</strong>ft immer überkalkuliert<br />

werden. Das führt zwangsläufig zu Überschüssen. Und was n<strong>un</strong><br />

mit diesen Milliardenüberschüssen geschehen soll, dazu fehlen jegliche<br />

Regel<strong>un</strong>gen. Es ist weder geregelt, daß sie den Versicherten zustehen,<br />

noch ist geregelt, daß sich die Gesellschaften diese als Gewinne<br />

einstecken dürfen. Vorherrschende Mein<strong>un</strong>g ist, daß die<br />

zwangsläufig entstehenden Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

<strong>un</strong>d Sparbereich keine Unternehmensgewinne sind:<br />

So meint Dr. Hans Gehrhardt im "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaftlichen<br />

Studienwerk": "Wenn alle Gr<strong>un</strong>dlagen, die zur Berechn<strong>un</strong>g der<br />

Prämie dienen, vorsichtig gewählt werden, so ist es selbstverständlich,<br />

daß Überschüsse entstehen. Bei diesen Überschüssen handelt es<br />

sich nicht um <strong>un</strong>ternehmerische Gewinne. Es sind vielmehr überhobene<br />

Beiträge, die an die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer zurückzuerstatten<br />

sind."<br />

Das hat auch im Mai 1980 der Staatssekretär im B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

Böhme in der B<strong>un</strong>destagssitz<strong>un</strong>g bestätigt: "Es ist richtig,<br />

daß Risikoüberschüsse <strong>un</strong>d Zinsgewinne der Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

keine Unternehmensgewinne im üblichen Sinne sind, soweit sie<br />

auf den von der Aufsichtsbehörde vorgeschriebenen, vorsichtigen<br />

Rechn<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dlagen beruhen." - Soweit die Überschüsse andere<br />

Ursachen haben, sollen sie - so Böhme - normaler Unternehmensgewinn<br />

sein. Nur hat weder Böhme noch sonstwer bis heute aufgezeigt,<br />

wie man erkennen soll, aus welchem Bereich welche Überschüsse<br />

kommen.<br />

Ein anderer Beamter des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

schrieb im Jahre 1985: "Die hohen Überschüsse resultieren<br />

zum allergrößten Teil aus überrechn<strong>un</strong>gsmäßigen Kapitalerträgen<br />

<strong>un</strong>d Risikogewinnen <strong>un</strong>d sind insoweit nur zu einem sehr<br />

geringen Teil das Ergebnis <strong>un</strong>ternehmerischen Könnens. Sie sind<br />

vielmehr als in den Beiträgen enthaltene nicht benötigte Sicherheitszuschläge<br />

anzusehen <strong>un</strong>d an die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer zurückzugewähren."<br />

Und der für die Lebensversicher<strong>un</strong>g verantwortliche Abteil<strong>un</strong>gspräsident<br />

im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, Gottfried<br />

Claus, vertritt schon seit 1980 die Mein<strong>un</strong>g: "Die Lebensversi-<br />

56


cher<strong>un</strong>gsbeiträge müssen ganz erhebliche Sicherheitsspannen enthalten,<br />

die in aller Regel zu sehr hohen Überschüssen führen. Sie sind<br />

keine Unternehmensgewinne im üblichen Sinne, über die die Unternehmen<br />

frei verfügen könnten, sondern überhobene, d. h. nicht benötigte<br />

Beitragsteile, die den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmern zurückzuzahlen<br />

sind. Die Versicherten haben in ihrer Gesamtheit ein Recht auf diese<br />

Überschüsse." - Im Jahre 1989 bestätigte Claus aber, daß es hier an<br />

einer Regel<strong>un</strong>g fehle.<br />

Dem folgt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in seinem<br />

Urteil vom März 1990: "Richtig ist, daß die in Folge der aufsichtsrechtlich<br />

veranlaßten überhöhten Prmienkalkulation erzielten<br />

Überschüsse nicht den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern den<br />

Versicherten zustehen. Es gibt jedoch keine direkte Verknüpf<strong>un</strong>g<br />

zwischen den einzelnen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen <strong>un</strong>d ihnen zuzuordnenden<br />

Anteilen am Überschuß."<br />

Das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht hat sich in einem Urteil vom Januar<br />

1990 auch schon zu den Überschüssen aus Nicht-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen geäußert: "Es mag zwar <strong>un</strong>billig sein, wenn<br />

die Versicherten mit den Prämien erhebliche Sicherheitszuschläge<br />

zahlen <strong>un</strong>d diese Zuschläge, soweit sie nicht benötigt werden, allein<br />

bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen als Gewinne verbleiben. Falls in<br />

dieser Hinsicht Bedenken bestehen, mag das BAV gehalten sein, im<br />

Rahmen seiner Aufsicht ein zu beanstandendes Mißverhältnis der<br />

beiderseitigen Leist<strong>un</strong>gen zu verhindern."<br />

Ähnlich auch eine Beschlußkammerentscheid<strong>un</strong>g des Aufsichtsamtes<br />

im Jahre 1989: Eine Konzern-Holding, die vorher ein<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen war, wurde verpflichtet, die auf eine neu<br />

gegründete Gesellschaft übertragenen Lebensversicherten auch weiterhin<br />

an den Erträgen aus dem Holdingvermögen zu beteiligen. Die<br />

Holding hatte nämlich mit den Versicherten nicht alle Vermögenswerte<br />

auf das neue Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen übertragen<br />

(siehe hierzu "Der Fall Herold" auf Seite XX).<br />

Das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht hat in einem anderen Verfahren<br />

im Jahre 1989 erstmals festgestellt: "Die Belange der Versicherten<br />

sind nicht ausreichend gewahrt, wenn ein Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

die Überschüsse, die es in die Rückstell<strong>un</strong>g für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

eingestellt hat, nicht zeitnah <strong>un</strong>d damit verursach<strong>un</strong>gsgerecht<br />

an die Versicherten ausschüttet."<br />

All diese Aussagen <strong>un</strong>d Entscheid<strong>un</strong>gen sind in gewisser Weise<br />

revolutionär, weil sie früherem Handeln des Aufsichtsamtes <strong>un</strong>d der<br />

57


älteren Rechtsprech<strong>un</strong>g entgegengesetzt sind. Aber - wie eingangs<br />

bereits erwähnt - der zuständige Ministerialbeamte Kaulbach fühlt<br />

sich dadurch nicht "veranlaßt, über theoretische Schwächen zu grübeln".<br />

58


KAPITEL 4<br />

Die Geschichte der Versicher<strong>un</strong>g:<br />

Vier Kardinalfehler<br />

Die "naturgemäßen" Beitrags-Überschüsse <strong>un</strong>d ihre fehlende vermögensrechtliche<br />

Zuordn<strong>un</strong>g waren bis vor 150 Jahren kein Problem.<br />

Bis dahin wurde Versicher<strong>un</strong>g fast ausschließlich durch <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine<br />

betrieben. Diese Vereine arbeiteten nur mit Versichertengeld<br />

- das heißt: Ihr gesamtes Vermögen - also auch die Beitragsüberschüsse<br />

- gehörten den Versicherten als Vereinsmitglieder.<br />

Kardinalfehler 1:<br />

Die Zulass<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften<br />

mit einer <strong>un</strong>geteilten Prämie<br />

Es ist eigentlich nicht schwer vorzustellen, was passieren mußte, als<br />

in dieses friedliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> vor etwa 150 Jahren nach<br />

Gewinn strebende Aktiengesellschaften eindrangen. Sie übernahmen<br />

die Arbeitsweise der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine, aber sie vermengten Unternehmens-<br />

<strong>un</strong>d Versichertengelder in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien<br />

<strong>un</strong>d in den Bilanzen, so daß die Beitragsüberschüsse nicht mehr als<br />

Eigentum der Versicherten zu erkennen waren <strong>un</strong>d - <strong>un</strong>bemerkt -<br />

von den Gesellschaften als Gewinne vereinnahmt werden konnten.<br />

Ein Vorgang, der eigentlich den objektiven Tatbestand der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

erfüllt. Unvorstellbar, daß dieser historische Fehler bis heute<br />

nicht aufgefallen ist <strong>un</strong>d so zur Gr<strong>un</strong>dlage für das größte <strong>un</strong>d bestorganisierte<br />

Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten werden konnte.<br />

Zu jener Zeit hätte der Gesetzgeber die Vorgänge "Versicher<strong>un</strong>g"<br />

<strong>un</strong>d "Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen" <strong>un</strong>d damit auch die<br />

Prämie trennen müssen. Dadurch wären die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

<strong>un</strong>d deren Überschüsse in den Bilanzen von Aktiengesellschaften<br />

eindeutig als Versichertengeld identifizierbar ge<strong>wesen</strong>. Weil<br />

die Trenn<strong>un</strong>g aber nicht erfolgte, können <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften zur Deck<strong>un</strong>g ihrer Kosten weitgehend beliebig<br />

über die ihnen anvertrauten Gelder verfügen, also auch über Gelder,<br />

die für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen bestimmt waren. Logisch, daß <strong>un</strong>ter<br />

solch paradiesischen Umständen auch der Wettbewerb nicht f<strong>un</strong>kti-<br />

59


onieren kann. Denn die Gesellschaften brauchen keine Preise für<br />

ihre eigentlichen Dienstleist<strong>un</strong>gen anzugeben <strong>un</strong>d interne Kostenkalkulationen<br />

nicht einzuhalten, <strong>un</strong>d für sie besteht nicht - wie bei<br />

anderen Wirtschafts<strong>un</strong>ternehmen - der Zwang, Gewinne durch rationelles<br />

Arbeiten erwirtschaften zu müssen. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften beschließen ganz einfach Kosten <strong>un</strong>d Gewinne<br />

aus anvertrautem Versichertengeld - selbst nach gröbstem Mißmanagement.<br />

Ein einmaliger Vorgang in <strong>un</strong>serem Wirtschaftsleben ! -<br />

Kardinalfehler 2:<br />

Die Verbind<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g,<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Sparen<br />

Clevere Geschäftemacher kamen gegen Ende des vorigen Jahrh<strong>un</strong>derts<br />

auf die Idee, an die mit Dienstleist<strong>un</strong>gen vermengte Versicher<strong>un</strong>g<br />

auch noch einen Sparvorgang dranzuhängen. Es entstand die<br />

sogenannte Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g, für die der Versicherte<br />

auch nur eine Gesamtprämie zahlt. Er weiß also nicht, was der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

kostet, wieviel er für die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Gesellschaft<br />

zahlt, wieviel er für sich selbst anspart <strong>un</strong>d wie hoch dafür<br />

die Rendite ist. So können die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

auch noch über die Spargelder <strong>un</strong>d insbesondere deren Erträge<br />

weitgehend beliebig verfügen <strong>un</strong>d diese - selbst nach gröbstem<br />

Mißmanagement - auch noch für den Ausgleich von Verlusten <strong>un</strong>d<br />

für die Finanzier<strong>un</strong>g ihrer Gewinne heranziehen.<br />

Auf die beschriebene Art <strong>un</strong>d Weise haben insbesondere die großen<br />

deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften seit etwa 100<br />

Jahren ein ganzes Volk mit doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerten Prämien<br />

regelrecht ausgebeutet, indem sie die Fehler des deutschen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s, insbesondere die fehlende vermögensrechtliche<br />

Zuordn<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Spargelder, skrupellos ausgenutzt<br />

<strong>un</strong>d anvertraute Gelder für <strong>un</strong>sinnige Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d <strong>un</strong>gerechtfertigte Gewinne mißbraucht haben. Rechnet man<br />

diese Kostenverschwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Gewinne einschließlich Zinsen<br />

über Jahrzehnte hoch, so haben die Deutschen <strong>un</strong>d die gesamte<br />

Volkswirtschaft durch das falsch strukturierte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

H<strong>un</strong>derte von Milliarden Mark verloren. Allein in 1990 könnte in<br />

der B<strong>un</strong>desrepublik ein rationell f<strong>un</strong>ktionierendes <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

mit zwanzig bis dreißig Milliarden Mark weniger an Prämien<br />

60


auskommen - bei besserem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz für die B<strong>un</strong>desbürger.<br />

Um den historischen Kardinalfehler im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

noch einmal zu verdeutlichen: Man hat gewinnorientierten Aktiengesellschaften<br />

die Verwalt<strong>un</strong>g von Treuhandgeldern überlassen, ohne<br />

daß sie Buch darüber führen müssen. Und das ist in etwa so <strong>un</strong>heilvoll,<br />

als wenn man Vampire mit der Verwalt<strong>un</strong>g einer Blutbank<br />

beauftragt, ohne sie zu verpflichten, das eingehende Blut zu registrieren.<br />

Die Aktiengesellschaften versuchen allerdings die von ihnen<br />

praktizierte Gewinnverwend<strong>un</strong>g der Beitragsüberschüsse mit den<br />

Risiken zu rechtfertigen, die sie angeblich den Versicherten abnehmen<br />

<strong>un</strong>d für diese tragen. Sie wollen damit Versicher<strong>un</strong>g zu einer<br />

Art Spekulation machen. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge sollen also nicht<br />

zweckgeb<strong>un</strong>denes Treuhandgeld sein, das von den Versicherten für<br />

Schadenszahl<strong>un</strong>gen bereitgestellt wird, sondern Aktiengesellschaften<br />

behaupten, ihre Prämien seien Preise für "Risikotrag<strong>un</strong>g". Und mit<br />

dieser Begründ<strong>un</strong>g vereinnahmen sie alle Prämienüberschüsse als<br />

Gewinne. Selbst die zum größten Teil aus einem Sparanteil bestehende<br />

Prämie für eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g soll ein Preis<br />

sein. Und das weiß schon jedes Kind: Ist der Preis an den Verkäufer<br />

gezahlt, kann dieser damit machen was er will.<br />

Tatsächlich ist alle Welt den Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d dieser Begründ<strong>un</strong>g<br />

ihrer Gewinnberechtig<strong>un</strong>g auf den Leim gegangen. Dabei<br />

kann Spekulation niemals etwas mit Versicher<strong>un</strong>g zu t<strong>un</strong> haben.<br />

Denn Spekulation lebt vom Risiko, während Ziel einer jeden Versicher<strong>un</strong>g<br />

gerade die Beseitig<strong>un</strong>g von Risiken ist. Die Versicherten<br />

stellen ausreichend Geld für künftige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen zur<br />

Verfüg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d beseitigen damit die entsprechenden finanziellen Risiken.<br />

Außerdem: Welches Risiko soll für die deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

bestehen <strong>un</strong>d zu tragen sein bei jährlichen Einnahmen<br />

von etwa 200 Milliarden Mark <strong>un</strong>d einem angesammelten<br />

Vermögen von 800 Milliarden Mark - bei wirklichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

von <strong>un</strong>ter 100 Milliarden Mark ? - Und welches Risiko<br />

tragen die Gesellschaften, bezieh<strong>un</strong>gsweise welche Gegenleist<strong>un</strong>g<br />

erbringen sie hinsichtlich des Sparanteils der Lebensversicher<strong>un</strong>gsprämie<br />

? -<br />

Die Versicherten haben durch die Bereitstell<strong>un</strong>g dieser Vermögensmassen<br />

nicht nur alle versicher<strong>un</strong>gstechnischen Risiken beseitigt,<br />

sondern den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sogar noch jegliches<br />

61


<strong>un</strong>ternehmerische Risiko genommen. Denn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d<br />

Spargelder <strong>un</strong>d ihre Erträge stehen den Gesellschaften auch für den<br />

Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d selbst für Gewinnentnahmen<br />

zur quasi beliebigen Verfüg<strong>un</strong>g. Kein anderes Wirtschafts<strong>un</strong>ternehmen<br />

hat solche Möglichkeiten <strong>un</strong>d arbeitet mit einem so<br />

geringen Risiko. Es sei noch einmal an die oben bereits zitierte Aussage<br />

von Prof. Heinrich Bader erinnert: "Mit dem Tatbestand des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>risikos wird die Aneign<strong>un</strong>g von Teilen der Beitragseinnahmen<br />

begründet bzw. zu rechtfertigen versucht. Die Erfahr<strong>un</strong>g<br />

lehrt jedoch, daß das Geschäft mit dem Risiko das risikoloseste<br />

Geschäft ist."<br />

Kardinalfehler 3:<br />

Staatliche Aufsicht - Alibi für "legalen Betrug"<br />

Den beiden historischen Fehlern, Versicher<strong>un</strong>g in der Form von<br />

Spekulation <strong>un</strong>d dann auch noch in Verbind<strong>un</strong>g mit einem Sparvorgang<br />

zuzulassen, ließen die Deutschen zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende einen<br />

dritten folgen. Auslöser war, daß skrupellose Firmen die Bürger <strong>un</strong>ter<br />

dem Vorwand "Versicher<strong>un</strong>g" regelrecht betrogen <strong>un</strong>d ausgebeutet<br />

hatten. Die vom B<strong>un</strong>deswirtschaftminister eingesetzte Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

schreibt hierzu in ihrem ersten Bericht: "Schwindel<strong>un</strong>ternehmen<br />

brachten die Branche in Mißkredit." - Im Reichstag<br />

war die Rede von "wahren Raubzügen", die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften im Lande <strong>un</strong>ternahmen.<br />

Der Gesetzgeber erkannte n<strong>un</strong> zwar - reichlich spät - die "Gefahr<br />

schwerster Schädig<strong>un</strong>g des Volkswohls", die von der Versicher<strong>un</strong>g<br />

durch Aktiengesellschaften drohte. Anstatt n<strong>un</strong> aber durch eine Aufteil<strong>un</strong>g<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie für Wettbewerb <strong>un</strong>d klare Vermögensverhältnisse<br />

zu sorgen, stülpte der Gesetzgeber dem <strong>un</strong>geregelten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht über,<br />

die Mißstände verhindern oder beseitigen sollte.<br />

Ein Teufelskreis wurde inganggesetzt. Die Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von<br />

Versichertengeldern durch Aktiengesellschaften wurde nicht nur legalisiert,<br />

sondern sogar noch gefördert, weil sich fortan der Staat -<br />

im Interesse der Versicherten <strong>un</strong>d um die dauernde Erfüllbarkeit der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge zu sichern - verpflichtet fühlte, dafür zu sorgen,<br />

daß alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, also auch Aktiengesellschaften,<br />

immer so hohe Beitragseinnahmen hatten, daß sie selbst<br />

bei Kostenverschwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d gröbstem Mißmanagement noch<br />

62


Beitragsüberschüsse erzielten, die sie dann als Gewinne einstecken<br />

konnten. Es gibt sogar gesetzliche Bestimm<strong>un</strong>gen, die die Gesellschaften<br />

dazu zwingen, Überschüsse aus anvertrautem Versichertengeld<br />

in Gewinne <strong>un</strong>d Eigenkapital, also in Unternehmens- oder Aktionärsgeld,<br />

umzuwandeln - aus Gründen der "Solvabilität": Jedes<br />

Unternehmen darf nicht nur, sondern muß soviel Beitragsüberschüsse<br />

in Eigenkapital umwandeln, daß die dauernde Erfüllbarkeit<br />

der Verträge gegeben ist.<br />

Um das wirklich "Kriminelle" an der Arbeitsweise vieler <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

offenzulegen, nachfolgend der Vergleich<br />

mit einer Bank: Stellen Sie sich vor, Ihre Bank bucht am Jahresende<br />

von Ihren Konten 3.000 Mark ab mit dem Hinweis, man sei<br />

mit den kalkulierten Kosten nicht ausgekommen <strong>un</strong>d brauche auch<br />

noch etwas Geld als Gewinn. Dazu die Droh<strong>un</strong>g, Sie müßten diesen<br />

Betrag zahlen, weil die Bank sonst pleite ginge <strong>un</strong>d Sie dann noch<br />

mehr Geld verlieren würden. Und vielleicht auch noch der <strong>un</strong>verschämte<br />

Hinweis: Im übrigen seien die Einzahl<strong>un</strong>gen auf Ihre Giro-<br />

<strong>un</strong>d Sparkonten Preise für die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Bank, <strong>un</strong>d die<br />

Bank dürfe damit machen, was sie wolle. - Würden Sie nicht nach<br />

dem Staatsanwalt rufen ? -<br />

Im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ruft keiner nach dem Staatsanwalt, obwohl<br />

das Gleiche passiert, tagtäglich in Millionenhöhe. Die Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

ist eben nicht - wie bei Banken - erkennbar, weil der einzelne<br />

Versicherte keinen Kontoauszug über das von ihm bereitgestellte<br />

Geld erhält <strong>un</strong>d weil die Art <strong>un</strong>d Weise der Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen alle Straftatbestände vernebelt. So können<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften "jenseits von Recht <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb" ohne gesetzliche, vertragliche oder wettbewerbsmäßige<br />

Beschränk<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>bemerkt <strong>un</strong>d weitgehend beliebig Treuhandgelder<br />

<strong>un</strong>d deren Erträge für Kosten verschwenden <strong>un</strong>d sind danach<br />

sogar noch per Gesetz gezw<strong>un</strong>gen, den anvertrauten Geldern Gewinne<br />

zu entnehmen, obwohl es hierfür - rechtlich wie wirtschaftlich<br />

- keine Gewinnberechtig<strong>un</strong>g gibt.<br />

Bis heute hat die staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht nicht erkannt,<br />

daß es ihre eigentliche Aufgabe ge<strong>wesen</strong> wäre, den fehlenden Wettbewerb<br />

zu ersetzen, also durch Anweis<strong>un</strong>gen - notfalls auch durch<br />

direkte Eingriffe - für vernünftige Prämien, rationelle Arbeitsweise,<br />

niedrige Kosten <strong>un</strong>d berechtigte, also durch rationelles Arbeiten erwirtschaftete<br />

Gewinne bei den Gesellschaften zu sorgen. Und bei<br />

den <strong>un</strong>geregelten Vermögensverhältnissen hätte eine Aufsichtsbe-<br />

63


hörde außerdem darauf hinwirken müssen, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

die Beitragsüberschüsse nicht als Gewinne einstecken, sondern<br />

möglichst <strong>un</strong>geschmälert denen zugute kommen lassen, aus<br />

deren Geld sie stammen - den Versicherten.<br />

Dieses ist nur teilweise geschehen: Im Bereich der Kfz-<br />

Haftpflicht, Lebens- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>g gibt es gewisse<br />

Rückerstatt<strong>un</strong>gspflichten für überschüssige Beiträge (übrigens ein<br />

Widerspruch zur These der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften, ihre<br />

Prämien seien Preise: Welcher Bäcker muß Teile der Preise für seine<br />

Brötchen an die K<strong>un</strong>den zurückzahlen?-). Aber für skrupellose <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager<br />

gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Verpflicht<strong>un</strong>g<br />

zur Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g zu umgehen, wie wir noch sehen<br />

werden (z. B. durch falsche Kostenzuweis<strong>un</strong>gen oder über die<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g). Und bei den meisten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten brauchen<br />

Beitragsüberschüsse überhaupt nicht zurückerstattet zu werden.<br />

So nahmen die deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen im Jahre<br />

1988 zum Beispiel in der Unfallversicher<strong>un</strong>g 5,6 Milliarden Mark an<br />

Prämien ein, weisen aber - selbst nach getürkten Branchenzahlen -<br />

nur 1,5 Milliarden Mark an "Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle"<br />

aus (einschließlich Regulier<strong>un</strong>gskosten <strong>un</strong>d Reserven für noch nicht<br />

erledigte Fälle). Die tatsächlich ausgezahlten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

liegen sicher nur um etwa eine Milliarde Mark. Noch erschütternder<br />

ist das Ergebnis bei der Kfz-Insassen<strong>un</strong>fallversicher<strong>un</strong>g.<br />

Hier wird oft nur jede sechste bis achte Mark für wirkliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

ausgezahlt. Das Aufsichtsamt hat alldem bisher tatenlos<br />

zugesehen.<br />

Kardinalfehler 4:<br />

"Legaler Betrug" - gesetzlich zementiert<br />

War schon die Zulass<strong>un</strong>g der spekulativen Arbeitsweise von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

ein Fehler, so war es ein noch größerer<br />

Fehler, den Gesellschaften durch die Staatsaufsicht auch noch<br />

eine staatliche Gewinngarantie <strong>un</strong>d ein Alibi für ihre rechtswidrige<br />

Arbeitsweise zu verschaffen. Aber damit noch nicht genug. Es folgte<br />

Kardinalfehler Nummer vier: Kurz nach der Jahrh<strong>un</strong>dertwende<br />

schuf der Gesetzgeber auch noch das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-Gesetz<br />

(VVG), das die rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrige Arbeitsweise der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften vollends festgeschrieben <strong>un</strong>d<br />

legalisiert hat, nämlich durch die Regel<strong>un</strong>g in § 1 VVG, daß der Ver-<br />

64


sicherte die Prämie zu zahlen <strong>un</strong>d das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

nur die vertraglich vereinbarten Leist<strong>un</strong>gen zu erbringen hat. Kein<br />

Wort über die zwangsläufig entstehenden Prämienüberschüsse, deren<br />

Verwend<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Zuordn<strong>un</strong>g. Selbst der Sparvorgang bei der<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g soll Versicher<strong>un</strong>g sein. Und der Versicherte<br />

soll beim Vertragsablauf - also oft nach Jahrzehnten - nur einen<br />

gesicherten Anspruch auf die vereinbarte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

haben, die in etwa den während der Vertragsdauer eingezahlten<br />

Prämien entspricht. Eine Beteilig<strong>un</strong>g an den Erträgen aus seinem<br />

Spargeld erhält er nur, wenn die Unternehmen diese nicht für andere<br />

Dinge - zum Beispiel zum Ausgleich ihrer <strong>un</strong>ternehmerischen Verluste<br />

- ausgegeben oder sonstwie wegmanipuliert haben. Der Möglichkeiten<br />

gibt es dafür viele, wie wir bei näherer Betracht<strong>un</strong>g des<br />

"Tatorts Bilanz" noch sehen werden.<br />

Geld <strong>un</strong>d Geld vermengt sich leicht –<br />

Ursache für die Entsteh<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g zur<br />

festen Prämie<br />

Wie ein ganzer Wirtschaftszweig entstehen konnte, der vortäuscht,<br />

Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d das Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen produzieren <strong>un</strong>d<br />

gegen eine feste Prämie verkaufen zu können <strong>un</strong>d in dem seit mehr<br />

als h<strong>un</strong>dert Jahren Aktiengesellschaften ohne äquivalente Leist<strong>un</strong>g<br />

zufallsbedingte Gewinne aus - notwendigerweise - überkalkulierten<br />

Prämien ziehen, kann man nur verstehen, wenn man sich das Wesen<br />

<strong>un</strong>d die Entwickl<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g noch einmal vor Augen<br />

führt:<br />

Versicher<strong>un</strong>g wird durch Geld hergestellt, durch das Geld der<br />

Versicherten. Die Kosten der traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

wurden ebenfalls mit Geld bezahlt. Das Besondere ist hier<br />

also, daß eine Dienstleist<strong>un</strong>g an Geld erbracht <strong>un</strong>d mit Geld bezahlt<br />

wird, wodurch natürlich die Möglichkeit gegeben war, den Preis für<br />

die Dienstleist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d den Gegenstand der Dienstleist<strong>un</strong>g - Geld<br />

<strong>un</strong>d Geld - <strong>un</strong>trennbar zu vermischen. Das bedeutete bei den traditionellen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen keine Gefahr, weil diese nicht<br />

nach Gewinn strebten, alle Beiträge als Vermögen der Versicherten<br />

behandelten <strong>un</strong>d nach Abschluß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>periode Überschüsse<br />

erstatteten. Die Versicherten hatten sich an dieses System<br />

gewöhnt, das den Eindruck eines Kaufvertrages erweckt, obwohl<br />

65


sich in diesem Vorgang die Dienstleist<strong>un</strong>g einer Verwalt<strong>un</strong>gsstelle<br />

<strong>un</strong>d die Versicher<strong>un</strong>g als Leist<strong>un</strong>g der Versicherten vermischten.<br />

Die Versicherten trennten sich mit der Beitragszahl<strong>un</strong>g gedanklich<br />

von ihrem Geld, weil ihnen bewußt war, daß sie dieses Geld den<br />

Geschädigten schenken oder spenden mußten, wenn sie selbst in<br />

einem Schadenfall eine Entschädig<strong>un</strong>g von den Mitversicherten geschenkt<br />

bekommen wollten. Bei diesem gemeinschaftlichen Sparen<br />

für den Schadenausgleich hat der Versicherte eine andere Vorstell<strong>un</strong>g<br />

als derjenige, der für sich selbst spart. Der einzelne interessiert<br />

sich natürlich viel mehr dafür, was mit seinem Geld geschieht; denn<br />

er will dieses Geld wieder haben. Die Vorstell<strong>un</strong>g des einzelnen<br />

beim individuellen Sparen ist die, daß er sein Geld einer Bank oder<br />

Sparkasse zur Verwalt<strong>un</strong>g anvertraut, daß dieses Geld aber sein<br />

Vermögen verbleibt <strong>un</strong>d nur er allein darüber verfügen kann. Ein<br />

Sparer wie der Inhaber eines Girokontos würde es sich sehr verbitten,<br />

daß sich die Bank am Jahresende seine Guthaben als Gewinn<br />

aneignet.<br />

Die Vorstell<strong>un</strong>g des einzelnen beim "gemeinschaftlichen Sparen<br />

für Notfälle" innerhalb einer Versichertengemeinschaft ist dagegen,<br />

daß er sein Geld für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen - wie eine Spende -<br />

hingeben muß <strong>un</strong>d nur etwas wieder bekommt, wenn er selbst einen<br />

Schaden hat. Er verschenkt oder "spendet" sein Geld <strong>un</strong>d vertraut<br />

es einer Verwalt<strong>un</strong>gsstelle zur Verteil<strong>un</strong>g an. Diese soll das gemeinschaftlich<br />

angesparte Geld treuhänderisch verwalten.<br />

Diese besonderen Umstände - die Tatsache, daß der Gegenstand<br />

der Dienstleist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d der Preis aus demselben Material bestehen,<br />

die traditionelle Vermisch<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Kostenbeitrag<br />

bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereinen, die Vertrauensseligkeit der Versicherten<br />

<strong>un</strong>d ihre gedankliche Trenn<strong>un</strong>g vom "gespendeten" Beitrag<br />

- nutzten die Gründer der Aktiengesellschaften für ihr Geschäft aus<br />

- für ein Geschäft mit der Ungewißheit <strong>un</strong>d der Unwissenheit. Sie<br />

konnten ohne Schwierigkeiten ihre neuartige Versicher<strong>un</strong>g zur festen<br />

Prämie einführen, die sich genau der Vorstell<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

vom <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vorgang anpaßte. Die Versicherten "spenden"<br />

auch hier ihre Prämie <strong>un</strong>d erhalten auch hier im Schadenfall<br />

eine Entschädig<strong>un</strong>g geschenkt. Weil aber die Aktiengesellschaften<br />

die Sparer- <strong>un</strong>d Versichertengemeinschaft abgeschafft <strong>un</strong>d damit<br />

auch jede Kontrolle sowie nachträgliche Abrechn<strong>un</strong>gen oder Erstatt<strong>un</strong>gen<br />

beseitigt hatten, merkten die Versicherten gar nicht, daß sie<br />

von n<strong>un</strong> an den Aktiengesellschaften die sicheren, zufallsbedingten<br />

66


Prämienüberschüsse spendeten; für die Überschüsse aus Geld, welches<br />

die Versicherten für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen bereitstellen <strong>un</strong>d<br />

das nicht verbraucht wurde, kann es überhaupt keine Gegenleist<strong>un</strong>g<br />

der Aktiengesellschaften geben.<br />

Die Vermeng<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

Niemand erkannte, daß auch Aktiengesellschaften wie alle Verwalt<strong>un</strong>gsstellen<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nur eine Dienstleist<strong>un</strong>g erbringen<br />

können, weil sich weder Produktion noch Spekulation mit Versicher<strong>un</strong>g<br />

vereinbaren lassen. Wegen der besonderen überlieferten<br />

Umstände gelang es den Aktiengesellschaften jedoch, Versicher<strong>un</strong>g,<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Spekulation miteinander zu vermischen <strong>un</strong>d daraus<br />

eine Massenspekulation ohne Risiko zu machen, die zu einer <strong>un</strong>gerechtfertigten<br />

Bereicher<strong>un</strong>g führt <strong>un</strong>d - rechtlich gesehen - sogar<br />

den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt.<br />

Tatsächlich besteht die Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie aus folgenden<br />

Vorgängen:<br />

1. aus der Versicher<strong>un</strong>g, die durch die Versicherten mit dem<br />

durch sie bereitgestellten Geld hergestellt wird,<br />

2. aus einer Dienstleist<strong>un</strong>g, für die die Aktiengesellschaften beliebig<br />

viele Kosten der <strong>un</strong>geteilten Prämie entnehmen können,<br />

3. aus einer Spekulation ohne Risiko auf die sicheren, nur der<br />

Höhe nach zufallsbedingten Überschüsse aus fremden Geld.<br />

4. Bei der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g kommt noch ein Sparvorgang<br />

hinzu.<br />

Wer also die Probleme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> erkennen will, muß<br />

sich von der Vorstell<strong>un</strong>g lösen, <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

produzierten <strong>un</strong>d verkauften Versicher<strong>un</strong>g gegen die Prämie als<br />

Preis. Denn wer diesem von der Branche erzeugten <strong>un</strong>d bis heute<br />

erhaltenen Irrglauben <strong>un</strong>terliegt, kann überhaupt nichts Schlimmes<br />

<strong>un</strong>d schon gar nichts Kriminelles daran finden, wenn sich Aktiengesellschaften<br />

permanent die zwangsläufig entstehenden Prämienüberschüsse<br />

als ihren Gewinn einstecken. Ein Bäcker kann sich die<br />

100.000 Mark an Gewinn einstecken, die er am Jahresende nach Abzug<br />

seiner Kosten vom Umsatz übrigbehält. Ohne Zweifel ! - Eine<br />

Bank kann sich dagegen nicht die Überschüsse auf den Konten ihrer<br />

K<strong>un</strong>den als Gewinn aneignen. Auch hier kein Zweifel ! - Kann sich<br />

eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft die Überschüsse als Gewinn<br />

67


einstecken, die von dem Versichertengeld nicht für Schäden ausgezahlt<br />

worden sind <strong>un</strong>d von den stets überkalkulierten Prämien übrigbleiben<br />

? - Ähnelt dieser Überschuß mehr dem des Bäckers oder<br />

dem der Bank ? - Die Antwort der Verantwortlichen ist schizophren:<br />

Bei der Lebens-, Kranken- <strong>un</strong>d Kfz-Versicher<strong>un</strong>g sollen die Versicherten<br />

- ähnlich wie Bankk<strong>un</strong>den - einen Anspruch auf die Überschüsse<br />

haben, bei allen anderen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten sollen sich die<br />

Unternehmen die Überschüsse aber als Gewinn einstecken dürfen -<br />

wie der Bäcker - alles nach dem alleinigen Paragraphen 1 des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-Gesetzes.<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist keine Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

Nur die Organisation der "Versicher<strong>un</strong>g" durch Unternehmen<br />

ist eine Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

Unbestrittene Tatsache ist, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich sowie Überschüsse aus<br />

dem Sparbereich neben dem Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

als Gewinn verwenden. Für die Dividendenzahl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d die<br />

Selbstfinanzier<strong>un</strong>g des Eigenkapitals aus Versichertengeld brauchen<br />

die Aktiengesellschaften natürlich eine Gewinnberechtig<strong>un</strong>g. Gewinne<br />

müssen sich auf eine wirtschaftliche Leist<strong>un</strong>g stützen. Und<br />

dafür kommt nur eine Dienstleist<strong>un</strong>g oder ein Produkt in Frage.<br />

Versicher<strong>un</strong>g wird oft als eine Dienstleist<strong>un</strong>g oder Finanzdienstleist<strong>un</strong>g<br />

bezeichnet. Dann müßte die Prämie der Preis für diese<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g sein. Und die Gesellschaften könnten über die Prämienüberschüsse<br />

nach Gutdünken verfügen. Dienstleist<strong>un</strong>gen sind<br />

Arbeitsleist<strong>un</strong>gen an fremden Personen oder Sachen zur Herbeiführ<strong>un</strong>g<br />

eines Erfolges. Der Schuster, der Schuhe repariert; der Schneider,<br />

der aus dem angelieferten Stoff einen Anzug fertigt; die chemische<br />

Reinig<strong>un</strong>g, die den Anzug reinigt; die Bank, die das Geld verwaltet,<br />

überweist oder anlegt; die Post, die Briefe <strong>un</strong>d Pakete verteilt;<br />

der Arzt, der einen Patienten behandelt: Alle erbringen Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

an fremden Personen oder Sachen.<br />

Die traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen haben nicht Versicher<strong>un</strong>g<br />

hergestellt. Sie haben aber zweifellos Dienstleist<strong>un</strong>gen erbracht,<br />

indem sie die Beiträge der Versicherten eingezogen, verwaltet<br />

<strong>un</strong>d verteilt haben. Die Verwalt<strong>un</strong>gsstellen trugen dabei aber kein<br />

<strong>un</strong>ternehmerisches Risiko, weil sie den ihnen anvertrauten Geldern<br />

alle notwendigen Aufwend<strong>un</strong>gen entnehmen <strong>un</strong>d notfalls Beiträge<br />

68


nacherheben durften. Diese besonderen Umstände bei der Verwalt<strong>un</strong>g<br />

von Versichertengemeinschaften (das Fehlen jeglichen Risikos<br />

<strong>un</strong>d das Im-Voraus-Bereitstellen von Geldern für die Arbeitsleist<strong>un</strong>gen)<br />

sind übrigens der Gr<strong>un</strong>d dafür, daß die traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

ohne jeden Gewinnanspruch gearbeitet haben<br />

<strong>un</strong>d auch heute noch arbeiten.<br />

Dieses risikolose Arbeiten von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereinen <strong>un</strong>d öffentlich-rechtlichen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen wäre aber kein Hinder<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>d,<br />

daß Aktiengesellschaften nicht gleiche Leist<strong>un</strong>gen<br />

erwerbswirtschaftlich erbringen <strong>un</strong>d aus der Rentabilität der Arbeitsweise<br />

<strong>un</strong>d Kapitalverwalt<strong>un</strong>g Gewinne erzielen können. Nur<br />

hätte es dann ganz wichtiger Veränder<strong>un</strong>gen bedurft, um die Arbeitsleist<strong>un</strong>gen<br />

der traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen in die<br />

Form einer gewinnorientierten Dienstleist<strong>un</strong>g zu bringen. Für eine<br />

derartige Dienstleist<strong>un</strong>g hätten die Aktiengesellschaften einen Preis<br />

verlangen müssen. Dann hätten sie den Überschuß dieser Preise über<br />

ihre Kosten als Gewinn vereinnahmen können. Und sie hätten<br />

für die Anlage von Versichertengeld - wie Banken - für bestimmte<br />

Zeitabschnitte Zinsen zusagen <strong>un</strong>d die erwirtschafteten Zinsüberschüsse<br />

ebenfalls als Gewinn vereinnahmen können.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften hätten dann aber im Gegensatz<br />

zu den nicht-erwerbswirtschaftlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

die Prämie aufteilen, also neben dem reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag<br />

einen Preis für ihre Dienstleist<strong>un</strong>g angeben müssen. Die Preise<br />

für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen wären als ihr Umsatz in die <strong>un</strong>eingeschränkte<br />

Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt der Gesellschaften übergegangen, die<br />

eigentlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge hätten aber als Sondervermögen,<br />

als Vermögen der Versichertengemeinschaft, verwaltet werden müssen.<br />

So arbeiten alle anderen Geldinstitute (Banken, Sparkassen <strong>un</strong>d<br />

Kapitalanlagegesellschaften), die das Geld ihrer K<strong>un</strong>den treuhänderisch<br />

verwalten - nur nicht <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften ! -<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften hätten zum Beispiel folgendes<br />

Angebot machen können: "Für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz zahlen<br />

Sie als Beitrag 300 Mark. Ein Überschuß wird erstattet oder - soweit<br />

Sicherheitskapital zu bilden ist - bis Ende des Jahres mit x Prozent<br />

verzinslich angesammelt. Der Preis für <strong>un</strong>sere Dienstleist<strong>un</strong>gen beträgt<br />

100 Mark." - Es scheint z<strong>un</strong>ächst keinen Unterschied zu den<br />

jetzigen Verhältnissen zu geben, denn die Gesellschaften verlangen<br />

heute für den gleichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz vielleicht auch nur eine<br />

Prämie von 400 Mark. Und doch besteht ein gewaltiger Unterschied:<br />

69


Die Unternehmen können nämlich zur Zeit mehr als 100 Mark an<br />

Kosten aufwenden <strong>un</strong>d dann die Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen mit den<br />

Überschüssen aus den überkalkulierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträgen ausgleichen.<br />

Und sie können außerdem den verbleibenden Überschuß<br />

auch noch als Gewinn vereinnahmen, obwohl sie eigentlich in ihrem<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich Verluste gemacht haben. Die Gewinn- <strong>un</strong>d<br />

Verlustrechn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Bilanzen - Tatort für Betrug <strong>un</strong>d Untreue -<br />

machen das bei einer <strong>un</strong>geteilten Prämie möglich.<br />

Das oben dargestellte "aufgeteilte" Angebot hätte genau den Vorgängen<br />

im Banken- <strong>un</strong>d Sparkassen<strong>wesen</strong> entsprochen. Die Aufteil<strong>un</strong>g<br />

der Prämie <strong>un</strong>d die Angabe eines Preises würde auch im Einklang<br />

stehen mit der Art <strong>un</strong>d Weise, wie <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

- ob n<strong>un</strong> die traditionellen oder Aktiengesellschaften - in der Volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtrechn<strong>un</strong>g behandelt werden. Diese nationale<br />

Buchhalt<strong>un</strong>g ermittelt bekanntlich die von einer Volkswirtschaft erbrachten<br />

Leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d ordnet sie denen zu, die sie erbracht haben.<br />

Und hier werden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ganz eindeutig als<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe behandelt: Nicht ihre Prämieneinnahmen,<br />

sondern nur die Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile der Prämien werden - wie<br />

Preise - als Wertschöpf<strong>un</strong>g im Sinne des Bruttosozialproduktes angesehen.<br />

Demzufolge müßten die Aktiengesellschaften diese Preise<br />

für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen angeben; denn auch für sie gilt die Preisangaben-Verordn<strong>un</strong>g,<br />

die alle Anbieter von Waren <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

verpflichtet, die Preise für ihre wirtschaftlichen Leist<strong>un</strong>gen anzugeben<br />

- die <strong>wesen</strong>tlichste Voraussetz<strong>un</strong>g für Wettbewerb. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

geben aber keine Preise für ihre<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen an, sondern verstecken diese in den Prämien.<br />

Die <strong>un</strong>geteilte Prämie ist kein Preis<br />

So schreibt Prof. Dr. Werner Mahr im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaftlichen<br />

Studienwerk: "Die in den Bruttoprämien mitenthaltenen Risikoanteile<br />

sind Leist<strong>un</strong>gen, die die Versicherten aufgebracht haben.<br />

Die in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien enthaltenen Risikoanteile stammen<br />

aus dem Einkommen der Versicherten <strong>un</strong>d werden den vom<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fall Betroffenen als sogenannte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g<br />

zugeleitet. Die organisatorische Leist<strong>un</strong>g, die die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zu diesen Vorgängen beitragen, drückt sich in dem dafür<br />

bezahlten Entgelt, eben im Verwalt<strong>un</strong>gskostenanteil der Prämieneinnahme,<br />

aus."<br />

70


Der B<strong>un</strong>desminister für Wirtschaft hat diese Tatsache in einem<br />

Schreiben vom April 1981 bestätigt: "Der Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ist nur der Verwalt<strong>un</strong>gskostenanteil."<br />

- Er verweist dabei auf eine Veröffentlich<strong>un</strong>g des Statistischen<br />

B<strong>un</strong>desamtes in der Zeitschrift "Wirtschaft <strong>un</strong>d Statistik" aus<br />

dem Jahre 1970, wo es heißt: "Bei der Berechn<strong>un</strong>g der Produktionsleist<strong>un</strong>g<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen bieten sich besondere<br />

Schwierigkeiten. Sie beruhen bei den Beitragseinnahmen darauf, daß<br />

diese nicht nur Entgelt für die Dienstleist<strong>un</strong>gen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

sind, sondern gleichzeitig auch den Beitrag der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

zur Deck<strong>un</strong>g von Schäden <strong>un</strong>d - im Falle der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

- auch Sparleist<strong>un</strong>gen enthalten, die das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

bis zum Eintritt der Fälligkeit verwaltet <strong>un</strong>d bezüglich<br />

derer es die F<strong>un</strong>ktion eines Kapitalanlage<strong>un</strong>ternehmens ausübt.<br />

Der Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil ist das eigentliche Entgelt für die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen."<br />

Dementsprechend schreibt der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler<br />

Prof. Dr. Klaus-Thomas Krycha im Jahre 1982 in einer gutachterlichen<br />

Stell<strong>un</strong>gnahme zur Problematik der Versicher<strong>un</strong>g: "Die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie ist kein Preis, wie es von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft<br />

fälschlich behauptet wird. Die Risiko- <strong>un</strong>d Sparanteile<br />

der Prämien können keine Preisbestandteile sein."<br />

So mußte die von den Aktiengesellschaften beherrschte Branche<br />

in einer Schrift "Gesamtleist<strong>un</strong>gsrechn<strong>un</strong>g für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft"<br />

im Jahre 1985 - sicher zähneknirschend - einräumen: "In<br />

der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechn<strong>un</strong>g wird die Produktionsleist<strong>un</strong>g<br />

der Assekuranz durch Eliminier<strong>un</strong>g der Leist<strong>un</strong>g an den<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer auf das sogenannte Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt reduziert.<br />

Für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft wird (nur) der Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil<br />

an den Prämieneinnahmen als Wertschöpf<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d wirtschaftliche<br />

Leist<strong>un</strong>g angesetzt. Der Risikoanteil wird als Umverteil<strong>un</strong>g<br />

der Einkommen von den Beitragszahlern auf die zu entschädigenden<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer interpretiert. Die Versicher<strong>un</strong>g wird<br />

gleichsam als treuhänderisch verwaltendes <strong>un</strong>d umverteilendes, nicht<br />

aber als <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz leistendes Unternehmen dargestellt."<br />

Der Herausgeber der Wirtschaftswoche, Prof. Wolfram Engels,<br />

schrieb im Jahre 1990 in einem Kommentar, daß Versicher<strong>un</strong>g "kein<br />

Gut ist, sondern ein Versprechen zu gegenseitiger Hilfe, von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

lediglich organisiert". Also auch hier die Mein<strong>un</strong>g,<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erbringen nur eine organisatori-<br />

71


sche Dienstleist<strong>un</strong>g. Tatsächlich kann die von Aktiengesellschaften<br />

betriebene Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie auch aus betriebswirtschaftlicher<br />

Sicht keine Dienstleist<strong>un</strong>g sein. Solange die Prämie nicht<br />

aufgeteilt ist in einen reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag <strong>un</strong>d einen Preis<br />

für die Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen, fehlt dafür der sogenannte<br />

"externe Faktor" oder "Objektfaktor", ohne den eine Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

nicht erbracht werden kann: der Anzug bei der Reinig<strong>un</strong>g, das Paket<br />

bei der Post, das Geld im Giroverkehr, die Person im Unterricht oder<br />

beim Arzt.<br />

Die Professoren Kern <strong>un</strong>d Krycha beschreiben Objektfaktoren<br />

als spezielle, für den Produktionsprozeß einer Dienstleist<strong>un</strong>g benötigte<br />

Produktionsfaktoren, die zu keinem Güterverzehr <strong>un</strong>d damit<br />

auch nicht zu Kosten führen <strong>un</strong>d die nicht juristisches Eigentum des<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes werden. Dieser externe Faktor, der immer<br />

im Vermögensbereich des Auftraggebers der Dienstleist<strong>un</strong>g bleiben<br />

muß, ist im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> das Geld der Versicherten - <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

<strong>un</strong>d Spargelder, die die Verwalt<strong>un</strong>gsstellen einziehen,<br />

verwalten, anlegen <strong>un</strong>d verteilen. Es versteht sich von selbst,<br />

daß Gesellschaften, die eine erwerbswirtschaftliche Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> erbringen wollen, dieses ihnen anvertraute<br />

fremde Geld beziffern <strong>un</strong>d getrennt in den Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen<br />

behandeln müssen. Der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler<br />

Prof. Klaus-Thomas Krycha hat einmal geschrieben, daß<br />

der objektive Tatbestand der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g erfüllt sei, wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

anderweitig über dieses Geld verfügen <strong>un</strong>d<br />

es zum Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen oder als Gewinne<br />

verwenden.<br />

Hätten die Aktiengesellschaften vor etwa 150 Jahren ihre Tätigkeit<br />

im Einklang mit all diesen rechtlichen <strong>un</strong>d wirtschaftlichen<br />

Gr<strong>un</strong>dsätzen aufgenommen <strong>un</strong>d würden sie heute so arbeiten, wäre<br />

Versicher<strong>un</strong>g nicht kompliziert geworden <strong>un</strong>d Fragen nach der Leist<strong>un</strong>g<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften, nach dem Preis für<br />

diese Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d nach den vermögensrechtlichen Verhältnissen<br />

hinsichtlich der einzelnen Prämienbestandteile würden sich nicht<br />

stellen: Die Aktiengesellschaften könnten ihre Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

mit einer Dienstleist<strong>un</strong>g begründen. Die Preise für diese Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

würden eindeutig angegeben. Sie gingen in die <strong>un</strong>eingeschränkte<br />

Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt der Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe über. Dagegen<br />

würden die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge Vermögen der Versicherten<br />

bleiben.<br />

72


Wenn also die Leist<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen oft als<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g bezeichnet wird, trifft dieses allenfalls auf die Arbeitsleist<strong>un</strong>gen<br />

der gewinnlos arbeitenden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

zu, nicht aber auf die Arbeitsweise von Aktiengesellschaften. Diese<br />

können gar keine Dienstleist<strong>un</strong>gen erbringen, so lange sie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

nicht als fremdes Geld, also als externen Faktor<br />

ihrer Dienstleist<strong>un</strong>g, behandeln <strong>un</strong>d solange sie keinen Preis für ihre<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g angeben.<br />

Auf jeden Fall: Versicher<strong>un</strong>g selbst ist niemals eine Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

- weder bei den traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen noch<br />

bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften. Versicher<strong>un</strong>g ist <strong>un</strong>d<br />

bleibt die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten, die Umverteil<strong>un</strong>g von Einkommen<br />

von allen Versicherten hin zu den von Schäden Betroffenen.<br />

Und das dafür bereitgestellte Geld kann weder ein Preis noch<br />

der Bestandteil eines Preises sein.<br />

Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie ist kein Produkt<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften bezeichnen die gesamte Prämie<br />

als Preis für ihre Leist<strong>un</strong>g. Wenn die Prämie aber nicht der Preis für<br />

eine Dienstleist<strong>un</strong>g ist, kann sie nur noch der Preis für ein Produkt<br />

sein. So haben denn auch die Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d ihre Wissenschaftler<br />

- allen voran Professor Dieter Farny - tatsächlich eine<br />

"Produktionstheorie der Versicher<strong>un</strong>g" entwickelt, um ihre Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

mit der Produktion <strong>un</strong>d dem Verkauf von Versicher<strong>un</strong>gen<br />

begründen zu können. Sie bezeichnen Versicher<strong>un</strong>g, <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz,<br />

Leist<strong>un</strong>gsversprechen oder Risikotrag<strong>un</strong>g als ihre<br />

Produkte, die sie gegen Zahl<strong>un</strong>g der Prämie verkaufen. Die Prämie<br />

(selbst die Lebensversicher<strong>un</strong>gsprämie mit ihrem überwiegenden<br />

Sparanteil) soll als Preis in die <strong>un</strong>eingeschränkte Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt<br />

der Aktiengesellschaften übergehen mit der Folge, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

scheinbar - wie Kosten - mit dem Geld der Aktiengesellschaften<br />

erbracht werden <strong>un</strong>d Überschüsse dann eben Gewinne<br />

der Aktiengesellschaften sind.<br />

Professor Farny versucht in seinem Standardwerk zur "Produktionstheorie"<br />

seitenlang <strong>un</strong>d krampfhaft zu begründen, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

ein Preis sei, stellt dann aber plötzlich fest: "Der<br />

größte Teil der erheblichen Vermögensbestände wird nur treuhänderisch<br />

verwaltet." - Jeder Student wäre mit einem solchen Widerspruch<br />

durch das Examen gefallen: Wie kann hinten Treuhandgeld<br />

73


entstehen, wenn vorne Preise eingenommen werden ? - Aber Farny<br />

habilitierte mit seiner Schrift zum Wirtschaftsprofessor, ist - neben<br />

seinen F<strong>un</strong>ktionen in <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen - Leiter eines wissenschaftlichen<br />

Instituts der Universität Köln <strong>un</strong>d tritt oft als "neutraler"<br />

Experte bei Anhör<strong>un</strong>gen im B<strong>un</strong>destag auf.<br />

Versicher<strong>un</strong>g kann <strong>un</strong>möglich ein Produkt sein. Es gibt zwar<br />

Produkte im weiteren Sinne, die - wie einige Dienstleist<strong>un</strong>gen - "<strong>un</strong>sichtbar"<br />

sein können. Aber Versicher<strong>un</strong>g ist - wie wir gesehen haben<br />

- keine Dienstleist<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern<br />

als Einkommensumverteil<strong>un</strong>g die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten. Die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften produzieren <strong>un</strong>d verkaufen aber auch<br />

kein Produkt im engeren Sinne. Produkte im engeren Sinne sind<br />

Sachleist<strong>un</strong>gen, die Betriebe durch die Kombination von sogenannten<br />

Produktionsfaktoren (vor allem Material <strong>un</strong>d Arbeit) herstellen<br />

<strong>un</strong>d verkaufen. Sachleist<strong>un</strong>gen können zwar auch einmal - wie Glas -<br />

durchsichtig oder - wie Gase - <strong>un</strong>sichtbar sein. Aber aus Versicher<strong>un</strong>g<br />

kann man <strong>un</strong>möglich eine von Aktiengesellschaften hergestellte<br />

Sachleist<strong>un</strong>g machen. Da hilft auch nicht die bei Branchenf<strong>un</strong>ktionären<br />

beliebte Bezeichn<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>g als "<strong>un</strong>sichtbare Ware".<br />

Wie soll denn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>produktion erfolgen ? - Farny<br />

will "Schadenvergüt<strong>un</strong>gen" zum <strong>wesen</strong>tlichen Produktionsfaktor<br />

von Versicher<strong>un</strong>g machen. Ihm ist es aber nicht gel<strong>un</strong>gen darzustellen,<br />

wie den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen bei der Beschaff<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

beim Verbrauch dieses Produktionsfaktors Kosten entstehen <strong>un</strong>d<br />

wie es bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen zu einem Güterverzehr kommen<br />

soll.<br />

Am Beispiel eines Schneiders ist das Problem vereinfacht darzustellen:<br />

Kauft sich der Schneider Stoff <strong>un</strong>d näht er daraus einen Anzug,<br />

dann produziert er einen Anzug (weil er seinen eigenen Stoff -<br />

als Produktionsfaktor - verarbeitet). Es gibt keinen Auftraggeber,<br />

sondern es muß sich ein Käufer finden. Erhält der Schneider aber<br />

einen Anzug zur Änder<strong>un</strong>g, erbringt der Schneider nur eine Dienstleist<strong>un</strong>g.<br />

Der Auftraggeber zahlt nur einen Dienstleist<strong>un</strong>gspreis. Also<br />

entscheiden die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der bearbeiteten<br />

Sachen über die Frage "Produktion oder Dienstleist<strong>un</strong>g?" <strong>un</strong>d auch<br />

über die Frage: Ist die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie ein Preis ? -<br />

Was beim Schneider der Stoff, ist bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

das Geld. Also wird die Frage "Produktion oder Dienstleist<strong>un</strong>g?"<br />

ebenso wie die Frage "Ist die Prämie ein Preis?" durch die Antwort<br />

74


auf die Frage entschieden: Wem gehört das Geld, mit dem die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

erbracht werden ? -<br />

Zur Frage des "Eigentums an <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geldern" hatte ich im<br />

Jahre 1979 ein aufschlußreiches Gespräch mit Juristen des B<strong>un</strong>desfinanzministerium,<br />

für die sich diese Frage überhaupt nicht stellte.<br />

Sie meinten, weil die Unternehmen das von den Versicherten gezahlte<br />

Geld verwalteten <strong>un</strong>d anlegten, sei dieses Eigentum der Gesellschaften.<br />

Die Ministerialbeamten hatten bei ihrem Jurastudium<br />

offenbar nicht gelernt, daß es verschiedene Eigentumsbegriffe gibt -<br />

einen zivilrechtlichen <strong>un</strong>d einen verfass<strong>un</strong>gsrechtlichen. Der Unterschied<br />

ist an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Wer fremdes<br />

Geld mit eigenem vermischt, wird - zivilrechtlich - Eigentümer<br />

des fremden Geldes. Der frühere Eigentümer hat dafür aber einen<br />

Anspruch auf Herausgabe einer gleichen Geldmenge gegen den neuen<br />

Eigentümer. Dieser vermögensrechtliche Anspruch des früheren<br />

Eigentümers ist - wie alle vermögensrechtlichen Ansprüche - Eigentum<br />

im Sinne der Verfass<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d als solches durch die Eigentumsgarantie<br />

<strong>un</strong>seres Gr<strong>un</strong>dgesetzes geschützt.<br />

Das Geld auf einem Bankkonto gehört also - verfass<strong>un</strong>gsrechtlich<br />

- dem K<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d nicht der Bank. Genauso gehört das von den<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen verwaltete "Geld für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen"<br />

den Versicherten <strong>un</strong>d nicht den Unternehmen. Deshalb<br />

müssen Lebensversicherte auch auf das aus ihren Beiträgen entstandene,<br />

von den Gesellschaften verwaltete Deck<strong>un</strong>gskapital ihrer Versicher<strong>un</strong>gen<br />

Vermögenssteuer bezahlen. Warum sollten sie dieses<br />

t<strong>un</strong>, wenn es sich hierbei - wie die Ministerialbeamten meinen - um<br />

Vermögen der Unternehmen handelt ?<br />

Treuhandgeld, das verteilt wird, kann nur der Objektfaktor einer<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g sein. Also erbringen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen nur<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen beim Einzug, bei der Verwalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d bei der Umverteil<strong>un</strong>g<br />

fremden Vermögens mit dem Erfolg, daß die Versicherten<br />

mit Hilfe dieser Dienstleist<strong>un</strong>gen Versicher<strong>un</strong>g herstellen können.<br />

Die Prämie ist aber nicht der Preis für diese Dienstleist<strong>un</strong>gen,<br />

also sind Prämienüberschüsse keine Unternehmensgewinne. Demnach<br />

ist die Praxis der Gewinnverwend<strong>un</strong>g von Prämienüberschüssen<br />

"jenseits von Recht", weil weder Dienstleist<strong>un</strong>g noch Produktion<br />

die wirtschaftliche Leist<strong>un</strong>g von Aktiengesellschaften im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

ist, auf die sie die Berechtig<strong>un</strong>g stützen können, alle<br />

Prämienüberschüsse als Gewinne zu vereinnahmen. Sie erbringen<br />

zwar Dienstleist<strong>un</strong>gen, geben dafür aber keine Preise an, so daß<br />

75


nicht zu erkennen ist, ob die Gesellschaft im Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich<br />

Gewinne erwirtschaftet hat.<br />

Wer danach - wie die Lobby <strong>un</strong>d ihre Wissenschaftler - meint,<br />

Versicher<strong>un</strong>g sei eine Produktionsleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

der muß auch einen Spediteur zum Produzenten der von<br />

ihm transportierten Möbel erklären oder den Wäschereibesitzer zum<br />

Hersteller der von ihm nur gereinigten Hosen machen - oder den<br />

oben erwähnten Briefträger zum Schreiber des von ihm ausgetragenen<br />

Liebesbriefes.<br />

Autopreis <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie – ein <strong>un</strong>sinniger Vergleich<br />

In einer B<strong>un</strong>destags-Anhör<strong>un</strong>g brachte die SPD-Abgeordnete, Frau<br />

Lilo Bl<strong>un</strong>ck, diese Problematik im Jahre 1990 zur Sprache: "Ist hier<br />

nicht eine klare Trenn<strong>un</strong>g von Versicherten- <strong>un</strong>d Unternehmensgeld<br />

angebracht? Man könnte zum Beispiel Bruttoprämien in einen Risiko-<br />

<strong>un</strong>d Verwalt<strong>un</strong>gskostenanteil aufschlüsseln. Gegebenenfalls<br />

könnte man noch einen Sparanteil hinz<strong>un</strong>ehmen."<br />

Dazu machte der Prof. Farny, der als Experte an der Anhör<strong>un</strong>g<br />

teilnahm, folgende Ausführ<strong>un</strong>gen: "Wettbewerb ist das Handeln mit<br />

Preis-Leist<strong>un</strong>gs-Relation oder mit Preis-Nutzen-Relation. Das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>produkt<br />

bietet einen Nutzen. Und zwar ist das ein einheitlicher<br />

Nutzen. Folglich kann es auch nur einen einheitlichen Preis geben.<br />

Die Aufteil<strong>un</strong>g des Preises nach den Kalkulationsformeln des<br />

Herstellers zu verlangen, ist ein schlichter Unsinn, ein schlicht betriebswirtschaftlicher<br />

Unsinn. Es ist noch niemand auf die Idee gekommen,<br />

von einem Autohersteller zu verlangen, daß er auf die<br />

Rechn<strong>un</strong>g für ein Auto schreibt: Die Karosserie kostet so<strong>un</strong>dsoviel.<br />

Das Blech kostet so<strong>un</strong>dsoviel. Die Räder <strong>un</strong>d der Scheibenwischer<br />

kosten so<strong>un</strong>dsoviel. Anteilige Kosten des Pförtners, anteilige Kosten<br />

des Generaldirektors <strong>un</strong>d so weiter. - Ich weiß nicht, warum die Versicherer<br />

hier mit Forder<strong>un</strong>gen überzogen werden, die in allen anderen<br />

Wirtschaftszweigen schlichtweg als absurd gelten."<br />

Selbst einem B<strong>un</strong>destagsabgeordneten fiel dabei auf, daß hier<br />

wohl Äpfel mit Birnen verglichen wurden. So meinte der finanzpolitische<br />

Sprecher der CDU, Herr Michael Glos: "Das eindrucksvolle<br />

Beispiel von Herrn Professor Farny mit dem Auto trifft dann nicht<br />

zu, wenn ich Kapitalanlage-Sparformen verkaufe." - Sprach's <strong>un</strong>d<br />

wechselte das Thema - bezeichnend für Diskussionen um<br />

Gr<strong>un</strong>dsatzfragen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>: Da stellen Politiker ein-<br />

76


mal interessante <strong>un</strong>d richtige Fragen; diese werden aber in "eindrucksvoller"<br />

Manier von einem vermeintlich neutralen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler<br />

völlig falsch beantwortet. Die Politiker erkennen<br />

oder begreifen das nicht so recht <strong>un</strong>d resignieren. Übrig bleiben<br />

ein paar leicht zweifelnde, aber doch von falschen Theorien beeindruckte<br />

Politiker. Ergebnis: Alles bleibt beim alten.<br />

Die Aussage von Farny "Wettbewerb ist das Handeln mit Preis-<br />

Leist<strong>un</strong>gs-Relation oder mit Preis-Nutzen-Relation" ist w<strong>un</strong>derschön.<br />

Auch die Aussage, "Versicher<strong>un</strong>g (als Leist<strong>un</strong>g der Versicherten)<br />

biete einen Nutzen", könnte noch hingenommen werden. Aber<br />

wenn Farny dann von einem "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>produkt" redet, das<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen produzieren <strong>un</strong>d gegen die Prämie als<br />

"einheitlichen Preis" verkaufen <strong>un</strong>d das Versicherten einen Nutzen<br />

stiftet, dann ist das "schlichter Unsinn", haarsträubender Unsinn.<br />

Prof. Farny geht - als gäbe es daran überhaupt keinen Zweifel -<br />

davon aus, daß Versicher<strong>un</strong>g ein Produkt der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>d die Prämie dafür ein Preis sei. Gerade das wird aber<br />

bestritten. Das weiß Farny, geht darauf aber mit keinem Wort ein,<br />

weil er weiß, daß er in diesem Streit nicht gewinnen kann. Denn<br />

Versicher<strong>un</strong>g als Produkt eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens <strong>un</strong>d die<br />

Prämie dafür als Preis zu bezeichnen, ist genau so ein "betriebswirtschaftlicher<br />

Unsinn", als wenn man Geldüberweis<strong>un</strong>gen oder Sparen<br />

als Produkte von Banken <strong>un</strong>d die Einzahl<strong>un</strong>gen als Preise für solche<br />

"Bankprodukte" darstellen würde.<br />

Also versucht Farny, diesen Streit mit einem "autoritären Bluff"<br />

zu umgehen, indem er - vermutlich - bewußt falsch formuliert, falsche<br />

Begriffe <strong>un</strong>d falsche Vergleiche verwendet. Dabei ist Farnys<br />

Trick leicht zu entlarven, wenn man seine absurde Argumentation<br />

richtigstellt: Die Aufteil<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Prämie sollen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

deshalb nicht vorz<strong>un</strong>ehmen brauchen, weil<br />

ein Autohersteller den Preis für seine Autos nicht aufschlüsselt. Farny<br />

setzt also die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie mit dem Preis für ein Auto<br />

gleich, ohne dies zu begründen. Mit dem Versuch einer solchen Begründ<strong>un</strong>g<br />

ist er - wie wir gerade gesehen haben - schon vor Jahren<br />

kläglich gescheitert, als er - richtig - feststellte, daß der größte Teil<br />

der Vermögensbestände in <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen treuhänderisch<br />

verwaltet wird. Aus Preisen kann n<strong>un</strong> mal kein Treuhandgeld<br />

entstehen ! - Und wie soll der Versicherte vermögensrechtliche Ansprüche<br />

auf sein Geld geltend machen, wenn dieses nirgendwo identifizierbar<br />

ist ? -<br />

77


Es ist eine <strong>un</strong>geheuerliche Täusch<strong>un</strong>g der Verantwortlichen <strong>un</strong>d<br />

der Öffentlichkeit, wenn die Branche die berechtigte Forder<strong>un</strong>g<br />

nach einer Aufteil<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien - wie Prof. Farny -<br />

als Forder<strong>un</strong>g "nach der Aufteil<strong>un</strong>g eines Preises" darstellt. Niemand<br />

fordert die Aufschlüssel<strong>un</strong>g eines Preises, sondern der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie.<br />

Niemand will von einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

wissen, wieviel die Büroeinricht<strong>un</strong>g gekostet hat, wieviel das Papier,<br />

die Kugelschreiber <strong>un</strong>d Radiergummis gekostet haben. Niemand interessieren<br />

die Kosten des Pförtners <strong>un</strong>d des Generaldirektors. Aber<br />

jeder Versicherte hat ein Interesse <strong>un</strong>d ein Recht zu erfahren, welchen<br />

Preis - also Kosten <strong>un</strong>d Gewinne - seine Gesellschaft für ihre<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen beansprucht. Und er hat ein durch die Verfass<strong>un</strong>g<br />

geschütztes Recht zu erfahren, wieviel Geld er eigentlich für den<br />

gemeinschaftlichen Schadenausgleich <strong>un</strong>d wieviel er für sich selbst<br />

anspart. Um es noch einmal zu betonen: Niemand interessiert dabei<br />

eine Aufschlüssel<strong>un</strong>g des Dienstleist<strong>un</strong>gspreises der Gesellschaften<br />

nach Kosten- <strong>un</strong>d Gewinnkalkulationen.<br />

Der Gipfel ist Farnys gespielte Entrüst<strong>un</strong>g darüber, daß "Versicherer<br />

hier mit Forder<strong>un</strong>gen überzogen werden, die in allen anderen<br />

Wirtschaftszweigen schlichtweg als absurd gelten". Wieder ein großer<br />

Bluff. Denn Farny verschweigt dabei, daß zum Beispiel Kapitalanlagegesellschaften<br />

<strong>un</strong>d Banken die Einzahl<strong>un</strong>gen ihrer K<strong>un</strong>den<br />

nicht wie Preise behandeln dürfen, sondern treuhänderisch verwalten<br />

müssen. Warum soll es dann absurd sein, von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

das Gleiche zu verlangen, <strong>un</strong>d zwar mit der Forder<strong>un</strong>g<br />

nach einer Prämienaufteil<strong>un</strong>g in Versichertengeld <strong>un</strong>d einen Dienstleist<strong>un</strong>gspreis<br />

? -<br />

Prof. Farny hat selbst geschrieben, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

- wie andere Finanzdientsleist<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen - das Geld der<br />

Versicherten treuhänderisch verwalten. Dann betreiben <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

ihr Geschäft aber - auch nach Mein<strong>un</strong>g<br />

Farnys - in einer Weise, die in allen anderen Wirtschaftszweigen<br />

nicht nur "absurd", sondern kriminell wäre - nämlich ohne Preisangabe<br />

<strong>un</strong>d mit ständigen Übergriffen in anvertraute K<strong>un</strong>dengelder.<br />

Aber vielleicht tritt ein anderer Wissenschaftler dem Kollegen Farny<br />

demnächst zur Seite <strong>un</strong>d liefert eine Theorie, daß Einzahl<strong>un</strong>gen bei<br />

Banken <strong>un</strong>d Kapitalanlagegesellschaften Preise sein sollen <strong>un</strong>d die<br />

Geldinstitute damit machen dürfen, was sie wollen. Eine solche<br />

Theorie würde allerdings nicht nur als "schlichter Unsinn", sondern<br />

78


als Schwachsinn bezeichnet werden. Warum eigentlich nicht Farnys<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Theorien ? -<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist kein Produkt, sondern die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten.<br />

Prof. Mahr sagte nach seiner Erkenntnis, daß nur der<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil der Prämie der Preis für die Leist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

ist: "Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft hat diesen<br />

Problemen noch nicht die erforderliche Beacht<strong>un</strong>g gewidmet."<br />

Den hiermit verb<strong>un</strong>denen Ratschlag sollte Prof. Farny einmal beherzigen,<br />

der das alles ganz anders sieht. Nach Farny verkauft ein Tennis-Center<br />

Tennisspielen. In Wahrheit vermietet ein Tennis-Center<br />

aber nur einen Platz <strong>un</strong>d bietet den K<strong>un</strong>den die Möglichkeit oder<br />

den Nutzen, Tennis zu spielen. Tennis spielen müssen die K<strong>un</strong>den<br />

alleine.<br />

Nichts anderes gilt für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen oder Banken:<br />

Sie verschaffen ihren K<strong>un</strong>den durch ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen die Möglichkeit<br />

oder den Nutzen, finanzielle Angelegenheiten wie "Geldüberweis<strong>un</strong>gen",<br />

"Sparen" oder "Versichern" auf wirtschaftliche Art<br />

<strong>un</strong>d Weise zu erledigen. Aber der Bankk<strong>un</strong>de bezahlt die Rechn<strong>un</strong>gen<br />

per Überweis<strong>un</strong>g. Der Bankk<strong>un</strong>de spart. Und die Versicherten<br />

versichern sich selbst durch die Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld.<br />

Es wäre "betriebswirtschaftlicher Unsinn", behaupten zu wollen,<br />

eine Bank verkaufe das Bezahlen von Rechn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Sparen an<br />

ihre K<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d Einzahl<strong>un</strong>gen auf Konten seien Preise für "Überweis<strong>un</strong>gs-<br />

<strong>un</strong>d Sparprodukte" der Banken. Dem Bankk<strong>un</strong>den würden<br />

seine eigenen Leist<strong>un</strong>gen verkauft. - Aber die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft<br />

hat es geschafft, daß <strong>un</strong>ser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nach derart<br />

<strong>un</strong>sinnigen Theorien gestaltet ist. Tatsächlich verkaufen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

ihren K<strong>un</strong>den deren eigene Leist<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d stecken sich die Überschüsse aus dieser fremden Leist<strong>un</strong>g<br />

als Gewinn ein.<br />

Man stelle sich vor, ein Autohersteller kommt - wie Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

- auf die Idee, mit dem Verkauf seiner Autos<br />

einen Sparvorgang zu verbinden, schlägt also eine <strong>un</strong>bekannte<br />

Summe auf den Kaufpreis auf <strong>un</strong>d macht folgendes Angebot:<br />

"Wenn Sie alle fünf Jahre bei <strong>un</strong>s einen Volks-Royce kaufen, erhalten<br />

Sie nach dreißig Jahren ihre Sparanteile zuzüglich einer Beteilig<strong>un</strong>g<br />

am Überschuß <strong>un</strong>seres Unternehmens zurück." - Kein Preis<br />

für das Auto, keine Angaben zum Sparanteil <strong>un</strong>d keine Angaben zur<br />

Rendite des Sparvorganges - wie bei Lebenversicher<strong>un</strong>gen. Wenn<br />

jemand auf die Preisangaben-Verordn<strong>un</strong>g verweist <strong>un</strong>d diese Anga-<br />

79


en fordert, steht die Antwort Farnys schon fest: "Wettbewerb ist<br />

das Handeln mit Preis-Nutzen-Relation. Und das Auto-Spar-<br />

Produkt bietet einen Nutzen. Und zwar ist das ein einheitlicher Nutzen.<br />

Also folglich kann es auch nur einen einheitlichen Preis geben.<br />

Die Aufteil<strong>un</strong>g des Preises für das Autosparen zu verlangen, ist<br />

schlicht betriebswirtschaftlicher Unsinn."<br />

Schon bei einer Vermeng<strong>un</strong>g von Warenverkauf <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

- wie bei einer Kfz-Reparatur - werden Ersatzteile <strong>un</strong>d<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen getrennt abgerechnet. Man kann sich leicht den<br />

Protest eines Fahrzeughalters vorstellen, wenn ihm nach einer großen<br />

Reparatur seines Autos nur gesagt würde, er habe 9.998,50 DM<br />

zu bezahlen - ohne Aufschlüssel<strong>un</strong>g der einzelnen Leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d<br />

ohne Preisangaben für eingebaute Ersatzteile. Bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

wird dagegen die Dienstleist<strong>un</strong>g des Unternehmens nicht<br />

einmal von der eigenen Leist<strong>un</strong>g des Versicherten - nämlich von<br />

seiner Sparleist<strong>un</strong>g - abgetrennt.<br />

Was Farny völlig übergeht: Marktwirtschaftliche Betätig<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb ist nur möglich um Vorgänge, die einen Austausch von<br />

Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Gegenleist<strong>un</strong>g bewirken. Und nur soweit ein Leist<strong>un</strong>gsaustausch<br />

stattfindet, kann es einen Preis geben - bei einem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag also nur hinsichtlich der Dienstleist<strong>un</strong>gen von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d des entsprechenden Entgelts, also<br />

des Dienstleist<strong>un</strong>gsanteils der Prämie. Versicher<strong>un</strong>g bringt den Versicherten<br />

zwar einen weiteren Nutzen. Den haben aber nicht <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

hergestellt, sondern die Versicherten selbst.<br />

Hinsichtlich der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g findet kein Austausch zwischen<br />

dem Geschädigten <strong>un</strong>d dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen statt,<br />

sondern eine ganz schlichte Einkommensumverteil<strong>un</strong>g zwischen<br />

den Versicherten als Gmeinschaft. Und diese Einkommensumverteil<strong>un</strong>g<br />

hat nichts mit Markt <strong>un</strong>d Wettbewerb zu t<strong>un</strong>.<br />

Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie - Massenspekulation<br />

ohne Risiko<br />

Das Besondere der "Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften" ist<br />

die - angebliche - Garantief<strong>un</strong>ktion des von den Aktionären eingezahlten<br />

Eigenkapitals. Wenn die eingenommenen Prämien nicht ausreichen,<br />

um alle Kosten zu decken <strong>un</strong>d alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

zu erbringen, müßte theoretisch das Eigenkapital angegriffen werden.<br />

Dann gäbe es wirklich einen im Eigentum des Unternehmens<br />

80


stehenden Produktionsfaktor, mit dem Schadenzahl<strong>un</strong>gen erbracht<br />

würden.<br />

Das Eigenkapital könnte verloren gehen. Das ist aber ein Risiko,<br />

das jeder Aktionär eingeht. Und da <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe keine großen Maschinenparks wie Produktionsbetriebe<br />

brauchen, können <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften mit äußerst<br />

geringem Eigenkapital gegründet <strong>un</strong>d betrieben werden. Außerdem<br />

werden derart überhöhte Prämien kalkuliert, daß ein Risiko<br />

gar nicht erst entstehen kann - auch weil sich aus den ständigen Überschüssen<br />

im Hintergr<strong>un</strong>d gewaltige Vermögensmassen ansammeln,<br />

die jedes Risiko eliminieren <strong>un</strong>d neben denen das von den Aktionären<br />

eingezahlte Eigenkapital einen verschwindend geringen<br />

Bruchteil ausmacht. So ist in einem polizeilichen Ermittl<strong>un</strong>gsbericht<br />

aus dem Jahre 1990 nachzulesen: "Welchen geringen Stellenwert das<br />

Eigenkapital bei der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft hat, ist ersichtlich aus<br />

einer Gegenüberstell<strong>un</strong>g der Kapitalanlagen im Verhältnis zum Eigenkapital.<br />

Das Eigenkapital beträgt nur sechs Promille (0,6 Prozent)<br />

der Gesamtkapitalanlagen der Gesellschaft."<br />

Aber gehen wir einmal der Argumentation nach, durch die Bereitstell<strong>un</strong>g<br />

von Eigenkapital würde Versicher<strong>un</strong>g hergestellt. Diese<br />

Mein<strong>un</strong>g übersieht, daß z<strong>un</strong>ächst einmal durch das von den Versicherten<br />

- <strong>un</strong>d zwar im Übermaß - bereitgestellte Kapital Versicher<strong>un</strong>g<br />

hergestellt wird. Nur das Versprechen der Gesellschaft, Eigenkapital<br />

zu opfern, wenn die überkalkulierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

<strong>un</strong>d die aus ihnen gebildeten Reserven nicht ausreichen sollten, stellt<br />

jedenfalls - für sich allein - nicht Versicher<strong>un</strong>g her.<br />

Nehmen wir einmal an, daß 99 Prozent des für Schadenzahl<strong>un</strong>gen<br />

zur Verfüg<strong>un</strong>g stehenden Kapitals aus Versichertengeld besteht<br />

<strong>un</strong>d nur ein Prozent aus Aktionärsgeld: Dieses eine Prozent würde<br />

nur zu einem Prozent zur Herstell<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g beitragen.<br />

Und das auch nur in dem einen Fall, wo die Schadenquote 100 Prozent<br />

erreicht <strong>un</strong>d das Aktionärsgeld - als letztes Prozent - eingesetzt<br />

würde. Würde die Schadenquote von 100 Prozent überschritten, wäre<br />

das ganze Vorhaben, Versicher<strong>un</strong>g herzustellen, gescheitert, weil<br />

dann nämlich die letzten Geschädigten kein Geld bekommen würden.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften könnten also - <strong>un</strong>d das auch<br />

nur theoretisch - zu einem verschwindend geringen Bruchteil an der<br />

Spekulation um Versicher<strong>un</strong>g beteiligt sein, verlangen dafür aber bei<br />

81


den meisten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten 100 Prozent der Überschüsse als<br />

ihren Gewinn.<br />

An diesem Beispiel wird vielleicht deutlich, daß Aktiengesellschaften<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> - wie alle anderen Wirtschafts<strong>un</strong>ternehmen<br />

- nur einen Anspruch auf eine angemessene Eigenkapitalrendite<br />

geltend machen können. Darüber hinaus könnten sie natürlich<br />

auch noch Gewinne aus rationellem Wirtschaften im Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich<br />

erzielen. Da <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

aber keine Preise für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen angeben, sind solche<br />

Gewinne nicht erkennbar. Aber auch Verluste sind nicht zu erkennen,<br />

weil die Unternehmen diese mit den Überschüssen aus dem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich ausgleichen können. So sind die Gesellschaften<br />

nicht zu rationellem Wirtschaften gezw<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d tragen nicht<br />

einmal ein <strong>un</strong>ternehmerisches Risiko.<br />

Die Leist<strong>un</strong>g der Aktiengesellschaften im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist<br />

also nicht die Herstell<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g. Und sie erbringen auch<br />

keine Dienstleist<strong>un</strong>gen, weil sie keinen Dienstleist<strong>un</strong>gspreis angeben.<br />

Was aber t<strong>un</strong> oder leisten denn n<strong>un</strong> <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften in einem System der Versicher<strong>un</strong>g zur festen<br />

Prämie? - Tatsächlich gehen sie ein - wenn auch verschwindend geringes<br />

- Verlustrisiko ein mit der Chance, einen Gewinn zu erzielen.<br />

Sie tauschen ein <strong>un</strong>gewisses Leist<strong>un</strong>gsversprechen gegen eine feste<br />

Prämie mit dem Ziel, einen zufallsbedingten Vermögensvorteil zu<br />

erzielen, was auf keinen Fall ein marktwirtschaftlicher<br />

Austauschprozeß sein kann. Denn Gr<strong>un</strong>dlage dieses Geschäfts ist<br />

die Ungewißheit der Zuk<strong>un</strong>ft. Also werden hier nicht zwei Leist<strong>un</strong>gen<br />

gegeneinander ausgetauscht, sondern nur ein Leist<strong>un</strong>gsversprechen<br />

gegen eine Prämie. Tatsächlich bezeichnen die Aktiengesellschaften<br />

selbst ihre Leist<strong>un</strong>g als das "Tragen eines versicher<strong>un</strong>gstechnischen<br />

Risikos". Und auf diese Risikotrag<strong>un</strong>g - oft auch Gefahrtrag<strong>un</strong>g<br />

genannt - stützen die Aktiengesellschaften ihre Berechtig<strong>un</strong>g,<br />

alle Prämienüberschüsse als Gewinne vereinnahmen zu dürfen.<br />

Damit wird aber deutlich, daß Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie -<br />

wie ein Glücksspiel - nichts mit Marktwirtschaft <strong>un</strong>d Wettbewerb zu<br />

t<strong>un</strong> haben kann, <strong>un</strong>d daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie kein Preis ist,<br />

sondern allenfalls der Einsatz bei einem Glücksspiel sein kann. Es ist<br />

äußerst zweifelhaft, daß der Gesetzgeber - wie die Branche meint -<br />

die sozial wichtige Institution Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die dafür aufgebrachten<br />

H<strong>un</strong>dertmilliardenbeträge Glücksspielern überlassen wollte.<br />

82


Das versicher<strong>un</strong>gstechnische Risiko ist ohne Zweifel die Gr<strong>un</strong>dlage<br />

für ein spekulatives Geschäft. Denn die "Versicher<strong>un</strong>g zur festen<br />

Prämie" beinhaltet für die Aktiengesellschaften ein Verlustrisiko<br />

für den Fall, daß die Prämien für die Schadenzahl<strong>un</strong>gen nicht ausreichen.<br />

"Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie" bietet den Aktiengesellschaften<br />

aber gleichzeitig auch die Chance eines Gewinns, wenn<br />

mehr Prämien eingenommen werden, als zur Deck<strong>un</strong>g der Kosten<br />

<strong>un</strong>d Schäden erforderlich sind. Dieser Prämienüberschuß wäre ein<br />

zufallsbedingter Vermögensvorteil, weil er vom Schadenverlauf abhängt,<br />

den niemand beeinflussen <strong>un</strong>d - auch nicht nach dem Gesetz<br />

der Großen Zahl - vorherberechnen kann. Niemand kann die Äquivalenz<br />

des von den Gesellschaften abgegebenen Leist<strong>un</strong>gsversprechens<br />

einerseits <strong>un</strong>d der Prämie andererseits im voraus beurteilen.<br />

So dürfen islamische Gesellschaften Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie<br />

nicht betreiben, weil diese als Glücksspiel <strong>un</strong>d Wucher angesehen<br />

wird, was der Koran verbietet.<br />

Die Prämienüberschüsse, welche die Aktiengesellschaften als ihren<br />

Gewinn bezeichnen, sind zweifellos nicht von einer wirtschaftlichen<br />

Leist<strong>un</strong>g abhängig. Sie sind nicht leist<strong>un</strong>gsbezogen, sondern<br />

zufallsbedingt. Außerdem besteht noch heute die <strong>un</strong>mögliche Situation,<br />

daß jede Kürz<strong>un</strong>g, Verzöger<strong>un</strong>g oder Ablehn<strong>un</strong>g von Schadenzahl<strong>un</strong>gen<br />

automatisch zu Gewinnen bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften führt - keine feine Art, Gewinne zu machen.<br />

Hier drehen sich die Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d ihre Wissenschaftler<br />

n<strong>un</strong> im Kreise, wenn sie einerseits gegen die Einstuf<strong>un</strong>g ihrer<br />

Arbeitsweise als Spekulation oder Glücksspiel argumentieren <strong>un</strong>d<br />

andererseits Risikotrag<strong>un</strong>g als ihre Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

darstellen wollen. Einmal behaupten sie, ein versicher<strong>un</strong>gstechnisches<br />

Risiko zu tragen. Zum anderen behaupten sie, daß ihre<br />

Leist<strong>un</strong>g keine Spekulation sein kann, weil sie so solide kalkulieren,<br />

daß dieses Risiko gar nicht entstehen könne; denn dieses Risiko<br />

würde auch für die Versicherten eine Gefahr bedeuten. Vollkommen<br />

richtig: Versicher<strong>un</strong>g ist Beseitig<strong>un</strong>g von Risiken. Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

der Fortbestand von Risiken schließen sich aus. Dann kann aber das<br />

von den Aktionären eingezahlte (<strong>un</strong>bedeutende) Eigenkapital keine<br />

Garantief<strong>un</strong>ktion übernehmen <strong>un</strong>d es fehlt wieder jegliche Gewinnberechtig<strong>un</strong>g.<br />

Wenn die Prämien auf Dauer für Schadenzahl<strong>un</strong>gen nicht ausreichen<br />

<strong>un</strong>d auch Rückstell<strong>un</strong>gen, Reserven <strong>un</strong>d das relativ geringe Eigenkapital<br />

der Gesellschaften für Kosten <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>-<br />

83


gen aufgebraucht wäre, würden am Ende Geschädigte nicht die versprochene<br />

Entschädig<strong>un</strong>g erhalten. Dieses würde dem Sinn der Versicher<strong>un</strong>g<br />

widersprechen. Und so lassen sich Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Spekulation<br />

tatsächlich nicht miteinander vereinbaren, weil Versicher<strong>un</strong>g<br />

gerade finanzielle Risiken beseitigen muß.<br />

Der Versicherte will mit dem Abschluß der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

durch die Bereitstell<strong>un</strong>g seines Geldes dazu beitragen, daß finanzielle<br />

Risiken beseitigt werden. Die Aktiengesellschaften wollen dagegen,<br />

daß ein Rest-Risiko fortbesteht, um aus diesem Risiko spekulative<br />

Gewinne zu ziehen <strong>un</strong>d um Risikotrag<strong>un</strong>g als Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

vorweisen zu können. Das Fortbestehen dieses Restrisikos ist aber<br />

nicht im Sinne der Versicherten. Diese wollen totale Sicherheit. Das<br />

hat aber zur Voraussetz<strong>un</strong>g: Bei der Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie<br />

muß zur Erreich<strong>un</strong>g der angestrebten Sicherheit die Prämie so kalkuliert<br />

sein, daß immer Überschüsse entstehen, deren Höhe nur<br />

noch zufallsbedingt ist. Dann aber fehlt der Spekulation von Aktiengesellschaften<br />

auf die Prämienüberschüsse das <strong>wesen</strong>tliche Element<br />

der Spekulation - das Risiko ! - Erst recht, wenn eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

die ständige Überkalkulation der Prämien vorschreibt.-<br />

Ein Teufelskreis ! -<br />

Wie die letzten 100 Jahre bewiesen haben, waren die Prämien der<br />

Aktiengesellschaften immer so überkalkuliert, daß die Unternehmen<br />

niemals das versicher<strong>un</strong>gstechnische oder Spekulations-Risiko getragen<br />

haben, mit dem sie aber ihre Gewinne zu rechtfertigen versuchen.<br />

So ist ihr Geschäft nicht einmal mehr ein Glücksspiel oder<br />

Spekulation, sondern überschreitet die Grenze zur <strong>un</strong>gerechtfertigten<br />

Bereicher<strong>un</strong>g. Es gibt keine rechtliche <strong>un</strong>d wirtschaftliche Begründ<strong>un</strong>g<br />

dafür, daß sich Aktiengesellschaften alle - bei Versicher<strong>un</strong>g<br />

naturgemäß entstehenden - Prämienüberschüsse als Gewinn<br />

aneignen dürfen, ohne daß sie dafür etwas geleistet, eine Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

erbracht, etwas produziert, verkauft oder ein Spekulationsrisiko<br />

getragen haben.<br />

Es gibt also eigentlich keine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft <strong>un</strong>d keine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften - genau so wie es keine Sparwirtschaft<br />

oder Spargesellschaften gibt. Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Sparen sind wirtschaftliche<br />

(Eigen)Leist<strong>un</strong>gen der Verbraucher, die nicht von anderen<br />

erwerbswirtschaftlich produziert <strong>un</strong>d verkauft werden können.<br />

Die Aktiengesellschaften beanspruchen Prämienüberschüsse mit<br />

der Begründ<strong>un</strong>g, daß sie diese als Gewinn benötigen, um solvent zu<br />

bleiben. Die Begründ<strong>un</strong>g, daß Sicherheitszuschläge <strong>un</strong>d Überschüsse<br />

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erforderlich sind, um die Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie sicher zu<br />

machen, ist zwar richtig. Völlig <strong>un</strong>verständlich ist es aber, daß die<br />

Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d ihre Wissenschaftler - <strong>un</strong>d ihnen folgend<br />

alle Verantwortlichen - einfach das Wort "Überschuß" gegen das<br />

Wort "Gewinn" austauschen <strong>un</strong>d sagen: "Gewinne" der Aktiengesellschaften<br />

sind erforderlich, um die Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie<br />

sicher zu machen. Hier werden Gewinne nicht mit einer Leist<strong>un</strong>g<br />

begründet, sondern mit der Notwendigkeit, die Ungewißheit<br />

der Zuk<strong>un</strong>ft bei der Versicher<strong>un</strong>g zu beseitigen. Diese Ungewißheit<br />

wird aber nicht durch die Aktiengesellschaften, sondern durch die<br />

überkalkulierten Beiträge der Versicherten, also durch eine fremde<br />

Leist<strong>un</strong>g, beseitigt. Und an den Überschüssen dieser Leist<strong>un</strong>g der<br />

Verbraucher bereichern sich die Aktiengesellschaften <strong>un</strong>gerechtfertigt<br />

- jenseits von Recht.<br />

Aus den Überschüssen aus Versichertengeld hätten vielmehr Sicherheitsreserven<br />

gebildet werden müssen, die - vermögensrechtlich<br />

- im Eigentum der Versicherten verblieben wären. Genau so werden<br />

die Überschüsse von den traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen<br />

behandelt, die sich in ihrer Arbeitsweise den Aktiengesellschaften<br />

angepaßt <strong>un</strong>d so hohe Sicherheitsreserven gebildet hatten, daß sie -<br />

wie die Aktiengesellschaften - auf eine Nachschußpflicht verzichten<br />

<strong>un</strong>d "Versicher<strong>un</strong>g zum festen Beitrag" bieten konnten. Aber alles<br />

Geld dieser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen gehört der Versichertengemeinschaft.<br />

Diese Tatsachen sind übrigens der beste Beweis dafür,<br />

daß jegliches Rest-Risiko durch eine ständige Überkalkulation von<br />

Beiträgen oder Prämien <strong>un</strong>d durch entsprechende Überschußansamml<strong>un</strong>gen<br />

beseitigt worden ist - durch die Versicherten, mit deren<br />

Geld.<br />

Es ist eigentlich <strong>un</strong>begreiflich: Da begründen Aktiengesellschaften<br />

ihre Gewinnberechtig<strong>un</strong>g mit der Übernahme <strong>un</strong>d dem Tragen<br />

von Risiken, also mit der Möglichkeit von Verlusten. Und da entwickelt<br />

sich die Staatsaufsicht zur staatlichen Gewinngarantie für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

Und keiner merkt, daß den Aktiengesellschaften<br />

damit ihre Gewinnberechtig<strong>un</strong>g genommen wird.<br />

Im gesamten Wirtschaftsleben findet man nichts auch nur annähernd<br />

Vergleichbares. Wer erhält schon im Übermaß <strong>un</strong>d im voraus<br />

Geld, um damit weit in der Zuk<strong>un</strong>ft liegende Zahl<strong>un</strong>gen zu leisten.<br />

Wer kann schon damit drohen, daß die K<strong>un</strong>den - zumal in einer<br />

Notsituation - nicht die erwartete Leist<strong>un</strong>g erhalten, wenn es dem<br />

Unternehmen finanziell schlecht geht ? - Wer hat schon die Unter-<br />

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stütz<strong>un</strong>g einer staatlichen Aufsichtsbehörde, die auf diese Droh<strong>un</strong>g<br />

hereingefallen ist <strong>un</strong>d n<strong>un</strong> selbst dafür sorgt, daß die K<strong>un</strong>den immer<br />

im Übermaß Gelder bereitstellen, damit es den Gesellschaften immer<br />

gut geht ? - Und welches Unternehmen kann <strong>un</strong>ter solchen<br />

Umständen beliebig über die so erpreßten Gelder verfügen, sie als<br />

Kosten verschwenden <strong>un</strong>d die restlichen Überschüsse als Gewinne<br />

absahnen? - Eine raffinierte Misch<strong>un</strong>g von Erpress<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Schmarotzertum,<br />

wie man sie allenfalls aus Gangsterfilmen kennt, wo Verbrecherbanden<br />

<strong>un</strong>ter Androh<strong>un</strong>g von Gewalt Schutzgelder von ihren<br />

Opfern erpressen.<br />

Fazit:<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist Einkommensumverteil<strong>un</strong>g –<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erbringen Dienstleist<strong>un</strong>gen –<br />

Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich sind keine Gewinne<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sind Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe <strong>un</strong>d müßten<br />

neben einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag einen Preis für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

angeben. Im Gr<strong>un</strong>de gibt die Branche das auch selbst zu -<br />

wie in ihrer Schrift "Gesamtleist<strong>un</strong>gsrechn<strong>un</strong>g für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft"<br />

vom März 1985: "In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechn<strong>un</strong>g<br />

wird die Produktionsleist<strong>un</strong>g der Assekuranz durch<br />

Eliminier<strong>un</strong>g der Leist<strong>un</strong>g an den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer auf das sogenannte<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt reduziert. Die Versicher<strong>un</strong>g wird als<br />

treuhänderisch verwaltendes <strong>un</strong>d umverteilendes, nicht aber als <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

leistendes Unternehmen dargestellt." - Versicher<strong>un</strong>g<br />

ist also kein Produkt der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, damit ist<br />

die Prämie kein Preis <strong>un</strong>d damit sind - was das Entscheidende ist -<br />

Prämienüberschüsse keine Unternehmensgewinne <strong>un</strong>d müssen, soweit<br />

sie aus dem für den Schadenausgleich bereitgestellten <strong>un</strong>d treuhänderisch<br />

zu verwaltenden Versichertengeld entstehen, <strong>un</strong>geschmälert<br />

den Versicherten zugutekommen. Die derzeitige Praxis der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften,<br />

der Ausgleich <strong>un</strong>ternehmerischer<br />

Verluste <strong>un</strong>d die ständigen Gewinnentnahmen aus Prämienüberschüssen,<br />

erfüllt den objektiven Tatbestand der Untreue.<br />

86


KAPITEL 5<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften –<br />

Tatort für das größte Wirtschaftsverbrechen<br />

aller Zeiten<br />

Die - aus krimineller Sicht - "geniale" Idee der Versicher<strong>un</strong>g durch<br />

Aktiengesellschaften war die Übernahme der Arbeitsweise von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereinen<br />

<strong>un</strong>d die Beibehalt<strong>un</strong>g des nicht aufgeteilten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrages.<br />

Dadurch waren die für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

bereitgestellten Gelder der Versicherten nicht abgetrennt von dem<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil der Prämie. Am "genialsten" - wiederum aus<br />

krimineller Sicht - war die in der Zeit des Frühkapitalismus geborene<br />

Idee, mit Versicher<strong>un</strong>g auch noch einen Sparvorgang zu verbinden<br />

<strong>un</strong>d dabei auch noch das Prinzip der nicht aufgeteilten Prämie beizubehalten.<br />

So enthält die Prämie für eine Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g - nach außen nicht erkennbar - einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-,<br />

einen Spar- <strong>un</strong>d einen Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil. Durch die totale<br />

Vermeng<strong>un</strong>g der einzelnen Prämienbestandteile können die Gesellschaften<br />

noch heute quasi beliebig über die ihnen eigentlich nur anvertrauten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Spargelder <strong>un</strong>d deren Überschüsse<br />

verfügen. So schrieb die Zeitschrift Capital schon im Jahre 1980:<br />

"Der große Vermögenstopf enthält die Sparanteile der K<strong>un</strong>den ebenso<br />

wie das Geld der Aktionäre. Beide Vermögensmassen lassen<br />

sich nicht auseinanderrechnen."<br />

Bei einer solchen Vertragsgestalt<strong>un</strong>g sind natürlich der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

Tür <strong>un</strong>d Tor geöffnet. Das erkannte schon vor mehr als 100<br />

Jahren der Amerikaner Elizur Wright, der 1877 in seinem Buch "Fallen<br />

- geködert mit Waisenkindern" schrieb: "Da in der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

Dinge miteinander vermengt sind, die getrennt werden sollten,<br />

<strong>un</strong>d weil das Wissen darüber, was bei einem solchen Vertrag<br />

eigentlich vor sich geht, nur auf einer Seite vorhanden ist, <strong>un</strong>d weil<br />

dadurch die Möglichkeit des Schwindels so groß ist, muß man sich<br />

fragen, ob Lebensversicher<strong>un</strong>gen jemals mit einem gewissen Grad<br />

von Ehrlichkeit betrieben werden." - Noch einmal: eine Aussage<br />

von vor mehr als einh<strong>un</strong>dert Jahren !<br />

Die großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften sind<br />

tatsächlich "Schwindel"-Firmen - wie betrügerische Spendenvereine.<br />

87


Sie sammeln von den Bürgern Geld ein für einen guten Zweck. Dabei<br />

wissen sie nach dem Gesetz der Großen Zahl <strong>un</strong>d bei den naturgemäß<br />

überkalkulierten, oft doppelt bis dreifach zu teuren Prämien<br />

ganz genau, daß selbst nach gewaltigen Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

immer noch Milliardensummen übrigbleiben, die von den Bürgern<br />

für den "guten Zweck Versicher<strong>un</strong>g" bereitgestellt wurden. Und diese<br />

Milliarden stecken sie sich dann als Gewinne ein.<br />

Der Tatort für diesen Betrug <strong>un</strong>d für die Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von jährlichen<br />

Milliardensummen sind die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften. Hier geschieht das mehrfach<br />

erwähnte "Saldieren" von Kostenverschwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d <strong>un</strong>ternehmerischen<br />

Verlusten mit anvertrautem Versichertengeld. Und<br />

hier wird am Ende für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweck bereitgestelltes<br />

Treuhandgeld in Unternehmensgewinne, Eigenkapital <strong>un</strong>d Aktionärsgeld<br />

umgewandelt.<br />

Einige Verantwortliche sehen das allerdings anders. Für sie sind<br />

die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

ein Alibi dafür, daß bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

alles legal zugehen soll. So antwortete mir das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

im Jahre 1979 auf meine Frage, mit welchem Recht sich eigentlich<br />

Aktiengesellschaften die Überschüsse von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien als<br />

Gewinne einstecken können: "Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG hat den Jahresüberschuß<br />

gemäß § 58 Aktien-Gesetz zu verwenden, was eine Verwend<strong>un</strong>g<br />

in der beabsichtigten Weise (Gewinnverwend<strong>un</strong>g) einschließt."<br />

- Jeder halbwegs Interessierte kann leicht erkennen, daß<br />

der genannte Paragraph keine materielle Rechtsgr<strong>un</strong>dlage für die<br />

Aneign<strong>un</strong>g von Prämienüberschüssen sein kann.<br />

Und der Beamte Kaulbach aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

schreibt im Dezember 1989, daß es "nach deutschem Bilanzrecht"<br />

völlig in Ordn<strong>un</strong>g sei, wenn Lebensversicherte an den Erträgen aus<br />

ihrem Geld nicht in vollem Umfang beteiligt werden. Es ließe sich<br />

schon jetzt sagen, daß entsprechende Gr<strong>un</strong>dsätze "wohl kaum geändert<br />

werden, weil es sich um allgemeine Gr<strong>un</strong>dsätze des deutschen<br />

Bilanzrechts handelt". - Dabei schreibt das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften<br />

ganz konkret vor, daß alle b<strong>un</strong>desdeutschen Investmentgesellschaften<br />

ihre K<strong>un</strong>den in vollem Umfang an den wahren<br />

Werten der Kapitalanlagen beteiligen müssen. Wiederum eine<br />

Schizophrenie im Finanzministerium ! -<br />

Nach Mein<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes <strong>un</strong>d des Beamten<br />

Kaulbach brauchen Betrüger, Diebe <strong>un</strong>d Ver<strong>un</strong>treuer über ihre "Ge-<br />

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schäftsergebnisse" nur noch Buch zu führen <strong>un</strong>d sie können sich -<br />

nach den Gr<strong>un</strong>dsätzen des deutschen Bilanzrechts - ihre Beute als<br />

Gewinn einstecken. Woher das Geld kommt, das hier bilanztechnisch<br />

als Gewinn verwendet wird, <strong>un</strong>d wem es gehört, danach wird<br />

nicht gefragt. Kriminelle Vorgänge verlieren ihre Illegalität, Betrug<br />

<strong>un</strong>d Untreue werden legal. Eine staatliche Aufsicht <strong>un</strong>d das deutsche<br />

Bilanzrecht liefern dafür die Alibis.<br />

Betrug: Beiträge sind kein Umsatz –<br />

Milliardenverluste der Bürger durch falsches Umsatzdenken<br />

Der Betrug bei der Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften beginnt schon in Position 1 der Gewinn- <strong>un</strong>d<br />

Verlustrechn<strong>un</strong>g, die da heißt "Beiträge". <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien gehen<br />

also zur Zeit wie Preise <strong>un</strong>d Umsatz in die Bilanzen der Unternehmen<br />

ein. Das heißt, die einzelnen Prämienbestandteile - der reine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag sowie die Dienstleist<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Sparanteile -<br />

sind nicht besonders ausgewiesen <strong>un</strong>d dadurch in den Bilanzen nicht<br />

mehr identifizierbar.<br />

Umsatzerlöse dürfen sich - nach den Gr<strong>un</strong>dsätzen des deutschen<br />

Bilanzrechts - nur auf Leist<strong>un</strong>gen beziehen, die dem eigentlichen<br />

Unternehmenszweck entsprechen <strong>un</strong>d die sich aus der betrieblichen<br />

Tätigkeit ergeben. Umsatzerlöse sind also nur solche Erträge, die<br />

durch die betriebstypische Leist<strong>un</strong>g hervorgebracht werden. Auch<br />

für den Leist<strong>un</strong>gsbegriff im Sinne der Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g des Aktiengesetzes<br />

ist <strong>wesen</strong>tlich, daß die Leist<strong>un</strong>g sich stets nur aus dem eigentlichen<br />

Betriebszweck ergeben kann.<br />

Damit stehen wir wieder vor der Frage: Was ist eigentlich die betriebstypische<br />

Leist<strong>un</strong>g einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft - Es<br />

kann nur eine Antwort geben: eine Dienstleist<strong>un</strong>g. Denn Spekulation<br />

scheidet aus, weil - wie wir gesehen haben - das erforderliche<br />

Spekulationsrisiko fehlt. Und daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften eine <strong>un</strong>sichtbare Ware "Sicherheit" oder "Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen"<br />

produzieren <strong>un</strong>d diese Produkte gegen<br />

einen Preis verkaufen, will wohl keiner mehr ernsthaft behaupten.<br />

Allenfalls noch jemand aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium !? -<br />

Das Statistische B<strong>un</strong>desamt stellt in seiner Veröffentlich<strong>un</strong>g<br />

"Wirtschaft <strong>un</strong>d Statistik" im Jahre 1970 <strong>un</strong>widerlegbar fest: "Der<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil der Prämie ist das eigentliche Entgelt für die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen." Diese Erkenntnis<br />

89


hat sich - wie bereits erwähnt - auch der B<strong>un</strong>desminister für Wirtschaft<br />

zu eigen gemacht, als er im Jahre 1981 an mich schrieb: "Der<br />

Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ist nur<br />

der Verwalt<strong>un</strong>gskostenanteil." - Dagegen ist der Beamte Kaulbach<br />

aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium noch im Jahre 1990 der Mein<strong>un</strong>g,<br />

daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie "das Entgelt ist, das der Versicherer<br />

nach der Preisangabenverordn<strong>un</strong>g als Preis anzugeben hat. Insofern<br />

gibt es keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied zwischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien<br />

<strong>un</strong>d den Preisen in anderen Wirtschaftszweigen." -<br />

Schizophrenie also auch innerhalb der B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g ! - Und<br />

Kaulbach versucht zum wiederholten Male zu bluffen: In der Preisangaben-Verordn<strong>un</strong>g<br />

steht nichts davon, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

"das Entgelt ist, das der Versicherer als Preis anzugeben hat".<br />

Das sind nur die irrigen Vorstell<strong>un</strong>gen einer Branche <strong>un</strong>d eines offenbar<br />

branchenhörigen Beamten.<br />

Die Frage, ob die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie <strong>un</strong>d sogar die Lebensversicher<strong>un</strong>gsprämie<br />

mit ihrem Sparanteil ein Preis ist, hat für die Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen eine alles entscheidende<br />

Bedeut<strong>un</strong>g. Ist die Prämie ein Preis, dann sind Prämieneinnahmen<br />

der Umsatz einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft, <strong>un</strong>d diese<br />

darf - wie jedes andere Wirtschafts<strong>un</strong>ternehmen - mit den Prämienüberschüssen<br />

machen, was sie will. Sind <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien dagegen<br />

kein Preis, dürfen Prämien nicht an Position 1 der Gewinn-<br />

<strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft erscheinen.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Sparanteile der Prämien müßten<br />

als Sondervermögen verbucht werden. Und die Gesellschaften dürften<br />

Überschüsse aus diesen Bereichen nicht zum Ausgleich von Verlusten<br />

im "betriebstypischen" Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich <strong>un</strong>d schon gar<br />

nicht als Gewinne verwenden.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien sind n<strong>un</strong> aber - wie wir gesehen haben -<br />

keine Preise. Das gesteht die Branche sogar selbst ein in der bereits<br />

erwähnten Schrift ihres Volkswirtschafts-Ausschusses "Gesamtleist<strong>un</strong>gsrechn<strong>un</strong>g<br />

für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft". Dort ist nachzulesen,<br />

daß der Produktionswert eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens nur<br />

dem Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil der Prämieneinnahme entspricht, während<br />

er bei anderen Unternehmen dem Umsatz entspreche. Dann dürfte<br />

bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen aber auch nur dieser Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil<br />

als Umsatz in die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g eingehen.<br />

Und es ist ein glatter Betrug, wenn die Gesamtprämie zur Zeit<br />

90


an Position 1 der Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft<br />

übernommen wird.<br />

Natürlich ist die Branche nicht glücklich, daß das Statistische<br />

B<strong>un</strong>desamt ihr die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge als Umsatz <strong>un</strong>d<br />

Ausdruck ihrer Leist<strong>un</strong>g streicht <strong>un</strong>d den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

eine Produktionsleist<strong>un</strong>g bescheinigt, die sich nur in ihren<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen ausdrückt weit <strong>un</strong>ter denen anderer Wirtschaftsbereiche<br />

liegt. So bemüht sich bereits ein Professor Sinn, im Sinne der<br />

Branche "Unsinns"-Theorien zu entwickeln, daß nämlich die Volkswirtschaftliche<br />

Gesamtrechn<strong>un</strong>g auch so etwas wie den ruhigen<br />

Schlaf der Bürger <strong>un</strong>d das Kinderkriegen als "Produktionswert" der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen berücksichtigen müsse, weil all dieses<br />

ohne Versicher<strong>un</strong>g nicht möglich sei.<br />

Betrug: "Automatisches Neugeschäft"<br />

Natürlich führt die Fehlinterpretation der Beitragseinnahmen als<br />

Umsatz zu einem völlig falschen Umsatzdenken. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager<br />

versuchen, die Beitragseinnahmen hochzuputschen. Das geschieht<br />

einmal, indem Prämienüberschüsse aus Lebensversicher<strong>un</strong>gen,<br />

die eigentlich verzinslich angesammelt werden müßten, in Zusatzbeiträge<br />

für sogenannte "Bonus-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summen" umgerechnet<br />

werden. Das ergibt Mehrbeiträge <strong>un</strong>d angeblich mehr Umsatz.<br />

Zu vielen Versicher<strong>un</strong>gen gibt es außerdem automatische "dynamische"<br />

Anpass<strong>un</strong>gen, die schon bei der Antragsstell<strong>un</strong>g vereinbart<br />

werden <strong>un</strong>d dann laufend die Beiträge erhöhen. Auch das bringt<br />

angeblich mehr Umsatz. Derartige Prämienerhöh<strong>un</strong>gen werden als<br />

"Neugeschäft" deklariert. Die Vertreter erhalten dafür Abschlußprovisionen<br />

<strong>un</strong>d die Gesellschaften können dafür Abschlußkosten berechnen.<br />

Betrug: Mitversicher<strong>un</strong>g von Kleinschäden ist keine<br />

Versicher<strong>un</strong>g<br />

Hohe Prämien bringt auch die Versicher<strong>un</strong>g jedes kleinen Schadens,<br />

<strong>un</strong>d koste er auch nur fünf Mark. Aus einem falschen Umsatzdenken<br />

heraus weigert sich die Branche beharrlich, vernünftige Selbstbeteilig<strong>un</strong>gen<br />

der Versicherten an ihren Schäden einzuführen, die<br />

solche Kleinschäden ausschließen <strong>un</strong>d dadurch die Prämien erheblich<br />

verringern würden. Aber daran ist den Unternehmensmanagern<br />

91


natürlich nicht gelegen, solange die Prämieneinnahmen als Ausdruck<br />

ihrer <strong>un</strong>ternehmerischen Leist<strong>un</strong>g angesehen werden <strong>un</strong>d nicht die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile in den Prämien, die als wahrer Umsatz der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen durch Selbstbeteilig<strong>un</strong>gen kaum sinken<br />

würden.<br />

Versicher<strong>un</strong>g sollte nur für solche Fälle geboten werden, gegen<br />

die sich der einzelne nicht selbst absichern kann, für Katastrophenfälle<br />

also, die nur eine Gemeinschaft ausgleichen kann. Es ist also<br />

<strong>un</strong>wirtschaftlich, Glasscheiben zu versichern. Und es ist <strong>un</strong>wirtschaftlich,<br />

