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PDF-Dokument - Migration und Arbeit Rhein-Main

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www.equal-de.de<br />

EUROPÄISCHE UNION<br />

Europäischer Sozialfonds<br />

Gefördert durch das<br />

B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

aus Mitteln des<br />

Europäischen Sozialfonds<br />

Neue Modelle gegen<br />

Benachteiligungen am<br />

<strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />

von MigrantInnen<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

3. November 2003<br />

Frankfurt am <strong>Main</strong> · Römer Plenarsaal<br />

Tagungsdokumentation


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />

von MigrantInnen<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Tagungsdokumentation<br />

3. November 2003 · Frankfurt am <strong>Main</strong> · Römer Plenarsaal<br />

1


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Inhalt<br />

2<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

1. EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Birgit Simon<br />

2. EQUAL – erste Erfahrungen aus Sicht der Nationalen Koordinierungsstelle . . . . . . . . . 6<br />

Dr. Michael Heister<br />

3. Beschäftigungschancen für MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11<br />

Corrado Di Benedetto<br />

4. „M.A.R.E.: Ausbildung als Basis für gelingende Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />

Vicky Pompizzi, Iris Rebaudo, Eckhardt Hengel, Sofia Milosavljevic, Eldina Muratovic,<br />

Pia Lutter, Metin Emir, Sevda Cemaloglu<br />

5. PIQUASSO: Implementierung interkultureller Kompetenzen in Betrieben –<br />

am Beispiel von Sicherheitsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Hans-Dieter Brauns, Manfred Spee, Ali Nalci<br />

6. <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Region Starkenburg<br />

<strong>und</strong> Partner: IntegrationsassistentIn im Bereich <strong>Migration</strong> – ein neues Berufsbild<br />

für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Alp Otman, Susanne Rupp<br />

7. Women Way of Entrepreneurship: MigrantInnen unternehmen was -<br />

Potential als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Andrea Nispel<br />

8. EXZEPT: Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –<br />

erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

Markus Weidner, Nirvana Gerdjikow, Hakan Helvaci<br />

9. Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen –<br />

Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Dr. Matthias Schulze-Böing<br />

10. Anhang<br />

Einladung <strong>und</strong> Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

Presseerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

Teilnehmerliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Vorwort<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Im Rahmen von EQUAL sind im südhessischen Raum u.a. die Entwicklungspartnerschaften<br />

M.A.R.E., EXZEPT, PIQUASSO sowie Starkenburg & Partner <strong>und</strong> WWoE mit unterschiedlichen<br />

thematischen Schwerpunkten aktiv. Sie decken die gesamte Bandbreite der europäischen<br />

Beschäftigungsstrategie mit den vier Säulen Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist,<br />

Anpassungsfähigkeit <strong>und</strong> Chancengleichheit ab.<br />

Gemeinsam ist den genannten Entwicklungspartnerschaften ihr Engagement bei der Integration<br />

von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in den <strong>Arbeit</strong>smarkt. Mit der Veranstaltung am 03.11.2003<br />

im Römer Frankfurt wollten wir ein Forum für die Präsentation der vielfältigen Handlungsansätze<br />

bieten.<br />

Um die Tagung überschaubar zu halten, wurden der Fachöffentlichkeit ausgewählte Teilprojekte<br />

der Entwicklungspartnerschaften sowie einzelne Projektbeteiligte vorgestellt. Dabei war es Ziel,<br />

sowohl die konzeptionellen Ansätze als auch deren Umsetzung <strong>und</strong> die Auswirkungen bei den<br />

Betroffenen bzw. den Beteiligten aufzuzeigen. Daher übernahmen Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

der einzelnen Projekte wichtige Rollen bei der Präsentation <strong>und</strong> der Tagungsorganisation.<br />

Die vorliegende Tagungsdokumentation beruht auf den Redemanuskripten <strong>und</strong> den Aufzeichnungen<br />

der Veranstaltung.<br />

Wir danken den Städten Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach für ihre Initiative <strong>und</strong> die politische Unterstützung.<br />

Allen Rednerinnen <strong>und</strong> Rednern danken wir für ihre Beiträge, den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />

Teilnehmern des Projektes PIQUASSO für die organisatorische Mitwirkung, Frau Gerdjikow<br />

(Lunchbox) für das Catering <strong>und</strong> nicht zuletzt Frau Deforth für die lebendige Moderation<br />

der Veranstaltung.<br />

Hans-Dieter Brauns Dr. Bernd Curtius Hilde Simon<br />

PIQUASSO EXZEPT M.A.R.E.<br />

3


Stadträtin Birgit Simon,<br />

Sozialdezernentin der Stadt<br />

Offenbach<br />

Ich freue mich, dass ich<br />

heute die Veranstaltung<br />

eröffnen darf. Es ist die<br />

erste regionale Fachtagung<br />

zur Umsetzung der europäischenGemeinschaftsinitiative<br />

hier im Frankfurter<br />

Römer <strong>und</strong> dazu möchte ich<br />

Sie herzlich begrüßen <strong>und</strong><br />

Ihnen natürlich einen spannenden<br />

<strong>und</strong> interessanten<br />

Tag wünschen.<br />

Dass ich als Sozialdezernentin der Stadt Offenbach<br />

diese Tagung hier in Frankfurt eröffne, ist schon ein<br />

Ausdruck des besonderen regionalen Netzwerkgedankens,<br />

der eine Gr<strong>und</strong>lage darstellt für die Projekte <strong>und</strong><br />

Entwicklungspartnerschaften, die sich heute präsentieren<br />

<strong>und</strong> der kritischen Diskussion stellen.<br />

Worum geht es?<br />

Die Europäische Union hat sich mit ihrer beschäftigungspolitischen<br />

Strategie <strong>und</strong> ihrer Sozialagenda das<br />

Ziel gesetzt, einen <strong>Arbeit</strong>smarkt zu schaffen, in dem<br />

Jede <strong>und</strong> Jeder Beschäftigung finden kann - gleich<br />

welcher Herkunft, welcher Nationalität oder mit welchen<br />

individuellen Handicaps. Ein <strong>Arbeit</strong>smarkt, der so<br />

weit wie irgend möglich diskriminierungsfrei ist <strong>und</strong><br />

tatsächlich Beschäftigung für alle organisiert. Es ist<br />

klar, dass dies ein langfristiges Ziel ist, vor dessen<br />

Erreichung noch viele Hürden zu überwinden sind. Mit<br />

der Gemeinschaftsinitiative „EQUAL" hat der Europäische<br />

Sozialfonds zusätzliche Chancen für innovative<br />

Projekte geschaffen, die dazu beitragen, Hindernisse<br />

auf dem Weg zu einem <strong>Arbeit</strong>smarkt für alle abzubauen.<br />

Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten sind ein wichtiger Bestandteil<br />

des <strong>Arbeit</strong>smarktes, auch <strong>und</strong> gerade in der<br />

Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, wo allein in den beiden Kernstädten<br />

Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt zwischen 25 <strong>und</strong> 30 Prozent<br />

der Bevölkerung keinen deutschen Pass haben.<br />

Viele Migrantengruppen haben jedoch besondere<br />

4<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

1. EQUAL– Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migranten<br />

Birgit Simon, Sozialdezernentin der<br />

Stadt Offenbach<br />

Schwierigkeiten, eine <strong>Arbeit</strong> oder Ausbildungsstelle zu<br />

finden. Das zeigt sich bei fast allen entsprechenden<br />

Indikatoren – sei es die stark überdurch schnittliche<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit von Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländern,<br />

seien es die alarmierend hohe Quote von ausländischen<br />

Jugendlichen, die die Schule ohne jeden<br />

Abschluss verlassen oder die unterdurchschnittliche<br />

Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher.<br />

Auch beim Sozialhilfebezug sind ausländische Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger überproportional vertreten.<br />

Eine Ursache: der Strukturwandel der Wirtschaft. Einfache<br />

Industriearbeitsplätze fallen weg, neu entstehende<br />

Dienstleistungsarbeitsplätze haben sehr viel<br />

höhere Qualifikationsanforderungen. Wir sind in vielen<br />

Bereichen allerdings immer noch <strong>und</strong> immer wieder<br />

mit gravierenden Integrationsdefiziten konfrontiert.<br />

Fehlende deutsche Sprachkenntnisse, kulturelle<br />

Distanz <strong>und</strong> Entfremdung – beide können das Einfädeln<br />

in <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beruf gravierend erschweren. Für<br />

die Kommunen verdichten sich soziale Risiken <strong>und</strong><br />

Probleme in einer Weise, die die vorhandenen Systeme<br />

zunehmend überfordert.<br />

Angesichts der akuten Finanznöte kann die Lösung<br />

nicht mehr darin bestehen, vorhandene Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Angebote einfach nur auszuweiten <strong>und</strong> ansonsten<br />

alles fortzuschreiben. Wir brauchen neue Wege <strong>und</strong><br />

Innovation, um <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik <strong>und</strong> Integrationsarbeit<br />

effektiver <strong>und</strong> effizienter zu machen. Das heißt, mit<br />

gleichen oder sogar weniger Mitteln mehr zu bewegen.<br />

Hier setzen die Projekte der Entwicklungspartnerschaften<br />

in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> an. Auf vielen verschiedenen<br />

Handlungsfeldern: Integratives Fallmanagement in<br />

den Sozial- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sämtern, Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />

von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />

über soziale Netzwerke, neue Formen der Sprachqualifizierung,<br />

betriebliche Weiterqualifizierung in der<br />

Sicherheitsbranche <strong>und</strong> Existenzgründungen. All dies<br />

sind Beispiele einer innovativen Projektlandschaft in<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, in die wir große Erwartungen setzen. Die<br />

vielen einzelnen Projekte werden – <strong>und</strong> nur dann – ihr<br />

Ziel erreicht haben, wenn es ihnen gelingt, nicht nur<br />

als Maßnahme erfolgreich zu sein, sondern die Praxis<br />

in der <strong>Arbeit</strong>sförderung, den Ämtern, Schulen <strong>und</strong><br />

Kammern durch neue Instrumente <strong>und</strong> Methoden zu<br />

verbessern <strong>und</strong> sie wirksamer zu gestalten.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

In seiner regionalpolitischen Bedeutung nicht zu unterschätzen<br />

ist, dass sich hier zum ersten Mal in dieser<br />

Breite Träger <strong>und</strong> Kommunen für konkrete gemeinsame<br />

Projekte zusammengeschlossen haben. Frankfurt,<br />

Offenbach <strong>und</strong> die Landkreise im Umland haben hier<br />

zum ersten Mal zumindest in einem Feld einen Ansatz<br />

für die regionale Integration der <strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong><br />

Sozialpolitik geschaffen. Das ist sicher nicht immer<br />

einfach. Es gibt historisch gewachsene Strukturen mit<br />

vielen eigenen Wegen, es gibt sicher auch Befindlichkeiten.<br />

Die wichtigen Impulse für die Entwicklung der<br />

Region liegen jedoch im gemeinsamen Handeln <strong>und</strong><br />

in der Integration, nicht in Rivalität <strong>und</strong> Kleinstaaterei.<br />

Das zeigt sich in der erfolgreichen Einwerbung europäischer<br />

Mittel ebenso wie in der guten Zwischenbilanz<br />

der Entwicklungspartnerschaften der „EQUAL“-<br />

Initiative in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>.<br />

Meine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in den Magistraten<br />

<strong>und</strong> Kreisausschüssen der Region <strong>und</strong> ich persönlich<br />

werden die <strong>Arbeit</strong> dieser Projekte weiterhin sehr aufmerksam<br />

verfolgen. Ihre Ziele sind ehrgeizig, aber<br />

erreichbar. Ich wünsche den Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeitern der beteiligten Träger <strong>und</strong> allen Besucherinnen<br />

<strong>und</strong> Besuchern der heutigen Fachtagung informative<br />

Vorträge, gute Diskussionen <strong>und</strong> viel praktisches<br />

„Networking" für Ihre zukünftige <strong>Arbeit</strong>.<br />

Vielen Dank.<br />

5


6<br />

Dr. Michael Heister, Leiter<br />

der Nationalen Koordinierungsstelle<br />

EQUAL/ XENOS<br />

im B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Ich würde jetzt gerne ein<br />

wenig den Blick für<br />

„EQUAL“ weiten <strong>und</strong><br />

Dr. Michael Heister, Leiter der Nationa-<br />

dabei auch von den drei<br />

Projekten weggehen. Ich<br />

denke, dass Sie diese drei<br />

Entwicklungspartnerschaften,<br />

die zu den vielen<br />

len Koordinierungsstelle EQUAL/ XENOS<br />

im B<strong>und</strong>esministeriums für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

guten <strong>und</strong> interessanten<br />

in Deutschland gehören,<br />

im Laufe des Tages noch<br />

kennen lernen werden. Daher möchte ich auf diese<br />

bewusst nicht eingehen, sondern drei andere vorstellen,<br />

die in ganz anderen Bereichen angesiedelt sind,<br />

damit sie ein wenig die Breite von „EQUAL“ kennen<br />

lernen.<br />

Zunächst einmal zum Hintergr<strong>und</strong> von „EQUAL“.<br />

„EQUAL“ ist ein großes arbeitsmarktpolitisches Laboratorium,<br />

in dem versucht werden soll, gegen alle<br />

möglichen Arten der Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

anzugehen. „EQUAL“ wird in allen Mitgliedsstaaten<br />

der Europäischen Union parallel durchgeführt,<br />

also nicht nur in Deutschland, <strong>und</strong> demnächst<br />

auch in den Beitrittsländern. Es ist also eine sehr breit<br />

angelegte Initiative. „EQUAL“ richtet sich an Personen,<br />

die aus Gründen, die in ihrer Person liegen, diskriminiert<br />

werden. Sei es aus Gründen der Rasse, der<br />

ethnischen Herkunft, einer Weltanschauung, aus<br />

Gründen des Geschlechts oder einer Behinderungen.<br />

Dies ist der Gr<strong>und</strong>fokus von „EQUAL“.<br />

Drei Entwicklungspartnerschaften werden sich heute<br />

vorstellen. Diese Entwicklungspartnerschaften beziehen<br />

sich entweder auf einen bestimmten geographischen<br />

Raum, bei den dreien größtenteils das<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet, oder sie beziehen sich auf einen<br />

bestimmten Sektor. Beispielsweise gibt es eine Entwicklungspartnerschaft,<br />

die sich mit der Förderung<br />

des Genossenschaftsgedankens <strong>und</strong> der Stärkung der<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

2. EQUAL – erste Erfahrungen aus Sicht der Nationalen<br />

Koordinierungsstelle<br />

genossenschaftlichen Zusammenarbeit be-schäftigt<br />

<strong>und</strong> versucht, insbesondere Langzeitarbeitslose zu<br />

integrieren. Sie arbeitet in ganz Deutschland <strong>und</strong> ist<br />

eine so genannte sektorale Entwicklungspartnerschaft.<br />

Bei „EQUAL“ sprechen wir in Deutschland von einem<br />

Finanzvolumen aus dem europäischen Sozialfonds<br />

von ca. 500 Millionen Euro. Diese 500 Millionen Euro<br />

werden verdoppelt durch Kofinanzierungsmittel, die<br />

aus nationalen Haushalten, von der B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

<strong>Arbeit</strong>, aus Teilnehmereinkommen <strong>und</strong> anderen Quellen<br />

kommen. „EQUAL“ wird in zwei Förderr<strong>und</strong>en<br />

durchgeführt. Der Beginn der 1. Förderr<strong>und</strong>e war im<br />

Januar/Februar 2002, das Ende dieser 1. R<strong>und</strong>e wird<br />

im Juni 2005 sein. Meine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

starten morgen mit den ersten Regionalveranstaltungen<br />

für die neue Förderr<strong>und</strong>e. Die neue Förderr<strong>und</strong>e<br />

wird 2005 beginnen <strong>und</strong> wird ungefähr drei Jahre später<br />

enden.<br />

„EQUAL“ besteht in jeder Durchführungsphase aus<br />

drei Aktionen. Dies ist im Gr<strong>und</strong>e einer der neuen<br />

Punkte an „EQUAL“. Die drei Aktionen stellen sich wie<br />

folgt dar. Zunächst geht es darum, eine Entwicklungspartnerschaft<br />

aufzubauen, das heißt, Partner auf<br />

nationaler Ebene zu finden <strong>und</strong> zumindest auch einen<br />

internationalen Partner. Für diese Aufbauphase hat<br />

jede Entwicklungspartnerschaft vier bis sechs Monate<br />

Zeit. Danach geht es in ca. drei Jahren um die Realisierung<br />

der <strong>Arbeit</strong>sprogramme. Wir werden diese im<br />

Detail heute von den Entwicklungspartnerschaften<br />

vorgestellt bekommen. Parallel dazu geht es in<br />

Deutschland auch noch darum, dass man versuchen<br />

möchte, die Inhalte, die erarbeitet werden, während<br />

der <strong>Arbeit</strong> der Entwicklungspartnerschaften zu transportieren,<br />

sei es auf kommunaler Ebene, sei es in die<br />

B<strong>und</strong>espolitik, sei es in <strong>Arbeit</strong>geberverbände <strong>und</strong> Gewerkschaften.<br />

Dies ist der so genannte Bereich des<br />

<strong>Main</strong>streaming, auf den ich später noch etwas näher<br />

eingehen werde.<br />

Es geht also darum, parallel zur Projektarbeit die<br />

Ideen in die Öffentlichkeit zu transportieren. Damit<br />

haben wir in Deutschland einen etwas anderen Weg<br />

beschritten als die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten.<br />

In den meisten Mitgliedsstaaten laufen die


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Aktionen zwei <strong>und</strong> drei nacheinander. Dort wird also<br />

zunächst die Projektarbeit gemacht <strong>und</strong> dann versucht,<br />

das <strong>Main</strong>streaming in die Politik zu bringen.<br />

Das haben wir für wenig sinnvoll erachtet, weil es<br />

fraglich ist, ob man die Politik oder die Unternehmerverbände<br />

noch erreicht, wenn ein Projekt schon<br />

beendet ist. Ich denke, es funktioniert wesentlich<br />

besser, wenn das <strong>Main</strong>streaming bereits während der<br />

konkreten <strong>Arbeit</strong> gemacht wird. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

werden in Deutschland die Aktionen zwei <strong>und</strong> drei,<br />

also die Projektarbeit <strong>und</strong> das <strong>Main</strong>streaming, parallel<br />

durchgeführt.<br />

Ganz kurz vielleicht ein Überblick über die Themenbereiche<br />

von „EQUAL“. Sie sind parallel zu den Themenbereichen<br />

der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

aufgestellt worden.<br />

Der erste Themenbereich nennt sich „Beschäftigungsfähigkeit“.<br />

In diesem Bereich gibt es beispielsweise<br />

Projekte, die sich mit der Rückkehr von Frauen<br />

in den <strong>Arbeit</strong>smarkt nach einer Familienphase beschäftigen.<br />

Es gibt eine zweite Projektreihe, in der es<br />

darum geht, Rassismus <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit auf<br />

dem <strong>Arbeit</strong>smarkt zu bekämpfen.<br />

Der zweite Themenbereich bei „EQUAL“ nennt sich<br />

„Chancengleichheit“. Hier gibt es wiederum zwei<br />

unterschiedliche Bereiche, nämlich die Erleichterung<br />

der Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf <strong>und</strong> den<br />

Abbau geschäftsspezifischer Diskrepanzen auf dem<br />

<strong>Arbeit</strong>smarkt. Beispielsweise finden sich in diesem<br />

Themenbereich Entwicklungspartnerschaften, die es<br />

sich auf die Fahne geschrieben haben, den Zugang<br />

von Frauen zum IT-Bereich verstärkt zu fördern.<br />

Wir haben einen weiteren Themenbereich, der eine<br />

relativ zentrale Stellung bei „EQUAL“ hat. Dieser Themenbereich<br />

nennt sich „Unternehmergeist“. Im<br />

Bereich „Unternehmergeist“ gibt es zwei Facetten.<br />

Eine Facette ist die Erleichterung der Unternehmensgründung<br />

für alle. Hier wird versucht, Langzeitarbeitslosen<br />

aber auch Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten zu<br />

einem Weg in die Selbstständigkeit zu verhelfen. Die<br />

zweite Facette ist die Stärkung der Sozialwirtschaft, die<br />

ja in Deutschland mit Sicherheit noch ausbaufähig ist.<br />

Im vierten Themenbereich „Anpassungsfähigkeit“<br />

geht es hauptsächlich um Fragen des Lebenslangen<br />

Lernens <strong>und</strong> darum, die <strong>Arbeit</strong>nehmerinnen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmer<br />

kleiner <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen ständig<br />

weiterzubilden. Hinzu kommt, <strong>und</strong> dies geht ein<br />

wenig weg von der Europäischen Beschäftigungsstrategie,<br />

ist aber von der europäischen Kommission<br />

ganz bewusst bei „EQUAL“ gewollt worden, ein fünfter<br />

Themenbereich, in dem es um Maßnahmen für<br />

Asylbewerberinnen <strong>und</strong> Asylbewerber geht. Dies ist<br />

quasi der zusätzliche Themenbereich bei „EQUAL“.<br />

Spannende Fragen, bevor ich zu den ersten Ergebnissen<br />

komme: Was ist eigentlich wichtig bei „EQUAL“,<br />

also worin besteht der Unterschied von „EQUAL“ zu<br />

den vorherigen Gemeinschaftsinitiativen? Die vorherige<br />

Gemeinschaftsinitiative der Europäischen Union<br />

hieß „A-DAPT“.<br />

Ich denke, es sind vier Punkte die bei „EQUAL“ wichtig<br />

sind. Der erste Punkt ist Innovation. Bei „EQUAL“<br />

wird Wert darauf gelegt, dass versucht wird, innovative,<br />

neue Projekte zu machen, die es in dieser Form in<br />

Deutschland noch nicht gab. Das ist auch bei der Projektgenehmigung<br />

ein ganz zentraler Punkt.<br />

Der zweite wichtige Punkt bei „EQUAL“ ist die Netzwerkbildung,<br />

das heißt, die Entwicklungspartnerschaften.<br />

Ich vergleiche das immer mit dem Vorgehen<br />

in der Entwicklungshilfe, also weg vom alten Weg, wir<br />

machen ein Projekt, das Projekt ist beendet <strong>und</strong> ein<br />

neues Projekt kommt, hin zur Netzwerkbildung. Das<br />

heißt, man macht im Gr<strong>und</strong>e unterschiedliche Projekte,<br />

diese Projekte unterstützen sich gegenseitig <strong>und</strong><br />

versuchen, ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen <strong>und</strong><br />

dieses Ergebnis nachhaltig weiterzuentwickeln. Also<br />

weg von der Projektarbeit hin zur Programmarbeit, wie<br />

es in der Entwicklungshilfe heute gang <strong>und</strong> gäbe ist.<br />

Die dritte wichtige Sache bei „EQUAL“, die im Gr<strong>und</strong>e<br />

für alle europäischen Projekte gilt, ist, dass wir Transnationalität<br />

erreichen wollen. Ein Projekt oder eine<br />

Entwicklungspartnerschaft soll nicht nur auf Deutschland<br />

beschränkt sein, sondern die <strong>Arbeit</strong> muss in<br />

andere EU-Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> demnächst auch in<br />

die Beitrittsländer ausstrahlen. Das bedeutet, Sie<br />

benötigen mindestens einen transnationalen Partner.<br />

Diese Partner tauschen sich mindestens zweimal<br />

jährlich aus <strong>und</strong> schauen, was sie von den anderen<br />

lernen können. Bei „EQUAL“ ist also der europäische<br />

Gedanke sehr zentral.<br />

7


Der vierte Punkt, das ist die eigentliche Neuerung bei<br />

„EQUAL“, ist das <strong>Main</strong>streaming. Das klingt zunächst<br />

abstrakt, vor allen Dingen, wenn Sie hören, dass wir<br />

zwei <strong>Main</strong>streamingformen unterscheiden: das vertikale<br />

<strong>und</strong> das horizontale <strong>Main</strong>streaming.<br />

Beim horizontalen <strong>Main</strong>streaming geht es darum, <strong>und</strong><br />

dafür ist die heutige Veranstaltung ein sehr gutes Beispiel,<br />

die Themen zu verbreiten, die in einer Entwicklungspartnerschaft<br />

erarbeitet werden, also im Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen für Öffentlichkeit zu sorgen. Und die<br />

Besonderheit, das i-Tüpfelchen oder die Sahnehaube<br />

auf dem Cappuccino, wenn Sie einen mit Sahne<br />

haben <strong>und</strong> keinen mit Milch, das ist das vertikale<br />

<strong>Main</strong>streaming. Es ist der Versuch, die Ideen über die<br />

Projektlandschaft hinaus nicht nur in die Öffentlichkeit<br />

zu transportieren, sondern mit diesen Projekten<br />

in der Öffentlichkeit Strukturen zu verändern, z.B. auf<br />

kommunaler Ebene.<br />

Beispielhaft ist hier die Entwicklungspartnerschaft zu<br />

nennen, die im Genossenschaftswesen aktiv ist. Sie<br />

versucht, unter anderem auch Änderungen des<br />

Genossenschaftsgesetzes <strong>und</strong> des <strong>Arbeit</strong>sförderungsrechtes<br />

zu erreichen, damit Langzeitarbeitslose leichter<br />

Genossenschaften gründen können. Sie sehen, es<br />

werden sehr ehrgeizige Ziele angestrebt.<br />

Das Festhalten am Netzwerkgedanken <strong>und</strong> der Versuch,<br />

im <strong>Main</strong>streaming die Ideen, die man entwickelt,<br />

weiter zu transportieren, das sind die eigentlichen<br />

Neuerrungen bei „EQUAL“.<br />

Für diesen Transport haben wir von der Nationalen<br />

Koordinierungsstelle <strong>und</strong> vom B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> im Dezember 2002 14 Nationale<br />