Kleinschäden zu versichern, bei denen die Kosten der<br />

Schadenregulier<strong>un</strong>g höher sind als der Auszahl<strong>un</strong>gsbetrag. So versucht<br />

der B<strong>un</strong>d der Versicherten schon seit langem, eine Gruppen-<br />

Rechtsschutzversicher<strong>un</strong>g für seine Mitglieder mit einer Selbstbeteilig<strong>un</strong>g<br />

von 500 oder 1.000 Mark abzuschließen. Der Jahresbeitrag<br />

würde statt über 300 Mark weit <strong>un</strong>ter 100 Mark liegen. Die vielen<br />

kleinen Streitgkeiten, zum Beispiel Verfahren um Bußgeldbescheide,<br />

wären ausgeschlossen. Die großen <strong>un</strong>d teuren Prozesse wären aber<br />

versichert. Das wäre vernünftig <strong>un</strong>d wirtschaftlich. Aber die Branche<br />

weigert sich. Sie möchte sich ihre angeblichen "Umsatzzahlen" nicht<br />

verderben.<br />

Betrug: Überteuerte Prämien für Verbraucher subventionieren<br />

Industrieversicher<strong>un</strong>gen<br />

Bei dem Rechn<strong>un</strong>gsposten "Beiträge" darf nicht <strong>un</strong>erwähnt bleiben,<br />

daß hier nicht nur <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-, Spar- <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile<br />

vermengt sind, sondern auch die Prämien der gewerblichen <strong>un</strong>d privaten<br />

Versicher<strong>un</strong>gen. Dadurch ist eine Quersubventionier<strong>un</strong>g der<br />

Industrieversicher<strong>un</strong>gen durch die Überschüsse aus den zu teuren<br />

Prämien der Verbraucherversicher<strong>un</strong>gen möglich. In den USA hat<br />

man, um dieses zu verhindern, eine "horizontale Spartentrenn<strong>un</strong>g"<br />

eingeführt. Das heißt, daß die Unternehmen zum Beispiel im Bereich<br />

der Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g die Industrieversicher<strong>un</strong>gen getrennt<br />

von den Haushaltsversicher<strong>un</strong>gen abrechnen müssen. In der<br />

B<strong>un</strong>desrepublik dagegen gestatten die Verantwortlichen den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

nach wie vor, die Verbraucher mit völlig überhöhten<br />

Prämien ausz<strong>un</strong>ehmen, um damit die zu niedrigen Prämien<br />

ihrer "armen" Industriek<strong>un</strong>den zu subventionieren <strong>un</strong>d um<br />

den Managern ihren Prestigekampf im Bereich der gewerblichen<br />

Versicher<strong>un</strong>gen zu finanzieren.<br />

92


Der Manipulation, dem Mißbrauch <strong>un</strong>d Untreue<br />

sind Tür <strong>un</strong>d Tor geöffnet<br />

Nur weil <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien fälschlicherweise als Umsatz angesehen<br />

werden, ist das schon mehrfach erwähnte "Saldieren von Verlusten<br />

zu Lasten der Versicherten" möglich. Nur weil Treuhandgelder<br />

- als solche nicht identifizierbar - wie Umsatz in die Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g<br />

eingehen, eröffnen sich den Gesellschaften die vielen Möglichkeiten<br />

der Manipulation, des Mißbrauchs <strong>un</strong>d der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

von Überschüssen, die aus den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Sparanteilen der<br />

Prämien entstehen. Hierzu ein Branchenexperte in einem Gespräch<br />

mit dem Journalisten Dieter Kampe, über dessen Bericht in der<br />

Zeitschrift "Transatlantik" man schm<strong>un</strong>zeln könnte, wenn die Offenbar<strong>un</strong>gen<br />

nicht so erschreckend wären:<br />

"Den Abgr<strong>un</strong>d von Zahlenschieberei erläuterte mir Karl<br />

Upphoff, der bei einer der großen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften als<br />

Mathematiker arbeitet (<strong>un</strong>d weil er das auch weiterhin möchte, sei<br />

ihm hier gestattet, <strong>un</strong>ter einem Künstlernamen aufzutreten). Karl ist<br />

seit acht Jahren im Geschäft <strong>un</strong>d w<strong>un</strong>dert sich schon seit langem<br />

über gar nichts mehr. Stories könne er mir erzählen, hatte er mal gesagt.<br />

Jetzt durfte er loslegen, mir fehlten noch etliche Mosaiksteinchen<br />

für das Kolossalgemälde. 'Jedes Unternehmen', beginnt er, 'muß<br />

dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt regelmäßig Geschäftsdaten liefern. Die<br />

wollen sehen, ob da alles so läuft, daß wir nicht eines Tages im<br />

Hemd dastehen <strong>un</strong>d den K<strong>un</strong>den nichts mehr auszahlen können.<br />

Und dann natürlich die Gewinne, das ist die andere Seite. Bei Leben<br />

müssen ja mindestens 90 Prozent der Überschüsse ausgeschüttet<br />

werden. Wollen sie halt wissen, ob das auch geschieht.'<br />

Und geschieht das? Er grinst. 'Glaubst du ans Christkind? Natürlich<br />

steht das auf dem Papier, daß die Firma irgendwas über 90 Prozent<br />

ausschüttet - aber 90 Prozent von was? Da hat der liebe Gott<br />

noch ein paar Rechner davorgestellt, ehe das entschieden wird! Das<br />

Amt guckt, ob die Überschüsse nicht in Wahrheit höher sind. Deshalb<br />

läßt es sich vorrechnen, wie die Gewinne entstehen, wie sich<br />

Verwalt<strong>un</strong>gskosten <strong>un</strong>d Abschlußkosten entwickeln <strong>un</strong>d so. Kriegen<br />

sie auch alles, aber erst nach reichlicher Sicht<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Bearbeit<strong>un</strong>g.<br />

Daran knackt die mathematische Abteil<strong>un</strong>g. Wir drehen <strong>un</strong>d wenden<br />

das so lange, bis es dem Vorstand genehm ist.'<br />

93


Manipulation, Zauberei oder Fälsch<strong>un</strong>g? - 'Nix da, alles ganz<br />

reell, wir halten <strong>un</strong>s ganz streng an die Vorschriften <strong>un</strong>d die genehmigten<br />

Schlüssel vom Aufsichtsamt. Wir nutzen nur die Spielräume.'<br />

- Was für Schlüssel, welche Spielräume? - 'Wenn wir die Daten über<br />

die Gewinne aus Kapitalanlagen reinkriegen, dann sind das ja Gesamtergebnisse,<br />

ohne daß dabei genau erkennbar ist, welche Kapitalanlage<br />

aus den Beiträgen welcher <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparte stammt. Will<br />

man die Gewinne den einzelnen Geschäftsbereichen zuordnen,<br />

braucht man einen Schlüssel. Das sind riesige mathematische Formeln,<br />

die schon vorher mit dem Geschäftsplan vom Aufsichtsamt<br />

genehmigt wurden. Und streng nach diesen Schlüsseln berechnen<br />

wir die Überschüsse pro Sparte.' - Wo liegt der Clou? - 'Die Schlüssel<br />

sind schon so angelegt, daß große Teile der Gewinne auf Sparten<br />

umgelenkt werden können, wo nicht ausgeschüttet werden muß.<br />

Das ist aber nur der erste Schritt. Schlüssel gibt's auch für die Zurechn<strong>un</strong>g<br />

der Verwalt<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Abschlußkosten auf die jeweiligen<br />

Sparten. Da kann man die Kosten natürlich hauptsächlich da ansiedeln,<br />

wo's den Überschuß drückt. Auch die Werb<strong>un</strong>gskosten, was<br />

wir Wettbewerbskosten nennen, die die Firma insgesamt ausgibt,<br />

können dort belastend geltend gemacht werden, so's was bringt.'<br />

Spielraum ist also vorhanden, wie wird er genutzt? - 'Letztes Jahr<br />

haben wir die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g für die ... gemacht,<br />

kriegten wir 500.000 Mark Überschuß raus. Hat der Finanzvorstand<br />

'nen Tobsuchtsanfall gekriegt. Wollte er eben nicht haben. Hätten ja<br />

90 Prozent in die Rückstell<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen gehen<br />

müssen. Haben wir also die Ochsentour noch mal gemacht. Und<br />

siehe da, mit denselben Schlüsseln sind wir auf 1,2 Millionen Verlust<br />

gekommen. Mathematisch war beides richtig, aber erwünscht war<br />

eben nur das eine Ergebnis. Er gab dann noch ein kurzes Zwischenspiel,<br />

weil der Verkaufstyp aus dem Vorstand reinschneite <strong>un</strong>d rumbrüllte,<br />

wir sollten den Scheiß noch mal machen, das könne doch<br />

nicht sein, da müsse doch zumindest etwas Gewinn rauszuholen<br />

sein. Der will ja gut dastehen, um besser verkaufen zu können. War<br />

aber nichts zu holen, die Mathematikabteil<strong>un</strong>g <strong>un</strong>tersteht n<strong>un</strong> mal<br />

dem Finanzvorstand.' -<br />

Und das Aufsichtsamt hat das geschluckt? - 'Wir sind doch keine<br />

Anfänger. Wenn die großen Entwickl<strong>un</strong>gslinien passen, sind die<br />

schon zufrieden.' - Seiner Mimik nach ist das Aufsichtsamt kein<br />

ernstz<strong>un</strong>ehmender Gegner. - 'Die sind doch einfach überfordert.<br />

Weißt du, wie die Brocken aussehen, die wir denen auf den Tisch<br />

94


legen? Das sind 100 bis 150 Seiten randvoll mit Zahlen <strong>un</strong>d Formeln;<br />

da hat bei <strong>un</strong>s ein Team von vier Leuten zwei Monate dran<br />

geackert, hat das vorwärts <strong>un</strong>d rückwärts gerechnet', er stockt kurz,<br />

lacht auf <strong>un</strong>d sagt: 'Vor allem natürlich rückwärts, vom Ergebnis<br />

nach vorn! Jedenfalls kennen wir den Kram dann aus dem Effeff,<br />

die einzelnen Posten, mit denen die Schlüssel gefüllt werden. Und da<br />

gibt's eben Interpretationsmöglichkeiten, Gewicht<strong>un</strong>gsspielraum,<br />

Verschiebemöglichkeiten. Und da sitzt dann in Berlin beim Aufsichtsamt<br />

ein Typ, der soll das in ein paar Tagen checken. Die kriegen<br />

doch H<strong>un</strong>derte solcher Zahlenwälzer auf den Tisch, die haben<br />

da doch gar nicht die Möglichkeit, richtig einzusteigen.' - Karl entwickelt<br />

da einen Stolz, den ich schlecht nachvollziehen kann: Wettkämpfe<br />

zwischen Zahlenfreaks.<br />

Fazit ist, daß mehr Kapital in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

bleibt, als den K<strong>un</strong>den lieb ist, als das Amt erlaubt <strong>un</strong>d als die Statistik<br />

ausweist. Was machen die Firmen damit? - 'Fressen werden sie's<br />

sicher nicht', meint Karl. Das ist nicht mehr sein Bier. Aber trotzdem<br />

eine offene Frage."<br />

Im Gr<strong>un</strong>de sind in diesem Interview alle Betrügereien <strong>un</strong>d Manipulationen<br />

bis hin zum objektiven Tatbestand der Untreue angesprochen.<br />

Im folgenden sollen sie aber ganz konkret dargestellt werden.<br />

So beschreibt die Zeitschrift "Capital" im Oktober 1984, wie<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sich weigern, wichtige Daten zu nennen:<br />

"Was Geschäftsberichte einzelner Versicherer in diesem Jahr ans<br />

Tageslicht brachten, ist ein Skandal. In ihren Geschäftsberichten<br />

veröffentlichen die Lebensversicherer einen Wust von Zahlen. Drei<br />

wichtige Angaben aber verschweigen sie hartnäckig, obgleich die<br />

Gesellschaften nach den Vorschriften verpflichtet sind, sie aufzuführen.<br />

Die Vorstände ließen sich von ihrer Verschwiegenheit auch<br />

nicht durch eine Rüge der Aufsicht abbringen. Sie schrieb schon<br />

Ende 1979: 'Bei Durchsicht der Jahresberichte war in den letzten<br />

Jahren häufig zu beanstanden, daß im Bericht über den Einfluß der<br />

<strong>wesen</strong>tlichen Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustquellen auf das Bilanzergebnis<br />

ausreichende Angaben fehlten.' Die Aufsichtsbehörde ist nicht in<br />

der Lage, die verordneten Vorschriften über die Publizität durchzusetzen.<br />

Angaben über die Einzelergebnisse verweigern die Gesellschaften."<br />

- Und im Oktober 1978 schrieb Capital: "Die Abrechn<strong>un</strong>gen<br />

werden so gestaltet, daß viele gar nicht merken, wie die Versicher<strong>un</strong>gen<br />

sich an ihrem Geld bereichern."<br />

95


Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Erträgen aus Kapitalanlagen -<br />

Milliardenverluste für die Versicherten<br />

Gehen wir weiter in der Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechnn<strong>un</strong>g einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft,<br />

dann kommen wir zu der nächsten Position:<br />

"Erträge aus Kapitalanlagen". Erträge aus Kapitalanlagen sind<br />

z<strong>un</strong>ächst einmal Mieteinnahmen aus Gr<strong>un</strong>dbesitz, aber vor allem<br />

Erträge aus Beteilig<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Zinsen oder Dividenden aus anderen<br />

Geldanlagen. Wie sagte <strong>un</strong>ser Bilanzexperte Karl Upphoff: "Wenn<br />

wir die Daten über die Gewinne aus Kapitalanlagen reinkriegen,<br />

dann sind das ja Gesamtergebnisse, ohne daß dabei genau erkennbar<br />

ist, welche Kapitalanlage aus den Beiträgen welcher <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparte<br />

stammt. Will man die Gewinne den einzelnen Geschäftsbereichen<br />

zuordnen, braucht man einen Schlüssel. Die Schlüssel sind so<br />

angelegt, daß große Teile der Gewinne auf Sparten umgelenkt werden<br />

können, wo nicht ausgeschüttet werden muß."<br />

Wenn die einzelnen Prämienbestandteile "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-, Spar-<br />

<strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile" vermengt in die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g<br />

eingehen, dann ist natürlich auch nicht erkennbar, welche<br />

Erträge aus angelegtem Versichertengeld <strong>un</strong>d welche aus angelegtem<br />

Aktionärsgeld stammen. Und so öffnet gerade diese Position "Erträge<br />

aus Kapitalanlagen" den Aktiengesellschaften Tür <strong>un</strong>d Tor für die<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Überschüssen aus anvertrautem Versichertengeld.<br />

Bisher machte das Aufsichtsamt bei der Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

am Überschuß der Gesellschaft keinen Unterschied zwischen<br />

Versicherten- <strong>un</strong>d Unternehmensgeld, also zwischen dem sogenannten<br />

"geb<strong>un</strong>denen" <strong>un</strong>d "freien" Vermögen. Es hat in einem<br />

R<strong>un</strong>dschreiben aus dem Jahre 1975 festgestellt, daß das g e s a m t e<br />

Vermögen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen so anzulegen ist, daß<br />

möglichst große Sicherheit <strong>un</strong>d Rentabilität erreicht wird. Und so<br />

sind Lebensversicherte auch mit mindestens 90 Prozent an dem Jahresüberschuß<br />

ihrer Gesellschaft zu beteiligen, also an den Erträgen<br />

aus allen Kapitalanlagen - ohne Unterschied, wem welche Vermögenswerte<br />

gehören. Diese Regel<strong>un</strong>g hat ihren guten Gr<strong>un</strong>d in der<br />

Erkenntnis, daß nahezu das gesamte Vermögen eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens<br />

letztlich aus Versichertengeld entstanden ist -<br />

auch das aus Prämienüberschüssen finanzierte "Eigenkapital". Nur<br />

ein winziger Bruchteil des Eigenkapitals besteht aus Geld, das die<br />

Aktionäre irgendwann einmal selbst eingezahlt haben.<br />

96


Neuerdings bereitet diese Vermeng<strong>un</strong>g von Versicherten- <strong>un</strong>d<br />

Unternehmensgeld aber auch dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt Kopfzerbrechen.<br />

So kritisiert der zuständige Abteil<strong>un</strong>gspräsident dieser Behörde,<br />

Gottfried Claus, im Jahre 1989, daß die heutige Regel<strong>un</strong>g der<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g deshalb <strong>un</strong>befriedigend sei, "weil sie sich nicht<br />

daran orientiert, was die Versicherten zum Gesamtüberschuß beigetragen<br />

haben". Man möchte n<strong>un</strong> doch gerne die beiden Vermögensmassen<br />

"Versichertengeld" <strong>un</strong>d "Unternehmensgeld" voneinander<br />

trennen. Damit nähert sich das Aufsichtsamt der in diesem Buch<br />

vertretenen Mein<strong>un</strong>g an: Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d<br />

Sparbereich sollen den Versicherten zustehen, Überschüsse aus dem<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich <strong>un</strong>d aus dem Eigenkapital der Aktionäre sollen<br />

aber Unternehmensgewinne sein. Eine Trenn<strong>un</strong>g der Vermögensmassen<br />

ist aber nur möglich durch eine Prämienaufteil<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

entsprechende Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen.<br />

Der ehemalige Präsident des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes, August Angerer,<br />

glaubte aber genau zu wissen, wem welches Geld gehört <strong>un</strong>d<br />

mit wessen Geld bestimmte Vermögenswerte einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft<br />

angeschafft worden sind. Ein Hellseher !? - Jedenfalls<br />

gestattete er der Allianz, dem Deutschen Herold <strong>un</strong>d der R+V Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

die Aussonder<strong>un</strong>g von Vermögen, von dem er<br />

meinte, es gehöre den Unternehmen. Der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

war anderer Mein<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d legte Widersprüche gegen die Angerer-<br />

Genehmig<strong>un</strong>gen ein. Und die Beschlußkammer seiner eigenen Behörde<br />

pfiff Angerer zurück. Sie ist der Mein<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten<br />

gefolgt, daß die Versicherten durchaus Angsprüche auf<br />

Teile des Vermögens haben, das der Deutsche Herold <strong>un</strong>d die R+V<br />

- mit Angerers Hilfe - beiseiteschaffen wollten.<br />

Durch diese Vorgänge ist endlich eine öffentliche Diskussion um<br />

die Gr<strong>un</strong>dsatzfrage <strong>un</strong>seres <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s ingang: Wem gehören<br />

über 800 Milliarden Mark, die die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

aus überschüssigen Beiträgen <strong>un</strong>d den Spargeldern der Versicherten<br />

angesammelt haben? - Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden,<br />

daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften die Mein<strong>un</strong>g vertreten,<br />

daß alles von ihnen verwaltete Vermögen Vermögen der Unternehmen<br />

sei. Und es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft der Branche folgt <strong>un</strong>d auch der Ministerialbeamte<br />

Kaulbach in Bonn.<br />

97


Millionenverluste für Deutscher-Ring-Versicherte:<br />

Ein Vorgang beim Deutschen Ring in Hamburg hat im Zusammenhang<br />

mit Manipulationen bei Vermögensanlagen einen <strong>un</strong>glaublichen<br />

Skandal aufgedeckt. Und wieder war Aufsichtsamtspräsident<br />

August Angerer beteiligt: Man sollte meinen, daß Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

großes Interesse daran haben, mit ihren Geldanlagen<br />

den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen. Nicht so der Deutsche<br />

Ring. Der hatte seine Beteilig<strong>un</strong>g an einer Konzerngesellschaft<br />

weit <strong>un</strong>ter Wert verkauft. Der Gr<strong>un</strong>d läßt sich erahnen, wenn man<br />

weiß, wer die Käuferin war: die Basler <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG, die Mutter<br />

des Konzerns, zu dem der Deutsche Ring gehört. Die Zeitschrift<br />

Capital berichtete über diesen Deal im September 1987:<br />

"Für 31 Millionen Mark kaufte die Basler <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gruppe<br />

ihrer Tochter Deutscher Ring Leben eine Sachversicher<strong>un</strong>gsgesellschaft<br />

ab. Wie absurd der Preis für den gruppeninternen Deal ist,<br />

verdeutlichen die Faustregeln, die Allianz-Chef Wolfgang Schieren<br />

zur Bewert<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften preisgab. 'Sie müssen<br />

in etwa immer eine Jahresprämie auf den Tisch legen, wenn Sie<br />

einen Versicherer kaufen wollen', weiß der Konzernschmied aus eigener<br />

Erfahr<strong>un</strong>g. Im Klartext: Der Marktpreis einer Gesellschaft in<br />

der Größenordn<strong>un</strong>g der von der Tochter an die Mutter verhökerten<br />

Sachversicher<strong>un</strong>g des Deutschen Ring liegt nach dieser Faustregel<br />

eher bei 250 Millionen Mark als bei den aus der Schweiz gezahlten<br />

31 Millionen Mark. Wäre in diesem Fall auch nur annähernd ein<br />

marktgerechter Preis gezahlt worden, hätte die matte Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

des Hamburger Lebensversicherers aufpoliert werden können.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht wußte von dem Deal, kannte den<br />

Preis <strong>un</strong>d tat dennoch nichts für die K<strong>un</strong>den." -<br />

Es kommt aber noch schlimmer ! - Der "Deal" hat einen Gewinn<br />

von sechs Millionen Mark gebracht, an dem die Versicherten hätten<br />

beteiligt werden müssen. Denn der Wert der verkauften Gesellschaft<br />

stand mit nur 25 Millionen Mark zu Buche, so daß sich aus dem<br />

Verkauf für 31 Millionen Mark gegenüber dem Buchwert ein Überschuß<br />

von sechs Millionen Mark ergab. Doch hier bestand - wie sich<br />

aus einem Schreiben an den Aufsichtsamts-Präsidenten ergibt - bei<br />

der Basler der "W<strong>un</strong>sch, diesen Buchgewinn als Sonderdividende an<br />

die Aktionäre auszuschütten." Und es heißt in dem Schreiben weiter:<br />

"Wir wären Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, dankbar, wenn sich<br />

98


über <strong>un</strong>seren W<strong>un</strong>sch einer Sonderausschütt<strong>un</strong>g Einvernehmen erzielen<br />

ließe." - Und was tut Präsident Angerer: Er erklärt seinen Untergebenen,<br />

er halte die Sonderdividende an die Holding "zwar optisch<br />

für verfehlt, weil die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer der Deutscher Ring<br />

Leben nicht an den Veräußer<strong>un</strong>gsgewinnen beteiligt würden, aber<br />

rechtlich nicht für <strong>un</strong>zulässig". - Also gibt Angerer den "Dealern"<br />

bei der Basler <strong>un</strong>d beim Deutschen Ring grünes Licht mit dem Ergebnis:<br />

Die Versicherten wurden nicht einmal an dem Überschuß<br />

von sechs Millionen Mark beteiligt.<br />

Milliardenskandal - Jahrelange Uneinigkeit innerhalb<br />

der Staatsaufsicht um die Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten an<br />

Milliardenüberschüssen<br />

Jetzt aber das Tollste. Aufgeschreckt durch den Capital-Artikel<br />

schreibt das B<strong>un</strong>desministerium der Finanzen an das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt:<br />

"Presseberichten entnehme ich, daß das Unternehmen<br />

Deutscher Ring Lebensversicher<strong>un</strong>gs AG das Unternehmen Deutscher<br />

Ring Sachversicher<strong>un</strong>gs-AG an die Basler <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Gesellschaft verkauft habe. Ich bitte um Darstell<strong>un</strong>g des Sachverhalts<br />

<strong>un</strong>d seine Bewert<strong>un</strong>g aus Ihrer Sicht." - Und der n<strong>un</strong> folgende<br />

Schriftwechsel deckt eine Ungeheuerlichkeit auf: Der verantwortliche<br />

B<strong>un</strong>desminister der Finanzen <strong>un</strong>d das ihm <strong>un</strong>terstellte B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sind seit Jahren <strong>un</strong>d möglicherweise<br />

seit Jahrzehnten völlig <strong>un</strong>terschiedlicher Mein<strong>un</strong>g über<br />

Art <strong>un</strong>d Umfang der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g von Lebensversicherten<br />

- ohne es gemerkt zu haben ! - Dabei sind mit dem Instrument der<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g zu Zigmillionen Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen die Erträge aus H<strong>un</strong>derten von Milliarden<br />

Mark angesammelten Vermögen in jährlicher Zigmilliardenhöhe verteilt<br />

worden ! -<br />

Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt antwortet dem Ministerium: "Ebenso<br />

wie Erträge <strong>un</strong>d Verluste aus Beteilig<strong>un</strong>gen den Aktionären zuzurechnen<br />

sind, haben die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer keinen Anspruch auf<br />

Teilhabe an Gewinnen aus der Veräußer<strong>un</strong>g von Beteilig<strong>un</strong>gen des<br />

restlichen Vermögens eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens. Daher<br />

sieht das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt keinen Anlaß, Bedenken gegen den<br />

aufgr<strong>un</strong>d eines Wertgutachtens ermittelten Kaufpreis zu erheben.<br />

Auch gegen die Ausschütt<strong>un</strong>g des Veräußer<strong>un</strong>gsgewinns an die Aktionäre<br />

ist aufsichtsrechtlich nichts einzuwenden."<br />

99


Daraufhin der große Knall in Gestalt der Erwider<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desministers<br />

der Finanzen: "Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Angerer,<br />

Ich habe die Regeln über die Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g in der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

bisher so verstanden, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer am G e<br />

s a m t ergebnis des Versicherers beteiligt werden, aus welchen<br />

Quellen es auch immer gespeist werde." - - - Es werden zahlreiche<br />

Belege für die Richtigkeit dieser Mein<strong>un</strong>g aufgeführt. Und das<br />

Schreiben endet: "Ich bitte um ausführliche Stell<strong>un</strong>gnahme."<br />

Große Aufreg<strong>un</strong>g im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt. Denn - was außerhalb<br />

des Amtes noch keiner wußte - die Abteil<strong>un</strong>g VI hatte das Wertgutachten,<br />

das Gr<strong>un</strong>dlage für die Vermögensverschieb<strong>un</strong>g zwischen<br />

Deutscher Ring <strong>un</strong>d Basler war, in einer Stell<strong>un</strong>gnahme "zerrissen".<br />

Nachstehend Auszüge aus der Stell<strong>un</strong>gnahme des Abteil<strong>un</strong>gspräsidenten:<br />

"An der Ermittl<strong>un</strong>g des Ertragswertes von nur 31 Millionen<br />

Mark sind Zweifel angebracht: Es ist <strong>un</strong>verständlich, warum hohe<br />

Provisionsbelast<strong>un</strong>gen ... eingeflossen sind. Noch <strong>un</strong>verständlicher<br />

erscheint die Prognose ... in der Hausratversicher<strong>un</strong>g. Die Art <strong>un</strong>d<br />

Weise, wie die ... Schwank<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen behandelt wurden, ist<br />

mehr als <strong>un</strong>befriedigend ... sachlich in keiner Weise zu rechtfertigen<br />

... <strong>un</strong>d fragwürdig, <strong>un</strong>d die Behaupt<strong>un</strong>g, daß ein überdurchschnittlicher<br />

Reservebetrag erforderlich wird, schlichtweg falsch. Selbst <strong>un</strong>ter<br />

Berücksichtig<strong>un</strong>g von Unwägbarkeiten kann der ermittelte Unternehmenswert<br />

von 31 Millionen Mark nicht akzeptiert werden." -<br />

Die Abteil<strong>un</strong>g VI kommt - "selbst bei vorsichtiger Schätz<strong>un</strong>g" auf<br />

einen Unternehmenswert von mindestens 66 Millionen Mark. Bei<br />

einer "durchaus auch zu rechtfertigenden" anderen Berechn<strong>un</strong>g "ergäbe<br />

sich ein noch höherer Unternehmenswert." -<br />

Aber was schreibt der Pressesprecher des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes<br />

nach diesem Verriß an den Redakteur Dr. Wolff von der Zeitschrift<br />

"Capital": "Das Amt hat keinen Anlaß, das Wertgutachten der Deutschen<br />

Treuhand anzuzweifeln." - Also ist die Aufreg<strong>un</strong>g verständlich,<br />

die die überraschende Nachfrage des Ministeriums auslöste. Die<br />

Abteil<strong>un</strong>g V erarbeitet einen Vermerk, der zu dem Ergebnis kommt:<br />

"Wenn der Deutscher Ring Leben ein höherer Kaufpreis von 66<br />

Millionnen Mark zugeflossen wäre, hätten die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

7,8 Millionen Mark mehr erhalten können. Deshalb kann zusammenfassend<br />

festgestellt werden, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer nicht<br />

u n a n g e m e s s e n benachteiligt wurden." -<br />

Das Aufsichtsamt bestätigt also selbst, daß bei einem Verkauf zu<br />

dem - von der Abteil<strong>un</strong>g VI ermittelten - Mindestpreis von 66 Milli-<br />

100


onen Mark eine Benachteilig<strong>un</strong>g der Versicherten des Deutschen<br />

Ring in Höhe von "7,8 Millionen Mark" stattgef<strong>un</strong>den hat. Diese<br />

Vermögensbenachteilig<strong>un</strong>g versucht das Amt als nicht "<strong>un</strong>angemessen",<br />

also als angemessen, darzustellen - was immer dar<strong>un</strong>ter verstanden<br />

werden soll. Es ist nicht bekannt, daß das Strafgesetzbuch<br />

Untergrenzen für Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>gen festgelegt hat, <strong>un</strong>d daß bei Unterschreit<strong>un</strong>g<br />

dieses Schwellenwertes ein Täter strafbar bleiben soll.<br />

Außerdem wurden bei den Berechn<strong>un</strong>gen schlimme Fehler gemacht.<br />

Tatsächlich hätten die Deutscher-Ring-Versicherten bei einem Verkauf<br />

zum Mindestpreis von 66 Millionen Mark eine um etwa 25 Millionen<br />

Mark höhere Überschußbeteilig<strong>un</strong>g erhalten. Vermutlich ist<br />

der Vermögensschaden aber noch höher; denn nach Expertenschätz<strong>un</strong>gen<br />

ist die Deutscher Ring Sachversicher<strong>un</strong>gs-AG etwa 200 Millionen<br />

Mark wert ge<strong>wesen</strong>.<br />

In diesem - selbst verschuldeten - Dilemma entwirft die Abteil<strong>un</strong>g<br />

V des Aufsichtsamtes ein Schreiben an den B<strong>un</strong>desminister der<br />

Finanzen <strong>un</strong>d legt diesen Entwurf anderen Abteil<strong>un</strong>gen vor mit der<br />

Bitte um Mitteil<strong>un</strong>g, ob der Entwurf mit<strong>un</strong>terzeichnet werde. Der<br />

Präsident der Abteil<strong>un</strong>g I, Gottfried Claus, erklärt sich zur Mit-<br />

Unterzeichn<strong>un</strong>g bereit, weist aber darauf hin, "daß die Stell<strong>un</strong>gnahme<br />

die Frage des B<strong>un</strong>desministers der Finanzen eigentlich nicht beantwortet.<br />

Die Rechtsauffass<strong>un</strong>g des Amtes wird lediglich wiederholt,<br />

aber nicht begründet." - Und so sieht am Ende das vom BAV-<br />

Präsidenten Angerer <strong>un</strong>terzeichnete Schreiben an den B<strong>un</strong>desminister<br />

der Finanzen aus:<br />

"Die für Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen bestehenden Regeln<br />

für die Überschußermittl<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d -verteil<strong>un</strong>g sind <strong>un</strong>verändert gültig.<br />

Die Geschäftspläne sämtlicher <strong>un</strong>ter B<strong>un</strong>desaufsicht stehender Lebensversicherer<br />

sehen vor, daß mindestens 90% der erzielten Rohüberschüsse<br />

für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer zu verwenden sind. Unbeschadet<br />

der von mir vertretenen Auffass<strong>un</strong>g, daß Beteilig<strong>un</strong>gen<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen an anderen Unternehmen aus Eigenkapital<br />

zu finanzieren sind, zum restlichen Vermögen gehören<br />

<strong>un</strong>d Gewinne aus den Beteilig<strong>un</strong>gen demzufolge den Aktionären<br />

gebühren, denen auch Verluste aus Beteilig<strong>un</strong>gen anzulasten sind, ist<br />

für den vorliegenden Fall festzustellen: Die Deutscher Ring Lebensversicher<strong>un</strong>gs-AG<br />

hat im Geschäftsjahr 1986 einen Rohüberschuß<br />

einschließlich des Gewinns aus der Beteilig<strong>un</strong>gsveräußer<strong>un</strong>g erzielt,<br />

der zu 97,4% für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer <strong>un</strong>d im übrigen für<br />

Rücklagenbild<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Aktionärdividende verwendet wurde. Inso-<br />

101


weit haben die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer weit mehr als den geschäftsplanmäßigen<br />

Mindestanteil am Überschuß erhalten. Die Interessen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer sind demzufolge durch die Veräußer<strong>un</strong>g<br />

der Beteilig<strong>un</strong>g an Deutscher Ring Sach <strong>un</strong>d die Ausschütt<strong>un</strong>g einer<br />

Sonderdividende an die Aktionäre nicht beeinträchtigt worden." -<br />

BAV-Präsident Angerer will also nicht begreifen, daß 97 Pfennige<br />

von einer Mark auch nur 97 Prozent sind - daß es also schon darauf<br />

ankommt, ob zum Beispiel 220 Millionen Mark aus dem Verkauf<br />

einer Beteilig<strong>un</strong>g in die Bezugsgröße für die 97 oder 95 Prozent eingerechnet<br />

werden oder nicht. 95 Prozent von 220 Millionen Mark<br />

sind nämlich mehr als 97 Prozent von einer Mark ! - (Siehe auch Seite<br />

XX)<br />

Jedenfalls wurden mit dem Präsidentenschreiben die Akten<br />

"Deutscher Ring" in allen Fachabteil<strong>un</strong>gen des Aufsichtsamtes geschlossen.<br />

Man kann nur hoffen, daß beim verantwortlichen B<strong>un</strong>desministerium<br />

der Finanzen <strong>un</strong>d beim Aufsichtsamt neue Akten<br />

angelegt wurden für den Vorgang: "Klär<strong>un</strong>g offener Fragen zur Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

zu Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen." - Mit einer<br />

Strafanzeige gegen den B<strong>un</strong>desminister der Finanzen wegen Beihilfe<br />

zu Betrug <strong>un</strong>d Untreue mit anschließender Akteneinsicht könnte<br />

man auch diese Frage zu klären versuchen. Der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

hat sich jedenfalls schon als Ersatz-Aufsichtsbehörde betätigt<br />

<strong>un</strong>d Strafanzeigen erstattet.<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld auf dem<br />

Verschiebebahnhof Rückversicher<strong>un</strong>g<br />

Auf <strong>un</strong>serer Wander<strong>un</strong>g durch die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen<br />

einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft kommen wir zu Positionen,<br />

die sich mit der Rückversicher<strong>un</strong>g befassen. Auch diese helfen bei<br />

der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld <strong>un</strong>d Prämienüberschüssen.<br />

DER SPIEGEL schrieb schon im Jahre 1981: "Die Versicherer wissen,<br />

wie sie ihre Gewinne optisch veringern können, um sie nicht<br />

ausschütten zu müssen. So täuschen sie beispielsweise durch überdimensionierte<br />

Rückversicher<strong>un</strong>gsverträge hohe Kosten vor, verlagern<br />

in Wirklichkeit aber Gewinne auf eine andere Konzerngesellschaft.<br />

Solche 'Wege zu Gewinnverlager<strong>un</strong>gen' sind der Aufsichtsbehörde<br />

seit langem bekannt. Bisher sei es jedoch nicht gel<strong>un</strong>gen,<br />

'hier geordnete Verhältnisse zu schaffen'."<br />

102


Eine Rückversicher<strong>un</strong>g ist die Versicher<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

Dort rückversichern sich die Gesellschaften gegen<br />

"Überschäden". Sie zahlen dafür einen Beitrag <strong>un</strong>d erhalten dann<br />

zum Beispiel bei besonders großen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fällen einen vereinbarten<br />

Teil der Schadenssumme vom Rückversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

ersetzt. Sie erhalten aber auch Rückversicher<strong>un</strong>gsprovisionen.<br />

Und hier f<strong>un</strong>ktioniert außerdem das ganz hervorragend, was<br />

zwischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d Privatk<strong>un</strong>den nicht f<strong>un</strong>ktioniert:<br />

die Rückerstatt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>verbrauchter Prämien.<br />

Im Bereich der Lebens-, Kranken- <strong>un</strong>d Kraftfahrt-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g ist die Rückerstatt<strong>un</strong>g von Prämienüberschüssen<br />

an die Versicherten vertraglich geregelt. Die Gesellschaften<br />

können aber diese Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g leicht umgehen oder zumindest<br />

manipulieren. Die Zeitschrift "Capital" beschreibt im Januar<br />

1984, wie das geht: "Taschenspielerei - Autofahrer müssen derzeit<br />

zu hohe Haftpflichtprämien zahlen. Mit diesem Geld subventioniert<br />

die Assekuranz die Feuerpolicen der Großindustrie: ein diskreter<br />

<strong>un</strong>d auf verschl<strong>un</strong>genen Wegen gemanagter Vermögenstransfer.<br />

Machen die Gesellschaften bei den vom Staat genehmigten Haftpflichtprämien<br />

mehr als drei Prozent Gewinn, müssen sie den Überschuß<br />

laut Vorschrift als Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g den K<strong>un</strong>den vergüten.<br />

Damit will der Staat die Autofahrer vor <strong>un</strong>gerechtfertigt hohen<br />

Prämien schützen. Ein lobenswerter Vorsatz. Doch die Assekuranz<br />

hat ihn inzwischen durchlöchert. Als die Autoversicherer in den letzten<br />

Jahren hohe Gewinne verbuchten, mochten nicht alle Gesellschaften<br />

den vollen Überschuß in den Bilanzen vorzeigen. Um die<br />

Gewinne zu verlagern, bedienten sie sich einer Art Taschenspielertrick,<br />

der nur mit Hilfe der sogenannten Rückversicherer f<strong>un</strong>ktioniert."<br />

Und so können die Unternehmen - grob dargestellt - tricksen: Sie<br />

vereinbaren mit einer - meist demselben Konzern zugehörigen -<br />

Rückversicher<strong>un</strong>gs-Gesellschaft, daß diese sich mit bestimmten<br />

Quoten am Verlauf der Autohaftpflichtversicher<strong>un</strong>g beteiligt, also<br />

auch an den Überschüssen. Die Rückversicher<strong>un</strong>gs-Gesellschaften<br />

sind aber nicht gegenüber den Autofahrern zur Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

verpflichtet, stecken also alle Überschüsse von weit über drei<br />

Prozent der Prämien als Gewinne ein. Der Gr<strong>un</strong>d dieser Schieb<strong>un</strong>gen<br />

ist eine stille Übereink<strong>un</strong>ft, daß dieses als Ausgleich für weniger<br />

gewinnträchtig verlaufende Rückversicher<strong>un</strong>gsverträge geschieht,<br />

wie zum Beispiel Verträge zur industriellen Feuerversicher<strong>un</strong>g. Oder<br />

103


es erfolgt ein Ausgleich über Rückversicher<strong>un</strong>gsprovisionen oder<br />

Gewinnbeteilig<strong>un</strong>gen - oft in ganz anderen Bereichen. Nur so läßt<br />

sich übrigens erklären, daß viele Gesellschaften den größten Teil ihrer<br />

Prämien an Rückversicherer abführen. Und das oft in Bereichen,<br />

wo eine Rückversicher<strong>un</strong>g völlig überflüssig ist, weil die Versichertengmeinschaften<br />

groß genug sind, um die - meist geringen - Risiken<br />

selbst abzudecken.<br />

Über die Rückversicher<strong>un</strong>g steuern die wenigen Großkonzerne<br />

im übrigen auch das extrem hohe Prämienniveau in der B<strong>un</strong>desrepublik.<br />

Sie nehmen z<strong>un</strong>ächst einmal Einfluß auf die Statistiken <strong>un</strong>d<br />

Prämienvorschläge, die von den Verbänden der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

entwickelt werden - möglichst hoch. Und sie gewähren<br />

dann nur den Gesellschaften Rückversicher<strong>un</strong>gsschutz, die sich an<br />

die von den Verbänden vorgeschlagenen hohen Prämien halten. Nur<br />

durch die so erzw<strong>un</strong>gene Verbandsdisziplin lassen sich die hierzulande<br />

in vielen Bereichen völlig überteuerten Prämien erklären.<br />

Betrug <strong>un</strong>d falsche Zahlen:<br />

Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle<br />

Ein weiterer Betrug sind die "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen". Z<strong>un</strong>ächst<br />

einmal ist es betrügerisch, diese als Aufwend<strong>un</strong>gen zu bezeichnen<br />

<strong>un</strong>d als Kosten in eine Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g zu übernehmen.<br />

Das Auszahlen von Treuhandgeld kann einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

niemals Kosten bereiten - außer Bearbeit<strong>un</strong>gskosten<br />

für die Auszahl<strong>un</strong>g. Keine Bank würde auf die Idee kommen, K<strong>un</strong>den-Überweis<strong>un</strong>gen<br />

oder Auszahl<strong>un</strong>gen an K<strong>un</strong>den als Kosten der<br />

Bank zu verbuchen. So sind auch Schadenzahl<strong>un</strong>gen keine Kosten,<br />

weil <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen lediglich eine Umverteil<strong>un</strong>g der von<br />

den Versicherten bereitgestellten Gelder bewirken. Der Gr<strong>un</strong>d für<br />

die falsche Verbuch<strong>un</strong>g bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ist einfach:<br />

Wenn Prämien wie Preise <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen wie<br />

Kosten verbucht werden, können die verbleibenden Überschüsse als<br />

Unternehmensgewinn vereinnahmt werden.<br />

Tatsächlich müßten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen aus einem Sondervermögen<br />

entnommen werden, das aus den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d<br />

Sparanteilen der Prämien gebildet werden müßte. Dieses Sondervermögen<br />

gibt es aber bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften nicht,<br />

obwohl andere Kapitalanlagegessellschaften gesetzlich gewz<strong>un</strong>gen<br />

104


sind, aus den ihnen anvertrauten K<strong>un</strong>dengeldern ein solches - vom<br />

Unternehmenskapital abgetrenntes - Sondervermögen zu bilden.<br />

Ist schon die Behandl<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen als Kosten<br />

ein Betrug, so werden in diesem Rechn<strong>un</strong>gsposten die tatsächlich<br />

erbrachten Auszahl<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle noch nicht einmal<br />

wahrheitsgemäß angegeben. Hier wird wieder einmal kräftig miteinander<br />

vermengt, nämlich Schadenzahl<strong>un</strong>gen mit Schadenregulier<strong>un</strong>gskosten<br />

<strong>un</strong>d das Ganze dann auch noch mit sogenannten Schadenreserven.<br />

Das Ergebnis: Bei keinem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

lassen sich die tatsächlich ausgezahlten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen feststellen.<br />

Wie die als Aufwend<strong>un</strong>gen verbuchten Schadenreserven gebildet<br />

werden, habe ich selbst als Werkstudent <strong>un</strong>d Referendar in mehreren<br />

Schadenabteil<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erlebt. Da<br />

bekommen die Sachbearbeiter am Jahresende die Akten der noch<br />

nicht erledigten Fälle auf den Tisch mit der Aufforder<strong>un</strong>g: "N<strong>un</strong> reserviert<br />

'mal schön!" - Was soviel heißt wie: Schätzt 'mal, was im<br />

Einzelfall noch als mögliche Schadenzahl<strong>un</strong>g auf die Gesellschaft<br />

zukommen könnte. Dabei wird die Devise ausgegeben: "Ob eine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g überhaupt in Frage kommt oder nicht, möglichst<br />

immer hohe Beträge als Reserven ansetzen." - Dienstbeflissen<br />

<strong>un</strong>d gehorsam setzen sich dann die Sachbearbeiter hin <strong>un</strong>d reservieren<br />

für einzelne Fälle Tausende von Mark, obwohl überhaupt keine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen mehr zu erwarten sind. Am Ende werden<br />

alle Schadenreserven zusammengerechnet <strong>un</strong>d gehen als Millionenbetrag<br />

in die sogenannten "Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle"<br />

ein, obwohl noch kein Pfennig bezahlt worden ist <strong>un</strong>d in den meisten<br />

Fällen nichts oder weitaus weniger als reserviert ausgezahlt wird.<br />

Übrig bleiben also Millionen als Spielgeld für die Gesellschaften -<br />

wie eine Ausgabe verbucht, aber nicht ausgegeben.<br />

Genauso wie die ausgewiesenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen ein<br />

Schwindel sind, sind auch die ständig publizierten Schadenquoten<br />

ein Betrug, weil hier mit Zahlen jongliert wird, die vorne <strong>un</strong>d hinten<br />

nicht stimmen. Manche Gesellschaften schaffen es sogar, Schadenquoten<br />

von über 100 Prozent zu fabrizieren, was natürlich das Mitleid<br />

der Versicherten mit der "armen" Gesellschaft erregen <strong>un</strong>d das<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zur Genehmig<strong>un</strong>g noch höherer Prämien veranlassen<br />

soll. Trotz Schadenquoten von über 100 Prozent machen<br />

die Gesellschaften aber immer noch satte Gewinne, weil einmal die<br />

Schadenaufwend<strong>un</strong>gen keine tatsächlichen Auszahl<strong>un</strong>gen sind <strong>un</strong>d<br />

105


weil zum anderen bei der Errechn<strong>un</strong>g der Schadenquote die Erträge<br />

aus den Reserven <strong>un</strong>d anderen Rückstell<strong>un</strong>gen nicht berücksichtigt<br />

werden.<br />

Ein Beispiel: Eine Gesellschaft hat eine Million Mark an Beiträgen<br />

eingenommen <strong>un</strong>d 600.000 Mark an Schadenzahl<strong>un</strong>gen erbracht.<br />

Die Regulier<strong>un</strong>gsaufwend<strong>un</strong>gen betragen 100.000 Mark. Und<br />

als Reserven werden 300.000 Mark angesetzt. Nach der derzeit praktizierten<br />

Methode ergibt sich eine Schadenquote von 100 Prozent:<br />

eine Million Mark an Beiträgen <strong>un</strong>d eine Million Mark an Aufwend<strong>un</strong>gen<br />

für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle (Auszahl<strong>un</strong>gen, Reserven <strong>un</strong>d Regulier<strong>un</strong>gsaufwend<strong>un</strong>gen).<br />

Ein glatter Betrug, denn die Schadenquote<br />

ist nicht einmal - wie es z<strong>un</strong>ächst scheint - 60 Prozent. Die Gesellschaft<br />

hatte nämlich aus Reserven <strong>un</strong>d Rückstell<strong>un</strong>gen weitere<br />

100.000 Mark an Einnahmen. Rechnet man diese Erträge <strong>un</strong>d die<br />

Beitragseinnahmen zusammen, ergeben sich Einnahmen von mehr<br />

als eine Million Mark. Und setzt man die Gesamteinnahmen von 1,1<br />

Millionen Mark in Relation zu den tatsächlichen Schadenzahl<strong>un</strong>gen<br />

von 600.000 Mark, so ist die wirkliche Schadenquote etwa 55 Prozent.<br />

Mal wenig, mal viel zahlen:<br />

Manipulationen im Bereich der Schadenregulier<strong>un</strong>g<br />

Solange <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien <strong>un</strong>geteilt in die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g<br />

der Gesellschaften eingehen, werden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

wie Kosten verbucht <strong>un</strong>d nicht als Auszahl<strong>un</strong>gen von<br />

Treuhandgeld aus einem Sondervermögen. Das hat zur Folge, daß<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften ein besonderes Interesse an<br />

möglichst geringen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen haben müssen, weil diese<br />

zu höheren Prämienüberschüssen führen - die Ursache für den<br />

oft zitierten "Ärger im Schadenfall". Zahl<strong>un</strong>gskürz<strong>un</strong>gen, Zahl<strong>un</strong>gsablehn<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Zahl<strong>un</strong>gsverzöger<strong>un</strong>gen führen automatisch zu<br />

"Gewinnen" bei den Unternehmen.<br />

Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g kehrt sich die Strategie<br />

der Gesellschaften aber um. Hier sind sie an einem besonders<br />

hohen Schadenszahl<strong>un</strong>gen interessiert. Denn je höher die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

sind, desto höhere Prämien werden vom B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

genehmigt. Und weil die Gesellschaften drei Prozent<br />

der Prämieneinnahmen als Gewinn einstecken dürfen, hängen die<br />

Gewinne plötzlich von besonders hohen Auszahl<strong>un</strong>gen ab. So hat<br />

106


die Branche es geschafft, in Deutschland das weltweit wohl höchste<br />

Entschädig<strong>un</strong>gsniveau bei Kfz-Sachschäden zu erreichen. Schäden<br />

bei leichtem Rempeleien, für die Franzosen noch nicht einmal aus<br />

ihrem Auto steigen würden, werden hierzulande auf Entschädig<strong>un</strong>gen<br />

von mehreren tausend Mark hochgeputscht. Und die Gerichte<br />

spielen leider bei dieser volkswirtschaftlichen Verschwend<strong>un</strong>g mit<br />

<strong>un</strong>d verschaffen so der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche höhere Prämien <strong>un</strong>d<br />

damit auch immer höhere Gewinne.<br />

Betrug: Aufwend<strong>un</strong>gen für Rückkäufe –<br />

Milliardenverluste von Millionen Lebensversicherten<br />

Wir kommen zur Position "Aufwend<strong>un</strong>gen für Rückkäufe". Ein<br />

Rückkauf ist die vorzeitige Kündig<strong>un</strong>g einer mit einem Sparvorgang<br />

verb<strong>un</strong>denen Lebensversicher<strong>un</strong>g oder Unfallversicher<strong>un</strong>g mit Prämienrückgewähr.<br />

Durch die Kündig<strong>un</strong>g wird die Auszahl<strong>un</strong>g des<br />

angesammelten Kapitals fällig, das man "Rückkaufswert" nennt. Genauso<br />

wie <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen keine Kosten der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

sind, sind aber auch solche Auszahl<strong>un</strong>gen keine Aufwend<strong>un</strong>gen.<br />

Bei der vorzeitigen Beendig<strong>un</strong>g eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Sparvorganges erleben die B<strong>un</strong>desbürger hautnah, wie weit sich <strong>un</strong>ser<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> jenseits von Recht <strong>un</strong>d Gesetz befindet. Sie<br />

erkennen meistens viel zu spät, daß sie mit der Entscheid<strong>un</strong>g für das<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparen einen Fehler begangen haben. Sie kündigen<br />

ihren Vertrag <strong>un</strong>d verlangen die eingezahlten Beiträge zurück. Die<br />

Enttäusch<strong>un</strong>g ist dann groß, weil die Gesellschaften nach einem sogenannten<br />

"Zillmerverfahren" von den ersten Prämien die<br />

Abschlußprovision des Vertreters, ihre eigenen Abschlußkosten <strong>un</strong>d<br />

hohe Anteile für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz einbehalten dürfen, was<br />

den Versicherten vor Abschluß des Vertrages aber nicht deutlich<br />

gemacht wurde. Der B<strong>un</strong>d der Versicherten will um diese Problematik<br />

im Jahre 1990 einen Musterprozeß beginnen anhand des folgenden<br />

Falles:<br />

Ein Apotheker hatte im Jahre 1985 eine Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g mit einem Jahresbeitrag von 11.120 Mark abgeschlossen.<br />

In seinem Antrag war folgende - kleingedruckte - Klausel<br />

enthalten, die er mit<strong>un</strong>terschrieben hat: "Mir ist bekannt, daß in den<br />

ersten Jahren kein oder nur ein geringer Rückkaufswert entsteht."<br />

Nach der Zahl<strong>un</strong>g von fünf Jahresbeiträgen in Höhe von ingesamt<br />

107


55.600 Mark wandert der Apotheker nach Japan aus, kündigt seine<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d verlangt seine Beiträge zurück. Die Gesellschaft<br />

teilt ihm mit: Der Rückkaufswert beträgt 1.264 Mark <strong>un</strong>d<br />

sechs Pfennige - ein Verlust fast sämtlicher Beiträge in Höhe von<br />

55.000 Mark ! -<br />

Ähnlich der Leserbrief von Prof. Dr. Arnt Spandau in der Frankfurter<br />

Allgemeinen im August 1990: "Jährlich habe ich seit 1980<br />

mehrere tausend Mark Lebensversicher<strong>un</strong>gsprämie gezahlt. Beim<br />

Vertragsabschluß wurde mir Hoffn<strong>un</strong>g auf eine ansehnliche Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g<br />

gemacht, die aber - so sei die Natur des Wirtschaftens<br />

- in ihrer Höhe nicht garantiert werden könnten. Heute weiß<br />

ich, daß die Gewinnbeteilig<strong>un</strong>gen der Allianz weit hinter denen der<br />

Konkurrenz zurückbleiben. Es war mir bei Vertragsschluß nicht erkennbar,<br />

daß die Allianz mit den Gewinnen der ihr anvertrauten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder in <strong>un</strong>vorstellbarem Maße Werbe- <strong>un</strong>d Kostenaufwand<br />

betreibt, ganze Herrscharen von Vertretern beschäftigt <strong>un</strong>d<br />

mit völlig überteuerten Prämien Haushalte ausbeutet. Natürlich habe<br />

ich geprüft, ob es sich lohnt, nach einigen Jahren Beitragszahl<strong>un</strong>g<br />

die Geschäfstbezieh<strong>un</strong>g mit der Allianz zu beenden. Eine Überprüf<strong>un</strong>g<br />

der Rückkaufswerte kommt aber zu dem Ergebnis, daß eine<br />

vorzeitige Vertragskündig<strong>un</strong>g in bezug auf gezahlte Prämien nahezu<br />

einer Enteign<strong>un</strong>g gleichkommt."<br />

Die Vereinigten Wirtschaftsdienste berichteten im August 1985<br />

von "gigantischen Verlusten": "B<strong>un</strong>desbürger, die 1984 vorzeitig ihre<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g kündigten, haben dabei Verluste in Höhe von<br />

mehr als zehn Milliarden Mark erlitten. Das ist das Ergebnis einer<br />

VWD-Untersuch<strong>un</strong>g. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr zwei<br />

Millionen Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Verträge vorzeitig gekündigt. Der<br />

wichtigste Gr<strong>un</strong>d für diesen gigantischen Verlust liegt darin, daß<br />

Einzahl<strong>un</strong>gen auf Verträge, die bereits nach zwei Jahren gekündgt<br />

werden, völlig verfallen. Auch Prämienzahl<strong>un</strong>gen im dritten Jahr der<br />

Laufzeit sind so gut wie völlig verloren. In aller Regel trifft das so<br />

verlorene Vermögen die Versicherten genau im falschen Moment.<br />

Denn sie kündigen ihre Verträge fast immer nur in wirklichen Notlagen<br />

(Ehescheid<strong>un</strong>g, Arbeitslosigkeit). Die Versicherten haben kein<br />

Verständnis dafür, daß sie nach zwei- oder dreijährigem Bezahlen<br />

ihrer Prämien vor dem Nichts stehen."<br />

Die "kriminelle" Rückkaufswertregel<strong>un</strong>g, durch die Millionen<br />

B<strong>un</strong>desbürger Milliarden Mark verloren haben, wurde zwar nach<br />

Jahren der "Ausbeut<strong>un</strong>g" etwas verbessert, aber einem Lebensversi-<br />

108


cherten wird bei Antragsstell<strong>un</strong>g noch immer nicht in konkreten<br />

Zahlen gesagt, daß er bei vorzeitiger Vertragsaufheb<strong>un</strong>g viel Geld<br />

verliert. Es ist zu erwarten, daß der B<strong>un</strong>desgerichtshof die oben erwähnte<br />

Klausel zum Rückkaufswert in Lebensversicher<strong>un</strong>gsanträgen<br />

kippt, weil sie nicht dem Transparenzgebot entspricht, das gerade<br />

dieses Gericht in seinen letzten Urteilen immer wieder betont. Dann<br />

könnten möglicherweise Millionen Versicherte eine Nachzahl<strong>un</strong>g<br />

auf den Rückkaufswert ihrer vorzeitig gekündigten Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

verlangen.<br />

Betrug <strong>un</strong>d Untreue bei den Aufwend<strong>un</strong>gen für<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g - Milliardenverluste der Versicherten<br />

Weiter in der Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g. Auch zur Position<br />

"Aufwend<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g" ist festzustellen, daß es<br />

sich nicht um Kosten des Unternehmens handelt, wenn Versicherte<br />

Prämienüberschüsse zurückerhalten oder Zuführ<strong>un</strong>gen zu entsprechenden<br />

Rückstell<strong>un</strong>gen gemacht werden. Statt als Kosten müßten<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen wie Auszahl<strong>un</strong>gen aus einem treuhänderisch<br />

verwalteten Sondervermögen verbucht werden.<br />

Die Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g ist merkwürdigerweise nicht bei allen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten, sondern nur bei Lebens-, Kranken- <strong>un</strong>d Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>gen vorgeschrieben. Aber auch hier kann viel<br />

manipuliert werden. Wie sagte noch <strong>un</strong>ser Bilanzfriseur Karl<br />

Upphoff in seinem oben wiedergegebenen Interview: Bei der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

müßten ja mindestens 90 Prozent der Überschüsse<br />

ausgeschüttet werden. - Und geschieht das? - Upphoff grinste:<br />

"Glaubst du ans Christkind? Natürlich steht das auf dem Papier, daß<br />

die Firma irgendwas über 90 Prozent ausschüttet - aber 90 Prozent<br />

von was? Da hat der liebe Gott noch ein paar Rechner davorgestellt,<br />

ehe das entschieden wird!" - Und Karl Upphoff offenbart dann<br />

auch, daß hier "vorwärts <strong>un</strong>d rückwärts gerechnet wird, vor allem<br />

natürlich rückwärts, vom Ergebnis nach vorn!" -<br />

Das "Rückwärtsrechnen, vom Ergebnis nach vorn" ist der springende<br />

P<strong>un</strong>kt der Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen, die aus Prämienüberschüssen<br />

entstehen. Zuerst bestimmt der Unternehmensvorstand<br />

nämlich, inwieweit die Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d<br />

Sparbereich zum Ausgleich von Verlusten im Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich<br />

herangezogen werden sollen <strong>un</strong>d wieviel Gewinne die Gesellschaft<br />

aus den restlichen Überschüssen beschließen will. Und erst dann<br />

109


wird der Überschuß-Rest den Rückstell<strong>un</strong>gen für die Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

zugewiesen. Und dort wird das Versichertengeld so lange<br />

wie möglich behalten, damit es weitere Erträge bringt <strong>un</strong>d über alles<br />

Geld weiterhin quasi beliebig verfügt werden kann.<br />

So schrieb die Zeitschrift "Capital" im Januar 1986: "Es gibt zwei<br />

Möglichkeiten der Manipulation: Auf heute fällige Verträge wird<br />

zuwenig gezahlt, zu hohe Versprech<strong>un</strong>gen für diejenigen, die neu<br />

abschließen. So ist das System n<strong>un</strong> einmal angelegt. Schwindel dieser<br />

Art ist erlaubt."<br />

In seinem Geschäftsbericht 1985 hat das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

darauf hingewiesen, daß es die Höhe der Rückstell<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

als <strong>un</strong>tragbar hoch <strong>un</strong>d Maßnahmen zur Begrenz<strong>un</strong>g<br />

dieser Rückstell<strong>un</strong>gen als <strong>un</strong>umgänglich ansieht. Das Ergebnis<br />

beschreibt wiederum "Capital" im J<strong>un</strong>li 1986: "Willkür bei Sonderzahl<strong>un</strong>gen<br />

- Zehn Milliarden Mark Gewinnanteile müssen die Lebensversicherer<br />

bis 1989 zusätzlich an ihre K<strong>un</strong>den ausschütten. Sie<br />

können dabei nach Gutdünken entscheiden, wer etwas bekommt.<br />

'Das Geld muß raus, egal an wen', hieß die Marschricht<strong>un</strong>g. Folgerichtig<br />

fehlen im Verhandl<strong>un</strong>gsergebnis von Aufsicht <strong>un</strong>d Beaufsichtigten<br />

klare Regel<strong>un</strong>gen darüber, wie <strong>un</strong>d wann genau die zehn Milliarden<br />

den Versicherten gutgeschrieben werden sollen. 'Bei den Sonderausschütt<strong>un</strong>gen<br />

dürfen die Versicherer ihrer Fantasie freien Lauf<br />

lassen', stellt Horst Macht, Sprecher der Berliner Behörde, lakonisch<br />

fest. Diese Schlamperei bei der Festleg<strong>un</strong>g der Zahl<strong>un</strong>gsmodalitäten<br />

hat für eine Gruppe von Versicherten schlimme Konsequenzen.<br />

Ausgerechnet die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer, deren Verträge vor 1989<br />

fällig werden, laufen Gefahr, zu kurz zu kommen, obwohl gerade sie<br />

mit ihrem hohen Ansparguthaben ganz entscheidend zu den Zinsgewinnen<br />

beigetragen haben. 'Stichtage sind Stichtage', vermerkt<br />

Amtssprecher Macht, dessen Behörde hierzu nichts weiter einfällt,<br />

als daß die Betroffenen eben 'Pech gehabt' hätten." Im September<br />

1988 stellt "Capital" aber fest: "In den Rückstell<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

stecken immer noch über 50.000.000.000 (in Worten<br />

fünfzig Milliarden) Mark. Diese Beträge sind ein Schlag ins Gesicht<br />

ehemaliger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer." Deren Verträge sind nämlich<br />

ausgelaufen, ohne daß sie an diesen Milliarden beteiligt wurden.<br />

Die Zeitschrift "Capital" deckt im Oktober 1990 in diesem Zusammenhang<br />

eine Ironie auf: "Gerade wegen ihrer hohen Sonderausschütt<strong>un</strong>gen<br />

können die Gesellschaften, die besonders dreist<br />

gegen das Gebot einer zeitnahen <strong>un</strong>d vollständigen Gewinnbeteili-<br />

110


g<strong>un</strong>g der Versicherten verstießen, jetzt mit schicken Beispielrechn<strong>un</strong>gen<br />

glänzen." - In Beispielrechn<strong>un</strong>gen, die Vertreter den Interessenten<br />

für eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g vorgelegen, darf nämlich<br />

für einen neu abgeschlossenen Vertrag eine Hochrechn<strong>un</strong>g auf die<br />

Zuk<strong>un</strong>ft gemacht werden - beispielhaft - <strong>un</strong>ter Zugr<strong>un</strong>deleg<strong>un</strong>g der<br />

derzeitigen Überschußbeteilig<strong>un</strong>g. Und diese Beispielrechn<strong>un</strong>gen<br />

sind betrügerisch, weil Sonderausschütt<strong>un</strong>gen mit einbezogen werden.<br />

Viele Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen haben nämlich die für<br />

die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g eingefroreren Rückstell<strong>un</strong>gen auf einen<br />

Schlag um zwanzig bis sechzig Prozent abgeschmolzen, was natürlich<br />

- kurzzeitig - zu völlig <strong>un</strong>realistischen Überschußergebnissen<br />

führt.<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen versuchen die Notwendigkeit<br />

hoher Rückstell<strong>un</strong>gen damit zu begründen, daß sie diese für eine<br />

gleichmäßige Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g oder Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der<br />

Versicherten benötigten. Wegen des Interesses der Versicherten an<br />

einer gleichbleibenden Überschußkontinuität könne die Beteilig<strong>un</strong>g<br />

der Versicherten an den Prämienüberschüssen auch nicht konkret<br />

durch befristete Zinszusagen geregelt werden, sondern die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

müsse den Entscheid<strong>un</strong>gen der Unternehmensvorstände<br />

überlassen bleiben.<br />

Es braucht sicher nicht weiter ausgeführt zu werden, daß diese<br />

Be-<br />

gründ<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>haltbar sind, weil eine künstlich herbeigeführte<br />

Kontinuität der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g bei schwankenden Kapitalanlagebeding<strong>un</strong>gen<br />

zwangsläufig zu <strong>un</strong>gerechten Renditeergebnissen<br />

für die einzelnen Versicherten führen muß. Im Gegensatz zur Argumentation<br />

der Branche hat jeder vernünftige Mensch ein Interesse<br />

daran, genau die Überschüsse <strong>un</strong>d Erträge zu erhalten, die aus seinem<br />

Geld entstanden sind. Die Branche stellt hier bewußt falsche<br />

Behaupt<strong>un</strong>gen auf, um Versichertengeld möglichst lange in der eigenen<br />

Tasche <strong>un</strong>d zur eigenen Verfügbarkeit zu behalten.<br />

Wem gehören Milliarden-Rückstell<strong>un</strong>gen ?<br />

Wir kommen zu den versicher<strong>un</strong>gstechnischen Rückstell<strong>un</strong>gen.<br />

Auch hier gilt: Zuführ<strong>un</strong>gen zu Rückstell<strong>un</strong>gen aus anvertrauten<br />

Geldern sind keine Aufwend<strong>un</strong>gen. Hier geht es um Reserven für<br />

noch nicht erledigte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle <strong>un</strong>d vor allem um sogenannte<br />

"Schwank<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen", die Schwank<strong>un</strong>gen im Schadenver-<br />

111


lauf ausgleichen sollen. Hier wird von Aktiengesellschaften kräftig<br />

hingelangt. Denn auch diese Rückstell<strong>un</strong>gen bringen wieder Erträge,<br />

über die das Unternehmen weitgehend beliebig verfügen kann.<br />

Bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen, die mit einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>den<br />

sind, muß das aus den Sparanteilen gebildete Deck<strong>un</strong>gskapital zurückgestellt<br />

werden - die sogenannte Deck<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>g. Natürlich<br />

sind auch hier Zuführ<strong>un</strong>gen keine Aufwend<strong>un</strong>gen oder Unternehmenskosten,<br />

werden aber auch wieder wie solche verbucht. Diese<br />

Rückstell<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>terliegen im übrigen der Aufsicht <strong>un</strong>d Kontrolle<br />

eines Treuhänders, den jedes Unternehmen für die entsprechenden<br />

Kapitalanlagen, den sogenannten Deck<strong>un</strong>gsstock, bestellen muß<br />

<strong>un</strong>d ohne dessen Zustimm<strong>un</strong>g es nicht über die zum Deck<strong>un</strong>gsstock<br />

gehörenden Vermögenswerte verfügen darf. Auch wieder ein Beweis,<br />

daß Prämien keine Preise sein können <strong>un</strong>d die Gesellschaften<br />

Treuhänder der Versicherten sind.<br />

Und dann wieder die Frage: Wem gehören die Rückstell<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d ihre Erträge ? - Die Monopolkommission stellt in ihrem 7.<br />

Hauptgutachten fest: "Die Rückstell<strong>un</strong>gen gehören zumindest teilweise<br />

den Versicherten <strong>un</strong>d müssen diesen gegenüber verzinst werden.<br />

Der den Versicherten zustehende Zinsbetrag ist jedoch in der<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g nicht ausgewiesen."<br />

Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>g in der Krankenversicher<strong>un</strong>g -<br />

Privatversicherte: "Erst angelockt, dann abgezockt!"<br />

Gleich doppelt manipulieren die privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

mit der Position "Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen". Bekanntlich<br />

werben diese Gesellschaften gerne mit hohen Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

für den Fall, daß die Versicher<strong>un</strong>g nicht in Anspruch genommen<br />

wird. Das soll j<strong>un</strong>ge Menschen in die private Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

locken. Das Aufputschen der Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g geschieht aber<br />

mit Erträgen aus sogenannten Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen, die Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

bilden müssen, um die höheren<br />

Krankheitskosten der älter werdenden Versicherten abzufangen.<br />

Die "Wirtschaftswoche" beschreibt im Jahre 1990 die Folgen der<br />

Manipulation: "678,5 Millionen Mark wurden an leist<strong>un</strong>gsfreie Versicherte<br />

ausgezahlt. Denn zahlreiche Gesellschaften wollen auf die<br />

Werbewirk<strong>un</strong>g von Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen an ges<strong>un</strong>de, meist jüngere<br />

Versicherte nicht verzichten. Die ausgezahlten Gelder fehlen<br />

112


natürlich den Senioren, obwohl diese den Zinsträger Altersrückstell<strong>un</strong>g<br />

in ihrem langen Vertragsleben angespart haben."<br />

Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen werden aus Beitragszuschlägen gebildet,<br />

die in alle Prämien der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g einkalkuliert<br />

sind aus der Erkenntnis heraus, daß die Krankheitskosten von älteren<br />

Menschen etwa doppelt so hoch sind wie die der jüngeren. Da<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen aber vorsehen, daß die Prämien wegen<br />

des steigenden Alters eines Versicherten nicht erhöht werden<br />

dürfen, müssen die erhöhten Leist<strong>un</strong>gen im Alter schon bei der Beitragskalkulation<br />

für die j<strong>un</strong>gen K<strong>un</strong>den berücksichtigt werden. Aus<br />

entsprechenden Beitragszuschlägen werden Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

gebildet.<br />

Manipulationen sind hier deshalb möglich, weil die Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

- wie Sparanteile in der Lebensversicher<strong>un</strong>g - nur mit<br />

3,5 Prozent verzinst zu werden brauchen. Da die Gesellschaften aber<br />

mehr als das Doppelte aus der Anlage der Versichertengelder<br />

erzielen, ergeben sich gewaltige Überschüsse. Und diese werden von<br />

vielen Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen nicht nur dem Sinn <strong>un</strong>d<br />

Zweck der Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>g entsprechend eingesetzt, sondern -<br />

werbewirksam - auch für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen. Milliarden sind<br />

so für die Altversicherten verloren gegangen. Ergebnis dieser Manipulationen:<br />

Die Privatversicherten werden im Alter mit Beitragserhöh<strong>un</strong>gen<br />

überzogen, die kaum noch zu bezahlen sind. So schrieb<br />

die "Wirtschaftswoche" im eben erwähnten Artikel von "bedrohlichen<br />

Rissen im System der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g - Die Privatpolice<br />

wird im Alter nahezu <strong>un</strong>bezahlbar."<br />

Die Zeitschrift Capital berichtete im April 1990 anhand eines<br />

konkreten Falles: "Ein Arbeitsleben lang waren viele gutverdienende<br />

Angestellte stolz darauf, als privatversicherte Patienten vom Arzt<br />

bevorzugt behandelt zu werden. Heute erhalten sie eine bittere Quitt<strong>un</strong>g.<br />

Davor hat sie damals, als sie von der gesetzlichen in die private<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g wechselten, niemand gewarnt. Zum Beispiel<br />

der Rentner Helmut Weiske. Seinerzeit lockte ihn auch die Aussicht<br />

auf niedrigere Prämien in der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g, heute<br />

schlucken die Beiträge einen Großteil seiner Rente. Fast 1.000 Mark<br />

überweist er heute Monat für Monat an die Continentale, vor 15 Jahren<br />

waren es erst 350 Mark. Seine Situation scheint desolat: Da mit<br />

dem Eintritt ins Rentenalter für Weiske auch der Arbeitgeberbeitrag<br />

zur Krankenversicher<strong>un</strong>g weggefallen ist, muß er die Prämie jetzt<br />

komplett aus der eigenen Tasche bezahlen. Nur die Rentenversiche-<br />

113


<strong>un</strong>g zahlt noch einen mageren Zuschuß." - Das Schlimme: Ein Zurück<br />

in die gesetzliche Krankenkasse ist im Alter nicht mehr möglich<br />

! -<br />

Es erscheint z<strong>un</strong>ächst als Widerspruch, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen<br />

Beitragserhöh<strong>un</strong>gen wegen des steigenden Alters der<br />

Versicherten <strong>un</strong>tersagen, <strong>un</strong>d trotzdem die Prämien für ältere Privatversicherte<br />

besonders drastisch erhöht werden. So lügen auch die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter ahn<strong>un</strong>glos drauflos, Privatversicherte hätten<br />

später keine altersabhängigen Beitragserhöh<strong>un</strong>gen zu befürchten,<br />

sondern es gäbe dann nur noch allgemeine Erhöh<strong>un</strong>gen entsprechend<br />

den Kostensteiger<strong>un</strong>gen im Ges<strong>un</strong>dheits<strong>wesen</strong>. Was aber viele<br />

- auch <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter - nicht wissen, ist die Tatsache, daß<br />

die allgemeinen Kostensteiger<strong>un</strong>gen nicht über alle Privatversicherten<br />

gleichmäßig verteilt werden, sondern auf die einzelnene Tarife.<br />

N<strong>un</strong> schließen aber die Gesellschaften von Zeit zu Zeit ihre Tarife<br />

<strong>un</strong>d lassen sie "vergreisen". Nach Jahren sind nur noch alte Versicherte<br />

<strong>un</strong>ter sich. Und dann geht die Gesellschaft zum B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d weist anhand der hohen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen für diesen "vergreisten" Tarif nach, daß die<br />

Beiträge nicht mehr ausreichen. Und die Aufsichtsbehörde genehmigt<br />

dann von Zeit zu Zeit solche Beitragserhöh<strong>un</strong>gen, die oft dreißig<br />

Prozent <strong>un</strong>d mehr betragen.<br />

"Erst angelockt, dann abgezockt" war ein Artikel des "stern" im<br />

überschrieben. "Im Alter sind die Privatversicherten oft die Dummen".<br />

So überschrieb die Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g im März 1989 einen<br />

Artikel. Zum ersten Mal wurden die Nachteile der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

öffentlich dargestellt, z. B.: Rentner werden zu Sozialhilfefällen,<br />

weil sie die Beiträge zur privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

nicht mehr bezahlen können.<br />

Um Selbständige <strong>un</strong>d Arbeitnehmer mit hohen Einkommen buhlen<br />

private Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen mit dem Werbeslogan<br />

"Bessere Leist<strong>un</strong>gen, weniger Beitrag". Das stimmt aber nur für<br />

j<strong>un</strong>ge Menschen. Denn es ist ganz logisch, daß die Werb<strong>un</strong>g in<br />

p<strong>un</strong>cto "weniger Beitrag" auf Dauer nicht stimmen kann. Vor allem<br />

schon deshalb nicht, weil die privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

im Vergleich zu den Krankenkassen mit weitaus höheren<br />

Verwalt<strong>un</strong>gskosten <strong>un</strong>d dazu noch mit Provisionen (fünf bis sieben<br />

Monatsbeiträge) <strong>un</strong>d Riesengewinnen arbeitet. Wo also ist der Haken<br />

? -<br />

114


Es gibt gleich zwei Haken: Einmal wird nur der Beitrag für Einzelpersonen<br />

verglichen, nicht aber für eine Familie mit Kindern, die<br />

bei einer Kasse den gleichen Beitrag zahlt wie ein Lediger. Und es<br />

werden die drastischen Beitragserhöh<strong>un</strong>gen im Alter verschwiegen,<br />

wenn Kassenmitglieder - ihrem Alterseinkommen entsprechend -<br />

nur noch einen geringen Kassenbeitrag zahlen. Dann wird die private<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g zum Bumerang <strong>un</strong>d für Familien <strong>un</strong>d Rentner<br />

oft <strong>un</strong>bezahlbar. Ein "Zurück in die Kasse" gibt es dann aber in<br />

der Regel nicht mehr. Dümmlicher Kommentar <strong>un</strong>seres Beamten<br />

Kaulbach aus dem verantwortlichen B<strong>un</strong>desministerium der Finanzen:<br />

Die alten Menschen müßten die "alte Last" allein tragen! -<br />

Aus dem ersten Bericht der vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister eingesetzten<br />

Deregulier<strong>un</strong>gskommission: "Mit z<strong>un</strong>ehmendem Alter oder<br />

bei einer krankheitsbedingten Risikoverschlechter<strong>un</strong>g wird der<br />

Wechsel zu einer anderen Gesellschaft praktisch <strong>un</strong>möglich. Die<br />

daraus entstehende Abhängigkeit der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer vom<br />

Versicherer muß gegen Mißbrauch geschützt sein. Das bedeutet<br />

auch, daß das Aufsichtsamt die Schließ<strong>un</strong>g von Krankenversicher<strong>un</strong>gstarifen<br />

wirksamer als bisher kontrollieren muß. Diese Schließ<strong>un</strong>g<br />

führt dazu, daß die betreffenden Versichertenkollektive allmählich<br />

vergreisen, weil j<strong>un</strong>ge <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer nicht mehr beitreten.<br />

Auf diese Weise steigen die Leist<strong>un</strong>gspflichten in den geschlossenen<br />

Tarifen über das Prämienaufkommen, so daß die Versicherer<br />

die Beiträge in die Höhe treiben können. Dem sollte das Aufsichtsamt<br />

bei der Prämiengenehmig<strong>un</strong>g entgegenwirken." Das Aufsichtsamt<br />

hätte darüber hinaus für eine zweckgerichtete Verwend<strong>un</strong>g<br />

der Erträge aus der Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>g sorgen müssen.<br />

Hier wird im übrigen deutlich, daß sich eine Entscheid<strong>un</strong>g für<br />

oder gegen die private Krankenversicher<strong>un</strong>g niemals rechnen läßt.<br />

In j<strong>un</strong>gen Jahren sind die Beiträge für ledige Privatversicherte zwar<br />

niedriger, im Alter aber <strong>wesen</strong>tlich höher. Höhere Beiträge als Krankenkassenmitglieder<br />

zahlt auch, wer als Privatversicherter eine Familie<br />

gründet <strong>un</strong>d jedes Familienmitglied einzeln privat versichern<br />

muß. Erst am Ende eines Lebens läßt sich feststellen, ob eine Entscheid<strong>un</strong>g<br />

für oder gegen die private Krankenversicher<strong>un</strong>g richtig<br />

war,. Eine Entscheid<strong>un</strong>g, die sich niemals rechnen läßt. So sind auch<br />

alle Empfehl<strong>un</strong>gen, alle Beitragsvergleiche <strong>un</strong>d Computer-Analysen<br />

zur privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g "für die Katz". Denn wir haben<br />

gesehen: Die teuerste Gesellschaft, die hohe Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

in die Beiträge einkalkuliert <strong>un</strong>d mit diesen sorgsam <strong>un</strong>d verant-<br />

115


wort<strong>un</strong>gsbewußt umgeht, kann auf Dauer - vor allem im Alter - die<br />

günstigste sein. Trotzdem hätte ein Verbleib in der gesetzlichen<br />

Krankenkasse noch günstiger sein können.<br />

Hieran wird auch deutlich, daß zwischen den gesetzlichen Krankenkassen<br />

<strong>un</strong>d den privaten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen kein Wettbewerbsverhältnis<br />

bestehen kann, weil vernünftige Entscheid<strong>un</strong>gen<br />

zwischen diesen Alternativen nicht möglich sind. Außerdem dürfen<br />

sich die privaten Unternehmen die Ges<strong>un</strong>den als "Rosinen" aus dem<br />

Volk herauspicken. Es wäre sinnvoll, private Versicher<strong>un</strong>gen im Bereich<br />

der Krankenversicher<strong>un</strong>g - wie in fast allen anderen westlichen<br />

Ländern - nur für Zusatzversicher<strong>un</strong>gen zuzulassen. Nur so ließen<br />

sich die aufgezeigten Probleme der älteren Versicherten lösen <strong>un</strong>d<br />

auch das Problem der Frauen, denen die privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

erheblich höhere Beiträge abverlangen als den<br />

Männern - wegen ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären, <strong>un</strong>d aller damit<br />

verb<strong>un</strong>denen Behandl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Folgeerkrank<strong>un</strong>gen. All dies ist aus<br />

Sicht einer Solidargemeinschaft <strong>un</strong>gerecht <strong>un</strong>d <strong>un</strong>sozial.<br />

"Aufwend<strong>un</strong>gen für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>betrieb" –<br />

Tatort für die Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Milliarden zum Ausgleich<br />

von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

Aber gehen wir weiter in der Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d betrachten<br />

wir <strong>un</strong>s die angeblichen "Kosten für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>betrieb".<br />

Die Kosten eines Betriebes <strong>un</strong>d seine Leist<strong>un</strong>g stehen in enger<br />

wechselseitiger Bezieh<strong>un</strong>g. Die Leist<strong>un</strong>g stellt nämlich den natürlichen<br />

Gegenwert zu den Kosten dar. Also ist auch für die Kosten<br />

einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaft von <strong>wesen</strong>tlicher Bedeut<strong>un</strong>g,<br />

was die organische Unternehmensleist<strong>un</strong>g ist. Diese Frage wurde<br />

inzwischen beantwortet <strong>un</strong>d ausführlich begründet: <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften erbringen Dienstleist<strong>un</strong>gen. Danach ist die Bezeichn<strong>un</strong>g<br />

"Aufwend<strong>un</strong>gen für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>betrieb" falsch,<br />

weil ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen keine Versicher<strong>un</strong>gen produziert.<br />

Richtig muß es heißen "Aufwend<strong>un</strong>gen für den Dienstleist<strong>un</strong>gsbetrieb".<br />

Ist schon die Bezeichn<strong>un</strong>g dieser Position falsch, gibt sie auch<br />

noch - wie die Position "Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle" -<br />

keine wahren Auskünfte. Die tatsächlichen Kosten eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes<br />

sind in vielen Positionen über die<br />

gesamte Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g verteilt <strong>un</strong>d versteckt. Zum<br />

116


Beispiel tauchen an anderer Stelle in den Rechenwerken Rückstell<strong>un</strong>gen<br />

für die Altersversorg<strong>un</strong>g der Angestellten <strong>un</strong>d Vertreter auf.<br />

Natürlich sind Zuführ<strong>un</strong>gen zu solchen Rückstell<strong>un</strong>gen auch Aufwend<strong>un</strong>gen<br />

für den Dienstleist<strong>un</strong>gsbetrieb. Auch die Schadenregulier<strong>un</strong>gskosten,<br />

die in die Position "Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle"<br />

eingemengt werden, sind in Wahrheit "Aufwend<strong>un</strong>gen<br />

für den Dienstleist<strong>un</strong>gsbetrieb". Wenn <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

von ihren Kosten reden, werden solche Positionen aber stets verschwiegen.<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen klammern aus ihren Dienstleist<strong>un</strong>gskosten<br />

die "Aufwend<strong>un</strong>gen für rechn<strong>un</strong>gsmäßig gedeckte<br />

Abschlußkosten" aus. Für den Abschluß von Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

dürfen laut Anweis<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes nur 3,5 Prozent<br />

der neu abgeschlossenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe angesetzt werden.<br />

Das ist schon nicht wenig: Werden Verträge über eine Milliarde<br />

Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe (nicht Prämie!) abgeschlossen, dürfen<br />

dafür 35 Millionen Mark an Abschlußkosten angesetzt werden. Obwohl<br />

die Gesellschaften hier mit allen möglichen Tricks - durch dynamische<br />

Anpass<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d durch Bonussummen - künstlich "Neugeschäft"<br />

produzieren <strong>un</strong>d dadurch die neu abgeschlossene <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

erhöhen, kommen die meisten mit den vorgeschriebenen<br />

3,5 Prozent Abschlußkosten nicht aus. In der Regel liegen<br />

diese Aufwend<strong>un</strong>gen bei vielen Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

weit über fünf Prozent der neu abgeschlossenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summen.<br />

Das stört aber weder die Gesellschaften noch das<br />

Aufsichtsamt. Man hat sich darauf verständigt, den - trotz Manipulationen<br />

- rechn<strong>un</strong>gsmäßig nicht gedeckten Teil der Abschlußkosten<br />

in eine Position "außerrechn<strong>un</strong>sgmäßige Abschlußkosten" zu übernehmen.<br />

Der Verband der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen hat<br />

hierzu in seiner Stell<strong>un</strong>gnahme zu einer B<strong>un</strong>destags-Anhör<strong>un</strong>g im<br />

Jahre 1982 geschrieben: "Für den verbleibenden Fehlbetrag bei den<br />

Erwerbskosten bleibt kein anderer Ausweg als die entstehenden<br />

Verluste durch Heranzieh<strong>un</strong>g von Überschüssen aus den übrigen<br />

Rechn<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dlagen auszugleichen." Und das ist wieder einmal<br />

objektiv ver<strong>un</strong>treutes Versichertengeld ! -<br />

Hierzu "Capital" im November 1985: "Die Aufsicht erlaubt den<br />

Lebensversicherern ein Provisionssystem, wie es keinem Konkurrenten<br />

im Wettbewerb um das Geld des Sparers möglich ist. Die ersten<br />

Beiträge einschließlich der Sparanteile für eine Kapitallebensversicher<strong>un</strong>g<br />

kassiert der Vertreter als Provision. Bei den meisten Gesell-<br />

117


schaften geht der erste Jahresbeitrag eines neuen Versicherten für<br />

Vertriebskosten drauf, bei manchen auch noch der zweite oder gar<br />

dritte Jahresbeitrag. Das hat schlimme Folgen für die K<strong>un</strong>den. Wer<br />

alsbald abbricht, sieht von seinem Beitrag keinen Pfennig wieder,<br />

wer bis zum Schluß durchhält, wird geprellt um Zinsen <strong>un</strong>d Zinseszinsen<br />

aus jenen Sparanteilen, die den höchsten Effekt gebracht hätten."<br />

Die Aufsichtsbehörde läßt sogar zu, daß vertraglich vereinbarte -<br />

also automatische - Erhöh<strong>un</strong>gen von "dynamischen" Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

wie Neuabschlüsse behandelt <strong>un</strong>d dadurch jeweils mit<br />

neuen Abschlußkosten belastet werden. Das bestätigt das Amt in<br />

einem Schreiben vom Juli 1985: "Nach dem aufsichtsbehördlich genehmigten<br />

Geschäftsplan werden die Anpass<strong>un</strong>gsversicher<strong>un</strong>gen<br />

versicher<strong>un</strong>gstechnisch wie Einzelabschlüsse behandelt mit der Folge,<br />

daß sie erst nach zwei bis drei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>jahren am Überschuß<br />

des Unternehmens beteiligt werden."<br />

Unter die Position "sonstige Kosten" fallen vor allem die Sach-<br />

<strong>un</strong>d Personalkosten <strong>un</strong>d die sonstigen Provisionen für Vermittler.<br />

Und hier gibt es, wie oben bereits ausgeführt, keine Einschränk<strong>un</strong>gen.<br />

Kostenkalkulationen, die natürlich auch von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften angestellt werden, brauchen nicht eingehalten<br />

zu werden. Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen können, ohne daß es jemand<br />

merkt, mit den Überschüssen aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Sparbereich<br />

ausgeglichen werden. In der Branchenwerb<strong>un</strong>g hört sich das<br />

ganz anders an, zum Beispiel in einem Druckstück "Ihre Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

- <strong>un</strong>d was Sie darüber wissen sollten": "Überschüsse entstehen<br />

aus der rationellen <strong>un</strong>d sparsamen Verwalt<strong>un</strong>g." - In Wahrheit<br />

ist es fast immer genau umgekehrt: Verluste <strong>un</strong>d Einbußen bei<br />

der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g entstehen aus einer verschwenderischen<br />

Verwalt<strong>un</strong>g mit entsprechenden Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen. Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

hat bis heute nichts gegen diese irreführende Werb<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>ternommen.<br />

Die Deutsche Ring Lebensversicher<strong>un</strong>gs AG hat nach außen<br />

stets verkündet: "Durch einen günstigeren Verlauf der Kosten, als<br />

kalkuliert, entstehen Gewinne. Die Gewinne fließen fast in voller<br />

Höhe an die Versicherten in Form von Überschußanteilen." Dabei<br />

ist in den Geschäftsberichten des Unternehmens die wiederkehrende<br />

Formulier<strong>un</strong>g zu lesen: "Die Kosten für den Abschluß von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen<br />

<strong>un</strong>d für die Verwalt<strong>un</strong>g lagen insgesamt höher als<br />

die in die Tarife einkalkulierten Beträge." Wie die Verluste ausgegli-<br />

118


chen wurden, ergibt sich aus einem Nebensatz in den ebenfalls wiederkehrenden<br />

Ausführ<strong>un</strong>gen in Geschäftsberichten zu den Kapitalerträgen:<br />

"Die Erträge aus den Kapitalanlagen waren höher als die<br />

Sätze, die der Beitragskalkulation zugr<strong>un</strong>deliegen. Sie stehen, soweit<br />

sie nicht zusätzlich für die Abdeck<strong>un</strong>g von Kosten benötigt werden,<br />

<strong>un</strong>seren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmern zur Verfüg<strong>un</strong>g." - Also nur soweit<br />

mit den Erträgen aus Versichertengeld keine Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

ausgeglichen wurden, kommen diese den Versicherten zugute.<br />

Während in allen anderen Wirtschaftszweigen Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Mißmanagement zu Verlusten führen, wird diese Nebenwirk<strong>un</strong>g<br />

von Wettbewerb <strong>un</strong>d Preisangabe bei Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

nicht erreicht - eben weil kein Preis für die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen angegeben wird. So sind Überschüsse der Versicherten<br />

ein nie versiegendes <strong>un</strong>d kaum auszuschöpfendes Reservoir,<br />

das automatisch <strong>un</strong>d nach außen <strong>un</strong>bemerkt <strong>un</strong>ternehmerische Verluste<br />

mit Versichertengeld ausgleicht. Seit 1982 ist dieser gravierende<br />

Systemfehler in der bereits mehrfach erwähnten B<strong>un</strong>destags-<br />

Drucksache dokumentiert. Bis heute ist nichts Vernünftiges <strong>un</strong>ternommen<br />

worden, um den Mißstand zu beseitigen.<br />

Eine Pleite herbeizuführen, ist wegen der ständig überkalkulierten,<br />

oft doppelt bis dreifach zu teuren Prämien schier <strong>un</strong>möglich. So<br />

meinte "Capital im November 1983: "Schon seit Jahren arbeitet die<br />

Branche mit einer so hohen Gewinnmarge, daß selbst ein kriminell<br />

<strong>un</strong>d betrügerisch veranlagter Vorstand Schwierigkeiten hätte, eine<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gsgesellschaft in kurzer Zeit zu ruinieren." - Ähnlich<br />

das Zitat eines US-Bankiers in "International Business Week"<br />

vom 25.6.84: "Ich pflege zu sagen, daß Dummheit allein eine Lebensversicher<strong>un</strong>gsgesellschaft<br />

nicht ruinieren könne - man muß<br />

schon böswillig handeln."<br />

Der Aufsichtsbeamte Gottfried Claus hat schon vor Jahren festgestellt,<br />

daß es "eigentlich kein Regulativ gibt, das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zwingt, ihre Kosten in Grenzen zu halten". Kein W<strong>un</strong>der,<br />

daß "Capital" im Oktober 1978 <strong>un</strong>d 1985 feststellte: "Die insgesamt<br />

hohen Kostensätze für den vergleichsweise einfachen <strong>un</strong>d<br />

problemlosen Betrieb einer Lebensversicher<strong>un</strong>g überraschen. Der<br />

rationellste Lebensversicherer (HUK Coburg) hat im Durchschnitt<br />

der letzten fünf Jahre acht Prozent der Beiträge für seinen Vertriebs-<br />

<strong>un</strong>d Verwalt<strong>un</strong>gsaufwand benötigt, die kostspieligste Gesellschaft<br />

(Hamburger Leben) hat mehr als 80 Prozent der Beitragseinnahmen<br />

als Kosten verbraucht." - Im Oktoberheft 1990 der Zeitschrift<br />

119


"DM" ist folgende Überschrift zu lesen: "Suche nach 30 Millionen -<br />

Betrug im großen Stil bei der Hamburger Leben. Die Staatsanwälte<br />

ermitteln."<br />

In seiner Untersuch<strong>un</strong>g "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>märkte" vom J<strong>un</strong>i 1982<br />

ermittelt Dr. Finsinger vom Wissenschaftszentrum Berlin Durchschnittskosten<br />

von 27 Prozent der Prämieneinnahme bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen.<br />

Bei ähnlichen Leist<strong>un</strong>gen kommen Banken <strong>un</strong>d Investmentfonds<br />

mit zwei bis fünf, die Rentenversicher<strong>un</strong>g mit etwa<br />

zwei <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen in Osteuropa mit etwa sechs<br />

bis acht Prozent aus. In anderen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweigen liegen die<br />

Kosten der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften oft über den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen.<br />

Wie <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen mit Versichertengeld ihre Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d <strong>un</strong>ternehmerischen Verluste ausgleichen,<br />

beschreibt die Zeitschrift "Capital" im Oktober 1979 <strong>un</strong>d Februar<br />

1983: "Etliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften wirtschaften mit dem<br />

Geld auf merkwürdige Art <strong>un</strong>d Weise. Sie machen es sich einfach.<br />

Übersteigen ihre Kosten die zuvor kalkulierte Höhe, dann nehmen<br />

sie das zusätzliche Geld aus den Überschüssen. Das aber sind Beträge,<br />

die eigentlich den Versicherten zustehen. Presseberichte über<br />

einen Gesamtverlust von 30 Millionen Mark hat der Deutsche Ring<br />

bisher nicht dementiert. Es können ebensogut auch 50 Millionen<br />

Mark, <strong>un</strong>d damit fast das Doppelte des Eigenkapitals, ge<strong>wesen</strong> sein.<br />

Für diesen immensen Schaden sind nicht etwa die Eigentümer aufgekommen.<br />

Der Industrielle Oetker <strong>un</strong>d die Vereins- <strong>un</strong>d Westbank<br />

kassierten <strong>un</strong>gerührt die <strong>un</strong>veränderte Dividende von jeweils 14<br />

Prozent, so als wäre nichts geschehen. Für die Verluste mußten ganz<br />

allein die Versicherten geradestehen. Das schafften die Eigentümer<br />

mit einem Trick. Aus dem stattlichen Treuhandvermögen der Gesellschaft<br />

verkauften sie Werte, deren Marktpreis höher war als der<br />

Ansatz in den Büchern. Auf diese Weise erzielte der Deutsche Ring<br />

in den letzten beiden Jahren mehr als 50 Millionen Mark sogenannte<br />

Buchgewinne. Das ist zwar nicht gesetzeswidrig, aber keineswegs die<br />

Art des feinen Mannes."<br />

Streit herrscht um die Frage, ob das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt die Kosten<br />

der Unternehmen in Grenzen halten soll. So "Capital" im November<br />

1985: "Zu den Pflichten des Amtes gehört ohne Zweifel, die<br />

Versicherer anzuhalten, ihre Vertriebskosten nicht zu überziehen.<br />

Denn den Schaden haben die sparenden Beitragszahler <strong>un</strong>d nicht<br />

etwa die Aktionäre einer Lebensversicher<strong>un</strong>g. Doch was einige Bi-<br />

120


lanzen der r<strong>un</strong>d einh<strong>un</strong>dert Lebensversicherer alljährlich an extremen<br />

Kostensätzen ausweisen, läßt daran zweifeln, ob im Aufsichtsamt<br />

die Rechn<strong>un</strong>gswerke überhaupt analysiert werden." - Das<br />

Aufsichtsamt ist dagegen - in dem Irrglauben, es herrsche Wettbewerb<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> - der Mein<strong>un</strong>g, es gehöre nicht zu seinen<br />

Aufgaben, für rationelles Arbeiten der Gesellschaften zu sorgen.<br />

Auch bei der Kostenverteil<strong>un</strong>g sind dem Betrug <strong>un</strong>d der objektiven<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Prämienüberschüssen Tür <strong>un</strong>d Tor geöffnet,<br />

nicht nur innerhalb eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweiges <strong>un</strong>d nicht nur innerhalb<br />

einer Gesellschaft, sondern innerhalb eines ganzen Konzerns.<br />

Wie meinte <strong>un</strong>ser Experte Karl Upphoff: "Schlüssel gibt's<br />

auch für die Zurechn<strong>un</strong>g der Verwalt<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Abschlußkosten auf<br />

die jeweiligen Sparten. Da kann man die Kosten natürlich hauptsächlich<br />

da ansiedeln, wo's den Überschuß drückt. Auch die Werb<strong>un</strong>gskosten<br />

können dort belastend geltend gemacht werden, wo's<br />

was bringt." -<br />

In der Praxis kann das so aussehen: Ein Konzern <strong>un</strong>terhält viele<br />

Außenstellen, die für alle Konzerngesellschaften arbeiten - für das<br />

Sach-, Rechtsschutz-, Leben- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>gs-<br />

Unternehmen. Es ist leicht vorstellbar, daß man hier die eine oder<br />

andere Sparte mehr oder weniger mit Kosten belasten kann, je nachdem<br />

wie der Konzern es möchte. Braucht die Kfz-<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparte höhere Überschüsse, um mit hohen Rückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

werben zu können, wird sie mit weniger Kosten belastet, die<br />

Unfallversicher<strong>un</strong>g dagegen mit höheren Kosten. Denn hier gibt es<br />

nicht nur völlig überhöhte Prämien, sondern auch keine Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g.<br />

Ein Konzern - dazu noch mit einem Rückversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

- ist ein riesiger Verschiebebahnhof für das objektiv<br />

ver<strong>un</strong>treute Geld der Versicherten, das am Ende - aus Werbezwecken<br />

oder aus Profitgier - bei den falschen Versicherten, meistens<br />

aber bei den Aktionären landet.<br />

Einige Gesellschaften erweiterten den Verschiebebahnhof für<br />

Versichertengeld noch, indem sie gewisse Unternehmensbereiche<br />

auf konzernverb<strong>un</strong>dene Unternehmen auslagerten, zum Beispiel für<br />

den Vertrieb, für das Marketing oder für die Gr<strong>un</strong>dstücksverwalt<strong>un</strong>g<br />

spezielle Gesellschaften gründeten. Dadurch konnten diese Nicht-<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen dem Konzern Rechn<strong>un</strong>gen schreiben<br />

oder voneinander Mieten kassieren, wie die einzelnen Konzerngesellschaften<br />

es wünschten. Um hier Auswüchsen zu beseitigen, mußte<br />

sogar eine neue Bestimm<strong>un</strong>g in das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsgesetz<br />

121


übernommen werden, die vorsieht, daß an konzernverb<strong>un</strong>dene Unternehmen<br />

nur solche Entgelte gezahlt werden dürfen, "die ein ordentlicher<br />

<strong>un</strong>d gewissenhafter Geschäftsleiter <strong>un</strong>ter Berücksichtig<strong>un</strong>g<br />

der Belange der Versicherten auch mit nicht verb<strong>un</strong>denen Unternehmen<br />

vereinbaren würde". - Eine wert- <strong>un</strong>d wirk<strong>un</strong>gslose Regel<strong>un</strong>g.<br />

Überhöhte Provisionen zu Lasten der Versicherten<br />

Vertreterprovisionen sind Kosten eines Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes.<br />

Das falsche Produkt- <strong>un</strong>d Umsatzdenken im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

hat für viele Versicherte nachteilige Folgen, weil die Vertreterprovision<br />

als Prozentsatz von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie berechnet wird.<br />

So kann die Prämie für ein Auto zwischen 150 <strong>un</strong>d <strong>un</strong>d 2.000 Mark<br />

liegen - je nach PS-Stärke des Wagens <strong>un</strong>d Beitragssatz, Wohnort<br />

<strong>un</strong>d Beruf des Fahrzeughalters. Die Vertreterprovision beträgt 11<br />

Prozent. Das bedeutet aber, daß vor allem j<strong>un</strong>ge Autofahrer bei anfänglich<br />

hohen Prämien auch einen sehr hohen Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>g<br />

eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreters zahlen müssen.<br />

Milliardenverschwend<strong>un</strong>gen bei der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittl<strong>un</strong>g<br />

Eine Aktiengesellschaft, die sich Prämienüberschüsse als Gewinne<br />

einstecken kann <strong>un</strong>d die ohne Angabe eines Preises für seine eigentlichen<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen so viel Kosten machen kann, wie sie will,<br />

wird natürlich ein aufwendiges Vertriebssystem aufbauen. Die Devise<br />

skrupelloser Manager ist also ganz einfach: Die Intransparenz der<br />

Versicher<strong>un</strong>g, die Unwissenheit der Bürger <strong>un</strong>d ihr Vertrauen auf<br />

die Staatsaufsicht ausnutzen <strong>un</strong>d durch Imagewerb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Heerscharen<br />

von Vertretern <strong>un</strong>d Drückern völlig überteuerte Prämien bei<br />

den ahn<strong>un</strong>gslosen Verbrauchern durchsetzen. Trotz gewaltiger Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

bleiben dann immer noch satte Gewinne übrig.<br />

Die Vermittler erhalten keine leist<strong>un</strong>gsbezogenen Vergüt<strong>un</strong>gen,<br />

sondern Provisionen werden nur bezahlt, wenn sie den Gesellschaften<br />

neue Prämien zuführen. Dieses Provisionssystem führte natürlich<br />

zu sehr aggressiven Werbemethoden, die gerade im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

besonders gefährlich werden können, weil hier nicht<br />

konkrete Produkte oder Dienstleist<strong>un</strong>gen angeboten werden, son-<br />

122


dern nur Worte <strong>un</strong>d Zahlen, die der Verbraucher glauben muß,<br />

wenn er nicht <strong>un</strong>versichert bleiben will. Die Verbraucher sind durch<br />

die agressive Werb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Intransparenz eingeschüchtert <strong>un</strong>d verwirrt.<br />

Es ist üblich, daß nicht der K<strong>un</strong>de die Initiative zur Deck<strong>un</strong>g<br />

seines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bedarfs ergreift, sondern sich daran gewöhnt<br />

hat, zuhause von einem Vermittler aufgesucht zu werden. So ist<br />

noch heute das Wissen des Verbrauchers um seine Versicher<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d das ganze <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im allgemeinen auf die vier<br />

Wände seiner Wohn<strong>un</strong>g beschränkt.<br />

Hier steht man vor dem Phänomen "Versicher<strong>un</strong>g - ja; aber informieren<br />

- nein, danke", das umso <strong>un</strong>erklärlicher ist, als die Bürger<br />

bei Umfragen häufig von Unsicherheit <strong>un</strong>d Mißtrauen zeugende<br />

Mein<strong>un</strong>gen geäußert haben - wie zum Beispiel, daß die Unternehmen<br />

nur auf das Geld der Versicherten aus seien <strong>un</strong>d dieses verschwendeten.<br />

Zwei Drittel der Befragten waren außerdem der Mein<strong>un</strong>g,<br />

daß Beitragsüberschüsse nicht in ausreichendem Maße an die<br />

Versicherten zurückgezahlt würden. Und auch der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter<br />

schneidet im Mein<strong>un</strong>gsbild der Bevölker<strong>un</strong>g schlecht ab;<br />

denn es heißt in der Untersuch<strong>un</strong>g: "12 Prozent der Bürger sind der<br />

Mein<strong>un</strong>g, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter nichts verschweigen <strong>un</strong>d auf<br />

eventuelle Nachteile beim Abschluß einer Versicher<strong>un</strong>g aufmerksam<br />

machen." Umgekehrt bedeutet das, daß 88 Prozent der Bevölker<strong>un</strong>g<br />

nicht ausschließen, daß Vertreter viel verschweigen <strong>un</strong>d den K<strong>un</strong>den<br />

nicht auf Nachteile aufmerksam machen. So gesehen glauben 80<br />

Prozent der Bürger außerdem, daß Vertreter falsche Auskünfte geben,<br />

einen Interessenten zum Abschluß drängen <strong>un</strong>d sich nicht nach<br />

seinen speziellen Bedürfnissen richten.<br />

Alles in allem erscheint die Vermut<strong>un</strong>g gerechtfertigt, daß sich<br />

die Bürger selbst informieren <strong>un</strong>d nicht ohne weiteres über einen<br />

Vertreter versichern möchten. Tatsächlich werden aber fast alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

über Vertreter abgeschlossen, ohne daß sich der<br />

Versicherte vorher selbst das erforderliche Wissen verschafft hat.<br />

Der Vertreter ist <strong>un</strong>d bleibt so die erste, einzige <strong>un</strong>d damit auch letzte<br />

Informationsquelle. Und denau das ist das strategische Ziel der<br />

Unternehmen. So die Verbandszeit<strong>un</strong>g "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft"<br />

im Jahre 1983 zur Rolle des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreters: "Zu seiner<br />

Aufgabe gehört es, e r s t e Informationen über die Versicher<strong>un</strong>gen<br />

zu vermitteln." Und zusammen mit der Gr<strong>un</strong>dregel jeder Vertreterschul<strong>un</strong>g<br />

"Die Unterschrift muß beim ersten Besuch fallen" ergibt<br />

sich die fatale Gleich<strong>un</strong>g: Nullwissen + erste <strong>un</strong>d einzige Informati-<br />

123


on durch einen Vertreter = Nullwissen. Ein großer Teil der Bürger<br />

<strong>un</strong>terschreibt einen Vertrag, ohne daß er gefragt <strong>un</strong>d Antworten erhalten<br />

hat auf die Frage, welchen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz er eigentlich<br />

braucht <strong>un</strong>d wie er diesen zu günstigsten Konditionen erhält. Dabei<br />

trifft jeder - wegen der hohen Beiträge <strong>un</strong>d langer Vertragslaufzeiten,<br />

aber auch hinsichtlich des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutzes - eine folgenschwere<br />

Entscheid<strong>un</strong>g. Genauer gesagt: er läßt den Vertreter für sich<br />

diese Entscheid<strong>un</strong>g mit erheblichen finanziellen Konsequenzen treffen.<br />

Erst Jahre später gibt es das böse Erwachen. Der Versicherte<br />

hat dann oft durch eine falsche Versicher<strong>un</strong>g Tausende von Mark<br />

verloren oder - was noch viel schlimmer ist - er oder die Hinterbliebenen<br />

sind trotz hoher Prämien im Ernstfall miserabel versorgt.<br />

Natürlich kommt die Informations<strong>un</strong>lust der Bürger nicht von<br />

Ungefähr, sondern ist <strong>wesen</strong>tlicher Bestandteil der Strategie von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften; denn nur Unwissende können<br />

getäuscht <strong>un</strong>d übervorteilt werden nach der Devise: Dummheit ist<br />

der billigste Rohstoff aus dem Geld gemacht werden kann. Oder:<br />

Verwehrtes Wissen = leichtes Spiel mit hilflosen Bürgern. Der weltweit<br />

anerkannte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler Professor Alfred Manes<br />

vertritt die Mein<strong>un</strong>g, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen versuchen,<br />

"das selbständige Denken, die Einsichts- <strong>un</strong>d Entschlußfähigkeit<br />

des Verbrauchers möglichst auszuschalten". Andere Wissenschaftler<br />

sprechen hier von einer "verwehrten Rationalität", deren<br />

Folge der Schweizer Professor Großmann beschreibt: "Der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>k<strong>un</strong>de<br />

tappt fast völlig im D<strong>un</strong>keln." So werden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

nach Ansicht von Professor Großmann "nicht auf<br />

Gr<strong>un</strong>d von rationalen, rechenmäßigen Überleg<strong>un</strong>gen abgeschlossen.<br />

Gefühle, Neig<strong>un</strong>gen, Sympathien <strong>un</strong>d Antipathien spielen hier eine<br />

große Rolle. Besonders ist der Beeinfluss<strong>un</strong>g durch die persönlichen<br />

Ausführ<strong>un</strong>gen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreters ein weiter Spielraum gesteckt."<br />

Im Oktober 1985 nahm der damalige Präsident des B<strong>un</strong>desverbandes<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter, Max Engl, an einer Fernsehsend<strong>un</strong>g<br />

teil. In die Send<strong>un</strong>g eingebaut war ein Sketch, bei dem ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter<br />

sich bei seinem K<strong>un</strong>den als erstes bew<strong>un</strong>dernd<br />

auf den Goldfisch stürzt <strong>un</strong>d damit - schulmäßig - Sympathien zu<br />

wecken versucht. Engl weist danach weit von sich, daß dieser Sketch<br />

der Realität entspreche <strong>un</strong>d fährt fort: "Sehen Sie, ich bin seit 39<br />

Jahren selbständiger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>kaufmann. Wenn ich zum Beispiel<br />

wohin gehe, dann gibt es Gespräche - bin in München - vom<br />

124


FC Bayern über das Tennisturnier <strong>un</strong>d Gott weiß was. Und da ist<br />

auch 'mal 'n Stück Versicher<strong>un</strong>g drin." Auf den Hinweis des Moderators,<br />

daß dieses doch dem Goldfisch sehr ähnele, entgegnet Engl:<br />

"Is' drin, ein Goldfisch kann a 'mal drin sein." - Besser kann man<br />

den typischen Vertreter, sein Niveau <strong>un</strong>d seine Methoden eigentlich<br />

nicht repräsentieren.<br />

Damit besorgte Eltern, die aus Liebe eine Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

abchließen wollen, nicht auf die Idee kommen, dieses ohne Vertreter<br />

zu t<strong>un</strong>, zeigt die Werb<strong>un</strong>g solchen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>suchenden den<br />

"rechten" Weg. In einer mehrseitigen Textanzeige der Aachener <strong>un</strong>d<br />

Münchener wurden zum Beispiel die Qualen eines Familienvaters<br />

dargestellt, der sich alleine einen Überblick verschaffen, Angebote<br />

vergleichen <strong>un</strong>d die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>möglichkeiten gegeneinander abwägen<br />

wollte. Was die Texter der Anzeige ihn sagen lassen, entspricht<br />

genau der Vorstell<strong>un</strong>g, die die Bevölker<strong>un</strong>g haben soll <strong>un</strong>d<br />

die sich auch tatsächlich in der Öffentlichkeit festgesetzt hat: "Natürlich<br />

haben meine Frau <strong>un</strong>d Töchter, bald darauf auch meine<br />

Fre<strong>un</strong>de <strong>un</strong>d Bekannten, mich belächelt", berichtet der erf<strong>un</strong>dene<br />

Familienvater säuerlich. "Ohne Hilfe kommst Du nie im Leben hinter<br />

diesen komplizierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>kram, wurde mir gesagt. Allein<br />

schaffst Du den Durchblick nie, laß doch endlich so einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>typ<br />

anreisen, riet mir meine Frau immer wieder, wenn ich<br />

abends <strong>un</strong>d an den Wochenenden meine Prospektsamml<strong>un</strong>g ausbreitete<br />

<strong>un</strong>d Notizen machte."<br />

Schließlich läßt man in der Anzeige den gestreßten Familienvater<br />

sagen: "Ich habe einsehen müssen, daß ein Laie allein diese Materie<br />

nicht erarbeiten kann. Das ist wirklich zu kompliziert. Bei diesem<br />

Stande meiner Überleg<strong>un</strong>gen brachten mich dann die Informationen<br />

eines Vertreters weiter". In die gleiche Richt<strong>un</strong>g zielen Werbeslogans<br />

wie "man vertraut <strong>un</strong>s" (Hamburg-Mannheimer) oder "Vertrauen<br />