Thematische Netzwerke ins Leben gerufen. In diesen<br />

Netzwerken können sich Entwicklungspartnerschaften<br />

un-tereinander austauschen, die an einem<br />

bestimmten Thema arbeiten. Ich werde Ihnen zum<br />

Schluss drei Netzwerke kurz vorstellen. Jetzt nenne<br />

ich nur mal einige Themenbereiche der Netzwerke.<br />

Ein Netzwerk heißt „Lebenslanges Lernen“, ein anderes<br />

beschäftigt sich mit dem „Unternehmergeist“, ein<br />

drittes mit „Asyl“. Ein weiteres Netzwerk beschäftigt<br />

sich mit dem Thema „Gründungsunterstützung“ <strong>und</strong><br />

wieder ein anderes mit der besonderen Problematik<br />

8<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

von „Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten“. Es existiert also<br />

eine breite Palette von Netzwerken. Um Transnationalität<br />

zu erreichen, gibt es neben diesen nationalen<br />

Netzwerken noch fünf Europäische Thematische<br />

Gruppen, auch ETGs genannt. Das sind im Gr<strong>und</strong>e<br />

Netzwerktreffen auf europäischer Ebene. Die Themen<br />

reichen von der Beschäftigungsfähigkeit bis zu Maßnahmen<br />

für Asylbewerberinnen <strong>und</strong> Asylbewerber.<br />

Wir Deutschen haben einen besonderen Fokus auf die<br />

Frage der Gründungsunterstützung gelegt. Deshalb<br />

haben wir also in der ETG „Entrepreneurship“ den Vorsitz<br />

zusammen mit dem flamischen Belgien.<br />

Jetzt haben Sie mir die schwere Frage gestellt: Wo stehen<br />

wir eigentlich bei EQUAL? Also eine erste Zwischenbilanz.<br />

Wie will man aber nach einem Jahr, in<br />

dem die Projekte erst richtig laufen, eine f<strong>und</strong>ierte<br />

Zwischenbilanz ziehen? Von daher kann ich Ihnen nur<br />

Skizzen zeigen. Und ich habe mir überlegt, dass ich<br />

Ihnen ganz kurz zwei Entwicklungspartnerschaften<br />

vorstelle <strong>und</strong> zusammenfasse, was in denen schon<br />

passiert ist. Ich nehme bewusst zwei Entwicklungspartnerschaften,<br />

die nicht aus dem <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-<br />

Gebiet kommen <strong>und</strong> die sich auch nicht unbedingt mit<br />

dem Thema Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten beschäftigen.<br />

Mit dem Thema werden Sie sich gleich noch<br />

intensiv befassen.<br />

Anschließend werde ich Ihnen anhand von drei Netzwerken<br />

zeigen, wo eigentlich die <strong>Arbeit</strong> in diesen Thematischen<br />

Netzwerken steht. Ich glaube, dann bekommen<br />

Sie einen guten Einblick in den aktuellen Stand.<br />

Als erstes habe ich mir eine Entwicklungspartnerschaft<br />

herausgesucht, die weit weg von Frankfurt am<br />

<strong>Main</strong> ist. Sie befindet sich in West-Mecklenburg <strong>und</strong><br />

ihr Thema ist die Integration von Berufsrückkehrerinnen.<br />

Die Idee dieser Entwicklungspartnerschaft ist,<br />

800 Berufsrückkehrerinnen <strong>und</strong> 200 weitere Benachteiligte<br />

wieder in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, was<br />

bei der hohen <strong>Arbeit</strong>slosenquote in West-Mecklenburg<br />

sehr schwierig ist. Also hatten die Initiatoren die<br />

Idee, ein regionales Netzwerk aufzubauen. In diesem<br />

Netzwerk arbeitet man mit drei Landkreisen, dem<br />

Unternehmensverband <strong>und</strong> dem Bauernverband<br />

zusammen. Die Zielsetzung der Entwicklungspartner-


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

schaft bei der Integration der Berufsrückkehrerinnen<br />

ist zum einen, die regionalen <strong>Arbeit</strong>smarktakteure zu<br />

vernetzen. Zum anderen sollen die individuellen Probleme<br />

der Berufsrückkehrerinnen <strong>und</strong> die Anforderungen<br />

an <strong>Arbeit</strong>splätze in der Region analysiert werden.<br />

Momentan laufen drei Maßnahmebereiche. Zum einen<br />

werden regionale Assessment Center entwickelt. Des<br />

Weiteren werden Selbstlernzentren aufgebaut, um<br />

den Berufsrückkehrerinnen zu ermöglichen mittels E-<br />

Learning Qualifikation zu erlangen. Im dritten Maßnahmebereich<br />

werden so genannte Bildungsschecks<br />

entwickelt, die bei Beteiligten der Entwicklungspartnerschaft<br />

eingelöst werden können. Das ist der<br />

momentane Projektstatus. Das Projekt ist noch im<br />

Anfangsstadium.<br />

Die zweite Entwicklungspartnerschaft heißt „Innova“.<br />

Bei „Innova“ geht es darum, die Verbreitung von<br />

Selbsthilfegenossenschaften in Deutschland zu steigern.<br />

Das Ziel ist, den Genossenschaftsgedanken als<br />

Idee für die Gründung von Benachteiligten zu fördern.<br />

Beispielsweise könnte eine Genossenschaften gegründet<br />

werden, die einen Hausmeisterservice anbietet<br />

oder Haushaltsjobs erledigt. Man hat bereits<br />

begonnen, Trainingskurse für <strong>Arbeit</strong>slose anzubieten,<br />

um sie zu befähigen, Genossenschaften zu gründen.<br />

Gleichzeitig soll mit Veranstaltungen bei <strong>Arbeit</strong>geberverbänden<br />

<strong>und</strong> öffentlichen Einrichtungen für den Genossenschaftsgedanken<br />

geworben werden. Das ist im<br />

Gr<strong>und</strong>e horizontales <strong>Main</strong>streaming. Und als dritten<br />

Punkt hat man die Perspektive, das Genossenschaftsgesetz<br />

zu ändern. Ich denke, auch bei „Innova“<br />

haben wir eine Entwicklungspartnerschaft, die<br />

auf einem recht guten Weg ist.<br />

Zweite Frage: Was passiert eigentlich auf der Netzwerkebene?<br />

Ich habe mir überlegt, für Sie ganz kurz<br />

drei Netzwerke herauszugreifen. Ein Netzwerk heißt<br />

„Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie“.<br />

Da geht es darum, den Umgang mit Informations- <strong>und</strong><br />

Kommunikationstechnologien in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />

Unternehmen zum Wohle der Beschäftigten zu<br />

fördern. Zurzeit arbeitet man daran, eine internetgestützte<br />

Datenbank zu entwickeln, in der die Entwicklungspartnerschaften<br />

Ansprechpartner für innovative<br />

Sachkompetenz im Bereich von I- <strong>und</strong> K-Lösungen<br />

einstellen können. Es geht im Gr<strong>und</strong>e darum, so eine<br />

Art „Gelbe Seiten“ für I- <strong>und</strong> K-Technologien zu produzieren.<br />

Das zweite Netzwerk, dass ich kurz beleuchten<br />

möchte, ist das Netzwerk „Gründungsunterstützung“,<br />

aus dem sie heute auch eine Entwicklungspartnerschaft<br />

hören werden. In diesem Netzwerk<br />

wird in vier <strong>Arbeit</strong>sgruppen gearbeitet. Die Themenbereiche<br />

der Gruppen sind Start-up Financing,<br />

One-Stop-Shops, das ist eine Stelle, in der Sie sich als<br />

Gründungswilliger alle Leistungen abholen können.<br />

Weitere Themen sind Kooperation <strong>und</strong> Rechtliche<br />

Rahmenbedingungen. Auch dieses Netzwerk hat ein<br />

ganz konkretes erstes Ergebnis erzielt. Hier wurde ein<br />

Modell entwickelt, das man Mikrolending nennt.<br />

Mikrolending ist die Vergabe von Kleinstkrediten an<br />

Unternehmen, also an Gründungswillige. Dieses Netzwerk<br />

hat erarbeitet, wie man das Mikrolending in<br />

Deutschland organisieren könnte.<br />

Das dritte Netzwerk heißt „Berufliche Integration von<br />

Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten“. In diesem Netzwerk<br />

hat man sich drei Themenbereiche auf die Fahne<br />

geschrieben. Ein Bereich ist die Sensibilisierung in<br />

Betrieben, der zweite Bereich ist Profilbildung, Berufsplanung,<br />

Empowerment <strong>und</strong> im dritten Themenbereich<br />

geht es um die Frage der Förderung des Lernens,<br />

auch des Lernens der deutschen Sprache.<br />

Dieses Netzwerk erarbeitet zurzeit eine große Fachtagung<br />

für nächstes Jahr. Auf dieser Tagung sollen gemeinsam<br />

mit den relevanten Akteuren in diesem Bereich<br />

Lösungen <strong>und</strong> neue Möglichkeiten erarbeitet werden.<br />

Ich denke, wenn man sich diese Ergebnisse anschaut,<br />

sind wir bei „EQUAL“ in diesem etwas mehr als einem<br />

Jahr konkreter Projektarbeit doch ein ganzes Stück<br />

vorangekommen.<br />

Zum Schluss vielleicht noch ein kleines Erlebnis. Ich<br />

war am Donnerstag auf einer Veranstaltung einer Entwicklungspartnerschaft,<br />

die sich mit den Fragen des<br />

Lebenslangen Lernens im Bereich der Logistik befasst.<br />

Auf dem Rückweg nach Bonn saßen in der S-Bahn<br />

von Eschborn nach Frankfurt vier ältere Damen <strong>und</strong><br />

unterhielten sich angeregt über ihre Freizeitgestaltung<br />

in den nächsten Wochen. Neben den vier<br />

Damen, saß ein Herr, Mitte dreißig, der sich plötzlich<br />

9


ins Gespräch einmischte. Er fragte, was die Damen so<br />

machen <strong>und</strong> fand es ganz toll, dass sie so aktiv sind.<br />

Er hatte einen mittelstarken Akzent <strong>und</strong> ich habe<br />

überlegt, aus welchem Land er wohl stammt. Die<br />

Damen unterhielten sich dann auf dem Rest der Fahrt<br />

noch ganz angeregt mit dem Herrn. Er hat erzählt, er<br />

käme aus Griechenland <strong>und</strong> würde jetzt in Frankfurt<br />

arbeiten. Zum Schluss hat er den älteren Damen noch<br />

gesagt, welchen Weg sie zu ihrem heutigen Ausflugsziel<br />

nehmen sollten. Die Damen haben sich bedankt<br />

mit dem Hinweis, den Weg schon zu kennen.<br />

Ich fand das ganz faszinierend <strong>und</strong> ich dachte, da es<br />

mich das ganze Wochenende beschäftigt hat, muss<br />

ich Ihnen das heute erzählen. Auch deshalb, weil<br />

diese Szene so eine Normalität des Umgangs zwischen<br />

unterschiedlichen Kulturen ausgestrahlt hat,<br />

wie sie eigentlich heute gang <strong>und</strong> gäbe sein müsste,<br />

aber viel zu selten ist.<br />

Und ich denke, das ist so ein bisschen die Idee, die wir<br />

auch bei „EQUAL“ haben. Eigentlich wollen wir bei<br />

„EQUAL“ gegen Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

kämpfen <strong>und</strong> dafür, dass Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />

im Gr<strong>und</strong>e einen Normalstatus auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

haben. Natürlich möchten wir, dass es überhaupt keine<br />

Diskriminierung gibt, doch die Realität ist leider oftmals<br />

noch anders. Ich denke, unser Ziel bei „EQUAL“<br />

ist es, Situationen wie diese in der S-Bahn viel mehr<br />

zur Normalität werden zu lassen <strong>und</strong> dafür stehen<br />

auch diese drei Entwicklungspartnerschaften, die<br />

sich Ihnen heute noch vorstellen werden.<br />

Dankeschön.<br />

10<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

3. Beschäftigungschancen für MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet<br />

Corrado Di Benedetto,<br />

Vorsitzender des Kreisausländerbeirates,Offenbach.<br />

Beschäftigungschancen für<br />

MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<br />

<strong>Main</strong>-Gebiet, meine Damen<br />

<strong>und</strong> Herren. Das ist das<br />

Thema, das hier vorgegeben<br />

ist, <strong>und</strong> ich möchte<br />

gleich vorab anmerken,<br />

dass ich mich nicht<br />

Corrado Di Benedetto, Vorsitzender zwingend daran halten<br />

des Kreisausländerbeirates, Offenbach<br />

möchte, <strong>und</strong> bitte dafür<br />

um Verständnis. Während<br />

an den allgemeinbildenden Schulen die Bildungsbeteiligung<br />

der in Deutschland le- benden jungen Ausländer<br />

wieder steigt, durchlaufen immer weniger<br />

ausländische Jugendliche eine Lehre oder eine schulische<br />

Berufsausbildung. Angesichts der Tatsache,<br />

dass für eine leistungsfähige Wirtschaft <strong>und</strong> die Integration<br />

der Ausländer in die Gesellschaft Bildung<br />

<strong>und</strong> berufliche Qualifikation von entscheidender<br />

Bedeutung sind, müssen junge Ausländer besser in<br />

das berufliche Bildungswesen integriert werden.<br />

Insofern ist die heutige Tagung <strong>und</strong> das gesamte<br />

Vorhaben „EQUAL“, wie ich meine, eine mehr als<br />

notwendige <strong>und</strong> sehr lobenswerte Initiative, die<br />

sicherlich dazu dienen kann, neue Wege zur Bekämpfung<br />

der Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt aufzuzeigen<br />

<strong>und</strong> Strategien für junge Ausländer vorzustellen,<br />

um aus dieser misslichen Lage heraus zu<br />

kommen.<br />

Ich möchte hier auch die Gelegenheit nutzen, meine<br />

Damen <strong>und</strong> Herren, mich im Namen aller Ausländerbeiräte<br />

der entsprechenden Gebietskörperschaften,<br />

für die ich heute spreche, zu bedanken <strong>und</strong> den Veranstaltern<br />

<strong>und</strong> allen anderen Beteiligten Mut zuzusprechen,<br />

an dieser wichtigen Initiative weiterhin mit<br />

Eifer zu arbeiten. Denn sie verfolgt unseres Erachtens<br />

die richtigen Ansätze, die leider Gottes über Jahrzehnte<br />

hinweg in unserem Einwanderungsdeutschland,<br />

wie ich meine, in sträflicher Weise schlichtweg<br />

vernachlässigt worden sind. Mehr als lobenswert an<br />

dieser Initiative ist die eminent wichtige Einbindung<br />

von Ausländern selbst <strong>und</strong> den von ihnen gegründeten<br />

Organisationen beispielsweise CGIL. Dies ist für<br />

mich ein Zeichen dafür, dass die Veranstalter sehr<br />

wohl verstanden haben, dass Integrationsbemühungen<br />

ohne die adäquate Inklusion von Ausländern<br />

letztendlich dazu verdammt sind, ins Leere zu laufen.<br />

Die jüngste Immigrationsgeschichte Deutschlands,<br />

auf die ich später noch mal zu sprechen komme,<br />

zeigt dies meines Erachtens sehr eindeutig. Jeder<br />

zehnte Schüler in Deutschland, so berichtete das<br />

Statistische B<strong>und</strong>esamt vor wenigen Wochen, hat<br />

einen ausländischen Pass. Das sind 961.000 Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche. Darin sind die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />

die zwar einen deutschen Pass haben, aber<br />

trotzdem im gleichen Maße von den Problemen der<br />

Chancenungleichheit bzw. strukturellen Diskriminierung<br />

betroffen sind, nicht enthalten. In der Gesamtbevölkerung<br />

liegt der Ausländeranteil weiterhin bei<br />

9 Prozent, an den Gymnasien wurden 4 Prozent<br />

gezählt, an den Gesamtschulen knapp 13 <strong>und</strong> an<br />

den von uns Ausländern als inakzeptabel angesehenen<br />

Sonderschulen für Lernbehinderte leider 16<br />

Prozent im Durchschnitt. Knapp 20 Prozent der ausländischen<br />

Schüler verlassen die allgemeinbildenden<br />

Schulen ohne Abschluss, bei den deutschen<br />

sind es nur 8 Prozent. Während mehr als 26 Prozent<br />

der deutschen Schüler die Hochschul- oder Fachhochschulreife<br />

erreichen, sind es bei den ausländischen<br />

Jugendlichen gerade mal 10 bis 11 Prozent, so<br />

das statistische B<strong>und</strong>esamt.<br />

Immer weniger ausländische Jugendliche beginnen<br />

im Anschluss an den Besuch einer allgemeinbildenden<br />

Schule eine Ausbildung <strong>und</strong> schließen diese<br />

auch erfolgreich ab.<br />

Von den deutschen Schülern befanden sich im Jahre<br />

2000 fast 84 Prozent in einer beruflichen Ausbildung,<br />

von den ausländischen hingegen nur 70 Prozent.<br />

Ausländische Jugendliche mussten viel häufiger<br />

als deutsche, Einrichtungen der Berufsvorbereitung<br />

an den bereits erwähnten Sonderschulen für Lernbehinderte<br />

besuchen, auf die Ausländerbeiräte -<br />

milde ausgedrückt – nicht gerade gut zu sprechen<br />

sind. Von den r<strong>und</strong> 100.000 ausländischen Schülern,<br />

die im Jahre 2000 den Besuch einer beruflichen Schule<br />

beendet haben, konnten 35 Prozent keinen<br />

11


an den bereits erwähnten Sonderschulen für Lernbehinderte<br />

besuchen, auf die Ausländerbeiräte -<br />

milde ausgedrückt – nicht gerade gut zu sprechen<br />

sind. Von den r<strong>und</strong> 100.000 ausländischen Schülern,<br />

die im Jahre 2000 den Besuch einer beruflichen Schule<br />

beendet haben, konnten 35 Prozent keinen<br />

Abschluss erzielen. Bei den deutschen Schülern war<br />

die Quote lediglich halb so hoch. Obwohl junge Ausländer<br />

in den letzten Jahren verstärkt nach Ausbildungsplätzen<br />

in Betrieben gefragt haben, konnten sie<br />

nicht mehr Lehrverträge abschließen. Seit 1996 ist<br />

die Zahl der ausländischen Jugendlichen, b<strong>und</strong>esweit<br />

betrachtet, von 160.000 auf knapp 97.000 im Jahre<br />

2000 gesunken. Die Tendenz ist jedoch wieder steigend.<br />

Bezogen auf die Altersgruppe der 18- bis 21jährigen<br />

waren damit nur noch ein Drittel der ausländischen<br />

Heranwachsenden, gleichzeitig aber doch<br />

zwei Drittel der deutschen Jugendlichen, beschäftigt.<br />

Ich möchte es bei diesen b<strong>und</strong>esweit erhobenen<br />

Daten belassen <strong>und</strong> hinzufügen, dass wir hier auf<br />

regionaler Ebene schlechtere Zahlen vorweisen können.<br />

Das ist wohl auch der Gr<strong>und</strong>, dass verstärkt hier<br />

in der Region mit Projekten gearbeitet wird. Deutlich<br />

wird jedoch, dass es gewaltiger <strong>und</strong> systematischer<br />

gesellschaftlicher Kraftanstrengungen bedarf, die<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungssituation ausländischer<br />

Jugendlicher zu verbessern, die in der Tat von Chancenungleichheit<br />

geprägt ist.<br />

Bevor ich zum zweiten Teil meiner Ausführungen<br />

komme, möchte ich nun kurz aus einer aktuellen<br />

Studie vom Institut für <strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung<br />

der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> in Nürnberg<br />

einige Zeilen zitieren. Darin schreiben die federführenden<br />

Wissenschaftler Alexander Reinberg <strong>und</strong><br />

Markus Hummel, ich zitiere: „Wir befinden uns auf<br />

dem Weg, unseren entscheidenden Wettbewerbsvorteil<br />

aufs Spiel zu setzen, nämlich das für unseren<br />

Hochtechnologie- <strong>und</strong> Hochlohnstandort bedeutende<br />

Humankapital.“ Dieser Begriff „Humankapital“<br />

wird im übrigen unabhängig davon, vom Frankfurter<br />

Professor <strong>und</strong> Integrationsforscher Frank-Olaf Radtke<br />

schon seit langem gebraucht. Er fordert, dass das<br />

deutsche System Schule sich unvoreingenommen<br />

auf dieses Humankapital berufen soll <strong>und</strong> dementsprechend<br />

das System Schule in Deutschland umzu-<br />

12<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

gestalten ist, damit es nicht nur der deutschen Volkswirtschaft<br />

zugute kommt, sondern auch dem einzelnen<br />

benachteiligten Individuum unserer Gesellschaft<br />

die Möglichkeit gegeben wird, sich eine lebenswerte<br />

Zukunft zu gestalten. Im übrigen stellt Prof. Radtke in<br />

seinem jüngst veröffentlichten Buch „Institutionelle<br />

Diskriminierung“, die, wie ich meine, ernstzunehmende<br />

These auf, das deutsche Schulsystem selbst sei in<br />

erster Linie dafür verantwortlich, dass ausländische<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche im Vergleich zu gleichaltrigen<br />

Deutschen im Schulischen so schlecht abschneiden.<br />

Ich zitiere einen Kernsatz aus dem besagten Buch,<br />

das auch den für sich sprechenden Untertitel „Die<br />

Herstellung ethnischer Differenz in den Schulen“<br />

trägt. Der Kernsatz lautet: „Die Erklärung für mangelnden<br />

Schulerfolg von Migrantenkindern wird in der<br />

öffentlichen Diskussion überwiegend in Defiziten der<br />

betroffenen Kinder, in ihrem familiären Umfeld <strong>und</strong> in<br />

ihrer Kultur gesucht. Der Ort seiner Entstehung, ... die<br />

Schule, bleibt außer Betracht.“<br />

Wir kommen zurück zur Studie der B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

<strong>Arbeit</strong>. Dort heißt es weiter: „Die Ursachen liegen<br />

nicht nur in der demografischen Entwicklung, sondern<br />

auch in den Qualifizierungstrends der Bevölkerung.<br />

Selbst ein deutlicher Anstieg der Geburtenraten,<br />

für den allerdings zurzeit nichts spricht, oder<br />

Zuwanderung in einer wirtschaftlich <strong>und</strong> gesellschaftlich<br />

vertretbaren Größenordnung können diesen<br />

Trend bestenfalls bremsen, nicht aber stoppen.“ So<br />

teilen diese beiden Wissenschaftler Reinberg <strong>und</strong><br />

Hummel diese Auffassung: „Die internationale Konkurrenz<br />

um die hellen Köpfe wird sich in Zukunft wohl<br />

eher noch verstärken“, prophezeien sie. Weiter heißt<br />

es darin, angesichts der schlechteren Qualifikationsstrukturen<br />

der in Deutschland lebenden Einwanderer,<br />

dem unbefriedigenden Ausbildungsniveau ihrer Kinder<br />

<strong>und</strong> hoher rechtlicher Hürden für ausländische<br />

Absolventen deutscher Hochschulen beim Zugang in<br />

den <strong>Arbeit</strong>smarkt sei eine bessere Integrationspolitik<br />

unbedingt erforderlich. Dies, meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

ist das Resumee des Instituts für <strong>Arbeit</strong>smarkt<strong>und</strong><br />

Berufsforschung der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> in<br />

Nürnberg bezüglich Integration <strong>und</strong> <strong>Migration</strong>. Die<br />

Studie wurde Mitte dieses Jahres abgeschlossen.<br />

Insofern möchte ich an dieser Stelle nochmals mit


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Nachdruck dafür werben <strong>und</strong> Sie ermutigen, Ihre<br />

Anstrengungen zur Verbesserungen der Bildungs<strong>und</strong><br />

Ausbildungssituation junger Ausländer weiter<br />

fortzuführen <strong>und</strong> zwar trotz aller negativen Signale,<br />

die zurzeit in besonderer Weise durch die eklatanten<br />

Kürzungen der hessischen Landesregierung hereingebrochen<br />

sind. Ich musste das erwähnen.<br />

Und, meine Damen <strong>und</strong> Herren, wenn wir schon<br />

beim Land sind: es ist geradezu lächerlich, die<br />

öffentliche Debatte um Zuwanderung <strong>und</strong> Integration<br />

dadurch bereichern zu wollen, dass das Erlernen<br />

der deutschen Sprache ein Garant für eine gelungene<br />

Integration sei. Dies ist für mich im Moment eher<br />

ein Zeichen dafür, dass man es mit der Integration<br />

doch nicht so ernst meint, wie es allseits propagiert<br />

wird. Und wir müssen uns alle ganz dick hinter die<br />

Ohren schreiben, dass mit dem Erlernen der deutschen<br />

Sprache allein, so determinant es auch ist,<br />

der sehr schwierige, hochkomplexe gesellschaftliche<br />

Prozess der Integration nicht zu bewältigen ist.<br />

Solange ernstzunehmende Partizipationsmöglichkeiten<br />

von ausländischen Einwohnern dadurch gekennzeichnet<br />

sind, dass es Menschen erster, zweiter <strong>und</strong><br />

dritter Kategorie gibt, solange wird auch die jetzt erst<br />

entdeckte W<strong>und</strong>erwaffe der Sprachförderung nicht<br />

viel ausrichten können. Dessen bin ich mir sicher,<br />

meine Damen <strong>und</strong> Herren.<br />

Zum zweiten Teil meiner Ausführungen sei mir<br />

gestattet, den Bogen noch etwas weiter zu spannen.<br />

Als Vertreter der politischen Gremien <strong>und</strong> der Ausländerbeiräte<br />

der Gebietskörperschaften Frankfurt,<br />

Stadt <strong>und</strong> Kreis Offenbach <strong>und</strong> <strong>Main</strong>-Taunus-Kreis<br />

werde ich mich, wie gesagt, nicht nur auf das vorgeschriebene<br />

Thema beschränken, sondern auch eine<br />

gesamtgesellschaftliche <strong>und</strong> politische Wertung<br />

über Zuwanderung <strong>und</strong> Integration abgeben. Hierzu<br />

möchte ich Ihnen aus einem „Spiegel“ vergangener<br />

Woche auszugsweise ein paar Zeilen vortragen, die<br />

ich beim Lesen als sehr amüsant empf<strong>und</strong>en habe.<br />

Der Titel unter der Rubrik Emigranten lautet: „Hier<br />

bin ich wieder wer“. Sehr ungewohnt, finde ich,<br />

nebenbei bemerkt, dass in einer deutschen Wochenzeitschrift<br />

unter der Rubrik Emigranten auf einmal<br />

nicht die Ausländer hier in Deutschland gemeint<br />

sind, sondern die Deutschen selbst, die sich auf den<br />

Weg machen, um im Ausland ein besseres Leben zu<br />

führen. Ich zitiere aus dem „Spiegel“ ein paar Sätze.<br />

Spiegel Nr. 42/2003 „Hier bin ich wieder wer“:<br />

„Immer mehr deutsche Rentner verlegen ihren<br />

Alterssitz anstatt nach Mallorca in die Türkei. Die<br />

Preise sind viel niedriger <strong>und</strong> die Einheimischen<br />

geben sich respektvoll. Zwischen 12.000 <strong>und</strong><br />

20.000 Deutsche, so schätzt die deutsche Botschaft<br />

in Ankara, leben inzwischen schon ständig in der<br />

Türkei. Die Zeitung Hürriyet schätzte die Zahl der<br />

Deutschen kürzlich sogar auf 70.000. Die Deutschen<br />

werden in Scharen kommen, wenn sich erst<br />

einmal herumgesprochen hat, dass der Türke in der<br />

Türkei ganz anders ist als der Türke vor unserer Haustür.<br />

Schließlich sieht man in Alanya beispielsweise<br />

weniger Kopftücher als in Frankfurt am <strong>Main</strong>. Die<br />

Einwanderer pflegen ihre Lebensart im deutschen<br />

Club „Die Brücke“ mit Festen, Ausflügen, Skatr<strong>und</strong>en.<br />

Zudem gibt es einen Ortsverband des Hürtürk,<br />

des freiheitlich deutsch-türkischen Fre<strong>und</strong>schaftsvereins,<br />

gegründet von türkischen Geschäftsleuten,<br />

der deutschen Mitgliedern bei Problemen <strong>und</strong> Behördengängen<br />