Sie <strong>un</strong>s - <strong>un</strong>d Ihrem Verstand" (eine in sich widersinnige Werb<strong>un</strong>g<br />

der Colonia).<br />

Man merkt die Absicht dieser Anzeigen - <strong>un</strong>d ist verstimmt. Die<br />

Verbraucher werden <strong>un</strong>informiert gelassen. Gleichzeitig wird ihnen<br />

aber auch ihre dadurch entstandene Hilflosigkeit vor Augen geführt<br />

<strong>un</strong>d auf die rettende Möglichkeit verwiesen, sich einem Vertreter der<br />

Gesellschaft anzuvertrauen. Und damit ist das Ziel der Anzeige <strong>un</strong>d<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens erreicht: Sie treibt hilflose Verbraucher<br />

in die Arme der Vertreter, die dann - gesteuert durch entspre-<br />

125


chende Provisionsregeln der Gesellschaften - <strong>un</strong>sinnige <strong>un</strong>d viel zu<br />

teure Versicher<strong>un</strong>gen "verkaufen" müssen.<br />

Die mangelnde Information des Bürgers über Versicher<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d seine bewußt geschürte, aber <strong>un</strong>begründete Angst vor einer angeblichen<br />

Kompliziertheit der Materie lassen ihn zur leichten Beute<br />

für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter werden. Und diese sind das wichtigste<br />

Instrument in der Strategie der großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften.<br />

Einfirmenvertreter - Hauptwerkzeug beim „legalen Betrug“<br />

Nahezu alle deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler arbeiten für nur eine<br />

Gesellschaft. Sie sind sogenannte Einfirmenvertreter. Aufgr<strong>un</strong>d von<br />

Ausschließlichkeitsverträgen dürfen sie nur für ein einziges Unternehmen<br />

Verträge vermitteln. Und sie erhalten kein Gehalt, sondern<br />

nur Provisionen für Vertragsabschlüsse. Geht ein solcher Vertreter<br />

ohne Unterschrift <strong>un</strong>ter einem Antrag nach Hause, hat er keine müde<br />

Mark verdient. Er ist also gezw<strong>un</strong>gen, falsche <strong>un</strong>d zu teure Versicher<strong>un</strong>gen<br />

anzubieten.<br />

Eine große Gefahr <strong>un</strong>seres Vertreter- <strong>un</strong>d Provisionssystems ist,<br />

daß selbst solche Vertreter, die <strong>un</strong>ter diesem Zwang aus Gewissensgründen<br />

nicht mehr arbeiten wollen, zur Weiterarbeit gezw<strong>un</strong>gen<br />

sind; denn kündigen sie ihren Vertretervertrag, verlieren sie nicht<br />

nur ihre K<strong>un</strong>den, sondern erhalten auch keine Abfind<strong>un</strong>g für ihre<br />

bisher geleistete Arbeit, würden also vor dem Nichts stehen <strong>un</strong>d<br />

müssen deshalb widerwillig weitermachen.<br />

Der Interessenkonflikt zwischen dem provisionsabhängigen Einfirmenvertreter<br />

<strong>un</strong>d dem <strong>un</strong>informierten Verbraucher ist vorprogrammiert:<br />

Versicher<strong>un</strong>gen, durch deren Abschluß Gesellschaft <strong>un</strong>d<br />

Vertreter am meisten verdienen, sind meist solche, die für den K<strong>un</strong>den<br />

falsch sind. Mit anderen Worten: Einen Einfirmenvertreter, der<br />

seine K<strong>un</strong>den seriös berät, kann es kaum geben. Er hätte seinen<br />

K<strong>un</strong>den, die ihm blind vertrauen, vom Abschluß <strong>un</strong>sinniger Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen abraten müssen, weil es bessere Alternativen<br />

gibt. Und er hätte ihnen nicht die teuren Versicher<strong>un</strong>gen seiner Gesellschaft<br />

aufschwatzen dürfen.<br />

Wie genau die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften selbst das ges<strong>un</strong>de<br />

Mißtrauen gegen ihre Vertreter erkannt haben, läßt die Tatsache erkennen,<br />

daß immer mehr Unternehmen dazu übergehen, die<br />

Verbraucher über "persönliche Bande" oder aber <strong>un</strong>ter dem Deck-<br />

126


mantel von Institutionen <strong>un</strong>d Verbänden mit amtlich aussehenden<br />

Ausweisen zu überrumpeln. Das Magazin stern berichtete im Jahre<br />

1982 von einer Zusammenarbeit des B<strong>un</strong>des der Steuerzahler mit<br />

der Hamburg-Mannheimer <strong>un</strong>d des Volkswohl-B<strong>un</strong>des mit einem<br />

"B<strong>un</strong>desverband der Sozialversicherten". Da werden großartige<br />

Ausweise mit vielen Siegeln <strong>un</strong>d Adlern vorgelegt <strong>un</strong>d kostenlose<br />

Rentenberat<strong>un</strong>gen angeboten. Am Ende wird eine <strong>un</strong>sinnige Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

abgeschlossen. Die Hamburg-Mannheimer<br />

arbeitet in dieser Weise auch mit dem B<strong>un</strong>d der Kriegsblinden, Mietervereinen<br />

<strong>un</strong>d anderen Organisationen zusammen, die dabei nicht<br />

schlecht verdienen.<br />

Haupttrick der Überrumpel<strong>un</strong>g ist das Verschweigen von Versicher<strong>un</strong>g.<br />

Die Drücker kommen als angebliche Verbands- oder Behördenvertreter,<br />

nennen sich in allen möglichen Versionen Berater -<br />

Jugend-, Spar-, Vermögensberater - oft auch "Repräsentanz" einer<br />

Bank oder Vermögensberat<strong>un</strong>gsgesellschaft. Wie Pilze schießen derzeit<br />

- vor allem auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR - Vermittl<strong>un</strong>gsgesellschaften<br />

aus der Erde mit Spezialangeboten für alle<br />

möglichen Zielgruppen wie j<strong>un</strong>ge oder alte Leute sowie für alle möglichen<br />

Berufsgruppen. Da werden Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>ter Bezeichn<strong>un</strong>gen wie "Jugendschutzbriefe", "Vermögensplan"<br />

oder "Die große Kapitalbild<strong>un</strong>g" verkauft. Alten Leuten verspricht<br />

man Sicherheit für wenig Geld <strong>un</strong>d ohne Ges<strong>un</strong>dheitsprüf<strong>un</strong>g. Und<br />

manche Gesellschaften bezeichnen sich als die "Ärzte- oder Anwalts-<br />

oder Handwerkerversicher<strong>un</strong>g". Viele Vertreter angesehener<br />

Verbände <strong>un</strong>d Institutionen, ja selbst Buchhalter in Firmen sind oft<br />

verkappte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler.<br />

In den Schul<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>terlagen einer Sonderorganisation HMI der<br />

Hamburg-Mannheimer wird den Vermittlern durch gezielte Fragen<br />

gezeigt, wen sie aufgr<strong>un</strong>d persönlicher Bezieh<strong>un</strong>gen ansprechen<br />

können: "Wen kenne ich von meinem alten Arbeitsplatz, von der<br />

Schule oder Universität, aufgr<strong>un</strong>d meiner Hobbies oder vom Sport,<br />

weil ich ein eigenes Haus habe, aus meiner jetzigen <strong>un</strong>d früheren<br />

Nachbarschaft, weil ich ein Auto fahre, durch meine täglichen Besorg<strong>un</strong>gen,<br />

durch meine Kinder, durch meine Frau/meinen Mann,<br />

aufgr<strong>un</strong>d meiner Mitgliedschaft in Clubs, Vereinen, Verbänden <strong>un</strong>d<br />

Organisationen ?" - Es folgt eine Blanko-Adressenliste. Und nach<br />

dem Schul<strong>un</strong>gsmaterial soll der Drücker dann das Gespräch wie<br />

folgt eröffnen: "Hallo Heinz, ich habe eine wahnsinnige Sache kennengelernt.<br />

Die muß ich Dir <strong>un</strong>bedingt zeigen.- Mußt Du haben ! -<br />

127


Ist eine Überrasch<strong>un</strong>g ! - Wann paßt es Dir ? - Oh, Augenblick<br />

Heinz, da muß ich erst auf meinen Kalender sehen, ob ich Dich<br />

noch dazwischenschieben kann. Du kannst Dir sicherlich vorstellen,<br />

daß ich mit dieser wichtigen Angelegenheit viel <strong>un</strong>terwegs bin !" -<br />

Kein Wort von Versicher<strong>un</strong>g ! -<br />

Und dann werden "Formulier<strong>un</strong>gen für Verkaufsgespräche" vorgegeben:<br />

"Warum zahlen Sie nicht einmal an sich selbst. - Ihr Geld<br />

von Ihrem Konto von Ihrer Bank auf Ihr Konto bei <strong>un</strong>serer Bank."<br />

- Auf Fragen wie "Kommen Sie von einer Versicher<strong>un</strong>g ?" soll mit<br />

einer Gegenfrage reagiert werden: "Haben Sie etwas gegen Versicher<strong>un</strong>gen<br />

?" - Und gleichgültig, ob der K<strong>un</strong>de hier mit Ja oder Nein<br />

antwortet, soll der Drücker antworten: "Darum wollte ich Sie aufsuchen.<br />

Wann paßt es Ihnen besser ... " - Auf die Frage "Was ist das:<br />

HMI-Organisation" ist den Werbestrategen der Gesellschaft die<br />

scheinheiligste Antwort eingefallen: "Die HMI ist eine Organisation,<br />

die anderen Menschen hilft, Steuern zu sparen, <strong>un</strong>d das interessiert<br />

Sie doch sicherlich, Herr .... ?" - Wieder kein Wort darüber, daß Versicher<strong>un</strong>gen<br />

vermittelt werden. Am Ende schließt der gute Bekannte<br />

eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g ab <strong>un</strong>d ist auch noch so leichtsinnig,<br />

Adressen weiterer Bekannter preiszugeben, zu denen der Drücker<br />

dann mit dem Spruch kommt: "Wir haben einen gemeinsamen<br />

Bekannten, der mein Angebot ganz toll fand ..." - Ein Schneeballsystem<br />

ist inganggesetzt. Ähnlich - lawinenartig - f<strong>un</strong>ktioniert auch der<br />

sogenannte Strukturvertrieb der Drückerkolonnen: Je mehr Untervermittler<br />

ein Bereichs- oder Gebietsleiter zusammentrommelt, desto<br />

höher ist sein Provisionssystz <strong>un</strong>d vor allem der ihm gestellte<br />

Firmenwagen. Die ganz großen "legalen Betrüger" <strong>un</strong>ter den Drückern<br />

erhalten Porsche, große BMW <strong>un</strong>d Mercedes.<br />

Man schätzt die Zahl aller <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler <strong>un</strong>d Drücker<br />

auf weit über 300.000 - eingerechnet die Verwandten, Bekannten,<br />

Kollegen, Kegelbrüder <strong>un</strong>d andere, die - ohne daß man es so recht<br />

erkennt - in Versicher<strong>un</strong>gen machen. Ne<strong>un</strong>zig Prozent aller hauptberuflichen<br />

40.000 bis 50.000 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter sind Einfirmenvertreter.<br />

Und alle sollen - wie es in der Hauszeit<strong>un</strong>g der Allianz<br />

so schön hieß -"möglichst schnell herausfinden, wie der K<strong>un</strong>de am<br />

besten zu packen ist", <strong>un</strong>d sie sollen "den Eindruck erwecken, als<br />

kümmere man sich um ihn". Nur wer dies alles weiß, kann ermessen,<br />

welche Gefahren sich für den Verbraucher daraus ergeben <strong>un</strong>d<br />

wieviele B<strong>un</strong>desbürger bereits falsche Versicher<strong>un</strong>gen in ihren<br />

Schubladen haben.<br />

128


Alle Einfirmenvertreter sind – notgedr<strong>un</strong>gen –<br />

schwarze Schafe<br />

Die Lobby kommt an dieser Stelle gerne mit dem Einwand, ein paar<br />

schwarze Schafe gäbe es in jeder Branche. Die Zahl der schwarzen<br />

Schafe <strong>un</strong>ter den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittlern ist jedoch so groß, daß<br />

man von einer riesigen Herde sprechen muß. Vermutlich sind weit<br />

weniger als zwei Prozent der 300.000 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler weiße<br />

Schafe. Denn alle für die großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften tätigen Vermittler sind schwarze Schafe, weil<br />

sie den Verbrauchern viel zu teure Versicher<strong>un</strong>gen anbieten "müssen".<br />

Fast alle B<strong>un</strong>desbürger sind dementsprechend schlecht versichert.<br />

Die allein sinnvolle Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g, die nicht mit<br />

einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d dadurch ne<strong>un</strong>zig Prozent billiger<br />

ist als eine Kapitalversicher<strong>un</strong>g, hat nur etwa jeder zehnte Haushalt<br />

abgeschlossen, <strong>un</strong>d dann auch meistens nur zur Absicher<strong>un</strong>g eines<br />

Kredites - wie zum Beispiel beim Bauspardarlehen - also nicht zur<br />

Familienversorg<strong>un</strong>g. Nicht einmal vier von h<strong>un</strong>dert Haushalten haben<br />

eine private Rente für den Fall der Berufs<strong>un</strong>fähigkeit versichert.<br />

Und nur etwa jeder 500. Haushalt hat eine Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g<br />

auf reiner Risikobasis, also ohne den Sparvorgang in der<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g. Diese erschütternden Ergebnisse, deren<br />

Einfluß auf Menschen- <strong>un</strong>d Familienschicksale bei Unglücksfällen<br />

nicht vergessen werden darf, sind n<strong>un</strong> sicher kein Zeichen von<br />

"Dummheit der Bürger" oder mangelnder Vorsorgebereitschaft. Sie<br />

sind vielmehr ein <strong>un</strong>widerlegbarer Beweis für die katastrophale Berat<strong>un</strong>gsleist<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>serer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter <strong>un</strong>d der skrupellosen<br />

Geschäftsmethoden <strong>un</strong>serer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften, die aus<br />

dieser Sicht sogar international Spitzenreiter sind. So liegt die B<strong>un</strong>desrepublik<br />

im Vergleich mit anderen Industriestaaten im Beitragsaufkommen<br />

mit an der Spitze, im Verhältnis Beitrag/<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

aber am Ende.<br />

So gesehen, entpuppt sich die angeblich gute Berat<strong>un</strong>g der Vertreter<br />

als rücksichtslose, von den Gesellschaften erzw<strong>un</strong>gene Provisionsschinderei.<br />

Jede Mark, die ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>suchender locker<br />

machen konnte, ist bisher als erstes in Prämien für den viel zu teuren<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz über eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g umgerechnet<br />

worden - ohne Rücksicht auf die dadurch entstandene Ver-<br />

129


sorg<strong>un</strong>gslücke der Familie. Jährlich sterben fast eine Millionen -<br />

schlecht versicherte - Familienväter vor dem Rentenalter. Und etwa<br />

die gleiche Zahl von Männern mit Familie sind erheblich in der Erwerbsfähigkeit<br />

behindert - fast alle ohne zusätzliche private Rente<br />

aus einer Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g. H<strong>un</strong>derttausendfach finanzielle<br />

Not durch Invalidität <strong>un</strong>d Tod in b<strong>un</strong>desdeutschen Familien.<br />

Und <strong>un</strong>sere B<strong>un</strong>despräsidenten haben fast allen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managern<br />

<strong>un</strong>d Branchenf<strong>un</strong>ktionären als vermeintlichen "Wohltätern<br />

der Menschheit" B<strong>un</strong>desverdienstkreuze umgehängt.<br />

Unwissenheit der Bürger über Versicher<strong>un</strong>gen –<br />

der billigste Rohstoff, aus dem Geld gemacht werden kann<br />

Der "Erfolg" der skrupellosen Strategien <strong>un</strong>d Geschäfte von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

<strong>un</strong>d ihrer geknebelten Vertreter steht<br />

<strong>un</strong>d fällt mit dem Wissen der Bürger <strong>un</strong>d auch der in <strong>un</strong>serem Lande<br />

Verantwortlichen um die tatsächlichen Vorgänge in diesem Bereich.<br />

In einer Geheimstudie der USA-Lebensversicherer wurde schon vor<br />

vielen Jahren festgestellt, daß die Branche auf einem "selbstzerstörerischen<br />

Weg" sei <strong>un</strong>d das Überleben der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

von der Unwissenheit der Bürger über die schlechte Rendite auch im<br />

Hinblick auf die Inflation abhinge. Inzwischen ist die Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g mit einer vermengten Prämie in den USA gestorben.<br />

Auch der ehemalige Generaldirektor der Allianz Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

ahnte Schlimmes <strong>un</strong>d sprach davon, daß sich die Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

hierzulande möglicherweise auf einem "Weg vom Paradies<br />

in die Hölle" befände. Unwissenheit ist also die lebensnotwendige<br />

Geschäftsgr<strong>un</strong>dlage der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften. Und so wird alles, was mit Versicher<strong>un</strong>g zusammenhängt,<br />

zu einem reinen Informationskampf, wobei leider<br />

auch wieder das Geld der Versicherten in den Händen der Unternehmen<br />

eine große Rolle spielt. Man denke an bestellte Gutachten<br />

<strong>un</strong>d die mehreren H<strong>un</strong>dertmillionen Mark der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche<br />

für Werb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Anzeigen in Fernsehen, R<strong>un</strong>df<strong>un</strong>k <strong>un</strong>d Zeit<strong>un</strong>gen.<br />

Hierzu das US-Magazin "Multinational Monitor": "Die<br />

größte Ironie ist, daß die gewaltige Lobby <strong>un</strong>d Propaganda der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

von den Versicherten bezahlt wird." Fair ist<br />

dieser Informationskampf also nicht. Welcher Dieb wird dem Bestohlenen<br />

schon zwanzig Pfennige zurückgeben, damit er die Polizei<br />

rufen kann ? -<br />

130


Eine Mauer aus Einfirmenvertretern <strong>un</strong>d Zehnjahresverträgen<br />

gegen ausländische Konkurrenz<br />

Ab 1993 - auf einem offenen europäischen Mark - könnte alles viel<br />

besser werden, wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche hier nicht schon eine<br />

Mauer gegen ausländische Konkurrenz errichtet hätte. So bezeichnet<br />

sie die geknebelten Einfirmenvertreter als ihr "Bollwerk".<br />

Und eine weitere Bastion sind etwa 100 Millionen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

der privaten Haushalte, die zehn Jahre lang nicht kündbar sind.<br />

Wie soll da ein ausländisches Unternehmen Vermittler finden, die<br />

bei einer Kündig<strong>un</strong>g ihres Vertretervertrages keinen Ausgleich für<br />

den aufgebauten K<strong>un</strong>denbestand erhalten, bei Null anfangen müßten<br />

<strong>un</strong>d ihre alten K<strong>un</strong>den nicht einmal zu günstigeren Anbietern<br />

abwerben könnten, weil sie diese selbst an Zehnjahresverträge gefesselt<br />

haben ? - Hier wird bereits deutlich, daß die Einführ<strong>un</strong>g eines<br />

jederzeitigen Kündig<strong>un</strong>gsrechts auch für bestehende Versicher<strong>un</strong>gen<br />

- wie in den USA - das erstarrte System schlagartig verändern könnte.<br />

Aber leicht vorstellbar ist auch, daß die großen <strong>un</strong>d teuren Aktiengesellschaften<br />

mit allen Mitteln - möglicherweise bis hin zur Korruption<br />

- um den Erhalt der Zehnjahresverträge <strong>un</strong>d damit um den<br />

Erhalt des Einfirmenvertretersystems <strong>un</strong>d um ihre eigene Existenz<br />

kämpfen werden.<br />

Einen Trick hat die Branche sich schon einfallen lassen, um die<br />

Verbraucher zu betrügen <strong>un</strong>d um ihre Vertreter über die ab 1992 zu<br />

erwartende ausländische Konkurrenz zu erheben. "Vertreter sollen<br />

demnächst eine Prüf<strong>un</strong>g ablegen - bevor sie auf die K<strong>un</strong>den losgelassen<br />

werden. So will es jetzt jedenfalls der Gesamtverband der<br />

Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft. Damit kämen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreter<br />

endlich in den Genuß des ersehnten Gütesiegels." So<br />

war im Handelsblatt im März 1988 zu lesen. Kurz darauf eine eine<br />

Leserzuschrift: "Persilschein für Betrüger - In Ihrem Artikel wird<br />

dem Leser suggeriert, daß Seriosität eine Frage der Ausbild<strong>un</strong>g ist.<br />

Genau dies ist falsch. Die Methoden, den K<strong>un</strong>den ausz<strong>un</strong>ehmen,<br />

werden nur raffinierter. Fazit: Dieser 'Persilschein` macht es skrupellosen<br />

Verkäufern nur noch leichter." - Übrigens: Die Prüf<strong>un</strong>g ihrer<br />

Vertreter <strong>un</strong>d Drücker für den "Persilschein" will die Branche natürlich<br />

selbst vornehmen ! -<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler brauchen eine Dachorganisation, die<br />

Einfirmenvertretern hilft, aus ihrer Knebel<strong>un</strong>g herauszukommen,<br />

<strong>un</strong>d die dann den <strong>un</strong>abhängigen Vermittlern hilft, sich in der Öf-<br />

131


fentlichkeit als Anlaufstelle für aufgeklärte Verbraucher zu profilieren.<br />

Gerade in letzter Zeit hat das B<strong>un</strong>desverfass<strong>un</strong>gsgericht entschieden,<br />

daß Knebel<strong>un</strong>gsverträge für Vertreter verfass<strong>un</strong>gswidrig<br />

sind. Außerdem können nach meiner Mein<strong>un</strong>g fast alle Einfirmenvertreter<br />

ihre Verträge mit den Gesellschaften kündigen <strong>un</strong>d trotzdem<br />

einen Ausgleichsanspruch erhalten, weil die teuren Unternehmen<br />

gegen ihre Treuepflicht verstoßen, wenn sie den an sie geb<strong>un</strong>denen<br />

Vermittlern zu teure Prämien an die Hand geben. Ich hatte<br />

dem ehemaligen Präsidenten der Vertretervereinig<strong>un</strong>g meine Unterstütz<strong>un</strong>g<br />

bei einem entsprechenden Musterprozeß angeboten - keine<br />

Reaktion.<br />

Nach einer Umfrage im Jahre 1989 würden 84 Prozent aller Einfirmenvertreter<br />

eine Einfirmenbind<strong>un</strong>g nicht mehr eingehen. So gibt<br />

es viele Männer <strong>un</strong>d Frauen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>außendienst, die den<br />

legalen Betrug ihrer K<strong>un</strong>den - wenigstens innerlich - nicht mehr<br />

mitmachen oder mitmachen wollen. Die F<strong>un</strong>ktionäre selbst sprechen<br />

schon von einer Vielzahl der "inneren Kündig<strong>un</strong>gen" im Außendienst.<br />

Den Beweis liefern Zuschriften, die ich von Vermittlern<br />

erhielt - so zum Beispiel ein Generalagent: "Ich stieß leider erst kürzlich<br />

auf den Ratgeber Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d mußte zu meinem<br />

Entsetzen erkennen, welchen Schaden ich während meiner dreijährigen<br />

Agententätigkeit angerichtet habe. Was kann ich t<strong>un</strong>?" - Ein<br />

Hauptvertreter einer Krankenversicher<strong>un</strong>g: "Das Buch 'Ratgeber<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g' hat mich wegen der Bezeichn<strong>un</strong>g 'Informationswinzling'<br />

für Einfirmenvertreter zuerst sehr geärgert. Je mehr ich<br />

jedoch darüber nachdachte, desto klarer wurde mit, daß Herr Meyer<br />

eigentlich recht hat. Wenn man nur eine Firma vertritt, weiß man<br />

wirklich nicht sehr viel bzw. kann nicht beurteilen, ob <strong>un</strong>d mit welchem<br />

Angebot dem Verbraucher am besten gedient ist." - Ein anderer<br />

Generalvertreter: "Ich habe mein Vertragsverhältnis gelöst. Die<br />

Gründe dürften Sie sicherlich verstehen. Ich hatte schlichtweg die<br />

Nase voll." - Ein Inspektor: "Ich leide sehr dar<strong>un</strong>ter, meine K<strong>un</strong>den<br />

nur in den von dieser AG gesteckten Bahnen beraten zu können." -<br />

Ein Bezirksoberinspektor: "Als korrekter <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fachmann<br />

muß man des öfteren verzweifeln, was den K<strong>un</strong>den von Seiten der<br />

Gesellschaften zugemutet wird." - "Ich bin Einfirmenvertreter <strong>un</strong>d<br />

kann es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren."<br />

132


Zehnjahresverträge: Versicherte an falsche <strong>un</strong>d<br />

zu teure Versicher<strong>un</strong>gen geknebelt<br />

Gäbe es nicht die Zehnjahresverträge im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, wäre<br />

der "legale Betrug" der Bürger durch doppelt <strong>un</strong>d dreifach überhöhte<br />

Prämien <strong>un</strong>gleich schwerer. Denn die Versicherten könnten leichter<br />

zu günstigeren Anbietern wechseln. Und den großen <strong>un</strong>d teuren<br />

Gesellschaften - wie z. B. der Allianz - würden die Versicherten <strong>un</strong>d<br />

auch ihre Vertreter in Scharen davonlaufen. Die Unternehmen wissen<br />

natürlich, daß ihre Angebote viel zu teuer <strong>un</strong>d "zum Weglaufen<br />

schlecht" sind. Bei günstigen Prämien brauchten sie - wie die Billiganbieter<br />

- keine Zehnjahresverträge. Denn zufriedene Versicherte<br />

bleiben auch ohne Zehnjahresbind<strong>un</strong>g jahrelang treue K<strong>un</strong>den.<br />

Langfristige Verträge werden vor allem in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweigen<br />

des sogenannten Massengeschäfts angeboten. So sind z. B.<br />

in der Haftpflicht-, Unfall- <strong>un</strong>d Sachversicher<strong>un</strong>g Verträge mit einer<br />

Laufzeit von zehn Jahren üblich. Zu etwa jedem zweiten der 80 bis<br />

100 Millionen langfristigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge sind sogenannte<br />

Prämienanpass<strong>un</strong>gsklauseln vereinbart, die den Unternehmen das<br />

Recht ständiger Beitragserhöh<strong>un</strong>gen geben, ohne daß der Versicherte<br />

ein realistisches Kündig<strong>un</strong>gsrecht besitzt. Der Widerruf eines als<br />

Haustürgeschäft abgeschlossenen Zehnjahresvertrages ist nicht<br />

möglich, weil Versicher<strong>un</strong>gen vom Haustürgeschäfte-Widerrufs-<br />

Gesetz ausgenommen sind.<br />

Die Zehnjahresverträge sind für die teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften die wichtigste Gr<strong>un</strong>dlage für die Durchsetz<strong>un</strong>g<br />

völlig überhöhter Prämien, weil nur die langfristige Knebel<strong>un</strong>g der<br />

Verbraucher den - auch volkswirtschaftlich - <strong>un</strong>sinnigen Vertriebsaufwand<br />

von zwei bis drei Jahresprämien pro Vertrag ermöglicht.<br />

Obwohl <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>entscheid<strong>un</strong>gen nicht leicht sind, hat<br />

der Gesetzgeber Verbraucher, die eine viel zu teure <strong>un</strong>d zehn Jahre<br />

lang nicht kündbare Versicher<strong>un</strong>g abgeschlossen haben, mit zehn<br />

Jahren "Gefängnis" <strong>un</strong>d dem Verlust von oft mehreren tausend<br />

Mark bestraft.<br />

Zehnjahresverträge verletzen die Handl<strong>un</strong>gsfreiheit des Bürgers<br />

<strong>un</strong>d führen zu hohen Verlusten, weil ein Wechsel zu günstigeren<br />

Anbietern nicht möglich ist. Sie verhindern sinnvolle Reaktionen des<br />

Versicherten auf Veränder<strong>un</strong>gen in seinen persönlichen Verhältnissen<br />

oder bei den Angeboten. Sie sind innovationsfeindlich, behindern<br />

den Wettbewerb <strong>un</strong>d verteuern den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz. Er-<br />

133


sta<strong>un</strong>licherweise bieten alle Unternehmen mit kurzfristigen Policen<br />

auch die mit Abstand günstigsten Prämien.<br />

Ein von der EG-Kommission vorgelegter Richtlinienvorschlag<br />

sieht vor, "daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer gr<strong>un</strong>dsätzlich das Recht<br />

haben soll, einen für länger als drei Jahre geschlossenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag<br />

zum Ende des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres<br />

zu kündigen". Das B<strong>un</strong>desfinanzministerium hatte auch bereits<br />

im Januar 1989 eine entsprechende Regel<strong>un</strong>g für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-Gesetz<br />

entworfen. Aber schon traten die Lobbyisten auf<br />

den Plan, so DIE ZEIT im J<strong>un</strong>i 1989: "Im Schutze der D<strong>un</strong>kelheit<br />

haben es die Lobbyisten der Assekuranz geschafft, daß so gut wie<br />

alles ersatzlos gestrichen wurde, was Bonn im Sinne der Versicherten<br />

geplant hatte. Sie besuchten den zuständigen Beamten. Ergebnis<br />

des Gesprächs: Zehnjährige Verträge wird es weiterhin geben."<br />

Die EG-Regel<strong>un</strong>g wurde abgeändert in folgenden Entwurf, über<br />

den bereits mehrfach diskutiert, aber bis Ende 1990 noch nicht entschieden<br />

worden ist: "Der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer kann einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag,<br />

der für die Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen<br />

ist, zum Ende des dritten Jahres kündigen, es sei denn, dem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer wurde bei Schließ<strong>un</strong>g des Vertrages ein Wahlrecht<br />

für eine Vertragsdauer von einem, zwei oder drei Jahren eingeräumt."<br />

Nach der neuen Regel<strong>un</strong>g könnten Zehnjahresverträge weiterhin<br />

abgeschlossen werden. Die Kündig<strong>un</strong>gsvoraussetz<strong>un</strong>g (das Angebot<br />

von kürzeren Vertragsdauern) können Gesellschaften <strong>un</strong>d Vertreter<br />

leicht aus dem Wege räumen. Sie können ihren K<strong>un</strong>den, ohne daß<br />

diese es merken, die Alternativangebote mit kürzeren Laufzeiten <strong>un</strong>terschieben<br />

- wie bisher auch die Zehnjahresdauer, die eigentlich<br />

kein Versicherter abschließen wollte, aber am Ende doch - <strong>un</strong>bewußt<br />

oder <strong>un</strong>bemerkt - abgeschlossen hat. Oder die Vertreter bieten<br />

ihren K<strong>un</strong>den bewußt die kürzeren Laufzeiten an, "vermiesen" sie<br />

den K<strong>un</strong>den aber wieder durch höhere Prämien bei kürzerer Vertragsdauer.<br />

So gesehen ist der Gesetzentwurf sogar eine Begünstig<strong>un</strong>g<br />

der Gesellschaften <strong>un</strong>d Vertreter, zum Abschluß langfristiger<br />

Versicher<strong>un</strong>gen zu kommen. Wer bisher einen Zehnjahresvertrag zu<br />

doppelt <strong>un</strong>d dreifach überhöhten Prämien abgeschlossen hat, wird<br />

in Zuk<strong>un</strong>ft noch eher einen langfristigen Vertrag abschließen, wenn<br />

der Vertreter ihm dafür sogar noch einen Beitragsnachlaß anbietet.<br />

Die Folge <strong>un</strong>kündbarer Zehnjahresverträge ist für die Verbraucher,<br />

daß sie ihre Versicher<strong>un</strong>gen zehn Jahre lang nicht kündigen<br />

134


können, selbst wenn sich ihre persönlichen, beruflichen oder finanziellen<br />

Verhältnisse gr<strong>un</strong>dlegend geändert haben. Die persönlichen<br />

Verhältnisse der Versicherten können sich zum Beispiel ändern<br />

durch Arbeitslosigkeit. Häufig treten Versicherte auch in Firmen oder<br />

Verbände ein, die ihren Angehörigen den Beitritt zu günstigen<br />

Gruppenversicher<strong>un</strong>gen bieten (so. z. B. der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

mit einer Unfallgruppenversicher<strong>un</strong>g für seine Mitglieder, deren Beiträge<br />

bis zu 75 Prozent <strong>un</strong>ter denen der Allianz liegen). Die langfristig<br />

Versicherten können solche günstigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>möglichkeiten<br />

jahrelang nicht wahrnehmen. Wer zum Beispiel eine Unfallversicher<strong>un</strong>g<br />

für 600 Mark Jahresbeitrag abschließt <strong>un</strong>d am Tag darauf<br />

feststellt, daß er den gleichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz für 150 Mark haben<br />

könnte, muß noch ne<strong>un</strong> Jahre lang jährlich 450 Mark "zum<br />

Fenster hinauswerfen". Für die b<strong>un</strong>desdeutsche Volkswirtschaft bedeutet<br />

die Verhinder<strong>un</strong>g von Wettbewerb durch die <strong>un</strong>kündbaren<br />

Zehnjahresverträge im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> jährliche Verluste von<br />

weit über zehn Milliarden Mark.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz ist außerdem ein komplexes Problem. Es<br />

gibt eine Vielzahl von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten (von der Berufs<strong>un</strong>fähigkeits-<br />

bis zur Glasversicher<strong>un</strong>g), deren Abschluß eine Entscheid<strong>un</strong>g<br />

über die Priorität erfordert. Ein Verbraucher, der sein für Versicher<strong>un</strong>gen<br />

verfügbares Geld für falsche oder <strong>un</strong>wichtige Versicher<strong>un</strong>gen<br />

ausgibt, kann jahrelang die Prioritäten nicht ändern, kann sich<br />

also nicht optimal versichern. Selbst ständige einseitige Beitragserhöh<strong>un</strong>gen<br />

aufgr<strong>un</strong>d von sog. Prämienanpass<strong>un</strong>gsklauseln müssen<br />

die Versicherten jahrelang hinnehmen, ohne ein realistisches Kündig<strong>un</strong>gsrecht<br />

zu haben.<br />

Die Möglichkeit der zehnjährigen Bind<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d der ständigen<br />

Beitragserhöh<strong>un</strong>g ermöglicht es den teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften,<br />

mit einem exorbitanten Kostenaufwand von bis zu fünfzig<br />

Prozent der Beitragseinnahmen doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerte<br />

Prämien bei <strong>un</strong>informierten Verbrauchern durchzusetzen, die glauben,<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien seien in etwa gleich, weil die Beding<strong>un</strong>gen<br />

durch die Genehmig<strong>un</strong>gspraxis des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes für<br />

das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> einheitlich sind <strong>un</strong>d weil das BAV überhöhte<br />

Prämien verhindere.<br />

Langfristig geb<strong>un</strong>dene Versicherte können ihre Rolle als Verbraucher<br />

im Wettbewerb nicht wahrnehmen <strong>un</strong>d nicht zu günstigeren<br />

Anbietern wechseln. Günstige oder innovative Anbieter mit niedrigen<br />

Prämien <strong>un</strong>d neuartigen Beding<strong>un</strong>gen müßten theoretisch zehn-<br />

135


jährige Werbekampagnen betreiben (was wegen der Kosten praktisch<br />

nicht möglich ist), um alle potentiellen K<strong>un</strong>den in dem Zeitp<strong>un</strong>kt<br />

anzusprechen, in dem sie ihre schlechte <strong>un</strong>d zu teure Versicher<strong>un</strong>g<br />

kündigen können.<br />

Einfirmenvertreter werden durch fünf- bis sechsmal höhere Provisionen<br />

zum Abschluß von Zehnjahresverträgen animiert. Insofern<br />

kann auch nicht der in den angelsächsischen Ländern gegebene<br />

Druck entstehen, den die dort fast ausschließlich <strong>un</strong>abhängigen<br />

Vermittler (broker) auf zu teure <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ausüben<br />

können, weil sie an diese nicht geb<strong>un</strong>den sind <strong>un</strong>d weil sie ihre<br />

K<strong>un</strong>den - bei jederzeit kündbaren Verträgen - von einem Tag zum<br />

anderen bei einer anderen Gesellschaft versichern können.<br />

Unabhängige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler <strong>un</strong>d Makler können keine<br />

sinnvollen Dienstleist<strong>un</strong>gen erbringen, wenn sie ihren K<strong>un</strong>den in<br />

den meisten Fällen nur erklären können, daß sie zu teuer versichert<br />

seien, ihnen aber - wegen der Zehnjahresbind<strong>un</strong>g an oft mehrere<br />

Verträge - keine Beitragseinspar<strong>un</strong>gen durch die Vermittl<strong>un</strong>g günstigerer<br />

Angebote verschaffen können.<br />

Wegen ihrer verbraucher- <strong>un</strong>d wettbewerbsfeindlichen Wirk<strong>un</strong>g<br />

haben sich alle Stellen (außer die von den teuren Gesellschaften beherrschte<br />

Branche <strong>un</strong>d die Vertretervereinig<strong>un</strong>gen) gegen die <strong>un</strong>kündbaren<br />

langfristigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge ausgesprochen. Nach<br />

einem Rechtsgutachten des Hamburger Instituts für Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

(IFF) <strong>un</strong>d den Urteilen des OLG <strong>un</strong>d LG Düsseldorf <strong>un</strong>d<br />

des LG München aus 1989 <strong>un</strong>d 1990 verstoßen Zehnjahres-<br />

Klauseln gegen das Gesetz über die Allgemeinen Geschäfstbeding<strong>un</strong>gen,<br />

selbst wenn neben der vorgedruckten Zehnjahresdauer auf<br />

dem Antragsformular die Möglichkeit der Vereinbar<strong>un</strong>g einer kürzeren<br />

Vertragsdauer vorgesehen ist.<br />

Das Amtsgericht Medebach hat im Februar 1990 <strong>un</strong>ter Bezugnahme<br />

auf die ständige Rechtsprech<strong>un</strong>g zu Dauerschuldverhältnissen<br />

die vorzeitige Kündig<strong>un</strong>g eines langfristigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrages<br />

für rechtens <strong>un</strong>d die Regel<strong>un</strong>g in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen,<br />

daß ein Vertrag nur zum vereinbarten Ablauf gekündigt werden<br />

kann, für <strong>un</strong>wirksam erklärt, wenn diese Regel<strong>un</strong>g zusammen mit<br />

einer langen Vertragsdauer den Versicherten <strong>un</strong>angemessen benachteiligt.<br />

Eine <strong>un</strong>angemessene Benachteilig<strong>un</strong>g ist sicher die Bind<strong>un</strong>g<br />

an einen doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerten Zehnjahres-Vertrag ohne<br />

Kündig<strong>un</strong>gsrecht.<br />

136


Das B<strong>un</strong>desverfass<strong>un</strong>gsgericht hat die Ausnahme der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

von der - im AGB-Gesetz geregelten - Unwirksamkeit<br />

langfristiger Verträge zwar nicht für verfass<strong>un</strong>gswidrig erklärt, jedoch<br />

die Inhaltskontrolle (wie sie das Amtsgericht Medebach vorgenommen<br />

hat) zugelassen. Hinsichtlich seiner Entscheid<strong>un</strong>g, daß die<br />

Zehnjahresbind<strong>un</strong>g nicht verfass<strong>un</strong>gswidrig sei, beruft sich das B<strong>un</strong>desverfass<strong>un</strong>gsgericht<br />

weitgehend auf die gesetzgeberischen Intentionen<br />

im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen<br />

(AGB-Gesetz). In der für dieses Gesetz einschlägigen<br />

B<strong>un</strong>destagsdrucksache kommt aber besonders die Mein<strong>un</strong>g<br />

von B<strong>un</strong>destagsabgeordneten zum Tragen, deren Namen auch<br />

auf den eingangs erwähnten, vom SPIEGEL veröffentlichten Spendenlisten<br />

vertreten sind. Es darf deshalb darüber nachgedacht werden,<br />

ob das Gericht bei seiner Entscheid<strong>un</strong>g nicht von gesetzgeberischen<br />

Intentionen ausgegangen ist, die durch Spenden beeinflußt<br />

waren.<br />

Das oben erwähnte Rechtsgutachten des Instituts für Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

kommt außerdem zu dem Ergebnis, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

mit zehnjähriger Laufzeit gegen die Vorschriften des<br />

europäischen Wettbewerbsrechtes verstoßen, weil sie den Markt gegenüber<br />

ausländischen Anbietern abschotten. Die EG <strong>un</strong>d ausländische<br />

Unternehmen werden - <strong>un</strong>terstützt durch Verbraucherorganisationen<br />

- sicher nicht hinnehmen, daß der (europäische) Wettbewerb<br />

durch eine Mauer von Zehnjahresverträgen in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

verhindert wird.<br />

In den angelsächsischen Ländern sind jederzeitige Kündig<strong>un</strong>gen<br />

möglich. Im Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR war bestimmt,<br />

daß Versicher<strong>un</strong>gen zu jeder Beitragsfälligkeit mit einer Monatsfrist<br />

gekündigt werden können. Unter allen dargestellten Umständen ist<br />

es ersta<strong>un</strong>lich, daß der b<strong>un</strong>desdeutsche Gesetzentwurf im Widerspruch<br />

zu fast allen Mein<strong>un</strong>gen, Entscheid<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Entwickl<strong>un</strong>gen<br />

steht <strong>un</strong>d daß die B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g sich offenbar sogar im Interesse<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche, aber gegen die Interessen der<br />

Verbraucher für eine Abänder<strong>un</strong>g der besseren EG-Regel<strong>un</strong>g einsetzt.<br />

Selbst ein mündiger Verbraucher kann nicht für einen Zeitraum<br />

von zehn Jahren voraussehen, wie sich seine persönliche Situation<br />

<strong>un</strong>d die Verhältnisse im Markt entwickeln. Nur dumme, ahn<strong>un</strong>gslose,<br />

überredete oder überlistete Verbraucher schließen doppelt <strong>un</strong>d<br />

dreifach überteuerte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge mit einer Zehnjahres-<br />

137


dauer ab. Der freie Wettbewerb muß zwar zulassen, daß dumme oder<br />

<strong>un</strong>informierte Verbraucher übervorteilt werden dürfen. Wer etwas<br />

doppelt zu teuer einkauft, hat selbst Schuld. Bei falsch abgeschlossenen<br />

Versicher<strong>un</strong>gen, die ohnehin schwer vergleichbar <strong>un</strong>d<br />

nicht begreifbar sind <strong>un</strong>d zudem noch mit oft fragwürdigen Methoden<br />

vermittelt werden, muß der Gesetzgeber jetzt aber entscheiden,<br />

ob die Strafe für ein Fehlverhalten des Bürgers weiterhin "zehn Jahre<br />

Gefängnis" <strong>un</strong>d eine "Geldstrafe" von möglicherweise mehreren<br />

tausend Mark sein soll oder - wie die EG-Kommission vorschlägt -<br />

nur drei Jahre <strong>un</strong>d eine entsprechend niedrigere Geldstrafe. Das ist<br />

gleichzeitig eine Entscheid<strong>un</strong>g darüber, ob Gesellschaften <strong>un</strong>d Vertreter,<br />

die weiterhin Millionen B<strong>un</strong>desbürger mit doppelt <strong>un</strong>d dreifach<br />

zu teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen hereinlegen, mit Milliardengewinnen<br />

belohnt werden sollen, die sie ohne Wettbewerb kassieren<br />

können.<br />

Wenn jemand die von den teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften beherrschte Branche fragen würde, warum sie<br />

so verbissen um den Erhalt der Zehnjahresverträge kämpft, dann<br />

müßte ein ehrlicher Branchenvertreter antworten: "Hohe Gewinne<br />

können nur durch überhöhte Prämien zustandekommen. Überhöhte<br />

Prämien können nur durch ein aufwendiges Vertriebssystem durchgesetzt<br />

werden. Eine aufwendiges Vertriebssystem braucht langfristige<br />

Verträge, weil oft zwei bis drei Jahresbeiträge allein schon für<br />

die Vertriebs- <strong>un</strong>d Abschlußkosten in die Prämien einkalkuliert werden.<br />

Die Vertreter erhalten für den Abschluß eines langfristigen Vertrages<br />

an Abschlußprovisionen <strong>un</strong>d Bonifikationen allein schon die<br />

erste Jahresprämie. Die teuren Gesellschaften <strong>un</strong>d ihre Vertreter<br />

wissen also, daß ihre Versicher<strong>un</strong>gen zu teuer sind, zumal günstige<br />

Anbieter mit Kosten von zehn bis zwanzig Prozent auskommen,<br />

ihre K<strong>un</strong>den trotz jährlich kündbarer Verträge über Jahre halten <strong>un</strong>d<br />

deshalb oft mehr als die Hälfte billiger sein können. Aus all diesen<br />

Gründen brauchen teure Unternehmen die Knebel<strong>un</strong>g der aufwendig<br />

akquirierten K<strong>un</strong>den an Zehnjahresverträge - damit sie nicht so<br />

leicht weglaufen können."<br />

Auf die Nachfrage, ob Versicherte, die in den meisten Fällen einen<br />

lebenslänglichen Schutz wünschen, nicht langfristig bei einer<br />

Gesellschaft bleiben, wenn sie mit den Prämien, Konditionen <strong>un</strong>d<br />

den Dienstleist<strong>un</strong>gen zufrieden sind, gibt es für einen ehrlichen<br />

F<strong>un</strong>ktionär nur zwei Antworten: Entweder: "Ja, wir brauchen gar<br />

keine Zehnjahresverträge." Oder: "Unsere K<strong>un</strong>den sind nur so lange<br />

138


zufrieden, wie sie <strong>un</strong>informiert sind. In dem Augenblick, wo sie sich<br />

informieren, sind sie <strong>un</strong>zufrieden <strong>un</strong>d würden <strong>un</strong>s davonlaufen. Und<br />

deshalb brauchen wir die Zehnjahresbind<strong>un</strong>g der K<strong>un</strong>den."<br />

Es wäre wirklich mittelalterlich, wenn der Gesetzgeber in der<br />

B<strong>un</strong>desrepublik - trotz entgegenstehender Urteile - weiterhin die<br />

Knebel<strong>un</strong>g der Versicherten an Zehnjahresverträge zuließe <strong>un</strong>d<br />

möglicherweise im Interesse der großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften sogar versuchen würde, die freiheitliche DDR-<br />

Regel<strong>un</strong>g oder die vorgeschlagene EG-Regel<strong>un</strong>g durch <strong>un</strong>sere<br />

verbraucher- <strong>un</strong>d wettbewerbsfeindliche Regel<strong>un</strong>g zu ersetzen. Auf<br />

jeden Fall wird es bei einer weiterhin verbraucher- <strong>un</strong>d wettbewerbsfeindlichen<br />

Regel<strong>un</strong>g zu einer Kollision kommen (möglicherweise<br />

vor dem Europäischen Gerichtshof).<br />

In diesem Zusammenhang ist eine Äußer<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desjustizministeriums<br />

aus dem Jahre 1986 ersta<strong>un</strong>lich: "Nach <strong>un</strong>serer<br />

Rechtsordn<strong>un</strong>g können die Vertragspartner gr<strong>un</strong>dsätzlich frei darüber<br />

bestimmen, wie lange eine vertragliche Vereinbar<strong>un</strong>g gelten<br />

soll. Die in manchen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparten üblichen Zehnjahresverträge<br />

haben für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer durchaus Vorteile. Die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft macht darüberhinaus geltend, das Zehnjahresverträge<br />

sich für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer beitragssparend auswirken,<br />

weil der Abschluß eines langfristigen Vertrages weniger<br />

Verwalt<strong>un</strong>gsaufwand erfordere als eine Reihe aufeinanderfolgender<br />

kurzfristiger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verhältnisse." - Und im Jahre 1990 meint<br />

der B<strong>un</strong>desminister der Justiz: "Ein generelles gesetzliches Verbot<br />

von langfristigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen mit Laufzeiten von mehr<br />

als drei Jahren hält die B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g aus verfass<strong>un</strong>gsrechtlichen<br />

Gründen nicht für zulässig, weil dies eine <strong>un</strong>verhältnismäßige Beschränk<strong>un</strong>g<br />

der durch das Gr<strong>un</strong>dgesetz geschützten Privatautonomie<br />

wäre." - Das klingt wie eine im "Schutze der D<strong>un</strong>kelheit erkaufte<br />

Lobby-Stell<strong>un</strong>gnahme", vor allem bei der offenk<strong>un</strong>digen Schizophrenie<br />

des Justizministeriums: Warum wurden im Gesetz über die<br />

Allgemeinen Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen Vertragsbind<strong>un</strong>gen von mehr<br />

als zwei Jahren für <strong>un</strong>wirksam erklärt ? -<br />

Und noch eine ganz <strong>un</strong>d gar törichte Verlautbar<strong>un</strong>g aus dem<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt im Jahre 1989: "Wer <strong>un</strong>bedacht ohne Vergleich<br />

der Wettbewerbssituation einen Vertrag abschließt, ist an ihn geb<strong>un</strong>den<br />

<strong>un</strong>d kann sich in keinem Fall darauf berufen, er habe später<br />

ein günstigeres Angebot erhalten. Von einem mündigen Bürger wird<br />

auch erwartet, daß er sich nichts aufdrängen läßt." Das Aufsichtsamt<br />

139


aucht etwas Nachhilfe<strong>un</strong>terricht. Zum "mündigen Bürger": Warum<br />

gibt es Verbraucherschutz-Gesetze, <strong>un</strong>d warum mußte die Anschnallpflicht<br />

für Autofahrer per Gesetz eingeführt werden, wenn<br />

die Bürger so "mündig" sind? - Zum "Vergleich der Wettbewerbssituation":<br />

Es gibt keinen Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>. Und<br />

wie sollte selbst ein mündiger Bürger für zehn Jahre im voraus die<br />

"Wettbewerbssituation" vorhersehen <strong>un</strong>d vergleichen können ? -<br />

Noch ist die neue Regel<strong>un</strong>g nicht durch das Gesetzgeb<strong>un</strong>gsverfahren.<br />

Berat<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Entscheid<strong>un</strong>gen werden laufend vertagt.<br />

Aber ob Argumente gegen die Geldspenden der Branche an Mitglieder<br />

des Ausschusses etwas ausrichten können? -<br />

Aufwend<strong>un</strong>gen für Kapitalanlagen: So verschwinden<br />

Versichertenmilliarden in stillen Reserven<br />

Gehen wir weiter in der Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens,<br />

dann stoßen wir auf eine harmlos erscheinende<br />

Position "Aufwend<strong>un</strong>gen für Kapitalanlagen". Hier handelt es<br />

sich zum Teil auch um Kosten des Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes, zum<br />

Beispiel bei den "Verwalt<strong>un</strong>gsaufwend<strong>un</strong>gen für Kapitalanlagen".<br />

Den Hauptposten machen aber die sogenannten "Abschreib<strong>un</strong>gen"<br />

aus, die natürlich auch nicht als Aufwend<strong>un</strong>gen eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens<br />

verbucht werden dürften, weil sie sich fast ausschließlich<br />

auf Anlagen von Versichertengeld <strong>un</strong>d nicht von Unternehmensgeld<br />

beziehen. Aber hier sind alle Verantwortlichen noch<br />

anderer Mein<strong>un</strong>g. Alle Kapitalanlagen sollen den Unternehmen gehören.<br />

Und deshalb seien Abschreib<strong>un</strong>gen darauf auch wie Kosten<br />

der Gesellschaft anzusehen. Damit kommen wir zu einer Frage, die<br />

zur Zeit die Beschlußkammer des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes, das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht<br />

<strong>un</strong>d andere Gerichte beschäftigt: Sind Kapitalanlagen<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen "Vermögen der Versicherten"<br />

? -<br />

Abschreib<strong>un</strong>gen –<br />

Geld, das die Versicherten abschreiben können<br />

Durch Abschreib<strong>un</strong>gen verschwindet sehr viel Geld in den sogenannten<br />

"stillen Reserven". Ein Beispiel: Ein Unternehmen kauft ein<br />

Haus, darf den Kaufpreis aber nicht im Jahr der Anschaff<strong>un</strong>g als<br />

Kosten ansetzen, sondern kann dafür zum Beispiel über fünfzig Jah-<br />

140


e jährlich zwei Prozent des Kaufpreises als Abschreib<strong>un</strong>gen geltend<br />

machen, die - wie Kosten - in die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g übernommen<br />

werden <strong>un</strong>d so den Jahresüberschuß mindern. Es bilden<br />

sich aber gleichzeitig stille Reserven, die in keiner Bilanz erscheinen:<br />

Das Haus wird zwar - bilanzmäßig - immer weniger wert,<br />

tatsächlich steigt der Verkehrswert des Hauses aber von Jahr zu Jahr.<br />

Die Differenz zwischen dem jeweiligen - abgeschriebenen - Buchwert<br />

<strong>un</strong>d dem aktuellen Verkehrswert ist eine "stille Reserve". "Still"<br />

deshalb, weil sie nirgendwo erscheint. Und "Reserve" deshalb, weil<br />

das Unternehmen das Haus jederzeit wieder verkaufen kann. Dann<br />

würde der Verkauferlös wieder in die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g<br />

eingehen. Dadurch ergibt sich gegenüber dem abgeschriebenen<br />

Buchwert des Hauses ein Überschuß, ein "Veräußer<strong>un</strong>gsgewinn". So<br />

können mit einer stillen Reserve <strong>un</strong>ternehmerische Verluste ausgeglichen<br />

oder höhere Gewinne herbeigeführt werden.<br />

N<strong>un</strong> interessieren Otto Normalverbraucher die stillen Reserven<br />

eines Unternehmens recht wenig. Doch bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

haben sie für die Versicherten schon eine ganz entscheidende<br />

Bedeut<strong>un</strong>g. Ganz einfach deshalb, weil hier Gr<strong>un</strong>dstücke,<br />

Wertpapiere <strong>un</strong>d Unternehmensbeteilig<strong>un</strong>gen gekauft werden - aber<br />

nicht mit Unternehmens-, sondern mit Versichertengeld. Die<br />

Gr<strong>un</strong>dstücke werden auch hier bis auf eine Mark abgeschrieben,<br />

Wertpapiere auf einen sogenannten "Niederstwert". Das ist der<br />

niedrigste Börsenwert des Papiers nach seinem Kauf. Solche Abschreib<strong>un</strong>gen<br />

vermindern also Jahr für Jahr den Jahresüberschuß der<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g. An diesem Jahresüberschuß ist aber<br />

laut Vertrag jeder Lebensversicherte beteiligt. Das heißt: Abschreib<strong>un</strong>gen<br />

vermindern zwangsläufig die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten.<br />

Also sollte vor allen Lebensversicherte interessieren, was mit den<br />

stillen Reserven ihres Geldes geschieht. Ein Artikel des Handelsblatt<br />

vom Januar 1982 deutet an, welche <strong>un</strong>vorstellbaren <strong>un</strong>d nur schwer<br />

erkennbaren stillen Reserven in den Vermögensanlagen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

stecken: "Allianz-Beteilig<strong>un</strong>gsbesitz: Für die<br />

inländischen Beteilig<strong>un</strong>gen ergibt sich ein vorsichtig angesetzter<br />

Wert von 3,5 Milliarden Mark. Diesem steht in der Bilanz der Allianz<br />

Versicher<strong>un</strong>g nur ein Buchwert von 0,9 Milliarden Mark gegenüber.<br />

Die damit sichtbare Reserve ist in Wirklichkeit noch größer." -<br />

Die Wirtschaftswoche machte sich im Juli 1990 auch Gedanken<br />

über stille Reserven bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen: "Wegen ihrer<br />

141


Substanz sind <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aktien attraktiv. Denn die allseits steigenden<br />

Immobilienpreise kommen der Assekuranz, die im Verhältnis<br />

zu ihrem eigenen Gr<strong>un</strong>dkapital über ein hohes Immobilienvermögen<br />

verfügt, besonders zugute. Diese Überleg<strong>un</strong>g bewog das<br />

Frankfurter Bankhaus Georg Hauck & Sohn, für die Münchener<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g eine Substanzwertberechn<strong>un</strong>g vorz<strong>un</strong>ehmen.<br />

Darin gingen alle börsennotierten Beteilig<strong>un</strong>gen ebenso ein wie der<br />

bestehende Gr<strong>un</strong>dbesitz. Am Ende ermittelten die Banker einen<br />

Substanzwert von stolzen 7.000 Mark pro Aktie. An der Börse ist<br />

das Papier der Münchener Rück derzeit noch für knapp <strong>un</strong>ter 3.000<br />

Mark zu haben."<br />

Prof. Dr. Eberhard Schwark schreibt in seinem Buch "Anlegerschutz<br />

durch Wirtschaftsrecht" im Jahre 1979: "Ungelöst ist ferner<br />

die Problematik der Zuteil<strong>un</strong>g der im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermögen steckenden<br />

Bewert<strong>un</strong>gsreserven. Die stillen Reserven erhöhen den Unternehmenswert,<br />

kommen den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>anlegern aber erst im<br />

Falle einer gewinnerhöhenden Auflös<strong>un</strong>g zugute. Da Gegenstände<br />

des Anlagevermögens oft über Jahrzehnte bei der Gesellschaft<br />

verbleiben, gehen die eigentlichen Destinatäre des Vermögens des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens, die durch ihre Prämienzahl<strong>un</strong>g den<br />

Erwerb der Vermögensgegenstände ermöglicht haben, leer aus, während<br />

die Aktionäre des Unternehmens eine Wertsteiger<strong>un</strong>g ihrer Anteile<br />

erfahren. Der aktienrechtlich durch Kurssteiger<strong>un</strong>g aufgefangene<br />

Effekt einer niedrigen Bewert<strong>un</strong>g der Aktivposten führt mithin<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>recht zu einer Verlager<strong>un</strong>g des Nutzens aus tatsächlichem<br />

Vermögenszuwachs zu Lasten der Anleger. Diesem<br />

strukturellen Nachteil der Lebensversicher<strong>un</strong>gsanlage könnte durch<br />

eine periodische Beteilig<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer an den Bewert<strong>un</strong>gsreserven<br />

des Deck<strong>un</strong>gsstocks oder durch eine Adjustier<strong>un</strong>g<br />

der Bewert<strong>un</strong>g an die tatsächlichen Verhältnisse in festen Zeitabständen<br />

entgegengewirkt werden."<br />

Eine ständige Bewert<strong>un</strong>g der realen Werte aus Kapitalanlagen<br />

(auch in Gr<strong>un</strong>dbesitz), die durchaus möglich wäre, wird von Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

nicht vorgenommen, geschieht aber<br />

zum Beispiel für die Geldanlagen in Sondervermögen von Immobilien-<br />

<strong>un</strong>d Investmentfonds. So schreibt das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften<br />

vor, daß das eingelegte Geld <strong>un</strong>d die damit angeschafften<br />

Vermögensgegenstände getrennt vom Unternehmensvermögen<br />

als Sondervermögen verwaltet werden müssen, dessen Wert<br />

auf Gr<strong>un</strong>d der jeweiligen Kurswerte der zu ihm gehörenden Wert-<br />

142


papiere <strong>un</strong>d auf Gr<strong>un</strong>d jährlicher Schätzwerte für Gr<strong>un</strong>dstücke zu<br />

ermitteln ist. Wie solche Bewert<strong>un</strong>g des angelegten K<strong>un</strong>denvermögens<br />

geschieht, steht zum Beispiel in den Vertragsbeding<strong>un</strong>gen Allgemeinen<br />

Deutschen Investment-Gesellschaft (ADIG): "Der Fonds<br />

setzt sich aus den zu ihm gehörenden Wertpapieren, Bezugsrechten,<br />

Bankguthaben, Forder<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d sonstigen Rechten zusammen. Der<br />

Wert des Fonds (Inventarwert) wird an allen Sitz<strong>un</strong>gstagen der<br />

Frankfurter Wertpapierbörse in Frankfurt von der Depotbank festgestellt."<br />

Nach solchen vertraglichen Regel<strong>un</strong>gen werden die Geldanlager<br />

an den aktuellen Werten der Vermögensanlagen beteiligt, also auch<br />

an den stillen Reserven. Ähnlich verfahren englische Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>d erreichen deshalb <strong>wesen</strong>tlich bessere Ablaufergebnisse<br />

zu Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen. Auch nach amerikanischem<br />

Bewert<strong>un</strong>gsrecht müssen Wertpapierbestände nach<br />

Marktwert bilanziert werden <strong>un</strong>d Beteilig<strong>un</strong>gen nach der "equity-<br />

Methode", was zu ganz anderen Überschußergebnissen in der Gewinn-<br />

<strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d damit auch zu einer höheren Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

der Lebensversicherten führt.<br />

So fordert Prof. von Hippel vom Hamburger Max-Planck-<br />

Institut für Internationales Privatrecht im Jahre 1990 in der "Juristenzeit<strong>un</strong>g":<br />

"Deshalb sollten die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer an den stillen<br />

Reserven in der Weise beteiligt werden, daß alle Kapitalanlagen<br />

nach dem Vorbild von Immobilien- <strong>un</strong>d Investmentfonds periodisch<br />

bewertet <strong>un</strong>d ihre Wertsteiger<strong>un</strong>gen anteilig den Versicherten<br />

gutgeschrieben werden."<br />

Stille Reserven – ein stilles Problem<br />

Wem stehen diese stillen Reserven zu ? - Der frühere Präsident des<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, Walter Rieger,<br />

meinte im Jahre 1979: "Auch wenn in den Gesetzen nichts darüber<br />

steht, so verwalten die Lebensversicher<strong>un</strong>gen das Vermögen quasi<br />

treuhänderisch für ihre K<strong>un</strong>den. Daraus folgt, daß die stillen Reserven<br />

in den Vermögensanlagen letztlich den Versicherten <strong>un</strong>d nicht<br />

den Gesellschaften zugute kommen müssen." - Aber wie ? - Eine<br />

ständige Bewert<strong>un</strong>g der realen Werte aus Kapitalanlagen (auch in<br />

Gr<strong>un</strong>dbesitz), die durchaus möglich wäre, wird von Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

nicht vorgenommen, geschieht aber - wie oben<br />

dargestellt - für die Geldanlagen in Sondervermögen von Immobi-<br />

143


lien- <strong>un</strong>d Investmentfonds. Und das Statistische B<strong>un</strong>desamt hat<br />

schon im Jahre 1970 festgestellt, daß ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

bezüglich der Beiträge <strong>un</strong>d Sparleist<strong>un</strong>gen der Versicherten "die<br />

F<strong>un</strong>ktion eines Kapitalanlage<strong>un</strong>ternehmens ausübt".<br />

Das B<strong>un</strong>desministerium der Finanzen sieht das wieder einmal<br />

völlig anders. Die Sparanteile der Lebensversicher<strong>un</strong>g sollen kein<br />

treuhänderisch zu verwaltendes Vermögen sein <strong>un</strong>d auch nicht die<br />

damit angeschafften Vermögenswerte. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

trügen außerdem - anders als Kapitalanlagegesellschaften - ein<br />

Kapitalanlagerisiko. Und das "rechtfertige eine <strong>un</strong>terschiedliche gesetzliche<br />

Ausform<strong>un</strong>g". - Wo die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften bei<br />

den gesetzlich vorgeschriebenen vorsichtigen Kapitalanlagen ein Risiko<br />

tragen, bleibt <strong>un</strong>erfindlich. Sie müssen in der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

für die Sparanteile der Prämie einen Zinssatz von nur 3,5 Prozent<br />

erwirtschaften. Das ist das ganze "Risiko". Außerdem scheint<br />

den Beamten des Ministeriums nicht bekannt zu sein, daß die Unternehmen<br />

den Versicherten das Kapitalanlagerisiko aufbürden, daß<br />

nämlich Mißmanagement bei den Kapitalanlagen zu einer geringeren<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Versicherten führt, nicht aber zu Verlusten<br />

der Gesellschaft. So veräußern <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen Kapitalanlagen,<br />

die mit stillen Reserven behaftet sind, meistens nur, um<br />

die Folgen von Mißmanagement auszugleichen <strong>un</strong>d den Unternehmensgewinn<br />

zu finanzieren. Dazu Capital im Oktober 1979: "Alle<br />

Lebensversicherer nehmen für sich in Anspruch, Abschreib<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Verluste aus Kapitalanlagen gegen die Erträge aus dem Treuhandvermögen<br />

der Versicherten aufzurechnen. Die gesamte Branche<br />

bürdet das Kapitalanlagerisiko stillschweigend der Versichertengemeinschaft<br />

auf."<br />

Weiter schrieb Capital im Oktober 1984: "Verschleiert - Das Vermögen,<br />

das die Lebensversicherer für ihre K<strong>un</strong>den verwalten, ist<br />

mehr wert als in den Bilanzen ausgewiesen. Das liegt an den Bewert<strong>un</strong>gsvorschriften,<br />

aber auch an den Ermessensfreiheiten der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vorstände.<br />

Wem diese versteckten Gewinne zugute kommen,<br />

ist nicht geregelt. Wertminder<strong>un</strong>gen in den Vermögensanlagen,<br />

vor allem rückläufige Börsenkurse, wirken sich sofort in einem entsprechend<br />

geringeren Überschuß aus, weil abgeschrieben werden<br />

muß. Die sparenden K<strong>un</strong>den tragen somit <strong>un</strong>mittelbar das Risiko.<br />

Wertsteiger<strong>un</strong>gen hingegen wirken sich in den Bilanzen, den Ertragsrechn<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d damit auch im Überschuß nicht aus. Erst wenn<br />

verkauft wird, schlägt sich der Wertzuwachs gewinnsteigernd nieder.<br />

144


Ob <strong>un</strong>d wann aber eine Gesellschaft Kapitalanlagen verkauft, deren<br />

Wert gestiegen ist, bestimmen die Vorstände nach eigenem Ermessen.<br />

Zwar hat die Aufsichtsbehörde die Lebensversicherer schon vor<br />

Jahren aufgefordert, stille Reserven in den Vermögensanlagen auch<br />

einmal durch Verkauf zu realisieren. Dazu verpflichten kann der<br />

Staat die Vorstände jedoch nicht.<br />

So wächst allen Lebensversicher<strong>un</strong>gen ein <strong>un</strong>sichtbares Vermögen<br />

in Form der stillen Reserven als Dauerleihgabe der Versicherten<br />

zu. Es ist nicht im geringsten sichergestellt, daß die Generation von<br />

K<strong>un</strong>den, mit deren Spargeldern die Gesellschaften diese Werte geschaffen<br />

haben, daran auch fair beteiligt werden. Es ist nicht einmal<br />

sichergestellt, daß die Versicherten überhaupt Nutzen davon haben.<br />

Mittlerweile gibt es Fälle, selbst <strong>un</strong>ter großen Lebensversicher<strong>un</strong>gen,<br />

in denen stille Reserven realisiert wurden, um mit dem Gewinn <strong>un</strong>ternehmerische<br />

Schieflagen auszugleichen. Die Verluste betrafen oft<br />

nicht einmal das Lebensversicher<strong>un</strong>gsgeschäft. Nach geltendem<br />

Recht müssen also die Versicherten hinnehmen, daß Wertminder<strong>un</strong>gen<br />

in den Vermögensanlagen <strong>un</strong>verzüglich ihre mögliche Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g<br />

schmälern. Ob sie an Wertsteiger<strong>un</strong>gen des Vermögens<br />

angemessen beteiligt werden, liegt mehr oder weniger im Ermessen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften <strong>un</strong>d ihrer Eigentümer. Dabei bezeichnen<br />

sich die Lebensversicherer gerne als Superinvestmentfonds,<br />

die K<strong>un</strong>dengelder breit gestreut in Sachvermögen <strong>un</strong>d Geldwerten<br />

anlegen. Zu Wertpapier- <strong>un</strong>d Immobilienfonds besteht jedoch<br />

ein gewaltiger Unterschied. Dort mindern zwar Kursverluste<br />

<strong>un</strong>d Werteinbußen auch sogleich das Vermögen der K<strong>un</strong>den. Aber<br />

Wertsteiger<strong>un</strong>gen werden ihnen <strong>un</strong>verzüglich zugerechnet."<br />

Fälle, bei denen stille Reserven herhalten mußten, um Schieflagen<br />

von Unternehmen oder bei Rückversicher<strong>un</strong>gsgesellschaften des<br />

Konzerns auszugleichen, beschreibt "Capital" im Oktober 1985:<br />

"Wer einer Lebensversicher<strong>un</strong>g in Deutschland Geld anvertraut,<br />

muß freilich wissen, daß dieses System zum Schutz des Sparers<br />

Mängel hat. Wie bei der Bonner <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gruppe Deutscher<br />

Herold. Management <strong>un</strong>d Eigentümer fanden eine ganz simple Masche,<br />

indem sie ihren Sparern in der Lebensversicher<strong>un</strong>g den Rückversicher<strong>un</strong>gsverlust<br />

anlasteten. Die Herold Lebensversicher<strong>un</strong>g hat<br />

nichts anderes gemacht, als per Rollgriff Vermögenswerte, in denen<br />

Buchgewinne entstanden waren, zu versilbern. Auf diese Weise<br />

wurden 1984 insgesamt 58,4 Millionen Mark Vermögensgewinn realisiert.<br />

Im Jahr zuvor waren es 43,5 Millionen Mark. So wurde bin-<br />

145


nen zwei Jahren ein Gewinn hervorgegezaubert, der ausreichte, um<br />

per Zuschuß die Verluste des Rückversicherers zu begleichen. Mit<br />

anderen Worten: Aus den letztlich für die sparenden Beitragszahler<br />

verwalteten Vermögensanlagen des Lebensversicherers bezahlte der<br />

Herold-Konzern seine Rückversicher<strong>un</strong>gsverluste. Das Tollste in<br />

diesem schäbigen Spiel mit den Geldern der Versicherten: Die Manager<br />

haben sich ihre Leist<strong>un</strong>g mit abermals höheren Bezügen honorieren<br />

lassen." - Und im Oktober 1988 berichtete Capital: "Deutscher<br />

Herold - Der Skandal weitet sich aus. Reserven in Millionenhöhe<br />

sind bei anonymen Gesellschaften verschw<strong>un</strong>den. Die Staatsanwaltschaft<br />

ermittelt."<br />

Ein weiterer Fall in Capital vom August 1982: "Die Volksfürsorge,<br />

der zweitgrößte deutsche Lebensversicherer, geht auf merkwürdige<br />

Art mit dem ihm anvertrauten Geld um. Er hat aus dem Portemonnaie<br />

der Volksfürsorge Leben, dessen Inhalt die Ansprüche<br />

ihrer Beitragszahler sichern soll, 55 Millionen Mark genommen <strong>un</strong>d<br />

mit dem Geld Verluste im internationalen Rückversicher<strong>un</strong>gsgeschäft<br />

ausgeglichen. Damit nicht genug: Er kaufte der in Bilanzbedrängnis<br />

geratenen Bank für Gemeinwirtschaft ein Viertel der Aktien<br />

der Allgemeinen Hypothekenbank zu dem im Vergleich sehr hohen<br />

Preis von r<strong>un</strong>d 200 Millionen Mark ab." - Das Handelsblatt<br />

schrieb hierzu: "Dies ist skandalös, weil es jetzt in Wirklichkeit die<br />

Millionen von Lebensversicherten sind, auf deren Rücken der Ehrgeiz,<br />

<strong>un</strong>bedingt im Ausland eine (verlust)tragende Rolle zu spielen,<br />

ausgetragen wird."<br />

Die Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten an den stillen Reserven ist nicht<br />

nur in der B<strong>un</strong>desrepublik, sondern auch international ein "aufgeschobenes"<br />

Problem. So berichtete DIE WELT im August 1987 über<br />

Vorgänge in Frankreich: "Was wird aus den Reserven? - Das<br />

Hauptproblem bei der Privatisier<strong>un</strong>g der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gruppen<br />

ist die gerechte Verteil<strong>un</strong>g der im Laufe der Jahrzehnte angehäuften<br />

stillen Reserven. Es handelt sich dabei vor allem um den<br />

nicht ausgewiesenen Wertzuwachs des Immobilienbesitzes. Dazu<br />

gehören auch Vermögenswerte, welche die Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

aus den Sparmitteln der Versicherten <strong>un</strong>d aus ihren Eigenmitteln<br />

gebildet haben. Ein Teil dieser Mittel soll jetzt den Versicherten in<br />

Form von Leist<strong>un</strong>gsverbesser<strong>un</strong>gen bzw. Prämienrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

zugute kommen. Viele Versicherte fragen sich jetzt, warum man sie<br />

nicht schon längst an den so sorgfältig versteckten Reserven partizipieren<br />

ließ."<br />

146


"<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>paläste" aus Versichertengeldern<br />

Versichertengeld verschwindet in der Regel für immer, wenn es in<br />

Immobilien angelegt wird, die Gr<strong>un</strong>dstücke bis auf eine Mark abgeschrieben<br />

<strong>un</strong>d nicht wieder veräußert werden, also keine Veräußer<strong>un</strong>gsgewinne<br />

entstehen. Das kommt fast immer vor, wenn die Unternehmen<br />

Verwalt<strong>un</strong>gsgebäude mit dem Geld der Versicherten<br />

bauen oder kaufen. So heißt es in einer schriftlichen Stell<strong>un</strong>gnahme<br />

des Verbandes der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen zu einer B<strong>un</strong>destags-Anhör<strong>un</strong>g<br />

im November 1982: "Gebäude <strong>un</strong>d Gr<strong>un</strong>dstücke<br />

werden zweifellos nicht so häufig verkauft, was sich in der Regel <strong>un</strong>ter<br />

wirtschaftlichen Aspekten auch verbieten dürfte." - Bleibt nur die<br />

Frage: Wie sollen dann die Versicherten jemals wieder an das in Abschreib<strong>un</strong>gen<br />

verschw<strong>un</strong>dene Geld herankommen, wenn sich die<br />

Auflös<strong>un</strong>g stiller Reserven "verbietet" ? - Also verschwinden hier<br />

investierte Gelder der Versicherten für lange Zeit - meistens sogar<br />

für immer.<br />

Das bestätigt auch Capital im Februar 1980: "Es gibt einige, meist<br />

sehr alte Lebensversicher<strong>un</strong>gen, die allein schon durch städtischen<br />

Gr<strong>un</strong>dbesitz <strong>un</strong>ermeßlich reich sind, aber dennoch nicht daran denken,<br />

solche Vermögensgewinne mit ihren Versicherten zu teilen.<br />

Das ist umso ärgerlicher, als sich die Gesellschaften solche Substanz<br />

nicht etwa mit ihrem geringen Eigenkapital, sondern ausschließlich<br />

mit dem Spargeld ihrer K<strong>un</strong>den geschaffen haben. Notwendige Abschreib<strong>un</strong>gen<br />

gingen zu Lasten der Überschüsse."<br />

Den Verbrauchern werden die nachteiligen Auswirk<strong>un</strong>gen auf die<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g verschwiegen, die durch Geldanlagen in<br />

Gr<strong>un</strong>dbesitz entstehen. In einer vom Verband der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

empfohlenen Broschüre wird Vertretern empfohlen,<br />

auf entsprechende Fragen ihrer K<strong>un</strong>den folgende Antworten<br />

zu geben: "Sagen Sie, daß die '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>paläste' eine Anlage für<br />

den K<strong>un</strong>den sind: Wer bei <strong>un</strong>s eine Kapitallebensversicher<strong>un</strong>g abschließt,<br />

kann erwarten, daß sein Geld sicher <strong>un</strong>d rentabel angelegt<br />

wird. Deswegen investieren die Lebensversicher<strong>un</strong>gsgesellschaften<br />

die ihnen anvertrauten Gelder auch in Gr<strong>un</strong>d <strong>un</strong>d Boden. Der '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>palast'<br />

ist eine Sicherheitsgarantie für Sie. Versicherteneinlagen<br />

in Gr<strong>un</strong>d <strong>un</strong>d Boden sind vor der Geldentwert<strong>un</strong>g geschützt."<br />

- Erkennen Sie die Riesenlüge ? - In Wahrheit sind die Versichertengelder<br />

- aus Sicht der Unternehmen - bei derartigen Anlagen davor<br />

147


geschützt, an die Versicherten zurückgezahlt werden zu müssen. Sie<br />

verschwinden in stilen Reserven ! -<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Was wird aus<br />

dem Immobilienbesitz, den fast alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften im Gebiete der DDR hatten <strong>un</strong>d der möglicherweise<br />

wieder an sie zurückfällt ? - Wer würde an diesen Werten<br />

wie beteiligt ?<br />

Konzerntrenn<strong>un</strong>gen:<br />

Stille Reserven – „still“ beiseite geschafft<br />

Der Fall Deutscher Herold<br />

Bei allen Wohltaten haben <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Gesellschaften mit den<br />

stillen Reserven ein Problem, nämlich in ihren <strong>un</strong>eingeschränkten<br />

Genuß zu kommen. Die Unternehmen können sich daraus - wie wir<br />

gesehen haben - Gewinne finanzieren, obwohl die Gesellschaft wegen<br />

Mißmanagements eigentlich Verluste gemacht hat. Und stille<br />

Reserven erhöhen die Kurswerte der Aktien. Aber bei jeder Veräußer<strong>un</strong>g<br />

eines Vermögensgegenstandes, der mit stillen Reserven behaftet<br />

ist, droht gierigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managern die Pflicht, die<br />

Versicherten an den Veräußer<strong>un</strong>gsgewinnen, die in den Jahresüberschuß<br />

eingehen, zu beteiligen. Und eine Südsee-Insel konnten sie<br />

auch nicht kaufen. Doch auch hier fanden skrupellose <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vorstände<br />

einen Weg, diese Verpflicht<strong>un</strong>g zu umgehen. Die<br />

Idee ist einfach: Man mußte nur die Versicherten <strong>un</strong>d das ihnen zustehende<br />

Vermögen trennen <strong>un</strong>d auch die entsprechenden Bilanzen.<br />

Ein neues Gesellschaftsspiel war entdeckt: Konzerntrenn<strong>un</strong>gen -<br />

Vermögensaussonder<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>ter dem Deckmantel einer Bestandsübertrag<strong>un</strong>g.<br />

Als erstes Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen praktizierte<br />

dies der Deutsche Herold. Eine neue Herold-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs AG wurde gegründet <strong>un</strong>d auf diese der Versicherten-Bestand<br />

übertragen, aber nicht das gesamte Vermögen. Das<br />

restliche Vermögen (einstmals Versichertengeld) verblieb also beim<br />

alten Herold, der - als Holdinggesellschaft - kein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

mehr ist <strong>un</strong>d somit nicht mehr der Staatsaufsicht <strong>un</strong>d<br />

den Anlagevorschriften <strong>un</strong>terliegt. Der Trick ist: Die Herold Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

hätte einer neu gegründeten Herold-Holding nach<br />

den Kapitalanlage-Vorschriften des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

kein Vermögen schenken dürfen. Aber es gibt in diesem Gesetz eine<br />

148


"kriminelle" Vorschrift, die das Beiseiteschaffen von Versichertengeld<br />

im Rahmen einer Bestandsübertrag<strong>un</strong>g zuläßt.<br />

Capital kommentierte diesen Vorgang im September 1988 so:<br />

"Versicherte skandalös enteignet. Um r<strong>un</strong>d 350 Millionen Mark<br />

wurden die Versicherten des Deutschen Herold bei der Umstrukturier<strong>un</strong>g<br />

der Gruppe geprellt. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht spielte mit.<br />

Beim Umbuchen wurden keineswegs die gesamten Aktiva <strong>un</strong>d Passiva<br />

übertragen, sondern nur r<strong>un</strong>d 99 Prozent der Bilanz. Ein kleiner<br />

Rest blieb stehen. Als Vermögen der neuen Holding. Dar<strong>un</strong>ter auch<br />

einige Beteilig<strong>un</strong>gen des alten lebensversicherers - ein prachtvolles<br />

Bündel, das nicht nur <strong>un</strong>ter Fre<strong>un</strong>den 350 Millionen Mark wert ist.<br />

Wären sie verkauft worden, hätten die Gewinne <strong>un</strong>ter die Versicherten<br />

verteilt werden müssen. Jetzt sind sie raus aus diesem Topf, zur<br />

freien Verfüg<strong>un</strong>g der Herold-Aktionäre, ohne daß die Versicherten<br />

für den Substanzverlust auch nur mit einem Pfennig entschädigt<br />

wurden. Professor Dr. August Angerer stört es auch nicht, daß der<br />

Entzug wichtiger Beteilig<strong>un</strong>gen nicht der erste Griff in die Tasche<br />

der Herold-Versicherten ist. 1982, 1983 <strong>un</strong>d 1984 mußten diese gebeutelten<br />

Sparer bereits über 110 Millionen Mark für eine Schieflage<br />

des Herold-Rückversicherers opfern. Das Geld wurde mit fre<strong>un</strong>dlicher<br />

Genehmig<strong>un</strong>g der deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht zu Lasten<br />

ihrer Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g gebucht. Vom Tragen der Verluste aus Beteilig<strong>un</strong>gen<br />

durch die Aktionäre war seinerzeit noch nicht die Rede.<br />

Die Herold-Aktionäre kassierten weiter Dividende, die K<strong>un</strong>den trugen<br />

die Verluste. Das Modell soll jetzt Schule machen. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufseher<br />

Angerer ebnet mit seiner merkwürdigen Auffass<strong>un</strong>g<br />

den nächsten Aktionen à la Herold den Weg. Bleibt der selbstherrliche<br />

Aufsichtschef bei seiner Mein<strong>un</strong>g, werden für die Lebensversicherten<br />

Milliardenverluste <strong>un</strong>ausweichlich."<br />

Der Referatsleiter im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt, Dr. Olaf Mudrack,<br />

schreibt im Jahre 1989 im "Finanz-Berater", daß Bestandsübertrag<strong>un</strong>gen<br />

nicht erfolgen, um Bestände zu übertragen, sondern um<br />

Vermögen auszusondern: "Wer die Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt über einen<br />

Vermögensgegenstand besitzt, hat eine Fülle von Möglichkeiten zu<br />

manipulieren, so daß kein Überschuß erzielt wird." - Wodurch die<br />

Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten an dem Überschuß entfällt. Der mutige<br />

Aufsichtsbeamte zog für sein Vorpreschen natürlich gleich das Mißfallen<br />

der Branche auf sich. So meinte die Victoria im April 1990, es<br />

sei eine "Besonderheit, daß ein in den behördlichen Aufbau einbezogener<br />

Beamter die Entscheid<strong>un</strong>g seiner eigenen Behörde öffent-<br />

149


lich literarisch angreift <strong>un</strong>d in einer Fußnote noch auf die 'ihn <strong>un</strong>terstützenden<br />

Kollegen' verweist". Dabei handelte es sich nicht um eine<br />

"Entscheid<strong>un</strong>g der Behörde", sondern um eine - wie Capital<br />

meinte - "selbstherrliche" Entscheid<strong>un</strong>g des damaligen Amtspräsidenten<br />

Angerer.<br />

Tatsächlich hätte die Herold Holding sich nach der Konzerntrenn<strong>un</strong>g<br />

mit beiseitegeschafftem Versichertengeld eine Südsee-Insel<br />

kaufen können. Aber es gab ja inzwischen neben der staatlichen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht eine "private <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht" - den<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten. Als dessen Geschäftsführer legte ich für<br />

zwei Herold-Versicherte bei der Beschlußkammer des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes<br />

Einspruch gegen die Verfüg<strong>un</strong>g des Amtspräsidenten<br />

ein, mit der dieser das Beiseiteschaffen von schätz<strong>un</strong>gsweise 350 Milionen<br />

Mark genehmigt hatte. Die Beschlußkammer besteht aus drei<br />

leitenden Beamten dieser Behörde <strong>un</strong>d zwei Mitgliedern des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beirats<br />

beim Aufsichtsamt. Dieser Beirat ist wohl einmal als<br />

Instrument gedacht ge<strong>wesen</strong> für eine Mitwirk<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

an der Staatsaufsicht. Es ist aber allenfalls ein Alibi. Tatsächlich hat<br />

der Beirat keine wirk<strong>un</strong>gsvolle F<strong>un</strong>ktion, kommt ein- bis zweimal im<br />

Jahr wegen belangloser Dinge zusammen <strong>un</strong>d wird im übrigen total<br />

von der Branche beherrscht, die zu ne<strong>un</strong> Zehntel der etwa 60 Mitglieder<br />

alle möglichen Bezieh<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>terhält. Und die Handvoll <strong>un</strong>abhängiger<br />

Verbrauchervertreter im Beirat war bisher nicht qualifiziert<br />

genug, um den Branchenvertretern paroli zu bieten.<br />

Die Beschlußkammer des Aufsichtsamtes entschied: Die Herold-<br />

Versicherten haben noch Ansprüche auf das beim alten Herold, der<br />

jetzigen Herold Holding, verbliebene Vermögen. Und das wollte der<br />

gescholtene Amtspräsident Angerer n<strong>un</strong> einfach nicht wahrhaben.<br />

Auch nach dem Spruch seiner Kammer schrieb er in einem Leserbrief<br />

an den "stern", daß die Versicherten keine Nachteile erleiden<br />

würden. Und dabei wurde er landwirtschaftlich: "Eine Kuh für die<br />

ich nichts bezahlt habe, kann ich auch nicht melken." Die Frage ist<br />

also: "Eene, meene, muh - wem gehört die Kuh?" - Dazu schrieb ich<br />

für die Mitgliederzeit<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten folgende<br />

Glosse:<br />

"Ein Herr Herold kommt auf die Idee, für eine Gemeinde einen<br />

Stall zu bauen. Dort könnte die Gemeinde dann eine Kuh einstellen.<br />

Er würde die Kuh melken <strong>un</strong>d die Milch an die Familien verteilen.<br />

Die Gemeinde muß natürlich auch das Futter herbeischaffen. Das<br />

Abkommen tritt in Kraft. Es bleibt aber ständig Milch über. Herr<br />

150


Herold verkauft diese <strong>un</strong>d hat Geld übrig, um die Kuh künstlich befruchten<br />

zu lassen - alles ganz heimlich. Ein prächtiges Kalb wird<br />

geboren. Die Milchzuteil<strong>un</strong>gen für die Familien werden zwangsläufig<br />

reduziert.<br />

Dem Gemeindedirektor ist das Ganze nicht geheuer. Er setzt<br />

dem Herold einen Aufseher August auf das Dach, der aufpassen<br />

soll, daß die Kuh nicht aus dem Stall kommt <strong>un</strong>d wirklich auch alle<br />

Milch an die Familien geht. Das stört Herold natürlich; denn das<br />

Kalb ist inzwischen - dank der Milch der alten Kuh <strong>un</strong>d dem von<br />

der Gemeinde herbeigeschafften Futter - zu einer prächtigen Kuh<br />

herangewachsen, von der niemand etwas weiß - eine stille Reserve<br />

für Herold.<br />

Wie aber soll Herold jetzt die Milch der zweiten Kuh oder diese<br />

selbst aus dem Stall herausbringen, solange der August auf dem<br />

Dach sitzt? Schließlich hat Herold eine Idee. Er ruft August vom<br />

Dach r<strong>un</strong>ter <strong>un</strong>d schlägt ihm vor, einen neuen Stall zu bauen, in den<br />

man die Gemeindekuh schaffen würde. Und August würde auf dem<br />

Dach des neuen Stalles einen bequemen Aufsichtsplatz bekommen.<br />

August ist begeistert. Der neue Stall wird gebaut, die alte Kuh in den<br />

neuen Stall geführt. Und alles geht weiter wie bisher.<br />

Da entdeckt plötzlich eine Familie Meyer die im alten Stall versteckte<br />

zweite Kuh, mit der Herold inzwischen einen schw<strong>un</strong>ghaften<br />

Milchhandel betreibt. Herr Meyer läuft zum Aufseher August. Und<br />

jetzt geht der große Streit los. Meyer meint, auch die zweite Kuh gehört<br />

der Gemeinde. August meint dagegen: "Eine Kuh für die ich<br />

nichts bezahlt habe, kann ich auch nicht melken. Dafür brauche ich<br />

mir auch keine Sorgen zu machen, wenn sie keine Milch gibt." (So<br />

August Angerer im "stern")<br />

Meyer läuft zum Verwalt<strong>un</strong>gsrichter <strong>un</strong>d beklagt sich darüber,<br />

daß der August nicht richtig aufgepaßt hat. Doch auch hier kein Erfolg:<br />

"August braucht gar nicht dafür zu sorgen, daß die Gemeinde<br />

die Milch bekommt, die ihr zusteht. Das ist nicht seine Aufgabe. Das<br />

ist doch alles privatrechtlich geregelt <strong>un</strong>d Sache des Zivilrichters."<br />

(So das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht)<br />

Meyer läuft zum Zivilrichter. Der macht es sich einfach <strong>un</strong>d<br />

schließt sich dem Urteil des Oberrichters an: "Der August sorgt dafür,<br />

daß alles seine Ordn<strong>un</strong>g hat. Da kann ein Richter nicht dazwischen<br />

reden. Wenn der August nicht richtig aufpaßt, dann hat die<br />

Gemeinde eben Pech gehabt. Sie hätte ja den Vertrag mit dem Herold<br />

nicht abzuschließen brauchen." (So das Landgericht Hamburg)<br />

151


Meyer legt Beruf<strong>un</strong>g ein. Dem Oberrichter ist das alles zu kompliziert<br />

<strong>un</strong>d er bestätigt lustlos das Urteil des ersten Richters: "Es ist<br />

zwar richtig, daß die überschüssige Milch der Gemeinde gehört, aber<br />

der Gesetzgeber habe das so nicht geregelt, sondern sich dafür entschieden,<br />

daß der August auf dem Dach sitzen <strong>un</strong>d aufpassen soll,<br />

daß alles seine Ordn<strong>un</strong>g hat." - Dabei beruft sich der Oberrichter<br />

auf eine alte Entscheid<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desrichters, der schon einmal<br />

entschieden hat: "Die Gemeinde hat nur Anspruch auf die Milch der<br />

alten Kuh. Wenn Herold den Familien etwas von der Milch der<br />

zweiten Kuh abgibt, dann ist das seine <strong>un</strong>ternehmerische Entscheid<strong>un</strong>g.<br />

Dafür soll doch der August sorgen." (So der B<strong>un</strong>desgerichtshof)<br />

Schließlich geht Meyer zum Polizeidirektor Kammer. Der hat<br />

von oberster Stelle die Anweis<strong>un</strong>g erhalten, diesen Fall salomonisch<br />

zu entscheiden: "Meyer hat recht. Die zweite Kuh gehört der Gemeinde.<br />

Wir können Herold aber nicht zwingen, die Kuh aus dem<br />

Stall zu holen." (So die Beschlußkammer des Aufsichtsamtes in Abstimm<strong>un</strong>g<br />

mit dem Finanzministerium) - Fazit: Der Gemeinde gehört<br />

etwas. Sie kommt aber nicht in dessen Besitz.<br />

Ein solch <strong>un</strong>geregelter Sau... - pardon - Kuhstall ist <strong>un</strong>ser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

! - Und dabei handelt es sich um mehr als 800 Milliarden<br />

Mark, die auf die Versicherten - auf alte <strong>un</strong>d neue Ställe - zu<br />

verteilen sind nach Angerers Motto: Eeene, meene, muh - wem gehört<br />

die Kuh?"<br />

Zurück zum Einspruch des B<strong>un</strong>des der Versicherten in Sachen<br />

Deutscher Herold: Die Beschlußkammer verpaßte ihrem Präsidenten<br />

eine Abfuhr <strong>un</strong>d verlangte vom Herold eine Nachbesser<strong>un</strong>g zug<strong>un</strong>sten<br />

der Versicherten. Die Herold-Holding, die eigentlich nichts<br />

mehr mit den abgeschobenen Lebensversicherten zu t<strong>un</strong> hatte, mußte<br />

sich verpflichten, diese auch noch an Veräußer<strong>un</strong>gsgewinnen zu<br />

beteiligen, die nach der Konzerntrenn<strong>un</strong>g bei der Holding anfallen. -<br />

Eine kleine Sensation, die Wirtschaftswoche-Herausgeber Professor<br />

Dr. Wolfram Engels im März 1989 wie folgt kommentierte: "Das<br />

eigentlich Aufregendste an dem Fall liegt darin, daß dem B<strong>un</strong>d der<br />

Versicherten <strong>un</strong>d seinem streitbaren Geschäftsführer Hans Dieter<br />

Meyer damit erstmals ein Einbruch in das feste Bollwerk des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

gel<strong>un</strong>gen ist. Die Branche, das Aufsichtsamt <strong>un</strong>d<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler bilden eine geschlossene Gesellschaft,<br />

die Außenstehenden nur schwer einen Einblick ermöglicht.<br />

Dieser Kartellfrieden hat wohl die längste Zeit gedauert. Versicher-<br />

152


tenschützer Hans Dieter Meyer hat in seinem Kampf um Reformen<br />

auf dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sektor Verbündete gewonnen."<br />

Die Beschlußkammer des Aufsichtsamtes hat das hier kritisierte<br />

Dilemma der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g von Lebensversicherten voll<br />

bestätigt: Die Höhe der Beteilig<strong>un</strong>g von Lebensversicherten am Jahresüberschuß<br />

der Gesellschaft ist "nicht festgelegt". Der Anspruch<br />

auf Beteilig<strong>un</strong>g am Überschuß ist lediglich "ein der Höhe nach <strong>un</strong>bestimmtes<br />

Leist<strong>un</strong>gsversprechen". An stillen Reserven partizipiert<br />

ein Lebensversicherter nur, wenn die entsprechenden Werte veräußert<br />

<strong>un</strong>d stille Reserven realisiert werden. Ob dies ge-schieht, steht<br />

allein im "pflichtgemäßen Ermessen des Vorstandes des Unternehmens".<br />

Dieser kann durch Nichtveräußer<strong>un</strong>g der mit stillen Reserven<br />

behafteten Vermögenswerte "jede Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der<br />

Lebensversicherten an den stillen Reserven verhindern". Die Verpflicht<strong>un</strong>gserklär<strong>un</strong>g<br />

der Deutschen Herold Gesellschaften, die Lebensversicherten<br />

an künftigen Veräußer<strong>un</strong>gsgewinnen zu beteiligen,<br />

"wird gegenstandslos", wenn ihre <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge, die bei der<br />

Bestandsübertrag<strong>un</strong>g bestanden, "auslaufen". "Die Anteile der ausgeschiedenen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer fließen der Deutscher Herold<br />

Aktiengesellschaft zu."<br />

Damit war der Sieg des B<strong>un</strong>des der Versicherten gegen den<br />

Deutschen Herold nur ein Etappen- <strong>un</strong>d kein Endsieg. Schon in der<br />

Beschlußkammersitz<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d später in Presseverlautbar<strong>un</strong>gen verkündete<br />

nämlich der Herold-Vorstand, man werde die ausgesonderten<br />

Vermögenswerte nicht verkaufen. So brauchen die Holding-<br />

Aktionäre nur das Auslaufen des letzten Vertrages der Versicherten<br />

abzuwarten, <strong>un</strong>d alle Vermögenswerte stehen ihnen dann zur freien<br />

Verfüg<strong>un</strong>g. Deshalb läuft auch gegen die nachgebesserte Genehmig<strong>un</strong>g<br />

der Herold-Konzerntrenn<strong>un</strong>g eine vom B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

betriebene Klage beim B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht.<br />

Für den Abteil<strong>un</strong>gspräsident im Aufsichtsamt, Gottfried Claus,<br />

war der Fall Deutscher Herold wenigstens schon ein "auslösendes<br />

Moment für Überleg<strong>un</strong>gen", die "Mängel der nicht konkreten, <strong>un</strong>ausgewogenen<br />

<strong>un</strong>d deshalb <strong>un</strong>befriedigenden Regel<strong>un</strong>g" der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

im Bereich der Lebensversicher<strong>un</strong>g zu beseitigen.<br />

Und er fordert neue Regel<strong>un</strong>gen für die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g in der<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g.<br />

Doch der gerügte Amtspräsident August Angerer gab immer<br />

noch nicht auf. Er hatte auch auf den Capital-Artikel <strong>un</strong>d den Vorwurf<br />

der skandalösen Enteign<strong>un</strong>g der Herold-Versicherten mit ei-<br />

153


nem Leserbrief reagiert: "Die Versicherten der Deutschen Herold-<br />

Leben wurden weder 'enteignet' noch 'geprellt'. Sie haben auch keine<br />

Verluste erlitten. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen dürfen Beteilig<strong>un</strong>gen<br />

nicht mit den Sparbeiträgen der Versicherten finanzieren. Sie müssen<br />

dafür Eigenkapital zur Verfüg<strong>un</strong>g stellen. Das Schicksal der Beteilig<strong>un</strong>gen<br />

geht daher allein die Aktionäre an. Sie haben die Wertminder<strong>un</strong>gen<br />

zu tragen <strong>un</strong>d ihnen kommen auch Wertsteiger<strong>un</strong>gen<br />

zugute. Wenn daher Beteilig<strong>un</strong>gen bei der Deutschen Herold-AG<br />

verbleiben <strong>un</strong>d nicht auf die neue Deutsche Herold-Leben übertragen<br />

werden, so erleiden die Versicherten dadurch keinerlei Nachteile.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen müssen Eigenkapital besitzen. Dieses<br />

kann von den Aktionären eingezahlt oder durch nichtausgeschüttete<br />

Gewinne aufgestockt werden. Ein Anrecht auf Gewinn haben alle<br />

Aktionäre, auch solche von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen. Die aus den<br />

vorsichtig kalkulierten Beiträgen entstehenden Überschüsse kommen<br />

den Versicherten zu. Dies wird durch den Geschäftsplan <strong>un</strong>d<br />

eine gesetzliche Regel<strong>un</strong>g sichergestellt. Was darüber hinaus erwirtschaftet<br />

wird, könnten die Aktionäre für sich als Gewinn in Anspruch<br />

nehmen. Dieser Gewinn steht zur freien Verfüg<strong>un</strong>g des Vorstandes<br />

<strong>un</strong>d der Aktionäre. Er kann auch zur Stärk<strong>un</strong>g des Eigenkapitals<br />

verwendet werden. Die Rechte der Versicherten werden hiervon<br />

nicht berührt."<br />

Daraufhin schrieb ich Ende 1988 in der Mitgliederzeit<strong>un</strong>g des<br />

B<strong>un</strong>des der Versicherten folgende persönliche Stell<strong>un</strong>gnahme:<br />

"Dumme Sprüche <strong>un</strong>d Lügen aus dem Aufsichtsamt - Vorweg, Herr<br />

Angerer: Eine Tatsache können Sie nicht bestreiten: Hätte der Deutsche<br />

Herold vor seiner Umgestalt<strong>un</strong>g die fraglichen Vermögenswerte<br />

verkauft, wären die Veräußer<strong>un</strong>gsgewinne über den Jahresabschluß<br />

auch der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Versicherten zugute<br />

gekommen. Dieses zu umgehen, war der ganz offensichtliche Zweck<br />

der vom Deutschen Herold <strong>un</strong>d Ihnen gemeinsam durchgeführten<br />

Aktion.<br />

Wenn Sie öffentlich verkünden, 'die aus den vorsichtig kalkulierten<br />

Beiträgen entstehenden Überschüsse kommen den Versicherten<br />

zu' <strong>un</strong>d dies sei 'durch den Geschäftsplan <strong>un</strong>d eine gesetzliche Regel<strong>un</strong>g<br />

sichergestellt', dann lügen Sie, weil Sie am besten wissen, daß<br />

weder Geschäftspläne noch gesetzliche Regel<strong>un</strong>gen dieses sicherstellen,<br />

<strong>un</strong>d daß die Gesellschaften ihre <strong>un</strong>ternehmerischen Verluste -<br />

wie es selbst in einem B<strong>un</strong>destagspapier heißt - 'voll zu Lasten der<br />

Versicherten' mit den Überschüssen aus Versichertengeld ausglei-<br />

154


chen, sich dann sogar noch Gewinne daraus genehmigen <strong>un</strong>d danach<br />

erst den Rest der Überschüsse den Versicherten zugutekommen<br />

lassen.<br />

Sie haben recht, wenn Sie schreiben, daß alle Aktionäre ein Anrecht<br />

auf Gewinn haben, auch solche von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

Sie scheinen nur nicht zu wissen, was 'Gewinn' ist. Gewinne<br />

müssen über Preise bzw. den Umsatz erwirtschaftet werden. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien<br />

sind aber keine Preise <strong>un</strong>d die Prämieneinnahmen<br />

sind kein Umsatz der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen (sonst müßten<br />

auch Einzahl<strong>un</strong>gen auf Giro- <strong>un</strong>d Sparkonten Preise für die Bank-<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen sein). <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Gesellschaften verwalten zum<br />

größten Teil Gelder, die ihnen die Versicherten zur Verteil<strong>un</strong>g an die<br />

Geschädigten oder zum Sparen anvertraut haben.<br />

Wenn Sie n<strong>un</strong> meinen, es sei ein gewöhnlicher Gewinnerziel<strong>un</strong>gsvorgang,<br />

wenn Unternehmensvorstände am Jahresende durch<br />

Beschluß Teile der ihnen anvertrauten Gelder <strong>un</strong>d deren Erträge<br />

zum 'Gewinn' erklären, dann haben Sie nicht begriffen, daß genau<br />

hier die 'Gefahr schwerster Schädig<strong>un</strong>g des Volkswohls liegt, die von<br />

einem Mißbrauch des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s droht' (so die Begründ<strong>un</strong>g<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz). Gerade wegen der<br />

Vermeng<strong>un</strong>g von Versicherten- <strong>un</strong>d Unternehmensgeldern <strong>un</strong>d der<br />

dadurch gegebenen Möglichkeiten des heimlichen Mißbrauchs von<br />

Treuhandgeld wurden strenge Kapitalanlagevorschriften <strong>un</strong>d eine<br />

staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht geschaffen, deren Aufgabe es sein<br />

sollte, einen Mißbrauch der nach außen nicht mehr erkennbaren<br />

Versichertengelder zu verhindern.<br />

Sie haben recht, wenn Sie schreiben, daß das Schicksal der aus<br />

Eigenkapital finanzierten Beteilig<strong>un</strong>gen allein die Aktionäre angehe.<br />

Wenn Sie aber meinen, daß Aktionäre von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

'Eigenkapital für die Finanzier<strong>un</strong>g von Beteilig<strong>un</strong>gen zur Verfüg<strong>un</strong>g'<br />

stellen, dann scheinen Sie sich noch nicht klargemacht zu<br />

haben, wie 'Eigenkapital' von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen entsteht:<br />

Ihr Amt verhindert nicht die teilweise völlig überhöhten Prämien.<br />

Sie setzen auch keine Rückerstatt<strong>un</strong>gen der zwangsläufig riesigen<br />

Überschüsse durch. Dadurch können Unternehmensvorstände aus<br />

überschüssigem Versichertengeld übermäßige Rückstell<strong>un</strong>gen aufbauen<br />

<strong>un</strong>d daraus gewaltige Erträge erzielen, dann Teile davon in<br />

Rücklage <strong>un</strong>d schließlich in Eigen- oder Gr<strong>un</strong>dkapital umwandeln.<br />

Sie lassen das zu, weil Sie offenbar nicht wissen, daß Eigenkapital<br />

nur aus eigenem Geld gebildet werden kann.<br />

155


Sie müßten eigentlich wissen, das das Gr<strong>un</strong>dgesetz das Eigentum<br />

schützt - <strong>un</strong>d zwar Eigentum im weiteren Sinne, zu dem auch vermögensrechtliche<br />

Ansprüche gehören. Da dieser Schutz im Bereich<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s wegen <strong>un</strong>zureichender gesetzlicher Regel<strong>un</strong>gen<br />

nicht gewährleistet ist, wurde der Schutz der Versichertenvermögen<br />

Ihnen übertragen. In Ihrem Unverstand haben Sie sich<br />

aber vom Gärtner zum Bock machen lassen: Sie helfen fleißig mit,<br />

daß die Versicherten ständig enteignet werden <strong>un</strong>d t<strong>un</strong> alles, um<br />

rechtswidrigen Vorgängen den Anschein von Legalität zu geben." -<br />

August Angerer hat diese massiven Vorwürfe ohne Gegenreaktion<br />

hingenommen. Er ist Ende 1989 aus seinem Amt ausgeschieden.<br />

Natürlich hat der Versuch des Deutschen Herold, Versichertengeld<br />

beiseitezuschaffen, Nachahmer gef<strong>un</strong>den, zum Beispiel in der<br />

Volksfürsorge, Victoria <strong>un</strong>d Nürnberger. Aber auch hier hat der<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten gegen die entsprechenden Konzerntrenn<strong>un</strong>gs-Genehmig<strong>un</strong>gen<br />

Widersprüche bei der Beschlußkammer des<br />

Aufsichtsamtes eingelegt, über die nach der Entscheid<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts<br />

in Sachen Deutscher Herold verhandelt <strong>un</strong>d<br />

entschieden werden soll - voraussichtlich im Jahre 1991.<br />

Der Fall Raiffeisen <strong>un</strong>d Volksbanken Lebensversicher<strong>un</strong>g aG<br />

Ähnlich, aber nicht gleich gelagert ist der Fall einer Konzernumbild<strong>un</strong>g<br />

bei der Raiffeisen <strong>un</strong>d Volksbanken Lebensversicher<strong>un</strong>g aG.<br />

Dabei hat das kleine "a" in der Firmenbezeichn<strong>un</strong>g große Bedeut<strong>un</strong>g.<br />

Hier handelt es sich nämlich nicht um eine AG, sondern um<br />

einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verein auf Gegenseitigkeit (aG), der in eine Aktiengesellschaft<br />

(AG) umgewandelt wurde. Aktionäre der neuen AG<br />

sind die Deutsche Genossenschaftsbank <strong>un</strong>d die genossenschaftlichen<br />

Zentralbanken. Da ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verein den Versicherten<br />

als Mitgliedern gehört, müssen die Aktionäre natürlich eine Abfind<strong>un</strong>g<br />

an die Eigentümer zahlen. Die R+V-Lebensversicherten haben<br />

also einen Anspruch auf das gesamte Vermögen des R+V-<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereins - einmal als Lebensversicherte über die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d einmal als Eigentümer über ihre Mitgliedschaftsrechte.<br />

Branchenkenner schätzen das Vermögen auf Werte<br />

zwischen zwei <strong>un</strong>d vier Milliarden Mark.<br />

Alles deutet darauf hin, daß sich der Vorstand des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereins,<br />

natürlich auch Vorstand der neuen Aktiengesellschaft,<br />

<strong>un</strong>d die Vorstände der Genossenschaftsbanken als neue Aktionäre<br />

156


einen miesen Trick ausgedacht haben, um die R+V-Versicherten mit<br />

einem Butterbrot als Abfind<strong>un</strong>g abzuspeisen. Sie ließen sich - wie im<br />

oben dargestellten Deutschen Ring-Skandal - von der Deutschen<br />

Treuhand ein Wertgutachten nach dem sogenannten Ertragswertverfahren<br />

erstellen, das auf einen Wert des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereins von<br />

etwa 218 Millionen Mark kam. Substanzwerte, die mit erheblichen<br />

stillen Reserven behaftet sind, wurden nicht berücksichtigt mit der<br />

Begründ<strong>un</strong>g: Wenn diese Vermögenswerte veräußert würden, bringen<br />

sie dem Unternehmen keinen Ertrag, weil die Veräußer<strong>un</strong>gsgewinne<br />

ja den Versicherten über die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g zufließen<br />

würden, die für vierzehn Jahre mit etwa 98 Prozent an allen Erträgen<br />

garantiert wurde.<br />

Natürlich muß man hier gleich fragen: Und was, wenn die Vermögenswerte<br />

in den nächsten vierzehn Jahren nicht veräußert würden<br />

? - Dann wäre nämlich der objektive Tatbestand des Betruges<br />

<strong>un</strong>d der Untreue durch die beteiligten Vorstände <strong>un</strong>d der Beihilfe<br />

durch das Wirtschaftsprüf<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmens <strong>un</strong>d den ehemaligen<br />

Aufsichtsamtspräsidenten erfüllt, der <strong>un</strong>ter diesen Umständen die<br />

Genehmig<strong>un</strong>g für Betrug <strong>un</strong>d Untreue erteilt hätte. Keiner kann so<br />

naiv sein zu glauben, daß die neue R+V-Aktiengesellschaft alle übernommenen<br />

Vermögenswerte (einschließlich Verwalt<strong>un</strong>gsgebäuden)<br />

verkauft hätte, um den ehemaligen Vereinsmitgliedern die bei<br />

der Abfind<strong>un</strong>g vorenthaltenen Werte über eine Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

in der Lebensversicher<strong>un</strong>g zukommen zu lassen. Vermutlich<br />

wären kaum Werte veräußert worden, <strong>un</strong>d die neuen Aktionäre hätten<br />

sich nach Ablauf der vierzehn Jahre über einen kostenlosen Zuwachs<br />

eines Milliardenvermögens freuen können.<br />

Aber die Beschlußkammer des Aufsichtsamtes hat - im Gegensatz<br />

zu seinem ehemaligen Präsidenten - das Wertgutachten nicht<br />

anerkannt <strong>un</strong>d der R+V aufgegeben, bis zum Februar 1991 ein neues<br />

Gutachten von einem anderen Wirtschaftsprüfer vorzulegen, welches<br />

die Substanzwerte des R+V-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereins berücksichtigen<br />

muß.<br />

Unserem Ministerialbeamten Kaulbach in Bonn fällt zur Problematik<br />

der stillen Reserven nicht anderes ein als nachstehende Verlautbar<strong>un</strong>g<br />

vom Dezember 1989: "Es ist richtig, daß nach deutschem<br />

Bilanzrecht stille Reserven nur ausgeschüttet werden dürfen,<br />

wenn sie realisiert worden sind. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer stehen<br />

sich hierbei nicht anders als sonstige Personen, denen eine Beteilig<strong>un</strong>g<br />

an dem Gewinn des Unternehmens zugesagt worden ist, also<br />

157


zum Beispiel Aktionäre. Es läßt sich schon jetzt sagen, daß der geltende<br />

Gr<strong>un</strong>dsatz, daß stille Reserven nur nach ihrer Realisier<strong>un</strong>g als<br />

Gewinn ausgeschüttet werden dürfen, wohl kaum geändert werden<br />

wird, weil es sich um einen allgemeinen Gr<strong>un</strong>dsatz des deutschen<br />