hilft. Wir wollen die Deutschen integrieren,<br />

damit sie sich bei uns wohl fühlen, sagt<br />

Hassan Savihaglu, seit 4 Jahren Bürgermeister von<br />

Alanya. Weil die Deutschen etwa als tierlieb gelten,<br />

werden streunende H<strong>und</strong>e nicht mehr wie früher von<br />

der Stadt vergiftet, sondern in einem Tierheim aufgepäppelt<br />

<strong>und</strong> wenn möglich an deutsche Senioren<br />

vermittelt. In der Fleischzeile grüßen auf einer Malerei<br />

über einem Stand zwei rosige Ferkel mit erhobenem<br />

Daumen. Metzger Halil Dagmasch verkauft<br />

eingeschweißte Mett- <strong>und</strong> Leberwürste <strong>und</strong> Wildschweinfleisch<br />

bei der Istanbuler Fabrik. In vielen<br />

Supermärkten wird Allman Ekmek angeboten. Das<br />

ist Schwarzbrot, meine Damen <strong>und</strong> Herren. In Willis<br />

Kneipe in der Dalmatanstraße, direkt am Meer, gibt<br />

es Mettwurst <strong>und</strong> Sauerkraut, Leipziger Allerlei <strong>und</strong><br />

Zwetschgenkuchen. Den Dauergästen bietet die<br />

deutsche Wirtin Weihnachts- Silvesterfrühstück,<br />

Karnevalsfeiern, Tanz in den Mai <strong>und</strong> Preisskat an.<br />

Der Einfluss der deutschen in Alanya ist viel größer<br />

als ihre Zahl, sagt der Journalist Achmet Algün. Die<br />

Straßen <strong>und</strong> Parks werden immer gepflegter, man<br />

13


hält seine Verabredungen ein, die Türken fangen an,<br />

Filterkaffee zu trinken <strong>und</strong> trauen sich kaum noch,<br />

einen H<strong>und</strong> zu verjagen. Immer mehr Pensionäre<br />

wollen auch in der Heimat beerdigt werden. Neben<br />

dem muslimischen hat die Stadt einen christlichen<br />

Friedhof angelegt. In Liebe zu Ana, Alanya oder „Nun<br />

bist du frei für immer in Alanya“ steht auf den Grabsteinen.<br />

50 Christen wurden hier in den vergangenen<br />

Jahren bereits beerdigt. Im Frühjahr betete bei<br />

einer Bestattung eines Deutschen auf Wunsch der<br />

Familie sogar der Mufti Mohammed Gefher ein islamisches<br />

Totengebet.<br />

Die Toleranz in der Türkei ist groß, beteuert er.<br />

Warum sollte ich nicht am Grab eines Christen<br />

beten? Die Deutschen sind hier wie in Deutschland<br />

unsere Nachbarn <strong>und</strong> vor Gott sind ja auch alle<br />

gleich. Erst vor wenigen Tagen habe er einen deutschen<br />

Pfarrer empfangen, der hier bald mit seiner<br />

<strong>Arbeit</strong> beginnen wird. Wegen der wachsenden Zahl<br />

von Christen hat sowohl die katholische als auch die<br />

evangelische Kirche Seelsorger an die türkische<br />

Riviera entsandt. Sogar eine örtliche Kirche könnte<br />

es demnächst geben. Bürgermeister Sipherolu hat<br />

kürzlich eine passende Immobilie ausgemacht. Sie<br />

thront auf dem Berg über der Stadt. In einer alten<br />

Festungsanlage wird ab November, also ab diesem<br />

Monat, eine byzantinische Kapelle aus dem 11. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

restauriert.“<br />

Ich belasse es mal dabei. Ich denke, es wird deutlich,<br />

welches meine Intention ist.<br />

Wir kommen nun von Alanya nach Deutschland<br />

zurück. Wir versetzen uns 20, 30 oder auch 40 Jahre<br />

zurück. In den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren, also in der Zeit<br />

vor den politischen Auseinandersetzungen um <strong>Migration</strong><br />

<strong>und</strong> Integration, war der migrationpolitische Diskurs<br />

einerseits auf technokratisch verengte Fragen<br />

des <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> dessen Regulierung ausgerichtet.<br />

Der Anwerbestopp für <strong>Arbeit</strong>simmigranten im<br />

Jahr 1973 <strong>und</strong> das nur halbwegs erfolgreiche Rückführungsprogramm<br />

der 1982 neu ins Amt gelangten<br />

christlich-demokratischen Regierung bildeten die<br />

symbolischen Landmarken dieser Epoche. Als Protagonisten<br />

der <strong>Migration</strong>spolitik als <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik<br />

agierten gemeinschaftlich <strong>Arbeit</strong>geberverbände, Ge-<br />

14<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

werkschaften <strong>und</strong> die jeweils amtierenden Regierungen<br />

<strong>und</strong> deren Administrationen, vor allen Dingen die,<br />

die im Bereich der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik <strong>und</strong> der<br />

Gestaltung des <strong>Arbeit</strong>smarktes Entscheidungsgewalt<br />

ausübten.<br />

Andererseits war die Debatte der 70er <strong>und</strong> 80er<br />

Jahre um <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration durch sozialpolitische<br />

<strong>und</strong> wohlfahrtsstaatliche Klischees gekennzeichnet.<br />

Hier agierten vor allem die organisierten<br />

sozialpolitischen Interessen der Mehrheitsgesellschaft,<br />

allen voran die Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> die<br />

ihnen wohl gesonnenen Sozialministerien auf B<strong>und</strong>es-<br />

<strong>und</strong> Landesebene.<br />

Dabei wurde kaum Raum gelassen, <strong>und</strong> das ist meines<br />

Erachtens das Fatale, <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration<br />

jenseits des sozialpolitischen Ghettos zu thematisieren<br />

<strong>und</strong> intellektuell zukunftsweisend auszugestalten.<br />

Im besten Fall herrscht hier ein reaktiver,<br />

meist noch stark sozial-paternalistischer Umgang<br />

mit den enormen Herausforderungen, der inzwischen,<br />

wie ich sage, real existierenden Einwanderungsgesellschaft.<br />

Den armen Ausländern muss<br />

man doch helfen, so die Devise. Das eingespielte<br />

Team von Wohlfahrtslobbyisten <strong>und</strong> staatlichen,<br />

sprich finanzierenden Institutionen, erhält diese<br />

sozialpaternalistischen Strukturen aufrecht. Das<br />

eigentliche Manko ist jedoch nicht die aus welchen<br />

Gründen auch immer, erst spätere politische Entdeckung<br />

der Themen <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration oder<br />

die oft erdrückende Vorherrschaft des sozialpolitischen<br />

Diskurses, sondern die nahezu vollständige<br />

Abwesenheit einer kulturpolitischen Debatte im weitesten<br />

Sinne um die Ausgestaltung der Einwanderungsgesellschaft,<br />

nicht die Ausgestaltung der Probleme<br />

der Ausländer, sondern die Probleme der<br />

Gesamtgesellschaft.<br />

Im lokalen Raum finden sich alternative Kulturzentren<br />

für Zuwanderer, so genannte multi-kulturelle Begegnungsstätten,<br />

<strong>und</strong> andere Harmlosigkeiten. So redet<br />

zum Beispiel Rainer Ohlinger vom Netzwerk <strong>Migration</strong><br />

in Europa mit kurzer Reichweite <strong>und</strong> oft noch kürzerer<br />

Lebensdauer. Eine koordinierte kulturpolitische Initiative<br />

in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht mit langer<br />

oder nur mittlerer Reichweite <strong>und</strong> dem Willen zur politischen<br />

Gestaltung, zur Meinungsführerschaft <strong>und</strong> zur


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Durchsetzung von Machtansprüchen, denn es geht<br />

letztendlich nur darum, fehlt jedoch gänzlich. Hier<br />

klafft eine eklatante Lücke <strong>und</strong> spätestens hier, meine<br />

Damen <strong>und</strong> Herren, kommen wir um die zentrale<br />

Frage der Gleichberechtigung nicht herum, wollen<br />

wir eine Demokratie modernisieren, die es wahrhaftig<br />

verdiente, das geographische Zentrum Europas<br />

schmücken zu dürfen. Integration, meine Damen<br />

<strong>und</strong> Herren, kann nur gelingen, wenn mit der Gesellschaft,<br />

insbesondere auch wegen der Zugewanderten,<br />

<strong>und</strong> der einheimischen Bevölkerung ein Konsens<br />

darüber hergestellt wird, was unter Integration<br />

zu verstehen ist <strong>und</strong> welche berechtigten Erwartungen<br />

sich daraus an die Aufnahmegesellschaft wie<br />

auch an die Zugewanderten ableiten. Die wichtigste<br />

Vorraussetzung für Integration ist meines Erachtens<br />

ein Gesellschaftsverständnis, welches Zugewanderte<br />

durch faktische rechtliche Sicherheit den Einheimischen<br />

gleichstellt <strong>und</strong> ihnen damit die Identifikation<br />

mit <strong>und</strong> die Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft<br />

ermöglicht. Integration verstehe ich nicht als eine einseitige<br />

Übernahme einer vorgef<strong>und</strong>enen Ordnung,<br />

sondern vielmehr als einen ständigen dialogischen<br />

Prozess der gegenseitigen Verständigung über die<br />

gemeinsamen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Regeln des Zusammenlebens,<br />

in den Zugewanderte wie Einheimische<br />

gleichermaßen eingeb<strong>und</strong>en sein sollten. Ich lebe<br />

seit 40 Jahren hier in Deutschland <strong>und</strong> befasse mich<br />

relativ intensiv mit dem Problem Integration <strong>und</strong><br />

nehme mir auch das Recht, sagen zu können, dass<br />

dieser dialogische Prozess in meinen Augen nicht<br />

oder noch nicht im gebotenen Maße in Gang gekommen<br />

ist, bedenkt man, dass die deutsche Immigrationsrealität<br />

bald so alt ist wie die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

selbst. Das Gr<strong>und</strong>gesetz wurde 1948 ausgerufen,<br />

1955 wurden die ersten Anwerbeverträge mit Italien<br />

verifiziert. Es sind gut 50 Jahre vergangen, meine<br />

Damen <strong>und</strong> Herren. Das ist ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Wo stehen wir heute?<br />

● Die von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit <strong>und</strong> vor allem Langzeitarbeitslosigkeit<br />

betroffenen Ausländer sind<br />

prozentual viel mehr als die Deutschen,<br />

● sie leben immer noch in schlechteren Unterkünften,<br />

● sie führen immer noch zum Großteil die niederen<br />

<strong>Arbeit</strong>en aus <strong>und</strong><br />

● gehören dadurch immer noch zu den niedrigeren<br />

Einkommensschichten,<br />

● sie sind in den Führungsebenen immer noch<br />

die große Ausnahme,<br />

● sie haben immer noch die schlechteren Schulabschlüsse,<br />

obwohl hier geboren,<br />

● sie sind immer noch von ernstzunehmenden<br />

Partizipationsmöglichkeiten ausgeschlossen<br />

● die Segregrationsphänomene verstärken sich<br />

leider Gottes.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, Sie sehen, es gibt wirklich<br />

viel zu tun. Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> wünsche der Veranstaltung noch<br />

einen guten Verlauf.<br />

15


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Vicky Pompizzi, M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk,<br />

Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

Iris Rebaudo,<br />

Referentin auf internationalen Elternabenden<br />

Lisa Fortunato, EP M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk<br />

Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

Eckhardt Hengel,<br />

Leiter der Mathildenschule, Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Sofia Milosavljevic, Schülerin der Mathildenschule<br />