Bilanzrechts handelt." - Wieder eine durch <strong>un</strong>d durch törichte Äussage<br />

des Herrn Kaulbach: Versicherte stehen sich sehr wohl anders<br />

als Aktionäre, die an den stillen Reserven eines Unternehmens teilhaben.<br />

Denn die stillen Reserven schlagen sich in den Kurswerten<br />

ihrer Aktien nieder. Und im Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften<br />

wird sehr wohl vom "Gr<strong>un</strong>dsatz des deutschen Bilanzrechts"<br />

abgewichen durch die Regel<strong>un</strong>g, daß K<strong>un</strong>dengelder als Sondervermögen<br />

zu verbuchen sind <strong>un</strong>d bei Abrechn<strong>un</strong>gen gegenüber<br />

den K<strong>un</strong>den die Tageskurswerte der Wertpapiere <strong>un</strong>d die jährlich<br />

geschätzten Verkehrswerte von Gr<strong>un</strong>dstücken angesetzt werden<br />

müssen.<br />

Jahresüberschuss –<br />

Versichertengeld am Ende seines Leidensweges<br />

Der Leidensweg des Versichertengeldes nähert sich seinem Ende. Er<br />

begann mit einem Irrtum. Geld, das die Versicherten für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

bereitstellen oder ansparen wollen, wird als Preis<br />

vereinnahmt <strong>un</strong>d als Umsatz verbucht. Eine folgenschwere Verwechsl<strong>un</strong>g<br />

- <strong>un</strong>gefähr so, als wenn ein Notar die Geldsumme, die<br />

ihm ein Mandant zur Erfüll<strong>un</strong>g eines Kaufvertrages zahlt, z<strong>un</strong>ächst<br />

einmal als Honorar vereinnahmt. Als Treuhandgeld müßte er es auf<br />

das Notar-Anderkonto überweisen, aber als Honorar kann er damit<br />

machen, was er will - wie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen es mit dem<br />

Versichertengeld treiben. Derartiges ist natürlich nur möglich, wenn<br />

- nach außen - nicht klar definiert ist, wofür das gezahlte Geld bestimmt<br />

ist - wie bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien. Dabei kalkulieren die<br />

Gesellschaften intern durchaus mit klar definierten Werten. Aber<br />

sind die Prämien dann erst einmal im Sack, dann werden alle Kalkulationen<br />

über den Haufen geschmissen <strong>un</strong>d Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d <strong>un</strong>ternehmerische Verluste voll zu Lasten der Versicherten mit<br />

den Überschüssen saldiert.<br />

In allen anderen Wirtschaftszweigen mindert so etwas den Unternehmensgewinn.<br />

Nicht so bei Lebensversicher<strong>un</strong>gsgesellschaften.<br />

Dort müssen die Überschüsse aus anvertrauten Versichertengeldern<br />

herhalten - ein paar Prozente für Kostenverschwend<strong>un</strong>gen, ein paar<br />

158


Prozente für agressive Drückertruppen, ein paar Prozente für die<br />

übertriebene Rückversicher<strong>un</strong>g, ein paar Prozente für viel zu hohe<br />

Schadenreserven, ein paar Prozente zur Subvention der verlustbringenden<br />

Industrieversicher<strong>un</strong>gen, ein paar Prozente für <strong>un</strong>ternehmerische<br />

Dummheit, ein paar Prozente verschwinden im Konzern oder<br />

über die Rückversicher<strong>un</strong>g, in stillen Reserven oder im Eigenkapital,<br />

<strong>un</strong>d ein paar Prozente läßt man in irgendwelchen Rückstell<strong>un</strong>gen<br />

schmoren. Und nach all diesen Glanzleist<strong>un</strong>gen der skrupel- <strong>un</strong>d<br />

verantwort<strong>un</strong>gslosen Manager gibt es noch ein paar Prozente für<br />

höhere Vorstandsbezüge <strong>un</strong>d als Dividende für die Aktionäre. Ach<br />

ja - ein paar Prozente noch für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen. Der Eifer<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager, das Versichertengeld zu verbraten <strong>un</strong>d<br />

zu verteilen, wird weder durch Wettbewerb noch Preisangaben in<br />

Schranken gehalten, sondern allenfalls durch den zaghaften Hinweis<br />

des Aufsichtsamtes gebremst: "Ihr solltet aber noch etwas für die<br />

Versicherten übrig lassen - für die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g." - Im<br />

Gr<strong>un</strong>de können wir alle froh sein: Das Aufsichtsamt kümmert sich<br />

zwar nicht um die völlig überhöhten Prämien, aber es achtet peinlich<br />

genau darauf, daß am Ende wenigstens etwas Versichertengeld<br />

übrigbleibt - der Jahresüberschuß.<br />

Trotz mannigfacher Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g –<br />

im Jahresüberschuss erscheint ein Rest vom Versichertengeld<br />

Das Endergebnis einer jeden Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g ist der<br />

Jahresüberschuß, über dessen Verwend<strong>un</strong>g bei einer Aktiengesellschaft<br />

der Vorstand entscheidet <strong>un</strong>d die Aktionärsversamml<strong>un</strong>g entsprechend<br />

beschließt. Vorher werden aber noch einige Proberechn<strong>un</strong>gen<br />

durchgeführt. Hierzu noch einmal <strong>un</strong>ser Bilanzexperte<br />

Upphoff: "Das sind 100 bis 150 Seiten randvoll mit Zahlen <strong>un</strong>d Formeln;<br />

da hat bei <strong>un</strong>s ein Team von vier Leuten zwei Monate dran<br />

geackert. Wir drehen <strong>un</strong>d wenden das so lange, bis es dem Vorstand<br />

genehm ist. Letztes Jahr haben wir die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g<br />

gemacht, kriegten wir 'nen Überschuß raus. Hat der Finanzvorstand<br />

'nen Tobsuchtsanfall gekriegt. Wollte er eben nicht haben.<br />

Hätten ja 90 Prozent in die Rückstell<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

gehen müssen. Haben wir also die Ochsentour noch mal<br />

gemacht. Und siehe da, mit denselben Schlüsseln sind wir auf einen<br />

Verlust gekommen. Mathematisch war beides richtig, aber erwünscht<br />

war eben nur das eine Ergebnis. Wir nutzen nur die Spiel-<br />

159


äume." - Und dann das Bekenntnis des Bilanz-Friseurs: "Da wird<br />

vorwärts <strong>un</strong>d rückwärts gerechnet, vor allem natürlich rückwärts,<br />

vom Ergebnis nach vorn !" - Also sind die Geschäftsergebnisse von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften - weitaus mehr als bei anderen Unternehmen<br />

- nicht nur ein einfaches Rechenergebnis, sondern schlichte<br />

Manipulation.<br />

Schon bei den Proberechn<strong>un</strong>gen während des Geschäftsjahres<br />

wird laufend geprüft, ob <strong>un</strong>d wo man noch Kosten machen oder<br />

wohin man sie verschieben soll, ob <strong>un</strong>d wie man Versichertengeld<br />

wo verschwinden lassen kann, oder ob <strong>un</strong>d wie man Versichertengeld<br />

aus stillen Reserven wieder hervorzaubern kann, um Verluste<br />

auszugleichen oder Gewinne zu finanzieren. Und vor allem: ob <strong>un</strong>d<br />

wohin man Überschüsse aus bestimmten Sparten verschieben soll.<br />

Am Jahresende wird dann noch einmal geprüft, ob <strong>un</strong>d inwieweit<br />

die Position Aufwend<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle durch Schadenreserven<br />

frisiert werden muß. Und dann geht das große Verteilen<br />

los. So viel wie möglich an die Aktionäre. Da wird überschüssiges<br />

Versichertengeld in Rücklagen eingestellt, die später - per<br />

Vorstandsbeschluß - zur Aufstock<strong>un</strong>g des Eigenkapitals verwendet<br />

werden. Man nennt das "Selbstfinanzier<strong>un</strong>g des Eigenkapitals aus<br />

Gesellschaftsmitteln". So schrieb das Handelsblattt im Jahre 1982:<br />

"Die Hauptversamml<strong>un</strong>g der Nürnberger Leben beschloß eine Kapitalerhöh<strong>un</strong>g<br />

aus Gesellschaftsmitteln um zwei auf acht Millionen<br />

Mark. Damit wurde seit 1961 das Kapital ohne Zuzahl<strong>un</strong>g der Aktionäre<br />

verachtfacht." - Ein tolles Geschäft für die Aktionäre, die<br />

Gratisaktien erhielten. Das Handelsblatt meldete aber im Jahre 1983<br />

auch Bedenken an: "Die Eigenkapitalbild<strong>un</strong>g erfolgt bei den Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

in der Regel aus dem Überschuß des<br />

Geschäftsjahres. Dieser ist jedoch <strong>un</strong>trennbar mit den Erträgen aus<br />

der Anlage der Spargelder verb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d soll deshalb nach den<br />

Vorstell<strong>un</strong>gen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht zu möglichst großen Teilen<br />

an die Versicherten ausgeschüttet werden." - Tatsächlich widerspricht<br />

die Umwandl<strong>un</strong>g von Versichertengeld in Rücklagen, Gesellschaftsmittel<br />

<strong>un</strong>d Eigenkapital der Auffass<strong>un</strong>g all derer, die meinen,<br />

daß die Überschüsse aus den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien möglichst <strong>un</strong>geschmälert<br />

den Versicherten zugute kommen müßten.<br />

Ein Teil des Jahresüberschusses wird als Dividende an die Aktionäre<br />

gezahlt. Dabei sind die Dividenden - obwohl an der politischen<br />

Schallmauer von zwanzig Prozent - nicht das Einträglichste für die<br />

Aktionäre. Sie hören sich gewaltig an, sind aber im Gr<strong>un</strong>de Klecker-<br />

160


eträge, weil sie nur auf den Nennwert der Aktie berechnet werden.<br />

Eine Aktie im Nennwert von - üblicherweise - fünfzig Mark bringt<br />

also eine Dividende von zehn Mark. Der Kaufpreis für diese Aktie,<br />

ihr Kurswert, kann aber bei mehreren h<strong>un</strong>dert oder tausend Mark<br />

liegen. Im Verhältnis dazu bedeuten Dividenden von zwanzig Prozent<br />

oft weniger als ein Prozent Rendite.<br />

Die Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten am Jahresüberschuss<br />

Und die Versicherten ? - Die gucken in die Röhre - außer im Bereich<br />

der Lebens-, Kfz-Haftpflicht- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>g. Dort ist<br />

nämlich eine Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten am Überschuß des jeweiligen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweiges oder - wie bei Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen - am Jahresüberschuß der Gesellschaft vorgesehen.<br />

Bis vor kurzem vertrat die Branche hierzu die Mein<strong>un</strong>g, die<br />

ein Branchenf<strong>un</strong>ktionär im Jahre 1985 im Handelsblatt äußerte: "Im<br />

übrigen steht es in dem Belieben der einzelnen Versicherer, über die<br />

Verwend<strong>un</strong>g der Überschüsse zu entscheiden. Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

kann hier keine Befehle erteilen." - In dieser Mein<strong>un</strong>g werden<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager sogar heute noch bestärkt durch falsche<br />

Gesetze <strong>un</strong>d falsche Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gs-Verordn<strong>un</strong>gen, durch<br />

das Versagen der staatlichen Aufsicht <strong>un</strong>d höchstrichterliche Fehlurteile.<br />

Am 3. März 1983 hatte das Landgericht Hamburg den von mir<br />

gegen die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g erhobenen Vorwurf des "legalen<br />

Betruges" als Mein<strong>un</strong>gsäußer<strong>un</strong>g zugelassen. Fünf Tage später<br />

bestätigte der B<strong>un</strong>desgerichtshof, daß der Vertrag über eine Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g tatsächlich so gestaltet ist, daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

im <strong>un</strong>günstigsten Fall nur die fest vereinbarte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

- also in etwa seine eingezahlten Beiträge - zurückerhält,<br />

aber keinen konkreten Anspruch auf Beteilig<strong>un</strong>g am Jahresüberschuß<br />

der Gesellschaft besitzt. Was mit den Zinsen aus der Anlage<br />

des Versichertengeldes <strong>un</strong>d den Beitragsüberschüssen geschehe,<br />

ob diese für Kosten verbraucht, innerhalb eines Konzerns verschoben,<br />

als Unternehmensgewinne vereinnahmt, den Aktionären als<br />

Dividende ausgezahlt oder aber den Versicherten als Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

gutgebracht würden, sei eine "<strong>un</strong>ternehmerische Entscheid<strong>un</strong>g"<br />

des Unternehmensvorstandes.<br />

Auf diese Entscheid<strong>un</strong>g berufen sich n<strong>un</strong>mehr - Hand in Hand -<br />

die Branche ("Das Aufsichtsamt kann hier keine Befehle erteilen"),<br />

161


hilflose Aufsichtsbeamte <strong>un</strong>d mutlose Richter. So bestätigt die<br />

Beschlußkammer des Aufsichtsamtes in Sachen Deutscher Herold:<br />

Die Höhe der Beteilig<strong>un</strong>g von Lebensversicherten am Jahresüberschuß<br />

der Gesellschaft sei "nicht festgelegt". Der Anspruch auf Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

sei lediglich "ein der Höhe nach <strong>un</strong>bestimmtes<br />

Leist<strong>un</strong>gsversprechen". Und das Oberlandesgericht Hamburg entschied<br />

im Jahre 1990: "Richtig ist, daß die Überschüsse nicht dem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern den Versicherten zustehen. Es<br />

gibt jedoch keine direkte Verknüpf<strong>un</strong>g zwischen den einzelnen Verträgen<br />

<strong>un</strong>d ihren Anteilen am Überschuß."<br />

Das Aufsichtsamt ist darüber hinaus der - irrigen - Mein<strong>un</strong>g, daß<br />

sich die Berechtig<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften, den Jahresüberschuß<br />

als Gewinn zu verwenden, aus § 58 des Aktien-Gesetzes<br />

ergebe. Und der Beamte Kaulbach aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

schreibt im Dezember 1989, daß es "nach deutschem Bilanzrecht"<br />

völlig in Ordn<strong>un</strong>g sei, wenn Lebensversicherte an den Erträgen<br />

aus ihrem Geld nicht in vollem Umfang beteiligt werden.<br />

Es zeichnet sich allerdings eine Wende ab. Das Oberlandesgericht<br />

Hamburg hat durchaus die Möglichkeit erkannt, daß Lebensversicherte<br />

finanzielle Verluste erleiden, was ein "Anlaß für den Gesetzgeber"<br />

sein könnte, das System zu ändern. Leitende Aufsichtsbeamte<br />

üben Kritik an der mangelhaften Regel<strong>un</strong>g der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d denken laut über Reformen nach. Und das Amt selbst<br />

hat kürzlich eine Gesellschaft gezw<strong>un</strong>gen, ihre Lebensversicherten<br />

"zeitnah <strong>un</strong>d verursach<strong>un</strong>gsgerecht" an den Überschüssen zu beteiligen.<br />

Das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht bestätigte diesen Eingriff der<br />

Aufsichtsbehörde, obwohl man sich tatsächlich fragen muß: Warum<br />

eigentlich, wenn die Lebensversicherten gar keinen Anspruch haben<br />

sollen. So sieht sich auch <strong>un</strong>ser Ministerialbeamte Kaulbach nicht<br />

"veranlaßt, "über theoretische Schwächen zu grübeln". Die Branche<br />

wird's freuen; denn sie gewinnt Zeit für weiteren "legalen Betrug".<br />

Die Unternehmensvorstände haben gleich in mehrfacher Hinsicht<br />

weitgehendes Ermessen, die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

zu manipulieren. Sie können einmal die Bezugsgrößen für<br />

den Überschuß - zum Beipiel den Jahresüberschuß - her<strong>un</strong>termanipulieren.<br />

Die Möglichkeiten wurden oben ausführlich dargestellt. So<br />

die Aussage des Aufsichtsbeamten Dr. Mudrack: "Wer die Verfüg<strong>un</strong>gsgewalt<br />

über einen Vermögensgegenstand besitzt, hat eine Fülle<br />

von Möglichkeiten, zu manipulieren, so daß kein Überschuß erzielt<br />

wird."<br />

162


Lügen um die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

Daher sagen auch Werbesprüche <strong>un</strong>d Vertragsbeding<strong>un</strong>gen, daß Lebensversicherte<br />

zu mindestens 90 oder gar 98 Prozent am Jahresüberschuß<br />

einer Gesellschaft beteiligt werden, überhaupt nichts aus -<br />

eben weil es auf die Bezugsgröße ankommt. Eine solche Regel<strong>un</strong>g<br />

ist für sich allein bedeut<strong>un</strong>gslos, solange nicht sichergestellt ist, daß a<br />

l l e Überschüsse aus dem Versichertengeld die Bezugsgröße für diesen<br />

Prozentsatz bilden <strong>un</strong>d nicht die durch vielfältige Manipulationen<br />

dezimierten Überschüsse, die gerade noch den Jahresüberschuß<br />

erreichen.<br />

Der Fachjournalist Arno Surminski schrieb hierzu im Jahre 1981:<br />

"Jahrelang hat die Lebensversicher<strong>un</strong>g damit geworben, sie schütte<br />

97 bis 98 Prozent der erzielten Überschüsse als Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g<br />

an die Versicherten aus. Eine korrekte Aussage <strong>un</strong>d doch etwas irreführend.<br />

Die Presse hat die Formel weitestgehend nachgebetet.<br />

Auch die Aufsichtsbehörde spielte dabei mit. In den Geschäftsberichten<br />

des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes aus früheren Jahren findet man im<br />

Kapitel Lebensversicher<strong>un</strong>g noch die kritiklose Übernahme der 98-<br />

Prozent-Formel. Ich persönlich nehme mich von dieser naiven 98-<br />

Prozent-Gläubigkeit nicht aus. Es hat lange gedauert, bis ich mir die<br />

Frage stellte: 98 Prozent von was ? "<br />

Die letzte Frage beantwortete der Beamte des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes,<br />

Rudolf Gerlach, in einer "plus-minus"-Send<strong>un</strong>g des<br />

Bayerischen Fernsehens wie folgt: "Es handelt sich hier nicht um die<br />

tatsächlichen Zins- <strong>un</strong>d Sterblichkeitsüberschüsse, sondern um die<br />

Differenz zwischen den Aufwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d den Erträgen des Versicherers.<br />

Hat ein Lebensversicherer zum Beispiel überdurchschnittliche<br />

Verwalt<strong>un</strong>gskosten, so mindert dies den Überschuß <strong>un</strong>d damit<br />

die Bezugsgröße für die 90 oder 98 Prozent, die den Versicherten<br />

zugutekommen sollen. Beträgt der Überschuß zum Beispiel nur 1<br />

Mark, so werden auch nur 98 Prozent den Versicherten gutgebracht,<br />

aber eben nur 98 Pfennig."<br />

Es kommt also auf das Geschäftsergebnis der Gesellschaft an.<br />

Hierzu meinte der Aufsichtsbeamte Gottfried Claus im Jahre 1980:<br />

"Das BAV hat in den letzten Jahren verstärkt darauf hingewirkt, daß<br />

die bei manchen Unternehmen <strong>un</strong>befriedigenden Geschäftsergebnisse<br />

verbessert werden. Die Bemüh<strong>un</strong>gen des BAV waren leider<br />

nur teilweise von Erfolg gekrönt. Ich möchte folgende These aufstellen:<br />

Die dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zur Verfüg<strong>un</strong>g stehenden Mit-<br />

163


tel reichen nicht aus, um die Belange der Versicherten auch insoweit<br />

zu wahren, daß die den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmern zustehenden Überschüsse<br />

aus dem Risikoverlauf <strong>un</strong>d den Kapitalanlagen diesen auch<br />

tatsächlich <strong>un</strong>geschmälert zugute kommen.<br />

Ein oberflächlicher Beobachter könnte vielleicht meinen, daß<br />

hier alles zum Besten bestellt ist, weil die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

nicht nur den vorgeschriebenen Anteil von 90 Prozent der<br />

Überschüsse der Rückstell<strong>un</strong>gen für Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g zuweisen,<br />

sondern <strong>wesen</strong>tlich mehr, nämlich etwa 98 Prozent. Dieser<br />

Eindruck trügt jedoch. Es ist weniger wichtig, ob dieser Zuweis<strong>un</strong>gssatz<br />

90 Prozent oder 95 Prozent oder 98 Prozent beträgt,<br />

vielmehr kommt es darauf an, auf welchen Überschuß sich dieser<br />

Prozentsatz bezieht. Maßgebend ist doch immer der Überschuß, der<br />

<strong>un</strong>ter dem Strich übrig bleibt. In welchem Maße der Gesamtüberschuß<br />

durch Verlustquellen beeinflußt wird, d. h. in welchem Umfang<br />

die Risiko- <strong>un</strong>d Zinsgewinne durch Verluste aus anderen Überschußquellen<br />

geschmälert werden, bleibt bei der obigen Betracht<strong>un</strong>gsweise<br />

nämlich völlig außer acht.<br />

Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt hat seit mehreren Jahren die Verhältnisse<br />

in der Branche näher <strong>un</strong>tersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuch<strong>un</strong>g<br />

sind nicht <strong>un</strong>bedingt erfreulich. Als Gesamtergebnis ist z<strong>un</strong>ächst<br />

festzuhalten, daß von den gesamten Überschüssen aus dem<br />

Risikoverlauf <strong>un</strong>d den Kapitalanlagen in den Jahren 1974 bis 1978<br />

jeweils zwischen 78 Prozent <strong>un</strong>d 86 Prozent der Rückstell<strong>un</strong>gen für<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g zugeflossen sind. Welche Gründe dafür im<br />

einzelnen auch maßgebend ge<strong>wesen</strong> sein mögen, man kann sie wohl<br />

alle <strong>un</strong>ter dem Oberbegriff 'mangelhafte oder schlechte Geschäftsführ<strong>un</strong>g'<br />

zusammenfassen."<br />

Wen w<strong>un</strong>dert da noch die Feststell<strong>un</strong>g in dem Regier<strong>un</strong>gsgutachten<br />

von Prof. Diederich aus dem Jahre 1982: "Angesichts der über<br />

Jahre hinweg auch vom Aufsichtsamt selbst als <strong>un</strong>zureichend angesehenen<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g mancher Lebensversicher<strong>un</strong>gs-<br />

Unternehmen ist es <strong>un</strong>verständlich <strong>un</strong>d aus verbraucherpolitischer<br />

Sicht zu beanstanden, daß die dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zur Verfüg<strong>un</strong>g<br />

stehenden Eingriffsmittel nicht dazu eingesetzt wurden, diese<br />

Mißstände zu beheben."<br />

Nach der Selbstkritik von Claus <strong>un</strong>d der Kritik im Regier<strong>un</strong>gsgutachten<br />

wurde eine "Rückgewährquoten-Regel<strong>un</strong>g" in das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz<br />

übernommen, die aber das Gr<strong>un</strong>dproblem,<br />

nämlich die Ungeregeltheit der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g, nicht lös-<br />

164


te. So resignierte Claus im Jahre 1985, als er zu den <strong>un</strong>geregelten<br />

Verhältnissen im Bereich der Lebensversicher<strong>un</strong>g sagte: "Mit dem<br />

Dilemma müssen wir leben. Es gibt nach meiner Auffass<strong>un</strong>g keine<br />

Möglichkeit, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen." - Und<br />

noch im Jahre 1989 schrieb Claus in den Veröffentlich<strong>un</strong>gen des<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes, daß die derzeitige Regel<strong>un</strong>g der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

deshalb <strong>un</strong>befriedigend sei, "weil sie sich nicht daran orientiert,<br />

was die Versicherten zum Gesamtüberschuß beigetragen haben".<br />

Und er spricht von erheblichen "Mängeln der nicht konkreten,<br />

<strong>un</strong>ausgewogenen <strong>un</strong>d deshalb <strong>un</strong>befriedigenden Regel<strong>un</strong>g" der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g.<br />

Und mit seiner Forder<strong>un</strong>g, die Versicherten zu<br />

100 Prozent an den Überschüssen aus ihrem Geld zu beteiligen, den<br />

Gesellschaften einen "Unternehmerlohn" zuzuerkennen <strong>un</strong>d ihnen<br />

die Erträge aus dem Unternehmensgeld zu überlassen, nähert sich<br />

Claus schon mächtig der in diesem Buch vertretenen Forder<strong>un</strong>g<br />

nach einer Prämientrenn<strong>un</strong>g an.<br />

Der Fehler im System:<br />

Die <strong>un</strong>geteilte Prämie verhindert gerechte Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

Noch ist nirgendwo vorgesehen (was die Werb<strong>un</strong>g glauben machen<br />

will), daß die Versicherten an den tatsächlich entstandenen Überschüssen<br />

aus ihren Geldern beteiligt werden. Und das ist der gravierende<br />

Fehler im System: Wäre die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie aufgeteilt<br />

<strong>un</strong>d wären die tatsächlichen Überschüsse aus Versichertengeld als<br />

solche in den Bilanzen ausgewiesen, könnte sie kein Unternehmen<br />

antasten oder für einen Ausgleich eigener Verluste heranziehen.<br />

Ganz anders aber bei einer "vermengten" Bilanzier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d einem<br />

"vermengten" Jahresüberschuß. Dieser wird nämlich automatisch<br />

durch Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen vermindert, wodurch gleichzeitig die<br />

Überschüsse aus Versichertengeld reduziert werden, die im <strong>wesen</strong>tlichen<br />

den Jahresüberschuß ausmachen. Damit ist das möglich, was<br />

durch die staatliche Aufsicht <strong>un</strong>d Regel<strong>un</strong>gen der Überschußbeteilig<strong>un</strong>gen<br />

eigentlich verhindert werden sollte: Die Gesellschaften können<br />

<strong>un</strong>ternehmerische Verluste mit den nicht identifizierbaren Überschüssen<br />

aus Versichertengeld ausgleichen. Sie machen selbst<br />

nach Mißmanagement noch Gewinne, solange sie die Überschüsse<br />

aus Versichertengeld nicht auf null her<strong>un</strong>tergewirtschaftet haben.<br />

Nachdem die Unternehmensvorstände die Bezugsgrößen für eine<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g her<strong>un</strong>termanipuliert oder her<strong>un</strong>tergewirt-<br />

165


schaftet haben, können sie auch noch die Verteil<strong>un</strong>g des manipulierten<br />

Überschusses weitgehend beliebig bestimmen. Wenn sich also<br />

am Ende eines Geschäftsjahres ein Vorstand endlich entschieden<br />

hat, was er an die Versicherten verteilen will, dann hat er immer<br />

noch weitgehend freie Hand zu beschließen, wie er es verteilen will,<br />

so Capital: "Beliebt ist der Trick, so wissen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>mathematiker<br />

zu berichten, alte Tarife, die inzwischen nicht mehr angeboten<br />

werden, bei den Gewinnanteilen zu vernachlässigen. Um die neuen<br />

Tarife <strong>un</strong>d deren Beispielrechn<strong>un</strong>gen werbewirksam aufzupäppeln.<br />

Dies muß der K<strong>un</strong>de hinnehmen, ebenso die Tatsache, daß er Änder<strong>un</strong>gen<br />

im System der Gewinnverteil<strong>un</strong>g nicht überblicken kann.<br />

Das sind Verkant<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Verwerf<strong>un</strong>gen in den Gewinnsystemen<br />

der Versicherer, die kein Mensch sachlich begründen kann. In diesem<br />

P<strong>un</strong>kt geht das Ermessen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vorstände in Willkür<br />

über."<br />

Gewinne können aus Treuhandgeld beschlossen werden<br />

Die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zeigen, daß die <strong>un</strong>geregelten Vertrags- <strong>un</strong>d Vermögensverhältnisse<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im Endergebnis einen Vorgang ermöglichen,<br />

der im Wirtschaftsleben einmalig ist: Die Unternehmen brauchen<br />

Gewinne nicht zu erwirtschaften, sondern können diese -<br />

selbst nach <strong>un</strong>ternehmerischen Verlusten - aus dem nicht identifizierbaren<br />

Treuhandgeld beschließen. Das heißt: Die Höhe der Kosten<br />

spielt keine Rolle, denn Gewinn oder Verlust sind keine zwangsläufigen<br />

Leist<strong>un</strong>gserfolge, Unternehmens- oder Buch<strong>un</strong>gsergebnisse<br />

bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern nach Feststell<strong>un</strong>g der Einnahmen<br />

<strong>un</strong>d Aufwend<strong>un</strong>gen bleibt trotz hoher Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d selbst nach Managementfehlern immer noch ein "Überschuß"<br />

an Versichertengeld übrig. Verständlich, daß <strong>un</strong>ter solch "paradiesischen<br />

Zuständen" (Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g) kein Vorstand bis<br />

heute für ein Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen einen Verlust verbucht<br />

hat, solange Millionen <strong>un</strong>d Milliarden Versichertengeld zum<br />

Verlustausgleich <strong>un</strong>d für "Gewinne" frei verfügbar waren.<br />

166


KAPITEL 6<br />

Die mächtigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften - eine Allianz zur<br />

Ausbeut<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

Auf die beschriebene Art <strong>un</strong>d Weise haben insbesondere die großen<br />

deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften seit etwa h<strong>un</strong>dert Jahren<br />

ein ganzes Volk mit doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerten Prämien<br />

regelrecht ausgebeutet, indem sie die Fehler des deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

- die fehlende vermögensrechtliche Zuordn<strong>un</strong>g der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder, den fehlenden Wettbewerb <strong>un</strong>d das falsche<br />

"deutsche Bilanzrecht" - skrupellos ausgenutzt <strong>un</strong>d anvertraute Gelder<br />

für <strong>un</strong>sinnige Kostenverschwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d <strong>un</strong>gerechtfertigte<br />

Gewinne mißbraucht haben. Rechnet man diese Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Gewinne einschließlich Zinsen über Jahrzehnte hoch,<br />

so haben die Deutschen <strong>un</strong>d die gesamte Volkswirtschaft durch das<br />

falsch strukturierte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> H<strong>un</strong>derte von Milliarden<br />

Mark verloren. Allein in 1990 könnte in der B<strong>un</strong>desrepublik ein rationell<br />

f<strong>un</strong>ktionierendes <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> mit zwanzig bis dreißig<br />

Milliarden Mark weniger an Prämien auskommen - bei besserem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz für die B<strong>un</strong>desbürger.<br />

Die Ausbeut<strong>un</strong>g wird nicht so recht deutlich, weil die Gesellschaften<br />

raffinierte Tricks anwenden, das ver<strong>un</strong>treute Versichertengeld<br />

beiseitezuschaffen. Weiter oben hatte ich bereits ausgeführt,<br />

daß die Dividenden auf <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aktien "Kleckerbeträge" sind.<br />

Woher die wirkliche Rendite kommt, hat Wolfgang Schieren als Generaldirektor<br />

der Allianz, der größten deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaft, im Jahre 1979 einem <strong>un</strong>zufriedenen Allianz-<br />

Aktionär erklärt, der bei den extremen Allianz-Gewinnen eine höhere<br />

Dividende als zwanzig Prozent verlangte, so das Hauptversamml<strong>un</strong>gs-Stenogramm:<br />

"Ihre letzte Frage nach der Dividende - eine höhere<br />

Dividende oder ein Bonus. Ich glaube, so darf man das nicht<br />

sehen. In Anlehn<strong>un</strong>g an einen nicht <strong>un</strong>bekannten Buchtitel möchte<br />

ich meinen, 'es muß nicht immer Dividende sein'. Meine Damen<br />

<strong>un</strong>d Herren, es wurde auch von den Bezugsrechten gesprochen, von<br />

den j<strong>un</strong>gen Aktien, die kommen werden, <strong>un</strong>d von der Rendite-<br />

Erwart<strong>un</strong>g, die so beachtlich ist, daß Sie sich einmal als Anleger überlegen<br />

sollten, wo können Sie überhaupt eine solche Rendite erzie-<br />

167


len." - Ein anderer Allianz-Aktionär, der hier besser durchblickte,<br />

konnte dem nur beipflichten: "Sie bieten <strong>un</strong>s hier eine Kapitalerhöh<strong>un</strong>g<br />

an 3:1 zu 125 Mark. Meine Damen <strong>un</strong>d Herren. Ich habe es<br />

ausgerechnet, es ist kein Problem, so etwas auszurechnen. Sie bieten<br />

<strong>un</strong>s eine Verzins<strong>un</strong>g von genau 12,5 Prozent an. Das ist eine Rendite,<br />

die Sie wohl niemals durch die Anlage von Rentenwerten erreichen<br />

können. Ich möchte Ihnen zum Schluß sagen: Lassen Sie ruhig<br />

die Araber, Iraner usw. an Mohammed glauben - wir glauben an die<br />

Allianz !" -<br />

Im Jahre 1982 schrieb das Handelsblatt: "Allianz Leben - Zufrieden<br />

können auch die Aktionäre sein, obwohl ihnen für die HV 'nur'<br />

eine <strong>un</strong>veränderte Dividende von ne<strong>un</strong> Mark je 50-DM-Aktie vorgeschlagen<br />

wird. Weit mehr bringt ihnen das Bezugsrecht einer zweistufigen<br />

Kapitalerhöh<strong>un</strong>g um z<strong>un</strong>ächst aus Gesellschaftsmitteln.<br />

Beim derzeitigen Kurs von 1.790 errechnen sich die Bezugsrechte<br />

auf insgesamt 390 DM." - Das sind mehr als zwanzig Prozent "Gewinn"<br />

pro Aktie ! - Neben diesen Dividenden <strong>un</strong>d Bezugsrechten<br />

hat sich der Kurswert der Allianz-Leben-Aktie aber vom Tiefstand<br />

728 im Jahre 1980 auf einen Höchststand von 1.995 im Jahre 1982<br />

entwickelt. Und das entspricht einem zusätzlichem "Gewinn" von<br />

150 Prozent in drei Jahren.<br />

Dazu "manager magazin" im Jahre 1984: "Die gute Bedien<strong>un</strong>g<br />

der Aktionäre hat Tradition <strong>un</strong>d Raffinesse gleichermaßen: Von vier<br />

Kapitalerhöh<strong>un</strong>gen in den vergangenen Jahren waren zwei gratis<br />

<strong>un</strong>d zwei fast geschenkt. Eine neue Aktienausgabe, die jetzt ansteht,<br />

ist für die Begünstigten ebenfalls hochrentabel: Die Aktie, die an der<br />

Börse 3.599 Mark kostet, wird den Aktionären für 75 Mark zugeschoben.<br />

Über die Jahre errechnet sich für die Allianz-Aktien eine<br />

durchschnittliche Rendite von über 40 Prozent." Es heißt wirklich<br />

vierzig Prozent <strong>un</strong>d nicht vier Prozent. Demgegenüber klingt die<br />

Aussage des Generaldirektors Arno Bäumer von der Allianz Leben<br />

in der ZEIT vom Februar 1983 wie ein Hohn: "Wir haben sehr viele<br />

kleine Sparer <strong>un</strong>d sind verpflichtet, sie anständig zu bedienen." -<br />

Oder eine Werb<strong>un</strong>g der Allianz-Leben "Sie brauchen sich um die<br />

Sicherheit Ihres Geldes keine Sorgen zu machen." - Man beachte:<br />

"Ihres" ist großgeschrieben ! - - -<br />

Also lieber eine Allianz-Aktie als eine Allianz-<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>police ! - So errechneten "Capital" <strong>un</strong>d "manager magazin"<br />

im Jahre 1984 übereinstimmend: Wer um 1970 herum als Aktionär<br />

bei der Allianz Leben 10.000 Mark einlegte, machte daraus in<br />

168


dreizehn Jahren einen Gewinn von fast 270.000 Mark, was einer<br />

jährlichen Rendite von etwa dreißig Prozent, in den letzten Jahren<br />

sogar von vierzig Prozent entsprach. Ein Lebensversicherter erzielte<br />

dagegen bei der Allianz während dieser Zeit Renditen von <strong>un</strong>ter fünf<br />

Prozent für sein Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen.<br />

Und da schreibt mir ein Dr. Eickhoff aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

im Jahre 1979, die Renditen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften seien "nicht auffällig höher als in anderen Wirtschaftsbereichen".<br />

Vermutlich kennt er den Schieren-Spruch nicht<br />

"Es muß nicht immer Dividende sein" <strong>un</strong>d hat bei seinen Beobacht<strong>un</strong>gen<br />

nur die Dividendensätze verglichen <strong>un</strong>d die Bezugsrechte<br />

vergessen. Wieder ein Beispiel, wie wenig man im B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

durchblickt - oder die Öffentlichkeit zu verd<strong>un</strong>mmen<br />

sucht. Vielleicht liest man im Finanzministerium auch keine Wirtschaftszeit<strong>un</strong>gen,<br />

wie zum Beispiel das Handelsblatt, das schon vor<br />

Jahren schrieb: "Das Kapitalwachstum über preiswerte Bezugsrechte<br />

<strong>un</strong>d Kapitalberichtig<strong>un</strong>gen hat in der Vergangenheit vor allem den<br />

Reiz der Anlage in <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>werten ausgemacht."<br />

Die Allianz ist die Gesellschaft, die die Fehler des Systems am<br />

konsequentesten - das heißt: am skrupellosesten - ausgenutzt hat. So<br />

ist ihre Geschichte typisch für viele <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften, die - wie betrügerische Spendenvereine Geld<br />

<strong>un</strong>ter dem Vorwand eines guten Zwecks einsammeln, um sich<br />

zwangsläufig entstehende Überschüsse als Gewinne einzustecken.<br />

Z<strong>un</strong>ächst werden die Versicherten mit überteuerten Prämien ausgebeutet.<br />

Gleichzeitig wird ein großes Vertreterheer aufgebaut mit<br />

Vermittlern, die durch Knebel<strong>un</strong>gsverträge an die Gesellschaft geb<strong>un</strong>den<br />

werden <strong>un</strong>d als Einfirmenvertreter gar nicht anders können,<br />

als die teuren Prämien der Gesellschaft zu "verkaufen". Beim Gesetzgeber<br />

werden geeignete Rahmenbeding<strong>un</strong>gen "erkauft", wie zum<br />

Beispiel zehn Jahre lang nicht kündbare Verträge oder die Bind<strong>un</strong>g<br />

an Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen durch hohe Verluste bei vorzeitiger<br />

Kündig<strong>un</strong>g. Und vor allem auch eine falsche Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g,<br />

die dem Betrug <strong>un</strong>d der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g Tür <strong>un</strong>d Tor öffnet. Dann<br />

wird die Beute - <strong>un</strong>ter Einsatz des objektiv ver<strong>un</strong>treuten Versichertengeldes<br />

- vor Eingriffen der staatlichen Aufsicht verteidigt <strong>un</strong>d<br />

schließlich sogar <strong>un</strong>ter Beteilig<strong>un</strong>g der Staatsaufsicht beiseitegeschafft.<br />

Und duch die Beherrsch<strong>un</strong>g der Verbände <strong>un</strong>d der Rückversicher<strong>un</strong>gsszene<br />

wird das extrem hohe Prämienniveau im ganzen<br />

169


Lande erhalten. Betrachten wir <strong>un</strong>s die einzelnen Stufen dieser Strategie<br />

einmal am Beispiel der Allianz:<br />

Der Allianz-Konzern:<br />

vom Adler zum "Paradegeier mit dem Image<br />

einer Friedenstaube"<br />

Allianz-Geschichte<br />

An einem Dreizehnten, nämlich am 13. Januar 1890, wurde die Genehmig<strong>un</strong>gsurk<strong>un</strong>de<br />

für die damals in Berlin ansässige "Allianz <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktien-Gesellschaft"<br />

<strong>un</strong>terschrieben. Wie man <strong>un</strong>d wer<br />

auf den Firmennamen "Allianz" kam, läßt sich nicht mehr feststellen.<br />

Vielleicht eine Allianz zwischen dem Berliner Bär <strong>un</strong>d dem<br />

Münchener Kindl, den Geschäftssitzen der Gesellschaft. Aber die<br />

Allianz ist glücklich über ihren Namen. Denn Allianz heißt Bündnis,<br />

<strong>un</strong>d ein Bündnis wird als etwas Sympathisches angesehen. Die Frage<br />

ist nur: Bündnis gegen wen ? - Die Allianz möchte das Bündnis natürlich<br />

als ein "Bündnis gegenseitigen Vertrauens von Millionen von<br />

Versicherten" verstanden wissen. Wie sich aber das Allianz-Symbol<br />

des Adlers immer mehr zum Geier entwickelt hat, ist aus der Allianz<br />

immer mehr ein Bündnis aus Aktionären, Vorständen <strong>un</strong>d Vertretern<br />

gegen das Volk geworden mit dem Ziel, die Versicherten regelrecht<br />

auszubeuten.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften waren gegen Ende des vorigen<br />

Jahrh<strong>un</strong>derts völlig frei in ihrer Prämienkalkulation. Wozu diese<br />

Freiheit führte, läßt sich ermessen, wenn man in wissenschaftlichen<br />

Abhandl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d amtlichen Unterlagen liest: "Raubzüge der Aktiengesellschaften,<br />

bedenkenlose Spekulation, <strong>un</strong>gezügeltes Treiben<br />

von Geschäftemachern, <strong>un</strong>lauteres Geschäftsgebaren, schädliche<br />

Auswirk<strong>un</strong>gen privaten Gewinnstrebens im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>." -<br />

In der Allianz-Chronik wird dagegen als "Kennzeichen solider Arbeit"<br />

bezeichnet, daß "ständig alle Sparten einen stabilen Überschuß<br />

ergaben, der zwischen 11,5 <strong>un</strong>d 13,8 Prozent der Nettoprämie pendelte.<br />

Dabei ist noch bemerkenswert, daß die Steueraufwend<strong>un</strong>gen<br />

schon abgesetzt sind." - Würde man diese Überschüsse, die später in<br />

Gewinne umgewandelt wurden, in Relation setzen zu den wirklich<br />

erbrachten Dienstleist<strong>un</strong>gen, so muß die Gewinnspanne etwa bei<br />

fünfzig Prozent gelegen haben.<br />

170


Die Allianz hatte im zehnten Jahr ihres Bestehens bei zehn Millionen<br />

Reichsmark Prämieneinnahmen einen Nettoüberschuß von<br />

einer Million Mark bei einem "Einsatz" von einer Million Mark Eigenkapital.<br />

Die Aktionäre erhielten 24 Prozent Dividende (zu dieser<br />

Zeit waren Zinsen von vier Prozent normal), <strong>un</strong>d die restlichen<br />

Prämienüberschüsse wurden in die Rücklagen, bzw. in das Eigenkapital<br />

überführt, was man "Selbstfinanzier<strong>un</strong>g" nannte. Dadurch erhöhten<br />

sich zusätzlich die Kurswerte der Aktien oder es wurden<br />

Gratisaktien an die Aktionäre ausgegeben. Der Kurswert der Aktien<br />

dieser Gesellschaft betrug fünf Jahre nach der Gründ<strong>un</strong>g bereits 300<br />

Prozent, ohne daß die Aktionäre weiteres Gr<strong>un</strong>dkapital eingezahlt<br />

hatten. Unter Einbezieh<strong>un</strong>g von Dividenden von 24 Prozent eine<br />

Rendite von etwa fünfzig Prozent ! - Und für das "selbstfinanzierte<br />

Eigenkapital", das ohne Gewinnberechtig<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Gegenleist<strong>un</strong>g aus<br />

den Prämienüberschüssen gebildet worden war, verlangten die Aktionäre<br />

weitere Gewinne.<br />

60.000 Allianzer kämpfen in einer Palästra<br />

Träger dieser Entwickl<strong>un</strong>g war der sogenannte "Außendienst". In<br />

die "wachsenden Scharen der Mitarbeiter" <strong>un</strong>d "dichteste Organisation<br />

in der deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft" brachte - so die Allianz-Chronik<br />

- ein Mann namens Dr. Hans Heß einen Zug des<br />

"sportlich gedachten Wettbewerbs". So rühmt die Chronik die "imponierende<br />

numerische Stärke der einzigartigen Allianz-<br />

Organisation" <strong>un</strong>d schildert den Traum von Hans Heß kurz vor<br />

dem zweiten Weltkrieg: "In stillen St<strong>un</strong>den sah ich manchmal im<br />

Geiste die Allianz mit ihren über 60.000 Mitarbeitern wie in einer<br />

großen Palästra antreten, kämpfen <strong>un</strong>d um die Siegespalme ringen.<br />

Wohl der Gesellschaft, wo solcher Geist für alle Zeit fest verankert<br />

ist." - Ich kann nur sagen: Wehe dem Volk, das einer solchen Gesellschaft<br />

ausgeliefert ist, die inzwischen das gesamte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

<strong>un</strong>d - wie ein Unternehmensberater im SPIEGEL äußerte - die<br />

"gesamte deutsche Wirtschaft beherrscht".<br />

Rein rechnerisch gibt es zur Zeit in der B<strong>un</strong>desrepublik im Umkreis<br />

von fünf Kilometern immer einen "Allianz-Mann in der Nachbarschaft".<br />

Die Allianz gibt auch selbst zu: "Für die Abschlußerfolge<br />

gab die Quantität der Vermittler den Ausschlag." Mit Sicherheit auch<br />

nicht die Qualität des Angebotes <strong>un</strong>d die Prämienhöhe. Denn die<br />

Allianz gehört im Bereich der Versicher<strong>un</strong>gen für die privaten<br />

171


Haushalte zu den mit Abstand teuersten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

der B<strong>un</strong>desrepublik. Sie zahlt zum Beispiel im Bereich der Unfallversicher<strong>un</strong>g<br />

je h<strong>un</strong>dert Mark Beitragseinnahmen nur etwa 20 bis 25<br />

Mark für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen aus. Die Differenz der teuren Allianz-Prämien<br />

zu günstigen Anbietern kann kein Vertreter durch den<br />

allerbesten Service ausgleichen. Die Differenz ist im übrigen auch<br />

nicht die Vertreterprovision, die zwischen zehn bis fünzehn Prozent<br />

liegt, nur bei Neuabschlüssen zwischen vierzig <strong>un</strong>d achtzig Prozent<br />

der ersten Jahresprämie. Es ist eigentlich völlig <strong>un</strong>erklärlich <strong>un</strong>d ein<br />

Phänomen, daß sich denkende Menschen bei derart teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

versichern, obwohl sie einen völlig gleichen, oft<br />

sogar besseren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz bei anderen Anbietern für den<br />

halben Beitrag <strong>un</strong>d oft noch viel weniger erhalten können. Die meisten<br />

Allianz-Versicherten haben aber - eingenebelt durch die Nettigkeit<br />

des Allianz-Vertreters - bis heute nicht erkannt, wie ihre Unwissenheit<br />

ausgenutzt worden ist, <strong>un</strong>d daß sie seit Jahren Milliarden von<br />

Mark verloren haben. Und auch die Konkurrenz schwieg. Sie lebte<br />

im Windschatten der Allianz <strong>un</strong>d dem durch sie erzeugten hohen<br />

Prämienniveau glänzend.<br />

In der fast kartellmäßig organisierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

gibt es keinen Wettbewerb <strong>un</strong>d keine Transparenz. So spielt die<br />

Prämienhöhe überhaupt keine Rolle. Erfolg hat, wer - koste es was<br />

es wolle - <strong>un</strong>informierten Verbrauchern <strong>un</strong>sinnige <strong>un</strong>d zu teure Versicher<strong>un</strong>gen<br />

aufschwatzt, durch eine Werb<strong>un</strong>g "hoffentlich Allianz<br />

versichert", durch ein flächendeckendes Netz seriös wirkender Vertreter<br />

(wie die Allianz), durch scheinbare seriöse "Berater" (wie die<br />

Deutsche Vermögensberat<strong>un</strong>g für die Aachener & Münchener),<br />

durch zweifelhafte Drückermethoden <strong>un</strong>d Angebote (wie zum Beispiel<br />

die Firma ZEUS für den Deutschen Ring) oder die nach dem<br />

Schneeballsystem arbeitenden Werberkolonnen, die ihre Verwandten-,<br />

Fre<strong>un</strong>des- <strong>un</strong>d Bekanntenkreise abgrasen (wie zum Beispiel die<br />

OVB für den Deutschen Ring <strong>un</strong>d die HMI für die Hamburg-<br />

Mannheimer). Die Allianz stellt wenigstens noch vornehmlich "ehrenwerte"<br />

Personen als Vertreter ein. Skrupel sind allerdings auch<br />

bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittlern der teuren Gesellschaften nicht<br />

gefragt, auch nicht bei "honorigen" Einfirmenvertretern - ein<br />

Gr<strong>un</strong>d, weshalb immer mehr Vertreter aussteigen, um nicht länger<br />

vertrauensseligen Bürgern <strong>un</strong>sinnige <strong>un</strong>d viel zu teure Versicher<strong>un</strong>gen<br />

aufschwatzen zu müssen.<br />

172


Dabei sind die riesigen Vermittlerheere völlig "<strong>un</strong>produktiv". Die<br />

Allianz erreichte im Jahre 1985 mit über 43.000 Vertretern nur einen<br />

Bestandszuwachs von 30.000 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen, weniger als<br />

einen Vertrag pro Vertreter - welche Kostenverschwend<strong>un</strong>g für das<br />

gegenseitige Abjagen der K<strong>un</strong>den ! - Hätte die Allianz eine ordn<strong>un</strong>gsgemäße<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g erstellt, so wäre ihr<br />

wirklicher Umsatz - gerechnet nach den Dienstleist<strong>un</strong>gsanteilen der<br />

Prämien - etwa 1,5 Milliarden Mark ge<strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d der Gewinn vor<br />

Steuern 500 Millionen Mark - ein Drittel Gewinn vom Umsatz ! -<br />

Eine Analyse des Jahresabschlusses 1982 der Allianz Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zeigt, daß trotz <strong>un</strong>ternehmerischer Verluste in Höhe von<br />

mehreren H<strong>un</strong>dertmillionen Mark ein Nettogewinn von etwa 50<br />

Millionen Mark verbucht wurde. Allein durch die Überschreit<strong>un</strong>g<br />

des vom Aufsichtsamt vorgeschriebenen Abschlußkostensatzes um<br />

etwa 200 Millionen Mark <strong>un</strong>d den Ausgleich dieses Verlustes aus<br />

dem Geld der Versicherten ist diesen ein H<strong>un</strong>dertmillionenverlust<br />

entstanden.<br />

Aus Verbraucher- <strong>un</strong>d marktwirtschaftlicher Sicht bedeutet das:<br />

Die Allianz hat trotz miserablen Wirtschaftens mit viel zu hohen<br />

Kosten, ohne konkrete <strong>un</strong>d schon gar nicht äquivalente Gegenleist<strong>un</strong>g,<br />

ohne Preisangabe, ohne Wettbewerb <strong>un</strong>d ohne Berechtig<strong>un</strong>g<br />

mit ihren oft doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerten Prämien <strong>un</strong>vorstellbar<br />

hohe Gewinne vereinnahmt - im Windschatten staatlicher Fürsorge.<br />

Skrupelloser Umgang mit Verbrauchern,<br />

dafür pflegliche Behandl<strong>un</strong>g Industrie<br />

Die Normalverbraucher nimmt die Allianz mit ihren doppelt bis<br />

dreifach zu teuren Prämien skrupellos aus. Mit der Industrie geht sie<br />

dagegen viel pfleglicher um. Das beweist ein Artikel im Handelsblatt<br />

vom Februar 1990: "Recht gut lief das Privatk<strong>un</strong>dengeschäft. Aufgr<strong>un</strong>d<br />

des guten Ergebnisses in der Kfz-Versicher<strong>un</strong>g wurden die<br />

hohen Verluste im Feuer-Industriegeschäft ausgeglichen." - In den<br />

USA ist das nicht so einfach. So meinte der Allianz-Chef Schieren in<br />

der Süddeutschen Zeit<strong>un</strong>g im August 1990: Das Breitengeschäft sei<br />

auf Dauer wegen der Konkurrenz der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine auf Gegenseitigkeit<br />

<strong>un</strong>d der Direktversicherer sowie des ständig z<strong>un</strong>ehmenden<br />

Konsumentenschutzbeweg<strong>un</strong>gen in den USA "nicht tragfähig".<br />

Für die Allianz aber sei das Industrie- <strong>un</strong>d Gewerbegeschäft<br />

173


das richtige Segment. Damit wird angedeutet, daß die schlecht geschützten<br />

deutschen Verbraucher mit ihren überhöhten Prämien<br />

wohl die Geschäftspolitik der Allianz in den USA subventionieren<br />

werden.<br />

Allianz-Prämien für Privathaushalte oft doppelt bis dreifach<br />

zu teuer<br />

Es ist sehr schwierig für die Verbraucher, sich gegen die viel zu teuren<br />

Prämien der Allianz zu wehren. Prof. Dr. Eike von Hippel<br />

schrieb zwar im Jahre 1990 in der Juristenzeit<strong>un</strong>g: "Im Hinblick auf<br />

das extreme Mißverhältnis von Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Gegenleist<strong>un</strong>g stellt<br />

sich die Frage, ob nicht der Wucher-Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

eingreift." - Aber auch hier hat die Allianz vorgesorgt.<br />

Um Wucher <strong>un</strong>d Sittenwidrigkeit nachzuweisen, ist vom Durchschnitt<br />

aller Angebote auszugehen. Und hier hat die Allianz ein raffiniertes<br />

Kartell aufgebaut. Sie hat als Marktführer zusammen mit<br />

anderen Gesellschaften, an denen der Konzern beteiligt ist, maßgeblichen<br />

Einfluß auf die Verbände der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen -<br />

allen voran beim Gesamtverband der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft.<br />

Diese Verbände erarbeiten nach den von den Unternehmen<br />

vorgelegten Zahlen Verbandsstatistiken, die früher als Gr<strong>un</strong>dlage für<br />

Prämienempfehl<strong>un</strong>gen gedient haben. Nach entsprechenden Urteilen<br />

werden die Prämienempfehl<strong>un</strong>gen zwar nicht mehr als solche<br />

bezeichnet, haben aber im Gr<strong>un</strong>de immer noch die gleiche Wirk<strong>un</strong>g:<br />

Alle Gesellschaften übernehmen diese "Verbandsprämien". Wer sich<br />

weigert, erhält keine Rückversicher<strong>un</strong>g. Und die größte Rückversicher<strong>un</strong>gsgesellschaft<br />

der Welt, die auch hierzulande die Rückversicher<strong>un</strong>gslandschaft<br />

beherrscht, gehört - zu wem wohl? - zum Allianz-Konzern:<br />

Die Münchener Rückversicher<strong>un</strong>g.<br />

Verbandsdisziplin - wenn es sein muß, erzw<strong>un</strong>gen über die<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g (die n<strong>un</strong> mal jede Gesellschaft braucht) - führt<br />

also zu einem kartellartig hohen Prämienniveau. Wie dann aber Sittenwidrigkeit<br />

<strong>un</strong>d Wucher nachweisen, wenn fast alle Gesellschaften<br />

sich - gezw<strong>un</strong>genermaßen - sittenwidrig verhalten <strong>un</strong>d wucherische<br />

Prämien anbieten ? - Fast alle Gesellschaften erheben bis zu vierfach<br />

überhöhte Prämien im Bereich der Unfallversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d sechsfach<br />

zu teure Prämien für Insassen<strong>un</strong>fallversicher<strong>un</strong>gen. Jeder Experte<br />

weiß, daß die Prämien viel zu hoch sind. Aber die Verbraucher<br />

ahnen nichts wegen der fehlenden Transparenz <strong>un</strong>d des fehlenden<br />

174


Leist<strong>un</strong>gsaustauschs. Und der hohe Durchschnitt behindert den<br />

Nachweis des Wuchers. Das Aufsichtsamt schreitet nicht ein in der<br />

Mein<strong>un</strong>g, Prämienkontrolle gehöre nicht zu seinen Aufgaben - außer<br />

im Bereich der Lebens-, Kfz-Haftpflicht- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>g.<br />

Der B<strong>un</strong>d der Versicherten will aber noch im Jahre 1990 entsprechende<br />

Prozesse beginnen. Man kann nämlich der Branche ihre eigenen<br />

Verlautbar<strong>un</strong>gen vorhalten, daß der Schadenaufwand je nach<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweig zwei Drittel bis ne<strong>un</strong>zig Prozent der Gesamtprämie<br />

beträgt. In der Unfallversicher<strong>un</strong>g zahlen manche Gesellschaften<br />

weniger als ein Viertel der Prämien an <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

aus.<br />

Um n<strong>un</strong> die Verbraucher an die teuren Prämien binden <strong>un</strong>d den<br />

Vertretern ihre hohen Provisionen (oft bis zu einer Jahresprämie)<br />

zahlen <strong>un</strong>d die sonstigen hohen Vertriebskosten decken zu können,<br />

brauchte die Allianz natürlich langfristige Verträge. Vereinbar<strong>un</strong>gen<br />

über eine mehr als zweijährige Vertragsdauer sind aber nach dem<br />

Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>wirksam.<br />

Wenn die Allianz fast zwei Jahresbeiträge für das Heranschaffen eines<br />

K<strong>un</strong>den ausgibt, <strong>un</strong>d der K<strong>un</strong>de beim Erkennen der viel zu teuren<br />

Prämie nach zwei Jahren schon wieder kündigen könnte, wenn<br />

also nach zwei Jahren noch gar kein Geld für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

eingenommen war, dann brauchte die Allianz eine Gesetzesausnahme<br />

her. Allianz-Männer saßen natürlich auch im Arbeitskreis<br />

Private Versicherer, <strong>un</strong>ter anderem die Chefs der Münchener-Rück<br />

<strong>un</strong>d der Allianz-Leben. Und was dieser Arbeitskreis getan hat, ist auf<br />

den ersten Seiten dieses Buches nachzulesen. Er hat - wie DER<br />

SPIEGEL noch einmal im Jahre 1990 berichtete - "mit Parteispenden<br />

die politische Landschaft gepflegt". Die Allianz hatte außerdem<br />

einen "Meister" im Lobbyismus, der im Finanzministerium wie ein<br />

leitender Beamter ein <strong>un</strong>d ausging. So erhielt die Branche - <strong>un</strong>d mit<br />

ihr die Allianz - über einen B<strong>un</strong>destagausschuß, besetzt mit Spendenempfängern,<br />

ihre Ausnahme vom Gesetz über die Allgemeinen<br />

Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen.<br />

Allianz-Vertreter schließen - wie ihre Kollegen der anderen teuren<br />

Gesellschaften - fast nur Zehnjahresverträge ab. Sie müssen dieses<br />

auch t<strong>un</strong>, wenn sie hohe Provisionen kassieren möchten. Und<br />

bei jeder passenden Gelegenheit, werden auslaufende Verträge vom<br />

Vertreter oder durch geschickte Allianz-Aktionen auf weitere zehn<br />

Jahre verlängert. So ist fast zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen<br />

wäre, wie die Allianz ihre Unfallversicherten anschreibt, sich für die<br />

175


zehnjährige Treue bedankt <strong>un</strong>d - natürlich nur bei Verlänger<strong>un</strong>g des<br />

Vertrages um weitere zehn Jahre - einen "Treue-Rabatt" von zehn<br />

Prozent auf doppelt bis dreifach zu teure Versicher<strong>un</strong>gen anbietet.<br />

Aktionen aus Furcht vor der europäischen Konkurrenz <strong>un</strong>d aus<br />

Furcht davor, daß die Politiker - aufgr<strong>un</strong>d des öffentlichen Drucks -<br />

die Zehnjahresverträge kippen könnten.<br />

Auch im Bereich der Lebensversicher<strong>un</strong>g wurde der Staat zum<br />

besten Helfer - bei der Werb<strong>un</strong>g mit der Steuerfreiheit der Erträge<br />

<strong>un</strong>d bei der Knebel<strong>un</strong>g der Versicherten durch hohe Verluste bei<br />

vorzeitiger Kündig<strong>un</strong>g. Diese "Verkaufsförder<strong>un</strong>g mit Bestandsschutz"<br />

für meist <strong>un</strong>sinnige Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d die<br />

viel zu teuren, aber <strong>un</strong>kündbaren Zehnjahresverträge bei anderen<br />

Versicher<strong>un</strong>gen führten dazu, daß - wie DER SPIEGEL im Jahre<br />

1990 meinte - "die Allianz inzwischen auf einem so hohen Geldhaufen<br />

sitzt, daß selbst die selbstherrliche Deutsche Bank nervös geworden<br />

ist". An jedem Arbeitstag müssen die Anlage-Experten der<br />

Allianz mehr als 70 Millionen Mark irgendwo anlegen. Der Konzern<br />

verfügt über Kapitalanlagen von 140 Milliarden Mark - nur Buchwert<br />

! - Die wahren Werte liegen <strong>wesen</strong>tlich höher. Von diesen<br />

Vermögenswerten gehören der Allianz angeblich etwa 50 Milliarden<br />

Mark. Denn so hoch ist ihr Börsenwert. Bei diesen Zahlen könnte<br />

man dem Allianz-Chef Schieren fast glauben, daß die Allianz im Jahre<br />

2000 der größte Investor der deutschen Wirtschaft sein will. DIE<br />

WELT überschrieb im August 1990 einen Artikel: "Allianz: Teuerste<br />

Versicher<strong>un</strong>g der Welt." Gemeint war nach Börsenwert, aber es<br />

könnte auch in Bezug auf ihre Prämien zutreffen.<br />

Die Allianz: So wird Vermögen <strong>un</strong>sichtbar<br />

DER SPIEGEL schrieb im Jahre 1990: "Unter den deutschen<br />

Groß<strong>un</strong>ternehmen hat es die Allianz zu zweifellos besonderer Meisterschaft<br />

im Verstecken ihrer Reserven gebracht. Aus den Bilanzen<br />

sind die Vermögenswerte des Konzerns nicht herauszulesen, dort<br />

stehen nur die Buchwerte. So stand bei der Allianz-Holding die 46-<br />

Prozent-Beteilig<strong>un</strong>g an der Allianz-Leben bis Ende 1988 mit mageren<br />

76,6 Milionen Mark in der Bilanz. An der Börse hätte das Paket<br />

bei den damaligen Kursen r<strong>un</strong>d vier Milliarden Mark eingebracht." -<br />

Rechnen wir einmal nach: Der Buchwert ist fünfzigmal (!) niedriger<br />

als der wahre Wert - eine fünfzigmal höhere stille Reserve von fast<br />

vier Milliarden Mark ! -<br />

176


Die Allianz Leben, Tochter der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>konzerne Münchener<br />

Rück <strong>un</strong>d Allianz-Holding wird entscheidend von den Interessen<br />

der miteinander eng verflochtenen Mütter bestimmt. So kommt<br />

die Münchener Rück alljährlich in den Genuß problemloser Rückversicher<strong>un</strong>gs-"Gewinne".<br />

Die Allianz-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG als weitere<br />

Tochter nutzt die Allianz-Leben für eine optimale Auslast<strong>un</strong>g des<br />

eigenen Vertriebs - für dessen Mitinanspruchnahme die Leben natürlich<br />

an die Mutter erhebliche Beiträge bezahlen muß. Aber auch<br />

die Allianz Leben selbst kommt nicht zu kurz. Sie machte in etlichen<br />

Jahren fast fünfzig Prozent des Aktienkapitals als "Gewinn". "Eine<br />

ersta<strong>un</strong>liche Relation", meinte hierzu ein Wirtschaftsmagazin.<br />

Kommen wir wieder zur Kardinalfrage: Wem gehört n<strong>un</strong> dieses<br />

ganze Geld ? - Niemand kann diese Frage beantworten. Die Allianz<br />

hat aber gleich zwei Antworten parat: Werbe- <strong>un</strong>d Rechtsabteil<strong>un</strong>g<br />

sowie Vorstand <strong>un</strong>d Generaldirektor bezeichneten die Allianz stets<br />

als "Treuhänder der anvertrauten Versicherten- oder Spargelder der<br />

K<strong>un</strong>den" - wann immer es nützlich erschien. Gegenüber der Staatsanwaltschaft<br />

<strong>un</strong>d dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt behauptet die Allianz allerdings,<br />

<strong>un</strong>eingeschränkter Eigentümmer aller verwalteten Gelder<br />

<strong>un</strong>d Vermögensanlagen zu sein. Das heißt, wem welches Geld gehört,<br />

ist für die Allianz - wie für viele andere auch - eine Frage, die<br />

sich nicht nach dem Gesetz beantwortet, sondern danach, wer diese<br />

"dumme" Frage stellt.<br />

Was macht die Allianz mit „ihrem“ Geld?<br />

Einfacher zu beantworten ist die Frage, was die Allianz mit dem<br />

ganzen Geld gemacht hat oder noch macht. Sie hat damit etwa<br />

34.000 Wohn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d 8.000 gewerbliche Mietobjekte gekauft <strong>un</strong>d<br />

ist so einer der größten Immobilienbesitzer der Republik. Mit den<br />

Mietern scheint die Allianz allerdings ebenso skrupellos umzugehen<br />

wie mit ihren Versicherten. So jedenfalls die Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g<br />

im Oktober 1989: "Mieterhöh<strong>un</strong>g am Gesetz vorbei - Seit Oktober<br />

müssen die Mieter in r<strong>un</strong>d 200 Wohn<strong>un</strong>gen der Allianz in Neuharlaching<br />

beträchtlich mehr Miete zahlen - ohne daß das gesetzliche<br />

Mieterhöh<strong>un</strong>gsverfahren eingeleitet worden war. Besonders empörend,<br />

daß Mietern, die mit der Erhöh<strong>un</strong>g nicht einverstanden waren,<br />

angedroht wurde, sie müßten die Kosten für einen Sachverständigen<br />

übernehmen. Nach dem Gesetz muß vielmehr der Vermieter die<br />

177


Angemessenheit seines Erhöh<strong>un</strong>gsbegehrens auf eigene Kosten<br />

nachweisen."<br />

Der Allianz gehören viele Unternehmen oder sie ist zumindest an<br />

ihnen beteiligt - so zum Beispiel die Münchener Leben, Inter<strong>un</strong>fall,<br />

Bayerische <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bank, Frankfurter Versicher<strong>un</strong>g, Münchener<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g, Bayerische Hypotheken- <strong>un</strong>d Wechselbank,<br />

Deutsche Krankenversicher<strong>un</strong>g (angeblich Europas größte), Hamburg-Mannheimer<br />

Versicher<strong>un</strong>g, Karlsruher Versicher<strong>un</strong>g, Berlinische<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g, Hermes Kreditversicher<strong>un</strong>g, Beiersdorf,<br />

Hutschenreuther, MAN-Holding, Frankfurter Metallgesellschaft,<br />

Heidelberger Druckmaschinen, Daimler-Benz usw. Man m<strong>un</strong>kelt,<br />

daß die Allianz auch noch beim ADAC einsteigen <strong>un</strong>d mit diesem<br />

eine Autoversicher<strong>un</strong>g gründen will.<br />

In letzter Zeit schluckte die Allianz - ganz oder teilweise - auch<br />

außerhalb Deutschlands etliche große <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen:<br />

die italienische RAS-Gruppe, die britische Cornhill, die französische<br />

Rhin et Moselle, die staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen von Ungarn<br />

<strong>un</strong>d der DDR <strong>un</strong>d die amerikanische Fireman's F<strong>un</strong>d. Finanzieller<br />

Aufwand fast 10 Milliarden Mark. Allein für den letzten Deal<br />

in den USA mußte die Allianz 3,3 Milliarden Dollar, also über fünf<br />

Milliarden Deutsche Mark auf den Tisch legen. Dafür brauchte sich<br />

der Konzern nur gerade mal 750 Millionen Dollar über eine Optionsanleihe<br />

am Kapitalmarkt zu beschaffen. Den Rest hatte die Allianz<br />

in der "Kriegskasse". Also brauchte sie, wie Allianz-Chef Schieren<br />

meinte, "nicht einmal im entferntesten ans Familiensilber zu gehen".<br />

- Ob er wohl die Familie der Allianz-Versicherten meinte oder<br />

die Familie derer, denen nach seiner Mein<strong>un</strong>g das ganze Geld gehört<br />

- die Familie der Aktionäre?<br />

Ex-Allianz-"General" Wolfgang Schieren<br />

Wolfgang Schieren, sagte ein Unternehmensberater dem SPIEGEL,<br />

sei der "heimliche Regisseur der deutschen Wirtschaft". Und trotzdem<br />

weiß man recht wenig über den Allianz-Chef Schieren, auch der<br />

"General" genannt. Er scheut das Licht der Öffentlichkeit. Vielleicht<br />

schämt er sich auch dessen, was er tut. Unter den ausführlich beschriebenen<br />

Verhältnissen kommt es bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

nämlich nicht auf <strong>un</strong>ternehmerische Leist<strong>un</strong>g an, sondern Unternehmensgewinne<br />

hängen nur von zwei Dingen ab: von der Skrupellosigkeit<br />

beim Umgang mit dem ihm anvertrauten Versicherten-<br />

178


geld <strong>un</strong>d von der Art <strong>un</strong>d Weise, wie das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für<br />

das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> skrupellose Manager gewähren läßt. Ethik,<br />

Moral <strong>un</strong>d Verantwort<strong>un</strong>g sind also Fremdwörter für einen, der für<br />

den guten Zweck Versicher<strong>un</strong>g möglichst viel Geld kassiert <strong>un</strong>d<br />

möglichst wenig ausgibt, damit möglichst hohe Überschüsse in die<br />

Taschen der Aktionäre fließen.<br />

Haben seine Vorgänger die Allianz-Versicherten ausgebeutet <strong>un</strong>d<br />

dafür eine schlagkräftige Organisation aufgebaut, so kamen auf den<br />

Allianz-Chef Schieren Anfang der siebziger Jahre ganz andere Aufgaben<br />

zu. Die Marktanteile der Allianz gingen in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

zurück. Um n<strong>un</strong> die schwindenden oder stagnierenden Bestände zu<br />

vertuschen, entwickelte Schieren eine Welterorber<strong>un</strong>gsstrategie, die<br />

dem Größenwahn eines Diktators entspr<strong>un</strong>gen sein könnte: Die Allianz<br />

habe - wie die Zeit<strong>un</strong>gen berichten - "die ganze Welt im Auge".<br />

Träumte einer seiner Vorgänger noch vom "sportlich gedachten<br />

Wettkampf in einer Palästra", scheint Schieren von einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Weltkrieg<br />

zu träumen. Er soll sich - laut SPIEGEL - schon als<br />

Siebzehnjähriger freiwillig als Offiziersanwärter an die Front beworben<br />

<strong>un</strong>d eine Vorliebe für "Gediente" <strong>un</strong>d Ex-Berufssoldaten haben,<br />

wohl wegen der strategischen Ausbild<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d des blinden Gehorsams.<br />

Und er gebraucht gerne Kriegsvokabular. So bezeichnet der<br />

"General" Schieren das von den Versicherten erbeutete Geld gerne<br />

als "Kriegskasse". Und diese Kriegskasse aus objektiv ver<strong>un</strong>treutem<br />

Versichertengeld ist die Hauptwaffe der Wirtschafts-Supermacht Allianz<br />

<strong>un</strong>d ihres "Generals" Schieren.<br />

Vor allem der Profit muß stimmen, so schrieb DER SPIEGEL<br />

im Jahre 1990. Ich selbst erfuhr dieses Profitdenken von Schieren,<br />

als ich Mitte der siebziger Jahre als damaliger Allianz-Vertreter die<br />

hohen Prämien <strong>un</strong>d die <strong>un</strong>genügenden Gegenleist<strong>un</strong>gen der Allianz<br />

kritisierte. Schieren erwiderte nur: "Was wollen sie denn, gucken Sie<br />

sich doch <strong>un</strong>sere Geschäftsergebnisse an!" - Gemeint war: So lange<br />

die Verbraucher so dumm sind, die hohen Allianz-Prämien zu bezahlen,<br />

<strong>un</strong>d nicht merken, daß sie keine entsprechende Gegenleist<strong>un</strong>g<br />

bekommen, brauchen die Allianz-Prämien nicht gesenkt zu<br />

werden.<br />

Die Zeitschrift "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft" berichtete: "Vor einigen<br />

Wochen wurde Dr. Schieren mit dem Großen Verdienstkreuz<br />

der B<strong>un</strong>desrepublik Deutschland ausgezeichnet. Hierzu sprach B<strong>un</strong>deskanzler<br />

Helmut Kohl folgende Würdig<strong>un</strong>g aus: 'Ich nehme diese<br />

Gelegenheit gern zum Anlaß, Ihnen für Ihr langjähriges erfolgrei-<br />

179


ches Wirken im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d für die Wirtschaft <strong>un</strong>seres<br />

Landes Anerkenn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Dank auszusprechen. Ihr Wissen <strong>un</strong>d Ihre<br />

reichen Erfahr<strong>un</strong>gen machen Sie zu einem geschätzten Berater für<br />

Wirtschaft <strong>un</strong>d Politik gleichermaßen." -<br />

Dagegen war im Juli 1990 im Handelsblatt eine Anzeige des<br />

"manager magazin" zu lesen: "Karriere bis zum Knast - Sie verdienen<br />

glänzend, sie besitzen Macht <strong>un</strong>d Prestige. Aber sie sind <strong>un</strong>ersättlich,<br />

wollen immer mehr <strong>un</strong>d pfeifen dabei auf Recht <strong>un</strong>d Gesetz.<br />

Immer häufiger landen Manager deshalb auf der Anklagebank.<br />

Sind sie alle skrupellose Egomanen ?" - Wenn <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager<br />

noch nicht hinter Gittern sitzen, dann haben sie es falschen Gesetzen<br />

<strong>un</strong>d Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gsvorschriften zu verdanken, die nicht<br />

nur Betrug <strong>un</strong>d Untreue ermöglichen, sondern gleichzeitig auch das<br />

Alibi für die Legalität des größten Wirtschaftsverbrechens aller Zeiten<br />

liefern.<br />

Allianz-Konzerntrenn<strong>un</strong>g - Milliarden beiseite geschafft<br />

Ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager äußerte einmal im SPIEGEL: "Wenn das<br />

Geschäft so weiterläuft wie bisher, dann kommt <strong>un</strong>s das Geld bald<br />

zu den Ohren raus!" - Dieses Problem hatte auch Allianz-General<br />

Schieren. Allerdings <strong>un</strong>terlag die Beute der Allianz-Kriegszüge den<br />

Kapitalanlagevorschriften des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes. Er<br />

konnte also mit den Allianz-Milliarden nicht machen, was er wollte.<br />

Da hatte der Schieren-Stab eine "geniale" Idee, um zwei bis fünf<br />

Milliarden Mark Versichertengeld der staatlichen Aufsicht <strong>un</strong>d den<br />

Versicherten zu entziehen: Das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz verbietet<br />

zwar das Verschenken von Vermögenswerten, die aus Versichertengeld<br />

entstanden sind. Es verbietet aber nicht das Verschenken<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>k<strong>un</strong>den.<br />

So verschenkte die Allianz <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG ihre Versicherten<br />

im Jahre 1985 an eine Konzerngesellschaft, die Sec<strong>un</strong>da Vermögensverwalt<strong>un</strong>gsgesellschaft<br />

mbH, die im selben Augenblick in Allianz-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG<br />

umgetauft wurde. Man nannte das "Bestandsübertrag<strong>un</strong>g".<br />

Und hierfür schreibt das Gesetz lediglich vor,<br />

daß die alte Allianz auf die neue Allianz nur so viel Vermögen übertragen<br />

mußte, daß eine Mindestausstatt<strong>un</strong>g mit Eigenkapital für die<br />

dauernde Erfüllbarkeit der Verträge (Solvabilität) gewährleistet war.<br />

Diese Voraussetz<strong>un</strong>g erfüllte die alte Allianz natürlich mit links. So<br />

war das Ziel erreicht: Die alte Allianz war ohne ihre Versicherten<br />

180


keine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft mehr. Sie <strong>un</strong>terlag nicht mehr der<br />

staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht. Bei ihr waren aber Milliardenwerte<br />

verblieben - Versichertengeld, für das die Kapitalanlagevorschriften<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aufsichtsgesetzes n<strong>un</strong> nicht mehr galten. So<br />

machte man aus der alten Allianz eine Allianz-Holding. Und verwirklicht<br />

war, was nach dem Gesetz verboten ist - eine Vermögensaussonder<strong>un</strong>g.<br />

So erklärte "Allianz-General" Schieren Anfang 1985<br />

einem SPIEGEL-Redakteur vor der Konzerntrenn<strong>un</strong>g ganz frech,<br />

"daß zwei Milliarden Mark der Aufsicht entzogen werden, wenn Sie<br />

so wollen".<br />

Zeit<strong>un</strong>gsberichten zufolge war der damalige Präsident des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes,<br />

August Angerer, schon lange vorher in das Vorhaben<br />

der Allianz eingeweiht. Er signalisierte schon im Jahre 1984 -<br />

zum Beispiel im "Handelsblatt" - "Verständnis für die Pläne der Allianz",<br />

also zu einem Zeitp<strong>un</strong>kt, als seine Behörde eigentlich offiziell<br />

noch gar nicht mit der Umstrukturier<strong>un</strong>g im Allianz-Konzern befaßt<br />

war. Angerer zeigte dagegen kein Verständnis für das Interesse der<br />

Versicherten an Beitragssenk<strong>un</strong>gen oder Beitrasgrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

aus den gewaltigen Prämienüberschüssen der Allianz. Statt den Antrag<br />

durch die Beschlußkammer seines Amtes prüfen zu lassen, zog<br />

Präsident Angerer alle Kompetenzen an sich <strong>un</strong>d genehmigte selbst<br />

<strong>un</strong>d allein die Schein-Übertrag<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bestandes zwischen<br />

der alten <strong>un</strong>d neuen Allianz.<br />

Die Versicherten wurden nicht gefragt <strong>un</strong>d erhielten einen um<br />

viele Milliarden Mark ärmeren Schuldner für ihre <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen.<br />

Der gesetzlich verankerte Gr<strong>un</strong>dsatz, daß ein Gläubiger zustimmen<br />

muß, wenn sein Schuldner ausgetauscht wird, ist im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aufsichts-Gesetz<br />

ausdrücklich gestrichen worden. Viele<br />

Allianz-Versicherte wissen wahrscheinlich heute noch nicht, daß sie<br />

im Jahre 1985 von einer reichen Allianz auf eine neue, ärmere Allianz<br />

abgeschoben worden sind. Die Allianz-Versicherten hatten vor<br />

der Konzerntrenn<strong>un</strong>g in der alten Allianz <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong> AG einen<br />

Vertragspartner mit einer Bilanzsumme von 17,631 Milliarden Mark.<br />

Nach der Konzerntrenn<strong>un</strong>g verfügte die neue Allianz <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><br />

AG nur noch über eine Bilanzsumme von etwa der Hälfte, nämlich<br />

8,518 Milliarden Mark. Aus dem ausgesonderten Kapital fallen die<br />

Erträge jetzt direkt bei der Holding an <strong>un</strong>d stehen jetzt auch praktisch<br />

nicht mehr für Solvabilitätsrechn<strong>un</strong>gen, Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

oder als Gr<strong>un</strong>dlage für Prämiensenk<strong>un</strong>gen zur Verfüg<strong>un</strong>g. Ebenso<br />

werden künftige Überschüsse bei der neuen Allianz Versiche-<br />

181


<strong>un</strong>gs AG durch einen Gewinnabführ<strong>un</strong>gsvertrag ständig an die<br />

Holding abgeführt, stehen danach also auch nicht mehr für diese<br />

Zwecke zur Verfüg<strong>un</strong>g.<br />

Gegen diesen Schachzug der Allianz <strong>un</strong>d die konzertierte Aktion<br />

mit dem Aufsichtsamtspräsidenten kämpfte einzig <strong>un</strong>d allein der<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten an - ohne Erfolg. Die Beschlußkammer des<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes ließ einen Widerspruch der von mir vertretenen<br />

Allianz-Versicherten nicht zu. Die anschließende Klage wurde<br />

vom B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht zwar als zulässig angesehen, aber als<br />

<strong>un</strong>begründet abgewiesen. Die Urteilsgründe sind allerdings lesenswert,<br />

weil sie eine versteckte Kritik am Gesetzgeber <strong>un</strong>d am B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> enthalten:<br />

Das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz verlange bei einer Bestandsübertrag<strong>un</strong>g<br />

nicht die Übertrag<strong>un</strong>g des gesamten Vermögens. Das<br />

Gesetz nehme in Kauf, daß bei der Übertrag<strong>un</strong>g eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bestandes<br />

eine Trenn<strong>un</strong>g von dem restlichen freien Vermögen<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens erfolgen könne. Und dann die Sätze:<br />

"Es mag zwar <strong>un</strong>billig sein, wenn die Versicherten mit den Prämien<br />

erhebliche Sicherheitszuschläge zahlen <strong>un</strong>d diese Zuschläge,<br />

soweit sie nicht benötigt werden, allein bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

als Gewinne verbleiben. Falls in dieser Hinsicht Bedenken<br />

bestehen, mag das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

gehalten sein, im Rahmen seiner Aufsicht ein zu beanstandendes<br />

Mißverhältnis der beiderseitigen Leist<strong>un</strong>gen zu verhindern. Eine etwaige<br />

Unausgewogenheit in der Vergangenheit rechtfertigt es nicht,<br />

n<strong>un</strong>mehr anläßlich einer Bestandsübertrag<strong>un</strong>g ein Recht auf Beteilig<strong>un</strong>g<br />

an den Gewinnen dieses Vermögens anz<strong>un</strong>ehmen."<br />

Also sieht das Gericht - wie der B<strong>un</strong>d der Versicherten - das<br />

Problem v o r der Allianz-Konzerntrenn<strong>un</strong>g - nämlich im Versagen<br />

der Staatsaufsicht. Das Aufsichtsamt hat nichts gegen die völlig überteuerten<br />

Prämien der Allianz <strong>un</strong>ternommen, die zu den gewaltigen<br />

Kapitalansamml<strong>un</strong>gen geführt haben. Die Versicherten konnten<br />

wegen der großen Intransparenz <strong>un</strong>d fehlender Wettbewerbsvoraussetz<strong>un</strong>gen<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich die Überteuer<strong>un</strong>gen kaum erkennen<br />

oder wegen der zehnjährigen Vertragsbind<strong>un</strong>g darauf nicht<br />

reagieren. Unter diesen Beding<strong>un</strong>gen wäre es die Aufgabe des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes<br />

ge<strong>wesen</strong>, auf Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen oder Beitragssenk<strong>un</strong>gen<br />

bei der Allianz hinzuwirken. So schreibt Ralf Tönnies<br />

in seiner Abhandl<strong>un</strong>g "Staatshaft<strong>un</strong>g für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht":<br />

"Der Schutz der Versicherten vor Übervorteil<strong>un</strong>gen, ein we-<br />

182


sentlicher Zweck der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht, kann nicht gewährleistet<br />

werden, wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsbehörden nicht ein zu<br />

hohes Prämienniveau zu verhindern suchen." In der Schweiz wurde<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsbehörde sogar ausdrücklich zum "Prämienüberwacher"<br />

gemacht.<br />

Die Allianz konnte selbst durch hohe Kosten <strong>un</strong>d Gewinne die<br />

Überschüsse ihrer teuren Prämien nicht abbauen. So kam es zwangsläufig<br />

zu einer totalen kapitalmäßigen Überdeck<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bestandes.<br />

Auch das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht meint, die Aneign<strong>un</strong>g<br />

von Teilen dieses Vermögens durch die Allianz sei <strong>un</strong>billig.<br />

Das Aufsichtsamt hätte eingreifen müssen. Aber nachdem dies nicht<br />

geschehen sei, könnte das Gericht das vom Aufsichtsamtsprädidenten<br />

genehmigte Beiseiteschaffen von Versichertengeldern nicht<br />

rückgängig machen.<br />

Zweck der Bestandsübertrag<strong>un</strong>g war eine verbotene Kapitalaussonder<strong>un</strong>g.<br />

Dr. Mudrack, Referatsleiter im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt, kritisierte<br />

nach dem Ausscheiden seines Präsidenten die bisherige Praxis<br />

des Amtes bei der Genehmig<strong>un</strong>g von Konzernumbild<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>ter<br />

dem Deckmantel von Bestandsübertrag<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d meint, daß ein<br />

Anlaß besteht, "das geltende Recht der Bestandsübertrag<strong>un</strong>g zu überdenken".<br />

Für die Allianz-Versicherten zu späte Überleg<strong>un</strong>gen !<br />

In der bereits mehrfach erwähnten B<strong>un</strong>destagsdrucksache aus<br />

dem Jahre 1982 wurde festgestellt, daß Prämienüberschüsse eigentlich<br />

den Versicherten zugute kommen müssen, daß dieses aber nicht<br />

geschieht, weil die Gesellschaften ihre Verluste aus dem Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich<br />

mit den Überschüssen aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

voll zu Lasten der Versicherten saldieren. Diese Feststell<strong>un</strong>g könnte<br />

jetzt neu gefaßt <strong>un</strong>d um die Allianz-Variante erweitert werden: Die<br />

Überschüsse werden den Versicherten auch dann nicht gutgebracht,<br />

wenn sie problemlos durch Konzerntrenn<strong>un</strong>gen beiseitegeschafft<br />

werden können.<br />

Nach der gesetzwidrigen Kapitalaussonder<strong>un</strong>g auf legalen Umwegen<br />

nutzte die Allianz-Holding - als Nicht-<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft von allen Zwängen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

<strong>un</strong>d der Versiocher<strong>un</strong>gsaufsicht befreit - umgehend<br />

das ausgesonderte Kapital zur Auflös<strong>un</strong>g darin enthaltener stiller<br />

Reserven. So berichtet die "Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g" schon nach einem<br />

halben Jahr Existenz der Allianz-Holding im Februar 1986 von "beachtlichen<br />

außerordentlichen Erträgen aus Gewinnrealisier<strong>un</strong>gen"<br />

durch den Verkauf von Vermögenswerten, in denen erhebliche stille<br />

183


Reserven steckten. Diese Erträge <strong>un</strong>d das ausgesonderte Kapital<br />

wurden umgehend für weitere - vor allem auch internationale - Beteilig<strong>un</strong>gen<br />

an Unternehmen eingesetzt, worüber ebenfalls in vielen<br />

deutschen Zeit<strong>un</strong>gen berichtet wurde <strong>un</strong>d noch heute berichtet wird<br />

- zuletzt im August 1990 in der Süddeutschen Zeit<strong>un</strong>g, die nach dem<br />

Kauf der US-Gesellschaft Fireman's F<strong>un</strong>d für 5,3 Milliarden Mark<br />

die Frage aufwarf "Wo hat die Allianz die Milliarden her?" <strong>un</strong>d dann<br />

schrieb: "Es kommt darauf an, wie man das Wesen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geschäfts<br />

zu beurteilen hat. Das aber ist weder in der wissenschaftlichen<br />

Lehre noch in der Rechtsprech<strong>un</strong>g eindeutig entschieden.<br />

So wird weiter der Streit darüber gehen, ob solche Milliarden<br />

dem Aktionärsbereich oder dem Versichertenbereich zuzurechnen<br />

seien."<br />

Der Überfall auf die Staatliche Versicher<strong>un</strong>g der DDR –<br />

Vom SED-Regen in die Allianz-Traufe<br />

Prof. Reifner schreibt im J<strong>un</strong>i 1990 in der Zeitschrift "Verbraucher<br />

<strong>un</strong>d Recht": "Die Umstände bei der Genehmig<strong>un</strong>g der Allianz-<br />

Konzrentrenn<strong>un</strong>g haben deutlich gemacht, wie wenig beherrschbar<br />

die Machtfülle der Allianz noch ist. Inzwischen hat die handstreichartige<br />

Beteilig<strong>un</strong>g am Monopolversicherer der DDR dies wieder<br />

einmal <strong>un</strong>ter Beweis gestellt, weil mit diesem Coup, wenn Bonn<br />

nicht die Notbremse zieht, im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich die sozialistische<br />

lediglich durch eine kapitalistische Kommandowirtschaft ersetzt<br />

werden dürfte."<br />

Ein Handstreich, der sowohl die Skrupellosigkeit wie auch die<br />

generalstabsartige Arbeit der Allianz zeigt, war der rabiate Zugriff<br />

auf das Monopol der Staatlichen Versicher<strong>un</strong>g der DDR. Kurz vor<br />

der Abwahl des komm<strong>un</strong>istischen Regimes hat die Allianz mit Parteibonzen,<br />

deren Sturz besiegelt war, noch schnell einen Vertrag<br />

ausgehandelt, der ihr die Mehrheit an der Staatlichen Versicher<strong>un</strong>g<br />

der ehemaligen DDR verschaffte. Dieser Vertragsschluß hat den<br />

Unterzeichnern auf der DDR-Seite mit Sicherheit persönliche finanzielle<br />

Vorteile gebracht - <strong>un</strong>d sei es nur eine wohldotierte Position<br />

im erweiterten Allianz-Konzern. Alles in allem ein schmutziges <strong>un</strong>d<br />

höchst zweifelhaftes Geschäft. Da die DDR zu diesem Zeitp<strong>un</strong>kt<br />

noch Ausland war, konnten nicht einmal <strong>un</strong>ser Kartellamt <strong>un</strong>d <strong>un</strong>sere<br />

Aufsichtsbehörden gegen den Deal Einwände erheben. Damit<br />

sind auch die ehemaligen DDR-Bürger künftig dem Diktat <strong>un</strong>d den<br />

184


teuren Prämien der Allianz ausgeliefert. Und sie werden - ahn<strong>un</strong>gslos<br />

- Millionen Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen abschließen, mit denen<br />

die Allianz die ersten Milliarden <strong>un</strong>d auf Dauer Zig-Milliarden<br />

an D-Mark in der ehemaligen DDR absahnen wird. Die ehemaligen<br />

DDR-Bürger sind also vom SED-Regen in die Allianz-Traufe gekommen.<br />

Z<strong>un</strong>ächst hatten über fünfzig Gesellschaften um das einzige<br />

DDR-Unternehmen geworben <strong>un</strong>d auch ihre Hilfe angeboten. Mit<br />

ihnen wurde aber nicht ernsthaft verhandelt. Auch der B<strong>un</strong>d der<br />

Versicherten hatte seine Unterstütz<strong>un</strong>g angeboten, wurde auch zu<br />

Gesprächen eingeladen, dann aber wieder ausgeladen. Jetzt herrscht<br />

allseits "Unmut über die Entwickl<strong>un</strong>g" - Das einzige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

der DDR hat eine Chance der St<strong>un</strong>de Null vertan. Gerade<br />

das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist ein Bereich, in dem ein ehemaliges<br />

DDR-Unternehmen mit wenig Investitionen viel Kapital hätte ansammeln<br />

können - auch durch die Ausweit<strong>un</strong>g günstiger Angebote<br />

in die gesamte B<strong>un</strong>desrepublik. Aber der Allianz-"Geier" war<br />

schneller. Die staatliche Versicher<strong>un</strong>g mit einer Jahresprämieneinnahme<br />

von etwa 7 Milliarden Mark wurde für etwas über 200 Milliarden<br />

Mark aufgekauft - also für 'n Appel <strong>un</strong>d 'n Ei ! - Dabei hat<br />

sich die Allianz von allen Risiken der Vergangenheit befreien lassen<br />

<strong>un</strong>d diese der Regier<strong>un</strong>g aufgebürdet, weil in der DDR die Prämien<br />

allesamt an den Staat gingen, also keine Rückstell<strong>un</strong>gen gebildet<br />

wurden. Der Preis ist aber im Gr<strong>un</strong>de nur eine Einlage im eigenen<br />

Unternehmen <strong>un</strong>d kein Kaufpreis, der an die DDR-<br />

Treuhandgesellschaft hätte gezahlt werden müssen. Die Altlasten der<br />

DDR-Versicher<strong>un</strong>g wird der Steuerzahler tragen müssen. Ein Bombengeschäft<br />

für die Allianz ! -<br />

Die Nacht- <strong>un</strong>d Nebel-Aktion der Allianz löste allgemein Unmut<br />

aus. EG-Kommisar Brittain bezeichnet den Vorgang als "Erbsünde<br />

gegen das EG-Recht". Colonia-Vorstandsvorsitzender Dieter Wendelstadt:<br />

"Hier wurde ein Staatsmonopol durch ein Privatmonopol<br />

abgelöst <strong>un</strong>d ein ordn<strong>un</strong>gspolitischer Sündenfall ersten Ranges begangen."<br />

Der Chef der Gothaer macht einen "dezenten Hinweis"<br />

auf mögliche Korruption: "Es muß für die Zuk<strong>un</strong>ft verhindert werden,<br />

daß Verhandl<strong>un</strong>gspartner beim Verkauf von staatlichen Unternehmen<br />

die alten <strong>un</strong>d neuen Vorstände dieser Gesellschaft sind.<br />

Hier entsteht zwangsläufig der Konflikt, die persönlichen Interessen<br />

höher anzusetzen als das staatliche Wohl." -<br />

185


Zum Glück hatte das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

<strong>un</strong>ter seinem neuen Präsidenten der Ausbeut<strong>un</strong>g damaliger<br />

DDR-Bürger vorerst einen Riegel vorgeschoben. Viele Regel<strong>un</strong>gen,<br />

die die Entwickl<strong>un</strong>g der Allianz in der B<strong>un</strong>desrepublik begünstigt<br />

haben, wurden für das Gebiet der DDR gestrichen - allen<br />

voran die Zehnjahresverträge. Aber bei dem Einfluß der Allianz auf<br />

die Politik wird nach einem Beitritt der DDR zur B<strong>un</strong>dsrepublik das<br />

b<strong>un</strong>desdeutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sicher sehr bald auch auf dem<br />

Gebiet der ehemaligen DDR eingeführt - ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong><br />

jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb.<br />

"Die Macht der Allianz" - "Die Macht der Assekuranz"<br />

Der ermordete Deutsche Bank-Chef, Alfred Herrhausen, hat einmal<br />

in der Diskussion um die "Macht der Banken" gesagt: "Die Macht<br />

der Banken wird weit überschätzt im Vergleich zu dem, was sich im<br />

Bereich der Assekuranz tut." - Tatsächlich ist der Lobbyismus der<br />

Assekuranz <strong>wesen</strong>tlich effektiver als der anderer Finanzbranchen.<br />

Das sieht man allein schon an der Tatsache, daß Banken ihren K<strong>un</strong>den<br />

bei einer langfristigen Geldanlage - zum Beispiel für eine zusätzliche<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g - nicht gleiche Steuervorteile wie bei der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

bieten können. Ohne dieses einzigartige<br />

Privileg wären Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen eine miserable <strong>un</strong>d<br />

chancenlose langfristige Geldanlage.<br />

Fassen wir zusammen: Mit dem Geld der Versicherten als<br />

"Kriegskasse" <strong>un</strong>d mit "kriegerischer" Skrupellosigkeit haben die<br />

Allianz <strong>un</strong>d ihre Schwester, die Münchener Rückversicher<strong>un</strong>g, das<br />

b<strong>un</strong>desdeutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Un<strong>wesen</strong> geschaffen. Sie beherrschen<br />

die Verbände, diktieren das in der B<strong>un</strong>desrepublik extrem hohe<br />

Prämienniveau <strong>un</strong>d beeinflussen über Wissenschaft <strong>un</strong>d Lobby<br />

Regier<strong>un</strong>g, Staatsaufsicht <strong>un</strong>d Rechtsprech<strong>un</strong>g. Ohne die von den<br />

Politikern "erkauften" Rahmenbeding<strong>un</strong>gen - wie die Steuervorteile,<br />

Zehnjahresverträge, <strong>un</strong>geregelte Vermögensverhältnisse, falsche<br />

Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d eine blinde Staatsaufsicht - wäre der Siegeszug<br />

der Allianz <strong>un</strong>möglich ge<strong>wesen</strong>. Dem Generaldirektor der Allianz-Leben,<br />

Arnold Bäumer, meinte allerdings schon vor Jahren im<br />

"manager magazin": "Dieses Paradies ist womöglich auch der Weg<br />

in die Hölle."<br />

Hätten wir im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> rechtsstaatliche <strong>un</strong>d marktwirtschaftliche<br />

Verhältnisse, wäre vieles, was die Allianz getan hat,<br />

186


kriminell. Das müssen die Verantwortlichen eigentlich wissen. Und<br />

deshalb versuchen sie jetzt wohl auch, sich den Anschein von Wohltätern<br />

der Menschheit zu geben. So ließ sich die Allianz zum h<strong>un</strong>dertjährigen<br />

Jubiläum im Beisein des B<strong>un</strong>despräsidenten als "Wohltäter"<br />

feiern, indem sie mit dem objektiv ver<strong>un</strong>treuten Geld der Versicherten<br />

eine "Stift<strong>un</strong>g zum Schutz des Lebens in einer gesicherten<br />

Zuk<strong>un</strong>ft" eingerichtet hat. Das Handelsblatt bezeichnete die Allianz<br />

im Jahre 1990 als "Paradepferd der deutschen Wirtschaft" - Vielleicht<br />

ist sie doch nur ein Paradegeier mit dem Image einer Friedenstaube<br />

?! -<br />

187


KAPITEL 7<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen -<br />

"legaler Betrug"<br />

Bei den vielen Möglichkeiten der Verschwend<strong>un</strong>g, des Mißbrauchs<br />

<strong>un</strong>d der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld über den Tatort "Gewinn-<br />

<strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d bei der Skrupellosigkeit mancher<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager kann sich sicher jeder leicht vorstellen, welche<br />

katastrophalen Auswirk<strong>un</strong>gen derartige Rahmenbeding<strong>un</strong>gen<br />

auf die mit einem Sparvorgang verb<strong>un</strong>dene Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g haben müssen. Die Prämie zu dieser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>art<br />

besteht zu sechzig bis siebzig Prozent aus Spargeld, das -<br />

neben dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag <strong>un</strong>d einem Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt -<br />

in die <strong>un</strong>geteilte Prämie reingemengt ist. Hier gehen also weitaus<br />

höhere Summen an Treuhandgeld den Leidensweg der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Verschwend<strong>un</strong>g durch die Rechenwerke der Unternehmen.<br />

Erinnern wir <strong>un</strong>s an die weise Voraussicht des amerikanischen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsbeamten vor mehr als h<strong>un</strong>dert Jahren: "Da in<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>g Dinge miteinander vermengt sind, die getrennt<br />

werden sollten, <strong>un</strong>d weil das Wissen darüber, was bei einem<br />

solchen Vertrag eigentlich vor sich geht, nur auf einer Seite vorhanden<br />

ist, <strong>un</strong>d weil dadurch die Möglichkeit des Schwindels so groß ist,<br />

muß man sich fragen, ob Lebensversicher<strong>un</strong>gen jemals mit einem<br />

gewissen Grad von Ehrlichkeit betrieben werden."<br />

"Die Dinge, die in einer Lebensversicher<strong>un</strong>g miteinander vermengt<br />

sind" - <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag, Sparanteil <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt<br />

- sind bei der Prämienkalkulation nach entsprechenden Vorschriften<br />

des Aufsichtsamtes noch säuberlich getrennt <strong>un</strong>d werden -<br />

intern - auch einzeln kalkuliert: Verwalt<strong>un</strong>gskosten von sieben bis<br />

acht Prozent der Prämien <strong>un</strong>d Abschlußkosten von 35 Promille der<br />

neu abgeschlossenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe. Der Risikoanteil, der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen bei Sterbefällen,<br />

wird mit etwa zwanzig Prozent der Prämie kalkuliert. Der Rest der<br />

Prämie - etwa sechzig bis siebzig Prozent - macht den Sparanteil aus,<br />

der mit 3,5 Prozent zu verzinsen ist <strong>un</strong>d zusammen mit diesen Zinsen<br />

über die Laufzeit die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe ergeben soll.<br />

Dann geschieht aber folgendes: Die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

überschreiten fast alle ihre Kostenkalkulationen. In seiner<br />

188


Untersuch<strong>un</strong>g "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>märkte" vom J<strong>un</strong>i 1982 ermittelt Dr.<br />

Finsinger vom Wissenschaftszentrum Berlin Durchschnittskosten<br />

von 27 Prozent der Prämieneinnahme bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen.<br />

Bei tatsächlichen Kosten von 25 bis zu 80 Prozent entstehen<br />

zwangsläufig <strong>un</strong>ternehmerische Verluste. Dann zum Risikoanteil.<br />

Dieser ist mit etwa zwanzig Prozent viel zu hoch kalkuliert. Die Unternehmen<br />

kommen hier mit etwa zehn Prozent der Prämie aus.<br />

Mithin entstehen sogenannte Sterblichkeitsgewinne oder Risikoüberschüsse.<br />

Und schließlich zum Sparanteil: Die Unternehmen erzielen<br />

selbstverständlich höhere Erträge aus der Anlage des Versichertengeldes<br />

als die vorgeschriebenen 3,5 Prozent, in den letzten Jahren -<br />

einschließlich des Zuwachses bei den stillen Reserven - acht bis über<br />

zehn Prozent. Mithin entstehen sogenannte Zinsgewinne oder Zinsüberschüsse.<br />

Und jetzt findet zwischen diesen Positionen - nach außen<br />

<strong>un</strong>bemerkt - das oben beschriebene beliebige Ausgleichen <strong>un</strong>d<br />

Saldieren statt. Tatort für diese objektive Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld:<br />

Die Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen von Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Aktiengesellschaften.<br />

Um das ganze Ausmaß der "legalen Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d des "legalen<br />

Betruges" ermessen zu können, einige Zahlen: Es bestehen in<br />

der B<strong>un</strong>desrepublik derzeit über fünfzig Millionen Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen. Die Versicherten zahlen dafür Jahr für Jahr<br />

weit über vierzig Milliarden Mark an Prämien. Die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

verwalten ein Vermögen von über 400 Milliarden<br />

Mark, das bei realer Schätz<strong>un</strong>g vermutlich weit über 500 Milliarden<br />

Mark wert ist. Und dieses Vermögen bringt jährlich weitere Erträge<br />

<strong>un</strong>d Wertsteiger<strong>un</strong>gen von etwa vierzig Milliarden Mark. Angeblich<br />

werden jährlich etwa fünf Millionen neue Lebensversicher<strong>un</strong>gen abgeschlossen.<br />

Aber diese Zahlen sind - wie fast alle Branchenzahlen -<br />

getürkt <strong>un</strong>d haben keinerlei Aussagekraft.<br />

Mehr <strong>un</strong>d mehr Bürger, die eine Lebensversicher<strong>un</strong>g abgeschlossen<br />

haben, fühlen sich ver<strong>un</strong>sichert - vor allem durch wachsende<br />

Kritik an der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d viele sich widersprechende<br />

Berichte in den Medien. Dabei war die Lebensversicher<strong>un</strong>gswelt<br />

bis vor kurzem noch in Ordn<strong>un</strong>g. Die hohe Zahl der Verträge<br />

- fast drei pro erwerbstätigen B<strong>un</strong>desbürger - wurden von den<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen als "<strong>un</strong>geheurer Vertrauensbeweis"<br />

in die Lebensversicher<strong>un</strong>g gewertet. Die Unternehmen ließen<br />

sich außerdem durch eine Allensbach-Umfrage bestätigen, daß das<br />

"Produkt Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>verändert positiv beurteilt wird" <strong>un</strong>d sich<br />

189


"nahezu ne<strong>un</strong> von zehn Befragten über die letzte Berat<strong>un</strong>g durch<br />

den Außendienstmitarbeiter sehr zufrieden oder zufrieden äußerten".<br />

Kritik oder Mißtrauen gegenüber Gesellschaften <strong>un</strong>d Vertreter<br />

begegnet die Branche mit dem Hinweis auf die staatliche Aufsicht,<br />

auf die steuerliche Begünstig<strong>un</strong>g der Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d eine<br />

mehr als h<strong>un</strong>dertjährige Tradition. Alles in allem: Konkrete Kritik<br />

wurde nie so recht laut, kam zumindest nicht bei dem Normalverbraucher<br />

an.<br />

"Nennen Sie es Vorsorge, wir nennen es Liebe." So lautet denn<br />

auch ein Werbespruch der Hamburg Mannheimer. Und alle Prospekte<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen appellieren an diese Elternliebe<br />

mit farbigen Bildern von glücklichen Familien mit Kindern.<br />

Oder ein glückliches Rentner-Ehepaar strahlt auf einer Bank im<br />

Park. Und immer winkt die Hand mit dem Bündel H<strong>un</strong>dertmarkscheine.<br />

Stirbt ein Versicherter, zahlt die Gemeinschaft aller Versicherten<br />

aus den bereitgestellten Beiträgen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

an die Hinterbliebenen. Also neben Vorsorge <strong>un</strong>d Sparen auch noch<br />

Gemeinsinn <strong>un</strong>d gegenseitige Hilfe - praktizierte christliche Nächstenliebe.<br />

Kein W<strong>un</strong>der, daß Bürger, die von der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

nicht mehr kennen als die Branchenwerb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Vertretersprüche,<br />

dem Generaldirektor der Nürnberger Lebensversicher<strong>un</strong>g glauben,<br />

der kürzlich sagte, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Gesellschaften betrieben ein<br />

"mehr karitatives <strong>un</strong>d humanitäres als kommerzielles Gewerbe". Das<br />

glaubt offenbar auch jeder B<strong>un</strong>despräsident, der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managern<br />

laufend B<strong>un</strong>desverdienstkreuze umhängt.<br />

Ein Gericht entscheidet über „legalen Betrug“<br />

In dieses Gewinnparadies der Branche mußte Anfang der achtziger<br />

Jahre meine Kritik an der derzeitigen Form der Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g mit dem Vorwurf des "legalen Betruges" wie<br />

eine Bombe einschlagen. In einer Broschüre "Versicher<strong>un</strong>g - ja, aber<br />

...", die der B<strong>un</strong>d der Versicherten im September 1982 gemeinsam<br />

mit der Verbraucherzentrale Hamburg herausgegeben hatte, hatte<br />

ich geschrieben:<br />

"Die Lebensversicher<strong>un</strong>g zur Altersversorg<strong>un</strong>g ist ein 'legaler Betrug'.<br />

Diese Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g ist zu ne<strong>un</strong>zig Prozent überhaupt<br />

keine Versicher<strong>un</strong>g, sondern ein langfristiger Sparvertrag<br />

mit einer Rendite, die oft <strong>un</strong>ter der Inflationsrate liegt <strong>un</strong>d dann<br />

gleich Null ist. Mit den Geldern, die Lebensversicherten langfristig<br />

190


hingeben, verschaffen sich die Unternehmen aber inflationssichere<br />

Kapitalanlagen mit hohen Wertsteiger<strong>un</strong>gen, an denen die Versicherten<br />

nur selten beteiligt werden. Und der Staat verschafft sich<br />

hier billige langfristige Kredite, so daß man Beiträge für Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen in vielen Fällen auch als 'Steuer für Dumme'<br />

bezeichnen kann, die man hier mit angeblichen Steuervorteilen (die<br />

kaum zum Tragen kommen) zur langfristigen Geldhingabe verführt.<br />

Millionen B<strong>un</strong>desbürger haben durch den Abschluß falscher Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

Zigmilliarden Mark verloren - vor allem<br />

beim vorzeitigen Aussteigen aus diesen Verträgen <strong>un</strong>d die dann<br />

meist sehr geringe Beitragsrückzahl<strong>un</strong>g. Gewinner sind Staat <strong>un</strong>d<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen, die hier Hand in Hand arbeiten."<br />

Der Verband der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen, an derart<br />

massive <strong>un</strong>d öffentliche Kritik nicht gewöhnt, wollte diesen Vorwurf<br />

natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er klagte gegen den B<strong>un</strong>d der<br />

Versicherten <strong>un</strong>d mich auf Unterlass<strong>un</strong>g dieser "verletzenden Äußer<strong>un</strong>gen".<br />

Die Klage wurde im J<strong>un</strong>i 1983 durch Urteil des Landgerichts<br />

Hamburg abgewiesen. Berichte in allen Medien - bis hin zu<br />

den Nachrichtensend<strong>un</strong>gen im Fernsehen. Die Branche legte aus<br />

optischen Gründen Beruf<strong>un</strong>g ein, zog diese aber in der Erkenntnis,<br />

daß sie diesen Prozeß nicht gewinnen konnte, gleich wieder zurück.<br />

"Die Lebensversicherer sind in jene Falle gelaufen, die ihnen gestellt<br />

worden ist," schrieb die "Zeitschrift für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>"<br />

<strong>un</strong>d fuhr fort: "Den Prozeß zu beginnen, war ein Fehler. Daß das<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt gleich nach Urteilsverkünd<strong>un</strong>g eine Pressenotiz<br />

herausgab, in der es das Statement machte, daß Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

kein legaler Betrug sei, zeugt von einer <strong>un</strong>angemessenen Aufgeregtheit.<br />

Vielen erschien diese Presseverlautbar<strong>un</strong>g 'bestellt'."<br />

Tatsächlich muß die Niederlage der Branche den damaligen Aufsichtsamtspräsidenten<br />

mächtig aufgeregt haben, denn er ließ sogleich<br />

verkünden: "Um einer möglichen Ver<strong>un</strong>sicher<strong>un</strong>g in der Öffentlichkeit<br />

vorzubeugen, weist das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt auf folgendes hin:<br />

Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist als Einricht<strong>un</strong>g<br />

zum Schutze der Versicherten geschaffen worden. Es überwacht<br />

daher auch die Geschäfte der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen.<br />

Es genehmigt die Allgemeinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d<br />

Tarife, überprüft die Kosten, überwacht die Kapitalanlagen <strong>un</strong>d<br />

sorgt dafür, daß die versprochenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen voll erbracht<br />

werden. Der Vorwurf, Lebensversicher<strong>un</strong>g sei legaler Betrug,<br />

ist daher <strong>un</strong>geheuerlich. Niemand sollte sich durch diese Behaup-<br />

191


t<strong>un</strong>g irreführen <strong>un</strong>d dazu verleiten lassen, seine bestehende Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

aufzulösen oder vom beabsichtigten Abschluß einer<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g Abstand zu nehmen." - Kommentar der Frankfurter<br />

R<strong>un</strong>dschau: "Ist das nicht rührend ? Da sorgt sich doch tatsächlich<br />

eine Behörde darum, daß die Geschäfte einer Branche, die<br />

sie zu kontrollieren hat, immer schön weiterlaufen <strong>un</strong>d bloß nicht<br />

durch verirrte Kritiker oder tumbe Richter gestört werden. So viel<br />

Feingefühl wünscht man sich in jeder deutschen Amtsstube."<br />

Die Verbandszeit<strong>un</strong>g "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft" reagierte mit einen<br />

Kommentar "Aktenzeichen XY <strong>un</strong>erhört": "Das Recht der persönlichen<br />

Ehre ist wahrhaftig schwer genug attackiert, wenn einer<br />

ganzen Branche eine Art von organisiertem Bandenraub vorgeworfen<br />

wird. Gerade auch noch einer Branche, die wie keine andere<br />

zum sozialen Frieden in <strong>un</strong>serem Lande beiträgt. Jeder Mitarbeiter<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Unternehmen kann stolz darauf sein, sich<br />

einem hohen sozialen Auftrag verschrieben <strong>un</strong>d ihn nach besten<br />

Kräften erfüllt zu haben. Können 48,5 Millionen Menschen eigentlich<br />

so kurzsichtig sein, sozusagen einer staatlich abgesegneten Mafia<br />

ins Messer zu laufen? - Auch der Staat - besser: der Gesetzgeber -<br />

steht ja mit der Formulier<strong>un</strong>g vom 'legalen Betrug' in der Schußlinie,<br />

er wird eindeutig der Komplizenschaft zu einem anrüchigen Gewerbe<br />

bezichtigt. Zu diesem völlig abwegigen Angriff hat das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

Stell<strong>un</strong>g genommen - ein wenig spät, wo der B<strong>un</strong>d der<br />

Versicherten dem Staat, hier vertreten durch eine wichtige Behörde,<br />

Beihilfe zu einem gigantischen Betrug vorwirft." - Ein Bürger fand<br />

in einem Leserbrief an die Heilbronner Stimme eine trefflichere<br />

Formulier<strong>un</strong>g für den "gigantischen Betrug": "Das ist staatlich geduldetes<br />

Raubrittertum."<br />

Da schreibt ein Lobby-Journalist, namens Winfried Geiger, die<br />

Richter hätten sich eine "schallende Ohrfeige eingehandelt". Da ist<br />

die Rede von der "Hilflosigkeit des Gerichts" <strong>un</strong>d vom "Unvermögen<br />

der Richter, sich mit dem Streitgegenstand sachlich auseinanderzusetzen".<br />

Die Branche bemüht sogar Lothar Haase, den Vorsitzenden<br />

des Wirtschaftsausschusses im Deutschen B<strong>un</strong>destag, für ein<br />

Zitat: "Zu wenig Verständnis für die Notwendigkeit der Marktwirtschaft.<br />

Vielleicht beweisen die Richter der nächsten Instanz mehr<br />

Kenntnis. Wir erwarten vom Bürger, daß er komplizierte wirtschaftliche<br />

Zusammenhänge durchschaut, aber angeblich kann er nicht<br />

einmal Kleingedrucktes lesen."<br />

192


Ungeheuerlich die Reaktion eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managers, über<br />

die eine Tageszeit<strong>un</strong>g berichtete: "Gegen das Urteil wandte sich<br />

auch der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger Lebensversicher<strong>un</strong>g.<br />

Da das Urteil ein 'Schlag ins Gesicht' für alle sei, die im Lebensversicher<strong>un</strong>gsgeschäft<br />

tätig sind, habe die Branche dagegen Beruf<strong>un</strong>g<br />

eingelegt. Schließlich sei, so Bayer, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft ein<br />

Gewerbe, das 'mehr humanitären, karitativen als kommerziellen<br />

Charakter hat', indem es wirtschaftliche Not lindere. Bayers Kritik<br />

richtet sich auch gegen die Zusammensetz<strong>un</strong>g des Gerichts, die nach<br />

seiner Ansicht etwas seltsam ge<strong>wesen</strong> sei. Dort hätten j<strong>un</strong>ge Leute<br />

geurteilt <strong>un</strong>ter Vorsitz einer Richterin, einer 'Emanze'."<br />

Zurück zum Urteil: Die Gerichtsentscheid<strong>un</strong>g bestätigt nicht, daß<br />

Lebenversicher<strong>un</strong>gen zur Altersversorg<strong>un</strong>g ein "legaler Betrug" sind.<br />

Dafür ist das Schlagwort in sich schon zu widersprüchlich, weil es<br />

einen legalen Betrug nicht geben kann. Zu beachten ist auch, daß<br />

sich dieser Vorwurf nicht gegen das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> oder die<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g an sich richtet, sondern nur gegen die Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g in ihrer derzeitigen Form. Das Gericht führte in<br />

seiner Urteilsbegründ<strong>un</strong>g aus:<br />

"Die Broschüre <strong>un</strong>ternimmt den Versuch, den Verbraucher hinsichtlich<br />

des Abschlusses von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen zu bera-ten.<br />

Durch die Einstuf<strong>un</strong>g der Lebensversicher<strong>un</strong>g zur Altersversorg<strong>un</strong>g<br />

als 'legaler Betrug' wird von dem Abschluß solcher <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

abgeraten. Die streitige Äußer<strong>un</strong>g dient der Aufklär<strong>un</strong>g der<br />

Verbraucher über das Wesen der Lebensversicher<strong>un</strong>g zur Altersversorg<strong>un</strong>g.<br />

Ob die hierzu vertretene Auffass<strong>un</strong>g zutreffend ist oder<br />

nicht, ist in diesem Zusammenhang <strong>un</strong>erheblich. Die Äußer<strong>un</strong>g ist<br />

nicht als Schmähkritik zu bewerten. Denn eine solche ist nur dann<br />

anz<strong>un</strong>ehmen, wenn die Äußer<strong>un</strong>g jeden sachlichen Bezug zu der zu<br />

Gr<strong>un</strong>de liegenden Auseinandersetz<strong>un</strong>g vermissen läßt <strong>un</strong>d sich in<br />

Schmäh<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Diffamier<strong>un</strong>gen des Angegriffenen erschöpft.<br />

Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Aus dem<br />

Gesamtzusammenhang der Äußer<strong>un</strong>gen der Beklagten ergibt sich,<br />

daß ihr Anliegen darin besteht, den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt für die<br />

Verbraucher transparenter zu machen <strong>un</strong>d durch ihre Kritik eine<br />

Verbesser<strong>un</strong>g der Beding<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer zu erreichen.<br />

Insbesondere die Frage der Beteilig<strong>un</strong>g der Versicherten an den<br />

Einkünften der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen aus der Anlage<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge wird sowohl in der Tagespresse umfang-<br />

193


eich erörtert <strong>un</strong>d hat zu Reformüberleg<strong>un</strong>gen geführt. An dieser<br />

Diskussion hat der Beklagte nicht nur mit der Broschüre 'Versicher<strong>un</strong>g<br />

- ja, aber ...', sondern auch mit seinem Buch 'Ratgeber Versicher<strong>un</strong>g'<br />

<strong>un</strong>d zahlreichen anderen schriftlichen <strong>un</strong>d mündlichen Beiträgen<br />

in Eingaben an Gesetzgeb<strong>un</strong>gsorgane <strong>un</strong>d in den Medien<br />

teilgenommen. Es ist ferner ein öffentliches Interesse daran vorhanden,<br />

daß potentielle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer über die verschiedenen<br />

Möglichkeiten, das Todesfallrisiko zu versichern, aufgeklärt werden.<br />

Angesichts dessen, daß in der Werb<strong>un</strong>g des Klägers <strong>un</strong>d seiner Mitglieds<strong>un</strong>ternehmen<br />

die Lebensversicher<strong>un</strong>g zur Altersversorg<strong>un</strong>g im<br />

Vordergr<strong>un</strong>d steht, besteht ein Aufklär<strong>un</strong>gsbedürfnis über die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>art<br />

Risikolebensversicher<strong>un</strong>g. Die Aussagen in der Broschüre<br />

zum Thema Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zur Altersversorg<strong>un</strong>g ergeben, daß hier ein Vergleich zwischen<br />

diesen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten vorgenommen <strong>un</strong>d im Interesse der<br />

Verbraucher - als für diese günstiger - der Abschluß von Risiko-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen empfohlen wird."<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen – rechtlich weitgehend <strong>un</strong>geregelt<br />

Das Schlagwort "legaler Betrug" soll im Gr<strong>un</strong>de ausdrücken, daß der<br />

Gesetzgeber Vorgänge um H<strong>un</strong>derte von Milliarden Mark <strong>un</strong>geregelt<br />

gelassen hat <strong>un</strong>d die staatliche Aufsicht als vorgesehene Kontrollinstanz<br />

nicht eingreift, wenn Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

die ihnen anvertrauten Gelder der Versicherten mißbrauchen <strong>un</strong>d<br />

ver<strong>un</strong>treuen. Also ist es ein Betrug, die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

als Geldanlage zu bezeichnen. Und es ist ein Betrug, den Eindruck<br />

einer staatlichen Beaufsichtig<strong>un</strong>g zu erwecken. "Legal" sind Betrug<br />

<strong>un</strong>d Untreue, weil vom Gesetzgeber <strong>un</strong>d einer staatlichen Aufsicht<br />

zugelassen <strong>un</strong>d geduldet.<br />

Es ist schon ersta<strong>un</strong>lich, daß kein Antragssteller beim Abschluß<br />

des Vertrages erfährt, wieviel Geld er verliert, wenn er den oft jahrzehntelangen<br />

Vertrag vorzeitig beendet. Und es ist kaum zu glauben,<br />

aber wahr, daß niemand - außer die Unternehmen selbst oder das<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt - Auszahl<strong>un</strong>gen oder Abrechn<strong>un</strong>gen zu Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen überprüfen kann. Wenn ein Lebensversicherter<br />

beim Vertragsablauf 10.000 Mark zu wenig ausgezahlt bekommt,<br />

kann er dieses wegen der totalen Ungeregeltheit des Vertrages nicht<br />

erkennen. Deshalb empfiehlt der B<strong>un</strong>d der Versicherten jedem Lebensversicherten,<br />

sich bei allen Auszahl<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Abrechn<strong>un</strong>gen an<br />

194


das Aufsichtsamt zu wenden. Dabei stellte sich in einem Fall heraus,<br />

daß der Rückkaufswert um etwa 20.000 Mark falsch berechnet war.<br />

Oder eine Gesellschaft antwortete: "Bei der Prüf<strong>un</strong>g ist <strong>un</strong>s aufgefallen,<br />

daß eine BUZ-Schlußzahl<strong>un</strong>g in Höhe von 4.557 Mark nicht<br />

ausgezahlt worden ist." - Oder: "Durch einen Eingabefehler war der<br />

Risikozuschlag falsch berechnet worden." -<br />

Eine Hamburger Journalistin hatte sich mit der Bitte um Erläuter<strong>un</strong>g<br />

eines Betrages an eine Gesellschaft gewandt. Die Antwort:<br />

"Die von Ihnen gewünschte, detaillierte Aufschlüssel<strong>un</strong>g der Auszahl<strong>un</strong>gssumme<br />

können wir Ihnen nicht zur Verfüg<strong>un</strong>g stellen. Die<br />

Ermittl<strong>un</strong>g des Rückkaufswertes ist ein komplizierter Vorgang, der<br />

nur mit Hilfe entsprechender Rechn<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>terlagen nachvollzogen<br />

werden kann. Diese können wir jedoch nicht außer Haus geben. Der<br />

Rückkaufswert kann von Ihnen jedoch gerne während der üblichen<br />

Geschäftszeit <strong>un</strong>d nach Voranmeld<strong>un</strong>g in <strong>un</strong>serem Hause überprüft<br />

werden." So die Vereinte aus München an die Versicherte, die antwortete:<br />

"Mein Vorschlag: Sie schicken mir ein Flugticket."<br />

"Mit der Ansicht, daß es im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nicht immer mit<br />

rechten Dingen zugeht, steht der B<strong>un</strong>d der Versicherten nicht allein.<br />

So üben etwa Wirtschaftswissenschaftler der Universität Mainz <strong>un</strong>ter<br />

Leit<strong>un</strong>g von Professor Helmut Diederich massive Kritik in einem<br />

Gutachten. Sie vergleichen den Abschluß einer Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

mit dem Kauf einer Ware, deren Güte die Bürger 'kaum beurteilen<br />

können <strong>un</strong>d deren Preis ihnen <strong>un</strong>bekannt ist'. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

der Verbraucher bezeichnet die als Geldanlage abgeschlossene<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Police als 'eine Art Glücksspiel'. Gewinner<br />

seien immer die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften, die dank des enormen<br />

'Wissensdefizits' der K<strong>un</strong>den 'bislang in einer Oase der Ruhe profitabel<br />

dahinwirtschaften konnten'. Für den Frankfurter Wirtschaftsprofessor<br />

Klaus-Thomas Krycha erfüllt solch ein Umgang mit dem<br />

Geld der Versicherten den objektiven Tatbestand der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g."<br />

- So der "stern" im April 1983.<br />

Im Oktober 1979 schrieb Dr. Schmitz in Capital: "Vier akute<br />

Mißstände, das bestätigen amtliche Unterlagen <strong>un</strong>d Capital-<br />

Recherchen in aller Deutlichkeit, bestehen derzeit in der deutschen<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g: Jede vierte Gesellschaft müßte eigentlich von<br />

Amts wegen geschlossen werden, weil sie ihre Versicherten in einem<br />

nicht mehr zu rechtfertigenden kläglichen Umfang an den Überschüssen<br />

beteiligt. Nicht sichergestellt ist, daß den Versicherten die<br />

stillen Reserven ihres Treuhandvermögens gehören. Die Branche<br />

195


jongliert gegenüber ihren K<strong>un</strong>den mit Hochrechn<strong>un</strong>gen in die Zuk<strong>un</strong>ft,<br />

die suspekt sind. Das Provisionssystem der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

animiert vor allem Berufsanfänger <strong>un</strong>ter den Vertretern zu<br />

mangelnder K<strong>un</strong>denberat<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d gelegentlich auch zu Unredlichkeiten."<br />

Dabei ist die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g nicht nur in der B<strong>un</strong>desrepublik,<br />

sondern weltweit heftiger Kritik ausgesetzt. In den USA<br />

gab es Bücher mit den Titeln "Wie ein Dieb in der Nacht", "Die Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Verschwör<strong>un</strong>g",<br />

"Der große amerikanische <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bluff",<br />

"Wie Dich Deine Lebensversicher<strong>un</strong>gspolicen ausrauben".<br />

Und in einer Anhör<strong>un</strong>g im US-Kongress verwendeten Professoren<br />

<strong>un</strong>d Verbraucheranwälte in den siebziger Jahren Bezeichn<strong>un</strong>gen<br />

wie "nationaler Skandal" <strong>un</strong>d "Verbraucherbetrug".<br />

Prof. Diederich vom Forsch<strong>un</strong>gsinstitut für Wirtschaftspolitik an<br />

der Universität Mainz schrieb im Jahre 1982 in einem Gutachten,<br />

das noch von der sozial-liberalen Regier<strong>un</strong>g in Auftrag gegeben<br />

wurde: "Es kann ohne allzu großes Fehlerrisiko für die Rentabilität<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>g als Geldanlage ohne Berücksichtig<strong>un</strong>g der<br />

Steuerbegünstig<strong>un</strong>g ein Wert von etwa 5 Prozent angenommen werden.<br />

Dieses Ergebnis läßt schon vermuten, daß ein Vergleich mit der<br />

Rendite anderer Anlagemöglichkeiten zu Ung<strong>un</strong>sten der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

ausgehen muß. Es ergibt sich somit keineswegs das günstige<br />

Bild, das von der Lebensversicher<strong>un</strong>gswerb<strong>un</strong>g bezüglich der<br />

Rentabilität einer Lebensversicher<strong>un</strong>g sehr pauschal gezeichnet<br />

wird."<br />

Diese Medien- <strong>un</strong>d Wissenschaftskritik zusammen mit dem Urteil<br />

über den "legalen Betrug", <strong>un</strong>d die Öffentlichkeitsarbeit des<br />

B<strong>un</strong>des der Versicherten haben letztendlich bewirkt, daß die Lobby<br />

sich entschließen mußte, die - so Capital - vielfach "klägliche" Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

der Versicherten vom Jahre 1984 an freiwillig zu<br />

verbessern. In das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz wurde eine<br />

"Rückgewährquote" übernommen, die - möglichst - von allen Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

im Rahmen ihrer Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

erreicht werden sollte. Diese Regel<strong>un</strong>g war wegen ihrer Ausricht<strong>un</strong>g<br />

an einem Branchendurchschnitt von vornherein <strong>un</strong>sinnig<br />

<strong>un</strong>d erwies sich auch als wirk<strong>un</strong>gslos. Aber die Auszahl<strong>un</strong>gen bei<br />

vorzeitigen Vertragskündig<strong>un</strong>gen wurden etwas verbessert. Und eine<br />

"Sofort-Gewinnbeteilig<strong>un</strong>g" der Lebensversicherten an den Überschüssen<br />

über die garantierten 3,5 Prozent hinaus eingeführt. Die<br />

Gesellschaften lösten auf Drängen der Aufsichtsbehörde Überhöhte<br />

196


Rückstell<strong>un</strong>gen auf. All dies gab es früher nicht. Diese Schritte sind<br />

gleichzeitig das Eingeständnis, daß die Kritik berechtigt war.<br />

Aber alle Maßnahmen führten noch immer nicht zu konkret geregelten<br />

Vertrags- <strong>un</strong>d Vermögensverhältnissen, an denen der<br />

Verbraucher seine Entscheid<strong>un</strong>gen ausrichten <strong>un</strong>d anhand derer er<br />

die Berechn<strong>un</strong>gen nachvollziehen konnte. So schrieb der "stern" im<br />

April 1983: "Dem Geschäftsführer des B<strong>un</strong>des der Versicherten,<br />

Hans Dieter Meyer, geht solches Entgegenkommen nicht weit genug:<br />

'An dem widerrechtlichen Eingriff in das Eigentum der K<strong>un</strong>den<br />

ändert sich dadurch gr<strong>un</strong>dsätzlich nichts.'" - Tatsächlich brachte<br />

der reumütige Verzicht der Branche auf "Spielgeld" in Höhe von<br />

einigen Milliarden Mark noch lange keine so <strong>wesen</strong>tliche Verbesser<strong>un</strong>g,<br />

daß dadurch die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g zur Familienversorg<strong>un</strong>g<br />

empfehlenswert wird. Nach wie vor weiß keiner, wem welches<br />

Geld gehört. Nach wie vor ist die Rendite bei langen Laufzeiten<br />

<strong>un</strong>ter Berücksichtig<strong>un</strong>g der Inflation schlecht. Sie ist noch immer<br />

nicht garantiert. Und hohe Verluste bei vorzeitiger Kündig<strong>un</strong>g sind<br />

nach wie vor gegeben.<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen - rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrig<br />

Wer diese Situationsbeschreib<strong>un</strong>g zu Vorgängen um die Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>befangen, aber mit juristisch oder wirtschaftlichem<br />

Verständnis liest, wird die beschriebenen Zustände möglicherweise<br />

für <strong>un</strong>glaublich halten. Es bedarf keiner weiteren Ausführ<strong>un</strong>gen,<br />

daß eine Vertragsform, die eine vermögensrechtliche Zuordn<strong>un</strong>g<br />

der aufgebrachten Gelder <strong>un</strong>d jeglichen Wettbewerb von<br />

vornherein ausschließt, gerade bei einem Massengeschäft rechtsstaatlichen<br />

Gr<strong>un</strong>dsätzen <strong>un</strong>d den Prinzipien der freien Marktwirtschaft<br />

widerspricht. Dennoch herrschen diese rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrigen<br />

Vertragsverhältnisse seit 100 Jahren.<br />

Es ist <strong>un</strong>verständlich, daß niemand erkannt hat, daß ein derartiger<br />

Vertragstyp in einem Rechtsstaat nicht zugelassen werden dürfte.<br />

Dem Lebensversicher<strong>un</strong>gsvertrag vergleichbare Vorgänge, bei denen<br />

Treuhandgeld eingezogen, verwaltet, angelegt <strong>un</strong>d wieder ausgezahlt<br />

wird, sind in anderen Bereichen völlig anders (verfass<strong>un</strong>gskonform)<br />

geregelt, zum Beispiel die entgeltliche Geschäftsbesorg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die<br />

Geldanlage bei Kapitalanlagegesellschaften. Hier hat derjenige, der<br />

anderen sein Geld anvertraut, konkrete Ansprüche auf Ausk<strong>un</strong>ft<br />

<strong>un</strong>d Rechenschaft, auf Herausgabe des hingegebenen <strong>un</strong>d aus der<br />

197


Geschäftsbesorg<strong>un</strong>g erlangten Geldes, auf eine konkrete Verzins<strong>un</strong>g,<br />

auf Behandl<strong>un</strong>g seines Vermögens als - vom Unternehmensgeld<br />

abgetrenntes - Sondervermögen <strong>un</strong>d auf Bewert<strong>un</strong>g der damit<br />

angeschafften Wertpapiere <strong>un</strong>d Gr<strong>un</strong>dstücke nach ihren jeweils aktuellen<br />

Tages- oder Verkehrswerten.<br />

In seiner Veröffentlich<strong>un</strong>g "Wirtschaft <strong>un</strong>d Statistik" stellte das<br />

Statistische B<strong>un</strong>desamt schon im Jahre 1970 fest, daß Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

die "F<strong>un</strong>ktion eines Kapitalanlage<strong>un</strong>ternehmens"<br />

ausüben. Deshalb zum Vergleich noch einmal in Stichworten<br />

die <strong>un</strong>geregelten Verhältnisse bei einem Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gs-Vertrag: Versichertengeld ist kein Sondervermögen,<br />

sondern geht - ähnlich wie Preise - als Umsatz in die Jahresabschlüsse<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ein. Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Mißmanagement können "voll zu Lasten der Versicherten"<br />

mit Überschüssen aus deren Gelder "saldiert" werden. Es gibt<br />

keine Ausk<strong>un</strong>ftsrechte der Versicherten. Ein Anspruch besteht nur<br />

auf Herausgabe eines vertraglich nicht konkret bezifferten <strong>un</strong>d auch<br />

anhand von vertraglichen Vereinbar<strong>un</strong>gen nicht ermittelbaren Rückkaufswerts<br />

oder Deck<strong>un</strong>gskapitals. Dagegen besteht kein konkret<br />

geregelter Anspruch auf Überschußbeteilig<strong>un</strong>g. Die Bewert<strong>un</strong>g von<br />

Wertpapieren erfolgt nach dem "Niederstwertprinzip" <strong>un</strong>d die Bewert<strong>un</strong>g<br />

von Gr<strong>un</strong>dstücken nur nach dem Buchwert. Und schließlich:<br />

Es gibt keine Rechenschaftspflicht des Unternehmens.<br />

Hinzukommt noch, daß ein Lebensversicherter keinen Anspruch<br />

haben soll auf Bestimm<strong>un</strong>g der <strong>un</strong>geregelten Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

durch eine richterliche Entscheid<strong>un</strong>g, so das Landgericht Hamburg<br />

im Jahre 1988 im "Ilgner-Prozeß". Der Rentner Helmut Ilgner hatte<br />

- auf den reinen Sparvorgang seiner Lebensversicher<strong>un</strong>g bezogen -<br />

nur eine Rendite von etwa 3,5 Prozent erhalten <strong>un</strong>d dagegen mit<br />

Unterstütz<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten geklagt. Aus den Gründen<br />

des Landgerichts-Urteils: "An einer Leist<strong>un</strong>gsbestimm<strong>un</strong>g durch<br />

Urteil sieht sich die Kammer gehindert, weil das Rechtsgebiet der<br />

Privatversicher<strong>un</strong>g durch den Gesetzgeber abschließend <strong>un</strong>d lückenlos<br />

geregelt ist <strong>un</strong>d eine Gestalt<strong>un</strong>gsmöglichkeit im Wege zivilgerichtlicher<br />

Überprüf<strong>un</strong>g nicht besteht. Auch das von dem Kläger<br />

behauptete angebliche Versagen des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes als die<br />

zug<strong>un</strong>sten der Versicherten eingerichtete Kontrollinstanz ergibt keine<br />

Möglichkeit, dem Begehren des Klägers nachzukommen <strong>un</strong>d<br />

praktisch anstelle der gesetzlich vorgesehenen staatlichen Kontrollinstanz<br />

<strong>un</strong>ter dem Mantel der vom Kläger zur Stütz<strong>un</strong>g seines Be-<br />

198


gehrens herangezogenen Vorschrift tätig zu werden." Und dann<br />

führt das Gericht noch sinngemäß aus: Wenn das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> versage, dann habe der Lebensversicherte<br />

eben Pech. Aber er hätte den Vertrag ja nicht abzuschließen<br />

brauchen.<br />

Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Hamburg bestätigt<br />

mit folgender Begründ<strong>un</strong>g: "Richtig ist, daß die Überschüsse nicht<br />

dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern den Versicherten zustehen.<br />

Es gibt jedoch keine direkte Verknüpf<strong>un</strong>g zwischen den einzelnen<br />

Verträgen <strong>un</strong>d ihren Anteilen am Überschuß. Das hat zur Folge,<br />

daß der einzelne Versicherte darauf angewiesen ist, auf die ordn<strong>un</strong>gsgemäße<br />

Überwach<strong>un</strong>g der Versicherer durch das Aufsichtsamt<br />

zu vertrauen. Die Möglichkeit einer <strong>un</strong>zureichenden Kontrolle <strong>un</strong>d<br />

Aufsicht kann allenfalls dem Gesetzgeber Anlaß zum Eingreifen geben.<br />

Dies stellt sich letztlich als Ergebnis des vom Gesetzgeber gewählten<br />

Systems der staatlichen Aufsicht dar <strong>un</strong>d muß als Konsequenz<br />

der gesetzgeberischen Gr<strong>un</strong>dentscheid<strong>un</strong>g hingenommen<br />

werden." - Die Revision zum B<strong>un</strong>desgerichtshof wurde nicht zugelassen,<br />

mit der ersta<strong>un</strong>lichen Begründ<strong>un</strong>g, daß die Frage der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

zu 50 Millionen Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

nicht von gr<strong>un</strong>dsätzlicher Bedeut<strong>un</strong>g sei. Gegen diese Versag<strong>un</strong>g des<br />

Rechtsweges durch Richterwillkür hat der B<strong>un</strong>d der Versicherten im<br />

Jahre 1990 Verfass<strong>un</strong>gsbeschwerde erhoben.<br />

Man stelle sich vor, nach diesen verfass<strong>un</strong>gswidrigen Regel<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d der beschriebenen Rechtsprech<strong>un</strong>g würden Kapitalanlagegesellschaften<br />

arbeiten: Sie würden Einlagen wie Preise behandeln <strong>un</strong>d<br />

nicht als Sondervermögen, sondern vermengt mit dem Unternehmens-geld<br />

als "Umsatz" in die Jahresabschlüsse übernehmen; sie<br />

würden Kostenverschwend<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Abschreib<strong>un</strong>gen mit Einlagen<br />

<strong>un</strong>d deren Erträgen voll zu Lasten der Einleger saldieren, keine Rechenschaft<br />

ablegen <strong>un</strong>d keine Ausk<strong>un</strong>ft erteilen; Investmentfonds<br />

würden das Niederstwertprinzip anwenden <strong>un</strong>d Immobilienfonds<br />

würden gegenüber den Anlegern nur mit den Buchwerten der<br />

Gr<strong>un</strong>dstücke abrechnen ....<br />

Man stelle sich vor, nach den Regeln der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

würden Geldinstitute arbeiten <strong>un</strong>d am Jahresende nicht gedeckte<br />

Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen von den Konten ihrer K<strong>un</strong>den abbuchen<br />

mit dem Vermerk, sie seien leider nicht mit den kalkulierten<br />

Kosten ausgekommen <strong>un</strong>d brauchten das K<strong>un</strong>dengeld für den Verlust-ausgleich<br />

<strong>un</strong>d zur Finanzier<strong>un</strong>g ihres Gewinns ....<br />

199


Man stelle sich vor, die Regel<strong>un</strong>g, daß ein Beauftragter nur wirklich<br />

notwendige Aufwend<strong>un</strong>gen aus ihm überlassenen Geld bezahlen<br />

darf, würde durch eine Regel<strong>un</strong>g ersetzt, die derzeit für Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

gilt: "Der Beauftragte kann mit dem ihm<br />

anvertrauten Geld Kosten machen, soviel er will, <strong>un</strong>d - selbst nach<br />

totalem Mißmanagement - noch zehn Prozent des verbleibenden<br />

Geldes als Gewinn vereinnahmen". - Das wären Zustände - so DER<br />

SPIEGEL - "wie in einer Bananenrepub-lik", aber nicht wie in einem<br />

Rechtsstaat. Um es noch einmal zu wiederholen: Im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

herrschen genau diese Zustände.<br />

Branchenlügen -<br />

Gr<strong>un</strong>dlage für den Erfolg des "legalen Betruges"<br />

Ersta<strong>un</strong>licherweise war die Lebensversicher<strong>un</strong>gsbranche mit ihrem<br />

"legalen Betrug" sehr erfolgreich. So schrieb das "manager magazin"<br />

im März 1984 über die "mühelosen, einträglichen Geschäfte der Lebensversicherer":<br />

"Von einer großmütigen Aufsichtsbehörde beschützt,<br />

staatlicherseits mit werbewirksamen Steuervorteilen gesegnet<br />

<strong>un</strong>d vom Ehrgeiz getrieben, waren die Versicherer immer weiter<br />

in die Domänen der Banken <strong>un</strong>d Sparkassen vorgedr<strong>un</strong>gen. Das<br />

einzig vorhandene billige Kapital - die Sparbeträge der Durchschnittsverdiener<br />

- wurde in einem immer breiteren Strom an den<br />

Banken vorbeigeleitet." - Hatte der Anteil der Lebensversicher<strong>un</strong>gsbranche<br />

am Sparaufkommen der Bevölker<strong>un</strong>g im Jahre 1970 noch<br />

etwa 13 Prozent betragen, so hat sich dieser Anteil bis Ende der<br />

achtziger Jahre mehr als verdoppelt.<br />

Gr<strong>un</strong>dlage dieses "Erfolges" der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche waren der<br />

aufwendige <strong>un</strong>d aggressive Außendienst <strong>un</strong>d nach dem Schneeballsystem<br />

arbeitende "Strukturvertriebe" <strong>un</strong>d Drückerkolonnen, die -<br />

erwünscht oder nicht erwünscht - jedes Haus <strong>un</strong>d jede Wohn<strong>un</strong>g bis<br />

in den letzten Winkel der Republik heimsuchten <strong>un</strong>d fast immer ahn<strong>un</strong>gslose<br />

Abschlußopfer vorfanden, die nichts von einer Risiko-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g wußten, die keine anderen Geldanlagemöglichkeiten<br />

kannten, die auf die staatliche Aufsicht vertrauten <strong>un</strong>d deren<br />

Vorfahren auch schon "in der Sterbekasse" waren. Vertrauen, Tradition<br />

<strong>un</strong>d Unwissenheit. Hinzukommen betrügerische Werbemethoden.<br />

Gr<strong>un</strong>dlage dieses "Erfolges" waren aber auch eine ganze Reihe<br />

von Lügen in der Branchenwerb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d in den Vertretersprüchen,<br />

200


wie die Lüge von der "Geldanlage mit Dividende", wie die Lüge von<br />

einer fast vollständigen Beteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten an den<br />

aus ihren Prämien erzielten Überschüssen, wie die Lüge von der<br />

Steuerfreiheit von Kapitalerträgen "nur bei der Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d wie die Lüge, die Lebensversicher<strong>un</strong>g werde<br />

vom Staat neben der Rentenversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d der betrieblichen<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g als die "dritte Säule" <strong>un</strong>seres Alterssicher<strong>un</strong>gssystems<br />

angesehen.<br />

Tatsächlich ist die "dritte Säule" der Altersversorg<strong>un</strong>g die "private<br />

Vorsorge". Und die kann <strong>wesen</strong>tlich besser, flexibler <strong>un</strong>d ertragreicher<br />

dadurch betrieben werden, daß sich der Bürger seinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

für ein Zehntel des Beitrages der Kapitalversicher<strong>un</strong>g<br />

über eine völlig gleichwertige Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g verschafft<br />

<strong>un</strong>d ne<strong>un</strong> Zehntel des Geldes selbst anlegt, zum Beispiel erst<br />

einmal in Investmentfonds <strong>un</strong>d später in Gr<strong>un</strong>dbesitz. So kommt<br />

das Deutsche Institut für Wirtschaftsforsch<strong>un</strong>g zu dem Ergebnis,<br />

daß Vermögensbild<strong>un</strong>g durch Wohneigentum bisher die günstigste<br />

Form der privaten Altersvorsorge ge<strong>wesen</strong> ist: "Haus- <strong>un</strong>d Wohn<strong>un</strong>gseigentümer<br />

haben deutliche Vorteile gegenüber Mietern. Liegen<br />

die Belast<strong>un</strong>gen der Eigentümer in den Anfangsjahren bei etwa<br />

30 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens, so sinken sie bis<br />

zum Alter oft auf Null."- Möchte man n<strong>un</strong> aber nicht in eine vor 25<br />

bis 30 Jahren gekaufte Wohn<strong>un</strong>g ziehen, wird sie eben veräußert -<br />

mit steuerfreiem Gewinn. Und wer Gr<strong>un</strong>dbesitz vermietet, hat noch<br />

mehr Steuervorteile - durch den Abzug der Schuldzinsen vom Einkommen.<br />

Und er kann noch Abschreib<strong>un</strong>gen steuerlcich geltend<br />

machen.<br />

Zur Steuerfreiheit der Erträge aus Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

schrieb das "manager magazin". "Das historische Privileg der Assekuranz<br />

kommt in Gefahr, weil weder ökonomisch noch juristisch<br />

stichhaltig zu begründen ist, warum die Banksparer schlechter gestellt<br />

sein sollen. Nur der Lobbyarbeit in Bonn ist es zu danken, daß<br />

das Privileg der Assekuranz nie in Frage gestellt wurde." - Dabei hat<br />

Prof. Wolfram Engels, Herausgeber der Wirtschaftswoche, richtig<br />

erkannt: "Die steuerliche Begünstig<strong>un</strong>g der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

kommt weniger den Versicherten als den Gesellschaften zugute." -<br />

Der Gerlach-Report hatte eine Veranstalt<strong>un</strong>g zu den neuen Strafbestimm<strong>un</strong>gen<br />

bei einem Kapitalanlagebetrug durchgeführt. Alle Experten<br />

- B<strong>un</strong>desrichter, Rechts- <strong>un</strong>d Staatsanwälte - waren sich einig,<br />

daß die Werb<strong>un</strong>g der Lebensversicher<strong>un</strong>gsbranche, insbesondere<br />

201


das Verschweigen der vielen Nachteile des Lebensversicher<strong>un</strong>gssparens<br />

(Verluste bei vorzeitiger Kündig<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d durch stille Reserven)<br />

den Tatbestand des Kapitalanlagbetruges erfüllen können.<br />

N<strong>un</strong> werden sich viele fragen, wo denn überhaupt noch der Vorteil<br />

einer Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g liegt, wenn man auch noch die<br />

Inflation berücksichtigt <strong>un</strong>d die Rendite - wie in der Vergangenheit -<br />

dann höchstens ein Prozent beträgt. Natürlich muß der Versicherte<br />

in seine Renditeberechn<strong>un</strong>g Steuervorteile einbeziehen, wobei Gesellschaften<br />

<strong>un</strong>d Vertreter dieses für die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

eigentlich nicht t<strong>un</strong> dürfen, da Steuervorteile nicht ihre Leist<strong>un</strong>gserfolge<br />

sind <strong>un</strong>d nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, daß die Unternehmen<br />

aus den Spargeldern der Versicherten, ihren Erträgen <strong>un</strong>d<br />

Wertsteiger<strong>un</strong>gen Renditen von acht bis über zehn Prozent erzielen,<br />

an die Versicherten selbst aber viel weniger weitergeben.<br />

Steuervorteile werden von der Werb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d den Vertretern immer<br />

sehr pauschal versprochen. Da die Abzugsfähigkeit von Lebensversicher<strong>un</strong>gsbeiträgen<br />

als Sonderausgaben kaum zum Tragen<br />

kommt, weil die Sonderausgaben-Freibeträge in der Regel - zumindest<br />

bei Arbeitnehmerhaushalten - voll ausgeschöpft sind, hat der<br />

Präsident des Verbandes der Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

schon im Mai 1983 Bedenken über eine entsprechende Werb<strong>un</strong>g<br />

geäußert: "Bereits heute sehen wir <strong>un</strong>s kaum noch in der Lage, mit<br />

der Steuerbegünstig<strong>un</strong>g von Lebensversicher<strong>un</strong>gsbeiträgen zu werben,<br />

weil wir es erlebt haben <strong>un</strong>d weiter gewärtig sein müssen, daß<br />

<strong>un</strong>s eine solche Werb<strong>un</strong>g von Verbraucherschützern als Irreführ<strong>un</strong>g<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>interessenten ausgelegt wird."<br />

Nur wenn der Sonderausgabenabzug gegeben ist, was in der Regel<br />

nur bei Selbständigen der Fall ist, kann es sinnvoll sein, eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

mit der Mindestlaufzeit von zwölf Jahren<br />

zur Ausnutz<strong>un</strong>g dieses Steuervorteils abzuschließen. Steuervorteile<br />

ergeben sich auch durch den Abschluß der Kapital-<br />

Lebenversicher<strong>un</strong>d als sogenannte "Direktversicher<strong>un</strong>g" über den<br />

Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersverorg<strong>un</strong>g. Die<br />

Steuerfreiheit der Kapitalerträge ist dagegen bei der Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g keine Besonderheit. So sind die Wertsteiger<strong>un</strong>gen<br />

aller Kapitalanlagen - aus Gr<strong>un</strong>dbesitz, Wertpapieren oder<br />

Fonds - ebenfalls steuerfrei. So stellt auch das oben zitierte Regier<strong>un</strong>gsgutachten<br />

fest: "Selbst <strong>un</strong>ter Berücksichtig<strong>un</strong>g der Steuerfreiheit<br />

der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g dürfte für eine große Zahl von Inte-<br />

202


essenten eine Lebensversicher<strong>un</strong>g nicht die beste Kapitalanlage darstellen."<br />

Und die Wirtschaftswoche schrieb schon im Juli 1984: "Es gibt<br />

durchaus attraktivere Anlagemöglichkeiten als die Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g. Dazu gehören regelmäßig Käufe von ausgewählten<br />

Investmentfonds <strong>un</strong>d Aktien, abgesichert mit einer preiswerten<br />

Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g. Mit den Renditen ausgewählter<br />

Börsenpapiere kann die Lebensversicher<strong>un</strong>g nicht konkurrieren." In<br />

einem Interview der Quick sagte Anfang 1984 ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>manager<br />

freimütig: "Wer es auf die größtmögliche Rendite abgesehen<br />

hat, geht zur Bank." - Und der am Gespräch beteiligte Bankmanager<br />

bekannte ebenso freimütig, daß er keine Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

habe.<br />

Was bei allem nicht zu vergessen ist, kommt in den "Motiven<br />

zum <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz" zum Ausdruck: "Bei langfristigen<br />

Versicher<strong>un</strong>gen vertraut der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer für Jahrzehnte<br />

seine oft nur <strong>un</strong>ter den empfindlichsten Entbehr<strong>un</strong>gen erzielten<br />

Ersparnisse der Anstalt in der Zuversicht an, daß redlich dem Versicher<strong>un</strong>szweck<br />

entsprechend geschaltet wird." - Der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

hat Tausende von Beschwerden zu Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen erhalten. Beispielhaft für das blinde Vertrauen<br />

der Bürger <strong>un</strong>d seinen Mißbrauch ist folgende Zuschrift: "Es<br />

handelt sich bei mir um eine kleinere Summe, die für mich als Rentnerin<br />

aber sehr viel bedeutet, <strong>un</strong>d ganz besonders bin ich enttäuscht<br />

über diesen so selbstverständlichen Betrug der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft."<br />

Bleibt am Ende die Frage: Ist das "Geschäft mit der Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g" n<strong>un</strong> das größte <strong>un</strong>d bestorganisierte Wirtschaftsverbrechen<br />

aller Zeiten - oder ein "humanitäres <strong>un</strong>d karitatives<br />

Gewerbe" ?<br />

203


KAPITEL 8<br />

Eine Branche ohne Wettbewerb<br />

Die bisherigen Ausführ<strong>un</strong>gen sollten eigentlich deutlich gemacht<br />

haben, daß im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> kein Wettbewerb herrschen<br />

kann. Es fehlen die <strong>wesen</strong>tlichsten Voraussetz<strong>un</strong>gen "Preisangabe"<br />

<strong>un</strong>d "Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g". Und wo der Verbraucher keine Preise<br />

<strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gen vergleichen kann, kann es <strong>un</strong>möglich Wettbewerb<br />

geben.<br />

Die "Konzentrations-Enquete" der B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g stellte schon<br />

im Jahre 1964 fest: "Der Wettbewerb in der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

ist schwach. Die Untersuch<strong>un</strong>g hat ergeben, daß im Wettbewerb<br />

weniger der Preis oder die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g als die Größe der<br />

Außenorganisation entscheidend ist." Und man könnte hier mit<br />

Prof. Großmann fortfahren: "Der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>k<strong>un</strong>de tappt somit<br />

fast vollständig im D<strong>un</strong>keln. Unter diesen Umständen drängt sich<br />

der Schluß auf, daß der Entscheid eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmers, ob<br />

<strong>un</strong>d wenn ja, bei welchem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>träger er einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag<br />

abschließen soll, nur zu einem Teil auf Gr<strong>un</strong>d von rationalen,<br />

rechenmäßigen Überleg<strong>un</strong>gen erfolgt, <strong>un</strong>d daß die Marktgesetze<br />

von Angebot <strong>un</strong>d Nachfrage nur in <strong>un</strong>vollkommener Weise<br />

spielen. Insbesondere ist der Beeinfluss<strong>un</strong>g des zukünftigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>k<strong>un</strong>den<br />

durch die persönlichen Ausführ<strong>un</strong>gen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertreters<br />

ein weiter Spielraum gesteckt." - Ein Gr<strong>un</strong>d dafür,<br />

daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen Milliarden in die Werb<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d ihren Werbeaußendienst stecken - ohne jede Effizienz ! -<br />

Die Gesellschaften können derart verschwenderisch mit Geld<br />

umgehen, weil sie nicht auf Preise <strong>un</strong>d Kalkulationen beschränkt<br />

sind, sondern - wie ausführlich dargestellt - Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d <strong>un</strong>ternehmerische Verluste mit anvertrautem Versichertengeld<br />

ausgleichen können. Sie machen selbst nach totalem Mißmanagement<br />

noch Gewinne, weil sie diese nicht über Preisangaben zu erwirtschaften<br />

brauchen, sondern aus Treuhandgeld beschließen können.<br />

Eben weil keine Wettbewerbsvoraussetz<strong>un</strong>gen gegeben sind.<br />

204


Verbraucher in der Zwickmühle - erst Schuldner, dann Gläubiger<br />

Die Verbraucher können auf die Kostenverschwend<strong>un</strong>gen der Unternehmen<br />

nicht reagieren, weil sie diese nicht erkennen können.<br />

Denn sie sind bei einer nicht aufgeschlüsselten Prämie nicht in der<br />

Lage zu beurteilen, ob diese - hoch oder niedrig - die "gerechte"<br />

Prämie ist. Denn sie haben natürlich auch ein Interesse daran, im<br />

Falle eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>falles eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g zu erhalten<br />

<strong>un</strong>d nicht bei einem Bankrott<strong>un</strong>ternehmen zu landen. Die Vermeng<strong>un</strong>g<br />

von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>g in einer <strong>un</strong>geteilten<br />

Prämie hat also auch die Gläubiger- <strong>un</strong>d Schuldnerinteressen des<br />

Versicherten vermengt, also seine Stell<strong>un</strong>g als Beitragszahler <strong>un</strong>d<br />

möglicher Empfänger einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g. Diese Interessen<br />

sind völlig konträr. Als Beitragszahler hat der Versicherte z<strong>un</strong>ächst<br />

einmal ein Interesse an einer möglichst niedrigen Prämie <strong>un</strong>d beim<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen an einer möglichst hohen Rendite. Aber<br />

wie soll er Prämien <strong>un</strong>d Renditen bewerten ? -<br />

Nehmen wir nur zwei Aussagen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen:<br />

Die Vereinte erklärt im August 1990 einem K<strong>un</strong>den die Kalkulation<br />

des Krankenversicher<strong>un</strong>gsbeitrages <strong>un</strong>d beendet den Brief mit dem<br />

Satz: "Es ergibt sich somit ein sogenannter Mischbeitrag, der für den<br />

K<strong>un</strong>den nicht mehr exakt nachvollziehbar ist." - Der Deutsche Ring<br />

schrieb schon vor Jahren in einem Handbuch: "Ob eine Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

günstig ist, läßt sich zu Beginn des Vertrages, wenn nur<br />

Beitrag <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe miteinander verglichen werden<br />

können, schwerlich sagen. Eine solche Feststell<strong>un</strong>g kann erst dann<br />

getroffen werden, wenn der Vertrag beendet <strong>un</strong>d ein Vergleich des<br />

Gesamt-Beitragsaufwandes mit der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe zuzüglich<br />

der ausgeschütteten Überschußanteile möglich ist." -<br />

Der für die Lebensversicher<strong>un</strong>g zuständige Abteil<strong>un</strong>gspräsident<br />

Claus hat dieses mehrfach bestätigt, zum Beispiel im Jahre 1980:<br />

"Ein Dilemma läßt sich aber nicht leugnen <strong>un</strong>d auch nicht aus der<br />

Welt schaffen: Was eine Lebensversicher<strong>un</strong>g tatsächlich kostet, kann<br />

man stets erst im Nachhinein feststellen. Ein K<strong>un</strong>de kann sich zwar<br />

darüber informieren, wie hoch die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g eines Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmens<br />

ist. Da aber die Leist<strong>un</strong>gen aus der<br />

Überschußbeteilig<strong>un</strong>g niemals fest zugesagt werden können <strong>un</strong>d<br />

dürfen, bleibt der Abschluß einer Lebensversicher<strong>un</strong>g stets mit der<br />

Ungewißheit verb<strong>un</strong>den, ob die heute für die Auswahl des betref-<br />

205


fenden Unternehmens durch den K<strong>un</strong>den maßgebenden Erwart<strong>un</strong>gen<br />

sich auch erfüllen werden. In der Lebensversicher<strong>un</strong>g ist es heute<br />

so, daß es eigentlich kein Regulativ gibt, das die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

zwingt, ihre Kosten in Grenzen zu halten. Da<br />

der Wettbewerb nicht durchgreift, kann ein Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

trotz verschlechterter Kostenlage durchaus weiter bestehen."<br />

- Wirtschaftswissenschaftler der Universität Mainz haben den<br />

Abschluß einer Lebensversicher<strong>un</strong>g mit dem Kauf einer Ware verglichen,<br />

"deren Güte die Bürger kaum beurteilen können <strong>un</strong>d deren<br />

Preis ihnen <strong>un</strong>bekannt ist". Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher<br />

bezeichnet die Lebensversicher<strong>un</strong>g als "eine Art Glücksspiel". -<br />

Kein W<strong>un</strong>der, daß Prof. Farny die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

geradezu erm<strong>un</strong>tert, hohe Prämien zu verlangen, weil diese durchaus<br />

"positive Assoziationen" beim K<strong>un</strong>den hervorrufen können. Denn<br />

Farny hat auch entdeckt: "Eine optimale Verbind<strong>un</strong>g zwischen<br />

marktwirtschaftlichem Sanktionsmechnismus <strong>un</strong>d dem Gläubigerschutz<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer würde darin bestehen, die Eigentümer<br />

<strong>un</strong>d Unternehmensleiter für ihre Fehlentscheid<strong>un</strong>gen zu 'bestrafen',<br />

zugleich aber die Gläubigerrechte der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

zu erhalten. Praktikable Modelle für eine solche Lös<strong>un</strong>g sind jedoch<br />

bisher nicht entdeckt worden." - Ein praktikables Modell wäre die<br />

Trenn<strong>un</strong>g von Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gen von der Prämie<br />

bis hin in die Bilanzen. Dann würde ein Dienstleist<strong>un</strong>gs-Bankrott<br />

sich nicht auf den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich <strong>un</strong>d das abgetrennte Sondervermögen<br />

auswirken. Aber der Streit um eine solche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-/Dienstleist<strong>un</strong>gs-Theorie<br />

würde von der sogenannten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft<br />

mit Sicherheit einem "Friedhofsende" zugeführt,<br />

wenn er nicht schon im Keim erstickt wird.<br />

Also werden Verschwender nicht bestraft. Farnys Feststell<strong>un</strong>g ist<br />

übrigens ein weiterer Beweis dafür, daß Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

bei einer <strong>un</strong>geteilten Prämie nicht f<strong>un</strong>ktionieren kann.<br />

Das hat der leitende Aufsichtsbeamte Gottfried Claus schon im Jahre<br />

1980 bestätigt: "Allgemein ist es im Wirtschaftsleben so, daß eine<br />

mangelhafte Geschäftsführ<strong>un</strong>g sich zum Nachteil des Unternehmens<br />

auswirkt, indem dieses die entstehenden Verluste zu tragen<br />

hat. In der Lebensversicher<strong>un</strong>g ist dem aber nicht so. Hier sind es<br />

z<strong>un</strong>ächst einmal die Versicherten <strong>un</strong>d meistens nur die Versicherten,<br />

die die Konsequenzen von <strong>un</strong>ternehmerischen Fehlentscheid<strong>un</strong>gen<br />

oder sogar von Mißmanagement zu tragen haben, indem Verluste<br />

einfach zu einer Verminder<strong>un</strong>g der Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g führen."<br />

206


Das Problem ist nur: Die Versicherten haben zwangsläufig auch<br />

ein Interesse an der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge. Mit der<br />

Zahl<strong>un</strong>g seiner Prämie erhält der Versicherte keine Gegenleist<strong>un</strong>g.<br />

Er erwartet aber eine Zahl<strong>un</strong>g aus dem Vermögenstopf, den seine<br />

Gesellschaft verwaltet, für den Fall, daß ihn irgendwann in der Zuk<strong>un</strong>ft<br />

ein Schaden treffen sollte. Anders als dem Käufer einer Ware,<br />

die bezahlt <strong>un</strong>d übereignet ist, kann also dem Versicherten der<br />

Bankrott des Vertragspartners nicht gleichgültig sein, solange dieser<br />

Bankrott auch den Bankrott der Versichertengemeinschaft bedeutet<br />

- <strong>un</strong>d des von den Versicherten gefüllten Vermögenstopfes. Versicher<strong>un</strong>g<br />

zur festen Prämie muß also immer Überschüsse erbringen.<br />

Durch die Vermeng<strong>un</strong>g ihrer Dienstleist<strong>un</strong>g mit der "Versicher<strong>un</strong>g"<br />

haben die Unternehmen also auch ihr <strong>un</strong>ternehmerisches Bankrottrisiko<br />

auf die Versicherten abgewälzt, die dieses Risiko mit ihren überkalkulierten<br />

Prämien beseitigen <strong>un</strong>d die Überschüsse <strong>un</strong>d Gewinne<br />

sowie die Sicherheit der Gesellschaften im eigenen Interesse<br />

garantieren "müssen".<br />

Wegen der Ungewißheit des Schadensverlaufs können die Unternehmen<br />

niemals genau den Betrag an Prämien einnehmen, den sie<br />

später für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen auszahlen. Nehmen sie mehr ein,<br />

machen Aktiengesellschaften nichtleist<strong>un</strong>gsbezogene Gewinne.<br />

Nehmen sie weniger ein, gehen die Gesellschaften bankrott. Solange<br />

aber die "Versicher<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d "Dienstleist<strong>un</strong>gen" in Prämien <strong>un</strong>d Bilanzen<br />

vermengt sind, bedeutet der Bankrott des Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes<br />

gleichzeitig auch den Bankrott der "Versicher<strong>un</strong>g".<br />

Versicher<strong>un</strong>g ist kein Wettbewerbsbereich<br />

Die Probleme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> - wie auch das Wettbewerbsproblem<br />

- wird niemals erkennen, begreifen <strong>un</strong>d lösen, wer das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

nicht zweigeteilt sieht - auf der einen Seite die Leist<strong>un</strong>gen<br />

der Versicherten, die Versicher<strong>un</strong>g als Einkommensumverteil<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d das Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen, <strong>un</strong>d auf der anderen<br />

Seite die Dienstleist<strong>un</strong>gen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d Vertreter.<br />

Es ist also nicht die Frage - wie sie immer <strong>un</strong>d überall falsch<br />

gestellt, <strong>un</strong>tersucht <strong>un</strong>d beantwortet wird -, ob es Wettbewerb im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> gibt, sondern die Frage muß sein, welche in der<br />

Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie vermengten Leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d welche<br />

Teile der Prämie überhaupt Wettbewerbsbereiche sind <strong>un</strong>d durch<br />

207


Wettbewerb beeinflußt werden können <strong>un</strong>d dürfen. Wenn die Frage<br />

so gestellt wird, kann die Antwort nur lauten:<br />

Wettbewerb um Versicher<strong>un</strong>g als reine Einkommensumverteil<strong>un</strong>g<br />

kann es gar nicht geben. Im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich werden Gelder<br />

für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen bereitgestellt <strong>un</strong>d - bedingt durch<br />

zufällige Ereignisse - an Betroffene ausgezahlt. Es findet also kein<br />

Austausch von bewertbaren Leist<strong>un</strong>gen statt. Und es gibt keine Preise,<br />

die verglichen werden können. Die Prämie ist niemals ein Preis<br />

für die - um ein Vielfaches höhere - <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g, die aus<br />

dem Einkommen aller Versicherten stammt. Niemand kann so töricht<br />

sein zu glauben, Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich könne<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen verringern oder steigern. Letzteres womöglich<br />

noch bei geringeren Prämienzahl<strong>un</strong>gen - wie das Ziel jeden<br />

Wettbewerbs ist: bessere Leist<strong>un</strong>gen bei geringerem Mitteleinsatz.<br />

Der Gesamtverband der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft hat<br />

in einem Geschäftsbericht selbst bestätigt, daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

"dem Wettbewerb überhaupt <strong>un</strong>zugänglich sei." Und dementsprechend<br />

sagte ein Verbandspräsident zur Kfz-Versicher<strong>un</strong>g, daß<br />

die "Positionen, die den Wettbewerb bestimmen, sich in der verhältnismäßig<br />

gering verbleibenden Spanne von 15 Prozent der Prämie<br />

abspielen." - Also nur im Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich <strong>un</strong>d nicht im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich.<br />

Auch das Landgericht Hamburg hat Ende 1989 in<br />

einem Prozeß erkannt, daß "jene Faktoren, deren Erhöh<strong>un</strong>g ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zu einer Prämienanpass<strong>un</strong>g berechtigen,<br />

außerhalb ihres Einflußbereichs liegen". - Ein Unternehmen kann<br />

<strong>un</strong>möglich einen Wettbewerb um Dinge führen, die es wirtschaftlich<br />

nicht beeinflussen kann.<br />

Daß Versicher<strong>un</strong>g kein Wettbewerbsbereich ist, wird auch durch<br />

die Tatsache bestätigt, daß die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge von<br />

Verbänden der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen - also ohne Wettbewerb<br />

- nach gemeinschaftlich erarbeiteten Statistiken ermittelt werden.<br />

Aber der Verbraucher erfährt die Höhe dieser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

nicht, weil jedes Unternehmen diese Beiträge <strong>un</strong>ter Hinzurechn<strong>un</strong>g<br />

intern kalkulierter Kosten <strong>un</strong>d Gewinne sowie durch die Bild<strong>un</strong>g<br />

eigener Beitragsklassen <strong>un</strong>d Beding<strong>un</strong>gen individuell verändert. Es<br />

ist in diesem Zusammenhang schon merkwürdig, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

gemeinsam - ohne Wettbewerb - die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

ermitteln, daß die Aktiengesellschaften dann aber<br />

- als sei diese Beitragskalkulation ein Wettbewerbsbereich - alle zu-<br />

208


fallsbedingten Überschüsse dieser Beiträge als Gewinne vereinnahmen.<br />

Wettbewerb kann es nur um Leist<strong>un</strong>gen geben, die konkret bestimmt<br />

sind <strong>un</strong>d - sofort oder später - ausgetauscht werden. Hinsichtlich<br />

des reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrages findet aber kein Leist<strong>un</strong>gsaustausch<br />

statt. Hier können die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>möglich eine Gegenleist<strong>un</strong>g erbringen. Eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g<br />

ist auch nicht bestimmbar, weil sie durch ein zufälliges Ereignis<br />

bedingt ist - im Gr<strong>un</strong>de eine Art Lottogewinn. Also kann niemand<br />

den Wert des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutzes beurteilen, den eine Versichertengemeinschaft<br />

erbringt. Hinsichtlich der Dienstleist<strong>un</strong>gen, die Vertreter<br />

<strong>un</strong>d Unternehmen tatsächlich erbringen, findet zwar ein Leist<strong>un</strong>gsaustausch<br />

statt. Der Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil ist dafür das Entgelt.<br />

Aber diese Leist<strong>un</strong>gen werden nicht beschrieben <strong>un</strong>d es werden keine<br />

Preise für sie angegeben. Und die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen<br />

beim Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen kann kein Mensch ohne<br />

Angabe des Sparbetrages <strong>un</strong>d einer konkreten Rendite bewerten.<br />

Ohne Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Preis- oder Renditeangabe<br />

kann es aber keinen Wettbewerb geben.<br />

Unser Ministerialbeamter Kaulbach sieht das natürlich wieder alles<br />

ganz anders: "Werthaltig wird das Versprechen des Versicherers<br />

durch den Wettbewerb." - Eine durch <strong>un</strong>d durch törichte Äußer<strong>un</strong>g<br />

- etwa so als wenn jemand behauptet: "Eine Frau wird erst schwanger<br />

durch die Geburt des Kindes." - Hier werden Ursache <strong>un</strong>d Wirk<strong>un</strong>g<br />

verwechselt. Und der Zeitablauf wird auf den Kopf gestellt.<br />

Für Kaulbach kein Problem. Er kann offenbar beurteilen, was ein<br />

Versprechen wert ist, irgendwann in vielen Jahren möglicherweise<br />

irgendeine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g zu erhalten oder - bei der Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g - irgendeine nicht garantierte Auszahl<strong>un</strong>g zum<br />

Vertragsablauf. Der Ministerialbeamte hat noch nicht erkannt, daß<br />

es bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen überhaupt keinen Austausch gibt,<br />

<strong>un</strong>d daß die Rendite beim Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen - wo ein Austausch<br />

stattfindet - keine Leist<strong>un</strong>gsbestimm<strong>un</strong>g enthält, sondern die<br />

Gegenleist<strong>un</strong>g weitgehend vom Belieben der Gesellschaft <strong>un</strong>d von<br />

den Eingriffen der staatlichen Aufsicht abhängt. Also kann nicht<br />

Wettbewerb eine <strong>un</strong>gewisse Leist<strong>un</strong>g bestimmen, sondern ein Wettbewerb<br />

ist ohne Leist<strong>un</strong>gsaustausch <strong>un</strong>d um <strong>un</strong>gewisse Leist<strong>un</strong>gen<br />

schlichtweg <strong>un</strong>möglich. Die Möglichkeit, eine Leist<strong>un</strong>g vor<br />

Abschluß des Austauschvertrages zu bewerten, ist <strong>un</strong>verzichtbare<br />

Voraussetz<strong>un</strong>g für den Wettbewerb.<br />

209


Wettbewerb - "entscheidend" ist der Verbraucher<br />

Wettbewerb ist ein System der Wirtschaftsregel<strong>un</strong>g durch einen freien<br />

Markt. Diese Regel<strong>un</strong>g erfolgt einmal durch Gesetze <strong>un</strong>d Behörden,<br />

die für Konkurrenz <strong>un</strong>d Transparenz auf der Anbieterseite sorgen<br />

- zum Beispiel durch freien Marktzugang, Angebotsvielfalt, Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g,<br />

Qualitäts- <strong>un</strong>d Preisangaben. Der Verbraucher<br />

soll zwischen mehreren Leist<strong>un</strong>gen wählen <strong>un</strong>d frei entscheiden<br />

können. Zweites Ziel des Wettbewerb ist es, die Wirtschaftlichkeit<br />

<strong>un</strong>d Innovation der Angebote durch die rationelle Entscheid<strong>un</strong>g informierter<br />

Verbraucher zu regeln. Zu teure Anbieter oder solche mit<br />

qualitativ schlechten Leist<strong>un</strong>gen sollen vom Markt verschwinden.<br />

Denn sie müssen - wenn der Markt f<strong>un</strong>ktioniert - pleite gehen, weil<br />

kein vernünftiger Verbraucher ihnen ihre zu teuren <strong>un</strong>d schlechten<br />

Leist<strong>un</strong>gen abnimmt.<br />

Die zweite Voraussetz<strong>un</strong>g, die Mitwirk<strong>un</strong>g des Verbrauchers<br />

beim Wettbewerb als Entscheid<strong>un</strong>gsinstanz ("König K<strong>un</strong>de"), ist in<br />

vielen Bereichen noch gar nicht realisiert. Konkurrenz allein, daß<br />

sich also verschiedene Anbieter bekämpfen, ist noch lange kein<br />

Wettbewerb. Die <strong>wesen</strong>tliche Erkenntnis <strong>un</strong>d Gr<strong>un</strong>dlage des<br />

Verbraucherschutzes ist, daß zum Wettbewerb neben mehreren Anbietern<br />

vor allem Transparenz des Marktes <strong>un</strong>d ein freier, entscheid<strong>un</strong>gsfähiger<br />

Verbraucher gehören. Verbraucherschutz - vor allem<br />

durch Information der Verbraucher - ist also im Gr<strong>un</strong>de nichts anderes<br />

als Wettbewerbsschutz, Förder<strong>un</strong>g der Verbraucherstell<strong>un</strong>g im<br />

Markt.<br />

Wettbewerb ist also das Konkurrieren der Anbieter von Produkten<br />

<strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gen um die Kaufentscheid<strong>un</strong>g des einzelnen<br />

Verbrauchers mit dem volkswirtschaftlich erwünschten Ziel, die besten<br />

Leist<strong>un</strong>gen mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz zu produzieren<br />

<strong>un</strong>d zu günstigen Preisen abzusetzen. Wichtigste Voraussetz<strong>un</strong>gen,<br />

die durch gesetzliche Rahmenbestimm<strong>un</strong>gen verwirklicht<br />

werden sollen, sind dafür: mehrere voneinander <strong>un</strong>abhängige, also<br />

miteinander konkurrierende, Anbieter (freier Marktzugang, Monopol-<br />

<strong>un</strong>d Kartellverbot) <strong>un</strong>d wahre Informationen für den einzelnen<br />

Verbraucher über die Qualität <strong>un</strong>d die Preise von angebotenen Produkten<br />

<strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gen (Preisangabepflicht <strong>un</strong>d Verbot <strong>un</strong>lauteren<br />

Wettbewerbs).<br />

Fazit: Ohne Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Preisangabe kann es keinen<br />

Wettbewerb geben, weil der einzelne Verbraucher <strong>un</strong>fähig ist,<br />

210


Angebote zu bewerten <strong>un</strong>d durch seine Kaufentscheid<strong>un</strong>gen den<br />

erwünschten Wettbewerbs-, Kosten- <strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gsdruck zu erzeugen.<br />

Während in allen anderen Wirtschaftszweigen Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Mißmanagement zu Verlusten führen, wird diese<br />

Nebenwirk<strong>un</strong>g von Wettbewerb <strong>un</strong>d Preisangabe bei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

nicht erreicht. So entstehen hier nichtleist<strong>un</strong>gsbezogene<br />

Gewinne, die der Wettbewerb gerade verhindern soll.<br />

Ohne Preisangabe kein Wettbewerb<br />

um Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

Wegen der fehlenden Prämienaufteil<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Preisangabe gibt es um<br />

die eigentliche Dienstleist<strong>un</strong>g der Gesellschaften im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

überhaupt keinen Wettbewerb, weil der Versicherte den Preis<br />

dieser Dienstleist<strong>un</strong>g nicht kennt, weil er nicht weiß, für welche<br />

Leist<strong>un</strong>gen er diesen Preis bezahlt <strong>un</strong>d weil er die Rentabilität dieser<br />

Leist<strong>un</strong>gen nicht beurteilen <strong>un</strong>d nicht erkennen kann, ob diese Leist<strong>un</strong>gen<br />

ihm gegenüber überhaupt erbracht werden. So ist es dem<br />

Verbraucher <strong>un</strong>möglich, im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> seine "Entscheid<strong>un</strong>gsf<strong>un</strong>ktion<br />

im Wettbewerb" wahrz<strong>un</strong>ehmen. Der Versicherte<br />

weiß allenfalls, daß er mit der <strong>un</strong>geteilten Prämie die Schäden der<br />

Versichertengemeinschaft sowie Kosten <strong>un</strong>d Gewinne der Gesellschaften<br />

bezahlt.<br />

Wegen der totalen Intransparenz im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> weiß<br />

der Versicherte aber schon nicht mehr, daß sich die Aktiengesellschaften<br />

die überkalkulierten <strong>un</strong>d zufallsbedingten Überschüsse aus<br />

seinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträgen ohne jede Gegenleist<strong>un</strong>g - also <strong>un</strong>gerechtfertigt<br />

- aneignen. Er weiß nicht, daß die teuren Aktiengesellschaften<br />

in manchen Branchen bis zu fünfzig Prozent <strong>un</strong>d mehr der<br />

Prämie für Kosten <strong>un</strong>d Gewinne verbrauchen. Er kann nicht erkennen,<br />

daß die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g eine <strong>un</strong>rentable Geldanlage<br />

ist, weil viele Aktiengesellschaften zwischen zwanzig bis dreißig Prozent<br />

ihrer Prämieneinnahmen für Abschluß- <strong>un</strong>d Verwalt<strong>un</strong>gskosten<br />

verbrauchen, daß - nach Abzug eines doppelt überkalkulierten Risikobeitrages<br />

- nur etwa sechzig bis siebzig Prozent der Prämie für<br />

den Versicherten angespart werden, daß sich die Aktiengesellschaften<br />

von den Erträgen dieser Spargelder einen Teil als Gewinn aneignen<br />

<strong>un</strong>d die Wertsteiger<strong>un</strong>gen aus der Anlage der Spargelder meistens<br />

für sich - <strong>un</strong>d nicht für die Versicherten - realisieren.<br />

211


Weil der Verbraucher den wirtschaftlichen Wert der Versicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d der damit verb<strong>un</strong>denen Dienstleist<strong>un</strong>gen nicht beurteilen<br />

<strong>un</strong>d seinen wirklichen Bedarf nicht artikulieren kann, weil er den<br />

Mißbrauch seines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrages <strong>un</strong>d die Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

nicht erkennen kann, zwingt niemand - auch nicht<br />

ein Wettbewerb - die Gesellschaften dazu, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

<strong>un</strong>d Kosten korrekt <strong>un</strong>d fair zu verwenden <strong>un</strong>d Unrentabilität bei<br />

der Akquisition, im Kampf um die Bestände, bei der Regulier<strong>un</strong>g<br />

von Kleinschäden <strong>un</strong>d im Provisionssystem abzubauen.<br />

Es gibt also nur einen Konkurrenzkampf im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

In Deutschland ist sogar dieser Konkurrenzkampf stark behindert,<br />

weil vor allem im Massengeschäft Vertragslaufzeiten von zehn<br />

Jahren üblich sind (mit Prämienanpass<strong>un</strong>gsklauseln). Dadurch ist<br />

den Versicherten weitgehend die Möglichkeit genommen, zu günstigeren<br />

Gesellschaften zu wechseln. In Amerika kann dagegen jeder<br />

Versicherte zu jeder Zeit seinen ohnehin kurzfristigen Vertrag kündigen<br />

<strong>un</strong>d erhält sogar die <strong>un</strong>verbrauchten Beiträge zurück. Und das<br />

von der Branche im Bereich der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g eingeführte<br />

"Zillmerverfahren" führt dazu, daß ein Lebensversicherter<br />

eine falsche Entscheid<strong>un</strong>g nur <strong>un</strong>ter erheblichen finanziellen Verlusten<br />

korrigieren <strong>un</strong>d andere Angebote wahrnehmen kann.<br />

Es ist <strong>un</strong>begreiflich, daß vor allem in Deutschland immer wieder<br />

von einem heftigen Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> geredet<br />

wird <strong>un</strong>d daß die allgemeine Mein<strong>un</strong>g vorherrscht, für einen Wettbewerb<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> reiche es aus, wenn die Gesellschaften<br />

die <strong>un</strong>geteilte Prämie angeben <strong>un</strong>d die Verbraucher die Prämien<br />

vergleichen können. Das Ergebnis dieses Mißverständnisses von<br />

Wettbewerb ist, daß die Aktiengesellschaften mit den höchsten Kosten<br />

die höchsten zufallsbedingten Gewinne machen. Und sie bieten<br />

dabei für völlig überhöhte Prämien keine anderen oder besseren<br />

Leist<strong>un</strong>gen als <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen mit um die Hälfte niedrigeren<br />

Beiträgen. Aber wie soll der Verbraucher dieses erkennen ? -<br />

Die Deregulier<strong>un</strong>gsversuche eines Nichtmarktes – ein Krampf<br />

Eine vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister eingesetzte <strong>un</strong>abhängige Expertenkommission<br />

hat im Jahre 1990 einen ersten Bericht zum "Abbau<br />

marktwidriger Regulier<strong>un</strong>gen" vorgelegt. Dabei hat sich diese<br />

"Deregulier<strong>un</strong>gskommission" dankenswerterweise sehr eingehend<br />

mit gr<strong>un</strong>dsätzlichen Fragen zum Wettbewerb, seinen Voraussetz<strong>un</strong>-<br />

212


gen <strong>un</strong>d Aufgaben befaßt, leider aber überhaupt nicht mit dem Wesen<br />

von Versicher<strong>un</strong>g. Nachstehend einige Auszüge aus dem Bericht:<br />

"Der Wettbewerb ist Dreh- <strong>un</strong>d Angelp<strong>un</strong>kt der marktwirtschaftlichen<br />

Ordn<strong>un</strong>g. Er gibt den wirtschaftlichen Antriebskräften Raum<br />

zur Entfalt<strong>un</strong>g, er steigert kontinuierlich die gesamtwirtschaftliche<br />

Effizienz, <strong>un</strong>d er bildet zugleich eine wirksame Kontrolle wirtschaftlicher<br />

Macht. Der beste Schutz des Verbrauchers ist im allgemeinen<br />

der Wettbewerb der Anbieter um seine dauerhafte G<strong>un</strong>st. Der Staat<br />

dekretiert daher in vielfältiger Form Informationspflichten der Anbieter,<br />

verbietet Desinformation, sorgt selbst für verbesserte Information,<br />

gebietet standardisierte Verträge, Mindeststandards für die<br />

Qualität von Gütern.<br />

Der Wettbewerb der Anbieter um die Nachfrager steuert die <strong>un</strong>ternehmerischen<br />

Entscheid<strong>un</strong>gen entsprechend den Käuferpräferenzen,<br />

realisiert insoweit Konsumentensouveränität, lenkt Arbeit<br />

<strong>un</strong>d Kapital in die Produktionseinricht<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Produktionsverfahren,<br />

in denen sie den höchsten gesellschaftlichen Nutzen stiften,<br />

erzwingt die möglichst schnelle Anpass<strong>un</strong>g des Angebots, erzeugt<br />

einen ständigen Storm an Neuer<strong>un</strong>gen, verteilt die Einkommen nach<br />

der bewerteten Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d verhindert Einkommen, die aus Abhängigkeit<br />

des einen vom anderen entstehen können. Bei modellhaft<br />

f<strong>un</strong>ktionierendem Wettbewerb entspricht der Preis schließlich den<br />

Kosten der Bereitstell<strong>un</strong>g eines Gutes. In einem idealisierten Marktsystem<br />

soll gelten, daß niemand der Willkür eines anderen ausgesetzt<br />

ist, daß sich Nachfrager an Veränder<strong>un</strong>gen der Verhältnisse rasch<br />

anpassen können <strong>un</strong>d gut informiert sind."<br />

Dann aber macht die Deregulier<strong>un</strong>gskommission einen schon<br />

"traditionellen" Fehler: Sie vergißt, das Wesen der Versicher<strong>un</strong>g zu<br />

<strong>un</strong>tersuchen Dabei hat die Deregulier<strong>un</strong>gskommission selbst Zweifel<br />

am vollkommenen Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>. Sie<br />

räumt ein, "daß zwischen dem Abschluß eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrages<br />

<strong>un</strong>d dem Kauf eines Konsumgutes Unterschiede bestehen", <strong>un</strong>d<br />

bezweifelt, "daß ein Wettbewerb der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen in<br />

jedem Fall f<strong>un</strong>ktionsfähig auch im Sinne eines ausreichenden<br />

Verbraucherschutzes wäre."- Genau hier hätte die Kommission weiterdenken<br />

müssen. Vielleicht wäre sie dann darauf gekommen, daß<br />

es Wettbewerb um Versicher<strong>un</strong>g gar nicht geben kann. Und das Untersuch<strong>un</strong>gsergebnis<br />

hätte dann sicher ganz anders ausgesehen.<br />

Möglicherweise wäre die Forder<strong>un</strong>g ge<strong>wesen</strong>: Deregulier<strong>un</strong>g durch<br />

213


Prämientrenn<strong>un</strong>g. Denn die Experten schreiben selbst: "Leitvorstell<strong>un</strong>g<br />

der Deregulier<strong>un</strong>g ist es, eine Regulier<strong>un</strong>g, die den Wettbewerb<br />

beschränkt oder ausschließt, durch eine Regulier<strong>un</strong>g zu ersetzen, die<br />

den Wettbewerb nicht oder weniger behindert."<br />

Auf jeden Fall stellt die Deregulier<strong>un</strong>gskommission ebenso wie<br />

die Monopolkommission - richtig - fest, daß zur Zeit kein Wettbewerb<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> herrscht. Dabei führt die Kommission<br />

aber wieder nur Symptome als Begründ<strong>un</strong>g an, wie zum Beispiel die<br />

im Vergleich zu anderen Ländern überhöhten Prämien: "Auch internationale<br />

Vergleiche mit weniger regulierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>märkten<br />

zeigen, daß Regulier<strong>un</strong>g preistreibend wirkt. Ein Vergleich aus<br />

dem Jahre 1985 bezieht sich auf die Netoprämien bei Risikolebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

in der B<strong>un</strong>desrepublik <strong>un</strong>d in Großbritannien. Das<br />

billigste britische Angebot kostete nur vierzig Prozent des billigsten<br />

deutschen Angebots. Selbst das teuerste britische Angebot lag bei<br />

nur sechzig Prozent des günstigsten deutschen Angebots. Eine Untersuch<strong>un</strong>g<br />

aus dem Jahre 1988, die im Auftrage der EG-<br />

Kommission durchgeführt worden ist, zeigt, daß die Prämien auch<br />

in sonstigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparten in der B<strong>un</strong>desrepublik höher sind<br />

als in anderen Ländern der Gemeinschaft."<br />

Schlimm ist die in diesen Ausführ<strong>un</strong>gen enthaltene Schlußfolger<strong>un</strong>g,<br />

daß "Regulier<strong>un</strong>g preistreibend wirke", wenn Vergleiche für<br />

"weniger regulierte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>märkte" niedrigere Prämien aufzeigen.<br />

Das ist die gleiche Scheinrelation, als wenn man einen Storch<br />

für die Geburt eines Kindes verantwortlich macht, weil er vor ne<strong>un</strong><br />

Monaten einmal über das Haus der Mutter hinweggeflogen ist. Aber<br />

das ist der Gr<strong>un</strong>dfehler aller wissenschaftlichen Untersuch<strong>un</strong>gen zu<br />

Gr<strong>un</strong>dsatzfragen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>: keine Gr<strong>un</strong>dlagen- <strong>un</strong>d<br />

Ursachenforsch<strong>un</strong>g - wie auch hier nicht einmal ansatzweise nach<br />

den Ursachen des Wettbewerbsversagens gesucht wird. So herrscht<br />

auch in England kein Wettbewerb. Während aber in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

der Wettbewerbs-Ersatz eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

ist, f<strong>un</strong>ktioniert in den angelsächsischen Ländern ein Ersatz-<br />

Wettbewerb, indem <strong>un</strong>abhängige Makler anstelle der Verbraucher<br />

eine Art Wettbewerbs-Druck auf die Unternehmen ausüben.<br />

Reguliertes Chaos auf einem Flugplatz<br />

Ich möchte die Fehler all derer, die bisher Untersuch<strong>un</strong>gen zur Deregulier<strong>un</strong>g<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> angestellt haben, an einem Bei-<br />

214


spiel verdeutlichen, bei dem drei Dinge miteinander vermengt sind,<br />

die eigentlich getrennt sein sollten: eine Bahnstrecke, eine Straße <strong>un</strong>d<br />

die Landebahn auf einem Flugplatz - so wie bei einer Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vorgang, das Sparen <strong>un</strong>d die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen miteinander vermengt sind. Keiner<br />

ist auf die Idee gekommen, daß man das Problem ganz einfach<br />

lösen könnte, indem man die Wege der verschiedenen Verkehrsmittel<br />

voneinander trennt, also die Straße <strong>un</strong>d die Bahn um den Flughafen<br />

herumführt <strong>un</strong>d die Straße auch noch mit einer Brücke über die<br />

Bahn hinweg - wie Versichern, Sparen <strong>un</strong>d die Dienstleist<strong>un</strong>gen der<br />

Unternehmen voneinander getrennt werden sollten. Aber warum<br />

einfach, wenn es auch kompliziert geht. Also machen wir es kompliziert:<br />

Jeder wird einsehen, daß es zu einem Chaos auf dem Flugplatz<br />

kommen muß, wenn der Flug-, Bahn- <strong>un</strong>d Straßenverkehr nicht reguliert<br />

wird. Also wurden Schranken aufgestellt <strong>un</strong>d eine Aufsicht<br />

eingerichtet, die die Verkehrsströme regeln soll - wie die staatliche<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht die Geldströme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>. Die<br />

Schrankentechnik f<strong>un</strong>ktionierte aber gelegentlich nicht <strong>un</strong>d Aufsichtsbeamte<br />

gingen furchtbar ängstlich zu Werke. Der Verkehr<br />

brach zusammen <strong>un</strong>d es kam zu Unfällen, was die Abschleppdienste<br />

<strong>un</strong>d ihre Unfallhelfer besonders freute - wie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>d ihre Einfirmenvertreter sich über die Mängel <strong>un</strong>seres<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s, insbesondere über das Versagen der<br />

Staatsaufsicht freuen.<br />

Eine Kommission wird eingesetzt <strong>un</strong>d gleich "Deregulier<strong>un</strong>gskommission"<br />

genannt. Denn alle Welt spricht von Deregulier<strong>un</strong>g als<br />

einem Allheilmittel für nahezu jedes Problem. So ist auch der spontane<br />

Vorschlag der Dergulier<strong>un</strong>gskommission: Deregulieren, was<br />

sonst !? - Schranken <strong>un</strong>d Aufsicht abschaffen. Dann wird alles besser,<br />

denn Flugzeugführer, Bahn- <strong>un</strong>d Autofahrer werden die deregulierte<br />

Situation auf dem Flugplatz schon meistern - freiheitlich.<br />

Jeder kann leicht erkennen: Das Chaos ist vorprogrammiert. Aber<br />

die Kommission wendet ein: In anderen Ländern klappt das.<br />

Dort werden die Fahrer auf ihrer Fahrt über den Flugplatz von Experten<br />

begleitet - wie im angelsächsischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> die<br />

Versicherten von <strong>un</strong>abhängigen Maklern durch den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>dsch<strong>un</strong>gel<br />

geführt werden. Die Kommission übersieht aber, daß die<br />

Verkehrsteilnehmer auf <strong>un</strong>serem Flugplatz von den Helfern der Abschleppdienste<br />

geradezu animiert werden, sich überfahren zu lassen<br />

215


- wie die B<strong>un</strong>desbürger durch die Einfirmenvertreter <strong>un</strong>d Drücker<br />

der teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften.<br />

Also ist das gar nicht so einfach mit der Deregulier<strong>un</strong>g, vor allem<br />

wenn etwas reguliert werden muß - wie das Chaos auf <strong>un</strong>serem<br />

Flugplatz. Man könnte eine neue Kommission einsetzen <strong>un</strong>d diese<br />

Regulier<strong>un</strong>gskommission nennen. Diese müßte sich Maßnahmen<br />

ausdenken, die die Regulier<strong>un</strong>g verbessern - wie <strong>un</strong>qualifizierte Beamte<br />

feuern <strong>un</strong>d die Schrankentechnik verbessern. Der Verkehrsfluß<br />

würde sich verbessern <strong>un</strong>d es gäbe weniger Unfälle. Das würden -<br />

vom Prinzip her - sogar noch die Abschleppdienste hinnehmen in<br />

dem Bewußtsein, daß ihre Unfallhelfer immer noch für genug Unfälle<br />

<strong>un</strong>d Gewinn sorgen würden.<br />

Eine Regulier<strong>un</strong>gskommission könnte sich aber neben einer Verbesser<strong>un</strong>g<br />

der Aufsicht noch Maßnahmen überlegen, die den Unfallhelfern<br />

das Leben schwer machen würden - wie zum Beispiel ein<br />

jederzeitiges Kündig<strong>un</strong>gsrecht, das im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> die Einfirmenvertreter<br />

abschaffen würde. Das würde die Regulier<strong>un</strong>g <strong>wesen</strong>tlich<br />

verbessern - wie die Makler im angelsächsischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

gewisse Regulier<strong>un</strong>gsf<strong>un</strong>ktionen erfüllen.<br />

Aber - wie gesagt - einfacher wäre die Trenn<strong>un</strong>g der Verkehrsströme.<br />

Die Regulier<strong>un</strong>g des Verkehrs könnte weitgehend abgeschafft<br />

werden - eine "Deregulier<strong>un</strong>g" durch "Umregulier<strong>un</strong>g" des<br />

Verkehrs, wie im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> durch eine Aufteil<strong>un</strong>g der<br />

Prämie <strong>un</strong>d Trenn<strong>un</strong>g der Geldströme ! - Der Verkehr würde in seinen<br />

eigenen Bahnen <strong>un</strong>gestört <strong>un</strong>d schneller fließen, <strong>un</strong>d es gäbe<br />

kaum noch Unfälle - wie im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nach einer Prämientrenn<strong>un</strong>g<br />

klare Verhältnisse herrschen würden, wenn Versicherten-<br />

<strong>un</strong>d Unternehmensgeld getrennt wäre, wenn die Verbraucher<br />

Preise, Beiträge <strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gen erkennen könnten <strong>un</strong>d wenn die<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertengeld durch die Unternehmen nicht<br />

mehr möglich wäre. Aber - wie gesagt - manche mögen's kompliziert:<br />

Wenn man einen Nicht-Marktprozeß deregulieren will (was gar<br />

nicht geht), dann muß die Leitvorstell<strong>un</strong>g einer solchen - <strong>un</strong>tauglichen<br />

- Deregulier<strong>un</strong>g sein, die notwendige Regulier<strong>un</strong>g nicht zu deregulieren,<br />

aber wenigstens so zu t<strong>un</strong>, als ob man dereguliert. So einfach<br />

ist das ! -<br />

216


Fehlende Untersuch<strong>un</strong>g über das Wesen der Versicher<strong>un</strong>g<br />

Die Deregulier<strong>un</strong>gskommission hat sich mit dem Wesen des Wettbewerbs<br />

befaßt <strong>un</strong>d dabei einige Feststell<strong>un</strong>gen getroffen, die für<br />

den Wettbewerb allgemein richtig <strong>un</strong>d gültig sind - nur nicht für einen<br />

Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>. Darauf hätten die Experten<br />

mit folgenden Fragen kommen können, wenn sie die einzelnen<br />

von ihnen verwendeten Begriffe <strong>un</strong>tersucht hätten:<br />

Die Kommission spricht von "<strong>un</strong>ternehmerischen Entscheid<strong>un</strong>gen".<br />

Welchen Einfluß sollen diese auf die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

haben, die nur durch den <strong>un</strong>gewissen Schadenverlauf oder dadurch<br />

beeinflußt werden können, daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz erweitert<br />

oder eingeschränkt wird ? - Eine dadurch bedingte Steiger<strong>un</strong>g oder<br />

Senk<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen ist aber sicher keine "<strong>un</strong>ternehmerische"<br />

Leist<strong>un</strong>g.<br />

Die Kommission spricht von "Käuferpräferenzen" <strong>un</strong>d "Konsumentensouveränität".<br />

Wie soll es die geben, wenn bei Versicher<strong>un</strong>g<br />

- als Einkommensumverteil<strong>un</strong>g - gar nichts produziert wird ? -<br />

Wie soll es "Konsumentensouveränität" geben, wenn im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

kein Leist<strong>un</strong>gsaustausch stattfindet, <strong>un</strong>d wenn es im<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich, wo ein solcher Austausch stattfindet, keine<br />

Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d keine Preisangaben gibt ? -<br />

Die Kommission spricht davon, daß durch Wettbewerb "Arbeit<br />

<strong>un</strong>d Kapital in Produktionseinricht<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Produktionsverfahren<br />

geleitet wird, in denen sie den höchsten gesellschaftlichen Nutzen<br />

stiften" ? - Wie soll das bei der Einkommensumverteil<strong>un</strong>g im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

geschehen ? - Es gibt keine "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>produktion",<br />

also auch keine "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Produktionseinricht<strong>un</strong>gen" <strong>un</strong>d<br />

auch keine "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Poduktionsverfahren". Es gibt nur eine<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsproduktion, hinsichtlich derer aber "Arbeit <strong>un</strong>d Kapital<br />

mit höchstem gesellschaftlichen Nutzen" nicht durch Wettbewerb<br />

geleitet werden kann, weil es dafür an den <strong>wesen</strong>tlichsten Voraussetz<strong>un</strong>gen<br />

fehlt - an Preisangaben <strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g.<br />

Die Kommission spricht davon, daß im Wettbewerb "Einkommen<br />

nach der bewerteten Leist<strong>un</strong>g verteilt wird" - Wie soll das im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich gesehen, wo keine Leist<strong>un</strong>g ausgetauscht,<br />

sondern Einkommen nur umverteilt wird - je nach Schadenanfall.<br />

Wo keine Leist<strong>un</strong>g ist, kann auch keine Leist<strong>un</strong>g bewertet werden.<br />

Die Kommission spricht von den Prämien als "Preisen" <strong>un</strong>d von<br />

den "Kosten der Bereitstell<strong>un</strong>g eines Gutes". - Wie soll das für den<br />

217


<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich gelten, wo schlicht <strong>un</strong>d einfach nur das von<br />

den Versicherten bereitgestellte Geld umverteilt <strong>un</strong>d nicht gegen ein<br />

von den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen hergestelltes Gut ausgetauscht<br />

wird ? -<br />

Also kann es im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich nicht einmal einen "modellhaft<br />

f<strong>un</strong>ktionierenden Wettbewerb" geben. Die Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

spricht selbst immer wieder von einer "tauschwirtschaftlichen<br />

Betätig<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d einer "freien Marktwirtschaft als Wirtschaft<br />

des freien Austauschs". Hätte sie doch nur einmal <strong>un</strong>tersucht,<br />

wo im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ein Austausch stattfinden kann. Versicher<strong>un</strong>g<br />

ist nämlich kein Austauschvorgang <strong>un</strong>d damit kein<br />

Marktprozeß. Genau deshalb gilt auch nicht, was die Kommission<br />

als Wohltat eines "idealisierten Marktsystem" ansieht, "daß niemand<br />

der Willkür eines anderen ausgesetzt ist, daß sich Nachfrager an<br />

Veränder<strong>un</strong>gen der Verhältnisse rasch anpassen können <strong>un</strong>d gut informiert<br />

sind." - Wegen der fehlenden Voraussetz<strong>un</strong>gen für einen<br />

Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sind die Versicherten der Willkür<br />

der Gesellschaften ausgesetzt (siehe "Tatort Bilanz"), <strong>un</strong>d können<br />

sich Versicherte nicht rasch veränderten Verhältnissen anpassen<br />

(Stichworte: "Zehnjahresverträge" <strong>un</strong>d "Verluste bei vorzeitiger<br />

Aufheb<strong>un</strong>g von Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen"). Und die Verbraucher<br />

sind überhaupt nicht informiert - schon gar nicht über Preis<br />

<strong>un</strong>d Qualität der Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen.<br />

All das hat bisher niemand gesehen, obwohl die Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

richtig erkannt hat: "Die private <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

ist umfassend reguliert. Die Wurzeln der Regulier<strong>un</strong>g reichen<br />

bis in die Anfänge dieses Jahrh<strong>un</strong>derts. 'Schwindel<strong>un</strong>ternehmen'<br />

brachten die Branche in Mißkredit." - Hätten die Experten doch<br />

einmal darüber nachgedacht, warum "Schwindel<strong>un</strong>ternehmen" überhaupt<br />

möglich waren, <strong>un</strong>d daß wegen der "Gefahr der schwersten<br />

Schädig<strong>un</strong>g des Volkswohl" eine Regulier<strong>un</strong>g eingeführt wurde !<br />

- Der amerikanische Aufsichtsbeamte Elizur Wright hat die Ursache<br />

dafür schon von mehr als h<strong>un</strong>dert Jahren klar erkannt: "Weil Dinge<br />

miteinander vermengt sind, die getrennt werden sollten, ist die Gefahr<br />

des Schwindels so groß." -<br />

Einen Elizur Wright gab es aber nicht in der Deregulier<strong>un</strong>gskommission.<br />

Und deshalb spricht diese ohne Prüf<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d ohne Bedenken<br />

von einem "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt" <strong>un</strong>d "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>produkten",<br />

für die es ein "Preis-Leist<strong>un</strong>gs-Verhältnis" geben <strong>un</strong>d um<br />

die ein "Preis- <strong>un</strong>d Qualitätswettbewerb" möglich sein soll. Und am<br />

218


Ende sagen die Experten: "Versicher<strong>un</strong>g ist Vertrauenssache" - also<br />

auch noch ein Wettbewerb des Vertrauens, was immer das sein <strong>un</strong>d<br />

wie immer das f<strong>un</strong>ktionieren soll. Gegner der Deregulier<strong>un</strong>g sollen<br />

an diesen "Realitäten moderner <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>märkte" (die nicht existieren)<br />

"vorbei argumentieren".<br />

Ein "moderner <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt" -<br />

à la Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

Einen modernen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt stellt sich die Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

so vor: Die Beding<strong>un</strong>gs-, Tarif- <strong>un</strong>d Prämienkontrolle<br />

durch die staatliche Aufsicht soll weitgehend abgebaut <strong>un</strong>d der Annahmezwang<br />

in der Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g aufgehoben werden.<br />

Die Gesellschaften sollen auch hier ihre Tarife frei gestalten, also<br />

zum Beispiel neue Kfz-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>tarife einführen dürfen, zum<br />

Beispiel für die Gruppe der Ausländer. Gegen Firmenpleiten sollen<br />

die Versicherten durch einen Versichertenschutzfonds geschützt<br />

werden, der aber nur für einen teilweisen Ausgleich der Ansprüche<br />

sorgen soll. Der Verbraucher muß also nach Mein<strong>un</strong>g der Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

in der Lage sein, bei größtmöglicher Beding<strong>un</strong>gs-<br />

<strong>un</strong>d Beitragsvielfalt <strong>un</strong>d "komplexen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Finanzdienstleist<strong>un</strong>gspaketen"<br />

bei mehreren h<strong>un</strong>dert Unternehmen "in<br />

rechtlichen Begriffen zu denken" <strong>un</strong>d die "Wahrscheinlichkeiten von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d deren Höhe zu bewerten" - auch die<br />

Wahrscheinlichkeiten <strong>un</strong>bekannter Auszahl<strong>un</strong>gen beim langfristigen<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen. Er soll in der Lage sein, seinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

selbst maßzuschneidern <strong>un</strong>d Selbstbehalte <strong>un</strong>d Prämienrabatte<br />

zu beurteilen, vor allem auch das Insolvenz- oder Pleitenrisiko<br />

aller anbietenden Unternehmen. Und der Verbraucher soll<br />

bei seiner Suche nach dem günstigsten Angebot <strong>un</strong>gewisse Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

in seine Rechn<strong>un</strong>gen mit einbeziehen können.<br />

Und dann soll der arme Verbraucher auch noch in der Lage sein,<br />

dieses alles auf zehn Jahre im voraus zu beurteilen <strong>un</strong>d zu bewerten,<br />

weil die Deregulier<strong>un</strong>gskommission gr<strong>un</strong>dsätzlich nicht gegen die<br />

Zehnjahresbind<strong>un</strong>g im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist. Und am Ende soll<br />

der Verbraucher in der Lage sein zu erkennen, daß er zu all dem<br />

nicht in der Lage ist. Denn "die Deregulier<strong>un</strong>gskommission teilt die<br />

verbreitete Auffass<strong>un</strong>g, daß der private K<strong>un</strong>de im Massengeschäft<br />

mit der Beurteil<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen überfordert sein<br />

kann <strong>un</strong>d insofern eines gewissen Schutzes bedarf." - So verlangt<br />

219


auch die Deregulier<strong>un</strong>gskommission von einem Verbraucher letztlich<br />

die Einsicht, daß er sich von einem <strong>un</strong>abhängigen Berater gegen<br />

Honorar beraten lassen sollte - was man aber in einer Marktwirtschaft<br />

von keinem Verbraucher erwarten kann, der davon ausgehen<br />

darf, daß ein f<strong>un</strong>ktionierender Wettbewerb ihn eigentlich zu eigenen<br />

Entscheid<strong>un</strong>gen befähigen müßte, ohne Inanspruchnahme von Beratern<br />

als eine Art "Blindenh<strong>un</strong>de".<br />

Man sollte einmal einen Deregulier<strong>un</strong>gsfanatiker ins Kreuzverhör<br />

nehmen, wie er in einem solchen Umfeld rationale Entscheid<strong>un</strong>gen<br />

treffen will, die vor allem noch den Wettbewerb bestimmen sollen.<br />

Tatsächlich verlangt die Deregulier<strong>un</strong>gskommission von einem<br />

Verbraucher aber keine rationalen Entscheid<strong>un</strong>gen, sondern hellseherische<br />

Fähigkeiten. Die Verbraucher sollen bei der Bewert<strong>un</strong>g einer<br />

<strong>un</strong>geteilten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie <strong>un</strong>d von nicht garantierten Ablaufleist<strong>un</strong>gen<br />

aus Lebensversicher<strong>un</strong>gen etwas können, was man<br />

keinem Glücksspieler zutraut - den Einsatz beim Spiel oder den<br />

Wert eines Loses auf zehn <strong>un</strong>d mehr Jahre im voraus zu beurteilen.<br />

Um die Versicher<strong>un</strong>g selbst kann es überhaupt keinen Wettbewerb<br />

geben, da die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge vom zufälligen Schadenverlauf<br />

abhängig sind <strong>un</strong>d nicht in einer kalkulierbaren Sach- oder<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g besteht. So lange aber die Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>g, der reine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag <strong>un</strong>d ein Preis sowie<br />

die Überschüsse der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die Überschüsse der Preise<br />

<strong>un</strong>trennbar miteinander vermengt sind, kann es auch keinen Wettbewerb<br />

um die Dienstleist<strong>un</strong>g geben. Genauso wie die Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

der Aktiengesellschaften erst begründet werden kann,<br />

wenn die Prämie aufgeteilt <strong>un</strong>d Preise für die Dienstleist<strong>un</strong>gen angegeben<br />

werden, genauso wie der Wettbewerb um die Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> diese Prämienaufteil<strong>un</strong>g erfordert, genauso<br />

können die finanziellen <strong>un</strong>d sozialen Probleme der Versicher<strong>un</strong>g<br />

erst gelöst werden, wenn die Versicher<strong>un</strong>g als Leist<strong>un</strong>g der<br />

Versicherten <strong>un</strong>d die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen getrennt<br />

sind <strong>un</strong>d die Versicher<strong>un</strong>g allgemeingültig im Sinne der Versichertengemeinschaft<br />

geregelt wird - ohne Einfluß von Wettbewerb,<br />

Konkurrenz <strong>un</strong>d Gewinnstreben ! -<br />

Die Fehler der Deregulier<strong>un</strong>gskommission beruhen vielleicht<br />

auch darauf, daß sie zu viel mit Vertretern der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>branche<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftlern gesprochen haben <strong>un</strong>d ihnen<br />

dabei das falsche Branchendenken beigebracht worden ist. Gespräche<br />

mit Verbrauchervertretern haben nicht stattgef<strong>un</strong>den. Eine<br />

220


schriftliche Stell<strong>un</strong>gnahme des B<strong>un</strong>des der Versicherten hat - zum<br />

Beispiel - der stellvertretende Vorsitzende der Kommission vor der<br />

Berichtabfass<strong>un</strong>g nicht zu sehen bekommen. Aber es ist trotzdem<br />

gut, daß sich endlich überhaupt jemand - wie die Monopol- <strong>un</strong>d Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

- um das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> kümmert. So<br />

sind auch einige Vorschläge der Deregulier<strong>un</strong>gskommission durchaus<br />

brauchbar - wie zum Beispiel zum standardisierten Mindestversicher<strong>un</strong>gsschutz,<br />

den alle Gesellschaften anbieten müssen, <strong>un</strong>d Ideen<br />

für mehr Information im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>: "Hilfreich wäre,<br />

wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht ihre umfassende <strong>un</strong>d aktuelle Informationsbasis<br />

stärker als bisher der Öffentlichkeit zugänglich machen<br />

würde, damit Verbraucherschutzverbände <strong>un</strong>d die Presse die<br />

Verbraucher aufklären können." - Dagegen sind einige Ideen der<br />

Deregulier<strong>un</strong>gskommission "haarsträubend" falsch <strong>un</strong>d - wie zur<br />

Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g - sogar verfass<strong>un</strong>gswidrig.<br />

Wie die Deregulier<strong>un</strong>gskommission das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

deregulieren möchte<br />

1. "Der Gr<strong>un</strong>dsatz der Brancheneinheitlichkeit der Allgemeinen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen wird aufgegeben. Bei Pflichtversicher<strong>un</strong>gen<br />

wird die Gestalt<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen nicht freigegeben.<br />

Für die übrigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge werden von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft<br />

genehmig<strong>un</strong>gsbedürftige Musterbeding<strong>un</strong>gen<br />

aufgestellt, zu denen jedes <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen zwingend anbieten<br />

muß. Daneben kann es frei <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen anbieten."<br />

- Richtige Vorschläge, aber es muß <strong>un</strong>bedingt sichergestellt<br />

sein, daß alle Beding<strong>un</strong>gen als Bausteine mit entsprechenden Beitragsangaben<br />

versehen werden, zum Beispiel: "Gr<strong>un</strong>dversicher<strong>un</strong>gsschutz<br />

100 Mark + Zusatzbeding<strong>un</strong>g A für 15 Mark + Gr<strong>un</strong>dbeding<strong>un</strong>g<br />

E für 25 Mark = 140 Mark". Bei einem nicht aufgeschlüsselten<br />

Angebot von 180 Mark könnten die Gesellschaften einen viel zu<br />

teuren Gr<strong>un</strong>dversicher<strong>un</strong>gsschutz verstecken.<br />

2. "Die Prämien werden in allen Bereichen mit Ausnahme der<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g freigegeben. Durch die freie Prämiengestalt<strong>un</strong>g<br />

wird der Wettbewerb intensiviert <strong>un</strong>d teilweise von der<br />

intransparenten Rückerstatt<strong>un</strong>g auf die Prämien verlagert." - Dieser<br />

Vorschlag ist ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g falsch, weil bei Dumpingprämien<br />

die Gefahr einer Pleite gegeben ist, die - da nicht getrennt -<br />

221


nicht nur das Unternehmen, sondern auch das von der Versichertengemeinschaft<br />

angesammelte Vermögen treffen würde. Außerdem<br />

hat eine bloße Prämienfreigabe noch keine <strong>un</strong>mittelbare Wirk<strong>un</strong>g<br />

auf die Begrenz<strong>un</strong>g der Kosten. Das beweist die Tatsache, daß in<br />

allen Bereichen, wo die Prämien bisher auch nicht reguliert waren,<br />

die Freiheit der Prämienkalkulation nicht zu einem niedrigen, sondern<br />

gerade zu einem extrem hohen Prämienniveau geführt hat. Beispiel<br />

die Unfall- <strong>un</strong>d Insassen<strong>un</strong>fallversicher<strong>un</strong>g, wo die Prämien seit<br />

Jahren - trotz völliger Kalkulationsfreiheit - drei- bis sechsmal zu<br />

hoch sind.<br />

3. "Das bestehende Solvenzkontrollsystem wird durch Versichertenschutzfonds<br />

für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sparten ergänzt. Die bestehende<br />

Solvenzkontrolle ist bisher leergelaufen, da die Prämien so großzügig<br />

kalkuliert werden mußten, daß die Kontrollwerte für die Solvabilitätsspanne<br />

sicher erreicht, in den meisten Fällen sogar erheblich<br />

überschritten wurden. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erzielten<br />

große Überschüsse. Zwar wurde Bestandsschutz der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

erreicht, der Wettbewerb mit den Prämien aber eingeschränkt.<br />

Mit Wettbewerb besser vereinbar ist eine Solvenzkontrolle,<br />

die nicht das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, sondern die Ansprüche<br />

der Versicherten direkt schützt. Es werden zwei Fonds eingerichtet,<br />

einer für die Lebensversicher<strong>un</strong>g, einer für die übrigen Versicher<strong>un</strong>gen.<br />

Nicht einbezogen werden die Versicher<strong>un</strong>gen für gewerbliche<br />

Risiken <strong>un</strong>d die private Krankenversicher<strong>un</strong>g, da bei dieser die Prämienkontrolle<br />

bestehen bleibt. Die Versichertenschutzfonds werden<br />

im nachhinein von allen Versicherern nach Maßgabe des Umfangs<br />

ihres Erstgeschäfts gespeist <strong>un</strong>d decken die Ausfallschäden bis auf<br />

einen Selbstbehalt ab. Durch den Selbstbehalt sollen Versicherte einen<br />

Anreiz haben, sich vor Vertragsabschluß ein Urteil über die Bonität<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen zu bilden."<br />

Warum meinen eigentlich alle, eine dauernde Erfüllbarkeit der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge könne nur mit Geld der Gesellschaften, also<br />

durch eine "Solvenz" der Unternehmen, gesichert werden. Das Einfachste<br />

wäre doch, dafür die ständig anfallenden Prämienüberschüsse<br />

als Sondervermögen der Versichertengemeinschaft anzusammeln,<br />

was den Vorteil hätte, daß keine Steuern anfallen - im Gegensatz zur<br />

Bild<strong>un</strong>g von Solvenzkapital als Unternehmensvermögen durch Umwandl<strong>un</strong>g<br />

von Versichertengeld in "Gewinne". Ein Versichertenschutzfonds<br />

würde außerdem die Ungerechtigkeit, daß sich Aktionä-<br />

222


e - ohne Gegenleist<strong>un</strong>g - die Prämienüberschüsse als Gewinn einstecken,<br />

durch eine andere Ungerechtigkeit ersetzen. Versicherte, die<br />

sich "gefährlich billig" versichert <strong>un</strong>d einen über den Fonds regulierten<br />

Schaden haben, stecken Geld der anderen Versicherten ein. Allerdings<br />

wäre hier ein Trost: Versichertengeld bleibt bei den Versicherten<br />

! -<br />

4. "Dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer werden <strong>un</strong>verzichtbare Rechte zur<br />

Lös<strong>un</strong>g vom Vertrag eingeräumt. Er kann innerhalb einer Frist von<br />

dreißig Tagen nach Vertragsschluß <strong>un</strong>d nach Beitragserhöh<strong>un</strong>gen<br />

kündigen. Kündigt der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer den Vertrag, so schuldet<br />

er dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen nur die anteilige Prämie für<br />

den in der Zwischenzeit gewährten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz. Soweit<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ein Interesse am Abschluß langfristiger<br />

Verträge haben, kann es durch Individualvereinbar<strong>un</strong>gen befriedigt<br />

werden." - Letzteres ist n<strong>un</strong> ein ganz <strong>un</strong>d gar <strong>un</strong>sinniger Vorschlag,<br />

weil auch bisher etwa 100 Millionen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge - per Individualvereinbar<strong>un</strong>g<br />

- als Zehnjahresverträge abgeschlossen wurden,<br />

wobei die "Individualvereinbar<strong>un</strong>g" darin bestand, daß der Versicherte<br />

gar nicht gefragt wurde, sondern der Vertreter - meistens<br />

heimlich - mit sich selbst eine möglichst lange Laufzeit "vereinbarte",<br />

um die dafür ausgesetzte besonders hohe Abschlußprovision zu<br />

verdienen.<br />

5. "Die Berufsbezeichn<strong>un</strong>gen '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>makler' <strong>un</strong>d '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>berater'<br />

werden staatlich geschützt. Das Provisionsabgabeverbot<br />

wird abgeschafft. Auf einem deregulierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt<br />

mit seiner größeren Angebotsvielfalt besteht mehr Berat<strong>un</strong>gsbedarf<br />

als heute. Ihn können die Agenten der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternhemen -<br />

meist Einfirmenvertreter - wegen ihrer Interessenbind<strong>un</strong>g nicht befriedigen;<br />

wohl sind dazu aber die <strong>un</strong>abhängigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>makler<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>berater imstande. Das Provisionsabgabeverbot<br />

wirkt wie eine Preisbind<strong>un</strong>g für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler. Es verhindert,<br />

daß Rationalisier<strong>un</strong>gsvorteile beim Vertrieb von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>policen<br />

an die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer weitergegeben werden<br />

können." - Die Deregulier<strong>un</strong>gskommission stellt in diesem Zusammenhang<br />

richtig fest: "In anderen westeuropäischen Staaten sind<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>makler in größerem Umfang in das Privatk<strong>un</strong>dengeschäft<br />

eingeschaltet. In Großbritannien geben Standesregeln den Interessen<br />

der Versicherten Vorrang, betonen Redlichkeit <strong>un</strong>d Integrität<br />

der Makler <strong>un</strong>d legen ihnen Beschränk<strong>un</strong>gen bei der Werb<strong>un</strong>g<br />

223


auf. Zum Schutz der Versicherten im Massengeschäft bei freiem Beding<strong>un</strong>gswettbewerb<br />

hat sich eine gewisse Regulier<strong>un</strong>g des Makler<strong>wesen</strong>s<br />

als zweckmäßig erwiesen. Die positiven Erfahr<strong>un</strong>gen in anderen<br />

Ländern lassen sich auf die B<strong>un</strong>desrepublik übertragen. Gewiß,<br />

die Erfahr<strong>un</strong>gen wurden <strong>un</strong>ter anderen institutionellen Rahmenbeding<strong>un</strong>gen<br />

gemacht, als sie hierzulande vorherrschen. Diese<br />

Unterschiede haben Gewicht bei der Wahl der Deregulier<strong>un</strong>gsstrategie."<br />

- Alles schön <strong>un</strong>d gut, aber damit gibt es noch immer keinen<br />

f<strong>un</strong>ktionierenden Wettbewerb - mit Preisangabe <strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gsbeschreib<strong>un</strong>g.<br />

Durch die Förder<strong>un</strong>g <strong>un</strong>abhängiger Vermittler würde<br />

nur der Wettbewerbs-Ersatz "Staatsaufsicht" gegen den Wettbewerbs-Ersatz<br />

"Makler" ausgetauscht oder durch diesen ergänzt. Also<br />

keine Deregulier<strong>un</strong>g, sondern lediglich eine Um- oder Zusatz-<br />

Regulier<strong>un</strong>g. Die Kommission hat allerdings richtig erkannt, daß die<br />

besseren Verhältnisse in anderen Ländern <strong>un</strong>ter anderen Rahmenbeding<strong>un</strong>gen<br />

herrschen.<br />

Ich habe es selbst in einer Geschäftsstelle der State Farm Mutual<br />

in New York erlebt, daß ein K<strong>un</strong>de seine gesamten Policen anderer<br />

Gesellschaften auf den Tisch legte <strong>un</strong>d diese auf die State Farm umschreiben<br />

ließ. Danach bezahlte er seine neuen Policen sofort per<br />

Scheck <strong>un</strong>d nahm die alten Policen mit der Anweis<strong>un</strong>g mit, diese an<br />

die Gesellschaften zurückzuschicken. Dieses gilt nämlich als Kündig<strong>un</strong>g.<br />

Und die Gesellschaften erstatten die überzahlten Prämien. Das<br />

ist zwar noch nicht Wettbewerb, aber zumindest Freiheit ! - Man<br />

stelle sich auch vor, welchen Druck <strong>un</strong>abhängige Vermittler auf die<br />

Gesellschaften ausüben könnten, wenn diese ihnen keine vernünftigen<br />

Prämien <strong>un</strong>d Beding<strong>un</strong>gen an die Hand geben. Sie könnten von<br />

einem Tag auf den anderen ihren gesamten Bestand auf andere Gesellschaften<br />

umschreiben. Außerdem machte eine Studie des Finanzministeriums<br />

der USA schon vor Jahren den Vorschlag, auf<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>anträgen einen Raum vorzusehen zum Aushandeln<br />

<strong>un</strong>d Eintragen des Preises für den Abschluß der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

für die Betreu<strong>un</strong>g des K<strong>un</strong>den.<br />

In Deutschland ist das alles nicht möglich. Mit Knebelverträgen<br />

sind Einfirmenvertreter an ihren Konzern geb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d müssen<br />

auf Gedeih <strong>un</strong>d Verderb dessen teure Prämien "verkaufen". Und die<br />

Verbraucher sind an Zehnjahresverträge oder nur <strong>un</strong>ter Verlusten<br />

kündbare Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen geknebelt. Nur die Einführ<strong>un</strong>g<br />

eines jederzeitigen Kündig<strong>un</strong>gsrechts (wie in den USA) oder<br />

zumindest einer Kündig<strong>un</strong>gsmöglichkeit nach spätestens zwei Jah-<br />

224


en Vertragsdauer (entsprechend dem Gesetz über die Allgemeinen<br />

Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen) <strong>un</strong>d dazu noch andere Rückkaufswertregel<strong>un</strong>gen<br />

bei der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g könnten das Einfirmenvertretersystem<br />

<strong>un</strong>d die Drückerkolonnen der Gesellschaften zerstören.<br />

Auch die Vertreter könnten sich dann leichter aus ihrer Bind<strong>un</strong>g<br />

befreien <strong>un</strong>d als <strong>un</strong>abhängige Makler sehr schnell eine neue Existenz<br />

aufbauen. Und die Versicherten könnten leichter zu den Maklern<br />

mit ihren günstigeren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>angeboten wechseln. Dabei sollten<br />

die Versicherten mit ihren Maklern deren Vergüt<strong>un</strong>g frei aushandeln<br />

können. Um das Provisionsabgabeverbot laufen derzeit<br />

Prozesse. Mit Sicherheit wird aber der Europäische Gerichtshof dieses<br />

Verbot aufheben.<br />

6. Ganz schlimm <strong>un</strong>d an den "Realitäten" einer Pflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d am Gr<strong>un</strong>dgesetz vorbei sind die Vorschläge der Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

zur Kfz-Versicher<strong>un</strong>g. Da soll - neben Regional-<br />

<strong>un</strong>d Beamtentarifen - eine weitere Differenzier<strong>un</strong>g der Risikogruppen<br />

sinnvoll sein. Sie bewirke, daß die Gruppen mit besonders großen<br />

Risiken ihre Schäden selbst abdecken müssen <strong>un</strong>d nicht von anderen<br />

subventioniert werden. Der Zwang, daß jede Gesellschaft von<br />

jedem Antragssteller die Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g annehmen<br />

muß, soll abgeschafft werden. Die Begründ<strong>un</strong>g der Kommission:<br />