Eldina Muratovic, Schülerin der Mathildenschule<br />

Pia Lutter, Schülerin der Mathildenschule<br />

Metin Emir,<br />

Mitglied der Kommunalen Ausländervertretung der<br />

Stadt Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

Sevda Cemaloglu, Datenbankadministratorin,<br />

ehrernamtliche Mulitplikatorin<br />

Vicky Pompizzi: Ja, was bedeutet Ausbildung für<br />

dich? Diese Frage <strong>und</strong> diese Thematik wollen wir<br />

Jugendlichen, aber auch ihren Eltern näher bringen,<br />

damit sie sich mehr damit beschäftigen. Zunächst<br />

möchte ich mich <strong>und</strong> unser Bildungswerk vorstellen.<br />

Mein Name ist Vicky Pompizzi, mein <strong>Arbeit</strong>geber ist<br />

CGIL– Bildungswerk. Meine Kollegin Lisa Fortunato<br />

ist mit mir Projektleiterin, <strong>und</strong> unser Vorsitzender<br />

Franco Marincola, der vorne dabei sitzt, ist mit im Projektteam<br />

dabei <strong>und</strong> schaut uns auch immer wieder<br />

auf die Finger. Unser Projekt heißt „Er-höhung der<br />

Ausbildungsbereitschaft bei jugendlichen Migrantinnen“.<br />

CGIL ist eine Migrantenorganisation wie man<br />

16<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

4. M.A.R.E.: Ausbildung als Basis für gelingende Integration<br />

Vicky Pompizzi Lisa Fortunato<br />

heute so schön sagt, also wir bestehen aus lauter<br />

Personen nichtdeutscher Herkunft, die hier in<br />

Deutschland Ausbildungs- oder Berufswege erlebt<br />

haben. Herr Di Benedetto hat schon Zahlen zur<br />

Ausbildungsbeteiligung <strong>und</strong> zum Niveau schulischer<br />

Abschlüsse angeführt. Ich beschränke mich<br />

auf zwei Zahlen zur Ausgangssituation in Hessen;<br />

<strong>und</strong> die eine ist die, dass im Sommer bekannt<br />

geworden ist, dass 10.000 Ausbildungsstellen in<br />

diesem Jahr fehlen werden. Das ist eine Zahl, die<br />

die IHK herausgegeben hat. Auf der anderen Seite<br />

sehen wir den Anteil der jugendlichen Nichtdeutschen<br />

(also ich bevorzuge immer dieses Wort,<br />

auch wenn es nicht mehr ganz stimmig ist, da viele<br />

ja die deutsche Staatsbürgerschaft haben). Emigrant<br />

hat Herr Di Benedetto so schön gesagt, ist ja<br />

auch nicht richtig, weil wir sind sesshaft.<br />

Also der Anteil der nichtdeutschen Schülerinnen in<br />

den unterschiedlichen Schul- <strong>und</strong> Bildungswegen ist<br />

umso höher, je niedriger die Qualifikationsstufe ist.<br />

Und gerade hier in den vier Gebietskörperschaften der<br />

Entwicklungspartnerschaft, das ist Stadt Frankfurt,<br />

Stadt Offenbach, Kreis Offenbach <strong>und</strong> <strong>Main</strong> Taunus<br />

Kreis, sehen wir, dass in Frankfurt der Anteil der Nichtdeutschen<br />

in der Hauptschule fast 60 % beträgt. Es<br />

wird in Offenbach etwas besser, Kreis Offenbach noch<br />

etwas besser <strong>und</strong> der <strong>Main</strong> Taunus-Kreis hat dann ca.<br />

40 % als Anteil. Also schlechte Ausgangsvoraussetzungen<br />

für nichtdeutsche jugendliche. Personen ohne<br />

abgeschlossene Berufsausbildung haben eine <strong>Arbeit</strong>slosenquote<br />

in Höhe von 22 % (Statistik aus dem Jahre<br />

2000). Die <strong>Arbeit</strong>slosenquote der Personen ohne<br />

abgeschlossene Berufsausbildung ist dreimal so hoch,<br />

wie die der Personen mit abgeschlossener Ausbildung.<br />

Ausbildung ist f<strong>und</strong>amental für berufliche Chancen.<br />

Hier gilt es anzusetzen.<br />

Jugendliche versuchen wir zu sensibilisieren, zu informieren<br />

aber auch zu ermutigen, wir versuchen Eltern<br />

über das Bildungssystem aufzuklären <strong>und</strong> zur aktiven<br />

Unterstützung ihrer Kinder zu motivieren. Wir betreiben<br />

ein wenig Politik, indem wir die Bedeutung der<br />

sprachlichen <strong>und</strong> kulturellen Kenntnisse <strong>und</strong> die<br />

Fähigkeit, sich flexibel mit neuen Situationen zurecht<br />

zu finden, als Ressource <strong>und</strong> Potenziale darstellen.<br />

Jetzt fragen sie sich sicherlich, wie machen wir das.<br />

Unsere <strong>Arbeit</strong>sfelder im Projekt sind zu unterteilen in


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

vier Bausteine. Ein erster ist das Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Koordinationszentrum für Aktivitäten zur Anhebung<br />

der Ausbildungsbereitschaft. Hierbei ist CGIL-Bildungswerk<br />

dann die Basis. Wir bauen ein Multiplikatorennetzwerk<br />

auf unter dem Motto Migrant/innen<br />

fördern Migrant/innen. Ich sage immer beides. Also<br />

Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen. Der dritte Baustein sind<br />

die Sensibilisierungs- <strong>und</strong> Informationsveranstaltungen<br />

für Eltern, solche für Jugendliche oder eben für<br />

die Verwaltung, für Lehrerinnen <strong>und</strong> für Jugendeinrichtungen.<br />

Und der vierte große Baustein ist die<br />

Öffentlichkeitsarbeit. CGIL Bildungswerk soll in diesem<br />

M.A.R.E.-Projekt auch die Botschaft „Ausbildung<br />

lohnt sich“ nach außen tragen. Vor allen Dingen natürlich<br />

auch an die entsprechenden Jugendlichen <strong>und</strong><br />

Eltern. Besonders beliebt als Werbeträger sind unsere<br />

T-Shirts, die die beiden Mädchen da vorn anhaben.<br />

Wir machen z.B. Fußballturniere <strong>und</strong> es gibt eine<br />

türkische Fußballmannschaft, die mit unseren Trikots<br />

<strong>und</strong> Hosen spielt, eine komplette Saison <strong>und</strong> die<br />

weitere Saison natürlich auch.<br />

Zwischenergebnis unseres Projektes ist, dass wir innerhalb<br />

eines Projektjahres durch Veranstaltungen <strong>und</strong><br />

Aktionen 2000 Personen erreicht haben, ohne die zu<br />

zählen, die Zeitung lesen sondern einfach über unsere Maßnahmen.<br />

Als Ziel hatten wir uns gesetzt, im Projektzeitraum<br />

3000 zu erreichen; wenn man sieht, dass wir<br />

noch 1, 5 Jahre vor uns haben, denke ich, können wir ganz<br />

beruhigt in die Zukunft schauen, wir werden sie erreichen.<br />

Das Projekt selber möchten wir ihnen nun in kleinen<br />

Gesprächsr<strong>und</strong>en, zu denen ich immer wieder andere<br />

Gesprächpartner bitten werde, näher bringen. Dazu<br />

bitte ich als erstes Herrn Hengel,Schul-leiter der<br />

Mathildenschule, <strong>und</strong> Iris Rebaudo als eine Betreuerin,<br />

die für uns vor Ort tätig ist, nach oben. Und natürlich<br />

meine Kollegin Elisabetta Fortunato, die mich jetzt<br />

hier als sogenannte Expertin unterstützen wird, weil ich ja<br />

hier die Moderation machen muss. Eines der Schwerpunkte<br />

unserer <strong>Arbeit</strong> ist die Information <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />

<strong>und</strong> natürlich die Einbeziehung der Eltern. Vor<br />

allen Dingen geht es uns ja um die Zweisprachigkeit<br />

<strong>und</strong> die Bikulturalität. Frau Rebaudo hat zwei Kinder<br />

<strong>und</strong> ist mit einem italienischen Muttersprachenlehrer<br />

verheiratet <strong>und</strong> insoweit mit der Materie, was das Verhältnis<br />

Eltern, Kinder <strong>und</strong> Schule anbelangt, sehr ver-<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

traut. Sie ist für uns als Betreuerin <strong>und</strong> Leiterin für<br />

diverse Projekte tätig gewesen <strong>und</strong> im EQUAL Mare<br />

unterstützt sie uns bei den muttersprachlichen<br />

Elternabenden. Frau Rebaudo, an Sie geht jetzt<br />

meine erste Frage.<br />

Was machen Sie in diesem Elternabenden, welche<br />

Erfahrungen machen Sie mit den Eltern?<br />

Iris Rebaudo: Zunächst mal ist zu den Elternabenden<br />

zu sagen, dass wir versuchen, sie in den Muttersprachen<br />

zu gestalten, dass die auch ansprechend sind für<br />

die Eltern. Sie werden leider nicht immer sehr gut frequentiert,<br />

es kommen oft nur sehr wenige Eltern. Das<br />

Problem kennen wir nun schon seit vielen Jahren <strong>und</strong><br />

versuchen dem halt entgegenzuwirken, indem wir<br />

versuchen viele persönliche Kontakte zu knüpfen<br />

zu den Eltern, die Kinder kennen zulernen <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus dann auch konkrete Angebote für die<br />

Eltern zu machen. Also vielleicht noch ein bisschen<br />

was dazu. Ich habe fast nur mit italienischen Eltern zu<br />

tun, <strong>und</strong> ich frage mich persönlich immer wieder,<br />

warum kommen die italienischen Eltern wenig in die<br />

Schule, warum kommen sie auch selten zu internationalen<br />

Veranstaltungen oder anderen Elternabenden.<br />

Ich habe dann auch viele Italiener befragt,<br />

warum ist das so <strong>und</strong> was man daran ändern kann,<br />

<strong>und</strong> das ist nicht immer einfach zu beantworten. Ich<br />

denke, erstmal hat Herr Corrado Di Benedetto auch<br />

schon darauf hingewiesen, dass das historisch<br />

gewachsen ist <strong>und</strong> dass gerade die Italiener gegenüber<br />

Institutionen noch sehr zurückhaltend sind. Und<br />

Schule ist etwas, was leider immer noch nicht für so<br />

wichtig angesehen wird. Zum Teil ist es aber auch so,<br />

dass die Eltern sich sprachlich immer noch nicht so fit<br />

fühlen, dass sie denken, da verstehe ich nichts ich<br />

bekomme nur die Hälfte mit, oder sie müssen sich<br />

jemand mitbringen, der übersetzt. Man kann halt<br />

nicht alles mehrsprachig gestalten. Wir versuchen<br />

das zwar immer wieder mit Übersetzungen zu<br />

machen, trotzdem gelingt das leider nicht immer.<br />

Wenn man aber mal Kontakt hat zu italienischen<br />

Eltern über bestimmte Projekte <strong>und</strong> die Eltern persönlich<br />

kennt, dann hat man wirklich einen B<strong>und</strong><br />

fürs Leben geschlossen <strong>und</strong> sie kommen dann<br />

17


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

immer wieder <strong>und</strong> kommen dann immer wieder auf<br />

einen zu, wenn Probleme bestehen. Und dann kann<br />

man Sie immer an andere Institutionen überweisen.<br />

Vicky Pompizzi:<br />

Das sieht so ein<br />

bisschen auch aus<br />

wie an die Hand<br />

nehmen.....<br />

Iris Rebaudo: Richtig,<br />

das ist auch das<br />

wichtigste an der<br />

Elternarbeit, dass<br />

man immer wieder versucht sie zu sensibilisieren, dass<br />

Schule halt wichtig ist, dass eine gute Ausbildung<br />

enorm wichtig ist, <strong>und</strong> ihnen auch klarzumachen<br />

dass wenn sie hier leben, sie sich ein bißchen lösen<br />

müssen von der Idee - denn die haben Italiener sie<br />

immer noch - wir gehen ja irgendwann doch wieder<br />

nach Italien zurück. Diese Vorstellung ist leider<br />

unrealistisch, denn auch dort haben sie keine Wurzeln<br />

mehr. Viele Italiener hängen aber mit dem Herz<br />

einfach noch in Italien.<br />

Und zum Teil<br />

erlebe ich immer<br />

wieder, dass Eltern,<br />

wenn irgendwelche<br />

Probleme in der<br />

Schule auftauchen,<br />

sie dann einfach<br />

nach den Ferien<br />

nicht mehr wiederkommen<br />

<strong>und</strong> in Italien<br />

verschw<strong>und</strong>en sind. Nach drei Jahren kommen<br />

sie dann wieder, weil sie auch in Italien nicht klar<br />

gekommen sind, <strong>und</strong> dann wird das ganze doppelt<br />

schwierig.<br />

Vicky Pompizzi: Dass heißt, wenn ich sie richtig<br />

verstanden habe, müssen wir auch früh ansetzen,<br />

also in der Schulphase ist es eigentlich schon zu<br />

spät wenn wir die Eltern informieren?<br />

Iris Rebaudo: Ja, also am sinnvollsten halte ich es<br />

wirklich, schon im Jahr vor der Schule anzufangen.<br />

18<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Die Kinder einzubinden, an die Schule zu gewöhnen<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig die Eltern. In der Phase bringen die<br />