"Der Kontrahier<strong>un</strong>gszwang ist gegenwärtig eine folgerichtige Ergänz<strong>un</strong>g<br />

der Prämienregulier<strong>un</strong>g in der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g. Da<br />

den Versicherern eine dem individuellen Risiko gerechte Prämiengestalt<strong>un</strong>g<br />

zur Zeit nicht möglich ist, würden sie den Abschluß von<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen ohne den Kontrahier<strong>un</strong>gszwang in manchen<br />

Fällen verweigern. Nach einer Deregulier<strong>un</strong>g der Kfz-<br />

Haftpflichtprämien entfällt diese F<strong>un</strong>ktion des Kontrahier<strong>un</strong>gszwanges.<br />

Die Bereitschaft zur Übernahme von Haftpflichtversicher<strong>un</strong>gsschutz<br />

wird sich dann allein über den Preis regeln. Das einheitliche<br />

Bonus-Malus-System in der Kfz-Versicher<strong>un</strong>g wird aufgehoben.<br />

Es ist <strong>un</strong>bestritten, daß ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-<br />

Versicher<strong>un</strong>g die Kosten risikogerecht zurechnet <strong>un</strong>d dadurch schadensmindernd<br />

wirkt." - Im letzten Satz ist fast jedes Wort falsch:<br />

Erstens wird bestritten, daß die Behaupt<strong>un</strong>g "<strong>un</strong>bestritten" ist. Zweitens<br />

wird bestritten, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen "Kosten" sind, die<br />

- drittens - vielleicht den Gruppen, aber nicht dem einzelnen Versicherten<br />

"risikogerecht zugerechnet" werden.<br />

225


Man kann nur froh sein, daß die Deregulier<strong>un</strong>gskommission sehr<br />

viel vo der Bereitschaft zum Eingeständnis von Irrtümern hält. so<br />

schreibt sie: "Wer davon überzeugt ist, daß die derzeit in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

geltende Regulier<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s die beste<br />

ist, wird einräumen müssen, daß er sich irren kann. Fehler <strong>un</strong>d Mängel,<br />

die dieser Bericht enthält, gehen allein zu Lasten der Unterzeichneten."<br />

- Den ersten Bericht der Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

haben ne<strong>un</strong> "<strong>un</strong>abhängige Experten" <strong>un</strong>terschrieben. Sie werden<br />

sicher einräumen, daß auch sie sich bei ihren Deregulier<strong>un</strong>gsversuchen<br />

eines Nicht-Marktprozesses geirrt haben können - nach dem<br />

Motto: "Irrtum," sprach die Deregulier<strong>un</strong>gskommission <strong>un</strong>d entfernte<br />

sich aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich. Vielleicht wendet sie sich<br />

in einem zweiten Bericht dem alleinigen Deregulier<strong>un</strong>gsbereich zu -<br />

den Dienstleist<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

Ergebnis eines falschen Wettbewerbsverständnisses:<br />

Verfass<strong>un</strong>gswidrige Autoversicher<strong>un</strong>gstarife -<br />

Millionen Autofahrer zahlen Milliarden zuviel<br />

Ein katastrophaler Irrtum der Deregulier<strong>un</strong>gs-Kommission sind die<br />

Vorschläge zur Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g. Hier wollen Deregulier<strong>un</strong>gsfanatiker<br />

- in einem Nicht-Markt - offenbar das amerikanische<br />

System einführen, wo die Autoversicher<strong>un</strong>gstarife gar nicht mehr zu<br />

überschauen sind, weil die Unternehmen immer wieder neue Gruppen<br />

von Fahrzeughaltern entdecken, die sie versichern oder nicht<br />

versichern möchten. Man nennt das Selektion <strong>un</strong>d Antiselektion.<br />

Manche - wie die Deregulier<strong>un</strong>gskommission - meinen, das sei<br />

Wettbewerb.<br />

Ein Beispiel: Eine <strong>un</strong>verheiratete Frau zahlt in den USA mehr<br />

Prämie als eine verheiratete Frau. Eine geschiedene Frau zahlt dagegen<br />

wieder mehr Prämie als eine <strong>un</strong>verheiratete Frau. Oder ein Beispiel<br />

in Zahlen: Ein Amerikaner, der in Boston in einem "schwarzen"<br />

Distrikt mit überwiegend Farbigen wohnt <strong>un</strong>d schon seit sieben<br />

Jahren <strong>un</strong>fallfrei fährt, muß für seinen Ford "Malibu" 2.500<br />

Dollar bezahlen, weil ihn sonst keine Gesellschaft annimmt, während<br />

die Prämie für eine alte Frau in einer ländlichen Gegend von<br />

Boston für ihren "Malibu" nur 165 Dollar beträgt, obwohl sie zwei<br />

Schäden hatte.<br />

Dieses Ergebnis eines falsch verstandenen "Wettbewerbs" im<br />

wettbewerbsfreien <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich - um die Tarifier<strong>un</strong>g von<br />

226


Pflichtversicherten, um die Selektion <strong>un</strong>d Antiselektion von Versichertengruppen<br />

- nennt die Deregulier<strong>un</strong>gskommission "Risikogerechtigkeit"<br />

<strong>un</strong>d möchte diese Gerechtigkeit auch gerne in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

realisiert sehen. Dabei haben wir ein solches System bereits<br />

- ansatzweise - in Form der Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife in der<br />

Autoversicher<strong>un</strong>g:<br />

Jeder, der in der B<strong>un</strong>desrepublik ein Fahrzeug zum Verkehr zuläßt,<br />

muß eine Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g abschließen. So bestimmt es<br />

das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetz. Dieses Gesetz verpflichtet außerdem<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, den Antrag eines jeden Fahrzeughalters<br />

auf Versicher<strong>un</strong>g anz<strong>un</strong>ehmen, <strong>un</strong>d zwar nach Tarifen,<br />

die vom B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> genehmigt<br />

worden sind. Zur Gestalt<strong>un</strong>g dieser Tarife wurde vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister<br />

eine Tarif-Verordn<strong>un</strong>g erlassen. Danach sollen die<br />

Pflichtversicherten zu "Gefahrengruppen" zusammengefaßt werden.<br />

Bei dieser Gruppenbild<strong>un</strong>g können "Gefahrenmerkmale, die mit der<br />

Person des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmers verb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d für die Art <strong>un</strong>d<br />

Größe des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>risikos bestimmend sind (subjektive Gefahrenmerkmale),<br />

berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig bestimmbar<br />

sind, die Gruppe dieser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer groß genug ist,<br />

um einen versicher<strong>un</strong>gstechnischen Ausgleich zu ermöglichen, <strong>un</strong>d<br />

ihr Schadenbedarf von dem entsprechenden Schadenbedarf aller<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer abweicht". Zu diesen "subjektiven Gefahrenmerkmalen"<br />

gehören nach Mein<strong>un</strong>g des Gesetzgebers insbesondere<br />

die Dauer der Schadenfreiheit, die Anzahl der Schäden sowie der<br />

Wohnort des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmers.<br />

Diese Bestimm<strong>un</strong>gen sind die Gr<strong>un</strong>dlage für die derzeit geltenden<br />

Regionaltarife <strong>un</strong>d Schadenfreiheitsklassen. Obwohl in der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g<br />

nicht ausdrücklich erwähnt, wurden auch Spezialtarife<br />

für Beamte <strong>un</strong>d Landwirte eingeführt. Alle Tarifklassen haben<br />

gemeinsam, daß nach willkürlich ausgesuchten Kriterien Fahrzeughalter<br />

zu Gruppen zusammengefaßt werden. Dann wird für die einzelnen<br />

Gruppen statistisch das Gesamt-Schadenergebnis eines Jahres<br />

ermittelt <strong>un</strong>d zur Kalkulationsgr<strong>un</strong>dlage für die Beiträge der<br />

Gruppe gemacht. Dabei werden alle Schäden berücksichtigt, die<br />

Mitglieder dieser Gruppe im gesamten B<strong>un</strong>desgebiet oder in Europa<br />

verursacht haben. So muß jeder pflichtversicherte Autofahrer den<br />

Durchschnittschaden einer Gruppe bezahlen, der er - wegen seines<br />

Wohnorts oder Berufs - zugeordnet worden ist. Auswahlkriterien<br />

sind für die Regionaltarife zum Beispiel Städte, Regier<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d<br />

227


Verwalt<strong>un</strong>gsbezirke oder Länder. Für die Berufsgruppentarife hat<br />

sich die Branche nur drei Gruppen einfallen lassen: die Beamten, die<br />

Landwirte <strong>un</strong>d den Rest der B<strong>un</strong>desbürger.<br />

Keiner kann die Frage beantworten, warum es keine Tarife für<br />

weitere Berufsgruppen gibt, die auch groß genug wären, einen versicher<strong>un</strong>gstechnischen<br />

Ausgleich herbeizuführen, wie zum Beispiel<br />

Büroangestellte, Techniker, Ärzte oder andere Berufe. Hierzu<br />

schrieb das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im August<br />

1990: "Der Schadenverlauf der im öffentlichen Dienst tätigen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer ist seit vielen Jahren statistisch <strong>un</strong>tersucht<br />

worden. Es hat sich gezeigt, daß sich der durchschnittliche Schadenaufwand<br />

pro Vertrag erheblich von dem anderer Risiken <strong>un</strong>terscheidet.<br />

Die Bild<strong>un</strong>g berufsständischer Tarifgruppen ist eine Folge des<br />

Wettbewerbs. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sind aufgr<strong>un</strong>d ihrer<br />

Beobacht<strong>un</strong>gen zu der Auffass<strong>un</strong>g gekommen, daß es keine weiteren<br />

Berufsgruppen gebe, für die sich wegen ihres erheblich günstigeren<br />

Schadenverlaufs die Einricht<strong>un</strong>g einer besonderen Tarifgruppe<br />

rechtfertigen würde. Von amtlicher Seite besteht keine Möglichkeit,<br />

den Schadenverlauf weiterer Berufsgruppen zu <strong>un</strong>tersuchen. Da im<br />

Tarifgenehmig<strong>un</strong>gsverfahren das Antragsprinzip vorherrscht, kann<br />

das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt den Versicherern auch nicht eine bestimmte<br />

Tarifstruktur vorschreiben, sondern nur über gestellte Anträge positiv<br />

oder negativ entscheiden." -<br />

So führen die derzeit gültigen Tarife zu den kuriosesten Ergebnissen:<br />

Eine Putzfrau bei der Kreissparkasse Lüneburg zahlt - wie<br />

alle Lüneburger Sparkassenangestellten - nur einen Gr<strong>un</strong>dbeitrag<br />

von 660 Mark nach dem Beamtentarif, denn sie ist eine "öffentlich<br />

Bedienstete". Dagegen ist die Putzfrau einer Bank nicht im öffentlichen<br />

Dienst <strong>un</strong>d zahlt - wie alle Lüneburger Bankangestellten - fast<br />

zwanzig Prozent mehr, nämlich 770 Mark. Die Putzfrau bei einer<br />

Münchener Bank muß sogar - wie alle Bankangestellten in München<br />

- nach dem teuersten Regionaltarif für "Normalbürger" einen Jahresbeitrag<br />

von 1.030 Mark, also über fünfzig Prozent mehr bezahlen.<br />

Unter Berücksichtig<strong>un</strong>g der Schadenfreiheitsklassen müssen Autofahrer<br />

mit gleichem Fahrzeug <strong>un</strong>d gleicher Fahrvergangenheit<br />

b<strong>un</strong>desweit sogar bis zu 750 Prozent <strong>un</strong>terschiedliche Beiträge zur<br />

Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g bezahlen. So zahlt ein j<strong>un</strong>ger, schadenfrei<br />

fahrender Münchener für sein 60-PS-Fahrzeug bei einem Beitragssatz<br />

von 175 Prozent etwa 1.800 Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag.<br />

Ein Beamter in der Provinz muß bei einem Beitragssatz von 35 Pro-<br />

228


zent nur etwa 240 Mark bezahlen. Selbst bei gleichem Beitragssatz<br />

sind die Beiträge des Müncheners um mehr als fünfzig Prozent höher<br />

- wie im obigen Vergleich der 100-Prozent-Beiträge der beiden<br />

Putzfrauen für ein 60-PS-Fahrzeug: etwa 660 Mark für die Putzfrau<br />

in Lüneburg <strong>un</strong>d über 1.000 Mark für die Putzfrau aus München.<br />

Legt man bei einem Beitragsvergleich nur den Wohnort als angeblich<br />

"subjektives Gefahrenmerkmal" zugr<strong>un</strong>de, dann zahlen Autofahrer<br />

- ob Beamte oder Nichtbeamte - in der teuersten Region<br />

München fast dreißig Prozent mehr Beitrag als gleiche Autofahrer in<br />

der billigsten Region. In einem ganzen Autofahrerleben kommen da<br />

für einen schadenfreien Münchener etliche tausend Mark zusammen.<br />

Für alle - wegen ihres Wohnorts oder Berufs - diskriminierten<br />

<strong>un</strong>d benachteiligten Pflichtversicherten ergeben sich sogar jedes Jahr<br />

Mehrbeiträge in Milliardenhöhe - auf Dauer also zigfache Milliardenverluste.<br />

Die Bedeut<strong>un</strong>g der hier angeschnittenen Fragen ist also<br />

enorm.<br />

"Regionalversicherer" <strong>un</strong>d "Beamtenversicherer" -<br />

Auslöser für Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife<br />

Vor dreißig Jahren war alles ganz anders. Da zahlten die B<strong>un</strong>desbürger<br />

bei gleicher Fahrvergangenheit gleiche Beiträge für gleiche<br />

Fahrzeuge - eine logische Folge des versicher<strong>un</strong>gstechnischen Äquivalenzprinzips,<br />

daß gleiche Risiken gleiche Beiträge zahlen müssen.<br />

Aber auch eine logische Folge aus der Tatsache, daß alle B<strong>un</strong>desbürger<br />

zum Abschluß einer Kraftfahrt-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g gesetzlich<br />

verpflichtet sind <strong>un</strong>d wegen dieses gesetzlichen Zwanges der<br />

Gleichbehandl<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dsatz des Gr<strong>un</strong>dgesetzes zu beachten ist.<br />

Heutzutage müssen pflichtversicherte Autofahrer bei gleicher Fahrvergangenheit<br />

für gleiche Fahrzeuge völlig <strong>un</strong>terschiedliche Beiträge<br />

bezahlen, wie wir eben gesehen haben. Was war zwischenzeitlich<br />

geschehen ? - Warum sollen gleiche Autofahrer plötzlich nicht mehr<br />

gleich sein ? -<br />

Auslöser für die Ungleichbehandl<strong>un</strong>g gleicher Autofahrer war<br />

die Tatsache, daß die Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g hierzulande durch etwa<br />

100 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen betrieben wird. Dabei ist das<br />

Tätigkeitsfeld der meisten Gesellschaften das gesamte B<strong>un</strong>desgebiet.<br />

Einige Unternehmen arbeiten aber nur regional. Und andere sind<br />

nur für bestimmte Berufsgruppen zugänglich, insbesondere für Beamte.<br />

Diese Möglichkeit der "Selektion" bestimmter Versicherten-<br />

229


gruppen ist im Gr<strong>un</strong>de eine Ausnahme vom "Annahmezwang", also<br />

von der gesetzlichen Verpflicht<strong>un</strong>g aller <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

den Antrag eines jeden B<strong>un</strong>desbürgers anz<strong>un</strong>ehmen.<br />

Mit z<strong>un</strong>ehmendem Verkehr deutete sich vor etwa dreißig Jahren<br />

ein Phänomen an: Die Gesellschaften, die regional tätig waren <strong>un</strong>d<br />

überwiegend nur Fahrzeughalter aus der Provinz versicherten, <strong>un</strong>d<br />

Unternehmen, die nur Angehörige des öffentlichen Dienstes versicherten,<br />

erzielten immer höhere Überschüsse als die b<strong>un</strong>desweit tätigen<br />

Gesellschaften, <strong>un</strong>d sie konnten ihren Versicherten immer höhere<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen gewähren. Die Branche nennt dieses<br />

noch heute eine "Wettbewerbsverzerr<strong>un</strong>g", obwohl - wie sich noch<br />

zeigen wird - dieses Phänomen überhaupt nichts mit Wettbewerb zu<br />

t<strong>un</strong> hat. Das beweist allein schon die Tatsache, daß die b<strong>un</strong>desweit<br />

tätigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften mit wirtschaftlichen Maßnahmen<br />

auf diese <strong>un</strong>terschiedlichen Überschuß-Ergebnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

nicht reagieren konnten.<br />

Die Verantwortlichen machten es sich einfach. Sie <strong>un</strong>tersuchten<br />

das geschilderte Phänomen nicht weiter <strong>un</strong>d versuchten auch gar<br />

nicht erst, eine Lös<strong>un</strong>g zu finden, die trotz gleicher Beiträge für gleiche<br />

Autofahrer allen 100 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen gleiche Gewinnchancen<br />

<strong>un</strong>d die Möglichkeit gleicher Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

verschafft hätte. Die versicher<strong>un</strong>gstechnische <strong>un</strong>d verfass<strong>un</strong>gsmäßige<br />

Verpflicht<strong>un</strong>g zur Gleichbehandl<strong>un</strong>g wurde vergessen <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik<br />

<strong>un</strong>d Gr<strong>un</strong>dgesetz über den Haufen geworfen. Den<br />

Gesellschaften, bei denen sich alle B<strong>un</strong>desbürger versichern konnten,<br />

kam es allein darauf an, gleiche Überschüsse zu erzielen wie die<br />

sogenannten "Rosinen-Versicherer", die sich nur in überschußträchtigen<br />

Regionen <strong>un</strong>d Berufsgruppen betätigten.<br />

Überregional tätige Unternehmen hätten ebenfalls regionale oder<br />

berufsständische Spezialversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen gründen können.<br />

Das gleiche Ergebnis konnte aber auch durch Regional- <strong>un</strong>d<br />

Beamtentarife erreicht werden - durch <strong>un</strong>terschiedliche Beiträge innerhalb<br />

eines jeden Unternehmens für Großstädter <strong>un</strong>d Provinzbewohner,<br />

für Beamte <strong>un</strong>d Nichtbeamte. Der durch das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetz<br />

ermächtigte B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister schuf durch<br />

eine Tarif-Verordn<strong>un</strong>g die entsprechenden gesetzlichen Voraussetz<strong>un</strong>gen.<br />

Dadurch wurden die Beiträge für Beamte <strong>un</strong>d Autofahrer in<br />

ländlichen Regionen ermäßigt <strong>un</strong>d - als Ausgleich - die Prämien vor<br />

allem für Nichtbeamte in Großstädten <strong>un</strong>d Ball<strong>un</strong>gsgebieten entsprechend<br />

erhöht. Und die Überschuß-Welt der Unternehmen war<br />

230


wieder in Ordn<strong>un</strong>g: B<strong>un</strong>desweit tätige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

konnten gleiche Überschüsse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich erzielen wie<br />

die "Rosinen-Versicherer".<br />

Gruppen-Statistiken als Begründ<strong>un</strong>g für die Ungleichbehandl<strong>un</strong>g<br />

Die Begründ<strong>un</strong>g dafür, daß jetzt plötzlich gleiche Fahrer gleicher<br />

Fahrzeuge <strong>un</strong>terschiedliche Prämien zahlen mußten, kümmerte die<br />

Verantwortlichen <strong>un</strong>d die Gesellschaften wenig. Sie nahmen die Tatsache<br />

<strong>un</strong>terschiedlicher Überschüsse ganz einfach als Beweis, daß<br />

Halter gleicher Fahrzeuge mit gleicher Fahrvergangenheit eben doch<br />

nicht gleich seien, sondern daß zum Beispiel Großstädter mehr <strong>un</strong>d<br />

Beamte in der Provinz eben viel weniger Schäden verursachten. Und<br />

dabei verweisen Branche <strong>un</strong>d Verantwortliche immer wieder auf die<br />

insoweit sicher richtigen Statistiken über diese Gruppen. Einige interpretieren<br />

die Statistiken so, daß Großstädter schlechtere Autofahrer<br />

seien, <strong>un</strong>d Beamte eben <strong>wesen</strong>tlich bessere. Andere meinen,<br />

Großstädter fahren mehr <strong>un</strong>d das auch noch in einem gefährlicheren<br />

Verkehr, <strong>un</strong>d Beamte fahren eben weniger.<br />

Viele versuchen die Statistiken gar nicht erst zu deuten <strong>un</strong>d meinen:<br />

Wenn Statistiken für irgendwelche Gruppen <strong>un</strong>terschiedliche<br />

Ergebnisse nachweisen, dann kann man diese Gruppen auch <strong>un</strong>terschiedlich<br />

behandeln. Der Unsinn einer solchen Denkweise soll<br />

gleich vorab an folgendem Beispiel deutlich gemacht werden: Hamburger<br />

verdienen als Gruppe mehr als die Duisburger. Sollen deshalb<br />

für die Hamburger höhere Steuersätze gelten als für die Duisburger<br />

? - Natürlich nicht, denn für den Steuersatz ist das individuelle<br />

Einkommen des einzelnen maßgeblich, sonst würden B<strong>un</strong>desbürger<br />

mit gleichem Einkommen regional <strong>un</strong>terschiedliche Steuern bezahlen.<br />

Bevor man also Gruppenstatistiken erstellt, muß die Frage<br />

geklärt werden, welchem Zweck ihr Ergebnis dienen soll. Die Statistik<br />

über das Einkommen von Hamburgern <strong>un</strong>d Duisburgern sagt<br />

also nichts anderes aus, als daß Hamburger - als Gruppe - mehr verdienen.<br />

Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Beitragsklassenbild<strong>un</strong>g<br />

in der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

Das Problem der Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g bei jeder Versicher<strong>un</strong>g ist die<br />

Beurteil<strong>un</strong>g des einzelnen versicherten Risikos. Denn nach dem be-<br />

231


eits erwähnten "versicher<strong>un</strong>gstechnischen Äquivalenzprinzip" soll<br />

jeder Versicherte nur den Beitrag bezahlen, der seinem persönlichen<br />

Risiko entspricht. Gerade von diesem Prinzip dürfen Gesetzgeber<br />

<strong>un</strong>d das Aufsichtsamt als Genehmig<strong>un</strong>gsbehörde bei den Autoversicher<strong>un</strong>gstarifen<br />

nicht abweichen, weil es sich hier um eine gesetzliche<br />

Zwangsversicher<strong>un</strong>g handelt. Ein Verstoß gegen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik<br />

wäre gleichzeitig auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandl<strong>un</strong>sgr<strong>un</strong>dsatz.<br />

So verpflichtet Artikel 3 des Gr<strong>un</strong>dgesetzes<br />

den Gesetzgeber, die Verwalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Rechtsprech<strong>un</strong>g, gleiche Tatbestände<br />

gleich zu behandeln, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen<br />

eine Ungleichbehandl<strong>un</strong>g.<br />

Dem versicher<strong>un</strong>gstechnischen Äquivalenzprinzip kommt damit<br />

bei der gesetzlichen Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g eine besondere Bedeut<strong>un</strong>g<br />

zu. Hier können Statistiken bei der Risikobeurteil<strong>un</strong>g helfen.<br />

Sie können Daten liefern, welche Eigenschaften Risikomerkmale<br />

sind, die bei der Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g herangezogen werden dürfen.<br />

Wenn eine Statistik zum Beispiel feststellt, daß Holzhäuser öfters<br />

brennen, dann darf die Holzbauweise zu einem Risikomerkmal gemacht<br />

werden. Holzhäuser bilden dann eine besondere Beitragsklasse.<br />

Und für sie gilt ein besonderer Tarifbeitrag, der höher ist als für<br />

ein massiv gebautes Haus. Wenn in einer bestimmten Region häufiger<br />

Sturmschäden auftreten, dann kann dieses Gebiet zu einer<br />

Sturmzone mit höheren Beiträgen gemacht werden. Sturmzonen<br />

werden oft als Gegenargument gebracht, wenn die Regionalklassen<br />

der Kfz-Haftplichtversicher<strong>un</strong>g angegriffen werden. Aber hier werden<br />

Äpfel mit Birnen verglichen: Bei der Sturmversicher<strong>un</strong>g kommt<br />

die Gefahr - der Sturm - von außen auf das Haus zu. Und das Haus<br />

kann sich nicht im gesamten B<strong>un</strong>desgebiet umherbewegen. Bei der<br />

Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g kommt die Gefahr vor allem von innen<br />

- vom Fahrer. Und dieser kann in der ganzen Welt herumfahren.<br />

N<strong>un</strong> bestätigen Statistiken, daß jüngere Leute mehr Schäden im<br />

Straßenverkehr verursachen als ältere, Großstädter mehr als Landbewohner,<br />

Nichtbeamte mehr als Beamte, Ausländer mehr als Deutsche.<br />

Die für die Autoversicher<strong>un</strong>gstarife entscheidende Frage ist<br />

jetzt: Sollen dann alle j<strong>un</strong>gen Menschen, alle Großstädter, alle<br />

Nichtbeamten <strong>un</strong>d alle Ausländer mehr Beiträge in der Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g bezahlen als die anderen ? - Die richtige<br />

Antwort hat eigentlich schon das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

gegeben, als es der Branche Beitragszuschläge für<br />

Ausländer verweigerte mit der Begründ<strong>un</strong>g, daß die "Gründe für<br />

232


den durch die Statistiken ausgewiesenen höheren Schadenbedarf der<br />

Ausländer nicht in der Staatsangehörigkeit liegen". Und das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht<br />

bestätigte diese Auffass<strong>un</strong>g, als die Branche gegen<br />

die Verweiger<strong>un</strong>g eines "Ausländertarifs" klagte. (Das <strong>un</strong>mögliche<br />

Wort "Schadenbedarf" soll heißen: Beitrags-"Bedarf" für den<br />

Ausgleich des statistisch ermittelten Durchschnittsschadens der<br />

Gruppe)<br />

Und was lernen wir daraus ? - Wenn ein statistisches Ergebnis<br />

für die Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g Anwend<strong>un</strong>g finden soll, dann muß ein<br />

Zusammenhang zwischen dem Gruppenmerkmal <strong>un</strong>d dem Gruppenergebnis<br />

bestehen. Nur dann darf die Gruppen-Statistik für die<br />

Risikobeurteil<strong>un</strong>g herangezogen werden. Nur dann ist das Gruppenmerkmal<br />

ein Risikomerkmal. Aber: Wie die Staatsangehörigkeit<br />

nichts mit einem Kfz-Haftpflichtschaden zu t<strong>un</strong> hat, gibt es auch<br />

zwischen Alter, Wohnort <strong>un</strong>d Beruf einerseits <strong>un</strong>d einem Verkehrs<strong>un</strong>fall<br />

andererseits keinen Zusammenhang.<br />

So hat auch die Beschlußkammer des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes in<br />

dem Verfahren um die Ausländertarife selbst bestätigt, daß "die derzeit<br />

im Tarif für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g verwendeten<br />

subjektiven Risikomerkmale nicht <strong>un</strong>mittelbar für das Risiko<br />

ursächlich sind". Aus den Gründen dieser Entscheid<strong>un</strong>g ergibt sich<br />

außerdem, daß auch die klagenden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen die<br />

Abweich<strong>un</strong>g von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik im Bereich der gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g eingestehen: Der<br />

Begriff des Gefahrenmerkmals im Sinne der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g sei in<br />

Literatur <strong>un</strong>d Tarifpraxis niemals so aufgefaßt worden, daß es sich<br />

um ein Merkmal handeln müsse, das für das Risiko <strong>un</strong>mittelbar ursächlich<br />

sei. Es sei ausreichend, wenn sich Risikogruppen mit dem<br />

Gefahrenmerkmal bestimmen ließen. In der Kraftfahrzeug-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g werde das subjektive Risiko durch Merkmale<br />

bestimmt, die sich nur schwer objektivieren ließen. Da sich die<br />

Qualität eines Fahrers nicht messen lasse, müßten im Tarif andere<br />

Merkmale verwendet werden. So die Branche.<br />

Welche Merkmale bestimmen n<strong>un</strong> aber das Risiko in der Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g ? - Das ist vor allem die schon angesprochene<br />

Qualität des Fahrers. Ein guter Fahrer ist ein gutes Risiko. Ein<br />

schlechter Fahrer ist ein schlechtes Risiko. Aber die Qualität des<br />

Fahrers allein ist noch nicht ausschlaggebend. Ein schlechter Fahrer<br />

ist gar kein so schlechtes Risiko, wenn er sein Auto die meiste Zeit<br />

in der Garage stehen läßt. Ein besonders großes Risiko ist der Fah-<br />

233


er, der nicht nur schlecht, sondern auch noch lange Strecken oder<br />

viel im dichten Verkehr fährt.<br />

Will man das Risiko eines versicherten Fahrzeugs beurteilen,<br />

müßten bewertet werden: der Zustand <strong>un</strong>d die technische Ausstatt<strong>un</strong>g<br />

des Fahrzeugs, die Qualität <strong>un</strong>d jeweilige Kondition des jeweiligen<br />

Fahrers, das Fahrgebiet, die Fahrstrecke, die Fahrzeit <strong>un</strong>d anderes.<br />

Die Branche hat richtig festgestellt, daß sich derartige Merkmale,<br />

die das Risiko bestimmen, nur schwer objektivieren lassen.<br />

Und deshalb müßten andere Merkmale verwendet werden - ein Eingeständnis<br />

der Branche, daß die Autoversicher<strong>un</strong>gstarife von der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik abweichen.<br />

Tatsächlich ist es gerade bei einer Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g sehr<br />

schwer, das individuelle Risiko eines Fahrzeugs einzuschätzen. Man<br />

kennt den Zustand des Fahrzeugs nicht. Man weiß nicht, wer das<br />

Fahrzeug fährt. Man weiß nicht, ob es sich um gute oder schlechte<br />

Fahrer handelt. Man weiß nicht, wann <strong>un</strong>d wo <strong>un</strong>d zu welchen Zeiten<br />

über welche Strecken ein Auto gefahren wird. Alles wichtige Daten,<br />

wenn man vor einem Schaden das Risiko einschätzen will, das<br />

von einem versicherten Fahrzeug ausgeht. Aber sie lassen sich für<br />

das einzelne Fahrzeug nicht messen.<br />

Bewert<strong>un</strong>gsprobleme – "Fahrerqualität" <strong>un</strong>d<br />

"Fahrzeugmobilität"<br />

Die Branche selbst ist nicht so töricht, die Münchener <strong>un</strong>d Hamburger<br />

ausdrücklich schlechte Autofahrer zu schimpfen, nur weil Münchener<br />

<strong>un</strong>d Hamburger nach der Statistik - als Gruppen - mehr<br />

Schäden verursachen als andere. Dafür würden die Statistiken auch<br />

keine Begründ<strong>un</strong>g liefern. Sie sagen im Gr<strong>un</strong>de nichts anderes aus,<br />

als das, was jedermann selbst - auch ohne Statistiken - erkennen<br />

kann. Jeder weiß, daß es überall in etwa gleich viel gute <strong>un</strong>d schlechte<br />

Autofahrer gibt, daß es aber einen großen Unterschied macht, ob<br />

ein guter Autofahrer durch Hamburg fährt oder ein schlechter. Jedermann<br />

weiß auch, daß es einen Unterschied macht, ob ein<br />

schlechter Autofahrer viel <strong>un</strong>d lange Strecken fährt oder ob er - wie<br />

die meisten Beamten - den ganzen Tag in einem Büro auf einem<br />

Stuhl sitzt. Jedermann weiß auch, daß es einen Unterschied macht,<br />

ob ein schlechter Autofahrer in der Provinz oder in der Großstadt<br />

herumfährt.<br />

234


Es gibt also einen Unterschied zwischen guten <strong>un</strong>d schlechten<br />

Fahrern. Gute Fahrer verursachen keine Unfälle - nicht in der Großstadt<br />

<strong>un</strong>d auch nicht auf langen Strecken. Also könnte man meinen,<br />

gute Autofahrer müßten b<strong>un</strong>desweit gleiche Beiträge bezahlen.<br />

Bleibt nur die Frage: Wer ist ein guter Fahrer ? -<br />

Solange jeder einzelne Fahrer nicht ausgiebig getestet wird, ist<br />

diese Frage nicht zu beantworten. Auch hier gilt das Eingeständnis<br />

der Branche, daß sich die Qualität des Fahrers "nur schwer objektivieren"<br />

ließe. Deshalb hat die Branche zusammen mit den politisch<br />

Verantwortlichen Ersatzmerkmale eingeführt - wie die Dauer der<br />

Schadenfreiheit, den Wohnort <strong>un</strong>d die Unterscheid<strong>un</strong>g in Beamte<br />

<strong>un</strong>d Nichtbeamte. Nur so ist auch zu verstehen, daß der Wohnort in<br />

der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g bezeichnet wird als "Gefahrenmerkmal, das<br />

mit der Person des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmers verb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d für die<br />

Art <strong>un</strong>d Größe des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>risikos bestimmend ist (subjektives<br />

Gefahrenmerkmal)".<br />

N<strong>un</strong> wäre es wirklich töricht zu behaupten, der Wohnort oder<br />

Beruf sage etwas über die Qualität eines Fahrers aus. Allein die<br />

Schadenfreiheit könnte ein Ersatzmerkmal sein für die Klassifizier<strong>un</strong>g<br />

eines Fahrers als gut. Doch ist dabei nicht die Dauer der Schadenfreiheit<br />

entscheidend, weil jemand, der sein Leben lang schadenfrei<br />

gefahren ist, auch mit 18 Jahren ein guter Fahrer ge<strong>wesen</strong> sein<br />

muß.<br />

Für die Beurteil<strong>un</strong>g der Qualität eines Fahrers bliebe also allein<br />

seine ganz persönliche Fahrvergangenheit. Wer noch keinen Schaden<br />

verursacht hat, müßte - ob j<strong>un</strong>g oder alt - als guter Fahrer eingestuft<br />

werden. Dann bleibt zwar immer noch das Problem, daß niemand<br />

weiß, wer alles das versicherte Fahrzeug fährt. Aber auch dieses<br />

Problem ließe sich sinnvoll lösen: Die Schadenvergangenheit<br />

sowohl des versicherten Fahrzeugs als auch der Vorfahrzeuge wäre<br />

hier ein aussagefähiges Merkmal. Es hätte einen Bezug zur Gefahr,<br />

einen Haftpflichtschaden zu verursachen, würde also der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik<br />

entsprechen.<br />

Für einen schadenfreien Fahrzeughalter mit einem schadenfreien<br />

Fahrzeug wäre damit die Risikobeurteil<strong>un</strong>g beendet. Er müßte mit<br />

allen anderen schadenfreien Fahrzeugbesitzern zu einer Risiko-<br />

Gruppe zusammengefaßt werden, die b<strong>un</strong>desweit - bei gleichen<br />

Fahrzeugen - gleiche Beiträge bezahlen müßten.<br />

235


Mehr Schwierigkeiten bereitet die Beurteil<strong>un</strong>g eines schlechten<br />

Fahrers als Risiko für weitere Schäden. Müssen schadenfreie Fahrzeughalter<br />

z<strong>un</strong>ächst einmal alle als gute Fahrer <strong>un</strong>d gutes Risiko eingestuft<br />

werden, so gibt es sehr wohl einen Unterschied zwischen<br />

schlechten Fahrern. Während auf der einen Seite gute Fahrer <strong>un</strong>gefährlich<br />

sind, gibt es <strong>un</strong>ter den schlechten Fahrern mehr <strong>un</strong>d weniger<br />

gefährliche. Wer als schlechter Fahrer wenig fährt <strong>un</strong>d das auch<br />

noch auf dem flachen Lande, ist weniger gefährlich. Wer als schlechter<br />

Fahrer viel fährt <strong>un</strong>d daß vielleicht auch noch im dichten Verkehr<br />

der Großstadt, ist sehr gefährlich. Auch hier könnte man sagen:<br />

Wie beim guten Fahrer auf den ersten, könnte man bei den Schadenfahrern<br />

auf den zweiten Schaden <strong>un</strong>d auf weitere Schäden warten.<br />

Und wer zwei oder mehr Schäden verursacht hat, müßte eben<br />

weitere Maluszuschläge bezahlen.<br />

Beruf als Ersatz-Risikomerkmal<br />

Der Beruf ist kein Ersatz für das Risikomerkmal "gefahrene Kilometer".<br />

Sicher ist richtig, daß Beamte weniger Auto fahren als andere<br />

B<strong>un</strong>desbürger, zu denen auch die vielen Geschäftsleute <strong>un</strong>d Handelsvertreter<br />

gehören, die jährlich zwischen 50.000 <strong>un</strong>d 100.000 Kilometer<br />

fahren. Aber erstens hätte dieses Ergebnis nur eine Bedeut<strong>un</strong>g<br />

für die schlechten Fahrer <strong>un</strong>ter den Beamten. Und zweitens<br />

darf dieses statistische Ergebnis einer willkürlich gewählten Gruppe<br />

nicht verallgemeinert werden. Übrigens hat sich die Branche - wie<br />

wir weiter oben aus einem Schreiben des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes (Seite<br />

2 <strong>un</strong>ten) erfahren haben - noch nie die Mühe gemacht, andere Berufsgruppen<br />

in dieser Hinsicht zu <strong>un</strong>tersuchen. Man könnte also<br />

durchaus auch Schaden-Statistiken für die Gruppe der Büroangestellten<br />

<strong>un</strong>d andere Arbeitnehmer im Innendienst aufstellen. Der<br />

Gr<strong>un</strong>d, daß dieses noch nicht geschehen ist, ist einfach: Es hat sich<br />

bisher noch kein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen auf andere Berufsgruppen<br />

spezialisiert - wie zum Beispiel die HUK Coburg auf die<br />

Beamten.<br />

Wohnort als Ersatz-Risikomerkmal<br />

Der Wohnort soll offenbar ein Ersatzmerkmal für das Fahrgebiet<br />

sein, das durchaus - bei schlechten Fahrern - eine Bedeut<strong>un</strong>g für das<br />

236


Risiko besitzt. Die für die geltenden Tarife verwendeten Statistiken<br />

müssen dann aber - um überhaupt einen Sinn zu machen - davon<br />

ausgehen, daß alle Münchener schlechte Autofahrer sind, daß sie nur<br />

in München herumfahren <strong>un</strong>d daß München ein gefährliches Fahrgebiet<br />

ist. Aber es gibt in München genau so viele gute Autofahrer<br />

wie anderswo. Es kann sich auch jeder ohne große Statistiken vorstellen,<br />

daß es in München <strong>un</strong>d Hamburg gefährliche Stellen gibt,<br />

die schlechten Fahrern zum Verhängnis werden können. Aber es<br />

bleiben viele Fragen:<br />

Wo in München <strong>un</strong>d Hamburg ist es gefährlich ? - Nach Ausk<strong>un</strong>ft<br />

des Statistischen Landesamtes Hamburg haben sich zum Beispiel<br />

in Hamburg-Mitte fünfmal (!) mehr Verkehrs<strong>un</strong>fälle ereignet als<br />

in Hamburg-Bergedorf. Vermutlich ist das Autofahren in Bergedorf<br />

also weniger gefährlich als an vielen anderen Stellen im B<strong>un</strong>desgebiet,<br />

zum Beispiel im Zentrum von Lüneburg.<br />

Und wer fährt n<strong>un</strong> alles in Hamburg-Mitte oder überhaupt in<br />

Hamburg, <strong>un</strong>d wer verursacht die Unfälle ? - Hierzu das Statistische<br />

Landesamt Hamburg: Im Jahre 1989 wurden 30 Prozent aller Verkehrs<strong>un</strong>fälle<br />

in Hamburg von Nicht-Hamburgern verursacht. Diese<br />

Schäden sind in den Branchen-Statistiken nicht als Hamburg-<br />

Schäden erfaßt, sondern sie werden den Regionen zugeordnet, in<br />

denen die Fahrzeuge der Unfallverursacher zugelassen sind. Auf der<br />

anderen Seite werden für die Hamburger alle Schäden zusammengerechnet,<br />

die sie im gesamten B<strong>un</strong>desgebiet <strong>un</strong>d in Europa verursacht<br />

haben.<br />

Innerhalb Hamburgs fahren durch gefährliche Stadtgebiete nicht<br />

nur die, die in der Nähe dieser Gebiete wohnen. Also ist es falsch zu<br />

sagen, die Schäden in Hamburg werden von denen verursacht, die in<br />

der Nähe der Unfallorte wohnen. Man kann außerdem davon ausgehen,<br />

daß gerade die Anwohner von gefährlichen Gebieten diese<br />

besonders gut kennen <strong>un</strong>d dort - selbst als schlechte Fahrer - gut<br />

fahren. So sind viele Hamburger Experten in dem ihnen vertrauten<br />

Stadtverkehr, fahren aber miserabel auf der Autobahn oder außerhalb<br />

Hamburgs <strong>un</strong>d verursachen dort Unfälle.<br />

Dreißig Prozent aller Unfälle in Hamburg werden von Nicht-<br />

Hamburgern verursacht. Es ist also davon auszugehen, daß auch<br />

Hamburger einen erheblichen Prozentsatz ihrer Schäden außerhalb<br />

von Hamburg verursachen. Viele Unfälle haben mit dem Fahrgebiet<br />

überhaupt nichts zu t<strong>un</strong>, zum Beispiel Schäden beim Einparken, die<br />

sich überall ereignen können. Also ist ganz eindeutig: Die Branchen-<br />

237


statistiken sagen über die Fahrgebiete oder deren "Gefährlichkeit"<br />

für schlechte Fahrer überhaupt nichts aus.<br />

Sind schon die Fahrgebiete innerhalb Hamburgs nicht gleichartig,<br />

so ist auch noch das Verhalten der Hamburger völlig <strong>un</strong>gleich:<br />

Viele Hamburger fahren wenig im Stadtverkehr, sondern benutzen<br />

wegen der Parkprobleme im Zentrum von Hamburg öffentliche<br />

Verkehrsmittel. Viele fahren nur abends <strong>un</strong>d am Wochenende, wenn<br />

der Verkehr in Hamburg weniger Dichte aufweist. Oder sie fahren<br />

mehr außerhalb Hamburgs - zur Arbeit nach Schleswig-Holstein,<br />

zum Kaffetrinken in die Lüneburger Heide oder zum Baden an die<br />

Ostsee. Viele Autofahrer aus angrenzenden Gebieten fahren auf<br />

dem Wege zur <strong>un</strong>d von der Arbeitstelle vermutlich relativ mehr in<br />

<strong>un</strong>d durch Hamburg als mancher Hamburger. Einige Hamburger<br />

fahren dagegen gar nicht in Hamburg (der Hamburger Student in<br />

Tübingen). Andere lassen ihre Fahrzeuge außerhalb Hamburgs zu.<br />

Dagegen gibt es viele Hamburger Unternehmen, deren Fahrzeuge<br />

mit HH-Kennzeichen b<strong>un</strong>desweit <strong>un</strong>terwegs sind.<br />

Und dann muß man weiter fragen: Warum ausgerechnet die<br />

Gruppe der Fahrzeughalter innerhalb der politischen Grenzen von<br />

Hamburg ? - Warum die Tarif-Grenzen nicht einen oder fünf oder<br />

zehn Kilometer weiter legen als die Stadtgrenze von Hamburg ? -<br />

Oder warum nicht einen oder fünf Kilometer dichter an das Stadtzentrum<br />

heran ? - Warum nicht eine Statistik <strong>un</strong>d Tarife für die Bergedorfer<br />

? - Warum nicht Statistiken <strong>un</strong>d Tarife nach Straßen ? -<br />

Warum nicht eine Statistik <strong>un</strong>d einen Tarif nach Wohn<strong>un</strong>gen ? -<br />

Ende der Fahnenstange: Das Institut Versicher<strong>un</strong>g wäre tot. Jeder<br />

müßte seinen Schaden selbst bezahlen. Aber an dieser Fragestell<strong>un</strong>g<br />

wird deutlich: Wer legt eigentlich die regionalen Grenzen fest,<br />

<strong>un</strong>d nach welchen Kriterien ? - Die Antwort ist: Die Branche hat die<br />

Regionen willkürlich nach politischen Grenzen ausgewählt, genauso<br />

wie die Gruppe der Beamten willkürlich selektiert wurde. Es hätten<br />

genauso Berufstätige sein können, die auch tagsüber nicht Auto fahren<br />

- wie zum Beispiel Büroangestellte <strong>un</strong>d Ärzte. Oder die Branche<br />

hätte Gruppen bilden können nach jährlich gefahrenen Kilometern.<br />

Irreführende Statistiken<br />

Welche Aussagekraft haben n<strong>un</strong> die von der Branche aufgestellten<br />

Gruppen-Statistiken bei der Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g für einen Pflichtversicherten<br />

? - Wir erinnern <strong>un</strong>s: Entscheidend für die Risikobeurtei-<br />

238


l<strong>un</strong>g sind die Qualität des Fahrers <strong>un</strong>d - bei schlechten Fahrern - die<br />

Mobilität des Fahrzeugs. Beides ließe sich nur <strong>un</strong>ter großem Aufwand<br />

- zum Beispiel durch Computer - für das einzelne versicherte<br />

Fahrzeug messen. Deshalb müssen "Ersatzmerkmale" helfen. Darüber<br />

besteht Einigkeit. Aber inwieweit können hier Gruppen-<br />

Statistiken helfen ? -<br />

Eine Statistik über Hamburger Fahrzeughalter sagt nichts anderes<br />

aus, als daß sie europaweit mehr Schäden verursachen als beispielsweise<br />

Lüneburger. Die Statistiken sagen außerdem aus, daß<br />

Hamburger Beamte europaweit weniger Schäden verursachen als<br />

Hamburger Nichtbeamte. Man braucht kein Statistiker zu sein, um<br />

aus diesen Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen, die Binsenweisheiten<br />

gleichkommen: Schlechte Fahrer verursachen weniger<br />

Schäden, wenn sie wenig oder auf dem Lande fahren. Von solchen<br />

schlechten Fahrern gibt es in der Gruppe der Beamten <strong>un</strong>d in der<br />

Landbevölker<strong>un</strong>g mehr, in der Gruppe der Hamburger weniger. Die<br />

statistischen Gruppenergebnisse sagen aber weder etwas darüber<br />

aus, wer die schlechten Fahrer innerhalb der Gruppen sind. Sie haben<br />

keine Aussagekraft für einzelne Fahrgebiete. Und sie geben auch<br />

keine Ausk<strong>un</strong>ft über die "Mobilität" des einzelnen schlechten Fahrers<br />

- das heißt, wo <strong>un</strong>d wann <strong>un</strong>d wie oft er Auto fährt <strong>un</strong>d in welchem<br />

Zustand das einzelne Auto ist.<br />

Welchen Wert haben diese Erkenntnisse n<strong>un</strong> für die Qualität des<br />

einzelnen Fahrers <strong>un</strong>d die Mobilität eines versicherten Fahrzeugs ? -<br />

Auch hier muß man kein Statistiker sein, um diese Frage beantworten<br />

zu können: Die Gruppen-Statistiken haben für die Beurteil<strong>un</strong>g<br />

des einzelnen Pflichtversicherten als Risiko überhaupt keinen Wert! -<br />

Wenn 200 von 1.000 Hamburgern europaweit Schäden in Höhe<br />

von 400.000 Mark verursachen, wäre es töricht, daraus zu folgern,<br />

jeder der 1.000 Hamburger hätte einen Schaden von 400 Mark verursacht.<br />

Noch törichter wäre die Schlußfolger<strong>un</strong>g, jeder Hamburger<br />

hätte diesen 400-Mark-Schaden in Hamburg verursacht. Das Gleiche<br />

gilt für die Berufsgruppen-Statistiken. Jeder Hamburger Beamte<br />

soll - statistisch - einen Schaden verursacht haben, der niedriger ist<br />

als der statistische Schaden eines Nichtbeamten. Und das alles natürlich<br />

auch nur im Hamburger Stadtgebiet.<br />

Diese Schein-Ergebnisse sollen aber durch die Gruppen-<br />

Statistiken suggeriert werden, die den geltenden Regional- <strong>un</strong>d<br />

Beamtentarifen zugr<strong>un</strong>deliegen: Hamburger verursachen mehr<br />

Schäden <strong>un</strong>d sind deshalb schlechtere Autofahrer. Und Beamte ver-<br />

239


ursachen weniger Schäden <strong>un</strong>d sind deshalb die besseren Autofahrer.<br />

So hat sich in <strong>un</strong>serem Lande tatsächlich eine Denkweise eingebürgert,<br />

daß Beamte sagen: "Sollen doch die Nichtbeamten ihre<br />

Schäden alleine bezahlen!" - Oder Provinzbewohner sind der Mein<strong>un</strong>g,<br />

daß die Münchener <strong>un</strong>d die Hamburger doch selbst für ihre<br />

Schäden aufkommen sollen. Die Statistiken wiesen doch ganz eindeutig<br />

aus, daß Nichtbeamte <strong>un</strong>d Münchener oder Hamburger<br />

schlechtere Autofahrer seien. Und Beamte <strong>un</strong>d Autofahrer aus der<br />

Provinz seien die besseren Autofahrer.<br />

Ließen sich Gruppen von Fahrern nach ihren Fahrgebieten <strong>un</strong>d<br />

den jährlich gefahrenen Kilometern ebenso einfach erfassen, wie<br />

nach dem Wohnort oder Beruf, dann könnten "Gruppendenker"<br />

fragen: "Wie kommen wir Hamburger dazu, für die Schäden der anderen<br />

Hamburger mit zu bezahlen, die viel <strong>un</strong>d im dichten Verkehr<br />

fahren!?" - Und Lüneburger könnten sagen: "Wie kommen wir eigentlich<br />

dazu, die Schäden anderer Lüneburger mit zu bezahlen, die<br />

oft in Hamburg fahren <strong>un</strong>d dort Unfälle bauen?!" - Und Bergedorfer<br />

könnten sagen. "Wie kommen wir Bergedorfer dazu, mehr Beitrag<br />

zu bezahlen, die wir wenig oder gar nicht in den gefährlichen Stadtgebieten<br />

Hamburgs herumfahren!?" -<br />

Die Gruppe der Schadenfreien ist über das ganze B<strong>un</strong>desgebiet<br />

verstreut <strong>un</strong>d hat deshalb kein Gruppenbewußtsein entwickelt: Sie<br />

aber hätten allen Gr<strong>un</strong>d zu fragen, warum sie die Schäden der Schadenfahrer<br />

mit bezahlen müssen. Denn ihr Merkmal "Schadenfreiheit"<br />

hat - im Gegensatz zum Wohnort <strong>un</strong>d Beruf - wenigstens noch<br />

eine Bezieh<strong>un</strong>g zum Risiko einer Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g, nämlich<br />

einen Haftpflichtschaden zu verursachen. Schadenfreiheit ist ein<br />

Ersatz-Risikomerkmal für die nicht zu erfassende Qualität des Fahrers.<br />

Gr<strong>un</strong>dregeln der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik <strong>un</strong>d Statistik verletzt<br />

Die Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife verletzen nicht nur die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik.<br />

Ihnen liegen Statistiken zugr<strong>un</strong>de, deren Anwend<strong>un</strong>g<br />

bei der Tarifgestalt<strong>un</strong>g gegen die elementarsten Gr<strong>un</strong>dregeln<br />

der Statistik verstößt.<br />

Nach der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik werden Risiken, für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

beantragt wird, nach Risikomerkmalen beurteilt <strong>un</strong>d<br />

dann einer Beitragsklasse zugewiesen. Risikomerkmale sind solche<br />

Merkmale, die auf die Realisier<strong>un</strong>g der versicherten Gefahr, also auf<br />

240


einen Schaden, einen <strong>un</strong>mittelbaren Einfluß haben. Das ist die Holzbauweise<br />

eines Hauses im Hinblick auf die Gefahr eines Feuers. Oder<br />

das ist der Standort eines Hauses hinsichtlich eines Sturmschadens.<br />

Bei der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g sind solche Merkmale die<br />

Qualität des Fahrers <strong>un</strong>d die Mobilität des Fahrzeugs. Weil sich diese<br />

nicht für das einzelne versicherte Fahrzeug messen lassen, müssen<br />

Ersatzmerkmale verwendet werden, die aber auch einen Einfluß auf<br />

das Risiko haben müssen, einen Haftpflichtschaden zu verursachen.<br />

Sonst dürfen auch Ersatzmerkmale nicht verwendet werden.<br />

Die Tarif-Verordn<strong>un</strong>g sagt selbst, daß "Gefahrenmerkmale für<br />

die Art <strong>un</strong>d Größe des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>risikos bestimmend" sein müssen.<br />

Und sie müssen - so die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik - beim einzelnen<br />

Pflichtversicherten eindeutig bestimmbar sein. Dann erst darf der<br />

einzelne Versicherte oder das einzelne Risiko einer Gruppe von Versicherten<br />

zugeordnet werden, die die gleichen Risikomerkmale aufweisen.<br />

So entsteht eine homogene Gruppe, bei der eine Gruppenstatistik<br />

eine Aussagekraft für das einzelne Risiko hat. So sagt eine<br />

Statistik über die Tarifgruppe "Holzhäuser" für jedes einzelne Haus<br />

dieser Gruppe aus, daß sich die Gefahr eines Brandes hier eher realisiert<br />

als bei einem massiven Haus - eben weil die Gruppe homogen<br />

ist. Würden massive Häuser in die Gruppe übernommen, wäre eine<br />

solche Aussage nicht mehr möglich.<br />

Zwei ganz einfache Beispiele: Die Lebensversicher<strong>un</strong>g arbeitet<br />

mit Sterblichkeitstabellen. Um die Sterblichkeitsquote für 40jährige<br />

zu ermitteln, dürfen nur 40jährige in die Statistik übernommen werden.<br />

Dann ist die Gruppe homogen <strong>un</strong>d dann hat das Ergebnis dieser<br />

homogenen Gruppe Aussagekraft für jeden einzelnen dieser<br />

Gruppe. Werden aber für eine Sterblichkeits-Tabelle die Anwohner<br />

einer Straße statistisch erfaßt, dann ist das statistische Ergebnis ohne<br />

Wert, wenn die Gruppenzugehörigen nach einem Merkmal ausgesucht<br />

worden sind, das keinen Bezug zur Sterblichkeit hat. Wenn<br />

sich für eine Straße, in der viele ältere Menschen leben, eine hohe<br />

Sterblichkeitsrate ergibt, sagt diese mit Sicherheit nichts über die Lebenserwart<strong>un</strong>g<br />

eines dort wohnenden Kindes aus. Sterben in einer<br />

Straße sehr viele Anwohner, dann darf dieses Ergebnis auch nicht so<br />

gedeutet werden, daß das Leben in der Straße <strong>un</strong>ges<strong>un</strong>d ist. Wer dieses<br />

annimmt, schafft eine Scheinrelation, die zu einer falschen Aussage<br />

führt. Vermutlich leben in einer solchen Straße nur viele ältere<br />

Menschen.<br />

241


Eine Gruppe ist also nur dann homogen, wenn alle Gruppenmitglieder<br />

ein Merkmal aufweisen, das für die statistische Fragestell<strong>un</strong>g<br />

von Bedeut<strong>un</strong>g ist. Bei der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g können solche<br />

Merkmale nur nach der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik ausgewählt werden.<br />

Die Merkmale "guter" <strong>un</strong>d "schlechter" Fahrer fallen aus, weil<br />

sie sich nicht beim einzelnen bestimmen lassen. Damit fallen aber<br />

auch die Merkmale "Fahrgebiet" <strong>un</strong>d "gefahrene Kilometer" aus,<br />

weil diese eine Bedeut<strong>un</strong>g nur für schlechte Fahrer hätten, diese sich<br />

aber - jedenfalls vor einem Schaden - nicht feststellen lassen. Im übrigen<br />

ließen sich auch Fahrgebiet <strong>un</strong>d gefahrene Kilometer nur<br />

schwer für das einzelne Fahrzeug feststellen.<br />

Die Statistiken, die den zur Zeit geltenden Regionaltarifen zugr<strong>un</strong>deliegen,<br />

haben Fahrzeughalter nach ihrem Wohnort zusammengefaßt.<br />

Der Wohnort hat aber nicht die geringste Bezieh<strong>un</strong>g zur<br />

Qualität eines Fahrers. Der Wohnort sagt auch nichts über die Mobilität<br />

der dort zugelassenen Fahrzeuge aus - vor allem nicht darüber,<br />

wo das einzelne Fahrzeug gefahren wird. Der Wohnort ist also<br />

- versicher<strong>un</strong>gstechnisch <strong>un</strong>d statistisch - ein <strong>un</strong>brauchbares Merkmal.<br />

Eine Gruppe von Fahrzeughaltern mit gleichem Wohnort ist<br />

für eine Risikobeurteil<strong>un</strong>g des einzelnen Fahrers nicht homogen,<br />

weil das Gruppenmerkmal keine Bezieh<strong>un</strong>g zum Risiko hat, also<br />

willkürlich gewählt worden ist. Eine Statistik über die Schäden einer<br />

so ausgewählten Gruppe hat keinerlei Bedeut<strong>un</strong>g für das einzelne<br />

Gruppenmitglied, sondern allenfalls für die Gruppe im Vergleich zu<br />

anderen Gruppen.<br />

Regional- <strong>un</strong>d Berufsgruppen-Statistiken verletzen nicht nur die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik, sondern auch die statistische Gr<strong>un</strong>dregel, daß<br />

ein Gruppenergebnis nicht auf den einzelnen übertragen werden<br />

darf, wenn die Gruppe hinsichtlich der statistischen Fragestell<strong>un</strong>g<br />

nicht homogen ist. Sonst entsteht eine wertlose Scheinrelation zwischen<br />

Wohnort <strong>un</strong>d Beruf einerseits <strong>un</strong>d dem Risiko, einen Haftpflichtschaden<br />

zu verursachen, andererseits. Wenn alle Hamburger<br />

zusammen mehr Schäden verursachen als andere, dann ist damit<br />

nicht gesagt, daß jeder Hamburger ein schlechter Autofahrer ist.<br />

Während nach der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik z<strong>un</strong>ächst die einzelnen<br />

Risiken beurteilt <strong>un</strong>d dann gleiche Risiken zu einer Gruppe zusammengefaßt<br />

werden, werden im Bereich der Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g willkürlich Gruppen gebildet, um das Risiko<br />

des einzelnen zu bestimmen. Das ist ein statistisch <strong>un</strong>tauglicher<br />

Weg, weil hier erster <strong>un</strong>d zweiter Schritt verwechselt werden: Statt<br />

242


erst die einzelnen Risiken nach ihren Risikomerkmalen zu beurteilen<br />

<strong>un</strong>d dann homogene Gruppen aus gleichen Risiken zu bilden, werden<br />

- in Ermangel<strong>un</strong>g von Risikomerkmalen - zuerst Gruppen nach<br />

willkürlichen Merkmalen gebildet. Und dann wird das Willkür-<br />

Merkmal zum Ersatz-Risikomerkmal bestimmt, wenn die Gruppenergebnisse<br />

voneinander abweichen. So sind auch Wohnort <strong>un</strong>d Beruf<br />

zu Ersatz-Risikomerkmalen geworden, obwohl sie - versicher<strong>un</strong>gstechnisch<br />

<strong>un</strong>d statistisch - überhaupt keine Aussagekraft für<br />

das einzelne versicherte Fahrzeug haben.<br />

Auch die Dauer der Schadenfreiheit ist ein <strong>un</strong>taugliches Risikomerkmal.<br />

Es stellt nämlich im Gr<strong>un</strong>de auf das Alter des Fahrzeughalters<br />

ab. Heute muß ein Autobesitzer etwa 35 Jahre alt werden,<br />

um in die Beitragsklasse mit dem niedrigsten Beitrag (35 Prozent<br />

vom Gr<strong>un</strong>dbeitrag) zu kommen, weil dafür 15 Jahre schadenfreies<br />

Fahren Voraussetz<strong>un</strong>g sind. Eine solche Tarifier<strong>un</strong>g geht davon aus,<br />

daß j<strong>un</strong>ge Menschen schlechte Autofahrer sind. Tatsächlich fahren<br />

sie aber - auch als Gruppe - am besten Auto, wenn man die Qualität<br />

des einzelnen messen könnte. Das haben schon in den 70er Jahren<br />

Untersuch<strong>un</strong>gen in den USA gezeigt. Die Erklär<strong>un</strong>g dieses Phänomens<br />

oder Widerspruchs ist einfach:<br />

Nehmen wir an, in einer Gruppe von 100 vierzigjährigen Fahrzeughaltern<br />

sind fünfzig schlechte Fahrer, von denen aber nur zehn<br />

auffällig werden, weil sie wenig fahren. Das Verhältnis der schadenfreien<br />

zu den Schadenfahrern ist 100 zu 10. Bei einer Gruppe von<br />

Zwanzigjährigen kann das ganz anders aussehen, nämlich von 100<br />

Fahrern sind vielleicht nur dreißig schlechte. Von denen baut aber<br />

jeder zweite einen Unfall. Das Verhältnis der schadenfreien zu den<br />

Schadenfahrern ist 100 zu 15. Obwohl hier siebzig gute Fahrer in<br />

der Gruppe sind, ist das Gruppenergebnis schlechter als bei den<br />

Vierzigjährigen, <strong>un</strong>ter denen nur fünfzig gute Fahrer sind.<br />

Eine Scheinrelation schafft n<strong>un</strong>, wer eine solche Gruppenstatistik<br />

so wertet, daß j<strong>un</strong>ge Menschen schlechtere Autofahrer seien. Eine<br />

Statistik über die Qualität j<strong>un</strong>ger Fahrer, die von Werten ausgeht,<br />

die anhand von Tests <strong>un</strong>d in Fahrzeug-Computern gemessen worden<br />

sind, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Auch dafür gibt<br />

es eine einfache Erklär<strong>un</strong>g: J<strong>un</strong>ge Menschen, die schlecht fahren,<br />

verursachen Schäden nicht nur im dichten Verkehr oder auf langen<br />

Strecken, sondern oft durch Leichtsinnigkeit. Man denke nur an die<br />

immer wiederkehrenden Meld<strong>un</strong>gen: "Ein mit j<strong>un</strong>gen Leuten besetzter<br />

Pkw prallte nachts auf einsamer Straße wegen zu hoher Ge-<br />

243


schwindigkeit gegen einen Baum." - Danach wäre das Ergebnis über<br />

die Gruppe j<strong>un</strong>ger Fahrer eher so zu deuten, daß <strong>un</strong>ter ihnen mehr<br />

leichtsinnige Fahrer sind. Eine Scheinrelation schafft aber, wer annimmt,<br />

daß J<strong>un</strong>g-Sein gleichzusetzen ist mit Leichtsinnig-Sein. Man<br />

darf also die Statistik nicht so deuten, daß jeder j<strong>un</strong>ge Fahrer leichtsinnig<br />

ist, <strong>un</strong>d schon gar nicht so, daß jeder j<strong>un</strong>ge Mensch ein<br />

schlechter Fahrer ist. Denn - wie in den USA ermittelt: Es sind mehr<br />

gute Autofahrer <strong>un</strong>ter den j<strong>un</strong>gen Menschen als <strong>un</strong>ter den älteren.<br />

Warum sollen die für ihre leichtsinnigen Altersgenossen die Schäden<br />

mitbezahlen ?<br />

Vielleicht ist es schon aufgefallen: Die Branche verwendet als<br />

Ersatz-Risikomerkmale genau die Kriterien, die für die Arbeitsweise<br />

oder das Arbeitsgebiet der "Rosinenversicherer" Bedeut<strong>un</strong>g haben.<br />

Die "Rosinenversicherer" nehmen - wie die HUK Coburg - nur Beamte<br />

an oder nur Fahrzeughalter aus bestimmten Regionen. Deshalb<br />

also Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife. Warum eigentlich nicht andere<br />

Merkmale ? -<br />

Eine Statistik über Blonde <strong>un</strong>d Schwarzhaarige würde sicher zu<br />

dem Ergebnis führen, daß Blonde - als Gruppe - weniger Kfz-<br />

Haftpflichtschäden verursachen als Schwarzhaarige. In die Gruppe<br />

der Schwarzhaarigen fielen nämlich die meisten Ausländer aus dem<br />

Süden Europas, die nachweislich - als Gruppe - mehr Schäden verursachen<br />

als die Deutschen. Deshalb forderte die Branche auch vor<br />

einigen Jahren sogenannte "Balkantarife" mit fünfzigprozentigen<br />

Beitragszuschlägen für Griechen <strong>un</strong>d Türken. Man könnte auch Tarife<br />

nach Schuhgröße einführen. Dann müßten Autofahrer mit größeren<br />

Füßen mit Sicherheit höhere Beiträge zahlen, weil in die<br />

Gruppe der Klein-Füßigen die Frauen fallen würden, die - als Gruppe<br />

- nachweislich weniger Unfälle verursachen als Männer. Auch<br />

hier gibt es eine einfache Erklär<strong>un</strong>g: Frauen, oft Hausfrauen, fahren<br />

- als Gruppe - weniger Auto <strong>un</strong>d kürzere Strecken. Aber alle Ergebnisse<br />

dürfen nicht für die Risikobeurteil<strong>un</strong>g des einzelnen Gruppenmitglieds<br />

angewendet werden, weil die Gruppen hinsichtlich der<br />

statistischen Fragestell<strong>un</strong>g nicht homogen sind, eine Verallgemeiner<strong>un</strong>g<br />

also sowohl gegen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik als auch gegen statistische<br />

Regeln verstoßen würde.<br />

Wer also sagt, schwarzhaarig zu sein, große Füße zu haben, in<br />

einer Großstadt zu wohnen, nicht Beamter <strong>un</strong>d j<strong>un</strong>g zu sein, das alles<br />

seien Merkmale für schlechtes Autofahren, der verletzt die elementarsten<br />

Regeln der Statistik. Die Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife<br />

244


<strong>un</strong>d die Beitragsklassen nach der Dauer der Schadenfreiheit, die alle<br />

von solchen Scheinrelationen ausgehen, sind also nicht einmal annähernd<br />

ein Ersatz dafür, daß eine Risikobeurteil<strong>un</strong>g nach der "Qualität<br />

des Fahrers", den gefahrenen Kilometern <strong>un</strong>d befahrenen Gefahrenzonen<br />

<strong>un</strong>möglich ist.<br />

Kardinalfehler der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g:<br />

Die Pflichtversichertengemeinschaft wird aufgesplittert<br />

Wir haben gesehen: Wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ihre Statistiken<br />

immer mehr verfeinern würden, müßte am Ende jeder einen<br />

Beitrag bezahlen, der dem von ihm angerichteten Schaden entspricht.<br />

Dann wäre aber der Zweck der Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g -<br />

der Schutz der Unfallopfer - nicht mehr zu verwirklichen.<br />

An dieser Stelle ist die Branche gezw<strong>un</strong>gen, den Kardinalfehler<br />

<strong>un</strong>seres geltenden Tarifsystems zu offenbaren. Sie begegnet dem Argument,<br />

daß eine konsequente Fortführ<strong>un</strong>g ihrer Statistiken <strong>un</strong>d Tarife<br />

letztlich zur Selbstbezahl<strong>un</strong>g der Schäden durch den einzelnen<br />

führen müßten, mit dem Hinweis auf das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-<br />

Gesetz <strong>un</strong>d die Tarif-Verordn<strong>un</strong>g. Dort heißt es: Die ausgewählten<br />

Gruppen müßten groß genug sein, um einen versicher<strong>un</strong>gstechnischen<br />

Ausgleich herbeizuführen. Das ist z<strong>un</strong>ächst einmal völliger<br />

Unsinn: Innerhalb der b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversichertengemeinschaft<br />

dürfen nur noch <strong>un</strong>terschiedliche Beitragsklassen gebildet<br />

werden. Risikogruppen sind also insoweit Beitragsklassen, die keinen<br />

versicher<strong>un</strong>gstechnischen Ausgleich herbeiführen müssen. Dieser<br />

Ausgleich wird durch die jeweilige Versichertengemeinschaft herbeigeführt,<br />

die sich aus vielen Beitragsklassen - sprich: Risikogruppen -<br />

zusammensetzt. Ein Beispiel: Ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen hat<br />

100.000 Risiken gegen Feuer versichert <strong>un</strong>d dabei zehn <strong>un</strong>terschiedliche<br />

Risikogruppen gebildet. In einer dieser Beitragsklassen sind nur<br />

zehn Risiken versichert. Wie sollen diese zehn Risiken einen versicher<strong>un</strong>gstechnischen<br />

Ausgleich herbeiführen ? -<br />

Die Tarif-Verordn<strong>un</strong>g liefert damit selbst den besten Beweis dafür,<br />

daß die nach Wohnorten gebildeten Risikogruppen keine Beitragsklassen<br />

darstellen sollen, sondern neue Versichertengemeinschaften,<br />

die "groß genug sind, um einen versicher<strong>un</strong>gstechnischen<br />

Ausgleich zu ermöglichen". Und genau das ist es, was die Branche<br />

erreichen wollte: neue Versichertengemeinschaften als Reaktion auf<br />

245


die "Rosinenversicherer", zum Beispiel Versichertengemeinschaften<br />

nach Wohnorten als Reaktion auf die "Regionalversicherer".<br />

Das Fatale an der geltenden Tarifstruktur ist, daß die Regionaltarife<br />

zum Beispiel aus der Gruppe der Münchener eine gesonderte<br />

Versichertengemeinschaft machen. Statistiken ermitteln für diese<br />

den Gesamtschadenaufwand. Und dann verteilen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

den entsprechenden Beitragsbedarf auf alle<br />

Münchener. So müssen am Ende die Münchener ihre Schäden selbst<br />

bezahlen - abgetrennt von der Gemeinschaft der anderen Pflichtversicherten,<br />

die durch das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetz geschaffen<br />

werden sollte. So verlieren die guten Autofahrer in München - wie<br />

andere Großstädter - Jahr für Jahr Millionen an zuviel gezahlten Beiträgen.<br />

Bleibt festzustellen: Wer von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik abweichende<br />

Gruppenstatistiken anwendet, der splittert die per Gesetz<br />

geschaffene b<strong>un</strong>desweite Pflichtversichertengemeinschaft in mehrere<br />

Ver-sichertengemeinschaften auf, die alle ihre Gesamtschäden<br />

selbst bezahlen müssen. Und das ist bei einem B<strong>un</strong>des-Gesetz vom<br />

Prinzip <strong>un</strong>d vom Ergebnis her verfass<strong>un</strong>gswidrig. Der B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister<br />

ist zwar nach dem Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetz ermächtigt,<br />

eine Tarif-Verordn<strong>un</strong>g zu erlassen. Diese Ermächtig<strong>un</strong>g<br />

geht aber sicher nicht so weit, daß er die B<strong>un</strong>desrepublik <strong>un</strong>d das<br />

B<strong>un</strong>desgebiet neu aufteilen darf.<br />

Fahrvergangenheit -<br />

Ersatzmerkmal für Fahrerqualität <strong>un</strong>d Fahrzeugmobilität<br />

Die Qualität <strong>un</strong>d Mobilität des einzelnen Fahrers <strong>un</strong>d Fahrzeugs<br />

sind durch Risikomerkmale nicht zu bewerten. Die Fahrvergangenheit<br />

eines Fahrzeughalters wurde bereits als Ersatzmerkmal aufgezeigt:<br />

Wer einen Schaden verursacht hat, ist ein schlechter Fahrer.<br />

Wer mehrere Schäden verursacht hat, ist ein sehr schlechter Fahrer<br />

oder fährt als schlechter Fahrer viel in gefährlichen Gebieten oder<br />

über lange Strecken. Damit wären sowohl die Qualität des Fahrers<br />

als auch die Mobilität des Fahrzeugs erfaßt. Das wäre zwar eine Notlös<strong>un</strong>g,<br />

weil sich die Qualität des Fahrers <strong>un</strong>d die Mobilität des Fahrzeugs<br />

- wie die Branche richtig meint - "nur schwer objektivieren<br />

lassen". Das Ersatz-Risikomerkmal "Fahrvergangen-heit" entspricht<br />

aber der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik. Die Fahrvergangenheit ist bei jedem<br />

einzelnen Versicherten exakt bestimmbar. Und sie hat - im Gegen-<br />

246


satz zum Wohnort, Beruf <strong>un</strong>d Alter - eine gewisse Aussagekraft über<br />

das Risiko <strong>un</strong>d eine Bezieh<strong>un</strong>g zur Gefahr, einen Haftpflichtschaden<br />

zu verursachen. Die Versicherten könnten z<strong>un</strong>ächst individuell nach<br />

ihrer Fahrvergangenheit beurteilt <strong>un</strong>d danach Risikogruppen mit<br />

gleicher Fahrvergangenheit zugewiesen werden.<br />

Bei einem solchen Tarif nach Fahrvergangenheit würden alle<br />

Schadenfreien einen Gr<strong>un</strong>dbeitrag zahlen. Schadenbelastete Fahrzeughalter<br />

müßten einen Malus-Zuschlag bezahlen. Der Malus<br />

könnte von Jahr zu Jahr - entsprechend der Schadenfreiheit - abgebaut<br />

werden, bis am Ende der Gr<strong>un</strong>dbeitrag wieder erreicht ist.<br />

Gleiche Fahrer würden gleiche Beiträge zahlen. Ähnliche Systeme<br />

werden in vielen Ländern praktiziert, wobei der Wohnort <strong>un</strong>d Beruf<br />

als Risikomerkmal nicht zugelassen sind - wie zum Beispiel in Österreich.<br />

Das Dilemma der Pflichtversicher<strong>un</strong>g:<br />

die Aufteil<strong>un</strong>g auf 100 Unternehmen<br />

Die Folgen der Tarife nach Fahrvergangenheit wie auch die Folgen<br />

einer Aufsplitter<strong>un</strong>g der Pflichtversichertengemeinschaft durch Regional-<br />

<strong>un</strong>d Beamtentarife sollen im folgenden anhand fiktiver Zahlenbeispiele<br />

aufgezeigt werden - beschränkt auf die Regionaltarife<br />

<strong>un</strong>d auf zwei fiktive Regionen - "Hamburg" <strong>un</strong>d den "Regier<strong>un</strong>gsbezirk<br />

Lüneburg":<br />

In Hamburg fallen von 1.000 Fahrern 200 durch einen Unfall<br />

auf. Der Durchschnittsschaden ist 2.000 Mark. Gesamtschadenaufwand<br />

400.000 Mark. Erforderlicher Deck<strong>un</strong>gs- oder Risikobeitrag<br />

also 400.000 Mark. In Lüneburg fallen von 1.000 Fahrern nur 100<br />

durch einen Unfall auf. Bei - angenommen - gleichem Durchschnittsschaden<br />

ist der Gesamtschadenaufwand 200.000 Mark. Erforderlicher<br />

Deck<strong>un</strong>gsbeitrag also 200.000 Mark.<br />

1. Nehmen wir an, es gibt eine einheitliche Hamburger & Lüneburger<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft für beide Regionen: Diese benötigt für<br />

2.000 Fahrer 600.000 Mark Risikobeitrag <strong>un</strong>d erhebt davon 300.000<br />

Mark als Gr<strong>un</strong>dbeitrag von allen Versicherten <strong>un</strong>d verteilt die restlichen<br />

300.000 Mark als Malus auf die 300 Schadenfahrer. Der Beitrag<br />

für Schadenfreie beträgt also 150 Mark <strong>un</strong>d für Schadenfahrer 150<br />

Mark + 1.000 Mark Malus = 1.150 Mark.<br />

247


2. Gehen wir aber von zwei Regionen aus, in denen sich alle Hamburger<br />

bei einer Hamburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG <strong>un</strong>d alle Lüneburger<br />

bei einer Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG versichern müssen, dann<br />

benötigt das Hamburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen für 1.000 Fahrer<br />

400.000 Mark Risikobeitrag <strong>un</strong>d legt 200.000 Mark um auf alle<br />

Versicherten <strong>un</strong>d verteilt die restlichen 200.000 Mark in Form eines<br />

Malus-Zuschlages auf die 200 Schadenfahrer. Der Beitrag für Schadenfreie<br />

beträgt also 200 Mark <strong>un</strong>d für Schadenfahrer 1.200 Mark.<br />

Die Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG benötigt für 1.000 Fahrer<br />

200.000 Mark Risikobeitrag <strong>un</strong>d legt 100.000 Mark um auf alle Versicherten<br />

<strong>un</strong>d einen Malus von 100.000 Mark, verteilt auf 100 Schadenfahrer.<br />

Der Beitrag für Schadenfreie beträgt also 100 Mark <strong>un</strong>d<br />

für Schadenfahrer 1.100 Mark. Es wird also deutlich: Schadenfreie<br />

Fahrer <strong>un</strong>d Schadenfahrer zahlen immer regional <strong>un</strong>terschiedliche<br />

Beiträge, wenn die einheitliche Pflichtversicher<strong>un</strong>g regional aufgesplittert<br />

wird.<br />

3. Wenn die beiden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen überregional tätig<br />

werden wollen, dann würden sie mit zwei Regionaltarifen für Hamburg<br />

<strong>un</strong>d Lüneburg arbeiten, müßten aber wenigstens - der Tarif-<br />

Verordn<strong>un</strong>g entsprechend - eine einheitliche Tarifgestalt<strong>un</strong>g für die<br />

beiden Tarife einführen. Um die 400.000 Mark für alle ihre Schäden<br />

aufzubringen, müßten die schadenfreien Hamburger zum Beispiel<br />

160 Mark Beitrag bezahlen <strong>un</strong>d die Schadenfahrer 1.360 Mark. Für<br />

die Lüneburger wären die Zahlen 114 Mark für die schadenfreien<br />

<strong>un</strong>d 974 Mark für die Schadenfahrer. Dann zahlen alle Schadenfahrer<br />

von Hamburg <strong>un</strong>d Lüneburg zwar relativ gleich mehr zu dem<br />

Gr<strong>un</strong>dbeitrag ihrer Region, nämlich das 8,5fache. Alle Hamburger -<br />

ob mit oder ohne Schaden - zahlen aber immer noch vierzig Prozent<br />

mehr als die Lüneburger ! - Sie subventionieren also die Versicherten<br />

aus Lüneburg wie folgt:<br />

Schadenfreie<br />

Zahlen<br />

Schadenfahrer<br />

Zahlen<br />

248<br />

in Hamburg<br />

HH<br />

160,-- DM<br />

1360,-- DM<br />

in Lüneburg<br />

LG<br />

114,-- DM<br />

974,-- DM<br />

Subvention<br />

HH an LG<br />

46,-- DM<br />

386,-- DM


Die Subvention ist vom Prinzip her bei den derzeit gültigen Tarifen<br />

dieselbe. Nur die Relationen sind andere. Tatsache ist aber, daß auch<br />

nach den geltenden Regionaltarifen die Hamburger - egal mit welcher<br />

Fahrvergangenheit - immer um etwa 25 Prozent höhere Beiträge<br />

zahlen als die Lüneburger, weil Hamburger <strong>un</strong>d Lüneburger <strong>un</strong>terschiedlichen<br />

Regionalklassen zugeordnet werden (RS III für<br />

Hamburg <strong>un</strong>d RL I für Lüneburg).<br />

Die obigen Beispiele haben deutlich gemacht, daß bei einer solchen<br />

Selektion nicht mehr - wie es in einer b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversichertengemeinschaft<br />

sein sollte - allein Schadenfreie die von Schäden<br />

Betroffenen subventionieren, sondern daß zusätzlich alle <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>pflichtigen<br />

der nicht ausselektierten Gruppen - wie Großstädter<br />

<strong>un</strong>d Nichtbeamte - die Pflichtversicherten der selektierten<br />

Gruppen subventionieren. Hamburger zahlen zum Beispiel immer<br />

25 Prozent mehr Beitrag als Lüneburger mit gleichen Fahrzeugen<br />

<strong>un</strong>d gleicher Fahrvergangenheit. Also subventionieren sowohl Schadenfreie<br />

wie Schadenfahrer aus Hamburg die Lüneburger mit ihrem<br />

25prozentigen Mehrbeitrag zur Pflichtversichertengemeinschaft.<br />

Und dafür gibt es einfach keine vernünftige Begründ<strong>un</strong>g. Auf jeden<br />

Fall kann man in einer b<strong>un</strong>deseinheitlichen Versicher<strong>un</strong>g nicht<br />

sagen: Sollen doch die Hamburger ihre Schäden alleine bezahlen <strong>un</strong>d<br />

die schadenfreien Hamburger ihre Schadenfahrer selbst subventionieren.<br />

Dann müßte der Gesetzgeber das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-<br />

Gesetz ändern <strong>un</strong>d festlegen, daß bestimmte Regionen (welche?) ihre<br />

eigene Pflichtversicher<strong>un</strong>g betreiben müssen. Das Gr<strong>un</strong>dgesetz<br />

müßte insoweit geändert <strong>un</strong>d die B<strong>un</strong>desrepublik in Autoversicher<strong>un</strong>gsregionen<br />

als neue politische Einheiten aufgeteilt werden.<br />

Nach der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>technik <strong>un</strong>d dem Gleichbehandl<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dsatz<br />

wären in dem obigen Beispiel die gerechten Beiträge 150,-<br />

DM für alle schadenfreien Fahrer in Hamburg <strong>un</strong>d Lüneburg. Und<br />

1.150 Mark Beitrag für die Schadenfahrer im gesamten Territorium.<br />

Warum gibt es aber diese gerechten (gleichen) Beiträge nicht für<br />

gleiche Fahrer ? - Auch diese Frage beantwortet sich aus den obigen<br />

Zahlenbeispielen. Nehmen wir einmal an, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

aus Hamburg <strong>un</strong>d Lüneburg müßten gleiche Beiträge erheben,<br />

weil sie beide zur B<strong>un</strong>desrepublik Deutschland gehören <strong>un</strong>d ein<br />

B<strong>un</strong>desgesetz keine <strong>un</strong>terschiedlichen Beiträge zuläßt. Die Lüneburger<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG betätigt sich als "Rosinenversicherer" <strong>un</strong>d<br />

nimmt nur Lüneburger Fahrzeughalter an mit dem<br />

249


Ergebnis:<br />

100 von 1.000 haben Schäden in Höhe von insgesamt 200 000 DM<br />

900 Schadenfreie zahlen 150 DM = 135 000 DM<br />

100 Schadenfahrer zahlen 1.150 DM = 115 000 DM<br />

250 000 DM<br />

Ergebnis: Ein Überschuß von 50.000 DM in Lüneburg.<br />

Wegen der entsprechend hohen Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen versichern<br />

sich alle Lüneburger bei der Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG. Für das<br />

Hamburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen bleiben nur die Hamburger<br />

übrig, die es aber - wegen der b<strong>un</strong>deseinheitlichen Pflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

- zu gleichen Beiträgen wie in Lüneburg annehmen muß. Ergebnis:<br />

200 von 1.000 haben Schäden in Höhe von insgesamt 400 000 DM<br />

800 Schadenfreie zahlen 150 DM = 120 000 DM<br />

200 Schadenfahrer zahlen 1.150 DM = 230 000 DM<br />

350 000 DM<br />

Ergebnis: Eine Unterdeck<strong>un</strong>g von 50.000 DM in Hamburg.<br />

Eine Unterdeck<strong>un</strong>g von 50.000 Mark beim Hamburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

könnte vom B<strong>un</strong>desaufsichtsamt nicht hingenommen<br />

werden, weil der Sinn <strong>un</strong>d Zweck des Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-<br />

Gesetzes - Schutz der Verkehrsopfer <strong>un</strong>d dauernde Erfüllbarkeit der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge - nicht erreicht würde. Es fehlt genau der Betrag,<br />

der bei der Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG als Überschuß entstanden<br />

ist.<br />

Das Dilemma ist perfekt: Eine gesetzliche Pflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

erfordert eine Gleichbehandl<strong>un</strong>g gleicher Autofahrer. Diese Gleichbehandl<strong>un</strong>g<br />

führt aber zu <strong>un</strong>terschiedlichen Überschußergebnissen<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich, wenn die Pflichtversicherten auf mehrere<br />

Unternehmen verteilt sind. Manche Gesellschaften kommen mit den<br />

Beiträgen nicht aus. Der Gesetzgeber, Aufsichtsamt <strong>un</strong>d Branche<br />

mußten sich etwas einfallen lassen, um die dauernde Erfüllbarkeit<br />

der Verträge <strong>un</strong>d den Schutz der Verkehrsopfer zu sichern. Wie die-<br />

250


sen gordischen Knoten durchschlagen ? - Wie einen Ausgleich herbeiführen<br />

? -<br />

Bisher ist den Verantwortlichen nur die Lös<strong>un</strong>g durch Regional-<br />

<strong>un</strong>d Beamtentarife eingefallen. Die Folge: Gleiche Fahrzeughalter<br />

zahlen bis zu fünfzig Prozent <strong>un</strong>terschiedliche Beiträge. Bezieht man<br />

die Beitragsklassen nach der Dauer der Schadenfreiheit mit ein,<br />

macht der Unterschied 750 Prozent aus. Eine eklatante Verletz<strong>un</strong>g<br />

des Gleichbehandl<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dsatzes.<br />

Eine Lös<strong>un</strong>g der Tarifier<strong>un</strong>gsprobleme<br />

Wir erinnern <strong>un</strong>s: Weil es <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen gibt, deren<br />

Geschäftsgebiet auf Regionen beschränkt ist, haben wir Regionaltarife.<br />

Und weil es <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen nur für Beamte gibt,<br />

haben wir Beamtentarife. Wir hätten vermutlich keine Regional- <strong>un</strong>d<br />

Beamtentarife, wenn es diese "Rosinenversicherer" nicht gäbe. Aber<br />

selbst wenn man die "Rosinenversicherer" verbieten würde, würden<br />

ähnlich <strong>un</strong>terschiedliche Ergebnisse bei einzelnen Gesellschaften<br />

auftreten - je nach Bestandszusammensetz<strong>un</strong>g. Ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

das besonders viele Versicherte aus ländlichen Regionen<br />

gewinnen kann, würde bei einheitlichen Beiträgen hohe Überschüsse<br />

im Schadenbereich erzielen, kann also selbst bei hohem<br />

Kostenaufwand Gewinne erzielen <strong>un</strong>d auch noch mit hohen Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

werben. Und das würde automatisch wieder<br />

bei anderen Unternehmen zu entsprechenden Unterdeck<strong>un</strong>gen führen.<br />

Denn eines darf nie übersehen werden: Der Gesamtschadenaufwand<br />

der b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversichertengemeinschaft muß<br />

durch die Summe aller Beiträge gedeckt werden. Und so führen - bei<br />

einheitlichen Beiträgen - Überschüsse bei der einen Gesellschaft automatisch<br />

<strong>un</strong>d zwangsläufig zu Unterdeck<strong>un</strong>gen bei anderen Unternehmen.<br />

Diese Zusammenhänge werden im ersten Gutachten der vom<br />

B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister eingesetzten Deregulier<strong>un</strong>gskommission<br />

wie folgt beschrieben: "Wenn ein Versicherer die anderen mit einem<br />

Tarif angreift, der nach anderen Risikomerkmalen differenziert ist als<br />

die Tarife der anderen, um sich durch die Offerte einer niedrigeren<br />

Prämie gute Risiken aus dem Bestand der angegriffenen Unternehmen<br />

herauspicken zu können, erleiden die Angegriffenen eine Verschlechter<strong>un</strong>g<br />

ihres Bestandes; denn abwandern werden vor allem<br />

die Versicherten, die gemessen an ihren individuellen Risiken eine<br />

251


hohe Prämie gezahlt haben. Auf die Bestandsverschlechter<strong>un</strong>g können<br />

die Unternehmen, dem Modell der Gefahrengemeinschaft zufolge,<br />

nur mit einer Prämienerhöh<strong>un</strong>g reagieren, wodurch sie freilich<br />

den Prozeß weiter antreiben. Der Prozeß wird fatal nicht bloß für<br />

den Angegriffenen, sondern für den Gesamtmarkt."<br />

Eine solche Selektion wurde in der Kraftfahrt-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g im großen Stil von den "Rosinenversicherern"<br />

betrieben. Sie ist aber auch im kleinen Stil möglich. Das zeigt<br />

sich am Beispiel der Ausländer, die ihre Fahrzeuge in Deutschland<br />

versichert haben - besser gesagt: versichern mußten. Griechen <strong>un</strong>d<br />

Türken verursachen nach den Statistiken 50 Prozent mehr Schäden<br />

als die B<strong>un</strong>desbürger. Viele <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen machen den<br />

Ausländern deshalb alle erdenklichen Schwierigkeiten bei der Beschaff<strong>un</strong>g<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutzes, ohne den eine Fahrzeug-<br />

Zulass<strong>un</strong>g n<strong>un</strong> einmal nicht möglich ist. Mußten hartnäckige Ausländer<br />

wegen des gesetzlich vorgeschriebenen Annahmezwanges<br />

versichert werden, dann flattern ihnen bei der nächstmöglichen Gelegenheit<br />

die Kündig<strong>un</strong>gen ins Haus.<br />

Die Ursache für dieses böse Spiel beschreibt ein Branchengutachten:<br />

"Zur Frage der Einführ<strong>un</strong>g eines Prämienzuschlags für ausländische<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer in der Kraftfahrzeug-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g" von Professor Papier wie folgt: "Die ausländischen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer verteilen sich sehr <strong>un</strong>gleichgewichtig<br />

auf die verschiedenen Versicherer. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

die einen hohen Anteil ausländischer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer aufweisen,<br />

sind nicht in der Lage, vergleichbar günstige Ergebnisse zu erzielen<br />

wie diejenigen Unternehmen, die wenige ausländische <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

haben <strong>un</strong>d die daher eher Überschüsse erwirtschaften<br />

können. Nach alledem bewirkt die <strong>un</strong>gleichmäßige Verteil<strong>un</strong>g<br />

der Ausländerrisiken in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

auf die verschiedenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen ein erhebliches<br />

Prämien- <strong>un</strong>d Rückvergüt<strong>un</strong>gsgefälle, was wiederum zu beachtlichen<br />

Wettbewerbsverzerr<strong>un</strong>gen führt. Die Versicherer streben demgemäß<br />

eine risikogerechte Tarifier<strong>un</strong>g an."<br />

Die von der Branche gewünschten Ausländertarife wurden nicht<br />

genehmigt - vermutlich, weil der verantwortliche B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister<br />

fürchtete, daß die Griechen den europäischen Gerichtshof<br />

der Menschenrechte hätten anrufen können. Und von dort<br />

hätte es mit Sicherheit eine Ohrfeige gegeben. Plötzlich ließ das<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> verlauten, daß die<br />

252


"Gründe für den durch die Statistiken ausgewiesenen höheren Schadenbedarf<br />

der Ausländer nicht in der Staatsangehörigkeit liegen" <strong>un</strong>d<br />

daß "bei Genehmig<strong>un</strong>g der Tarifzuschläge das Interesse der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

an einem angemessenen Beitrag nicht mehr gewahrt"<br />

sei. Warum sollen aber "die Gründe für den durch Statistiken<br />

ausgewiesenen höheren Schadenbedarf" der Münchener <strong>un</strong>d Hamburger<br />

in der Tatsache liegen, daß sie in München oder Hamburg<br />

wohnen? - Und warum sollen "die Gründe für den höheren Schadenbedarf"<br />

der Nichtbeamten darin liegen, daß sie keine Beamten<br />

sind ? -<br />

Bei allen Ungereimtheiten, die der Vorgang "Ausländertarife"<br />

ans Tageslicht befördert hat, beweist der Vorgang vor allem, daß ein<br />

Verbot der regionalen <strong>un</strong>d berufsständischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

das Problem <strong>un</strong>terschiedlicher Überschußergebnisse bei<br />

den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen nicht beseitigen kann. Es würden<br />

vielleicht gleich viele gute <strong>un</strong>d schlechte Fahrer in den Beständen<br />

der 100 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen vertreten sein. Aber es würde<br />

immer eine - wie Professor Papier meinte - "<strong>un</strong>gleichgewichtige Verteil<strong>un</strong>g"<br />

von Ausländern <strong>un</strong>d Großstädtern, von Beamten <strong>un</strong>d Autofahrern<br />

aus der Provinz geben. Und wir alle wissen inzwischen -<br />

auch ohne Statistiken: <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen mit vielen Ausländern<br />

<strong>un</strong>d Großstädtern im Bestand würden weniger Überschüsse<br />

erzielen als solche, die mehr Beamte <strong>un</strong>d Landbewohner im Bestand<br />

haben.<br />

N<strong>un</strong> möge bitte keiner sagen: "Sehen Sie, da haben wir wieder<br />

den Beweis, daß Beamte <strong>un</strong>d Autofahrer auf dem Lande die besseren<br />

Autofahrer sind <strong>un</strong>d Ausländer die schlechtesten!" - Sonst müßten<br />

wir wieder von vorne anfangen.<br />

Man stelle sich vor, die gesetzliche Pflichtversicher<strong>un</strong>g würde<br />

b<strong>un</strong>desweit nur von einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen betrieben.<br />

Gleiche Fahrer gleicher Fahrzeuge mit gleicher Fahrvergangenheit<br />

würden gleiche Beiträge bezahlen. Keiner würde auf die Idee kommen<br />

zu verlangen, daß schadenfreie Beamte weniger Beitrag zahlen<br />

müßten als schadenfreie Normalbürger. Und keiner würde fordern,<br />

daß Großstädter mehr Beitrag zahlen müßten als Autofahrer in der<br />

Provinz. Keiner ist bisher auf die Idee gekommen, für Ausländer<br />

geringere Einkommensteuer-Sätze zu fordern, weil Ausländer - als<br />

Gruppe - weniger verdienen als B<strong>un</strong>desbürger. Keiner hat bisher<br />

verlangt, daß Hamburger höhere Steuersätze zahlen müßten, weil sie<br />

als Gruppe mehr verdienen als die übrigen B<strong>un</strong>desbürger.<br />

253


Das Problem der gesetzlichen Pflichtversicher<strong>un</strong>g ist also deren<br />

Organisation über 100 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d die dadurch<br />

<strong>un</strong>terschiedlichen Überschuß-Ergebnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

bei den einzelnen Gesellschaften. Die Unternehmen haben ein Interesse<br />

an Chancengleichheit bei der Überschußerziel<strong>un</strong>g. Die Pflichtversicherten<br />

müssen ein Interesse an gerechten Beiträgen haben, also<br />

an gleichen Beiträgen für gleiche Fahrzeughalter.<br />

Die japanische Lös<strong>un</strong>g<br />

Die Japaner haben diesen Interessenkonflikt <strong>un</strong>d die gesamte Tarifproblematik<br />

vorhergesehen, als sie ihre Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

durch mehrere private <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen organisieren ließen.<br />

Sie fanden eine ebenso einfache wie gerechte, eine ebenso verfass<strong>un</strong>gsmäßige<br />

wie marktgerechte Lös<strong>un</strong>g. Sie haben die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien<br />

aufgeteilt in einen reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag<br />

<strong>un</strong>d einen Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil, im Gr<strong>un</strong>de ein Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

der Unternehmen bei der Organisation der b<strong>un</strong>desweiten<br />

Pflichtversichertengemeinschaft. Gleiche Fahrer zahlen gleiche Beiträge<br />

<strong>un</strong>d können gleiche Rückerstatt<strong>un</strong>gen erhalten. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

müssen zu 100 Prozent über einen nationalen Pool<br />

abgerechnet werden. Und so wird ein nationaler Ausgleich der Überschüsse<br />

<strong>un</strong>d Unterdeck<strong>un</strong>gen herbeigeführt, die bei den einzelnen<br />

Gesellschaften im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich entstehen. Hier passiert<br />

genau das, was die Lös<strong>un</strong>g im obigen Beispiel der Hamburger <strong>un</strong>d<br />

Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen wäre: Der Überschuß von<br />

50.000 Mark bei der Lüneburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-AG würde genau die<br />

Unterdeck<strong>un</strong>g von 50.000 Mark bei der Hamburger <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

AG ausgleichen.<br />

Ich höre schon den Aufschrei von vermeintlichen Markttheoretikern:<br />

Das wäre ein Eingriff in den geschützten Gewerbebetrieb, in<br />

Wettbewerb <strong>un</strong>d Marktwirtschaft. Eine solche Lös<strong>un</strong>g käme einer<br />

Verstaatlich<strong>un</strong>g gleich. Und wir hätten doch n<strong>un</strong> gerade an den Beispielen<br />

in der DDR gesehen, wohin Wirtschaftslenk<strong>un</strong>g führe ....<br />

Die Oberflächlichkeit solcher "Markttheoretiker" ersta<strong>un</strong>t immer<br />

wieder. Sie vergessen nämlich, vor ihrem Aufschrei darüber nachzudenken,<br />

ob der betroffene Bereich überhaupt ein Markt-Bereich ist.<br />

Z<strong>un</strong>ächst einmal sollte es bedenklich stimmen, daß die klugen Japaner<br />

dieses System anwenden. Zum anderen ist die Tatsache, daß die<br />

Gesellschaften Beitragsüberschüsse aus der Kfz-<br />

254


Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g zurückerstatten müssen, nicht nur ein Wink<br />

mit dem Za<strong>un</strong>pfahl, sondern mit einem ganzen Za<strong>un</strong>, daß eine gesetzliche<br />

Pflichtversicher<strong>un</strong>g vielleicht doch nichts mit Markt <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb zu t<strong>un</strong> hat. Der beste Beweis: <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

können nicht mit wirtschaftlichen Maßnahmen auf die <strong>un</strong>terschiedlichen<br />

Überschuß-Ergebnisse reagieren. Also sind diese Ergebnisse<br />

auch nicht von einer wirtschaftlichen Leist<strong>un</strong>g abhängig<br />

oder beeinflußbar.<br />

Und ganz wichtig: Die Japaner überlassen den Gesellschaften die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien, um darüber ihre<br />

Gewinne erwirtschaften zu können. Die Folge des japanischen Modells<br />

ist also nur, daß die Gesellschaften keinen Zugriff mehr auf die<br />

Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich haben, diese nicht zum<br />

Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen mißbrauchen <strong>un</strong>d auch<br />

nicht als Gewinne einstecken können.<br />

Für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen bestehen nämlich nicht nur im<br />

Bereich der Lebens- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>g, sondern auch im<br />

Bereich der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g paradiesische Verhältnisse.<br />

Die Gesellschaften können die Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

nämlich z<strong>un</strong>ächst einmal zum Ausgleich von Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d für vielfältige Manipulationen mißbrauchen.<br />

Sie können sie leicht über die Rückversicher<strong>un</strong>g oder über die konzerninterne<br />

Kostenverteil<strong>un</strong>g in ganz andere Bereiche verschieben,<br />

um eine Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g an die Versicherten zu umgehen. Bei<br />

einem Poolen der reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge wäre das aber alles<br />

nicht mehr möglich. Alle Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

kämen b<strong>un</strong>desweit in gleicher Weise gleichen Versicherten zugute.<br />

Sie verblieben im Pool oder würden an die Pflichtversicherten<br />

erstattet.<br />

Auch für die Gewinnsituation hätte ein Poolen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

einschneidende Folgen; denn zur Zeit dürfen die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

Überschüsse bis zu drei Prozent der Beitragseinnahmen<br />

als Gewinn einstecken. (Bis vor gar nicht langer Zeit<br />

konnten sich die Gesellschaften auch noch die Erträge aus Milliarden-Rückstell<strong>un</strong>gen<br />

im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g als<br />

Gewinne einstecken.) Nur der drei Prozent überschießende Teil der<br />

Beiträge muß an die Versicherten zurückerstattet werden. Setzt man<br />

diese drei Prozent in Relation zu der wirklich erbrachten Leist<strong>un</strong>g<br />

von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, ihren organisatorischen Dienstleist<strong>un</strong>gen,<br />

dann haben die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen hier eine Ge-<br />

255


winnmarge von etwa fünfzehn bis zwanzig Prozent. Denn drei Prozent<br />

Gewinn - bezogen auf einen zwanzigprozentigen Dienstleist<strong>un</strong>gsanteil<br />

- sind in Wahrheit fünfzehn Prozent Gewinn vom<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsumsatz.<br />

Unter diesen Umständen weigern sich die Gesellschaften natürlich,<br />

auf Kostenverschwend<strong>un</strong>gen, Manipulationen <strong>un</strong>d satte Gewinne<br />

zu verzichten. Sie lehnen es ab, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie aufzuteilen<br />

<strong>un</strong>d die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge zu poolen, damit gleiche<br />

Fahrer gleiche Beiträge zahlen <strong>un</strong>d gleiche Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen<br />

erhalten können. Sie wollen sich nicht auf Gewinne nur aus<br />

dem Umsatz ihrer Dienstleist<strong>un</strong>gen beschränken. Und die politisch<br />

Verantwortlichen kuschen.<br />

Das ist der wahre Gr<strong>un</strong>d für die verfass<strong>un</strong>gswidrige Tarifverordn<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d die ebenso verfass<strong>un</strong>gswidrigen Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife.<br />

So wird bei statistischen Erheb<strong>un</strong>gen nicht nur vorgegeben, daß<br />

die Beiträge der Pflichtversicherten den nationalen Schadenausgleich<br />

sicherstellen müßten, sondern daß sie auch noch zu gleichen Überschüssen<br />

bei den etwa 100 Gesellschaften führen sollen. Das Interesse<br />

der Zwangsversicherten an gerechten (gleichen) Beiträgen<br />

wurde <strong>un</strong>ter den Tisch gekehrt. Allein das Interesse der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

an Chancengleichheit bei der Überschußerziel<strong>un</strong>g<br />

wurde beachtet. Ungleiche Prämien für gleiche Autofahrer waren<br />

die Folge.<br />

Der wahre Gr<strong>un</strong>d für die Einführ<strong>un</strong>g von Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarifen<br />

ist somit nicht die Herbeiführ<strong>un</strong>g von angeblich "mehr"<br />

Beitragsgerechtigkeit, sondern die Verantwortlichen wollten - bei<br />

dem Nebeneinander von Annahmezwang <strong>un</strong>d erlaubter Spezialversicher<strong>un</strong>g<br />

- den konkurrierenden Unternehmen Chancengleichheit<br />

bei der Überschußerziel<strong>un</strong>g verschaffen. Diese "Überschuß-<br />

Gerechtigkeit" der Tarife führte im Ergebnis zu einer völligen Beitrags-Ungerechtigkeit.<br />

So gesehen ist das angeblich "mit der Person<br />

verb<strong>un</strong>dene Gefahrenmerkmal Wohnort" nichts weiter als ein "statistisches<br />

Gruppen-Selektionsmerkmal für Überschüsse".<br />

Eine verfass<strong>un</strong>gsmäßige <strong>un</strong>d marktgerechte Lös<strong>un</strong>g der Tarifprobleme<br />

ist nur nach japanischem Muster möglich: Wenn man eine<br />

durch B<strong>un</strong>desgesetz geregelte Pflichtversicher<strong>un</strong>g auf 100 private<br />

Unternehmen verteilt, dann müssen einheitliche Beiträge erhoben<br />

werden, ergänzt durch ein individuelles Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt für<br />

die Gesellschaften (über den sie ihre Gewinne erwirtschaften können).<br />

Konkret heißt das: Ein Beitrag von bisher 800 Mark müßte<br />

256


aufgeteilt werden in - beispielsweise - 670 Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag<br />

(den jedes Unternehmen erheben muß) <strong>un</strong>d ein Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelt<br />

von 130 oder auch 150 Mark (was jedes Unternehmen<br />

frei festsetzen kann). Und dann müßten die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge -<br />

jedenfalls rechnerisch - b<strong>un</strong>desweit gepoolt werden, um Überschüsse<br />

<strong>un</strong>d Unterdeck<strong>un</strong>gen bei den einzelnen Gesellschaften auszugleichen<br />

<strong>un</strong>d auf diesem Wege die nationale Pflichtversichertengemeinschaft<br />

wieder herzustellen. Gleiche Fahrer zahlen gleiche Beiträge<br />

<strong>un</strong>d erhalten gleiche Rückerstatt<strong>un</strong>gen, wie es eine b<strong>un</strong>deseinheitliche<br />

Pflichtversicher<strong>un</strong>g gebietet.<br />

Der nationale Ausgleich von <strong>un</strong>ternehmensindividuellen Überschüssen<br />

<strong>un</strong>d Unterdeck<strong>un</strong>gen ist in der B<strong>un</strong>desrepublik bisher an<br />

dem Irrglauben gescheitert, Versicher<strong>un</strong>g sei die Leist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

Prämien seien deren Preise <strong>un</strong>d Überschüsse<br />

im Schadensbereich seien daher Unternehmensgewinne.<br />

Ursache allen Übels -<br />

Missverständnisse um die Prämienüberschüsse<br />

So führen auch die Probleme einer "b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

durch 100 konkurrierende Unternehmen" wieder einmal - wie<br />

bei der Lebens- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>g - zur Überschußproblematik.<br />

Überschüsse entstehen bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zwangsläufig, weil Versicher<strong>un</strong>g nur sicher ist, wenn die Beiträge -<br />

wegen der Ungewißheit des künftigen Schadenverlaufs - ständig überkalkuliert<br />

sind. Solche Überschüsse entstehen auch - auf die b<strong>un</strong>desweite<br />

Pflichtversichertengemeinschaft bezogen - im Bereich der<br />

Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g, nur <strong>un</strong>terschiedlich verteilt auf die etwa<br />

100 Unternehmen, über die die Pflichtversicher<strong>un</strong>g betrieben<br />

wird.<br />

Sind diese Überschüsse n<strong>un</strong> Unternehmensgewinne ? - Oder<br />

sind Unterdeck<strong>un</strong>gen, die bei gleichen Beiträgen für gleiche Fahrer<br />

bei einzelnen Unternehmen entstehen können, <strong>un</strong>ternehmerische<br />

Verluste? - Oder sind Überschüsse oder Unterdeck<strong>un</strong>gen nur Teil-<br />

Ergebnisse der b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversichertengemeinschaft, die<br />

b<strong>un</strong>desweit ausgeglichen werden dürfen <strong>un</strong>d sogar ausgeglichen werden<br />

müssen, damit gleiche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>pflichtige in einer b<strong>un</strong>desweiten<br />

Pflichtversichertengemeinschaft - trotz ihrer Aufsplitter<strong>un</strong>g<br />

auf etwa 100 konkurrierende Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe - gleiche Beiträge<br />

zahlen <strong>un</strong>d gleiche Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen erhalten ? -<br />

257


Das Problem der Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife reduziert sich damit<br />

auf die gleiche Frage, die sich für die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der<br />

Lebensversicherten oder für die Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g der Krankenversicherten<br />

stellt: Ist Versicher<strong>un</strong>g allgemein <strong>un</strong>d die Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g im besonderen die Leist<strong>un</strong>g der einzelnen<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe oder der Versicherten ? - Für die Kraftfahrtversicher<strong>un</strong>g<br />

heißt das: Werden die Kfz-Haftpflichtschäden mit dem<br />

Geld von Aktionären oder mit dem Geld der Pflichtversicherten bezahlt<br />

? - Die Antwort ergibt sich aus Verlautbar<strong>un</strong>gen des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>: "Durch die allgemeine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>pflicht werden die Kraftfahrzeughalter zu einer Gefahrengemeinschaft<br />

zusammengefaßt. Die von dieser Gemeinschaft<br />

über Beiträge aufzubringenden Mittel müssen im Interesse der geschädigten<br />

Verkehrsopfer ausreichen, deren Ersatzansprüche zu befriedigen."<br />

Also ist der Schadenausgleich eine Leist<strong>un</strong>g der Versicherten.<br />

Und Überschüsse im Bereich des Schadenausgleichs können keine<br />

Gewinne der Unternehmen sein, über die die Kfz-<br />

Pflichtversicher<strong>un</strong>g betrieben wird. Das wird im übrigen auch durch<br />

die Mehrheit der Verantwortlichen bestätigt. So meinen Gericht <strong>un</strong>d<br />

leitende Beamte des B<strong>un</strong>desaufsichtsamts, daß die Überschüsse den<br />

Versicherten zugute kommen müssen. Der ehemalige Staatssekretär<br />

Böhme im B<strong>un</strong>desfinanzministerium sagte schon vor Jahren in einer<br />

B<strong>un</strong>destagssitz<strong>un</strong>g, es sei richtig, daß Überschüsse keine Unternehmensgewinne<br />

sind, soweit sie auf den vorsichtigen Kalkulationen<br />

beruhen. Soweit Überschüsse aber andere Ursachen haben, seien sie<br />

normaler Gewinn.<br />

Es ist also die Rede von zwei Arten von Überschüssen. Die aus<br />

dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich sollen keine Unternehmensgewinne sein,<br />

sondern nur die aus dem Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich. Jeder kann bei etwas<br />

Nachdenken auch darauf kommen, daß die Überschüsse im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich nicht auf einer wirtschaftlichen Leist<strong>un</strong>g der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen beruhen. Sie entstehen vielmehr aus einer<br />

fremden Leist<strong>un</strong>g, denn Versicher<strong>un</strong>g - als Bereitstell<strong>un</strong>g ausreichender<br />

Beiträge für einen gemeinschaftlichen Schadenausgleich - ist<br />

die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten, was sich im übrigen auch eindeutig<br />

aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechn<strong>un</strong>g ergibt, die Versicher<strong>un</strong>g<br />

als Einkommensumverteil<strong>un</strong>g verbucht (Geld der Versicherten<br />

fließt zu Geschädigten). Nur die Dienstleist<strong>un</strong>gsanteile (Verwalt<strong>un</strong>gskosten<br />

+ Gewinne) der Prämien werden als Brutto-<br />

258


Produktionsleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen angesehen.<br />

Demnach dürfen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen aus der Einkommensumverteil<strong>un</strong>g,<br />

aus einer fremden Leist<strong>un</strong>g, keine Gewinne ziehen,<br />

sondern nur aus den Dienstleist<strong>un</strong>gsanteilen der Prämien.<br />

Wenn aber Überschüsse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich keine Unternehmensgewinne<br />

sind, können sie b<strong>un</strong>desweit zum Ausgleich von<br />

Unterdeck<strong>un</strong>gen bei anderen Gesellschaften herangezogen werden -<br />

wie in Japan. Die Anordn<strong>un</strong>g eines b<strong>un</strong>desweiten Überschußausgleichs<br />

wäre also weder eine Verstaatlich<strong>un</strong>g noch ein Eingriff<br />

in Marktwirtschaft <strong>un</strong>d Wettbewerb <strong>un</strong>d auch keine Wirtschaftslenk<strong>un</strong>g.<br />

Der Schadenausgleich innerhalb einer b<strong>un</strong>desweiten Pflichtversichertengemeinschaft<br />

ist durch nichts zu beeinflussen, sondern<br />

hängt allein vom zufälligen Schadenverlauf ab. Allein im Bereich der<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sind Kostensenk<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Leist<strong>un</strong>gs-verbesser<strong>un</strong>gen möglich. Hier sind also nur<br />

Gewinne <strong>un</strong>d Wettbewerb möglich für die etwa 100 <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen,<br />

über die die Pflichtversicher<strong>un</strong>g betrieben wird. Das<br />

bestätigte auch ein Branchenf<strong>un</strong>ktionär, der schon im Jahre 1979<br />

sagte: "Die <strong>un</strong>ternehmensindividuellen Positionen, also insbesondere<br />