Eltern ihre Kinder noch persönlich <strong>und</strong> holen sie<br />

wieder ab, so dass man sofort persönlichen<br />

Kontakt hat. Das ganze ist, glaube ich, wenn es<br />

später ansetzt <strong>und</strong> dann in Form von Stützkursen,<br />

zwar auch wichtig, aber dann ist es eigentlich<br />

schon zu spät.<br />

Vicky Pompizzi: Herr Hengel, mit Ihnen an der<br />

Mathildenschule arbeiten wir ja schon länger, wir<br />

haben mit Ihnen einige Elternabende gestaltet. Wir<br />

war das denn vor EQUAL, wie waren da die Elternabende<br />

besucht, <strong>und</strong> wie war es jetzt, <strong>und</strong> was denken<br />

sie hat sich geändert?<br />

Eckhardt Hengel: Ja, die Elternabende an unserer<br />

Schule sind sehr<br />

unterschiedlich<br />

besucht, auch schon<br />

vorher. Wir hatten<br />

ja in den vergangenen<br />

Jahrennoch<br />

wesentlich mehr<br />

Herkunftssprachen<br />

im Unterricht,<br />

dementsprechend<br />

auch mehr muttersprachlicheLehrkräfte,<br />

die sehr oft<br />

die Rolle von Ver-<br />

Eckhard Hengel, Leiter der Mathildenschule,<br />

Offenbach<br />

mittlern gespielt<br />

haben. Die dann<br />

ihrerseits die Eltern<br />

angesprochen haben, wenn ein Elternabend ist, persönlich<br />

angerufen haben <strong>und</strong> ähnliches. Die auch die<br />

Einladungen in den Sprachen geschrieben haben,<br />

soweit dies möglich ist. Das alles tun sie auch heute<br />

noch, aber die Zahl der Lehrkräfte ist eben im<br />

Zusammenhang mit der derzeitigen Schulpolitik<br />

zurück gegangen, was wir an unserer Schule jedenfalls<br />

schmerzlich beklagen. Wir finden das nicht gut,<br />

aber wir sind natürlich auf der anderen Seite froh,<br />

wenn wir dann von anderer Seite wieder Hilfe<br />

bekommen. Es kommt in der Tat darauf an, dass die<br />

Eltern ganz persönlich angesprochen werden. Frau


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Rebaudo hat ja sehr ausführlich <strong>und</strong> sehr konkret die<br />

Hintergründe, warum Eltern nicht kommen, dargestellt.<br />

Das ist genau die Sicht, die wir auch haben,<br />

dass sie sich nicht<br />

trauen, dann der<br />

Abstand gegenüber<br />

der Institution, die<br />

Einstellung, dass Bildung<br />

ja vielleicht<br />

doch nicht so wichtig<br />

ist oder eben<br />

ähnliche Dinge. Das<br />

alles erfordert, dass<br />

man auf diese Eltern<br />

zugeht <strong>und</strong> ihnen erklärt, warum es wichtig ist zu kommen,<br />

<strong>und</strong> ihnen auch erklärt, dass es ist gar nicht so<br />

wichtig ist, wenn sie die Sprachen nicht können. Denn es<br />

wird auch jemand beim Elternabend dabei sein, der ihre<br />

Sprache spricht.<br />

Also ich denke, dass gerade bei Elternabenden, wo<br />

über das Schulsystem informiert wird, Vertreter da<br />

sind, die diese betreffenden Sprachen sprechen.<br />

Die Einladung sollte schon in dieser Sprache<br />

geschrieben sein,<br />

damit die Eltern<br />

auch verstehen,<br />

wozu sie eingeladen<br />

sind. Wir<br />

haben oft den Fall,<br />

dass die Einladungen<br />

von den Eltern<br />

teilweise gar nicht<br />

verstanden werden.<br />

Es gibt Eltern,<br />

die unterschreiben Verträge mit Bildungsinstitutionen<br />

<strong>und</strong> wissen überhaupt nicht, was sie unterschrieben<br />

haben, <strong>und</strong> so ist es eben auch mit diesem Einladungen.<br />

Also das sind sehr wichtige Dinge, wie die<br />

individuelle Ansprache.<br />

Ich denke, es gibt aber auch noch andere Punkte<br />

an denen man arbeiten muss. Ich halte es für wichtig,<br />

dass die Eltern der Schüler Deutsch lernen, <strong>und</strong><br />

wir versuchen das an unserer Schule dadurch,<br />

dass wir Deutschkurse einrichten. Vor allen die<br />

Frauen haben oft die Gelegenheit nicht, weil die<br />

Männer nicht wollen, dass sie abends zur Volks-<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

hochschule gehen. In die Schule dürfen sie gehen <strong>und</strong><br />

gleichzeitig sind sie auch frei dorthin zu gehen, weil die<br />

Kinder in der Schule sind <strong>und</strong> für kleinerer Kinder dort<br />

eine Betreuung gegeben wird. Aber diese Kurse sind<br />

nicht gesichert auf die Dauer.<br />

Das heißt, es wäre sehr wichtig, eine Sicherheit herzustellen,<br />

dass diese Kurse stattfinden können, <strong>und</strong><br />

es wäre auch wichtig, dass Ansprechpartner da sind,<br />

die diese extern dann eben gezielt informieren, dass<br />

diese Kurse stattfinden.<br />

Da kann man gar nicht genug tun, da reicht es nicht,<br />

wenn die Schule informiert, sondern auch Personen,<br />

die die Sprache der Migranten sprechen, die Eltern<br />

darauf aufmerksam machen, dass diese Kurse stattfinden.<br />

Vicky Pompizzi: Wir hoch war denn die Besucherzahl<br />

des letzten Elternabends?<br />

Eckhardt Hengel: Ja, also wenn Sie jetzt den letzten<br />

Abend nehmen, da war die Besucherzahl sehr gut.<br />

Das war ein Elternabend für türkische Eltern, <strong>und</strong> es<br />

war ungefähr die Hälfte der Eltern da. Ich weiß die<br />

Zahl nicht mehr genau, aber von ca. 130 türkischen<br />

Eltern waren ca. 65 Eltern da, <strong>und</strong> das ist natürlich<br />

seine sehr gute Zahl. Zu diesem Elternabend war<br />

ganz persönlich telefonisch noch kurz vor dem<br />

Elternabend eingeladen worden, außerdem hatte<br />

der Elternabend auch einen etwas herausgehobenen<br />

Charakter, es war der Kulturattachee des türkischen<br />

Generalkonsuls anwesend. Den kann man natürlich<br />

nicht immer dabei haben. Aber ich denke, wenn man<br />

solchen Elternabenden vielleicht einen etwas herausgehobenen<br />

Charakter anbietet, zieht das die<br />

Eltern dann auch an. Dann denke ich, kann man<br />

auch mehr Eltern dafür gewinnen zu den Elternabenden<br />

zu kommen.<br />

Vicky Pompizzi: Frau Fortunato was ist speziell an<br />

diesen Elternabenden?<br />

Lisa Fortunato: Einige Punkte wurden schon erwähnt.<br />

Dadurch dass wir als Migrantenorganisation<br />

die Migranten direkt ansprechen, entsteht eine<br />

Nähe, die einfach auf der persönlichen <strong>und</strong> gemeinsamen<br />

Erfahrung beruht, <strong>und</strong> dadurch verstehen wir<br />

19


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

auch die Problematiken <strong>und</strong> auch die Vorurteile, die<br />

diese Eltern haben können. Viele Schulen haben sich<br />

bei uns beklagt <strong>und</strong> gesagt, die ausländischen Eltern,<br />

die kommen nie zu den Elternabenden. Aber viele können<br />

kein oder nur sehr schlecht Deutsch <strong>und</strong> schämen sich<br />

<strong>und</strong> verstehen wichtige<br />

Teile des Abends<br />

nicht. Dadurch dass<br />

wir die Elternabende<br />

in der Herkunftsspracheorganisieren<br />

<strong>und</strong> Personen<br />

einladen, die wichtig<br />

sind - also der Kulturattachee<br />

wurde erwähnt,<br />

wir haben<br />

auch den italienischen Schuldirektor eingeladen, Vertreter<br />

von unseren Kooperationspartnern, EQUAL,<br />

<strong>Arbeit</strong>samt, die waren alle da -, entsteht auch eine<br />

Wichtigkeit <strong>und</strong> wir merken, die Eltern sind interessiert,<br />

Informationen zu bekommen, Informationen<br />

zum Schulsystem, zum Ausbildungssystem, das sich<br />

frappant unterscheidet vom eigenen Ausbildungssystem.<br />

Zum Beispiel Italien<br />

oder die Türkei kennen<br />

das duale Ausbildungssystem<br />

so<br />

wie es in Deutschland<br />

oder in der<br />

Schweiz durchgeführt<br />

wird nicht.<br />

Wichtig ist auch der<br />

persönliche Kontakt.<br />

Durch die Anrufe<br />

ein bis zwei Tage vor dem Elternaben werden die<br />

Eltern noch einmal persönlich angerufen, erinnert,<br />

dass der Elternabend stattfindet. Wir beziehen auch<br />

Personen ein, die wirklich einen direkten Kontakt<br />

haben zu den Eltern, z.B. die Ausländerbeiräte, der<br />

italienische Pfarrer, der auch einen großen Einfluss<br />

hat, also dadurch machen wir Werbung <strong>und</strong> die Personen<br />

fühlen sich von vielen Seiten angesprochen<br />

<strong>und</strong> kommen dann. Herr Hengel hat vom türkischen<br />

Elternabend gesprochen, ich kann die Zahlen vom<br />

italienischen Elternabend sagen: also bevor wir in<br />

EQUAL eingestiegen sind, sind 4 Eltern gekommen<br />

20<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

an einem italienischen Elternabend. Mit uns waren<br />

es mit Jugendlichen, Kindern, Eltern um die 50.<br />

Mit den Türken hatten wir auch ganz gute Erfahrungen,<br />

da hatten wir auch Elternabende außerhalb der<br />

Schule organisiert. Wir gehen dorthin, wo die Eltern<br />

sind, das sind die Vereine zum Beispiel. Die Kulturvereine<br />

oder die regionalen Vereinigungen. Als gutes Beispiel<br />

ist hier auch TELB zu nennen, der türkische Elternb<strong>und</strong>,<br />

mit dem wir einen Abend organisiert haben, zu<br />

dem 120 Personen gekommen sind.<br />

Mit Jugendlichen, Eltern, Vertretungen der deutschen<br />

Seite, aber auch der Generalkonsul war dann persönlich<br />

da. Und das sind dann Erfolge, <strong>und</strong> wir bemerken,<br />

die Eltern sind interessiert <strong>und</strong> wollen Informationen<br />

bekommen, <strong>und</strong> die geben wir dann auch.<br />

Vicky Pompizzi: Danke, also ein Merkmal ist die<br />

Zweisprachigkeit des Elternabends, ein anderes die<br />

Einbeziehung von Personen aus den Migarantenorganisationen<br />

als Vorbilder. Ich danke Ihnen. Und<br />

jetzt machen wir eine sportliche Auswechslung <strong>und</strong><br />

ich bitte Herrn Metin Emir, Eldina, Pia <strong>und</strong> Sofia zu<br />

mir. Neben den Eltern gilt natürlich unsere <strong>Arbeit</strong> vor<br />

allen auch den Jugendlichen, denn um die geht es.<br />

Ein Weg in dieser <strong>Arbeit</strong> ist die Vereinsarbeit. Herr<br />

Emir ist meiner Ansicht nach ein sogenannter Tausendsassa,<br />

ein Hans-Dampf in allen Gassen. Er ist<br />

nicht nur KAV-Mitglied, manche aus Frankfurt kennen<br />

ihn, er ist auch Mitglied in verschiedenen Vereinen,<br />

er ist Fußballbetreuer, er schiedsrichtert auch<br />

ab <strong>und</strong> zu mal ehrenamtlich <strong>und</strong> er hilft uns im<br />

EQUAL-Mare-Projekt sehr stark, also ohne ihn wäre<br />

vieles nicht möglich gewesen. Ob es mal um einen<br />

Fußballplatz geht oder um einen türkischen Übersetzer,<br />

er ist mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Stelle. Herr Emir, worin<br />

sehen Sie die wichtigste <strong>Arbeit</strong>, um Jugendliche möglichst<br />

gut auf den Ausbildungsweg vorzubereiten?<br />

Metin Emir: Zuerst einmal durch Schulsysteme. Wir<br />

haben vorhin gesprochen über Elternabende, <strong>und</strong><br />

dass ganz wenige zum Elternabend kommen. Dann<br />

ist der Verein angesagt, oder Elternvereine oder<br />

Sportvereine, dass die mehr persönliche Gespräche<br />

machen. Eltern müssen auch über Schulsysteme<br />

informiert werden <strong>und</strong> auch über Möglichkeiten oder<br />

auch Bedingungen für Berufe. Welche Berufe gibt es


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Ausbildung macht fit! Die Fußballer des türkischen Vereins TSV<br />

UMUTSPOR in M.A.R.E.-Trikots<br />

bei uns. Also gewöhnliche Berufe wie Frisöse oder<br />

Automechaniker, aber da gibt es noch etliche andere<br />

Berufe <strong>und</strong> die Eltern sind nicht informiert. Das ist<br />

das wichtige Thema <strong>und</strong> da müssen wir als Verein<br />

über dieses Thema mit Ihnen diskutieren. Und auch<br />

Hilfestellung von den Erwachsenen. Denn ohne die<br />

Hilfe von Erwachsenen sind die Jugendlichen dazu<br />

nicht in der Lage.<br />

Vicky Pompizzi: Ich denke ein Vorteil eines Vereines<br />

oder einer Person wie Herrn Emir ist, dass sie ja<br />

selber von diesen Leuten sind. Also wenn ich jetzt<br />

hingehe <strong>und</strong> sage, ich bin Vicky Pompizzi <strong>und</strong> ich<br />

erzähle ihnen jetzt mal was, dann bringt das nicht so<br />

viel wie wenn Metin Emir oder Frau Methap Eren die<br />

auch in dem Verein ist, das tut. Wenn Sie selber mit<br />

Ihren eigenen Leutensprechen, sehe ich das richtig?<br />

Metin Emir: Ja richtig. Die müssen auch etwas<br />

Respekt haben. Wenn die Vertrauen haben zu dir,<br />

dann kommen sie zu dir. Ich bekomme öfters abends<br />

Anrufe, „was machen wir“ <strong>und</strong> auch wegen der Sonderschulgeschichte.<br />