Kosten- <strong>un</strong>d Gewinnansätze, die den Wettbewerb im Prämienbereich<br />

bestimmen, spielen sich in der verhältnismäßig gering verbleibenden<br />

Spanne von etwa 15 Prozent ab."<br />

Nach allem wäre der Weg frei für das japanische Modell: Die <strong>un</strong>terschiedlichen<br />

Überschußergebnisse bei den einzelnen Unternehmen<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich können b<strong>un</strong>desweit ausgeglichen<br />

werden. Gleiche Fahrzeughalter zahlen gleiche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge,<br />

Schadenfahrer einen Maluszuschlag. Schadenfreie Fahrer erhalten<br />

gleiche Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen.<br />

Der Beitrag für schadenfreie j<strong>un</strong>ge Fahrer würde erheblich niedriger<br />

ausfallen. Vor allem Beamte <strong>un</strong>d Landwirte müßten erheblich<br />

mehr Beitrag zahlen. Für Großstädter würde sich der Beitrag etwas<br />

verringern. Fahrzeughalter aus der Provinz müßten etwas mehr bezahlen.<br />

Alles in allem müßten einige Milliarden des jährlichen Beitragsaufkommens<br />

von etwa zwanzig Milliarden Mark neu umgelegt<br />

werden.<br />

Chancen für eine Reform<br />

Eine Reform wäre nur durch eine Änder<strong>un</strong>g des Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetzes<br />

<strong>un</strong>d die vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister erlassene<br />

259


Tarif-Verordn<strong>un</strong>g möglich. Da die Branchenlobby der sogenannten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft <strong>un</strong>glaublich stark ist, können nur Druck aus<br />

der Öffentlichkeit <strong>un</strong>d Gerichtsurteile die Politiker als Gesetzgeber<br />

<strong>un</strong>d andere Verantwortliche dazu bringen, sich mit der Problematik<br />

<strong>un</strong>d mit einer Reform zu befassen.<br />

Öffentlichen Druck könnte der ADAC als Interessenvertret<strong>un</strong>g<br />

der Autofahrer erzeugen durch die Forder<strong>un</strong>g nach Untersuch<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d einer Reform der Tarifstruktur. Wenn der ADAC dieses 30 Millionen<br />

Autofahrer betreffende Thema noch nicht öffentlich aufgegriffen<br />

hat, so liegt das sicher daran, daß <strong>un</strong>ter seinen acht Millionen<br />

Mitgliedern weit über eine Million Beamte sind <strong>un</strong>d ein nicht <strong>un</strong>erheblicher<br />

Teil der anderen ADAC-Mitglieder nach einer Tarifreform<br />

höhere Beiträge zahlen müßte. Der ADAC müßte also mit einer<br />

Austrittswelle rechnen, wenn er gegen die Interessen eines Großteils<br />

seiner bisher privilegierten Mitglieder aktiv wird. Da nutzt es auch<br />

wenig, wenn der ADAC anderen Mitgliedern zu niedrigeren Beiträgen<br />

verhilft.<br />

Wenn die falsche Tarifstruktur durch Politiker oder Beamte nicht<br />

beseitigt <strong>un</strong>d noch nicht einmal <strong>un</strong>tersucht worden ist, so liegt das<br />

sicher auch daran, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d ihre Verbände<br />

- so DER SPIEGEL - schon seit Jahrzehnten jährlich Spenden<br />

in Millionenhöhe gezielt an Politiker als Mitglieder zuständiger<br />

Ausschüsse zahlen <strong>un</strong>d auch sonst wichtige F<strong>un</strong>ktionen besetzen.<br />

Wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft die Fehler dieser Tarife<br />

nicht <strong>un</strong>tersucht, sondern - im Gegenteil - durch Auftragsgutachten<br />

herbeigeführt <strong>un</strong>d erhalten hat, dann liegt das sicher daran, daß fast<br />

die gesamte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft personell <strong>un</strong>d finanziell mit<br />

der sogenannten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft verflochten ist.<br />

Gerichte haben sich bis heute noch nicht mit der Problematik<br />

<strong>un</strong>serer Autoversicher<strong>un</strong>gstarife befaßt. Aber Richter haben immer<br />

wieder Schwierigkeiten, sich über verfass<strong>un</strong>gswidrige Gesetze - wie<br />

zum Beispiel die Tarif-Verordn<strong>un</strong>g - hinwegzusetzen <strong>un</strong>d sich nach<br />

dem Recht zu richten, wie zum Beispiel nach dem Gleichbehandl<strong>un</strong>gsgr<strong>un</strong>dsatz<br />

des Gr<strong>un</strong>dgesetzes. Leider gehen Gerichte auch oft<br />

von "herrschenden" Mein<strong>un</strong>gen aus, die von der Branche <strong>un</strong>d ihren<br />

Wissenschaftlern produziert worden sind.<br />

Man sollte es nicht für möglich halten: Die Verantwortlichen im<br />

B<strong>un</strong>deswirtschafts- <strong>un</strong>d Finanzministerium <strong>un</strong>d im Aufsichtsamt<br />

haben bis heute noch kein Gutachten in Auftrag gegeben über die<br />

Problematik der Gruppen-Statistiken, die derzeit die Gr<strong>un</strong>dlage für<br />

260


die Verteil<strong>un</strong>g eines Beitragsaufkommens von etwa zwanzig Milliarden<br />

Mark auf etwa dreißig Millionen pflichtversicherte Fahrzeughalter<br />

sind. Im Gegenteil: Bei einem vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsministerium<br />

in Auftrag gegebenen Gutachten über eine neue Regionalaufteil<strong>un</strong>g<br />

des B<strong>un</strong>desgebietes wurde Anfang der achtziger Jahre diese<br />

Frage ausdrücklich ausgeklammert.<br />

Der im B<strong>un</strong>desministerium der Finanzen für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

zuständige Referatsleiter Kaulbach verfaßte im Jahre<br />

1987 folgende Stell<strong>un</strong>gnahme zu einer Eingabe des B<strong>un</strong>des der Versicherten:<br />

"Regionalglieder<strong>un</strong>g der Kfz-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>tarife ist, wie<br />

andere Tarifdifferenzier<strong>un</strong>gen auch, Ergebnis erwünschten starken<br />

Wettbewerbs. Ernstz<strong>un</strong>ehmende verfass<strong>un</strong>gsrechtliche Bedenken<br />

sind nicht ersichtlich." Das ist nicht etwa eine Zusammenfass<strong>un</strong>g<br />

weiterer Ausführ<strong>un</strong>gen, sondern die gesamte Stell<strong>un</strong>gnahme zu dem<br />

umfangreichen Vorbringen des B<strong>un</strong>des der Versicherten. Dieser Beamte<br />

verteidigt - ganz im Stile der Branche - verbissen die Regional-<br />

<strong>un</strong>d Beamtentarife. So hat er auch das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht<br />

öffentlich kritisiert, nachdem es die Ablehn<strong>un</strong>g von Ausländertarifen<br />

durch das Aufsichtsamt bestätigt hatte. Kaulbach hat richtig erkannt,<br />

daß die Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife ihre Berechtig<strong>un</strong>g verloren haben,<br />

seit die Ausländertarife mit ihrer gleichen Problematik nicht<br />

zugelassen worden sind.<br />

Kaulbach gibt aber nicht auf. So schrieb er noch im Jahre 1990<br />

in einer Stell<strong>un</strong>gnahme des B<strong>un</strong>desministers der Finanzen: "Die Tarifdifferenzier<strong>un</strong>gen<br />

auf Gr<strong>un</strong>d der Gefahrenmerkmale Wohnort<br />

<strong>un</strong>d Beruf beruhen auf dem Pflichtversicher<strong>un</strong>gsgesetz <strong>un</strong>d der vom<br />

B<strong>un</strong>desminister für Wirtschaft erlassenen Tarifverordn<strong>un</strong>g. Sie beruhen<br />

auf dem starken Wettbewerb zwischen den Versicherern auf<br />

Gr<strong>un</strong>d <strong>un</strong>terschiedlicher Risikoverhältnisse. Insbesondere zeigt die<br />

Statistik einen über Jahre signifikanten Zusammenhang zwischen<br />

den Gefahrenmerkmalen Wohnort <strong>un</strong>d Beruf einerseits <strong>un</strong>d dem<br />

Schadenbedarf andererseits. Das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht hat sich<br />

in seinem Urteil zum Ausländertarif mit diesen Regel<strong>un</strong>gen befaßt,<br />

sie verfass<strong>un</strong>gsrechtlich geprüft <strong>un</strong>d in Ordn<strong>un</strong>g bef<strong>un</strong>den."<br />

Diese - verglichen mit der Stell<strong>un</strong>gnahme aus dem Jahre 1987 -<br />

schon auffallend umfangreiche Stell<strong>un</strong>gnahme ist für eine so bedeutende<br />

Problematik immer noch recht dürftig. Jede der vier Behaupt<strong>un</strong>gen<br />

ist auch noch falsch: Ein Gefahrenmerkmal "Beruf" kennt<br />

weder das Pflichtversicher<strong>un</strong>gs-Gesetz noch die Tarif-Verordn<strong>un</strong>g.<br />

Zwischen den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen kann es um die Beitrags-<br />

261


festsetz<strong>un</strong>g für eine b<strong>un</strong>deseinheitliche Pflichtversicher<strong>un</strong>g keinen<br />

Wettbewerb geben. Versicher<strong>un</strong>g - die Bereitstell<strong>un</strong>g von Geld für<br />

einen Schadenausgleich - ist kein Wettbewerbsbereich, weil Versicher<strong>un</strong>g<br />

die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten ist. Nur ein Beweis: Der vom<br />

Zufall abhängige Gesamtschadensaufwand für die b<strong>un</strong>desweite<br />

Pflichtversichertengemeinschaft könnte durch einen Wettbewerb<br />

oder irgendwelche wirtschaftlichen Maßnahmen der Unternehmen<br />

nicht verringert werden. Das hat die oben ausführlich dargestellte<br />

Ausländer-Problematik gezeigt. Ein signifikanter Zusammenhang<br />

zwischen einem Gruppenmerkmal <strong>un</strong>d einem entsprechenden<br />

Gruppenergebnis ist statistisch ohne Bedeut<strong>un</strong>g, wenn das Gruppenmerkmal<br />

keinen Bezug zur statistischen Ausgangsfrage aufweist<br />

(hier zur Frage des persönlichen Risikos <strong>un</strong>d zum Fahrverhalten des<br />

einzelnen Pflichtversicherten). Auch das wurde durch das Urteil des<br />

B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts in Sachen "Ausländertarife" bestätigt.<br />

Das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht hat die gesetzlichen Regel<strong>un</strong>gen zu<br />

den "Gefahrenmerkmalen" Wohnort <strong>un</strong>d Beruf noch nie "verfass<strong>un</strong>gsrechtlich<br />

geprüft <strong>un</strong>d in Ordn<strong>un</strong>g bef<strong>un</strong>den".<br />

Und damit zeigt sich wieder, daß mit Beamten wie Kaulbach eine<br />

Reform äußerst schwierig ingangzubringen ist. Bleibt nur zu hoffen,<br />

daß solche "Abblocker" <strong>un</strong>d "Systemverteidiger" möglichst bald<br />

durch qualifiziertere Beamte ersetzt werden. Denn sie verhindern<br />

auch eine sachgerechte Information ihres Ministers.<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten strebt gerichtliche Klär<strong>un</strong>g an<br />

Der B<strong>un</strong>d der Versicherten hat im Sommer 1990 ein Verfahren<br />

beim Landgericht Hamburg begonnen, das sich gegen die Regionaltarife<br />

richtet. Das Gericht wird bei seiner Entscheid<strong>un</strong>g den Paragraphen<br />

8 der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g beachten müssen, der fordert, daß<br />

ein Unternehmenstarif dem Interesse des einzelnen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>pflichtigen<br />

an einem angemessenen Beitrag <strong>un</strong>d der "Gefahrengemeinschaft<br />

a l l e r <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer Rechn<strong>un</strong>g tragen müsse".<br />

Die Richter müssen also vor allem die Existenz einer b<strong>un</strong>desweiten<br />

Pflichtversichertengemeinschaft beachten, die nicht aufgesplittert<br />

werden darf, weil sonst gleiche Fahrzeughalter <strong>un</strong>gleiche Beiträge<br />

zahlen müssen. In der Tarif-Verordn<strong>un</strong>g steht nicht, daß das Interesse<br />

der Unternehmen an gleichen Überschüssen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

gewahrt werden müsse, was bisher alle Verantwortlichen<br />

als vornehmste Aufgabe angesehen haben.<br />

262


Die meisten europäischen Länder haben keine Regional- <strong>un</strong>d<br />

Beamtentarife. Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt hat dagegen bei allen Tarifgenehmig<strong>un</strong>gen<br />

gegen das Gr<strong>un</strong>dgesetz verstoßen, denn die Tarif-<br />

Verordn<strong>un</strong>g ist verfass<strong>un</strong>gswidrig, weil ihre Anwend<strong>un</strong>g zu verfass<strong>un</strong>gswidrigen<br />

Ergebnissen führt: Gleiche Fahrzeughalter zahlen bis<br />

zu fünfzig Prozent, bei Berücksichtig<strong>un</strong>g der Schadenfreiheit bzw.<br />

des Alters sogar bis zu 750 Prozent <strong>un</strong>terschiedliche Beiträge. Das<br />

B<strong>un</strong>desaufsichtsamt gehört aber zur vollziehenden Gewalt. Es ist<br />

also nicht nur an das Gesetz, sondern an "Gesetz <strong>un</strong>d Recht" geb<strong>un</strong>den.<br />

Diese Bind<strong>un</strong>g an das Recht, insbesondere an das durch das<br />

Gr<strong>un</strong>dgesetz geprägte Recht, wird leider immer wieder von denen<br />

übersehen, die sich einfach an Gesetzesvorschriften halten, ohne<br />

deren Verfass<strong>un</strong>gsmäßigkeit zu überprüfen.<br />

Ein falsches Wettbewerbsverständnis begünstigt <strong>un</strong>gerechte<br />

Tarife in der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

Ähnlich gelagert wie in der Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g sind die Tarifier<strong>un</strong>gsprobleme<br />

in anderen Sparten, insbesondere in der privaten<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g. Hier müssen Frauen erheblich höhere Beiträge<br />

zahlen als Männer - wegen ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären.<br />

Dadurch zahlen auch Frauen, die keine Kinder haben wollen oder<br />

haben können, <strong>un</strong>gerechtfertigt hohe Prämien. Eine sozial ausgerichtete<br />

Versichertengemeinschaft dürfte das Geschlecht hier nicht<br />

als gr<strong>un</strong>dsätzliches Tarifier<strong>un</strong>gsmerkmal verwenden. So die gesetzlichen<br />

Krankenkassen. Aber ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system, daß Prämienüberschüsse<br />

als Unternehmensgewinne ansieht, geht von ganz anderen<br />

Überleg<strong>un</strong>gen aus. Wenn eine Gesellschaft gleiche Prämien für<br />

Frauen <strong>un</strong>d Männer verlangen würde, könnten Konkurrenten zu<br />

niedrigeren Prämien nur Männer versichern. Der "gemischten Gesellschaft"<br />

würden alle Männer davonlaufen - wegen der höheren<br />

"Mischprämie" - <strong>un</strong>d sie würden dem Unternehmen in der Mischkalkulation<br />

fehlen. Die Prämien für die Frauen müßten erhöht werden,<br />

weil die Gesellschaft sonst pleite geht. Während in der Kfz-<br />

Pflichtversicher<strong>un</strong>g ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g keine Prämiengerechtigkeit<br />

herbeigeführt werden kann, zeigt die pivate Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

deutlich, daß für soziale Gesichtsp<strong>un</strong>kte in einer gewinnorientierten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system wenig Raum ist.<br />

263


KAPITEL 9<br />

Die Staatsaufsicht –<br />

um das Wohl der Branche besorgt.<br />

Im Interesse der Versicherten?<br />

Die bisherigen Ausführ<strong>un</strong>gen haben gezeigt, daß das b<strong>un</strong>desdeutsche<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> eine Branche jenseits von Recht <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb ist. Ein verfass<strong>un</strong>gswidriges System ! - Weil die Prämie<br />

nicht aufgeteilt ist, können die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder nicht vermögensrechtlich<br />

zugeordnet werden. Ein Unding in einem Rechtsstaat !<br />

- Scheinbar herrenlose Gelder können von den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

für Kostenverschwend<strong>un</strong>gen mißbraucht <strong>un</strong>d durch mannigfache<br />

Manipulationen ver<strong>un</strong>treut werden. Eigentlich kriminell ! -<br />

... wenn es da nicht eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht geben würde.<br />

Genau diese Gefahren haben die Verantwortlichen zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende<br />

schon gesehen, als sie in die Motive <strong>un</strong>d Begründ<strong>un</strong>gen<br />

zur Schaff<strong>un</strong>g einer staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht <strong>un</strong>d eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

geschrieben haben:<br />

"Dem Entwurf liegt die Auffass<strong>un</strong>g zugr<strong>un</strong>de, daß das öffentliche<br />

Interesse an einer gedeihlichen <strong>un</strong>d soliden Entwickl<strong>un</strong>g des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s in besonders hohem Grade beteiligt ist <strong>un</strong>d<br />

dem Staat die Pflicht besonderer Fürsorge auf diesem Gebiet auferlegt.<br />

Maßgebend hierfür ist insbesondere einerseits die Rücksicht auf<br />

die große volkswirtschaftliche, soziale <strong>un</strong>d ethische Bedeut<strong>un</strong>g des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s, andererseits auf die Gefahr schwerster Schädig<strong>un</strong>g<br />

des Volkswohls, die von einem Mißbrauch des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

droht <strong>un</strong>d um so näher liegt, als auf diesem Gebiete<br />

selbst der sorgsame <strong>un</strong>d verständige Bürger ohne Hilfe von anderer<br />

Seite zu eigener Beurteil<strong>un</strong>g regelmäßig nicht imstande ist. Bei langfristigen<br />

Versicher<strong>un</strong>gen vertraut der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer seine oft<br />

nur <strong>un</strong>ter den empfindlichsten Entbehr<strong>un</strong>gen erzielten Ersparnisse<br />

der Anstalt in der Zuversicht an, daß redlich dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweck<br />

geschaltet wird. Es ist nicht bloß die Höhe der dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweck<br />

gewidmeten Summen, welche die wichtige Rolle des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s bedingt. Dazu kommt, daß der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>betrieb<br />

mehr als irgendein anderer Wirtschaftszweig auf das<br />

Vertrauen der Bevölker<strong>un</strong>g angewiesen ist. Der Staat hat ein lebhaftes<br />

Interesse daran, dieses Vertrauen zu schützen. Wird dieses Ver-<br />

264


trauen getäuscht, so leidet das gesamte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> empfindliche<br />

Einbuße an Vertrauen. Dar<strong>un</strong>ter hat dann auch die Bevölker<strong>un</strong>g<br />

zu leiden, welche sich dann einschüchtern <strong>un</strong>d davon abhalten<br />

läßt, die Vorteile der Versicher<strong>un</strong>g sich nutzbar zu machen. Daß<br />

der einzelne in der Lage wäre, sich durch umsichtige Prüf<strong>un</strong>g ein<br />

zutreffendes Urteil darüber zu bilden, welcher Unternehm<strong>un</strong>g er<br />

sein Vertrauen schenken dürfe, läßt sich im allgemeinen nicht annehmen."<br />

Bis heute wurden aber die Aufgaben der staatlichen Regulier<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Kontrolle im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz nicht konkretisiert,<br />

sondern die Aufsichtsbehörde soll - so die Generalklausel des Gesetzes<br />

- Mißstände zum Nachteil der Versicherten verhindern oder<br />

beseitigen. N<strong>un</strong> ist allgemein bekannt, welche Probleme Behörden<br />

<strong>un</strong>d Beamte haben, wenn ihnen nicht genau gesagt wird, was sie eigentlich<br />

t<strong>un</strong> sollen. Das wurde zum Beispiel an einer Auseinandersetz<strong>un</strong>g<br />

zu Beginn der achtziger Jahre deutlich, als der leitende Aufsichtsbeamte<br />

Gottfried Claus die miserable Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

mancher Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen beklagte, aber meinte,<br />

"die dem Amt zur Verfüg<strong>un</strong>g stehenden Mittel reichten nicht aus,<br />

um die Belange der Versicherten zu wahren". Prof. Diederich vom<br />

Wirtschaftsforsch<strong>un</strong>gsinstitut Mainz konterte in seinem für die B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g<br />

erstellten Gutachten im Jahre 1982 - prompt <strong>un</strong>d richtig:<br />

"Es ist <strong>un</strong>verständlich <strong>un</strong>d aus verbraucherpolitischer Sicht zu<br />

beanstanden, daß die dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zur Verfüg<strong>un</strong>g stehenden<br />

Eingriffsmittel nicht eingesetzt wurden, um Mißstände zu<br />

beheben. Der Mein<strong>un</strong>g, die bestehenden Eingriffsmittel seien nicht<br />

ausreichend, kann nicht zugestimmt werden." -<br />

Tatsächlich wurde nach diesem Streit eine neue gesetzliche Regel<strong>un</strong>g<br />

für die Überschußbeteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten geschaffen,<br />

zu der Claus aber Ende der achtziger Jahre schon wieder selbst<br />

zugibt, daß sie die Probleme nicht gelöst habe. Vermutlich wird das<br />

Amt demnächst wieder eine andere Regel<strong>un</strong>g fordern. Und so weiter,<br />

<strong>un</strong>d so weiter ! - Dabei kann - wie Prof. Diederich feststellt - die<br />

Aufsichtsbehörde nach der Generalklausel des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitig<strong>un</strong>g von<br />

Mißständen <strong>un</strong>d zur Wahr<strong>un</strong>g der Belange der Versicherten treffen,<br />

es kann die Geschäftspläne der Unternehmen ändern, es kann Vorstände<br />

absetzen <strong>un</strong>d Sonderbeauftragte an deren Stelle einsetzen, es<br />

hat Prüf<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Ausk<strong>un</strong>ftsrechte <strong>un</strong>d es kann eine erteilte Er-<br />

265


laubnis zum Geschäftsbetrieb jederzeit widerrufen, wenn dies zur<br />

Wahr<strong>un</strong>g der Belange erforderlich ist.<br />

Zur Gefahr, die vom <strong>un</strong>geregelten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> "zur festen<br />

Prämie" ausging, kam also noch die Gefahr des Versagens der<br />

Staatsaufsicht hinzu. Auch dieses hatten die Gesetzemacher zur<br />

Jahrh<strong>un</strong>dertwende bereits erkannt: "Wie die in der Schweiz gemachten<br />

Erfahr<strong>un</strong>gen bestätigen, hängen die Erfolge der öffentlichen<br />

Aufsichtsführ<strong>un</strong>g in erster Linie von der richtigen Gestalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

der Tüchtigkeit der Aufsichtsbehörde ab. Soll nicht bloß der täuschende<br />

Schein einer Aufsicht erweckt werden, letztere vielmehr eine<br />

tatkräftige, schützende Wirksamkeit entfalten, so muß die Aufsichtsbehörde<br />

mit großen Machtbefugnissen ausgestattet sein <strong>un</strong>d in<br />

deren Anwend<strong>un</strong>g in weiten Grenzen freies Ermessen haben. Eine<br />

Garantie für sachgemäßen Gebrauch der diskretionären Gewalt muß<br />

vor allem in der Beschaffenheit der Aufsichtsbehörde selbst gesucht<br />

werden. Würde dagegen die Ausüb<strong>un</strong>g der öffentlichen Aufsicht in<br />

<strong>un</strong>geeignete Hände gelegt, so würden die <strong>un</strong>leugbar vorhandenen<br />

Schattenseiten des Aufsichtssystems mit aller Schärfe in den Vordergr<strong>un</strong>d<br />

treten; die Durchführbarkeit <strong>un</strong>d Nützlichkeit des Systems<br />

würde dann überhaupt in Frage gestellt."<br />

Die staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht sollte eigentlich - als Regulativ<br />

oder Korrektiv - die Mängel des Systems ausgleichen <strong>un</strong>d die fehlende<br />

Vermögenszuordn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d den fehlenden Wettbewerb ersetzen,<br />

also für angemessene Prämien <strong>un</strong>d Renditen <strong>un</strong>d für eine rationelle<br />

Verwalt<strong>un</strong>g sorgen. So kann man die Aufgabe <strong>un</strong>d Bedeut<strong>un</strong>g<br />

der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht eigentlich erst richtig erkennnen,<br />

wenn man sich vor Augen führt, daß in <strong>un</strong>serem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

verfass<strong>un</strong>gswidrige Rahmenbeding<strong>un</strong>gen herrschen, die<br />

von skrupellos oder kriminell veranlagten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managern<br />

für Betrug <strong>un</strong>d Untreue ausgenutzt werden können.<br />

Ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb<br />

bleibt also verfass<strong>un</strong>gswidrig <strong>un</strong>d kriminell, wenn die Aufsicht versagt.<br />

Und die hat leider in der Vergangenheit völlig versagt, weil sie<br />

die in diesem Buch dargestellten Zusammenhänge <strong>un</strong>d damit auch<br />

seine eigentlichen Aufgaben nicht erkannt hat. Als August Angerer,<br />

der ehemalige Präsident des Aufsichtsamtes, aus seinem Amt ausschied,<br />

sagte bei seiner Entlass<strong>un</strong>g der Staatssekretär im B<strong>un</strong>desfinanzministerium,<br />

Dr. Tietmeyer, die verstärkte Kritik an der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

müsse zu einem Überdenken der eigenen Positionen<br />

führen; der bisherige Weg müsse nicht der beste sein.<br />

266


Bis dato waren das B<strong>un</strong>desfinanzministerium, die Branche <strong>un</strong>d<br />

ihre hauseigene Wissenschaft die einzigen, die mit der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

zufrieden waren. Von allen anderen Seiten - von<br />

Verbraucherorganisationen über fast alle Medien bis hin zum B<strong>un</strong>deskartellamt<br />

- wurde die Aufsichtsbehörde heftig kritisiert. Das<br />

Amt ging in der Vergangenheit - so Prof. Siegfried Klaue vom B<strong>un</strong>deskartellamt<br />

im Jahre 1985 in der Süddeutsche Zeit<strong>un</strong>g - "mehr als<br />

kollegial mit der Branche um, die es eigentlich beaufsichtigen sollte".<br />

Die Zeitschrift "Capital" kritiserte in einem Artikel "Tiefschlaf" den<br />

damaligen Aufsichtsamtspräsidenten, August Angerer, <strong>un</strong>d meinte,<br />

er "liebt kernige Worte, wenn Versicherteninteressen gefährdet<br />

scheinen. Den starken Sprüchen folgt allerdings oft wenig." - Und<br />

im Oktober 1985 meinte Capital, "nach den Aufsichtssystemen fast<br />

aller anderen Länder wäre <strong>un</strong>möglich", was in Deutschland so alles<br />

geschehe.<br />

Das <strong>un</strong>tätige Zusehen der Staatsaufsicht verschafft <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften<br />

nicht nur ein Gewinnparadies, sondern<br />

liefert objektiv kriminell handelnden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>managern bei<br />

Kostenverschwend<strong>un</strong>gen, Betrug <strong>un</strong>d Untreue auch noch ein Alibi.<br />

So sagte Prof. Dr. Siegfried Klaue im Jahre 1985 im SPIEGEL:<br />

"Das Kapital kommt dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer, dem es eigentlich<br />

zustände, in der Tat nicht zugute. Das deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system,<br />

einschließlich der Aufsicht, hat solche Vorgänge legalisiert." -<br />

Die angebliche Kontrolle der Gesellschaften wird von diesen auch<br />

noch als "Werbeargument" gegenüber den Verbrauchern<br />

mißbraucht. So ist in einem Handbuch des Deutschen Ring zu lesen:<br />

"Für den Versicherten bedeutet die Existenz der Aufsichtsbehörde<br />

einen Schutz vor der häufig vermuteten Gefahr, durch die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

infolge ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit übervorteilt<br />

zu werden."<br />

Das eklatante Versagen der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

Überhöhte Prämien nicht verhindert<br />

Ralf Tönnies schreibt im Jahre 1986 in seiner Abhandl<strong>un</strong>g "Staatshaft<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht", erschienen im Verlag der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft:<br />

"Der Schutz der Versicherten vor Übervorteil<strong>un</strong>gen,<br />

ein <strong>wesen</strong>tlicher Zweck der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht, kann<br />

nicht gewährleistet werden, wenn die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsbehör-<br />

267


den nicht ein zu hohes Prämienniveau zu verhindern suchen." - In<br />

der Schweiz wird der Aufsichtsbehörde sogar ausdrücklich die Rolle<br />

eines Prämienüberwachers zugewiesen. So hat auch das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht<br />

im Jahre 1990 festgestellt: "Es mag zwar <strong>un</strong>billig<br />

sein, wenn die Versicherten mit den Prämien erhebliche Sicherheitszuschläge<br />

zahlen <strong>un</strong>d diese Zuschläge, soweit sie nicht benötigt werden,<br />

allein bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen als Gewinne verbleiben.<br />

Falls in dieser Hinsicht Bedenken bestehen, mag das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> gehalten sein, im Rahmen<br />

seiner Aufsicht ein zu beanstandendes Mißverhältnis der beiderseitigen<br />

Leist<strong>un</strong>gen zu verhindern." -<br />

Im Bereich der Unfallversicher<strong>un</strong>g zahlen die großen <strong>un</strong>d teuren<br />

Gesellschaften weniger als ein Viertel ihrer Prämieneinnahmen für<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen aus. Das Aufsichtsamt hat es bisher nicht<br />

als seine Aufgabe angesehen, gegen diesen Wucher einzuschreiten.<br />

Allerdings hat sich im Jahre 1985 der zuständige Abteil<strong>un</strong>gspräsident<br />

im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt "Gedanken zu einer neuen Tarifstruktur in<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>g" gemacht: "Die Tatsache ist nicht zu übersehen,<br />

daß die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen heute erhebliche<br />

Sterblichkeitsgewinne erzielen, die mindestens so hoch sind wie die<br />

tatsächlich verbrauchten Risikobeiträge. Es ist deshalb die Frage berechtigt,<br />

ob die in den Risikobeiträgen enthaltenen Sicherheitszuschläge<br />

aus heutiger Sicht nicht zu hoch sind. Zur Wahr<strong>un</strong>g der Belange<br />

der Versicherten gehört es auch, die Beiträge nicht höher als<br />

<strong>un</strong>bedingt nötig festzusetzen." -<br />

Aber <strong>un</strong>ser Ministerialbeamter Kaulbach meint dazu: "Sollte im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich ein zu hohes Preisniveau bestehen, so hieße<br />

das Heilmittel mehr Wettbewerb, nicht aber mehr <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht."<br />

- Wieder eine ganz <strong>un</strong>d gar törichte Äußer<strong>un</strong>g - als wenn bei<br />

z<strong>un</strong>ehmenden Einbrüchen ein "Heilmitel" das Offenlassen sämtlicher<br />

Türen wäre <strong>un</strong>d nicht "mehr Sicherheitsvorker<strong>un</strong>gen" oder<br />

"mehr Polizei". Wenn Kaulbach doch endlich erkennen würde, daß<br />

tatsächlich ein "hohes Prämienniveau" besteht, eben weil es um Versicher<strong>un</strong>g<br />

- wie ausführlich dargelegt - keinen Wettbewerb gibt <strong>un</strong>d<br />

ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g auch um die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen<br />

nicht geben kann.<br />

268


Fehlkalkulation in der Krankenversicher<strong>un</strong>g geduldet<br />

In letzter Zeit werden die Beiträge zur privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

(PKV) – vor allen für ältere Menschen – auf bis zu 1000 Mark<br />

<strong>un</strong>d mehr im Monat erhöht, für Rentnerehepaare um das Doppelte.<br />

Die Ursache liegt in der totalen Unterkalkulation der Beträge für<br />

j<strong>un</strong>ge Menschen (um sie in die PKV zu locken). Das Aufsichtsamt<br />

gibt inzwischen „Versäumnisse“ zu. Nach einem Gesetzentwurf aus<br />

dem Jahre 1993 sollen die Gesellschaften künftig denmedizinischen<br />

Fortschritt <strong>un</strong>d die ständig steigende Lebenserwart<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

in ihre Kalkulation übernehmen, was für Neuverträge höhere<br />

Beiträge beim Abschluss <strong>un</strong>d niedrigere Beiträge im Alter bedeuten<br />

würde.<br />

Milliardenverschwend<strong>un</strong>gen nicht verhindert<br />

Doppelt <strong>un</strong>d dreifach überhöhte Prämien ohne Angabe eines<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsentgelts ermöglichen natürlich beliebige Kostenverschwend<strong>un</strong>gen.<br />

Aber auch hier sieht das Aufsichtsamt ein Eingreifen<br />

nicht als seine Aufgabe an, so Capital im November 1985:<br />

"Zu den Pflichten des Amtes gehört ohne Zweifel, die Versicherer<br />

anzuhalten, ihre Kosten nicht zu überziehen. Doch was einige<br />

Bilanzen alljährlich an extremen Kostensätzen ausweisen, läßt daran<br />

zweifeln, ob im Aufsichtsamt die Rechn<strong>un</strong>gswerke überhaupt analysiert<br />

werden."<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von Versichertenmilliarden nicht verhindert<br />

Doppelt <strong>un</strong>d dreifach überteuerte Prämien ohne Angabe der darin<br />

enthaltenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d Sparanteile <strong>un</strong>d ohne Zusage<br />

einer konkreten Rendite ermöglichen - wie wir auf dem "Tatort Bilanz"<br />

gesehen haben - vielfältige Manipulationen <strong>un</strong>d die Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g<br />

anvertrauter Versichertengelder. Aber wenn <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

Millionen <strong>un</strong>d Milliarden Mark von Versichertengeld<br />

objektiv ver<strong>un</strong>treuten, fand der ehemalige Präsident des Aufsichtsamtes<br />

"lobende Worte" (so lt. Capital bei der Herold-<br />

Konzerntrenn<strong>un</strong>g) oder "Verständnis für die Pläne der Allianz" (so<br />

lt. Handelsblatt), als die Allienz zwei Milliarden Mark der Aufsicht<br />

<strong>un</strong>d den Versicherten entzog. Und als der Deutsche Ring innerhalb<br />

des Konzerns Vermögen weit <strong>un</strong>ter Wert verkaufte, meinte das Amt<br />

269


(wie oben ausgeführt), die Versicherten seien "nicht <strong>un</strong>angemessen<br />

benachteiligt" worden. Als die R + V Lebensversicher<strong>un</strong>g ihr Vermögen<br />

gegenüber den Versicherten her<strong>un</strong>termanipulierte, griff der<br />

ehemalige Präsident Angerer nicht ein. In allen Fällen mußte erst der<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten - wie eine private Aufsichtsbehörde - eingreifen,<br />

um Korrekturen der Fehler in der Staatsaufsicht zu erreichen.<br />

Durch die Mißverständnisse um Versicher<strong>un</strong>g sah sich die<br />

Staatsaufsicht bisher sogar gezw<strong>un</strong>gen, bei der Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>g von<br />

Versichertengeld kräftig mitzuhelfen. Die Verantwortlichen haben<br />

zwar richtig erkannt, daß - um Versicher<strong>un</strong>g sicher zu machen - Sicherheitsreserven<br />

gebildet werden müssen. Sie haben aber nicht erkannt,<br />

daß diese Mittel als Vermögen der Versicherten angesammelt<br />

werden müßten. So sind die Gesellschaften regelrecht gezw<strong>un</strong>gen,<br />

ständig überschüssige Versichertengelder in Eigenkapital umzuwandeln,<br />

damit die Solvabilität des Unternehmens hergestellt wird.<br />

Verfass<strong>un</strong>gswidrige Autoversicher<strong>un</strong>gstarife genehmigt<br />

Es wurde ausführlich dargestellt, daß die Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife<br />

in der Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g verfass<strong>un</strong>gswidrig sind, weil gleiche<br />

Fahrzeughalter <strong>un</strong>gleich behandelt werden. Das Aufsichtsamt<br />

zieht sich hier aber auf die Mein<strong>un</strong>g, es müsse die vom B<strong>un</strong>deswirtschaftsminister<br />

erlassene Tarif-Verordn<strong>un</strong>g befolgen, die die Ungleichbehandl<strong>un</strong>g<br />

verschiedener Versichertengruppen zulasse. Das<br />

ist zum einen nicht richtig, weil es sich bei den entsprechenden Regel<strong>un</strong>gen<br />

um Kann-Vorschriften handelt. Und zum anderen muß<br />

das Amt als Verwalt<strong>un</strong>gsbehörde bei seinem Handeln das höherrangige<br />

Gr<strong>un</strong>dgesetz beachten <strong>un</strong>d darf Vorschriften nicht anwenden,<br />

die zu verfass<strong>un</strong>gswidrigen Ergebnissen führen.<br />

Manipulationen bei der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g nicht verhindert<br />

Vorgänge im Bereich der Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Überschußbeteilig<strong>un</strong>g<br />

zeigen, daß das Aufsichtsamt bisher "für die Katz'" war. Im<br />

Kapitel "Tatort Bilanz" wurde ausgeführt, daß das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

das Einfrieren von Zigmilliarden Mark an Prämienüberschüssen<br />

z<strong>un</strong>ächst geduldet <strong>un</strong>d dann keine klaren Regel<strong>un</strong>gen getroffen<br />

hat, wie diese Vermögensmassen abgeschmolzen werden<br />

sollten. Ähnliches gilt für die Erträge aus den Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

im Bereich der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g, die bisher von<br />

270


den Gesellschaften - <strong>un</strong>ter den geschlossenen Augen der Aufsicht -<br />

mißbraucht worden sind.<br />

Der große Irrtum, alles sei privatrechtlich geregelt<br />

Alles in allem: Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt hat seine eigentlichen Aufgaben<br />

nicht erkannt. Und das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht hat das falsche<br />

Aufgabenverständnis durch eine Entscheid<strong>un</strong>g aus dem Jahre<br />

1980 noch gestützt, die <strong>wesen</strong>tlich auf die irrige Mein<strong>un</strong>g von Prof.<br />

Barbey zurückgeht, im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sei alles in vollem Umfang<br />

privatrechtlich geregelt <strong>un</strong>d deshalb bedürften die Versicherten<br />

nicht eines "optimalen" Schutzes durch den Staat.<br />

Prof. Barbey gehörte selbst zu den fünf Richtern des B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts<br />

in Berlin, die einzig <strong>un</strong>d allein für Prozesse gegen<br />

das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, ebenfalls in<br />

Berlin, zuständig sind. Und Barbey war häufig auf Branchenveranstalt<strong>un</strong>gen<br />

anzutreffen. In diesem Zusammenhang soll auf Anmerk<strong>un</strong>gen<br />

von Prof. Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

hingewiesen werden: "Aus rechtssoziologischer Perspektive<br />

<strong>un</strong>d vor allem bei der sozialen <strong>un</strong>d finanziellen Bedeut<strong>un</strong>g des<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s erscheint es problematisch, daß am Ort der<br />

einzigen Behörde, die in versicher<strong>un</strong>gsrechtlichen Fragen als Beklagte<br />

infragekommt, ein einziger Senat des B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgerichts -<br />

also nur fünf Richter - ohne kritische Untergerichte oder revisionsrechtliche<br />

Überprüf<strong>un</strong>g zumindest bei Klagen immer mit denselben<br />

Parteien zu t<strong>un</strong> hat. Studien über die Auswirk<strong>un</strong>gen dieser Prozeßkonstellation<br />

auf die Judikatur weisen vor allem auf die für die Unabhängigkeit<br />

der Richter abträgliche Möglichkeit hin, daß sich persönliche<br />

Bekanntschaftsbezieh<strong>un</strong>gen aufbauen bis hin zu persönlichen<br />

Begegn<strong>un</strong>gen außerhalb der Ämter <strong>un</strong>d auch aufgr<strong>un</strong>d von<br />

Einlad<strong>un</strong>gen zu Veranstalt<strong>un</strong>gen. Ein einziger Senat, keine Pluralität<br />

der Mein<strong>un</strong>gen durch Untergerichte, die räumliche Nähe, persönliche<br />

Kontakte, die Exklusivität des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsrechts sowie<br />

die Unterstütz<strong>un</strong>g einer solchen stabilen Dauerbezieh<strong>un</strong>g durch<br />

die mit den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen vielfach personell <strong>un</strong>d finanziell<br />

eng verflochtene <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft könnten es<br />

dem Versicherten schwer machen, mit Anliegen durchzudringen, die<br />

sich nicht nur prinzipiell gegen das derzeitige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system<br />

<strong>un</strong>d das Selbstverständnis des Aufsichtsamtes, sondern auch gegen<br />

271


gewachsene Bezieh<strong>un</strong>gen zwischen den vornehmlich bisher Beteiligten<br />

richten müssen."<br />

So sind auch Ausführ<strong>un</strong>gen des inzwischen verstorbenen Prof.<br />

Barbey mit allergrößter Vorsicht zu genießen, die immer wieder von<br />

der Branche gerne zitiert werden. Barbey stellte die falsche Behaupt<strong>un</strong>g<br />

auf, daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge in vollem Umfang privatrechtlich<br />

geregelt seien <strong>un</strong>d deshalb eine Staatsaufsicht nicht dafür zu<br />

sorgen brauche, daß die Interessen der Versicherten ausreichend<br />

gewahrt seien. Barbey <strong>un</strong>d das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht, dem er<br />

angehörte, <strong>un</strong>d auch das Aufsichtsamt sind dieser falschen Mein<strong>un</strong>g<br />

leider gefolgt <strong>un</strong>d haben bis heute nicht erkannt, daß die staatliche<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht gerade wegen der weitgehend <strong>un</strong>geregelten<br />

Vertrags- <strong>un</strong>d Vermögensverhältnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d<br />

der dadurch gegebenen Mißbrauchsmöglichkeiten von Versichertengeld<br />

geschaffen worden ist. Wer nach allem glaubt, <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

seien in vollem Umfang privatrechtlich geregelt, muß wirklich<br />

blind sein.<br />

Mit dem Versagen der staatlichen Aufsicht hat sich die "Gefahr<br />

schwerster Schädig<strong>un</strong>g des Volkswohls" realisiert, die die Schöpfer<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende befürchteten.<br />

Alle in diesem Buch geschilderten Vorgänge beweisen<br />

sicher hinlänglich, daß das System einer staatlichen Aufsicht, die<br />

man über ein weitgehend <strong>un</strong>geregeltes <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> gestülpt<br />

hat, bisher nicht f<strong>un</strong>ktionierte, <strong>un</strong>d daß die B<strong>un</strong>desbürger durch das<br />

Versagen der Staatsaufsicht in der Vergangenheit H<strong>un</strong>derte von Milliarden<br />

Mark verloren haben - eben "legal betrogen" worden sind.<br />

Verstaatlich<strong>un</strong>g oder staatliche Regulier<strong>un</strong>g<br />

Die Deregulier<strong>un</strong>gskommission schreibt im Jahre 1990: "Die private<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft ist umfassend reguliert. Die Wurzeln der<br />

Regulier<strong>un</strong>g reichen bis in die Anfänge dieses Jahrh<strong>un</strong>derts.<br />

'Schwindel<strong>un</strong>ternehmen' brachten die Branche in Mißkredit." - Im<br />

Reichstag war zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende die Rede von "wahren Raubzügen",<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften im Lande <strong>un</strong>ternahmen.<br />

Der Gesetzgeber erkannte n<strong>un</strong> zwar - reichlich spät - die<br />

"Gefahr schwerster Schädig<strong>un</strong>g des Volkswohls". Und es wurden<br />

Forder<strong>un</strong>gen nach einer Verstaatlich<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

laut. - Ursache der zutagetretenden Mißstände: die Arbeitsweise der<br />

Aktiengesellschaften mit ihrer Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie ! -<br />

272


Ähnlich wie bei der Untersuch<strong>un</strong>g des Wettbewerbs im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

ging auch hier der laienhafte Gesetzgeber mit falscher<br />

Fragestell<strong>un</strong>g an das Problem einer <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht heran.<br />

Statt zu <strong>un</strong>tersuchen, was die Ursache für diese Mißstände war <strong>un</strong>d<br />

warum diese gerade durch die besondere Arbeitsweise der Aktiengesellschaften<br />

verursacht wurden, überlegte die damalige Regier<strong>un</strong>g,<br />

was gegen die Symptome getan werden konnte. Dieses falsche Vorgehen<br />

mag auch darin begründet sein, daß die Gesetzgeb<strong>un</strong>gsorgane<br />

die kompliziert gewordenen Vorgänge im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nicht<br />

durchschauten <strong>un</strong>d deshalb die Aktiengesellschaften <strong>un</strong>d deren Wissenschaftler<br />

zu Rate ziehen mußten. So gestalteten die Gesellschaften<br />

ihre eigenen Gesetze selbst.<br />

Es gelang der Branche <strong>un</strong>d ihren Wissenschaftlern durch entsprechende<br />

Einflußnahmen auf Gesetzgeb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Wissenschaft,<br />

zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende <strong>un</strong>d bis heute eine Verstaatlich<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die<br />

Prämienaufteil<strong>un</strong>g abzuwehren <strong>un</strong>d als Ausgleich für die fehlende<br />

vermögensrechtliche Zuordn<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder <strong>un</strong>d für<br />

den fehlenden Wettbewerb eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

durchzusetzen. So entstand letztendlich im Interesse der Branche<br />

eine staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht.<br />

Doch ergingen auch für die staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht - <strong>un</strong>ter<br />

Mitwirk<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft - nur <strong>un</strong>vollkommene<br />

Regel<strong>un</strong>gen, die nicht die Bereiche <strong>un</strong>d Aufgaben der staatlichen<br />

Aufsicht genau festlegten. Diese Unvollkommenheit der gesetzlichen<br />

Regel<strong>un</strong>gen hat große Freiräume für erwerbswirtschaftliche<br />

Theorien <strong>un</strong>d Gewinne offen gelassen, welche die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler<br />

<strong>un</strong>d die Aktiengesellschaften sehr einseitig zum<br />

Nachteil der Verbraucher ausgenutzt haben.<br />

"Schutztheorie" <strong>un</strong>d staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

Für die offene Frage nach den Aufgaben der staatlichen Aufsicht<br />

entwickelten die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler eine "Schutztheorie",<br />

indem sie die Gefahren der "Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie" hervorhoben,<br />

daß nämlich bei zu niedrigen Prämien <strong>un</strong>d zu geringem<br />

Sicherheitskapital die Prämien für die Schadenzahl<strong>un</strong>gen nicht ausreichen<br />

könnten. Deshalb müßten die Aufsichtsbehörden den Gesellschaften<br />

"zum Schutze der Versicherten" so ausreichende Prämieneinnahmen<br />

zubilligen, daß diese mit Sicherheit für die Schadenzahl<strong>un</strong>gen<br />

ausreichten <strong>un</strong>d außerdem Überschüsse entstanden, die in<br />

273


das Sicherheitskapital überführt werden konnten. Und über die Sicherheit<br />

dieser Kapitalanlagen sollten dann die Aufsichtsbehörden -<br />

auch "zum Schutze der Versicherten" - wachen.<br />

Die Aufsichtsbehörden mußten ihre Aufgabe "zum Schutze der<br />

Versicherten" so erfüllen, wenn die "Versicher<strong>un</strong>g zur festen Prämie"<br />

wirklich Sicherheit bieten sollte. Es wurde nur bis heute übersehen,<br />

daß es <strong>un</strong>ter diesen Umständen keine Gegenleist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d keine<br />

Berechtig<strong>un</strong>g für die Aktiengesellschaften mehr gibt, die sicheren,<br />

der Höhe nach zufallsbedingten Überschüsse als Gewinne zu vereinnahmen,<br />

daraus Dividenden zu zahlen <strong>un</strong>d das Eigenkapital laufend<br />

zu erhöhen. Die Aufsichtsbehörden erkannten nicht, daß "Versicher<strong>un</strong>g<br />

zur festen Prämie" Spekulation ist <strong>un</strong>d daß sie "zum<br />

Schutze der Versicherten" gezw<strong>un</strong>gen waren, der Spekulation das<br />

Risiko zu nehmen <strong>un</strong>d diese Spekulation mit einer staatlichen Überschußgarantie<br />

zu versehen. Warum die Aufsichtsbehörden allerdings<br />

den Aktiengesellschaften gestatten, die Überschüsse als "Gewinne"<br />

zu vereinnahmen, warum aus der "Überschußgarantie" eine "staatliche<br />

Gewinngarantie" gemacht wurde, ist das große Rätsel im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Die Annahme, Sicherheitskapital könne bei den Aktiengesellschaften<br />

nur über Gewinne in Form der "Selbstfinanzier<strong>un</strong>g<br />

des Eigenkapitals" gebildet werden, ist durch nichts zu begründen.<br />

Die traditionellen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>einricht<strong>un</strong>gen beweisen, daß<br />

Sicherheitskapital auch aus Geld der Versicherten gebildet werden<br />

<strong>un</strong>d im Eigentum der Versicherten bleiben kann.<br />

Wenn die Aufsichtsbehörde oft als "Verbraucherschutzbehörde"<br />

bezeichnet wird, so trifft das also nur in der einen Richt<strong>un</strong>g zu, daß<br />

diese Einricht<strong>un</strong>gen die mit Risiken belastete "Versicher<strong>un</strong>g zur festen<br />

Prämie" für die Versicherten sicher machen. Sie ermöglichen dadurch<br />

aber den Aktiengesellschaften zufallsbedingte Gewinne <strong>un</strong>d<br />

schützen die Verbraucher insoweit nicht vor rechtswidriger Enteign<strong>un</strong>g.<br />

Verbraucherschutz ist mehr, als dafür zu sorgen, daß Zahl<strong>un</strong>gsversprechen,<br />

die Aktiengesellschaften angeblich den Verbrauchern<br />

"verkaufen", auch mit Sicherheit erfüllt werden. Konsumerismus<br />

ist vor allem die Herstell<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Förder<strong>un</strong>g von Wettbewerb,<br />

damit der Verbraucher informiert <strong>un</strong>d wissend seine Stell<strong>un</strong>g im<br />

Markt wahrnehmen <strong>un</strong>d bei der Deck<strong>un</strong>g seines Bedarfs eine freie<br />

Entscheid<strong>un</strong>g treffen kann.<br />

274


Die <strong>un</strong>geteilte Prämie verhindert eine angemessene<br />

Aufgabenerfüll<strong>un</strong>g<br />

Unrentabilität bei der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittl<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Bestandsverwalt<strong>un</strong>g,<br />

Unwirtschaftlichkeit bei der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>bedeutender<br />

Risiken <strong>un</strong>d Regulier<strong>un</strong>g kleiner Schäden sind bei einer <strong>un</strong>geteilten<br />

Prämie für den Verbraucher nicht erkennbar <strong>un</strong>d werden durch keinen<br />

Wettbewerb verhindert. Durch die Nichtaufteil<strong>un</strong>g der Prämie<br />

ist es auch den Aufsichtsbehörden nur schwer möglich, den Wettbewerb<br />

in diesen Bereichen zu ersetzen <strong>un</strong>d direkt Einfluß auf die<br />

Rentabilität der Dienstleist<strong>un</strong>gen zu nehmen, um eine Äquivalenz<br />

von Leist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Kosten herzustellen. Bei der <strong>un</strong>geteilten Prämie<br />

wäre dieses nur über eine Anordn<strong>un</strong>g zur Kürz<strong>un</strong>g der Gesamtprämie<br />

möglich. Dieses könnte aber zu einer Gefährd<strong>un</strong>g der "Versicher<strong>un</strong>g<br />

zur festen Prämie" führen <strong>un</strong>ter Zulass<strong>un</strong>g eines Bankrottrisikos.<br />

Es sind zwar in manchen Bereichen - wie zur Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

- "interne Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gen" vorgeschrieben, die die Gesellschaften<br />

dem Aufsichtsamt vorlegen müssen <strong>un</strong>d die "geheime" Auskünfte<br />

zur Kosten- <strong>un</strong>d Überschußlage eines Unternehmens geben sollen.<br />

Aber - wie gesagt - nur in einigen Bereichen. Und dann können<br />

die Gesellschaften auch hier mit "frisierten" Zahlen arbeiten. So<br />

können die staatlichen Aufsichtsorgane nur schwer Einfluß nehmen<br />

auf den Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich der Unternehmen. Deshalb kümmert<br />

sich das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt so gut wie gar nicht um die Rentabilität<br />

der Dienstleist<strong>un</strong>gen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Es stehen sich zwei Mein<strong>un</strong>gen gegenüber, die mehr oder weniger<br />

staatliche Aufsicht <strong>un</strong>d Eingriffe im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> fordern.<br />

Die Frage "mehr oder weniger Aufsicht" läßt sich aber erst<br />

entscheiden, wenn man die in diesem Buch angestellten Überleg<strong>un</strong>gen<br />

berücksichtigt <strong>un</strong>d erkennt, daß die Versicher<strong>un</strong>g zur festen<br />

Prämie aus mehreren Leist<strong>un</strong>gen besteht <strong>un</strong>d die in der Prämie versteckte<br />

"Versicher<strong>un</strong>g" überhaupt kein Wettbewerbsbereich sein<br />

kann, daß ein Scheinwettbewerb hier sogar zu finanziellen <strong>un</strong>d sozialen<br />

Mißständen führt. Dieser Bereich muß einer staatlichen Regulier<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>terliegen. Dagegen ist eine staatliche Aufsicht über die<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen der Gesellschaften <strong>un</strong>begründet <strong>un</strong>d überflüssig.<br />

Nur können auch diese beiden Bereiche nicht getrennt werden, solange<br />

die Prämie nicht aufgeteilt ist. Und solange dieses nicht geschieht,<br />

wird der Streit um die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht andauern mit<br />

275


verständlicherweise völlig konträren Argumenten - aus dem Bereich<br />

Versicher<strong>un</strong>g für staatliche Regel<strong>un</strong>g, aus dem Bereich Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

für Deregulier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d freien Wettbewerb.<br />

Tatsächlich entschied sich nach der Einführ<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

die Höhe der Überschüsse <strong>un</strong>d Gewinne nicht mehr<br />

allein durch den zufälligen Schadenverlauf, sondern auch durch die<br />

Eingriffe der Aufsicht in die Prämienkalkulation <strong>un</strong>d Überschußverwend<strong>un</strong>g.<br />

Und so gibt es über die "Eindringtiefe" der Aufsicht in<br />

diese Bereiche bis heute eine dauernde Auseinandersetz<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

aufwendige Genehmig<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d Kontrollverfahren, die überflüssig<br />

wären, wenn die Prämie aufgeteilt <strong>un</strong>d die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge<br />

<strong>un</strong>d ihre Überschüsse dem Zugriff der Gesellschaften entzogen<br />

worden wären.<br />

Die Aufsichtsbehörde – eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>polizei<br />

Der Werdegang der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht läßt hinreichend<br />

deutlich erkennen, daß das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz der<br />

staatlichen Kontrolle eine dem Schutz der Versicherten dienende<br />

Zweckbestimm<strong>un</strong>g gegeben hat. Damit hat die Staatsaufsicht über<br />

das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> auch eine polizeiliche (ordn<strong>un</strong>gsrechtliche)<br />

F<strong>un</strong>ktion <strong>un</strong>d damit den Auftrag, das Recht zu schützen. Dieser<br />

Auftrag umschließt sowohl den Schutz des einzelnen als auch den<br />

Schutz des Gemein<strong>wesen</strong>s. Der einzelne ist also nicht nur - reflexartig<br />

- über die Allgemeinheit geschützt, sondern kann aus diesem<br />

Auftrag einer staatlichen Aufsichtsbehörde auch ein subjektiv öffentliches<br />

Recht auf gesetzmäßige Ausüb<strong>un</strong>g der Aufsicht herleiten.<br />

Wo nach diesen Gr<strong>un</strong>dsätzen im Einzelfall die Aufsichtsbehörde<br />

verpflichtet ist, zum Schutze bedrohter Individualinteressen einzugreifen,<br />

handelt es sich um Amtspflichten, die den Beamten den<br />

geschützten Dritten gegenüber obliegen. Wegen der <strong>un</strong>geregelten<br />

Vertrags- <strong>un</strong>d Vermögensverhältnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich hat<br />

die staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht eine noch größere Bedeut<strong>un</strong>g als<br />

die Kreditaufsicht, in deren Bereich wenigstens noch jeder weiß,<br />

wem welches Geld gehört.<br />

So wird aus der gesamten Zielricht<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aufsichts-Gesetzes mit seinen Kapitalanlagevorschriften deutlich,<br />

daß die staatliche Aufsicht vor allem ein f<strong>un</strong>ktionelles Äquivalent für<br />

die Besonderheiten des Systems der Versicher<strong>un</strong>g durch Aktiengesellschaften<br />

sein soll. Staatsaufsicht <strong>un</strong>d Kapitalanlagevorschriften<br />

276


sind also als Ausgleich dafür gedacht, daß den Versicherten Vermögens-<br />

<strong>un</strong>d Ausk<strong>un</strong>ftsrechte sowie ihre Wettbewerbsf<strong>un</strong>ktion <strong>un</strong>d -<br />

bei der Kfz- Pflichtversicher<strong>un</strong>g - auch noch ihre Vertragsfreiheit<br />

genommen sind.<br />

Wer schützt die entrechteten Versicherten?<br />

Die immense Bedeut<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht läßt sich am<br />

deutlichsten an der Rechtlosigkeit der Versicherten erkennen. Diese<br />

haben keine konkreten Ansprüche auf die Überschüsse <strong>un</strong>d Erträge<br />

aus ihren Prämien. Die Zivilgerichte verweisen auf die Staatsaufsicht.<br />

Angriffe gegen Fehler der Staatsaufsicht werden vom B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht<br />

mit der Begründ<strong>un</strong>g zurückgewiesen, es sei alles<br />

privatrechtlich geregelt. Die Versicherten mögen sich an die Zivilgerichte<br />

wenden. Die Zivilgerichte verweisen dann wieder auf die<br />

Staatsaufsicht, <strong>un</strong>d sie weisen von sich <strong>un</strong>d dem Staat jede Verantwort<strong>un</strong>g<br />

für die Benachteilig<strong>un</strong>g der Lebensversicherten ab mit den<br />

Sätzen: "Das Argument des Klägers, daß es dem Versicherten nicht<br />

zuzumuten sei, sich auf die Kontrolle des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes zu<br />

verlassen, ist nicht stichhaltig. Der Kläger hat schließlich den Vertrag<br />

zu den ihm bekannten Beding<strong>un</strong>gen freiwillig <strong>un</strong>d ohne Zwang<br />

selbst abgeschlossen." - So das Landgericht Hamburg. Und das Oberlandesgericht<br />

hat noch ergänzt: Ein Eingreifen der Zivilgerichte<br />

sei nicht möglich. Der Gesetzgeber habe sich für das System der<br />

staatlichen Aufsicht entschieden <strong>un</strong>d dieses dürfe nicht durch Entscheid<strong>un</strong>gen<br />

der Zivilgerichte <strong>un</strong>terlaufen werden.<br />

Die entrechteten Verbraucher sollen außerdem keine Möglichkeit<br />

haben, das Tätigwerden der Aufsichtsbehörde einzufordern. Auch<br />

für diesen Fall haben die Gesetzemacher in Bonn schon - in verfass<strong>un</strong>gswidriger<br />

Manier - vorgesorgt. So meint Capital im Oktober<br />

1985, es lohne sich nicht, "die Kosten einer Rechtsberat<strong>un</strong>g aufzuwenden,<br />

um den Staat wegen Verletz<strong>un</strong>g seiner Aufsichtspflicht zu<br />

verklagen. Denn der B<strong>un</strong>destag hat ein Gesetz beschlossen, welches<br />

einem Regreß gegen das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

<strong>un</strong>d das verantwortliche B<strong>un</strong>desfinanzministerium von<br />

vornherein die Gr<strong>un</strong>dlage entzieht". - So bestätigt auch Professor<br />

Dr. Ulrich Hübner: "Einen einklagbaren Anspruch darauf, daß die<br />

Aufsicht etwas <strong>un</strong>ternimmt, gibt es nicht." - Und die Wirtschaftswoche<br />

schrieb im Jahre 1988: "Hier tritt eine merkwürdige Eigentümlichkeit<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsrechts zutage, das dem einzelnen<br />

277


Versicherten selbst dann kaum eine Handhabe beläßt, wenn das<br />

BAV einmal irren sollte. Damit aber ist das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt fast<br />

<strong>un</strong>angreifbar - ein Zustand, der aufgr<strong>un</strong>d der Erkenntnis, daß auch<br />

Behörden fehlbar sind, alsbald abgeschafft gehört."<br />

Prof. Dr. Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen<br />

faßt die Situation in seiner Schrift "Finanzdienstleist<strong>un</strong>gen, soziale<br />

Diskriminier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Verbraucherschutz" im Jahre 1988 wie folgt<br />

zusammen: "Einerseits wird der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag praktisch<br />

gänzlich aus der Marktwirtschaft ausgenommen, indem wichtige<br />

Verbraucherschutzgesetze <strong>un</strong>d Wettbewerbsgesetze ebenso wie auch<br />

der allgemeine zivilgerichtliche Schutz gerade wegen des Wirkens<br />

des Aufsichtsamtes Ausnahmen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geschäfte statuieren.<br />

Andererseits erklärt das B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht, daß das<br />

BAV 'nicht die Interessen der Versicherten an deren Stelle wahrz<strong>un</strong>ehmen'<br />

habe. Praktisch stellt sich dem Verbraucher damit die Lage<br />

dergestalt dar, daß ihm 1. durch staatlichen Eingriff die wettbewerbsmäßige<br />

Gr<strong>un</strong>dlage dafür entzogen wird, daß seine Nachfrageentscheid<strong>un</strong>g<br />

einen Einfluß auf Güte <strong>un</strong>d Kosten der Angebote hat,<br />

2. als Ersatz dafür ein Amt angeboten wird, das schon für seine Belange<br />

Sorge tragen werde, jedoch 3. niemand (außer den durch<br />

Wettbewerbsverschon<strong>un</strong>g begünstigten Versicherern) das Recht erhält,<br />

die Einhalt<strong>un</strong>g dieser Aufgabe des BAV einzufordern. Ein solches<br />

Vorgehen berührt aber die verfass<strong>un</strong>gsrechtliche Gr<strong>un</strong>dkonzeption<br />

<strong>un</strong>serer Wirtschaft. Den Schutz vor dem 'Mißbrauch wirtschaftlicher<br />

Macht', wie ihn der Markt <strong>un</strong>d die freie Erwerbsentscheid<strong>un</strong>g<br />

im Gr<strong>un</strong>dsatz gewährleistet, kann der Staat nicht ohne<br />

Gr<strong>un</strong>d suspendieren. Suspendiert aber der Staat ein privatrechtliches<br />

Recht <strong>un</strong>d überantwortet er dessen Wahr<strong>un</strong>g einer Behörde, so verlangt<br />

das Gr<strong>un</strong>dgesetz, daß jeder Eingriff der Behörde von den eigentlich<br />

betroffenen Verbrauchern gerichtlich daraufhin überprüft<br />

werden kann, ob die gesetzlichen Voraussetz<strong>un</strong>gen gewahrt wurden."<br />

Ähnlich kritisch äußert sich auch Prof. Dr. Eike von Hippel vom<br />

Hamburger Max-Planck-Institut für Internationales Privatrecht in<br />

der Juristenzeit<strong>un</strong>g, der nach umfassender Analyse des status quo zu<br />

dem Ergebnis kommt, daß "inzwischen immer deutlicher geworden<br />

ist, daß die Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde als Korrektiv insoweit<br />

nicht ausreicht".<br />

Wenn man dagegen die Aussagen der Verantwortlichen über<br />

Staatsaufsicht, zum Wesen der Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d zu Wettbewerb<br />

278


hört, erscheinen die Erkenntnisse der Schöpfer des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

von vor fast einh<strong>un</strong>dert Jahren <strong>wesen</strong>tlich aufgeklärter,<br />

wenn diese von der "Gefahr schwerster Schädig<strong>un</strong>g des<br />

Volkswohls durch den möglichen Mißbrauch des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s"<br />

mit <strong>un</strong>geteilter Prämie redeten, von den "weitgehenden<br />

Machtbefugnissen" der Aufsichtsbehörde, die diese auch anwenden<br />

müßte, weil sonst durch den "täuschenden Schein einer staatlichen<br />

Aufsicht die Schattenseiten des Systems mit aller Schärfe in den<br />

Vordergr<strong>un</strong>d treten". Eine Aufsichtsbehörde, die den Mißbrauch<br />

von Versichertengeld verhindern soll, dies aber - aus welchen Gründen<br />

auch immer - nicht tut, wird auch nach Mein<strong>un</strong>g der Gesetzemacher<br />

von vor h<strong>un</strong>dert Jahren zum Alibi für die Legalität eines<br />

Ver<strong>un</strong>treu<strong>un</strong>gsvorgangs.<br />

Die finanziellen Ströme zwischen Branche <strong>un</strong>d Staat <strong>un</strong>d Politikern<br />

wurden bereits aufgezeigt. Zum Abschluß des Kapitels über die<br />

Staatsaufsicht soll auch noch auf die ständigen personellen Beweg<strong>un</strong>gen<br />

zwischen der Staatsaufsicht <strong>un</strong>d der von ihr beaufsichtigten<br />

Branche hingewiesen werden. Der Vorgänger des jetzigen Präsidenten<br />

des B<strong>un</strong>desaufsichtsamtes, August Angerer, hat bereits F<strong>un</strong>ktionen<br />

im Bereich der vorher von ihm beaufsichtigten Branche übernommen<br />

<strong>un</strong>d betätigt sich als <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>professor. Sein Vorgänger<br />

wiederum ist im Jahre 1981 von einem Tag auf den anderen vom<br />

Präsidentensessel der Aufsichtsbehörde auf den Generaldirektorsessel<br />

eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens gespr<strong>un</strong>gen. Der Ministerialdirektor<br />

Klemens Wesselkock vom B<strong>un</strong>desfinanzministerium (dem<br />

Aufsichtsamt übergeordnet) tat es ihm im August 1984 gleich <strong>un</strong>d<br />

wurde Generaldirektor der Hamburg Mannheimer Lebensversicher<strong>un</strong>gs<br />

AG. Außerdem wechseln häufig Aufsichtsbeamte zu den vorher<br />

von ihnen beaufsichtigten Unternehmen über. Und das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

wird zu ne<strong>un</strong> Zehntel von der beaufsichtigten Branche<br />

finanziert - aus Beiträgen der Versicherten ! -<br />

279


KAPITEL 10<br />

Reform des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong>s:<br />

Ein perfektes Wirtschaftsverbrechen<br />

zu knacken, braucht Zeit<br />

Unser <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> ist dringend reformbedürftig. "Das<br />

ganze System ist schief," schrieb DER SPIEGEL im Jahre 1985.<br />

"Diesmal wird es ernst: Es geht ums Prinzip. Den Leuten wird zuviel<br />

Geld für zu wenig Leist<strong>un</strong>g aus der Tasche gezogen. Diskussion<br />

um die Existenzberechtig<strong>un</strong>g der Branche - mit wessen Geld wirtschaftet<br />

sie, wem steht das Ergebnis zu? Es ist erkennbar Unsinn,<br />

daß langfristige Policen - zudem mit Prämienanpass<strong>un</strong>gsklauseln -<br />

besonders verbraucherfre<strong>un</strong>dlich sein sollen. Da kein K<strong>un</strong>de bei einem<br />

Abschluß einer Lebensversicher<strong>un</strong>g weiß, wie effektiv seine<br />

Gesellschaft arbeitet, läßt er sich auf einer Art Lotterie ein. Spätestens<br />

seit einem Urteil des B<strong>un</strong>desgerichtshofs ist klar, wo das deutsche<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> schiefliegt. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

dürfen doppelt <strong>un</strong>d dreifach überkalkulierte Prämien kassieren,<br />

doch die Frage, was mit den zwangsläufig entstehenden Überschüssen<br />

<strong>un</strong>d den Spargeldern der K<strong>un</strong>den geschehen soll, ist nicht eindeutig<br />

geregelt. Die Prämienbestandteile müssen offengelegt werden<br />

- so wie es die Unternehmen in ihren internen Kalkulationen ja seit<br />

langem machen. Zum ersten Mal wäre der Markt transparent, zum<br />

erstenmal gäbe es echten Wettbewerb, nämlich um die Höhe der<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsgebühren <strong>un</strong>d um die Kapitalverzins<strong>un</strong>g. Die wahren<br />

Schuldigen sitzen in den Vorstandsetagen der Unternehmen. Das<br />

deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ... ein <strong>un</strong>fassendes, wohlorganisiertes<br />

Frühstückskartell, ein 'Wirtschaftszweig, der fast Züge von Betrug in<br />

sich birgt'. Die Überschüsse sind keine Unternehmensgewinne im<br />

üblichen Sinne. Gefordert sind, <strong>un</strong>d zwar seit langem schon, die Gesetzemacher<br />

in Bonn. Doch da hat die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft eine<br />

wirk<strong>un</strong>gsvolle <strong>un</strong>d, wie man neuerdings weiß, gut geschmierte Lobby,<br />

die alles Unheil von ihr fernhält. Druck auf die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

könnte also allenfalls vom Markt kommen. Kein Anlaß<br />

zur Panik - es kann ja nur besser werden."<br />

Prof. Dr. Siegfried Klaue, vor Jahren im B<strong>un</strong>deskartellamt zuständig<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, sagte im September 1985 im<br />

SPIEGEL: "Ich habe die Hoffn<strong>un</strong>g, daß wir in der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

280


wirtschaft zu einem neuen System kommen werden. Gewinne sind<br />

in einer Marktwirtschaft nur dann rechtmäßig, wenn sie im Wettbewerb<br />

erzielt worden sind <strong>un</strong>d nicht im Windschatten staatlicher Fürsorge.<br />

Wir werden bei der Beurteil<strong>un</strong>g der Vermögensanlagen in diesem<br />

Wirtschaftsbereich berücksichtigen müssen, daß der Wettbewerb<br />

in den vergangenen Jahrzehnten nicht voll f<strong>un</strong>ktioniert hat.<br />

Dieses Kapital kommt dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer, dem es eigentlich<br />

zustände, in der Tat nicht zugute. Das deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system,<br />

einschließlich der Aufsicht, hat solche Vorgänge legalisiert. Die<br />

deutschen Versicherer verlieren immer mehr die Legitimation, privatwirtschaftlich<br />

auch über ihren Gewinn verfügen zu können."<br />

Also doch eine Branche jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb ! -<br />

Und man könnte mit dem Oberlandesgericht Hamburg <strong>un</strong>d seiner<br />

Begründ<strong>un</strong>g zu einem Urteil vom Anfang 1990 fortfahren: "Dies<br />

stellt sich letztlich als Ergebnis des vom Gesetzgeber gewählten Systems<br />

dar <strong>un</strong>d muß als Konsequenz der gesetzgeberischen Gr<strong>un</strong>dentscheid<strong>un</strong>g<br />

hingenommen werden. Die Möglichkeit einer <strong>un</strong>zureichenden<br />

Kontrolle <strong>un</strong>d Aufsicht kann allenfalls dem Gesetzgeber<br />

Anlaß zum Eingreifen geben." - Bei den Gesetzemachern aber hat<br />

die Branche - wie DER SPIEGEL schreibt - eine "gut geschmierte<br />

Lobby, die alles Unheil von ihr fernhält". Wieder ein Teufelskreis ! -<br />

Gesetzgeberische Aktivitäten, die zu Wettbewerb <strong>un</strong>d Transparenz<br />

im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> führen, haben vor allem die großen<br />

<strong>un</strong>d teuren Aktiengesellschaften mit ihren riesigen Vertreterheeren<br />

<strong>un</strong>d Drückerkolonnen zu fürchten. Und so werden diese weiterhin<br />

alles t<strong>un</strong>, um solche Reformen zu verhindern. In Japan sind die Aktiengesellschaften<br />

im Zuge der Wirtschaftsdemokratisier<strong>un</strong>g fast<br />

vollständig aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> verdrängt. In den USA<br />

nehmen ihre Marktanteile ständig ab <strong>un</strong>d belaufen sich noch auf etwa<br />

ein Drittel. In Deutschland haben die Aktiengesellschaften aber<br />

ihren Marktanteil von zwei Drittel bislang erfolgreich verteidigt, indem<br />

sie die rechts- <strong>un</strong>d wettbewerbswidrigen Rahmenbeding<strong>un</strong>gen<br />

auf <strong>un</strong>demokratische Weise erhalten haben <strong>un</strong>d weiter verteidigen<br />

werden.<br />

Die Chancen für Reformen <strong>un</strong>d Gesprächsbereitschaft stehen also<br />

schlecht. So schreibt die Zeitschrift für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> im<br />

Jahre 1980: "Sehr ausführlich beschäftigte sich Dr. Büchner in seiner<br />

Gr<strong>un</strong>dsatzrede vor der Mitgliederversamml<strong>un</strong>g des Gesamtverbandes<br />

der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft mit neuen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>ideologien.<br />

Es geht schlichtweg um die Frage 'Wem gehört das<br />

281


Geld der Versicher<strong>un</strong>gen?'. Während die Systemveränderer das Geld<br />

als Gemeinschaftseigentum der Versicherten ansehen, lehnte der<br />

Präsident des Gesamtverbandes diese Auffass<strong>un</strong>g ab. Wer es gut mit<br />

der Assekuranz meint, sollte ihr dringend abraten, diese Diskussion<br />

weiterzuführen. Unbeteiligte haben sicher den Eindruck gehabt, daß<br />

an den neuen Ideen etwas dran ist. Gewinnen kann die Assekuranz<br />

in dieser Frage nicht mehr." - Hoffn<strong>un</strong>g auf einen Sieg, aber der<br />

Gegner versteckt sich ! -<br />

Im Jahre 1989 habe ich in einem Kommentar "Etappensiege" für<br />

die Mitgliederzeit<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten geäußert:<br />

"Verbraucherschützer müßte ein Gefühl der Ohnmacht überkommen<br />

- sollte man meinen. Resignation wäre hier aber die falsche Reaktion.<br />

Man kann nicht auf der einen Seite von dem größten <strong>un</strong>d<br />

bestorganisierten Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten sprechen <strong>un</strong>d<br />

auf der anderen Seite meinen, dieses Unrechtssystem sei von heute<br />

auf morgen zu knacken."<br />

Aber erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen, wie der Herausgeber<br />

der "Wirtschaftswoche", Prof. Engels in seinem Kommentar<br />

"Unruhe im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>" im Jahre 1989 bestätigt: "Dem<br />

B<strong>un</strong>d der Versicherten <strong>un</strong>d seinem streitbaren Geschäftsführer<br />

Hans Dieter Meyer ist erstmals ein Einbruch in das feste Bollwerk<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s gel<strong>un</strong>gen ist. Der Kartellfrieden zwischen<br />

Unternehmen, Aufsichtsamt <strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftlern hat<br />

wohl die längste Zeit gedauert. Versichertenschützer Meyer hat in<br />

seinem Kampf für Reformen Verbündete gewonnen." - Und Prof.<br />

Wolfram Engels wagte im November 1989 eine Vorhersage: "Das<br />

deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>recht <strong>un</strong>d seine Handhab<strong>un</strong>g durch das Aufsichtsamt<br />

wird sich nicht aufrechterhalten lassen."<br />

Prof. Dr. Eberhard Schwark kritisierte in seinem Buch "Anlegerschutz<br />

durch Wirtschaftsrecht" im Jahre 1979: "Reichsaufsichtsamt<br />

<strong>un</strong>d B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> haben in ihrer<br />

mehr als siebzigjährigen Tätigkeit ein Rankenwerk von Richtlinien<br />

<strong>un</strong>d Stell<strong>un</strong>gnahmen um das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetz gelegt,<br />

das dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gewerbe stets ein ausreichend hohes Tarifniveau<br />

<strong>un</strong>d eine großzügige Ansamml<strong>un</strong>g von Vermögen gestattete,<br />

ihm aber andererseits zu Lasten des Anlegers das Unternehmensrisiko<br />

fast völlig abnimmt. Die Kritik an der mangelnden Transparenz<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>angebotes hat bisher nicht zu durchgreifenden<br />

Änder<strong>un</strong>gen in Gesetzgeb<strong>un</strong>g oder Aufsichtspraxis geführt. Gerade<br />

auf diesem Gebiet liegen jedoch Nachteile für den Vermögensanle-<br />

282


ger begründet, die ohne das System der staatlichen Kontrolle in Frage<br />

zu stellen, beseitigt werden könnten. Durch gesetzlichen Zwang<br />

sollte das D<strong>un</strong>kel, in dem sich der langjährig verpflichtete <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer<br />

befindet, aufgehellt werden."<br />

Und dazu noch die Kritik von Prof. Krycha: "Die bisher geübte<br />

Praxis, eine <strong>un</strong>geteilte Prämie zu erheben, hat zu einer falschen<br />

Struktur des deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s geführt, die dringend<br />

korrigiert werden muß. Diese Struktur hat nur den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

Vorteile gebracht; für die Versicherten ist sie dagegen mit<br />

Nachteilen verb<strong>un</strong>den: Sie hat eine eindeutige vermögensrechtliche<br />

Zuordn<strong>un</strong>g der Versichertengelder <strong>un</strong>möglich gemacht, einen<br />

marktgerechten Wettbewerb der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe verhindert, Gewinn- <strong>un</strong>d Kostenverschieb<strong>un</strong>gen<br />

zu Lasten der Versicherten begünstigt <strong>un</strong>d damit eine Abwälz<strong>un</strong>g<br />

des <strong>un</strong>ternehmerischen Risikos aus dem Dienstleist<strong>un</strong>gsbetrieb<br />

auf die Versicherten verursacht, hohe Gewinne für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

<strong>un</strong>d niedrige Rückerstatt<strong>un</strong>gen an die Versicherten<br />

entstehen lassen, um nur einige Mängel des für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

günstigen Systems der <strong>un</strong>geteilten Prämie aufzuzeigen."<br />

Sogar das Aufsichtsamt gesteht ein: "Der Unmut ist berechtigt"<br />

Bei soviel Kritik sieht Gottfried Claus, Abteil<strong>un</strong>gspräsident im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt,<br />

"eine jahrzehntelange Praxis plötzlich so in Frage<br />

gestellt, daß man sich schließlich gezw<strong>un</strong>gen sieht, eine gr<strong>un</strong>dlegende<br />

Änder<strong>un</strong>g vorz<strong>un</strong>ehmen". Und Claus gibt zu: "Der Unmut ist<br />

berechtigt, weil es keine zwingende Begründ<strong>un</strong>g für die jetzigen Regel<strong>un</strong>gen<br />

gibt." - Und so hat auch Staatssekretär Dr. Tietmeyer vom<br />

B<strong>un</strong>desfinanzministerium Ende 1989 eingeräumt: "Die verstärkte<br />

Kritik an der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht müsse zu einem Überdenken<br />

der eigenen Positionen führen." -<br />

So macht sich das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zwar seit einiger Zeit Reform-Gedanken,<br />

aus denen allerdings bisher nichts Gescheites herausgekommen<br />

ist. Die letzte Idee aus dem Jahre 1989: Die Gesellschaften<br />

sollen künftig alle Erträge aus der Anlage des Unternehmensgeldes<br />

erhalten, <strong>un</strong>d die Versicherten sollen alle Erträge aus der<br />

Anlage ihres Geldes erhalten. Für das Managen der Kapitalanlagen<br />

aus Versichertengeld sollen die Gesellschaften einen "Unternehmerlohn"<br />

kassieren dürfen. Diese Vorstell<strong>un</strong>gen hören sich gut an <strong>un</strong>d<br />

283


kommen auch meinen "Trenn<strong>un</strong>gsvorstell<strong>un</strong>gen" schon sehr nahe,<br />

können aber die dargestellten Probleme nicht lösen.<br />

Erstens: Der "Unternehmerlohn" müßte - ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g<br />

- vom Staat festgesetzt werden, würde sich also nicht im Wettbewerb<br />

ergeben. Zweitens: Wer will - ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d neue<br />

Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gen - bestimmen, was Unternehmens- <strong>un</strong>d was Versichertenvermögen<br />

ist ? - Und drittens: Die Gesellschaften könnten<br />

- ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g - nach wie vor anvertrautes Versichertengeld<br />

durch alle möglichen Manipulationen dezimieren, so daß<br />

gleichgültig ist, ob die Versicherten n<strong>un</strong> ne<strong>un</strong>zig oder h<strong>un</strong>dert Prozent<br />

von einer nach wie vor manipulierbaren Bezugsgröße erhalten.<br />

Dagegen würde der Nachteil für die Gesellschaften, daß sie wegen<br />

der Kapitalanlagevorschriften nicht frei über ihr Vermögen verfügen<br />

können, abgeschafft, ohne den Vorteil für die Unternehmen zu beseitigen,<br />

daß sie ständig - wie bisher - per Vorstandsbeschluß anvertrautes<br />

Versichertengeld zu Unternehmensvermögen machen können.<br />

Aber immerhin - es gibt Anzeichen, daß sich im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>ter seinem neuen Präsidenten<br />

Dr. Knut Hohlfeld ein Sinneswandel vollzieht. So wurden bereits<br />

<strong>un</strong>qualifizierte Verfüg<strong>un</strong>gen des ehemaligen Präsidenten korrigiert.<br />

Und Aufsichtsbeamte haben nach dessen Ausscheiden den<br />

Mut, seine Verfüg<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d das Amt selbst öffentlich zu kritisieren.<br />

Auch Gerichte kommen der Prämientrenn<strong>un</strong>g näher<br />

Auch die Gerichte nähern sich der Mein<strong>un</strong>g an, daß Prämienüberschüsse<br />

<strong>un</strong>d ihre Erträge den Versicherten zustehen.<br />

Aber wenn sie sich - zaghaft - mit den in diesem Buch dargestellten<br />

Rechtsproblemen befassen, kommen sie mit den von der Branche<br />

hergestellten "herrschenden" Mein<strong>un</strong>gen in Konflikt. So wurde<br />

dem B<strong>un</strong>desverwalt<strong>un</strong>gsgericht im Jahre 1990 in einem Kommentar<br />

vorgehalten: "In der Tat scheint dem Urteil die Vorstell<strong>un</strong>g zugr<strong>un</strong>de<br />

zu liegen, als handele es sich bei den aus den Prämien erwirtschafteten<br />

Überschüssen um 'Geld der Versicherten', das der Versicherer<br />

lediglich als Treuhänder der Versichertengemeinschaft zu<br />

verwalten habe - leider ohne Auseinandersetz<strong>un</strong>g mit der einschlägigen<br />

rechtswissenschaftlichen Literatur." - Es ist an der Zeit, daß Gerichte<br />

hier klare Verhältnisse schaffen, denn tatsächlich stehen einige<br />

neuerliche Entscheid<strong>un</strong>gen der Beschlußkammer des Aufsichtsamtes<br />

284


<strong>un</strong>d von Gerichten mit der "einschlägigen rechtswissenschaftlichen<br />

Literatur" in Widerspruch.<br />

Hilfe von der EG-Kommission <strong>un</strong>d Regier<strong>un</strong>gskommissionen?<br />

Aus einer ganz neuen Richt<strong>un</strong>g könnten die Versicherten Hilfe gegen<br />

die vielen Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> erfahren. Die Monopol-<br />

<strong>un</strong>d die Deregulier<strong>un</strong>gskommission beschäftigen sich neuerdings<br />

- im Auftrag der Regier<strong>un</strong>g - mit dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>.<br />

Viele Verbraucherprobleme wurden durchaus richtig erkannt. Teilweise<br />

wurden auch vernünftige Lös<strong>un</strong>gen vorgeschlagen - wie zum<br />

Beispiel das Bausteinsystem für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen. Richtig<br />

erkannt wurde auch, daß der Wettbewerb im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

nicht f<strong>un</strong>ktioniert <strong>un</strong>d deshalb das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt eine Art<br />

Wettbewerbs-Ersatz ist. Ein Kardinalfehler aller Gutachten ist aber,<br />

Einschränk<strong>un</strong>gen der staatlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht zu fordern,<br />

ohne gleichzeitig - als Ausgleich - Voraussetz<strong>un</strong>gen für einen f<strong>un</strong>ktionierenden<br />

Wettbewerb zu schaffen, was nur durch eine Prämientrenn<strong>un</strong>g,<br />

durch eine Preisangabe für die Unternehmens-<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen, durch Offenleg<strong>un</strong>g der reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge,<br />

Sparanteile <strong>un</strong>d Renditen möglich wäre. Bei fehlendem Wettbewerb<br />

den Wettbewerbs-Ersatz ersatzlos abzubauen, kann nur zu<br />

einem Chaos führen.<br />

Es werden auch zu oft die Verhältnisse im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

anderer Länder auf die B<strong>un</strong>desrepublik übertragen, ohne die völlig<br />

anderen Gegebenheiten in <strong>un</strong>serem Lande zu berücksichtigen. Wir<br />

haben hierzulande ein von der Branche raffiniert aufgebautes Anti-<br />

Wettbewerbs-System, das niemals mit Einzelmaßnahmen, sondern<br />

nur mit einer totalen Reform des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s zu durchbrechen<br />

ist. Es ist weltfremd, wenn jemand meint, durch den Abbau<br />

von Aufsichtsbefugnissen, durch die Freigabe von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen,<br />

Prämien <strong>un</strong>d Tarifen oder durch die Übernahme einzelner<br />

ausländischer Besonderheiten diesem System beikommen zu<br />

können. Das alles wären - wenn überhaupt - nur Tropfen auf einen<br />

Vulkan. Was hier allein helfen kann, ist ein Bündel gesetzlicher Maßnahmen<br />

285


Starrsinnige Systemerhalter im B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt zieht sich bei Vorwürfen gern darauf zurück,<br />

daß es dem B<strong>un</strong>desministerium der Finanzen <strong>un</strong>tersteht. Es sei<br />

weis<strong>un</strong>gsgeb<strong>un</strong>den <strong>un</strong>d das Amt könne nicht machen, was es wolle.<br />

Die politische Verantwort<strong>un</strong>g für alle Mißstände trägt also der B<strong>un</strong>desfinanzminister.<br />

Eine Stell<strong>un</strong>gnahme des Ministers Waigel habe<br />

ich schon auf den ersten Seiten dieses Buches zitiert. Weil sie so<br />

schön blau-äugig ist, noch einmal: "Wir haben starke <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aufsichtsbehörden, eine insgesamt verbraucherfre<strong>un</strong>dliche Gesetzgeb<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d eine <strong>un</strong>abhängige Justiz. In solcher Umgeb<strong>un</strong>g sollten<br />

sich eklatante Mißstände im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> nicht dauerhaft<br />

halten können." - Hört sich verdammt nach <strong>un</strong>serem Beamten Kaulbach<br />

an !? -<br />

Waigels Staatssekretär Voss machte im Jahre 1989 in einer Fernsehsend<strong>un</strong>g<br />

einen interessanten - möglicherweise "Freud'schen" -<br />

Versprecher: "Es gibt keine <strong>un</strong>geregelten Rechtsverhältnisse. Aufsichtsamt<br />

<strong>un</strong>d Finanzministerium werden Regel<strong>un</strong>gen treffen, die im<br />

Sinne <strong>un</strong>d Interesse der Lebensversicherer... der Lebensversicherten<br />

ist, so daß diese sich keine <strong>un</strong>nötigen Sorgen zu machen brauchen."<br />

- Wer soll sich n<strong>un</strong> keine "<strong>un</strong>nötigen Sorgen" machen - die Versicherer<br />

oder die Versicherten ? -<br />

Es war bis Anfang der ne<strong>un</strong>ziger Jahre <strong>un</strong>möglich, aus dem zuständigen<br />

Finanzministerium oder aus dem Aufsichtsamt auch nur<br />

eine einzige sachlich begründete Stell<strong>un</strong>gnahme zu einem ausführlich<br />

dargestellten Problem zu erhalten. Diese Schwierigkeiten haben<br />

offenbar auch die Parteien. Führende Wirtschaftspolitiker der SPD<br />

fragten die B<strong>un</strong>desregier<strong>un</strong>g, wie diese in Zuk<strong>un</strong>ft eine klare Trenn<strong>un</strong>g<br />

zwischen Versicherten- <strong>un</strong>d Aktionärsgeldern sicherstellen<br />

wolle. Antwort aus dem Finanzministerium - vermutlich von <strong>un</strong>serem<br />

Beamten Kaulbach: Es gäbe keinen Gr<strong>un</strong>d, die "bewährte Art<br />

des Geschäftsbetriebes" der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften zu<br />

<strong>un</strong>tersagen. Und so kommentierte die SPD in ihrem Pressedienst<br />

eine Antwort aus dem BMFi: "Angesichts dieser Unverfrorenheit,<br />

mit der berechtigte Interessen der Versicherten <strong>un</strong>d das Fragerecht<br />

des Parlaments mit Füßen getreten werden, erübrigt sich jeder weitere<br />

Kommentar." -<br />

Vom Ministerialbeamten Kaulbach hat der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

vor einigen Jahren einmal eine Stell<strong>un</strong>gnahme von elf Zeilen zu<br />

den Gr<strong>un</strong>dproblemen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s erhalten - etwa des<br />

286


Inhalts: "Sie wissen, daß wir im Ministerium anderer Mein<strong>un</strong>g sind."<br />

- Im Jahre 1989 schwoll eine Stell<strong>un</strong>gnahme allerdings auf gewaltige<br />

109 Zeilen an. Dafür hatte Kaulbach aber auch Monate benötigt, um<br />

Branchenmein<strong>un</strong>gen wiederzukäuen <strong>un</strong>d - ohne jede sachliche Begründ<strong>un</strong>g<br />

- zu Papier zu bringen. Wie sagte doch der Aufsichtsbeamte<br />

Gottfried Claus in Sachen Deutscher Ring (Seite XX):<br />

"Rechtsauffass<strong>un</strong>gen werden wiederholt, aber nicht begründet." -<br />

Bewährtes Autoritätsgehabe von Beamten, die mit dem Rücken an<br />

der Lobby-Wand stehen ! -<br />

Den Starrsinn im höchst-verantwortlichen B<strong>un</strong>desministerium<br />

der Finanzen offenbart auch die Antwort Kaulbachs auf einen Beschwerdebrief<br />

eines B<strong>un</strong>desbürgers im Jahre 1987: "Läßt man Ihr<br />

Schreiben insgesamt auf sich wirken, so zeigt sich, daß Sie vom privaten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> in der B<strong>un</strong>desrepublik Deutschland einen<br />

denkbar schlechten Eindruck haben. Da gibt es ein 'kriminelles <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>treiben'<br />

<strong>un</strong>d es werden 'Tag für Tag Millionen Kleinverdiener<br />

um ihr sauer erarbeitetes Geld gebracht'. Statt hier gründlich<br />

aufzuräumen, 'schläft das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

tief <strong>un</strong>d fest'.<br />

Diese Schilder<strong>un</strong>g hat mit den Realitäten des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

in <strong>un</strong>serem Lande nichts gemein. Wir haben hier eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft,<br />

die hinsichtlich ihrer Leist<strong>un</strong>gskraft <strong>un</strong>d ihrer<br />

verbraucherfre<strong>un</strong>dlichen Ausgestalt<strong>un</strong>g im internationalen Vergleich<br />

gut abschneidet. Sie ist ein stabilisierendes Element <strong>un</strong>serer Sozialordn<strong>un</strong>g.<br />

Die Lebensversicher<strong>un</strong>g ist neben Sozialversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

betrieblicher Altersversorg<strong>un</strong>g eine der drei Säulen der Alterssicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>serer Bürger. Versicher<strong>un</strong>gen leisten bei Schwangerschaft<br />

<strong>un</strong>d Krankheit. Haftpflichtversicher<strong>un</strong>gen tragen zum Ausgleich bei,<br />

wo sich Bürger <strong>un</strong>tereinander Schaden zufügen. Rechtsschutzversicherer<br />

geben den Bürgern den Atem für den manchmal langen Weg<br />

durch die Gerichtsinstanzen. Auch die Sachversicher<strong>un</strong>g hat beachtliche<br />

befriedende Wirk<strong>un</strong>gen. Früher hatten die Städte nach Feuersbrünsten<br />

ihre last mit 'Brandbettlern'. Heute ruft der Hausbesitzer<br />

zwar im Brandfall immer noch zuerst die Feuerwehr, dann aber sofort<br />

seinen Versicherer. - Der Abschluß von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen<br />

ist für <strong>un</strong>sere Bürger eine der <strong>wesen</strong>tlichen Möglichkeiten, sich in<br />

eigenverantwortlicher Vorsorge den Fährnissen des Lebens zu stellen.<br />

Das sind Züge, die ich erhalten wissen möchte. Die Rahmenbeding<strong>un</strong>gen<br />

dafür sind gut: B<strong>un</strong>d <strong>un</strong>d Länder haben starke Versiche-<br />

287


<strong>un</strong>gsaufsichtsbehörden, deren Hauptaufgabe es ist, eventuellen<br />

Mißständen im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> entgegenzuwirken. Zudem haben<br />

wir <strong>un</strong>abhängige Gerichte, die auf der Gr<strong>un</strong>dlage einer soliden<br />

Verbraucherschutzgeb<strong>un</strong>g arbeiten können. Kriminelles Treiben<br />

hätte in diesem Ordn<strong>un</strong>gsrahmen keine Aussicht auf Bestand. - Mit<br />

fre<strong>un</strong>dlichen Grüßen - Im Auftrag - gez. Kaulbach." - Detlef Kaulbach,<br />

der Erhalter des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong>s, einer Branche jenseits<br />

von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb ! -<br />

Daraufhin habe ich im Jahre 1987 dem B<strong>un</strong>desfinanzminister erwidert:<br />

"Die Stell<strong>un</strong>gnahme Ihres Hauses enthält gravierende Fehler:<br />

Ihr Haus scheint dem - von der Branche erzeugten - Irrglauben zu<br />

<strong>un</strong>terliegen, die Wohltaten der Versicher<strong>un</strong>g seien Leist<strong>un</strong>gen der<br />

sogenannten '<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft'. Dabei sollte bekannt sein,<br />

daß <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen mit dem Geld der Versicherten erbracht<br />

werden, daß Versicher<strong>un</strong>g also die Leist<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

ist. Unsere Kritik richtet sich gegen die Dienstleist<strong>un</strong>gen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften,<br />

die diese mit <strong>un</strong>vorstellbar hohen Kostenverschwend<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Gewinnentnahmen aus anvertrauten Geldern<br />

erbringen - wegen fehlender Preisangabe, fehlenden Wettbewerbs<br />

<strong>un</strong>d fehlender vermögensrechtlicher Zuordn<strong>un</strong>g der Milliardengelder.<br />

Die 'Leist<strong>un</strong>gskraft der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft' ist schlecht.<br />

Jährlichen Einnahmen <strong>un</strong>d Erträgen von etwa 160 Milliarden Mark<br />

stehen Auszahl<strong>un</strong>gen für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fälle von weit weniger als der<br />

Hälfte dieses Betrages gegenüber. Vermutlich <strong>un</strong>terliegt Ihr Haus<br />

dem Irrglauben, andere - von der Branche 'erzeugte' - Zahlen seien<br />

wahr.<br />

Ihr Haus scheint dem - von der Branche erzeugten - Irrglauben<br />

zu <strong>un</strong>terliegen, die Lebensversicher<strong>un</strong>g sei 'eine der drei Säulen der<br />

Alterssicher<strong>un</strong>g'. Die dritte Säule der Alterssicher<strong>un</strong>g ist bekanntlich<br />

die 'private Vorsorge', die in den meisten Fällen viel besser über die<br />

Anschaff<strong>un</strong>g von Wohneigentum oder andere Geldanlagen als die<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g betrieben werden kann.<br />

Auch die Annahme, wir hätten hierzulande eine 'solide Verbraucherschutzgesetzgeb<strong>un</strong>g'<br />

geht an den Realitäten vorbei. Das zeigen<br />

allein die vielen Ausnahmen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrages, z. B. vom<br />

Verbot langfristiger Verträge im Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbeding<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d vom Gesetz über das Widerrufsrecht bei<br />

Haustürgeschäften. Außerdem ist § 1 des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrags-<br />

Gesetzes eine <strong>un</strong>vollkommene Regel<strong>un</strong>g der mit einer Versicher<strong>un</strong>g<br />

288


verb<strong>un</strong>denen Leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d Gegenleist<strong>un</strong>gen. Die Folge ist, daß<br />

jegliche Voraussetz<strong>un</strong>gen für die vermögensrechtliche Zuordn<strong>un</strong>g<br />

der aufgebrachten Gelder <strong>un</strong>d damit auch für das F<strong>un</strong>ktionieren von<br />

Wettbewerb um die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen fehlen.<br />

Ihr Haus will sicher nicht die törichte Behaupt<strong>un</strong>g aufstellen, die<br />

Prämie für eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g mit dem in ihr enthaltenen<br />

Sparanteil sei ein Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen eines Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmens.<br />

Dann müßten auch die Einzahl<strong>un</strong>gen<br />

auf ein Sparkonto Preise für die Bankdienstleist<strong>un</strong>gen sein. Sparanteile,<br />

aber auch Risikobeiträge können niemals Preisbestandteile sein.<br />

Also geben <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen keine Preise für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

an ! - Das wird Ihnen jedes neutral-wissenschaftliche Gutachten<br />

bestätigen, wenn Sie es in Auftrag geben würden (was wir<br />

hiermit dringend anregen)."<br />

Alle Probleme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> sind dadurch entstanden,<br />

� daß Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Sparen als Leist<strong>un</strong>gen der Versicherten<br />

<strong>un</strong>d die Dienstleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen vermengt<br />

worden sind <strong>un</strong>d so die irrige Mein<strong>un</strong>g entstand, Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen könnten Produkte von Aktiengesellschaften<br />

sein,<br />

� daß dadurch auch die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d Sparanteile<br />

von Prämien mit dem Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>g in einer <strong>un</strong>geteilten<br />

Prämie vermengt worden sind <strong>un</strong>d die irrige Mein<strong>un</strong>g entstand,<br />

diese vermengten Vorgänge <strong>un</strong>d Prämien könnten einem<br />

Wettbewerb ausgesetzt werden,<br />

� daß dadurch auch die Überschüsse aus den reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträgen<br />

<strong>un</strong>d Sparvorgängen mit den Überschüssem aus den<br />

Preisen der Dienstleist<strong>un</strong>g vermengt worden sind <strong>un</strong>d die irrige<br />

Mein<strong>un</strong>g entstand, alle Überschüsse aus diesen vermengten Vorgängen<br />

- also auch die Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>- <strong>un</strong>d Sparbereich<br />

- seien Gewinne der Aktiengesellschaften,<br />

� daß letztlich die Aktiengesellschaften durch diese Vermeng<strong>un</strong>gen<br />

den Zugriff auf die Überschüsse aus der Leist<strong>un</strong>g der Versicherten<br />

erhielten <strong>un</strong>d damit alle Probleme der Versicher<strong>un</strong>g, die mit dem<br />

Zufall <strong>un</strong>d der Ungewißheit der Zuk<strong>un</strong>ft zusammenhängen - wie<br />

zum Beispiel die Tarifier<strong>un</strong>g in der Auto- oder Krankenversicher<strong>un</strong>g<br />

-, zu Profitproblemen der Aktiengesellschaften wurden.<br />

289


Das Ergebnis dieser Mängel eines gewinnorientierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>system<br />

mit einer <strong>un</strong>geteilten Prämie ist: Den Versicherten werden<br />

für den reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich viel zu hohe Beiträge abverlangt<br />

wegen einer falschen Tarifier<strong>un</strong>g, für die <strong>un</strong>sinnige Regulier<strong>un</strong>g<br />

von Kleinschäden, zur Subventionier<strong>un</strong>g der Industrieversicher<strong>un</strong>gen,<br />

für zu hohe Reserven <strong>un</strong>d Rückstell<strong>un</strong>gen, für eine übertriebene<br />

Rückversicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d als Ausgleich für stille Reserven, die<br />

durch Vermögens-Abschreib<strong>un</strong>gen aus der Kalkulation entschwinden.<br />

Und dann zahlen die Versicherten - in der vermengten Prämie<br />

nicht erkennbar - einen viel zu hohen Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

der Unternehmen. Da Wettbewerb <strong>un</strong>d Preisangabe die Gesellschaften<br />

nicht beschränken, werden die zu hohen Prämien beliebig dezimiert<br />

durch hohe Abschlußprovisionen auf - für die Verbraucher<br />

<strong>un</strong>günstige - langfristige Verträge, durch einen ineffizienten Vertriebsaufwand,<br />

durch Kostenverschwend<strong>un</strong>gen von oft fünfzig Prozent<br />

der Prämien, durch Mißmanagement <strong>un</strong>d durch dementsprechend<br />

viel zu hohe finanzielle Vorteile <strong>un</strong>d Gewinne der Gesellschaften,<br />

die diese sich mit vielerlei Manipulationen verschaffen -<br />

über die Rückversicher<strong>un</strong>g oder Vermögensverschieb<strong>un</strong>gen innerhalb<br />

eines Konzerns. Darüber hinaus finanzieren die Versicherten -<br />

ohne es zu wissen <strong>un</strong>d zu wollen - mit ihren überhöhten Prämien die<br />

gegen sie selbst gerichteten Aktivitäten der Branche - eine hauseigene<br />

Wissenschaft <strong>un</strong>d den Lobbyismus sowie Spenden an Politiker.<br />

Alles als "Kosten" für die Einflußnahme auf Gesetzgeb<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

Rechtsprech<strong>un</strong>g zum Erhalt des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong><strong>wesen</strong>s. Wegen der<br />

so erzeugten Irrtümer <strong>un</strong>d Mißverständnisse um das Wesen der Versicher<strong>un</strong>g<br />

weiß die als Regulativ <strong>un</strong>d Korrektiv gedachte Staatsaufsicht<br />

nicht einmal, warum es sie gibt <strong>un</strong>d was ihre eigentliche Aufgabe<br />

ist. Und so hat sie all die Mißstände zum Nachteil der Versicherten<br />

<strong>un</strong>d zum Vorteil der Aktiengesellschaften zugelassen, geduldet<br />

<strong>un</strong>d oft sogar gefördert.<br />

Eine Reform ohne „Gr<strong>un</strong>dlagenforsch<strong>un</strong>g“?<br />

Es ist höchste Zeit, daß alle dargestellten Probleme <strong>un</strong>d Mißstände -<br />

ausgehend vom Wesen der Versicher<strong>un</strong>g - in neutraler <strong>un</strong>d wissenschaftlicher<br />

Form <strong>un</strong>tersucht <strong>un</strong>d Lös<strong>un</strong>gen gef<strong>un</strong>den werden für<br />

eine allgemeingültige gesetzliche Regel<strong>un</strong>g der "Versicher<strong>un</strong>g". So<br />

gibt es bis heute tatsächlich keine neutrale Untersuch<strong>un</strong>g, ob es zum<br />

Beispiel (markt)wirtschaftlich <strong>un</strong>d (verfass<strong>un</strong>gs)rechtlich erforderlich<br />

290


ist, die bisher <strong>un</strong>geteilte <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie aufzuteilen in Versichertengeld<br />

<strong>un</strong>d Unternehmensgeld. Es gibt nicht einmal Untersuch<strong>un</strong>gen,<br />

ob eine Prämientrenn<strong>un</strong>g - selbst wenn sie nach <strong>un</strong>serer<br />

Rechts- <strong>un</strong>d Wirtschaftsordn<strong>un</strong>g nicht erzwingbar ist - zu mehr<br />

Transparenz <strong>un</strong>d Wettbewerb <strong>un</strong>d klareren Vermögensverhältnissen<br />

führen k ö n n t e. -<br />

"Dazu sind bisher weder von den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

noch von der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft, die vielfach in Personal<strong>un</strong>ion<br />

betrieben werden, neutrale Untersuch<strong>un</strong>gen angeregt worden,"<br />

schreibt Prof. Krycha im Jahre 1982 in seiner gutachterlichen<br />

Stell<strong>un</strong>gnahme zur Problematik der Versicher<strong>un</strong>g. Und bei der Vergabe<br />

eines Untersuch<strong>un</strong>gsauftrages zur Regionalstruktur in der Autoversicher<strong>un</strong>g<br />

durch das B<strong>un</strong>deswirtschaftsministerium ist die Untersuch<strong>un</strong>g<br />

solcher Gr<strong>un</strong>dsatzfragen vor einigen Jahren sogar ausdrücklich<br />

ausgeschlossen worden.<br />

Die Gewalten <strong>un</strong>seres Staates - das Parlament, die Gesetzgeb<strong>un</strong>g,<br />

die Verwalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die Rechtsprech<strong>un</strong>g - haben sich also bis heute<br />

noch nicht ernsthaft mit dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> befaßt. Dabei sehen<br />

neutrale Wissenschaftler durchaus dringende Anlässe, dieses zu<br />

t<strong>un</strong>. So Prof. von Hippel im Jahre 1990 in der "Juristenzeit<strong>un</strong>g": "Zu<br />

den Rechtsgebieten, in denen das Bedürfnis nach Verbraucherschutz<br />

besonders dringlich ist, gehört das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>, denn wegen<br />

seiner fehlenden Sachk<strong>un</strong>de ist der einzelne Verbraucher dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

regelmäßig hoffn<strong>un</strong>gslos <strong>un</strong>terlegen. Gleichwohl<br />

ist der Verbraucherschutz gerade im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> bis<br />

heute besonders <strong>un</strong>zulänglich geblieben. Neuerliche Gerichtsentscheid<strong>un</strong>gen<br />

sollten dem Gesetzgeber zu denken geben <strong>un</strong>d ihn<br />

dazu veranlassen, die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>nehmer vor Übervorteil<strong>un</strong>g zu<br />

schützen; dazu ist der Gesetzgeber im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip<br />

(das den Schutz des Schwächeren gebietet) sogar verpflichtet."<br />

Der <strong>un</strong>abhängige Berliner <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler Prof.<br />

Rudolf Gärtner meint: "Es gibt genügend Anlaß, Gr<strong>un</strong>dfragen der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesetzgeb<strong>un</strong>g zu diskutieren. Die Frage ist, ob das<br />

eingebürgerte System nicht selbst einer Korrektur bedarf. Es muß z.<br />

B. bedenklich stimmen, daß in einem Zweig wie der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

r<strong>un</strong>d dreißig Prozent der jährlichen Beitragseinnahmen <strong>un</strong>ter<br />

Beruf<strong>un</strong>g auf 'Kosten' verloren gehen. Einstweilen ist es so, daß umfassende<br />

wissenschaftliche Analysen für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich<br />

noch nicht vorliegen. Insoweit steht eine Gr<strong>un</strong>dlagenforsch<strong>un</strong>g<br />

291


noch in den Anfängen." Gärtner meint weiter, daß man die "Aufgabe,<br />

die finanziellen Belange der Versicherten zu schützen, systematisch<br />

in Angriff nehmen <strong>un</strong>d nicht mit sek<strong>un</strong>dären <strong>un</strong>d fragwürdigen<br />

Details beginnen" sollte.<br />

In einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen<br />

B<strong>un</strong>destages wird festgestellt: "Bei dem Streit um das Wesen<br />

des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrages wird eine Untersuch<strong>un</strong>g darüber vermißt,<br />

ob überhaupt eine der Theorien die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge aller<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>zweige erfassen kann oder nicht. Angesichts der<br />

Vielzahl sehr <strong>un</strong>terschiedlicher <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten ist dies höchst<br />

zweifelhaft. Unabhängig davon hat noch niemand in der Literatur zu<br />

begründen versucht, daß es sich beim <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag um einen<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gsvertrag handelt, der die Umverteil<strong>un</strong>g anvertrauten<br />

Versichertengeldes zum Inhalt hat."<br />

Was eine Reform so schwierig macht<br />

Warum eine Reform schwer sein muß, ist in diesem Buch sicher<br />

deutlich geworden: Es geht um <strong>un</strong>vorstellbare Geldsummen, an denen<br />

neben den Aktiengesellschaften auch der Staat als Geldausleiher<br />

großes Interesse hat. Ein Schuldner als Aufseher über seinen Geldgeber<br />

- eine pikante Konstellation ! - Dabei wurden - bei ähnlichen<br />

Verhältnissen <strong>un</strong>d Widerständen - in anderen Ländern Reformen<br />

durch Druck von außen erreicht, in den USA sogar durch Volksabstimm<strong>un</strong>gen.<br />

So gibt es in den USA <strong>un</strong>d anderen Ländern bereits<br />

eine aufgeteilte Prämie zur Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g mit befristeten<br />

Renditezusagen für konkret ausgewiesene Sparbeträge. In Frankreich<br />

wurde im Jahre 1990 in gewissen Bereichen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s<br />

eine Prämienaufteil<strong>un</strong>g eingeführt. In Japan gibt es eine<br />

Prämienaufteil<strong>un</strong>g im Bereich der Kfz-Pflichtversicher<strong>un</strong>g, um - in<br />

der B<strong>un</strong>desrepublik bestehende - Beitrags<strong>un</strong>gerechtigkeiten zu verhindern.<br />

In Japan sind außerdem die Aktiengesellschaften im Zuge<br />

der Wirtschaftsdemokratisier<strong>un</strong>g fast vollständig aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

verdrängt <strong>un</strong>d vor allem die Lebensversicher<strong>un</strong>g wird<br />

fast ausschließlich über <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine betrieben.<br />

Eine Alternative zu den Aktiengesellschaften - vielen Verbrauchern<br />

als solche gar nicht bekannt - sind diese <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine<br />

auf Gegenseitigkeit, die gewinnlos <strong>un</strong>d mit <strong>wesen</strong>tlich niedrigeren<br />

Kosten <strong>un</strong>d Beiträgen arbeiten. Aber auch diese haben zwei <strong>wesen</strong>tliche<br />

Fehler: die <strong>un</strong>verständliche totale Anpass<strong>un</strong>g an die Arbeits-<br />

292


weise <strong>un</strong>d "Produktionstheorien" der Aktiengesellschaften, indem<br />

sie - <strong>un</strong>ter Steuerbelast<strong>un</strong>g - auch gewaltige Kapitalreserven aufbauten.<br />

Im Gegensatz zu den Aktiengesellschaften bleibt jedoch alles<br />

Kapital der Gegenseitigkeitsversicherer Vermögen der Versichertengemeinschaft.<br />

Aber eine Enteign<strong>un</strong>g findet auch hier statt, weil kein<br />

Mitglied einen Anspruch auf Auszahl<strong>un</strong>g seines Kapitalanteils hat,<br />

wenn er aus dem Verein ausscheidet. Dennoch gibt es <strong>wesen</strong>tliche<br />

Vorzüge in der Gegenseitigkeitsversicher<strong>un</strong>g: billigere Beiträge als<br />

Ergebnis niedriger Dienstleist<strong>un</strong>gskosten <strong>un</strong>d in der Regel keine<br />

Bind<strong>un</strong>g an langfristige Verträge.<br />

Einen großen Nachteil haben aber auch <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine. Es<br />

fehlt der Kostendruck durch Wettbewerb. Denn man kann davon<br />

ausgehen, daß die großen <strong>un</strong>d teuren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften in der Bestandsverwalt<strong>un</strong>g sicher rationeller<br />

<strong>un</strong>d vielleicht auch bei der Vermögensanlage rentabler arbeiten. Sie<br />

müssen aber - um ihre viel zu teuren Prämien für hohe Gewinne<br />

durchzusetzen - <strong>un</strong>vorstellbar hohe Vertriebskosten aufwenden.<br />

Und die können sie wiederum nur in einer vermengten Prämie verstecken,<br />

die jeden Wettbewerb <strong>un</strong>möglich macht.<br />

Reform durch Prämientrenn<strong>un</strong>g<br />

Der Traum von einem verfass<strong>un</strong>gs- <strong>un</strong>d marktgerechten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

Hier schließt sich wieder der Kreis. Die historischen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vereine<br />

auf Gegenseitigkeit brauchten wegen ihrer klaren Vermögensverhältnisse<br />

die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge nicht aufzuteilen, obwohl<br />

auch hier schon ein Teil des Beitrages für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d ein anderer Teil für die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Verwalt<strong>un</strong>gsstellen<br />

bereitgestellt wurde. Und diese historische Geldvermeng<strong>un</strong>g<br />

ist die Ursache für alle Probleme im heutigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>,<br />

insbesondere bei der Arbeitsweise von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

Aktiengesellschaften. So schrieb DIE ZEIT im August 1985: "Die<br />

Kritik zieht immer größere Kreise. Zu Beginn des Jahres monierte<br />

auch Kartellamts-Direktor Siegfried Klaue einen Fehler im System.<br />

Dieses Prinzip macht die Vermeng<strong>un</strong>g von Kosten-, Risiko- <strong>un</strong>d<br />

Sparanteil in der Prämie möglich, die die Branche vorzugsweise als<br />

Preis bezeichnet. Nach dieser Definition müßte allerdings auch die<br />

Einzahl<strong>un</strong>g auf ein Konto der Preis für die Bankdienstleist<strong>un</strong>g sein."<br />

293


Seit Ende der siebziger Jahre habe ich in vielen Veröffentlich<strong>un</strong>gen<br />

die Prämientrenn<strong>un</strong>g gefordert. Dieser Forder<strong>un</strong>g haben sich<br />

mehrere Verbraucherorganisationen angeschlossen, so der Deutsche<br />

Verbraucherschutzverband (DVS), der im Jahre 1980 eine "Trenn<strong>un</strong>g<br />

des Preises für die Verwalt<strong>un</strong>gsdienstleist<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d der Prämie<br />

für die Versicher<strong>un</strong>g" vorschlägt. Die Arbeitsgemeinschaft der<br />

Verbraucherverbände (AgV) fordert im Jahre 1982: "Es sollte ernsthaft<br />

geprüft werden, ob eine Aufteil<strong>un</strong>g der (bisher <strong>un</strong>geteilten) <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

in einen reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag einerseits<br />

<strong>un</strong>d den Preis für die Dienstleist<strong>un</strong>gen des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens<br />

andererseits den gewünschten Erfolg bringen kann, daß nämlich<br />

die Unternehmen mit ihren kalkulierten Kosten <strong>un</strong>d Gewinnen<br />

auskommen müssen <strong>un</strong>d sich nicht aus den Überschüssen bedienen<br />

können." -<br />

Auch Wissenschaftler haben sich dieser Forder<strong>un</strong>g angeschlossen,<br />

so der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Klaus-Thomas Krycha:<br />

"Es ist zu fordern, daß die interne Kalkulation der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

auch nach außen offengelegt wird, damit der Verbraucher die<br />

Leist<strong>un</strong>g eines <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebes beurteilen<br />

kann. Es reicht nicht aus, zwar eine Genehmig<strong>un</strong>g der internen Kalkulation<br />

durch das Aufsichtsamt vorz<strong>un</strong>ehmen, ohne dabei die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaften<br />

zu verpflichten, diese Kalkulation auch in<br />

Form einer Preisangabe offenzulegen <strong>un</strong>d diese auch einzuhalten." -<br />

Und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Eike von Hippel vom<br />

Max-Planck-Institut für Ausländisches <strong>un</strong>d Internationales Privatrecht<br />

in Hamburg schreibt dazu im Jahre 1989 in der Juristenzeit<strong>un</strong>g:<br />

"Es ist inzwischen immer deutlicher geworden, daß die Kontrolle<br />

durch die Aufsichtsbehörde als Korrektiv nicht ausreicht. Es<br />

ist durchaus möglich, Transparenz <strong>un</strong>d Wettbewerb in der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zu verbessern, nämlich durch eine Verpflicht<strong>un</strong>g der<br />

Versicherer, ihre Prämien (nach Kosten-, Risiko- <strong>un</strong>d Sparanteil) so<br />

aufzuschlüsseln, daß der K<strong>un</strong>de mühelos erkennen kann, wieviel er<br />

für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>sschutz zahlt, wieviel er mit welcher Rendite<br />

anspart <strong>un</strong>d was die Dienstleist<strong>un</strong>gen des Unternehmens kosten. Eine<br />

solche Aufschlüssel<strong>un</strong>g der Prämie, für die der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

seit Jahren plädiert, ist entgegen den Behaupt<strong>un</strong>gen der Versicherer<br />

sehr wohl möglich." - - -<br />

Mit einer Prämientrenn<strong>un</strong>g wären alle <strong>wesen</strong>tlichen Mißstände<br />

<strong>un</strong>d Streitp<strong>un</strong>kte beseitigt: Die für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen bereitgestellten<br />

Versichertengelder wären - wie bei Banken - dem Zugriff der<br />

294


Unternehmen entzogen <strong>un</strong>d könnten nicht länger für einen Verlustausgleich<br />

im <strong>un</strong>ternehmerischen Bereich oder als Gewinne verwendet<br />

("ver<strong>un</strong>treut") werden. Durch die Angabe eines Dienstleist<strong>un</strong>gspreises<br />

wären erstmals die Voraussetz<strong>un</strong>gen für Wettbewerb um die<br />

eigentlichen Leist<strong>un</strong>gen von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Dienstleist<strong>un</strong>gsbetrieben<br />

geschaffen.<br />

Eine neue "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-/Dienstleist<strong>un</strong>gstheorie" tut not<br />

Um die richtige Problemstell<strong>un</strong>g für eine Lös<strong>un</strong>g des "lebendig begrabenen"<br />

Theorienstreites zu finden, muß von den Widersprüchen<br />

der "herrschenden" Theorien <strong>un</strong>d Praktiken zu <strong>un</strong>serer Rechts- <strong>un</strong>d<br />

Wirtschaftsordn<strong>un</strong>g ausgegangen werden. Da gibt es einmal die bisher<br />

<strong>un</strong>gelösten Rechtsfragen: kein Leist<strong>un</strong>gsaustausch <strong>un</strong>d keine<br />

Gegenleist<strong>un</strong>g für Versicherte, die nicht von einem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fall<br />

betroffen sind - keine vermögensrechtliche Zuordn<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gelder<br />

<strong>un</strong>d Prämienüberschüsse - keine Gewinnberechtig<strong>un</strong>g<br />

der Unternehmen hinsichtlich der Überschüsse aus dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-<br />

<strong>un</strong>d Sparbereich. Und da gibt es <strong>un</strong>geklärte wirtschaftstheoretische<br />

Fragen: Unvereinbarkeit der Arbeitsweise von Aktiengesellschaften<br />

mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechn<strong>un</strong>g - keine<br />

Preisangabe - kein Wettbewerb - kein Objektfaktor der Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>g<br />

- Geld für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen kann<br />

niemals ein Produktionsfaktor werden <strong>un</strong>d bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

zu Kosten führen.<br />

Entscheidend ist die Lös<strong>un</strong>g der wirtschaftstheoretischen<br />

Probleme<br />

Ausgangsp<strong>un</strong>kt für eine Lös<strong>un</strong>g ist nicht, wie viele meinen, die Analyse<br />

der rechtlichen, sondern der wirtschaftlichen Abläufe im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

- wie Prof. Reimer Schmidt im Jahre 1982 sagte:<br />

"Versicher<strong>un</strong>g ist ein primär ökonomisches Phänomen, das noch der<br />

juristisch einwandfreien Ausform<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Abwickl<strong>un</strong>g bedarf". - Die<br />

Volkswirtschaftliche Gesamtrechn<strong>un</strong>g sieht hier zwei getrennte<br />

Vorgänge: Versicher<strong>un</strong>g als Einkommensumverteil<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die Organisation<br />

dieses Umverteil<strong>un</strong>gsvorgangs als Dienstleist<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen.<br />

In der Aufteil<strong>un</strong>g dieser bisher einheitlich<br />

gesehenen Vorgänge liegt die Lös<strong>un</strong>g aller theoretischen <strong>un</strong>d praktischen<br />

Probleme im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>. Durch eine Trenn<strong>un</strong>g die-<br />

295


ser beiden Leist<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d ihre Zuordn<strong>un</strong>g einmal zu den Versicherten<br />

<strong>un</strong>d einmal zu den Unternehmen kommt z<strong>un</strong>ächst einmal die<br />

Übereinstimm<strong>un</strong>g mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechn<strong>un</strong>g<br />

zustande. Mit einer Vertragsaufteil<strong>un</strong>g muß auch die bisher als Einheit<br />

verstandene <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie aufgeteilt werden. Die reinen<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d Spargelder der Versicherten sind die bisher<br />

nicht vorhandenen "Objektfaktor" für die Unternehmensdienstleist<strong>un</strong>gen,<br />

die bearbeitet werden.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen sind gezw<strong>un</strong>gen, Preise für ihre<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gen anzugeben, die dann als Umsatz der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Dienstleist<strong>un</strong>gsbetriebe<br />

in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechn<strong>un</strong>g<br />

eingehen <strong>un</strong>d nicht länger "geschätzt" werden müssen.<br />

Die Forder<strong>un</strong>gen der Preisangaben-Verordn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d die Voraussetz<strong>un</strong>gen<br />

für einen Wettbewerb um wirklich ausgetauschte Dienstleist<strong>un</strong>gen<br />

sind erfüllt.<br />

Die Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, also ihre<br />

Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d ihre Bilanzen, müssen neu<br />

gestaltet werden. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d Spargelder müssen als<br />

treuhänderisch zu verwaltende Sondervermögen werden. Aus Beitragsüberschüssen<br />

wird Sicherheitskapital - ohne Steuerabzug - als<br />

Vermögen der Versicherten gebildet. Hier wäre für die Unternehmen<br />

- bei entsprechenden befristeten Zinszusagen - die Erwirtschaft<strong>un</strong>g<br />

von Zinsgewinnen möglich. Und nur die Dienstleist<strong>un</strong>gspreise<br />

<strong>un</strong>d Zinsüberschüsse dürfen als Umsatz des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmens<br />

in die Jahresabschlüsse übernommen werden. <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

sind keine Aufwend<strong>un</strong>gen der Gesellschaft mehr,<br />

sondern aus dem Sondervermögen umverteiltes Treuhandgeld. Eine<br />

aktuelle Bewert<strong>un</strong>g der stillen Reserven aus mit Versichertengeld<br />

betriebenen Kapitalanlagen ist wie bei allen anderen Kapitalanlagegesellschaften<br />

möglich. Solche Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gen sind nicht länger<br />

ein Tatort für Betrug <strong>un</strong>d Untreue. Übergriffe in vermengte Treuhandgelder<br />

sind nicht mehr möglich - weder bei Kostenüberschreit<strong>un</strong>gen<br />

noch für <strong>un</strong>gerechtfertigte Gewinne.<br />

Lös<strong>un</strong>g der rechtlichen Probleme<br />

Die praktische <strong>un</strong>d buch<strong>un</strong>gstechnische Trenn<strong>un</strong>g der wirtschaftlichen<br />

Abläufe teilt auch den bisher als Einheit verstandenen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag<br />

in zwei Verträge: den eigentlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vertrag,<br />

der zwischen den einzelnen Versicherten <strong>un</strong>d der Versicher-<br />

296


tengemeinschaft als dem eigentlichen "Versicherer" zustandekommt,<br />

<strong>un</strong>d einen entgeltlichen Geschäftsbesorg<strong>un</strong>gsvertrag, der zwischen<br />

dem einzelnen Versicherten <strong>un</strong>d dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

geschlossen wird mit dem Auftrag der Verwalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Umverteil<strong>un</strong>g<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge. Bei der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

kommt als dritter Vorgang noch ein Sparvertrag hinzu. Mit der<br />

Trenn<strong>un</strong>g der Vorgänge Versicher<strong>un</strong>g, Sparen <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>g ist<br />

hinsichtlich der Dienstleist<strong>un</strong>gen ein vollkommen gegenseitiger Vertrag<br />

zwischen dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d dem Versicherten<br />

gegeben. Gegenüber jedem Versicherten - auch denen, die keine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g erhalten - wird von den Unternehmen eine<br />

Gegenleist<strong>un</strong>g erbracht, insbesondere die Verwalt<strong>un</strong>g, Verteil<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Anlage des Versichertengeldes. Die Vermögensverhältnisse an<br />

den einzelnen Einzahl<strong>un</strong>gen des K<strong>un</strong>den wären geklärt. Nur der<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gspreis geht in die freie Verfügbarkeit, also in das Vermögen<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen über. Und nur hinsichtlich<br />

der Überschüsse aus diesen Preisen haben die Unternehmen eine<br />

Gewinnberechtig<strong>un</strong>g - nur bei konkreten Zinszusagen auch hinsichtlich<br />

der Zinsüberschüsse aus dem Versichertenvermögen.<br />

Lös<strong>un</strong>g der praktischen Probleme:<br />

Niedrigere <strong>un</strong>d gerechte Beiträge - Von der Hölle<br />

der Ausbeut<strong>un</strong>g in das Paradies der Transparenz<br />

Für den Verbraucher wird die Hölle der Ausbeut<strong>un</strong>g zu einem Paradies<br />

der Transparenz <strong>un</strong>d Beitragsgerechtigkeit. Sie würden endlich<br />

erkennen können, wofür sie eigentlich was bezahlen, vor allem was<br />

die Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen kosten, was der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

kostet <strong>un</strong>d wieviel Geld sie mit welcher Rendite ansparen.<br />

Die Prämientrenn<strong>un</strong>g würde einen klar abgegrenzten Dienstleist<strong>un</strong>gsbereich<br />

schaffen, den alle Unternehmen für die Erwirtschaft<strong>un</strong>g<br />

von Gewinnen nutzen könnten, wodurch gleichzeitig das Interesse<br />

der Unternehmen an Überschüssen im Bereich der Kfz-<br />

Pflichtversicher<strong>un</strong>g beseitigt wäre. Die bei den einzelnen Unternehmen<br />

- je nach Bestandszusammensetz<strong>un</strong>g - <strong>un</strong>terschiedlichen Überschüsse<br />

<strong>un</strong>d Unterdeck<strong>un</strong>gen im Bereich der Autoversicher<strong>un</strong>g<br />

könnten - wie in Japan - b<strong>un</strong>desweit ausgeglichen werden. Bei einer<br />

Versicher<strong>un</strong>g mit einer aufgeteilten Prämie wäre erstmals ein Tarifsystem<br />

zu verwirklichen, nach dem gleiche Pflichtversicherte gleiche<br />

Beiträge zahlen <strong>un</strong>d gleiche Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen erhalten. Die<br />

297


Regional- <strong>un</strong>d Beamtentarife könnten abgeschafft werden. Gleiches<br />

gilt für die private Krankenversicher<strong>un</strong>g. Auch hier könnten durch<br />

einen Ausgleich von Über- <strong>un</strong>d Unterdeck<strong>un</strong>gen sozial gerechtfertigte<br />

Beiträge eingeführt werden, zum Beispiel niedrigere Beiträge als<br />

bisher für Frauen. Beitragsfestsetz<strong>un</strong>g wäre nicht mehr die Aufgabe<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, die bisher Beitragsüberschüsse als<br />

ihren Gewinn ansahen, sondern die Beiträge <strong>un</strong>d Tarife müßten in<br />

vielen Bereichen durch die staatliche Aufsichtsbehörde festgesetzt<br />

werden - <strong>un</strong>ter Mitwirk<strong>un</strong>g von Versicherten-Vertretern.<br />

Bei Versicher<strong>un</strong>gen mit vorgeschriebener Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>g<br />

würde auch das Interesse an hochgeputschten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen<br />

versiegen, weil dementsprechend hohe Prämien nicht mehr zu<br />

"automatischen" Unternehmensgewinnen führen würden, die bisher<br />

in Prozenten von der Prämieneinnahme festgesetzt waren. Die Gesellschaften<br />

hätten eher ein Interesse, eine Versichertengemeinschaft<br />

mit niedrigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträgen zu verwalten. So würden auch<br />

mit Sicherheit <strong>un</strong>bedeutende Risiken <strong>un</strong>d Kleinschäden vom <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

ausgeschlossen <strong>un</strong>d Selbsbeteilig<strong>un</strong>gen für die Versicherten<br />

eingeführt werden, die die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge enorm<br />

reduzieren könnten. Durch den Wegfall der Schadenregulier<strong>un</strong>g von<br />

Kleinschäden würden die Kosten der Schadenregulier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d damit<br />

die Dienstleist<strong>un</strong>gspreise sinken. Der merkwürdige Zustand, daß bei<br />

den meisten Versicher<strong>un</strong>gen Zahl<strong>un</strong>gskürz<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d -ablehn<strong>un</strong>gen<br />

zu "Gewinnen" bei den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen führen, ist beseitigt.<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen können ihre Industriek<strong>un</strong>den<br />

beliebig begünstigen, aber nur über Nachlässe auf ihre Dienstleist<strong>un</strong>gspreise.<br />

Insgesamt würden also <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gspreise sinken <strong>un</strong>d es gäbe zu allen Versicher<strong>un</strong>gen<br />

Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen.<br />

Das Ende des Einfirmenvertreter-Systems<br />

Die bisher teuren Gesellschaften könnten sich bei einer Angabe ihrer<br />

Dienstleist<strong>un</strong>gspreise, die indirekt auch eine Offenleg<strong>un</strong>g der<br />

Vertriebskosten bedeutet, nicht länger ihre aufwendigen Einfirmenvertretersysteme<br />

<strong>un</strong>d Drückerkolonnen leisten, die - einschließlich<br />

der dazugehörigen Verwalt<strong>un</strong>g - zwei bis drei Jahresbeiträge der neu<br />

geworbenen Versicher<strong>un</strong>gen kosten. Ihre Interesse an langfristigen<br />

Bind<strong>un</strong>gen der Versicherten über Zehnjahresverträge wäre beseitigt,<br />

<strong>un</strong>d sie würden sich anstrengen müssen, ihre K<strong>un</strong>den durch günstige<br />

298


Dienstleist<strong>un</strong>gspreise zu werben <strong>un</strong>d durch einen guten Service langfristig<br />

an sich zu binden. Nur so sind auch die Voraussetz<strong>un</strong>gen dafür<br />

zu schaffen, daß bisher an Konzerne geknebelte Einfirmenvertreter<br />

zu <strong>un</strong>abhängigen Vermittlern <strong>un</strong>d Maklern werden - zum<br />

Wohle der Versicherten, die dann in den <strong>un</strong>abhängigen Vermittlern<br />

einen besseren oder zusätzlichen Interessenvertreter hätten, als es<br />

bisher das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> war.<br />

Klare Verhältnisse <strong>un</strong>d mehr Freiheit beim<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gssparen <strong>un</strong>d bei der privaten Kranken- <strong>un</strong>d<br />

Pflegeversicher<strong>un</strong>g<br />

Durch klare Vermögensverhältnisse <strong>un</strong>d die Prämienaufteil<strong>un</strong>g lösen<br />

sich vor allem auch alle Probleme in der Lebensversicher<strong>un</strong>g dadurch,<br />

daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen - wie Banken - für die<br />

Verwalt<strong>un</strong>g des Versichertengeldes von Zeit zu Zeit Zinszusagen<br />

machen müßten <strong>un</strong>d die Versicherten ohne Nachteile das Unternehmen<br />

wechseln könnten. Ihnen müßte bei Antragsstell<strong>un</strong>g - wie<br />

bei einem Bausparvertrag - ganz deutlich angegeben werden, welche<br />

Teile der ersten Zahl<strong>un</strong>gen die Gesellschaft für sich als Abschlußkosten<br />

beansprucht <strong>un</strong>d wieviel Geld auf das Konto des K<strong>un</strong>den<br />

geht. Das Rückkaufswertproblem bei vorzeitigen Kündig<strong>un</strong>gen wäre<br />

gelöst. Eine Steuerfreiheit für alternative langfristige Geldanlagen<br />

wäre leichter durchzusetzen <strong>un</strong>d würde die Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

dazu zwingen, bessere Renditen an ihre K<strong>un</strong>den weiterzugeben<br />

als bisher. Die ähnlich gelagerte Problematik bei den "Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen"<br />

der privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gen wäre beseitigt.<br />

Jeder Antragssteller könnte den in seinen Beitrag einkalkulierten<br />

Rückstell<strong>un</strong>gsteil erkennen. Und Privatversicherte könnten <strong>un</strong>ter<br />

Mitnahme ihres Rückstell<strong>un</strong>gsguthabens zu einem günstigeren Unternehmen<br />

wechseln (solange gleichbleibende Ges<strong>un</strong>dheitsverhältnisse<br />

es zulassen).<br />

Entspann<strong>un</strong>g des Verhältnisses staatliche Aufsicht <strong>un</strong>d<br />

Wettbewerb<br />

Das Spann<strong>un</strong>gsverhältnis "staatliche Aufsicht <strong>un</strong>d Wettbewerb" löst<br />

sich durch eine Aufteil<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s in einen Aufsichtsbereich<br />

"Versicher<strong>un</strong>g" <strong>un</strong>d einen <strong>un</strong>beaufsichtigten Wettbewerbsbereich<br />

"Dienstleist<strong>un</strong>gen". Der Regulier<strong>un</strong>gsbedarf eines so<br />

299


"geteilten" <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s besteht auf jeden Fall fort, nämlich<br />

für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>bereich - wegen der für "Versicher<strong>un</strong>g" notwendigen<br />

Versichertengemeinschaften, die keine Vertret<strong>un</strong>g bei den<br />

Gesellschaften besitzen. Diese Vertret<strong>un</strong>g der Versichertengemeinschaften<br />

<strong>un</strong>d die Kontrolle der endlich aussagekräftigen Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Bilanzen der Unternehmen könnte in <strong>wesen</strong>tlich vereinfachter<br />

Form das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt übernehmen.<br />

Das Aufsichtsamt müßte außerdem <strong>un</strong>ter Mitwirk<strong>un</strong>g qualifizierter<br />

Verbrauchervertreter alle mit dem Wesen der Versicher<strong>un</strong>g zusammenhängenden<br />

Probleme lösen - wie die Beding<strong>un</strong>gen, Tarife<br />

<strong>un</strong>d Beiträge festsetzen. Aufwendige Prämien-<br />

Genehmig<strong>un</strong>gsverfahren der Staatsaufsicht könnten entfallen. Eine<br />

genaue Kalkulation wäre nicht mehr erforderlich, weil die Beitragsüberschüsse<br />

Vermögen der Versicherten bleiben. Diese Überschüsse<br />

könnten als Reserve-Sondervermögen zurückgestellt, an die Versicherten<br />

zurückerstattet oder auf künftige Beiträge angerechnet werden.<br />

Jedermann weiß: <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>gen müssen mit dem<br />

Geld der Versicherten erbracht werden. Und so wird jeder vernünftige<br />

Verbraucher lieber einen sehr hoch kalkulierten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag<br />

vereinbaren, wenn er sicher sein kann, daß die Beitragsüberschüsse<br />

den Versicherten <strong>un</strong>d nicht irgendwelchen Aktionären zugute<br />

kommen. Und er wäre dumm, wenn er einen zu niedrigen Beitrag<br />

zahlen würde mit dem Risiko, im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>fall keine Leist<strong>un</strong>g<br />

zu erhalten. Für solche leichtsinnigen Verbraucher einen Versichertenschutzfonds<br />

oder Konkurssicher<strong>un</strong>gsfonds einzurichten, hat<br />

nichts mit Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d schon gar nichts mit Marktwirtschaft<br />

<strong>un</strong>d Wettbewerb zu t<strong>un</strong>. Genauso könnte man einen Steuerzahlerfonds<br />

fordern <strong>un</strong>d einrichten, aus dem die Steuern all derer entnommen<br />

werden, die ihr Geld verpraßt haben <strong>un</strong>d keine Steuern<br />

mehr zahlen können. Viel besser wäre es hier, für die Versicher<strong>un</strong>gen<br />

der privaten Haushalte einen staatlichen Ausgleichsfonds als Ersatz<br />

für die im Übermaß betriebene Rückversicher<strong>un</strong>g zu bilden, die<br />

die großen <strong>un</strong>d teuren Konzerne bisher auch noch für Gewinn- <strong>un</strong>d<br />

Vermögensverschieb<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d zur kartellartigen Durchsetz<strong>un</strong>g eines<br />

allgemein hohen Prämienniveaus mißbrauchen.<br />

300


Ein Schritt nach vorne (solange die Prämie <strong>un</strong>geteilt ist):<br />

die Staatsaufsicht zum F<strong>un</strong>ktionieren bringen<br />

Die Forder<strong>un</strong>g nach einer Prämientrenn<strong>un</strong>g könnte sich in den Bereichen<br />

der Lebens- <strong>un</strong>d Kfz-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g schon bald<br />

verwirklichen, wenn sich aufgr<strong>un</strong>d laufender Gerichtsverfahren oder<br />

aufgr<strong>un</strong>d politischen Drucks die Notwendigkeit einer enstprechenden<br />

gesetzgeberischen Maßnahme ergibt. In allen anderen Bereichen<br />

werden wir wohl noch eine Weile mit den alten Verhältnissen leben<br />

müssen. Solange aber die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämien nicht aufgeteilt sind<br />

<strong>un</strong>d Wettbewerb <strong>un</strong>d Vermögenszuordn<strong>un</strong>g <strong>un</strong>möglich sind, muß<br />

eine Aufsichtsbehörde diese F<strong>un</strong>ktionen ersetzen. Bei einer <strong>un</strong>geteilten<br />

Prämie ist das Prinzip der materiellen Staatsaufsicht <strong>un</strong>verzichtbar.<br />

D i e A u f s i c h t m u ß n u r f u n k t i o n i e r e n ! - Und<br />

ein weiterer Wettbewerbs-Ersatz sollte hinzukommen - <strong>un</strong>abhängige<br />

Vermittler bei kurzfristig kündbaren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträgen.<br />

Eine materielle Staatsaufsicht hat theoretisch die Möglichkeiten,<br />

die Nachteile des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s mit einer <strong>un</strong>geteilten Prämie<br />

durch entsprechende Eingriffe auszugleichen. Solange die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>prämie<br />

<strong>un</strong>geteilt ist, muß die staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht<br />

dringend reformiert werden. Insbesondere sollte die Mitwirk<strong>un</strong>g der<br />

Versicherten selbst ermöglicht <strong>un</strong>d dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt eine<br />

<strong>un</strong>abhängige <strong>un</strong>d mit qualifizierten Verbrauchervertretern besetzte<br />

Abteil<strong>un</strong>g angegliedert werden als Ombudsman <strong>un</strong>d Schiedsstelle für<br />

Schadenregulier<strong>un</strong>gen - wie in vielen anderen Ländern, insbesondere<br />

in Skandinavien. Eine solche mit Verbrauchervertretern besetzte<br />

Abteil<strong>un</strong>g sollte insbesondere auch bei der Entwickl<strong>un</strong>g von <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen<br />

mitwirken <strong>un</strong>d für die Verbraucher Informationen<br />

über die von ihr gemeinsam mit dem Aufsichtsamt <strong>un</strong>d den<br />

Unternehmen ermittelten reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge veröffentlichen.<br />

Dann würden - so lange die Prämien nicht aufgeteilt sind in<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beitrag <strong>un</strong>d Dienstleist<strong>un</strong>gspreis - durch einen Vergleich<br />

mit den Endprämien zumindest indirekt die "Preise" der Unternehmen<br />

für ihre Dienstleist<strong>un</strong>gen feststellbar sein. Hier ist auch<br />

die Forder<strong>un</strong>g der Deregulier<strong>un</strong>gskommission sehr vernünftig, daß<br />

die Aufsichtsbehörde mehr Informationen - zum Beispiel über hohe<br />

Kosten oder schlechte Kapitalanlageergebnisse - an die Öffentlichkeit<br />

weitergeben sollte. In den den USA werden solche "Consumer<br />

Shopping Guides" schon lange durch die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichtsbe-<br />

301


hörden (insurance commissioner) der einzelnen Staaten veröffentlicht.<br />

"Neue Köpfe braucht das ... <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>"<br />

Vielleicht sollten auch Köpfe, die bisher versagt haben, im Aufsichtsamt<br />

<strong>un</strong>d im vorgesetzten <strong>un</strong>d mitverantwortlichen B<strong>un</strong>desfinanzministerium<br />

ausgetauscht werden. Denn die Schöpfer des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-Gesetzes<br />

hatten schon zur Jahrh<strong>un</strong>dertwende<br />

erkannt: "Die Erfolge der öffentlichen Aufsichtsführ<strong>un</strong>g hängen in<br />

erster Linie von der richtigen Gestalt<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d der Tüchtigkeit der<br />

Aufsichtsbehörde ab. Würde dagegen die Ausüb<strong>un</strong>g der öffentlichen<br />

Aufsicht in <strong>un</strong>geeignete Hände gelegt, so würden die <strong>un</strong>leugbar vorhandenen<br />

Schattenseiten des Aufsichtssystems mit aller Schärfe in<br />

den Vordergr<strong>un</strong>d treten; die Durchführbarkeit <strong>un</strong>d Nützlichkeit des<br />

Systems würde dann überhaupt in Frage gestellt." - Deshalb sollte<br />

vielleicht auch im B<strong>un</strong>desfinanzministerium ein Versicherten-Beirat<br />

aus Verbraucherexperten <strong>un</strong>d <strong>un</strong>abhängigen Wissenschaftlern gebildet<br />

werden.<br />

Eine neue Form der Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g<br />

Der "Tatort Bilanz" <strong>un</strong>d "der Tatort Gewinn- <strong>un</strong>d Verlustrechn<strong>un</strong>g"<br />

müßten <strong>un</strong>tersucht <strong>un</strong>d die bisher offenen Wege des Betruges <strong>un</strong>d<br />

der Untreue versperrt werden durch neue Vorschriften über die<br />

Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>g. Die Gesellschaften müßten zu allen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>arten<br />

gegenüber dem Aufsichtsamt ihre internen Kalkulationen<br />

offenlegen. Die Trenn<strong>un</strong>g der Versicher<strong>un</strong>gen von privaten Haushalte<br />

<strong>un</strong>d gewerblichen Unternehmen müßte vorgeschrieben werden.<br />

In den USA erfolgt eine solche Trenn<strong>un</strong>g, in der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

zur Zeit noch nicht. Dadurch ist es den Gesellschaften möglich,<br />

Verluste bei den gewerblichen Versicher<strong>un</strong>gen durch Überschüsse -<br />

sprich: überteuerte Prämien - der Versicher<strong>un</strong>gen der privaten<br />

Haushalte auszugleichen. Dieser Verlustausgleich wird sich vermutlich<br />

aufgr<strong>un</strong>d eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs noch verstärken,<br />

wonach im Bereich der gewerblichen Versicher<strong>un</strong>gen bereits<br />

ein europäischer Konkurrenzkampf ingang gekommen ist.<br />

So schrieb DIE ZEIT vom Ende 1986: "BdV-Geschäftsführer<br />

Hans Dieter Meyer befürchtet: Die verstärkte Konkurrenz im Industriegeschäft<br />

könnte zu Lasten der privaten Haushalte gehen. Sie<br />

302


müßten wohl in nächster Zeit mit überhöhten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträgen<br />

mehr noch als bisher die <strong>un</strong>terkalkulierten Prämien <strong>un</strong>d die entsprechenden<br />

Verluste im Bereich der Industrieversicher<strong>un</strong>gen subventionieren.<br />

'Dieser Argwohn ist nicht abwegig', meint Wettbewerbshüter<br />

Freitag vom Kartellamt, seine Behörde werde die Entwickl<strong>un</strong>g<br />

auf dem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>markt jedenfalls aufmerksam verfolgen.<br />

Doch Meyer will mehr. Die Gesellschaften müßten private<br />

<strong>un</strong>d geschäftliche Versicher<strong>un</strong>gen im Jahresabschluß getrennt ausweisen,<br />

so wie es in den USA vorgeschrieben ist. Da beißt der Chef<br />

des Versichertenb<strong>un</strong>des bei den Gesellschaften auf Granit. Freiwillig<br />

wird sich die deutsche Assekuranz dazu sicherlich nicht breitschlagen<br />

lassen."<br />

Eine (horizontale) Trenn<strong>un</strong>g von privaten <strong>un</strong>d gewerblichen Versicher<strong>un</strong>gen<br />

kann für sich allein die gewünschte Wirk<strong>un</strong>g nicht erreichen,<br />

so lange es den "Verschiebebahnhof Rückversicher<strong>un</strong>g" gibt.<br />

Auf diesem Wege ist es möglich, Gelder innerhalb eines Konzerns<br />

beliebig hin- <strong>un</strong>d herzuschieben. Es ist also zu fordern, daß zumindest<br />

die Rückversicher<strong>un</strong>g für die privaten Versicher<strong>un</strong>gen staatlich<br />

beaufsichtigt, wenn nicht sogar - wie in vielen Ländern - durch den<br />

Staat betrieben wird, vor allem bei Pflichtversicher<strong>un</strong>g wie zur Kfz-<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g in Japan. Dadurch wäre den großen <strong>un</strong>d<br />

teuren Konzernen auch die Durchsetz<strong>un</strong>g eines allgemein hohen<br />

Prämienniveaus erschwert, weil sie dann die anderen Gesellschaften<br />

über die Rückversicher<strong>un</strong>g nicht mehr zur Anwend<strong>un</strong>g hoher Verbandstarife<br />

erpressen könnten. Die Beteilig<strong>un</strong>g aller Versicherten an<br />

den Wertsteiger<strong>un</strong>gen der Anlagen ihres Geldes müßte durch neue<br />

Rechn<strong>un</strong>gsleg<strong>un</strong>gs-Verordn<strong>un</strong>gen sichergestellt werden.<br />

Schluss mit den kriminellen Vermögensaussonder<strong>un</strong>gen!<br />

Den Deckmantel "Bestandsübertrag<strong>un</strong>g" zerreißen<br />

Verfass<strong>un</strong>gswidrige Vorschriften des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsichts-<br />

Gesetzes werden derzeit von den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen dazu<br />

mißbraucht, <strong>un</strong>zulässige Vermögensaussonder<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>ter dem<br />

Deckmantel einer Bestandsübertrag<strong>un</strong>g vorz<strong>un</strong>ehmen - so bei den<br />

Konzernumbauten der Allianz, Volksfürsorge, Victoria, R+V Versicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d des Deutschen Herold). Um derartige Vorgänge zu<br />

verhindern, sollten die Gesetzesregeln (§ 14 VAG) so gefaßt werden,<br />

daß Bestandsübertrag<strong>un</strong>gen nur <strong>un</strong>ter Übertrag<strong>un</strong>g des gesamten<br />

Unternehmensvermögens <strong>un</strong>d nur zum Zwecke der Sanier<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

303


Rationalisier<strong>un</strong>g zulässig sind. Dies insbesondere deshalb, weil eine<br />

Bestandsübertrag<strong>un</strong>g einen erheblichen Eingriff in die Vertragsrechte<br />

der Versicherten darstellt, deren Mitwirk<strong>un</strong>g oder Zustimm<strong>un</strong>g<br />

ausdrücklich ausgeschlossen ist. So meint auch Dr. Mudrack, Referatsleiter<br />

im B<strong>un</strong>desaufsichtsamt, in seinem mehrfach erwähnten<br />

Artikel, daß ein "Anlaß besteht, das geltende Recht der Bestandsübertrag<strong>un</strong>g<br />

zu überdenken".<br />

Beding<strong>un</strong>gsvielfalt durch Baustein-System<br />

Es sollte die Aufgabe einer Aufsichtsbehörde sein, stellvertretend<br />

Angebotsvielfalt für die Versicherten die Regeln zu entwickeln, nach<br />

denen eine Versichertengemeinschaft "f<strong>un</strong>ktioniert". Das sind vor<br />

allem die Beding<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>d die reinen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge. Hier<br />

sollten nicht länger die Unternehmensverbände die Statistiken erstellen,<br />

sondern das Aufsichtsamt <strong>un</strong>d danach auch die Gr<strong>un</strong>dbeiträge<br />

ermitteln <strong>un</strong>d veröffentlichen. Zur Beding<strong>un</strong>gsgenehmig<strong>un</strong>g ist<br />

durchaus der Vorschlag der Deregulier<strong>un</strong>gskommission brauchbar,<br />

daß jede Gesellschaft von der Behörde entwickelte <strong>un</strong>d genehmigte<br />

Gr<strong>un</strong>dbeding<strong>un</strong>gen anbieten müssen <strong>un</strong>d - jeweils mit entsprechenden<br />

Beitragsangaben - bausteinmäßig weitere Zusatzbeding<strong>un</strong>gen.<br />

Ein weiterer Schritt nach vorne (solange die Prämie<br />

<strong>un</strong>geteilt ist): Unabhängige Vermittler <strong>un</strong>d Makler<br />

als Wettbewerbsersatz<br />

Die Stell<strong>un</strong>g der Verbraucher <strong>un</strong>d Versicherten könnte ganz entscheidend<br />

- mehr noch als durch eine effektivere Staatsaufsicht -<br />

durch eine Förder<strong>un</strong>g der <strong>un</strong>abhängigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittl<strong>un</strong>g<br />

gefördert werden. Wenn schon wegen der <strong>un</strong>geteilten Prämie <strong>un</strong>d<br />

der entsprechenden Intransparenz Wettbewerb <strong>un</strong>möglich ist, sollte<br />

ein Art Wettbewerbsdruck wenigstens von denen ausgehen, die die<br />

Angebote <strong>un</strong>d Arbeitsweise der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen noch<br />

halbwegs über- <strong>un</strong>d durchschauen können. In der B<strong>un</strong>desrepublik<br />

gibt es derzeit aber fast nur an Konzerne geb<strong>un</strong>dene Einfirmenvertreter.<br />

Diese können ihre Vertreterverträge nicht kündigen, weil sie<br />

sonst keine Abfind<strong>un</strong>gen für ihren Bestand erhalten. Selbst wenn sie<br />

wieder bei Null anfangen wollen, können sie nicht einmal ihre K<strong>un</strong>den<br />

mitnehmen, weil diese an Zehnjahresverträge oder - im Falle<br />

einer Kündig<strong>un</strong>g - an verlustreiche Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

304


geknebelt sind. Die Lös<strong>un</strong>g des Problems ist also ganz einfach: Die<br />

Versicherten müssen - auch zu bestehenden Verträgen - ein jederzeitiges<br />

Kündig<strong>un</strong>gsrecht erhalten. Die Ausnahme der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>verträge<br />

von der im AGB-Gesetz geregelten Unwirksamkeit langfristiger<br />

Verträge ist zu streichen. Und die Rückkaufswertregel<strong>un</strong>g bei<br />

vorzeitiger Kündig<strong>un</strong>g von Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen muß geändert<br />

werden durch Abschaff<strong>un</strong>g des sogenannten "Zillmerverfahren",<br />

wonach sämtliche Provisionen <strong>un</strong>d Kosten mit den ersten Beiträgen<br />

verrechnet werden dürfen. Dann könnten die <strong>un</strong>abhängigen<br />

Vermittler von den Gesellschaften ständig günstige Beding<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d - auch <strong>un</strong>geteilte - Prämien "erpressen", indem sie mit einem<br />

Umschreiben ihrer Bestände auf ein anderes Unternehmen drohen.<br />

So würde zwar immer noch kein Wettbewerb herrschen, der von<br />

Entscheid<strong>un</strong>gen der Verbraucher ausgehen müßte, aber immerhin<br />

eine Art "Wettbewerbs-Druck".<br />

Kündig<strong>un</strong>gsfreiheit durch Abschaff<strong>un</strong>g der Zehnjahresverträge<br />

Die Abschaff<strong>un</strong>g der Zehnjahresverträge wäre das Ende des - für<br />

die Verbraucher - <strong>un</strong>heilvollen Einfirmenvertretersystems <strong>un</strong>d der<br />

legal betrügenden Drückerkolonnen. Bei leicht kündbaren Verträgen<br />

brauchen die Unternehmen auch keine Vertragsklauseln mehr, nach<br />

denen sie zu den Zehnjahresverträgen bisher ständig <strong>un</strong>d einseitig<br />

die Prämien erhöhen konnten. Das - noch - fehlende Widerrufsrecht<br />

für "Haustür-<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>geschäfte" würde an Bedeut<strong>un</strong>g verlieren,<br />

das aber wohl in nächster Zeit aufgr<strong>un</strong>d einer Initiative des<br />

B<strong>un</strong>desrates eingeführt werden wird.<br />

Für <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittler müßte eine Zulass<strong>un</strong>gsordn<strong>un</strong>g eingeführt<br />

werden mit strengen Haft<strong>un</strong>gsvorschriften - wie in England<br />

- für den Fall der offenk<strong>un</strong>digen Falschberat<strong>un</strong>g. Die Abgabe von<br />

Provisionen an K<strong>un</strong>den sollte zugelassen, also das zur Zeit bestehende<br />

Provisionsabgabe-Verbot aufgehoben werden. Es ist auch<br />

schon jetzt zu fordern, daß die Steuerfreiheit von Erträgen aus Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

mit mindestens zwölfjähriger Vertragsdauer<br />

entweder aufgehoben wird oder alle anderen langfristigen<br />

Geldanlagen mit gleichen Vergünstig<strong>un</strong>gen versehen werden. Das<br />

sollte <strong>un</strong>d müßte auch schon ohne Prämientrenn<strong>un</strong>g eingeführt<br />

werden. Aber die beste Insolvenzsicher<strong>un</strong>g, die beste Deregulier<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d die beste Voraussetz<strong>un</strong>g für Wettbewerb wäre die Prämientren-<br />

305


n<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d damit die Trenn<strong>un</strong>g der Bereiche "Versicher<strong>un</strong>g", "Sparen"<br />

<strong>un</strong>d "Dienstleist<strong>un</strong>gen der Unternehmen".<br />

Der Elfenbeinturm "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft" muss fallen<br />

Eine Forder<strong>un</strong>g habe ich mir bis zum Schluß aufgehoben - die Abschaff<strong>un</strong>g<br />

der sogenannten "<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft". Die Verdumm<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Ausbeut<strong>un</strong>g eines ganzen Volkes wäre nämlich nicht<br />

möglich durch die tatkräftige Mithilfe dieser - fast - gesamten Wissenschaftsdisziplin.<br />

Sie hat die <strong>un</strong>sinnigen Produktionstheorien geliefert,<br />

nach denen sich die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Aktiengesellschaften fast<br />

alle Prämienüberschüsse als Gewinne einstecken. Und sie hat die<br />

Schutztheorie für die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht entwickelt, wonach die<br />

staatliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>aufsicht - wie es in einem Geschäftsbericht<br />

des Gesamtverbandes der Deutschen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft heißt<br />

- "n<strong>un</strong> einmal darüber zu wachen hat, daß die Zahl<strong>un</strong>gsfähigkeit der<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen erhalten bleibt." Die Begründ<strong>un</strong>g wird<br />

an gleicher Stelle mitgeliefert: "Das Aufsichtsamt ist verpflichtet, jede<br />

Maßnahme der deutschen Assekuranz zu <strong>un</strong>terstützen, die diese<br />

braucht, um eine ganz entscheidende Verbesser<strong>un</strong>g des Prämienniveaus<br />

durchzuholen."<br />

Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaft ist im Gr<strong>un</strong>de eine Verhinder<strong>un</strong>gswissenschaft.<br />

Sie hat - wie Prof. Schmidt-Rimpler feststellt -<br />

Theorienstreitigkeiten "einem Friedhofsende zugeführt. Und sie hat<br />

- wie Prof. Mahr feststellt - der Tatsache, daß die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech<strong>un</strong>g als Verwalter<br />

von Treuhandgeldern dargstellt werden, "nicht die erforderliche<br />

Beacht<strong>un</strong>g gewidmet." -<br />

Goethes Kritik am Recht<br />

In der Beschlußkammer des Aufsichtsamtes, die über die Allianz-<br />

Konzerntrenn<strong>un</strong>g zu entscheiden hatte, saß auch ein etwas älterer<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wissenschaftler, Professor Rittner, der mich in der<br />

mündlichen Verhandl<strong>un</strong>g fragte, was ich denn eigentlich wollte. Das<br />

mit dem Kassieren der Prämienüberschüsse als Gewinn sei doch<br />

n<strong>un</strong> schon seit h<strong>un</strong>dert Jahren so. Nach dieser "hochwissenschaftlichen"<br />

Fragestell<strong>un</strong>g begab sich etwas wahrhaft Merkwürdiges:<br />

Ein Vorstandsmitglied des B<strong>un</strong>des der Versicherten hatte mich in<br />

die Beschlußkammersitz<strong>un</strong>g des Berliner Amtes begleitet. Nach der<br />

306


Sitz<strong>un</strong>g machten wir <strong>un</strong>s auf den Weg in Richt<strong>un</strong>g Kurfürstendamm<br />

<strong>un</strong>d diskutierten dabei über den wissenschaftlichen Starrsinn des<br />

Herrn Prof. Rittner: Da war doch etwas in der klassischen Literatur<br />

mit dem "das sei doch n<strong>un</strong> schon seit h<strong>un</strong>dert Jahren so". An einer<br />

Straßenecke am Ku'damm hatten wir die F<strong>un</strong>dstelle: Irgendwo in<br />

Goethes Faust. Wir landeten schließlich in einem Restaurant, wo die<br />

Speisekarten in antiquarische Bücher eingeb<strong>un</strong>den waren. Und ich<br />

erhielt eine Uralt-Ausgabe von - - - Goethes Faust, aufgeschlagen<br />

die Szene im Studierzimmer, wo Mephisto zu Faust sagt:<br />

Es erben sich Gesetz <strong>un</strong>d Rechte<br />

wie eine ew'ge Krankheit fort.<br />

Sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte<br />

<strong>un</strong>d rücken sacht von Ort zu Ort.<br />

Vern<strong>un</strong>ft wird Unsinn, Wohltat Plage:<br />

Weh Dir, wenn Du ein Enkel bist!<br />

Vom Rechte, das mit <strong>un</strong>s geboren ist,<br />

von dem ist leider nie die Frage.<br />

Die Regel<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>seres <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s, geboren im vorigen<br />

Jahrh<strong>un</strong>dert, sind schon seit Jahrzehnten Unsinn, <strong>un</strong>d der legale Betrug<br />

der Bürger ist eine Plage. Aber was soll's, meint die brancheneigene<br />

Wissenschaft, das ist doch n<strong>un</strong> schon seit h<strong>un</strong>dert Jahren so! -<br />

Demokratisier<strong>un</strong>g des <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>s -<br />

mehr Rechte <strong>un</strong>d mehr Mitwirk<strong>un</strong>g für die Versicherten<br />

Der B<strong>un</strong>d der Versicherten hatte große Hoffn<strong>un</strong>gen auf die Vereinig<strong>un</strong>g<br />

mit der DDR gesetzt; denn das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> ist dort<br />

viel einfacher <strong>un</strong>d besser geregelt ge<strong>wesen</strong> - mit einem jederzeitigen<br />

Kündig<strong>un</strong>gsrecht, relativ niedrigen Prämien <strong>un</strong>d Verwalt<strong>un</strong>gskosten<br />

von nur sechs Prozent. - Aber der Allianz-Adler hatte sich blitzartig<br />

wie ein Geier auf die Staatliche Versicher<strong>un</strong>g der DDR gestürzt.<br />

Und nach der Vereinig<strong>un</strong>g müßte auch für die ehemalige DDR <strong>un</strong>ser<br />

"<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> jenseits von Recht <strong>un</strong>d Wettbewerb"<br />

gelten, das in <strong>un</strong>serer "lobby-infizierten" Demokratie sicher nicht so<br />

schnell reformiert werden wird.<br />

Für die Mitgliederzeit<strong>un</strong>g des B<strong>un</strong>des der Versicherten hatte ich<br />

in einem Kommentar geschrieben: "Es ist ein Irrglaube, Politiker<br />

seien auf Seiten der Bürger. Die Wahrheit ist: Politiker stehen auf<br />

307


seiten derer, die Einfluß auf sie haben. Und Fehlentwickl<strong>un</strong>gen beseitigen<br />

sie erst, wenn der öffentliche Druck es erfordert. Es ist ganz<br />

natürlich, daß Politiker nicht von all dem etwas verstehen können,<br />

über das sie zu entscheiden haben. Sie brauchen Expertenwissen.<br />

Und an diesem P<strong>un</strong>kt wuchert das Krebsgeschwür einer jeden Demokratie<br />

- der Lobbyismus. Interessenvertret<strong>un</strong>gen sind <strong>un</strong>erläßlich<br />

für die politische Mein<strong>un</strong>gsbild<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d Entscheid<strong>un</strong>gsfind<strong>un</strong>g, haben<br />

aber leider sehr viel mit Geld zu t<strong>un</strong>. So können sich finanzstarke<br />

Branchen gewünschte Expertenmein<strong>un</strong>gen kaufen <strong>un</strong>d diese (ahn<strong>un</strong>gslosen)<br />

Politikern auf gemütlichen 'Parlamentarischen Abenden'<br />

als die Wahrheit beibringen. Verantwort<strong>un</strong>gslos ist, wenn Politiker<br />

nicht gleichzeitig mit Vertretern der Gegenmein<strong>un</strong>gen reden - in der<br />

Regel Verbrauchervertretern, die ihre Mein<strong>un</strong>g hinreichend artikulieren,<br />

aber nicht mit Geld garnieren können."<br />

Ich halte den in der B<strong>un</strong>desrepublik praktizierten "verschleierten"<br />

Lobbyismus für den größten Feind <strong>un</strong>serer Demokratie, für <strong>un</strong>seren<br />

Rechtsstaat <strong>un</strong>d für <strong>un</strong>sere soziale Marktwirtschaft. So hatte ich im<br />

Jahre 1988 an die Monopolkommission geschrieben: "Bei allen Untersuch<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Beurteil<strong>un</strong>gen sollten Sie das einführen, was in<br />

den USA die Regel ist: Jeder beteiligte oder angehörte Wissenschaftler<br />

muß dort offenlegen, ob <strong>un</strong>d in welcher Form er von der sogenannten<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>wirtschaft oder deren Verbänden direkt oder<br />

auch nur indirekt Mittel oder Vorteile erhält."<br />

So stellt auch die Deregulier<strong>un</strong>gskommission in ihrem ersten Bericht<br />

sehr richtig fest: "Das vermeintliche Markt- <strong>un</strong>d Wettbewerbsversagen<br />

ist in weit stärkerem Maße Politikversagen als vielen bewußt<br />

ist." - Politikversagen ist Demokratieversagen. Demokratieversagen<br />

ist ein komplexes - hier sogar konzertiertes - Versagen von<br />

Politikern <strong>un</strong>d Beamten <strong>un</strong>d der Wissenschaft, die - hier bewußt -<br />

nicht die richtigen Problemlös<strong>un</strong>gen anbietet <strong>un</strong>d zu falscher Gesetzgeb<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d Rechtsprech<strong>un</strong>g führt. Und schon haben wir wieder<br />

den Teufelskreis, der sich nur aufbrechen läßt durch mehr Mitwirk<strong>un</strong>g<br />

der Bürger in der Demokratie. Vor allem, wenn es - wie im<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> - um ihre eigenen Leist<strong>un</strong>gen geht ! - So schrieb<br />

auch Johannes Gross im Januar 1990 in "impulse": "Für <strong>un</strong>s könnte<br />

der Weg zur Vereinig<strong>un</strong>g mit einer neuen, vom Volk beschlossenen<br />

Verfass<strong>un</strong>g auch eine Chance zur Reform bedeuten - mehr Rechte<br />

für das Volk <strong>un</strong>d weniger für die Parteien <strong>un</strong>d die alteingesessenen<br />

Großinteressen." - So würde ein Volksentscheid zur Frage "Prämientrenn<strong>un</strong>g<br />

- ja oder nein?" mit Sicherheit eine Mehrheit der Ja-<br />

308


Stimmen von 99 Prozent ergeben. Dagegen wäre nur ein Prozent<br />

des Volkes - die Branche, ihre Wissenschaftler <strong>un</strong>d vielleicht einige<br />

Beamte aus dem B<strong>un</strong>desfinanzministerium <strong>un</strong>d dem B<strong>un</strong>desaufsichtsamt.<br />

309


KAPITEL 11<br />

Private Versicher<strong>un</strong>gen<br />

Dieses Kapitel ist eine Kurzfass<strong>un</strong>g aus dem im Heyne-Verlag erschienenen<br />

Ratgeber Versicher<strong>un</strong>g.<br />

Durch Information, Überprüf<strong>un</strong>g bestehender Versicher<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Neugestalt<strong>un</strong>g Ihres <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutzes können Sie Jahr für<br />

Jahr etliche tausend Mark mehr verfügbares Einkommen erzielen.<br />

Nehmen Sie als Beispiel nur die folgenden Vergleiche: Eine private<br />

Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g kann man für <strong>un</strong>ter 50 Mark Jahresbeitrag<br />

abschließen. Die teuerste Gesellschaft verlangt 150 Mark. Eine Unfallversicher<strong>un</strong>g<br />

können Sie mit einem Jahresbeitrag von 350 Mark<br />

abschließen. Die teuerste Gesellschaft verlangt 1000 Mark - fast das<br />

Dreifache. Und für eine Familienversorg<strong>un</strong>g über eine Risiko-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g können Sie im Jahr 500 Mark bezahlen. Über<br />

eine Kapitalversicher<strong>un</strong>g müßten Sie dafür vielleicht 5.000 Mark aufwenden.<br />

Alles bei völlig gleichem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz.<br />

Der B<strong>un</strong>d der Versicherten schreibt in seinem Prospekt: "Die<br />

B<strong>un</strong>desbürger verlieren viel Geld durch falsche <strong>un</strong>d zu teure Versicher<strong>un</strong>gen.<br />

Und sie sind trotzdem schlecht versichert. Das eigentliche<br />

Problem ist, daß die meisten davon nichts ahnen." Und dann<br />

werden die <strong>wesen</strong>tlichen Fehler der Versicherten aufgezählt:<br />

� "Sie haben falsche Lebensversicher<strong>un</strong>gen (mit Sparvorgang) bei<br />

falschen Gesellschaften (mit schlechter Rendite) <strong>un</strong>d zahlen dafür<br />

zu hohe Beiträge.<br />

� Sie haben - trotz hoher Beitragszahl<strong>un</strong>gen - keine ausreichende<br />

Familienversorg<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d keinen oder nur einen <strong>un</strong>zureichenden<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz für den Fall der Berufs<strong>un</strong>fähigkeit.<br />

� Sie haben noch keine Risikolebensversicher<strong>un</strong>g zur Famlienversorg<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d keine selbständige Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g,<br />

die ein Zehntel der herkömmlichen Kapitalversicher<strong>un</strong>g kostet.<br />

� Sie haben zu teure Versicher<strong>un</strong>gen (Haftpflicht, Hausrat, Unfall,<br />

Auto) - meistens mit zu langer zehnjähriger Laufzeit.<br />

� Sie sind oft <strong>un</strong>terversichert (Hausrat, Unfall).<br />

� Sie haben erhebliche Lücken im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz, zahlen aber<br />

hohe Beiträge für weniger wichtige Versicher<strong>un</strong>gen (wie zum<br />

Beispiel für Rechtsschutz).<br />

310


� Sie haben viel Geld verloren <strong>un</strong>d verlieren weiterhin viel Geld -<br />

ohne es zu wissen (auch durch eine falsche Altersversorg<strong>un</strong>g über<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen)."<br />

Eine Überprüf<strong>un</strong>g bestehender Versicher<strong>un</strong>gen lohnt sich vor allem<br />

deshalb, weil die privaten Versicher<strong>un</strong>gen vom Privateinkommen zu<br />

bezahlen sind <strong>un</strong>d, sofern die Prämien nicht <strong>un</strong>ter den Sonderausgabenabzug<br />

fallen, auch noch vom versteuerten Einkommen. Es sind<br />

außerdem nicht nur die einmaligen Beträge, die beim Abschluß von<br />

falschen <strong>un</strong>d zu teuren Versicher<strong>un</strong>gen umsonst oder zuviel bezahlt<br />

werden, sondern die Jahr für Jahr zuviel aufgewendeten Beiträge, die<br />

sich auf Dauer zu einem Riesenverlust addieren. Falsche <strong>un</strong>d zu teure<br />

Versicher<strong>un</strong>gen sollten also so schnell wie möglich gekündigt werden.<br />

Das Problem mit dem Kleingedruckten<br />

Zu den privaten Versicher<strong>un</strong>gen muß man nicht <strong>un</strong>bedingt das<br />

"Kleingedruckte" kennen. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen werden<br />

behördlich genehmigt <strong>un</strong>d sind für die Versicher<strong>un</strong>gen der privaten<br />

Haushalte nahezu völlig gleich - außer bei den privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gen.<br />

Wenn Sie eine Versicher<strong>un</strong>g abschließen wollen, läßt<br />

sich an den Beding<strong>un</strong>gen nichts ändern. Sie müssen sie als Spielregeln<br />

hinnehmen oder auf den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz verzichten. An<br />

fünf Beispielen soll gezeigt werden, was hinter den wichtigsten Versicher<strong>un</strong>gen<br />

steckt, <strong>un</strong>d wie einfach es wäre oder ist, den Verbrauchern<br />

dieses Gr<strong>un</strong>dwissen zu vermitteln.<br />

Private Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g<br />

Um zu vermeiden, daß auf Sie - als Privatperson - zukommende<br />

Schadenersatzansprüche zu einem finanziellen Ruin führen, müssen<br />

Sie eine private Haftpflichtversicher<strong>un</strong>g abschließen. Diese zahlt im<br />

Schadensfall in der Regel bis zu zwei Millionen Mark. Der Jahresbeitrag<br />

kostet bei einer günstigen Versicher<strong>un</strong>g nur etwa 70 Mark. Teure<br />

Gesellschaften verlangen bis zu 150 Mark im Jahr.<br />

311


Hausratversicher<strong>un</strong>g<br />

(Feuer, Einbruch, Leit<strong>un</strong>gswasser, Sturm)<br />

Bei Hausratversicher<strong>un</strong>gen können zu langfristigen Verträgen Prämiensenk<strong>un</strong>gen<br />

möglich sein durch Vereinbar<strong>un</strong>g neuer Beding<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d Prämien, die neuerdings nach Zonen berechnet werden <strong>un</strong>d<br />

in einigen Gebieten erheblich gesenkt worden sind. Der Prämiensatz<br />

für die Zonen I <strong>un</strong>d II sollte nicht über 1,07 DM je 1.000 Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

liegen (einschließlich Fahrraddiebstahl). Bei Wohn<strong>un</strong>gen<br />

in Ball<strong>un</strong>gsgebieten nördlich der Mainlinie müssen um die 2<br />

Mark gezahlt werden. Das gilt für Orte mit den Postleitzahlen 1000,<br />

2000-2087, 2100-2107, 2200-2209, 2350-2359, 2400-2409, 2800-<br />

2808, 2820-2822, 2870-2879, 3000-3017, 4000-4156, 4200-4236,<br />

4250-4270, 4300, 4330-4390, 4600-4690, 5000-5100, 5200-5216,<br />

6000-6078, 6230-6246, 6370-6384, 6450-6458.<br />

Unfallversicher<strong>un</strong>g<br />

Ein Unfall mit nachfolgender Invalidität kann die finanzielle Lage<br />

eines jeden drastisch verschlechtern. Das gilt auch für Unfälle von<br />

Kindern <strong>un</strong>d Hausfrauen, wel deren Arbeits<strong>un</strong>fähigkeit lebenslange<br />

Unterhaltsaufwend<strong>un</strong>gen erfordern kann. Die Unfallversicher<strong>un</strong>g<br />

zahlt einen Kapitalbetrag - je nach der Höhe der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

<strong>un</strong>d dem Grad der Invalidität. Eine Entschädig<strong>un</strong>g von<br />

225.000 Mark im Falle der Vollinvalidität braucht nur 80 Mark im<br />

Jahr zu kosten (für Kinder etwa 60 Mark). Teure Gesellschaften verlangen<br />

bis zum Vierfachen.<br />

Bei der Unfallversicher<strong>un</strong>g bestimmen Sie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe,<br />

<strong>un</strong>d zwar nach dem finanziellen Bedarf, den Sie zur Aufrechterhalt<strong>un</strong>g<br />

Ihres Lebensstandards brauchen, falls Sie durch eine<br />

Unfall-Invalidität Einkommenseinbußen erleiden. Faustregel: Die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe sollte etwa das Fünffache des Jahreseinkommens<br />

betragen. Wer Unfallversicher<strong>un</strong>gen abschließt, um damit eventuelle<br />

Unterhaltsaufwend<strong>un</strong>gen für Kinder oder den Ehegatten<br />

abzudecken, muß für je 1000 Mark Monatsrente einen Kapitalbetrag<br />

von etwa 200.000 Mark versichern. Es ist meistens nicht angebracht,<br />

Versicher<strong>un</strong>gen zum Ausgleich einer Inflation dynamisch abzuschließen<br />

in der Weise, daß sich die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe regelmäßig<br />

erhöht. Besser ist es, von Beginn an hohe <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summen<br />

zu vereinbaren, weil dann der Vorsorgebedarf am höchsten ist, der<br />

312


mit z<strong>un</strong>ehmendem Alter durch steigende Versorg<strong>un</strong>gsansprüche<br />

<strong>un</strong>d durch steigendes Vermögen geringer wird. Die anfangs hohen<br />

Summem müßten demnach eher fallen, was aber nach den Erfahr<strong>un</strong>gen<br />

der letzten Jahrzehnte die Inflation besorgte. Bei Unfallversicher<strong>un</strong>gen<br />

gilt, daß man sich zusätzlich benötigten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

über eine zweite Versicher<strong>un</strong>g bei einem günstigeren Unternehmen<br />

verschaffen kann.<br />

Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g<br />

Das gleiche Ziel wie die Unfallversicher<strong>un</strong>g, nämlich Geldzahl<strong>un</strong>g<br />

im Falle der Invalidität, verfolgt auch die Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g<br />

- mit zwei Abweich<strong>un</strong>gen: statt Kapital wird eine monatliche<br />

Rente gezahlt, <strong>un</strong>d das nicht nur bei Invalidität durch Unfall,<br />

sondern auch bei dauernder Arbeits<strong>un</strong>fähigkeit durch Krankheit.<br />

Dafür ist sie auch teurer. Sie kann am günstigsten in Verbind<strong>un</strong>g mit<br />

einer Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g abgeschlossen werden, die man<br />

meistens immer braucht - für die Absicher<strong>un</strong>g von Krediten oder<br />

zur Familienversorg<strong>un</strong>g. Eine Monatsrente von 1000 Mark bei einer<br />

Berufs<strong>un</strong>fähigkeit ab fünfzig Prozent in Verbind<strong>un</strong>g mit einer Lebensversicher<strong>un</strong>gssumme<br />

von 100.000 Mark kostet für 25- bis<br />

40jährige Männer oder Frauen einen Jahresbeitrag von etwa 600 bis<br />

800 Mark. Hier sollte eine Monatsrente in der Höhe versichert werden,<br />

daß bei einer Berufs<strong>un</strong>fähigkeit die Lücke zwischen Renten <strong>un</strong>d<br />

Vermögenserträgen ausgefüllt wird. Diese Lücke ist in j<strong>un</strong>gen Jahren<br />

besonders groß, da Rentenansprüche <strong>un</strong>d Vermögen gering, oft<br />

gleich Null sind. Als grobe Faustregel daher: ein Drittel bis zur Hälfte<br />

des monatlichen Nettoeinkommens als Monatsrente versichern.<br />

Die Inflationier<strong>un</strong>g der versicherten Rente wird im allgemeinen<br />

durch z<strong>un</strong>ehmende Rentenansprüche oder steigendes Vermögen<br />

ausgeglichen. Für den Fall der Rentenzahl<strong>un</strong>g ist allerdings eine<br />

ständige Erhöh<strong>un</strong>g der Renten vertraglich vorgesehen.<br />

Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

Durch den vorzeitigen Tod des Ernährers einer Familie kann sich<br />

die finanzielle Lage der Hinterbliebenen drastisch verschlechtern. Es<br />

empfiehlt sich daher, eine Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g abzuschließen,<br />

die im Todesfall einen hohen Kapitalbetrag auszahlt. Ein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

über 100.000 Mark kostet für dreißig- bis vierzigjährige<br />

313


Männer - je nach Laufzeit des Vertrages - zwischen 220 bis 430<br />

Mark pro Jahr, für Frauen nur 170 bis 290 Mark. Eine "Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zur zusätzlichen Altersversorg<strong>un</strong>g" kann zehnmal so teuer<br />

werden.<br />

Empfehlenswert ist die Kombination von Risikolebens- <strong>un</strong>d Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g<br />

in einem Vertrag. Sie bringt eine Beitragsersparnis<br />

von etwa zwanzig Prozent. Die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

der Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g sollte danach festgelegt werden, wieviel<br />

Geld die Familie zusätzlich zu Erträgen aus Vermögen <strong>un</strong>d zu<br />

Sozial- oder Betriebsrenten braucht, um wenigstens bis zum Ende<br />

der Ausbild<strong>un</strong>g der Kinder finanziell über die R<strong>un</strong>den zu kommen.<br />

Als Faustregel zur Ermittl<strong>un</strong>g der Lebensversicher<strong>un</strong>gssumme gilt:<br />

Sind noch kleinere Kinder in der Familie, das Fünffache, bei älteren<br />

Kindern <strong>un</strong>d für die Versorg<strong>un</strong>g der Ehefrau ohne Kinder das Drei-<br />

bis Vierfache eines Brutto-Jahreseinkommens. Eine weitere Faustregel:<br />

200.000 Mark ergeben eine Monatsrente von 1.000 Mark. Eventuelle<br />

Inflationseinwirk<strong>un</strong>gen, die die Erträge aus der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g<br />

schmälern, müßten durch einen Kapitalverzehr ausgeglichen<br />

werden. Auch hier ist eine dynamische Erhöh<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

nicht <strong>un</strong>bedingt zu empfehlen, weil auch hier - wie zur<br />

Unfall- <strong>un</strong>d Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g - in j<strong>un</strong>gen Jahren ein<br />

hoher Versorg<strong>un</strong>gsbedarf besteht, der mit z<strong>un</strong>ehmendem Alter bei<br />

steigenden Versorg<strong>un</strong>gsansprüchen, bei steigendem Vermögen <strong>un</strong>d<br />

mit z<strong>un</strong>ehmendem Alter von Kindern immer geringer wird. In den<br />

letzten Jahrzehnten hat die Inflation für eine entsprechende Entwert<strong>un</strong>g<br />

der anfangs hohen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summen gesorgt.<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen sind nur in den Fällen zu empfehlen,<br />

die in den folgenden Abschnitten beschrieben sind. Die Beiträge<br />

sind bei allen Gesellschaften in etwa gleich, doch gibt es erhebliche<br />

Unterschiede bei der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g, die ein Plus von Zehntausenden<br />

von Mark bei der Auszahl<strong>un</strong>g zum Vertragsablauf ausmachen<br />

können.<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g zum Steuersparen<br />

Die Rendite einer Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g ist steuerfrei. Doch<br />

gibt es auch andere steuerfreie Renditen (Wertsteiger<strong>un</strong>gen aus<br />

314


Wertpapieren, Gr<strong>un</strong>dbesitz usw.). So hat zum Beispiel ein Aktienfonds<br />

in den letzten zwanzig Jahren eine jährliche Rendite nach<br />

Steuern von 13,6 Prozent erbracht.<br />

Lohnend beim Abschluß einer Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g ist die<br />

Abzugsfähigkeit der Lebensversicher<strong>un</strong>gsbeiträge von der Steuer im<br />

Rahmen der Sonderausgaben. Doch diesen Steuervorteil - von vielen<br />

Vertretern oft auf blauen D<strong>un</strong>st versprochen - können nur noch<br />

wenige B<strong>un</strong>desbürger nutzen, denn die Höhe der abzugsfähigen<br />

Sonderausgaben ist begrenzt <strong>un</strong>d von vielen Steuerzahlern bereits<br />

ausgeschöpft (bei Arbeitnehmern durch die Sozialversicher<strong>un</strong>gsbeiträge).<br />

Außerdem verändern sich die Sonderausgaben laufend (auch<br />

durch Gesetz, wie Anfang 1986, als der Sonderausgabenbetrag für<br />

Kinder gestrichen wurde).<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen bringen bei steuerlicher Abzugsfähigkeit<br />

der Beiträge die höchste Rendite, je kürzer ihre Laufzeit ist.<br />

Also sollten sie nur mit der kürzesten Laufzeit von zwölf Jahren abgeschlossen<br />

werden, die für die Anerkenn<strong>un</strong>g als Sonderausgabe gefordert<br />

wird. Nach zwölf Jahren kann man weitersehen <strong>un</strong>d eine<br />

neue Lebensversicher<strong>un</strong>g, bei einer zwischenzeitlichen Erkrank<strong>un</strong>g<br />

eventuell als Rentenversicher<strong>un</strong>g abschließen.<br />

Wer zusätzlichen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz zur Familienversorg<strong>un</strong>g<br />

benötigt, sollte daneben eine Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>g abschließen<br />

(siehe oben). Altersversorg<strong>un</strong>g hat überhaupt nichts mit einer Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zu t<strong>un</strong>, sondern ist ein reines Vermögensbild<strong>un</strong>gs-<br />

<strong>un</strong>d Geldanlageproblem. Das mietfreie Wohnen ist für Ihr Alter eine<br />

bessere Versorg<strong>un</strong>g als eine inflationierte Kapital-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g.<br />

Sonderausgabenhöchstbeiträge<br />

(1)<br />

Vorweg-<br />

Alleinstehend<br />

Verheiratet<br />

Abzug<br />

6000 Mark<br />

12000 Mark<br />

(2)<br />

Voll<br />

Absetzbar<br />

2610 Mark<br />

5220 Mark<br />

(3)<br />

Zur Hälfte<br />

absetzbar<br />

2610 Mark<br />

5220 Mark<br />

Arbeitnehmer, müssen den Vorwegabzug (1) um die Beitragsanteile<br />

kürzen, die der Arbeitgeber für sie zur Rentenversicher<strong>un</strong>g zahlt.<br />

Weitere Sonderausgaben sind: Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicher<strong>un</strong>g<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge zu<br />

a) Auto-Haftpflichtversicher<strong>un</strong>gen<br />

315


) private Haftpflichtversicher<strong>un</strong>gen aller Art<br />

c) Unfallversicher<strong>un</strong>gen<br />

d) Kranken- <strong>un</strong>d Kranken-Zusatzversicher<strong>un</strong>gen<br />

e) Risiko-Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

f) Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>gen<br />

Einzahl<strong>un</strong>gen in Bausparverträge<br />

Bei der Festleg<strong>un</strong>g der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe für eine "Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

zum Steuernsparen" gehen Sie von dem Beitrag aus,<br />

der über zwölf Jahre noch in den Rahmen Ihrer abzugsfähigen Sonderausgaben<br />

paßt. Sind dies beispielsweise 2000 Mark, dann wird die<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe bei einer Laufzeit von zwölf Jahren etwa 12 x<br />

2000 Mark = 24 000 Mark sein.<br />

Sind Sie etwa fünfzig Jahre alt, sollten Sie als versicherte Person<br />

Ihres Lebensversicher<strong>un</strong>gsvertrages vielleicht ein Kind einsetzen,<br />

um nicht zu hohe Beitragsanteile für den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz des<br />

vorzeitigen Todes zu verlieren, den Sie kaum noch brauchen. Vielleicht<br />

sollten Sie über eine Lebensversicher<strong>un</strong>g zum Steuersparen<br />

auch Ihren Ehegatten versichern. Sie können auch eine Rentenversicher<strong>un</strong>g<br />

abschließen.<br />

Private Rentenversicher<strong>un</strong>g<br />

Die Rentenversicher<strong>un</strong>g ist im Gr<strong>un</strong>de ein steuerbegünstigter Sparvertrag,<br />

bei dem keine Beiträge für einen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz für<br />

den Fall des vorzeitigen Todes gezahlt werden. Dadurch ist die Rendite<br />

einer Rentenversicher<strong>un</strong>g - gerade bei höherem Eintrittsalter -<br />

meist günstiger als die Rendite einer Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g.<br />

Bei einer Rentenversicher<strong>un</strong>g werden bei vorzeitigem Tod nur die<br />

eingezahlten Beiträge plus Gewinn an die Erben gezahlt. Rentenversicher<strong>un</strong>gen<br />

können deshalb auch noch Kranke abschließen.<br />

Vermögensbildende Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

Diese Form der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g wird nicht mehr durch<br />

Sparzulagen gefördert, sollte also nicht mehr abgeschlossen werden.<br />

Bestehende Versicher<strong>un</strong>gen sollten auf eine Vertragsdauer von insgesamt<br />

zwölf Jahren verkürzt oder nach zwölf Jahren Laufzeit gekündigt<br />

werden.<br />

316


Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g in Verbind<strong>un</strong>g mit Darlehen<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gshypothek, betriebliche Finanzier<strong>un</strong>gen<br />

Die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g kann sich auch steuermindernd<br />

auswirken, wenn sie für die Tilg<strong>un</strong>g eines betrieblichen Darlehens<br />

oder zur Finanzier<strong>un</strong>g für vermieteten Gr<strong>un</strong>dbesitz verwendet wird.<br />

Sie zahlen dann für das Darlehen nur Zinsen, aber keine Tilg<strong>un</strong>g, die<br />

durch das Ansparen der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beiträge <strong>un</strong>d die Auszahl<strong>un</strong>g<br />

der <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>leist<strong>un</strong>g bei Vertragsablauf erfolgt (Verrechn<strong>un</strong>gsabkommen).<br />

Sie zahlen über die gesamte Laufzeit Zinsen auf den<br />

vollen Darlehensbetrag. Diese hohe Zinsbelast<strong>un</strong>g kann aber als<br />

Ausgabe (betrieblich oder für vermieteten Gr<strong>un</strong>dbesitz) abgesetzt<br />

werden, während sich in der Lebensversicher<strong>un</strong>g steuerfreie Überschüsse<br />

ansammeln.<br />

Für die Finanzier<strong>un</strong>g von selbstbewohntem Gr<strong>un</strong>dbesitz ist diese<br />

Konstruktion allerdings <strong>un</strong>sinnig, weil man die Tilg<strong>un</strong>g für ein Darlehen<br />

mit einem Effektivzins von ne<strong>un</strong> Prozent nicht mit einer Rendite<br />

von <strong>un</strong>ter sechs Prozent ansparen sollte. Diese Rechn<strong>un</strong>g geht<br />

nur auf, wenn die oben beschriebenen Vorteile der Absetzbarkeit<br />

von Schuldzinsen hinzukommen.<br />

Wenn ein Verrechn<strong>un</strong>gsabkommen sinnvoll ist, sollte das Darlehen<br />

nur zu einem Teil abgedeckt werden in der Weise, daß nach Ablauf<br />

der Lebensversicher<strong>un</strong>g die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe + Überschüsse<br />

den Darlehensbetrag erreichen. Daneben sollte eine sogenannte<br />

Restschuld-Risikolebensversicher<strong>un</strong>g abgeschlossen werden, die sehr<br />

billig ist <strong>un</strong>d deren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe jährlich in der Weise abnimmt,<br />

wie die eingezahlten Beträge <strong>un</strong>d Überschüsse aus der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

das Darlehen z<strong>un</strong>ehmend abdecken.<br />

Folgende Hinweise sollten beachtet werden: Bei einer Aufgabe<br />

des Betriebes oder Berufs, bei einer Scheid<strong>un</strong>g, bei einem Hausverkauf<br />

oder auch bei einer Änder<strong>un</strong>g der Steuergesetze kann man <strong>un</strong>ter<br />

Umständen mit einer sinnlosen Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g dasitzen,<br />

die nur <strong>un</strong>ter großen Verlusten aufgehoben werden kann. Eine<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft, die niedrige Zinsen anbietet, erzielt<br />

logischerweise auch niedrige Überschüsse. Wer Fehler gemacht hat,<br />

sollte sich in einer Zeit niedriger Zinsen bei mehreren Banken <strong>un</strong>d<br />

seinem Steuerberater über eine Umschuld<strong>un</strong>g informieren.<br />

317


Direktversicher<strong>un</strong>g (durch Gehaltsumwandl<strong>un</strong>g)<br />

Die Direktversicher<strong>un</strong>g ist eine Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g, die der<br />

Arbeitgeber, im Rahmen der betrieblichen Altersversorg<strong>un</strong>g für den<br />

Arbeitnehmer abschließt. Das heißt: Beitragszahler ist der Betrieb,<br />

Versicherter ist der Arbeitnehmer. Auf alle Leist<strong>un</strong>gen aus dieser<br />

Versicher<strong>un</strong>g hat der Arbeitnehmer einen direkten Anspruch, bei<br />

vorzeitigem Tod seine Hinterbliebenen. Der Vorteil einer solchen<br />

Vereinbar<strong>un</strong>g: Der Arbeitnehmer bzw. sein Arbeitgeber zahlt für das<br />

umgewandelte Gehalt nur 15 Prozent Steuern. Es gibt aber eine Reihe<br />

von Voraussetz<strong>un</strong>gen, die zu beachten sind, vor allem:<br />

� Vertragspartner <strong>un</strong>d Beitragszahler muß der Betrieb sein.<br />

� Der Lebensversicher<strong>un</strong>gsbeitrag darf in der Regel 3.000 Mark im<br />

Jahr nicht übersteigen.<br />

� Die Versicher<strong>un</strong>g muß mindestens bis zum 60. Lebensjahr des<br />

versicherten Arbeitnehmers laufen.<br />

� Ansprüche aus der Versicher<strong>un</strong>g dürfen während des<br />

Dienstverhält nisses weder übertragen noch abgetreten oder beliehen<br />

werden.<br />

Auch die Direktversicher<strong>un</strong>g ist nur eine Frage der Rendite. Diese<br />

Form der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g lohnt sich nur für Arbeitnehmer,<br />

die sehr viel verdienen <strong>un</strong>d etwa um die vierzig Jahre <strong>un</strong>d<br />

älter sind. Lassen Sie sich hier nicht durch verkappte Vermittler in<br />

der Buchhalt<strong>un</strong>g Ihres Betriebes an irgendein <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen<br />

vermitteln; denn auch hier gilt, daß sich die Lebensversicher<strong>un</strong>gsgesellschaften<br />

zwar nicht in den Beiträgen <strong>un</strong>terscheiden, doch<br />

ganz erheblich in der Überschußbeteilig<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d vor allem bei der<br />

Rückzahl<strong>un</strong>g von Beiträgen im Falle der vorzeitigen Aufheb<strong>un</strong>g des<br />

Vertrages.<br />

Der letzte P<strong>un</strong>kt ist bei der Direktversicher<strong>un</strong>g besonders wichtig:<br />

denn wenn Sie nach fünf oder zehn Jahren den Arbeitgeber<br />

wechseln, dann fällt Ihnen der Wert Ihrer Direktversicher<strong>un</strong>g zu.<br />

Und der ist eben bei den einzelnen Lebensversicher<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>ternehmen<br />

bei vorzeitiger Vertragsaufheb<strong>un</strong>g sehr <strong>un</strong>terschiedlich <strong>un</strong>d differiert<br />

um Tausende von Mark. Bei einer Vereinbar<strong>un</strong>g mit Ihrem<br />

Arbeitgeber über den Abschluß der Direktversicher<strong>un</strong>g müssen Sie<br />

<strong>un</strong>bedingt darauf achten, in welcher ein <strong>un</strong>widerrufliches Bezugsrecht<br />

für Sie <strong>un</strong>d Ihre Hinterbliebenen festgelegt ist.<br />

318


Krankentagegeldversicher<strong>un</strong>g<br />

Selbständige oder gutverdienende Angestellte können einen erheblichen<br />

Einkommensverlust erleiden, wenn sie längere Zeit durch<br />

Krankheit oder Unfall arbeits<strong>un</strong>fähig sind. Sie brauchen eine Krankentagegeldversicher<strong>un</strong>g,<br />

die den Einkommensausfall abdeckt (vor<br />

allem auch freiwillig in einer Krankenkasse Versicherte, die nur ein<br />

Krankengeld erhalten würden, das der jeweiligen Beitragsbemess<strong>un</strong>gsgrenze<br />

entspricht: in 1990 einem Monatsgehalt von etwa 4800<br />

Mark). Zehn Mark Krankentagegeld ab vierter Krankheitswoche<br />

kosten für dreißig- bis vierzigjährige Männer etwa 4,30 bis 5,50 Mark<br />

im Monat (ab siebter Woche nur noch 2,10 bis 3,10 Mark), für Frauen<br />

gleichen Alters 4,90 bis 6,60 Mark ab vierter Woche (ab siebter<br />

Woche nur noch zwei bis drei Mark im Monat). Aus den Beitragsangaben<br />

wird schon deutlich, daß man das Tagegeld splitten <strong>un</strong>d nach<br />

verschiedenen Karenzzeiten staffeln sollte. Voraussetz<strong>un</strong>g für die<br />

Zahl<strong>un</strong>g eines Kranken-Tagegeldes ist ein tatsächlicher Verdienst-<br />

oder Einkommensausfall in entsprechender Höhe, so daß bei Überversicher<strong>un</strong>g,<br />

Gehaltsfortzahl<strong>un</strong>g oder Arbeitslosigkeit kein Anspruch<br />

besteht.<br />

Private Kranken- <strong>un</strong>d Pflegeversicher<strong>un</strong>g<br />

Im Zusammenhang mit der Krankenversicher<strong>un</strong>g ist es schwer,<br />

demjenigen Ratschläge zu erteilen, der vor der Frage steht "freiwillig<br />

in der Krankenkasse oder privat versichern?" Vor dieser Frage stehen<br />

oft j<strong>un</strong>ge gutverdienende Angestellte oder Selbständige, die sich<br />

- oft noch als Ledige - für den halben Krankenkassenbeitrag privat<br />

versichern können. Diese Entscheid<strong>un</strong>g läßt sich aber so einfach<br />

nicht rechnen. Als Familienvater <strong>un</strong>d im Rentenalter kann die private<br />

Krankenversicher<strong>un</strong>g wieder erheblich teurer sein als die gesetzliche.<br />

Nach einem Austritt aus der Krankenkasse gibt es jedenfalls in<br />

der Regel kein Zurück.<br />

Der Wechsel zur privaten Krankenversicher<strong>un</strong>g ist z<strong>un</strong>ächst eine<br />

Frage der Ges<strong>un</strong>dheit, weil Privatversicherte den Ausschluß von<br />

Vorerkrank<strong>un</strong>gen hinnehmen müssen. Außerdem stellt sich die Frage<br />

der Lebens- <strong>un</strong>d Familienplan<strong>un</strong>g, weil nicht berufstätige Ehegatten<br />

<strong>un</strong>d Kinder über die Krankenkasse beitragsfrei mitversichert<br />

sind, zu privaten Versicher<strong>un</strong>gen aber alle einen gesonderten Beitrag<br />

zahlen müssen. Und schließlich ist die Krankenversicher<strong>un</strong>g im Al-<br />

319


ter zu bedenken, die als private Versicher<strong>un</strong>g sehr teuer werden<br />

kann, weil sie nicht vom Einkommen abhängt, während die Krankenkassen<br />

nur einen enkommensabhängigen Beitrag erheben. Neutrale<br />

Information ist hier besonders wichtig.<br />

Beiträge zu privaten Krankenversicher<strong>un</strong>gen lassen sich nur<br />

schwer miteinander vergleichen. Zum einen gibt es Leist<strong>un</strong>gs<strong>un</strong>terschiede<br />

<strong>un</strong>d <strong>un</strong>terschiedliche Selbstbeteilig<strong>un</strong>gen. Darüber hinaus<br />

erschweren Beitragsrückerstatt<strong>un</strong>gen von mehreren Monatsbeiträgen<br />

einen Vergleich. Ungewiß ist auch, inwieweit Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

in die Beiträge einkalkuliert sind, durch die die Beiträge im Alter<br />

subventioniert werden sollen. Zu geringe Alter<strong>un</strong>gsrückstell<strong>un</strong>gen<br />

lassen einen gegenwärtigen Beitrag zwar günstig erscheinen, führen<br />

aber im Alter zwangsläufig zu kräftigen Beitragserhöh<strong>un</strong>gen (siehe<br />

Seite XX).<br />

Es gibt nicht das günstigste Unternehmen. Die Beiträge werden<br />

nach dem Eintrittsalter, Geschlecht <strong>un</strong>d jeweiligen Tarif erhoben<br />

<strong>un</strong>d sind sehr <strong>un</strong>terschiedlich. Sie können außerdem bei steigenden<br />

Aufwend<strong>un</strong>gen nach Genehmig<strong>un</strong>g durch das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt<br />

für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> in <strong>un</strong>terschiedlicher Weise erhöht werden.<br />

Selbstbeteilig<strong>un</strong>gen führen oft zu höheren Beitragseinspar<strong>un</strong>gen,<br />

als die selbst zu zahlenden Rechn<strong>un</strong>gen ausmachen. Angestellte<br />

können mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren, daß dieser die Hälfte der<br />

tatsächlich aufgewendeten Selbstbeteilig<strong>un</strong>g als Arbeitgeberanteil<br />

übernimmt.<br />

Wohngebäudeversicher<strong>un</strong>g<br />

In vielen Gebieten des B<strong>un</strong>desgebietes ist die Feuerversicher<strong>un</strong>g von<br />

Gebäuden Pflicht <strong>un</strong>d muß bei Monopolgesellschaften abgeschlossen<br />

werden. Bei der sonst üblichen verb<strong>un</strong>denen Wohngebäudeversicher<strong>un</strong>g<br />

(gegen Feuer, Sturm, Leit<strong>un</strong>gswasser <strong>un</strong>d Hagel) als "gleitenden<br />

Neuwertversicher<strong>un</strong>g" wird der Neubauwert des Hauses<br />

(ohne Gr<strong>un</strong>dstückskosten) zurückgerechnet auf einen Wert 1914<br />

(angenommene Baukosten des Jahres 1914) <strong>un</strong>d vervielfacht mit<br />

dem jeweiligen Baukostenindex (1990 etwa 15,3) <strong>un</strong>d zur Beitragsbemess<strong>un</strong>g<br />

mit einem b<strong>un</strong>desweiten Durchschnittsfaktor als Prämien-Richtzahl<br />

(1990 etwa 19,1). Das Einfachste: Den gegenwärtigen<br />

Neubaupreis für das Gebäude ermitteln <strong>un</strong>d diesen Wert dem<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen mitteilen. Die Gesellschaften übernehmen<br />

dann die Umrechn<strong>un</strong>g auf den "Wert 1914" <strong>un</strong>d können später<br />

320


ei einem Schaden keine Unterversicher<strong>un</strong>g geltend machen, wenn<br />

der Wert richtig war, der als aktueller Neubauwert ermittelt <strong>un</strong>d dem<br />

Unternehmen mitgeteilt wurde. Ein günstiger Prämiensatz sollte bei<br />

etwa 0,55 bis 0,60 DM je 1000 Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe liegen bei<br />

Versicher<strong>un</strong>g gegen Feuer, Sturm, Leit<strong>un</strong>gswasser, Hagel.<br />

Mietverlustversicher<strong>un</strong>g<br />

Wer Mieteinnahmen aus Vermiet<strong>un</strong>g an gewerbliche Mieter hat, sollte<br />

sich diese Versicher<strong>un</strong>g anbieten lassen. Sie ersetzt die nach einem<br />

Schadenfall entgangene Miete. Mietverlust aus Wohn<strong>un</strong>gen ist bis zu<br />

einem Jahr über die Gebäudeversicher<strong>un</strong>g mitversichert.<br />

<strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz selbst gestalten - kein Problem<br />

Wollen Sie Ihren <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz selbst gestalten, so müssen<br />

Sie nach folgendem Schema verfahren:<br />

� Schreiben Sie mehrere der am Ende dieses Buches aufgeführten<br />

günstigen Unternehmen oder eine ihrer Geschäftsstellen in Ihrer<br />

Nähe an. Fordern Sie zu den Versicher<strong>un</strong>gen, die Sie abschließen<br />

wollen, Informationsmaterial <strong>un</strong>d Antragsformulare an.<br />

� Vergleichen Sie das Informationsmaterial <strong>un</strong>d die Beiträge <strong>un</strong>d<br />

entscheiden Sie sich für die günstigste Versicher<strong>un</strong>g. Wenn Sie<br />

mit einem Makler oder <strong>un</strong>abhängigen Vermittler zusammenarbeiten,<br />

legen Sie ihm die Unterlagen mit der Bitte um eine Stell<strong>un</strong>gnahme<br />

<strong>un</strong>d Gegenschläge vor.<br />

� Zu Versicher<strong>un</strong>gen, deren Annahme <strong>un</strong>gewiß ist (zum Beispiel<br />

bei Lebens-, Berufs<strong>un</strong>fähigkeits- <strong>un</strong>d Krankenversicher<strong>un</strong>gen<br />

wegen Vorerkrank<strong>un</strong>gen), sollten gleichzeitig Probe-Anträge bei<br />

mehrern Gesellschaften gestellt werden, indem im Antragsformular<br />

vor das Wort "Antrag" das Wort "Probe-" geschrieben wird.<br />

Der Antragsteller ist an einen Probeantrag nicht geb<strong>un</strong>den, wohl<br />

aber die Gesellschaft an ihr verbindliches Angebot, das sie aufgr<strong>un</strong>d<br />

des Probeantrages abgibt.<br />

Haben Sie Schwierigkeiten, können Sie sich von Verbraucherorganisationen<br />

wie zum Beispiel als Mitglied im B<strong>un</strong>d der Versicherten,<br />

beraten lassen, der gegen Einsend<strong>un</strong>g eines Freiumschlags auch Adressen<br />

von <strong>un</strong>abhängigen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>vermittlern nachweist. Diese<br />

als gemeinnützig anerkannte Interessenvertret<strong>un</strong>g hat im übrigen ein<br />

321


Computerberat<strong>un</strong>gsprogramm für private Versicher<strong>un</strong>gen entwickelt,<br />

das nach Ihren individuellen Daten den bestehenden <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz<br />

beurteilt (Broschüre mit eingeheftetem Fragebogen gegen<br />

Einsend<strong>un</strong>g von einer 1-Mark-Briefmarke vom B<strong>un</strong>d der Versicherten,<br />

Postfach 1, 2359 Henstedt-Ulzburg 1).<br />

Wie aus falschen <strong>un</strong>d teuren Versicher<strong>un</strong>gen rauskommen?<br />

Sie können Versicher<strong>un</strong>gen, die viel Geld kosten - wie die Kraftfahrzeug-<br />

<strong>un</strong>d Lebensversicher<strong>un</strong>g - jedes Jahr kündigen. Sie können<br />

außerdem andere Versicher<strong>un</strong>gen - außer Glas- <strong>un</strong>d Rechtsschutzversicher<strong>un</strong>gen<br />

- innerhalb eines Monats nach jeder Schadenzahl<strong>un</strong>g<br />

kündigen, entweder mit sofortiger Wirk<strong>un</strong>g oder - damit kein Beitrag<br />

verloren geht - zum Ablauf der bezahlten <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>periode. Eine<br />

Kündig<strong>un</strong>g zum Vertragsablauf muß spätestens drei Monate vor<br />

dem Ablaufdatum erfolgt sein.<br />

Bei Lebensversicher<strong>un</strong>gen gibt es neuerdings ein zehntägiges<br />

Rücktrittsrecht. Sie müssen außerdem sechs Wochen nach der Unterschrift<br />

policiert sein, sonst können Sie vom Antrag zurücktreten.<br />

Im übrigen kann man eine Lebensversicher<strong>un</strong>g jederzeit aufheben,<br />

indem man die ersten oder spätere Beiträge nicht zahlt (auch wenn<br />

in den Beding<strong>un</strong>gen steht, wenigstens der erste Jahresbeitrag müsse<br />

entrichtet werden). Das B<strong>un</strong>desaufsichtsamt für das <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong><br />

hat die Gesellschaften angewiesen, Lebensversicher<strong>un</strong>gsbeiträge<br />

nicht einzuklagen. Daran hatlen sich fast alle Unternehmen,<br />

auch wenn sie bis zuletzt versuchen, die Versicherten mit massiven<br />

Klagedroh<strong>un</strong>gen einzuschüchtern.<br />

Wenn eine <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>gesellschaft die Erstprämie zu einer<br />

Versicher<strong>un</strong>g nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit (Übersend<strong>un</strong>g<br />

der Police) gerichtlich geltend gemacht hat, gilt dies als<br />

Rücktritt vom Vertrag.<br />

Bei einigen Versicher<strong>un</strong>gen - so z. B. bei Wohngebäudeversicher<strong>un</strong>gen<br />

- kann man während einer langfristigen Dauer mit den Gesellschaften<br />

über Prämien verhandeln. Für ein normales Wohnhaus<br />

sollte der Prämiensatz pro 1.000 Mark <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe nicht<br />

über 60 Pfennige liegen. Holen Sie sich zu einer teuren langfristigen<br />

Versicher<strong>un</strong>g ein günstigeres Gegenangebot ein <strong>un</strong>d legen Sie dieses<br />

Ihrer Gesellschaft mit der ebenso höflichen wie dringenden Bitte um<br />

Prämiensenk<strong>un</strong>g vor.<br />

322


Lassen Sie sich nicht durch Beitragsnachlässe zur Unterschrift<br />

<strong>un</strong>ter einen Zehnjahresvertrag verleiten. Diese Versicher<strong>un</strong>g ist<br />

höchstwahrscheinlich doppelt oder dreifach zu teuer. Sie müssen<br />

damit rechnen, daß demnächst eine ganze Reihe Gesellschaften mit<br />

neuen <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>formen - zum Beispiel mit hohen Selbstbeteilig<strong>un</strong>gen<br />

<strong>un</strong>d niedrigen Beiträgen - auf den deutschen Makrt kommen<br />

werden. Sie sollten sich die Freiheit zum Wechseln erhalten.<br />

Wie aus falschen Lebensversicher<strong>un</strong>gen herauskommen?<br />

Laufzeit verkürzen<br />

Wenn Sie langfristige Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen haben, deren<br />

Beiträge sich nicht steuermindernd auswirken (Sonderausgabenabzug,<br />

Gehaltsumwandl<strong>un</strong>g oder in Verbind<strong>un</strong>g mit Darlehen) sollten<br />

Sie <strong>un</strong>ter Berücksichtig<strong>un</strong>g Ihrer Ges<strong>un</strong>dheitsverhältnisse prüfen, ob<br />

es nicht günstiger ist,<br />

1. den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>schutz auf eine Risikolebensversicher<strong>un</strong>g<br />

(evtl. mit Berufs<strong>un</strong>fähigkeitszusatz) umzustellen <strong>un</strong>d danach<br />

2. die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g in der Laufzeit zu verkürzen.<br />

Fragen Sie zu einer bestehenden Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g bei<br />

Ihrer Gesellschaft an:<br />

- Wie groß ist der Rückkaufswert (Auszahl<strong>un</strong>g im jetzigen Zeitp<strong>un</strong>kt?)<br />

- Bitte machen Sie mir ein Angebot auf Verkürz<strong>un</strong>g der Laufzeit<br />

auf insgesamt zwölf Jahre ab Beginn (oder zum frühestmöglichen<br />

Zeitp<strong>un</strong>kt) - bei gleichem Beitrag. Wie hoch wäre nach der Laufzeitverkürz<strong>un</strong>g<br />

die voraussichtliche Ablaufleist<strong>un</strong>g?<br />

Wenn Sie diese Werte von Ihrer Gesellschaft erhalten haben,<br />

können Sie <strong>un</strong>ter Zuhilfenahme von Zinseszins-Tabellen leicht ausrechnen,<br />

ob die sofortige Aufheb<strong>un</strong>g (Rückkauf) oder eine Laufzeitverkürz<strong>un</strong>g<br />

für Sie das bessere Geschäft ist. Der B<strong>un</strong>d der Versicherten<br />

hat hierfür ein entsprechendes Computerprogramm. Eine<br />

Laufzeitverkürz<strong>un</strong>g ist in der Regel immer zu empfehlen, wenn die<br />

Versicher<strong>un</strong>g bereits fünf oder sechs Jahre besteht. Sie ist nicht zu<br />

empfehlen, wenn Verträge kurz vor dem Ablauf stehen.<br />

Lebensversicherte, die in nächster Zeit sechzig Jahre alt werden,<br />

sollten ihre Lebensversicher<strong>un</strong>g nur auf das 65. Lebensjahr verkürzen,<br />

weil sie diese im Alter sechzig ohne Stornoverlust aufheben<br />

323


können, wenn die Restlaufzeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt (sogenannte<br />

Abrufphase).<br />

Kündig<strong>un</strong>g, Beitragsfreistell<strong>un</strong>g<br />

Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen können jedes Jahr gekündigt werden.<br />

Wurden Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen in letzter Zeit abgeschlossen,<br />

ist meistens die sofortige Kündig<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d sofortige Einstell<strong>un</strong>g der<br />

Beitragszahl<strong>un</strong>g zu empfehlen. Nach den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>beding<strong>un</strong>gen<br />

soll der Versicherte zwar den ersten Jahresbeitrag voll zahlen. Doch<br />

hat das Aufsichtsamt die Gesellschaften angewiesen, Erstbeiträge<br />

nicht einzuklagen. So erhalten Aussteiger zwar böse Drohbriefe, die<br />

man jedoch im Papierkorb ablegen kann. Möglich ist auch eine Beitragsfreistell<strong>un</strong>g,<br />

aber nicht empfehlenswert, weil der Versicherte<br />

dann bis zum Vertragsablauf - also meistens noch lange - auf sein in<br />

der Versicher<strong>un</strong>g angesammeltes Geld warten muß. Beitragsfreistell<strong>un</strong>gen<br />

empfehlen sich in der Regel erst nach einer Laufzeitverkürz<strong>un</strong>g.<br />

Wenn Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen fortgeführt werden<br />

(eventuell auch mit verkürzter Laufzeit),Unfallzusatz ausschließen<br />

(was jederzeit möglich ist): Eine zusätzliche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe<br />

für den Fall des Unfalltodes kostet über eine Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

meistens mehr als das Doppelte im Vergleich zu einer günstigen Unfallversicher<strong>un</strong>g.<br />

Das Aufsichtsamt hat solche Kalkulationen zugelassen.<br />

Dynamik ausschließen (was jederzeit möglich ist): Durch die Dynamik<br />

erhöhen sich laufend <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe <strong>un</strong>d Beitrag. Die<br />

Rendite dynamischer Lebensversicher<strong>un</strong>gen ist besonders schlecht,<br />

weil jede Erhöh<strong>un</strong>g wie ein Neuabschluß behandelt <strong>un</strong>d aus den Erhöh<strong>un</strong>gsbeiträgen<br />

erst nach zwei bis drei Jahren ein Sparkapital für<br />

den Versicherten gebildet wird. Auch das hat das Aufsichtsamt zugelassen.<br />

Darauf sollten Sie während der Laufzeit<br />

von Lebensversicher<strong>un</strong>gen achten<br />

Überprüfen Sie regelmäßig, ob Sie für Ihre Familie einen ausreichenden<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gsschutz besitzen. Gegebenenfalls soll-<br />

324


ten Sie weitere Berufs<strong>un</strong>fähigkeits- <strong>un</strong>d Risiko-<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>gen abschließen. Überprüfen Sie regelmäßig, ob<br />

die Beiträge zu Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen noch in den Rahmen<br />

der voll abzugsfähigen Sonderausgaben passen. Ist dies nicht der<br />

Fall, lassen Sie die <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>summe <strong>un</strong>d den Beitrag entsprechend<br />

herabsetzen. Überprüfen Sie das Bezugsrecht. Das ist die<br />

Vereinbar<strong>un</strong>g, wem das Geld aus der Lebensversicher<strong>un</strong>g ausgezahlt<br />

werden soll - erstens: im Erlebensfall, zweitens: im Todesfall.<br />

Policendarlehen: Sie könnten Ihre Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

jederzeit beleihen, weil sie zu einem Großteil Ihre Sparbeiträge enthält.<br />

Diese Beleih<strong>un</strong>g ist jedoch nur möglich bis zur Höhe des angesammelten<br />

Deck<strong>un</strong>gskapitals, das die Gesellschaft aus Ihren Sparbeiträgen<br />

gebildet hat. Das Policendarlehen kostet Sie - zusätzlich zu<br />

den laufenden Beiträgen - Zinsen, die etwa dem Kapitalmarktzins<br />

für dinglich abgesicherte Darlehen entsprechen.<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g - Geldanlage -<br />

Wiederanlage von ausgezahlten Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g<br />

Wer sich über seine bisher erworbenen Ansprüche aus der gesetzlichen<br />

Rentenversicher<strong>un</strong>g oder eine Weiterversicher<strong>un</strong>g informieren<br />

möchte, sollte sich an einen Rentenberater wenden (siehe Branchenfernsprechbuch<br />

<strong>un</strong>ter "Rentenberater").<br />

Altersversorg<strong>un</strong>g ist ein reines Geldanlageproblem, hat also<br />

nichts - wie fast alle Menschen glauben - mit Versicher<strong>un</strong>g <strong>un</strong>d<br />

schon gar nichts mit der Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g zu t<strong>un</strong>. Die<br />

einzige <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>art, die für die Altersversorg<strong>un</strong>g eine Rolle<br />

spielt, ist die Berufs<strong>un</strong>fähigkeitsversicher<strong>un</strong>g, die das Ansparen für<br />

das Alter absichert für den Fall, daß man durch Berufs<strong>un</strong>fähigkeit<br />

kein Einkommen mehr erarbeiten kann. Ansonsten kommen alle<br />

<strong>un</strong>ten - beispielhaft - genannten Geldanlagemöglichkeiten als Instrument<br />

für eine zusätzliche Altersversorg<strong>un</strong>g in Frage.<br />

Worum sich jeder bemühen sollte, ist eine eigene Wohn<strong>un</strong>g im<br />

Alter. Das muß nicht <strong>un</strong>bedingt das große Haus sein, im dem man<br />

mit den Kindern gelebt hat. Das kann auch eine "gebrauchte" Eigentumswohn<strong>un</strong>g<br />

sein, die man beizeiten - auch als Hauseigentümer -<br />

kauft <strong>un</strong>d noch abvermietet (das bringt Steuervorteile). Im Alter hat<br />

man als Inhaber einer schön gelegenen Eigentumswohn<strong>un</strong>g weniger<br />

325


Kosten <strong>un</strong>d weniger Arbeit <strong>un</strong>d ist vermutlich in bezug auf Reisen<br />

auch flexibler. Die Miete, die man dann nicht mehr zu zahlen<br />

braucht, gleicht in etwa den Einkommensverlust aus, den man im<br />

Alter gegenüber seinem früheren Nettoeinkommen hinnehmen<br />

muß. Am günstigsten ist es (aus steuerlichen Gründen), "gebrauchte"<br />

Eigentumswohn<strong>un</strong>gen <strong>un</strong>renoviert zu kaufen <strong>un</strong>d diese dann<br />

selbst instandzusetzen - möglichst in Ruhe, ohne Makler <strong>un</strong>d ohne<br />

sonstige Vermittler.<br />

Geldanlage<br />

Unsere soziale Martkwirtschaft hat eine Haken: Wer dumm ist, dar<br />

betrogen werden. So arbeiten viele Unternehmen <strong>un</strong>d Institutionen<br />

sowie ihre Vertreter <strong>un</strong>d "Berater" nach der Devise: Unwissenheit ist<br />

der billigste Rohstoff, aus dem Geld gemacht werden kann. Geld ist<br />

im Gr<strong>un</strong>de "in Papier verpackte Arbeit". Beim Verdienen ist es noch<br />

gar nichts wert, sondern erst beim Ausgeben oder Anlegen. Leider<br />

haben nur wenige Verbraucher überhaupt Lust, sich über Gelddinge<br />

oder Versicher<strong>un</strong>gen zu informieren - sehr zur Freude der Geldinstitute<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen <strong>un</strong>d vieler anderer, die hierzulande<br />

von der Unwissenheit der Verbraucher in Gelddingen profitieren.<br />

Es gibt folgende Geldanlagemöglichkeiten:<br />

a) Sparen für Anfänger <strong>un</strong>d Bequeme (Sparbuch, langfristige Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>gen)<br />

b) Sparen <strong>un</strong>d Geldanlagen für Fortgeschrittene (zum Beispiel Immobilien-<br />

oder Investmentfonds <strong>un</strong>d Gr<strong>un</strong>dbesitz)<br />

c) Geldanlage für Experten (zum Beispiel Wertpapiere)<br />

Ähnlich abgestuft verläuft auch der Kreislauf von Spargeldern in<br />

drei Ebenen. Da geben ahn<strong>un</strong>gslose Bürger ihr Geld billig an Banken<br />

<strong>un</strong>d <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>un</strong>ternehmen, diese geben es weiter an Dritte<br />

<strong>un</strong>d Unternehmen, die es wiederum gewinnbringend anlegen - oftmals<br />

gar nicht einmal investieren. Dabei könnte sich praktisch jeder<br />

über Immobilien- oder Investmentfonds mit geringen Beträgen direkt<br />

an der Wertentwickl<strong>un</strong>g von Gr<strong>un</strong>dbesitz oder an den Gewinnen<br />

der Wirtschaft beteiligen durch den Kauf von Fondsanteilen, die<br />

jederzeit wieder verkauft werden können. Die zwanzig besten Fonds<br />

erzielten über eine Laufzeit von fünfzehn Jahren jährliche Renditen<br />

von weit über elf Prozent, der beste Fonds über eine Laufzeit von<br />

326


zwanzig Jahren sogar über dreizehn Prozent nach Steuern! - Denn<br />

die Erträge sind überwiegend steuerfrei. Von den Wertsteiger<strong>un</strong>gen<br />

entfällt nur ein Bruchteil auf Ausschütt<strong>un</strong>gen von Zinsen <strong>un</strong>d Dividenden,<br />

die zu versteuern sind. Fonds leben vielmehr von steuerfrei<br />

realisierten Kursgewinnen. Unverständlich also, warum die Verbraucher<br />

diese Möglichkeit kaum nutzen. Auskünfte über Fonds erteilen<br />

die Geldanlageberater der Banken, bei denen man allerdings etwas<br />

bohren muß. Auch hier gilt: Niemals nur von einer Bank beraten<br />

lassen, sondern von möglichst vielen. Und eine gegen die andere<br />

ausspielen.<br />

Wiederanlage von Ablaufleist<strong>un</strong>gen aus der Lebensversicher<strong>un</strong>g<br />

Die Gesellschaften gehen vermehrt dazu über, bei Ablauf von Lebensversicher<strong>un</strong>gen<br />

zu versuchen, das Geld ihrer K<strong>un</strong>den im Haus<br />

zu behalten. Sie bieten eine Verrent<strong>un</strong>g der Ablaufleist<strong>un</strong>g an (bei<br />

gleichzeitigem Kapitalverzehr etwa sieben bis acht Prozent lebenslängliche<br />

Jahresrente, meistens auf fünf oder zehn Jahre garantiert).<br />

Immer mehr Gesellschaften gründen firmeneigene Fonds für die<br />

Wiederanlage der Auszahl<strong>un</strong>gen an ihre Lebensversicherten. Diese<br />

Ablauffonds haben bisher nicht gerade üppige Renditen erwirtschaftet,<br />

was verständlich ist, wenn dieselbe Gesellschaft ihren Versicherten<br />

in der Vergangenheit die Kapital-Lebensversicher<strong>un</strong>g mit einer<br />

Rendite von <strong>un</strong>ter fünf Prozent als die beste Geldanlagemöglichkeit<br />

"verkauft" hat. Außerdem bieten die Lebensversicherer eine Pflegerentenversicher<strong>un</strong>g<br />

gegen Einzahl<strong>un</strong>g der Ablaufleist<strong>un</strong>g aus einer<br />

Lebensversicher<strong>un</strong>g an, bei der im Pflegefall oder ab Alter achtzig<br />

eine Rente gezahlt wird.<br />

Zu all diesen Angeboten heißt die bessere Alternative: Do it yourself<br />

- das Geld selbst <strong>un</strong>d besser anlegen.<br />

Schlußbemerk<strong>un</strong>gen<br />

Ich hoffe, etwas Licht in den <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>-Dsch<strong>un</strong>gel gebracht zu<br />

haben. Jetzt ist es Sache der Bürger <strong>un</strong>d Verbraucher, die verantwortlichen<br />

Politiker <strong>un</strong>ter Druck zu setzen, damit diese sich - endlich<br />

- einmal mit <strong>un</strong>serem <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong>(<strong>un</strong>)<strong>wesen</strong> befassen, Untersuch<strong>un</strong>gen<br />

veranlassen <strong>un</strong>d Reformen einleiten.<br />

Ich habe das Manuskript für dieses Buch - zufällig - am Tag der<br />

deutschen Vereinig<strong>un</strong>g beendet <strong>un</strong>d hörte allseits "Einigkeit <strong>un</strong>d<br />

327


Recht <strong>un</strong>d Freiheit für das deutsche Vaterland". - Sie werden sich<br />

denken können, daß sich mir dabei ein wenig die Haare sträubten.<br />

Die Begriffe haben zwar teils eine andere Bedeut<strong>un</strong>g, aber trotzdem:<br />

Bei der Un-Einigkeit <strong>un</strong>ter den Aufsichtsbeamten, bei dem Un-<br />

Recht im <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong> <strong>un</strong>d bei der Un-Freiheit der Versicherten<br />

bleibt nur zu hoffen, daß <strong>un</strong>sere politisch Verantwortlichen<br />

sich sehr bald auf diese Forder<strong>un</strong>g besinnen <strong>un</strong>d durch eine dringend<br />

notwendige Reform entsprechende Verhältnisse herstellen:<br />

"Einigkeit <strong>un</strong>d Recht <strong>un</strong>d Freiheit für das deutsche <strong>Versicher<strong>un</strong>gs</strong><strong>wesen</strong>."<br />

328

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