Sie kommen zu uns <strong>und</strong> rufen<br />

an, um Informationen zu bekommen. Ich gebe die<br />

dann weiter <strong>und</strong> schaue, wie ich helfen kann. Wenn<br />

ich helfen kann, dann helfe ich weiter <strong>und</strong> wenn nicht,<br />

gebe ich andere Telefonnummern <strong>und</strong> Adressen weiter<br />

oder ich mache mit Ihnen Termin <strong>und</strong> gehe selbst<br />

mit ihnen hin, wenn ich Zeit habe.<br />

Aber da fehlen den Vereinen Räumlichkeiten, so dass<br />

man einmal im Monat eine Infoveranstaltung organisieren<br />

kann mit Themen über Drogen, Schulsysteme.<br />

So was fehlt, da brauchen wir Leute <strong>und</strong> auch Vertrauen,<br />

das ist wichtig.<br />

Vicky Pompizzi: Gut, in unserer <strong>Arbeit</strong> versuchen<br />

wir das ja jetzt zusammen hinzubringen. Herr Emir,<br />

eine Sache kann ich mir natürlich jetzt nicht verkneifen<br />

zum Thema unserer Fußballmannschaft. TSV<br />

Umutspor läuft ja mit unseren Trikots auf. Heißt<br />

das jetzt, die laufen nur mit diesen Trikots oder<br />

machen die auch ein bißchen Werbung?<br />

Metin Emir: Ja gut, Werbung auch, laufen <strong>und</strong> die sind<br />

auch informiert. Ich habe einen Fall, da kam ein<br />

Jugendlicher von der B-Jugend zu mir <strong>und</strong> sagte,<br />

dass einer von der Gegenmannschaft ihn gefragt hat,<br />

was heißt „Ausbildung lohnt sich“. Er hat ihm dann<br />

alles erklärt <strong>und</strong> ihn informiert. Die sind also schon in<br />

der Lage, etwas weiterzugeben, <strong>und</strong> die wissen was<br />

wichtig ist.<br />

Vicky Pompizzi: Aber die wissen das auch, weil Sie es<br />

ihnen erklärt haben. Das ist ja schon eine Leistung.<br />

Metin Emir:<br />

Richtig. Ich bin<br />

Betreuer von der<br />

Mannschaft, wir<br />

reden mal öfters<br />

über solche Informationen.<br />

Vicky Pompizzi:<br />

Danke.<br />

Frau Fortunato.<br />

Ein anderer<br />

Zugang zu<br />

den Jugendli-<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Jugendlicher beim Bullriding auf der Berufsbildungsmesse<br />

in Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

chen sind z.B. Berufsbildungsmessen. Wie hat CGIL<br />

es erreicht, dass sich Jugendliche wirklich interessieren<br />

für den Stand? Weil einfach nur Flyer hinlegen,<br />

dass juckt ja keinen Jugendlichen.<br />

Lisa Fortunato: Ja, wir haben dieses Jahr insgesamt<br />

vier Berufsbildungsmessen besucht <strong>und</strong> wir konnten<br />

die Jugendlichen mit einem wirklich tollen Wettbewerb<br />

auch für uns gewinnen. Und zwar haben wir<br />

21


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

einen eisernen Bullen organisiert, sogenanntes Bullriding,<br />

<strong>und</strong> es ging wirklich um das Motto: Ist der Bulle zu<br />

stark, bist du zu schwach. Das heißt, du musst dich<br />

mehr um die Ausbildung kümmern. Da konnten sich die<br />

Jugendlichen auf den Bullen setzen <strong>und</strong> versuchen so<br />

lange wie möglich draufzubleiben. In Frankfurt waren<br />

dann schlussendlich in 3 Tagen über 700 Jugendliche<br />

drauf, das sind also wirklich ganz tolle Zahlen. Wir<br />

haben die Jugendlichen durch diesen Event, aber auch<br />

durch die Preise dann zu fangen versucht. Es gab unter<br />

anderem Trikots von der Eintracht Frankfurt, oder<br />

als wir die Berufsbildungsmesse in Offenbach<br />

gemacht haben, von den Offenbacher Kickers mit<br />

Originalunterschriften.<br />

Da waren die Jungs vor allem sehr scharf drauf. Ein anderer<br />

Preis war ein Tag mit dem Offenbacher Oberbürgermeister<br />

Grandke oder die Teilnahme am Triathlon in<br />

Frankfurt. Aber mit diesen Aufhängern hatten wir r<strong>und</strong><br />

50 Unternehmen der ganzen Region, die bereit waren,<br />

Schnuppertage für die Jugendlichen bereitzustellen. Und<br />

da spreche ich auch von großen Unternehmen wie<br />

Fraport oder HL, Siemens, die Städte waren dabei.<br />

Ziel war, dass wir den ausländischen Jugendlichen<br />

die Möglichkeit geben können, Unternehmen kennenzulernen,<br />

zu denen sie nicht immer einen Zugang<br />

haben, nicht nur weil es große sind oder weil sie<br />

Ausländer sind, sondern weil die Berufsbilder nicht<br />

bekannt sind, die diese Firmen anbieten, <strong>und</strong> ihnen<br />

so die Möglichkeit zu geben eine Einsicht zu bekommen<br />

in Möglichkeiten, so dass sie wirklich ihren<br />

Horizont für die Zukunft öffnen können. Wir haben<br />

die Gelegenheit dann auch erfasst <strong>und</strong> uns gesagt, die<br />

Jugendlichen gehen nicht einfach so auf den Bullen,<br />

wir wollen auch wissen, was sie denken. Und dazu<br />

mussten sie einen Fragebogen ausfüllen mit Fragen<br />

zu Ihrer Herkunft, aber auch zur Ausbildung, den Vorstellungen,<br />

die sie haben in Bezug auf Ausbildungssituation,<br />

Erwartungen, Wünsche aber auch die Realität.<br />

Und da sind jetzt insgesamt 1500 dieser Zettel<br />

zusammen gekommen, die man auch auswerten kann<br />

<strong>und</strong> auf Basis von dem kann man für nächstes Jahr<br />

auch dann neue Maßnahmen durchführen.<br />

Vicky Pompizzi: Vielen Dank, jetzt komme ich zu<br />

den Jugendlichen. Zu Euch. Eldina, Pia steht hinten<br />

22<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

B<strong>und</strong>estagspräsident Wolfgang Thierse mit Offenbacher Schülerinnen,<br />

die das Magazin Abenteuer Ausbildung erstellen.<br />

<strong>und</strong> vorne Sofia. Zu Eldina als erstes, denn eigentlich<br />

ist sie schon eine kleine Berühmtheit. Warum, was<br />

ist passiert Eldina?<br />

Eldina: Ich wurde vom hessischen R<strong>und</strong>funk einen<br />

ganzen Tag begleitet <strong>und</strong> gefilmt, als der B<strong>und</strong>estagspräsident<br />

Herr Thierse hier war. Sie hatten<br />

erfahren, dass er hier ist, <strong>und</strong> sie hatten jemand<br />

gesucht, der in der AG Wegweiser dabei ist, den sie<br />

dann den ganzen Tag begleiten können, bei dem<br />

Interview mit Herrn Thierse auch.<br />

Vicky Pompizzi: AG Wegweiser, was ist das, Frau<br />

Fortunato?<br />

Lisa Fortunato: Die AG Wegweiser ist eine <strong>Arbeit</strong>sgruppe,<br />

die in der Stadt Offenbach entstanden ist <strong>und</strong> zwar<br />

haben sich drei Schulen zusammen getan, die zusammen<br />

zwei Mal im Jahr eine Schülerzeitung produzieren werden.<br />

Vicky Pompizzi: Was ist denn das besondere für<br />

dich an der AG Wegweiser?<br />

Eldina: Ja durch diese AG lernt man Leute wie den<br />

B<strong>und</strong>estagspräsidenten Herrn Thierse oder auch<br />

Herrn Grandke kennen.<br />

Vicky Pompizzi: Da wird gelacht darüber, aber ist ja<br />

auch schön?<br />

Eldina: Solche Leute würden wir sonst nie kennenlernen.<br />

Vicky Pompizzi: Das steigert auch das Selbstbe-


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

wusstsein. Aber was ist für dich noch wichtig an der<br />

AG Wegweiser?<br />

Eldina: Ja, wir haben mit Journalisten wie Herrn<br />

Schiller zu tun <strong>und</strong> durch ihn lernen wir auch, wie<br />

einen Zeitung richtig sein soll.<br />

Vicky Pompizzi: Und was sind das für Artikel, die ihr<br />

schreibt?<br />

Eldina: Also das sind komplette Paktikumsberichte,<br />

auch Checklisten für Bewerbungen <strong>und</strong> solche<br />

Sachen.<br />

Vicky Pompizzi: Und ihr habt einen Namen, oder?<br />

Eldina: Abenteuer Ausbildung.<br />

Vicky Pompizzi: Warum?<br />

Eldina: Wir haben Abenteuer gewählt, da eine Ausbildung<br />

für die Schüler etwas Neues ist. Was sie<br />

noch nie gehabt haben, sie wissen nicht was kommt<br />

<strong>und</strong> deshalb ein Abenteuer.<br />

Vicky Pompizzi: Super, was erwartet das Projekt?<br />

Lisa Fortunato: Was erwarten die Mädchen?<br />

Vicky Pompizzi: Ok, wollen wir die Mädchen fragen,<br />

was erwartet ihr noch von der AG Wegweiser?<br />

Pia: Dass wir sehen, in welchen Berufen eine Ausbildung<br />

gemacht wird <strong>und</strong> wie so was gemacht wird.<br />

Was man alles macht <strong>und</strong> dass wir das auch alles<br />

lernen.<br />

Vicky Pompizzi: Selber?<br />

Pia: Ja<br />

Vicky Pompizzi: Gebt ihr das weiter?<br />

Eldina: Ja wir schreiben ja auch für CGIL die Broschüre,<br />

wir haben auch schon Berichte geschrieben<br />

<strong>und</strong> unsere Paktikumshefte abgegeben.<br />

Vicky Pompizzi: Und das kommt jetzt alles in dieses<br />

„Abenteuer Ausbildung“?<br />

Sofia: Ja<br />

Vicky Pompizzi: Wieviele Seiten wird die haben?<br />

Sofia: Ungefähr 16<br />

Vicky Pompizzi: Ungefähr 16 Seiten, also es ist<br />

nicht klein. Schon was großes.<br />

Pia: Ja.<br />

Vicky Pompizzi: Pia, wird dieses Abenteuer Ausbildung<br />

nur an eurer Schule dann vertrieben oder was<br />

macht ihr damit, weißt du das?<br />

Vicky Pompizzi: Nein? Wird es übersetzt? Weißt du das?<br />

Pia: Ja, das wird in verschiedenen Sprachen übersetzt,<br />

da es ja auch um Migranten geht. Dass heißt,<br />

da es ja für Migranten ist, muss es ja auch in anderen<br />

Sprachen sein <strong>und</strong> so wird das ganze dann übersetzt,<br />

dass die Migranten das dann auch lesen <strong>und</strong><br />

sich wirklich dafür interessieren.<br />

Vicky Pompizzi: Also dass es jeder verstehen kann?<br />

Pia: Ja.<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

SchülerInnen präsentieren mit dem Offenbacher Oberbürgermeister<br />

Grandke die zweite Ausgabe des Magazins „Abenteuer<br />

Ausbildung”<br />

Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, wie geht es denn da<br />

23


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

jetzt weiter? Die 16-seitige Broschüre kommt jetzt.<br />

Was wird dann damit passieren?<br />

Lisa Fortunato: Ja wir haben dieses Jahr begonnen<br />

zu produzieren, wir haben zuerst eine Pilotausgabe<br />

herausgegeben im Zusammenhang mit dem Besuch<br />

von Herrn Thierse beim CGIL-Bildungswerk <strong>und</strong> im<br />

November werden wir nun die erste Ausgabe zum<br />

Thema Betriebspraktikum herausgeben. Es sind16<br />

Seiten <strong>und</strong> die 16 Seiten sind folgendermaßen gefüllt.<br />

Einerseits haben die Mädchen <strong>und</strong> Jungs ihre<br />

Erfahrungen aus den Betriebspraktikas zusammengetragen,<br />

wir haben sie auch zu Geschäftsführern<br />

<strong>und</strong> Personalchefs geschickt, <strong>und</strong> da haben sie auch<br />

Interviews geführt <strong>und</strong> sich erk<strong>und</strong>igt, was bietet<br />

diese Firma an. Wie kann ich mich bewerben? Auf<br />

was achten Personalchefs? Wir werden auch Checklisten<br />

<strong>und</strong> Tops <strong>und</strong> Flops bei den Bewerbungen auflisten<br />

<strong>und</strong> einen Infoteil vorbereiten. Vorgesehen,<br />

wie auch gesagt wurde, ist dass die Ausgabe in drei<br />

Sprachen herausgegeben wird: Italienisch, Türkisch<br />

<strong>und</strong> Deutsch. Die Hefte werden in den Schulen der<br />

vier Gebietskörperschaften verteilt, an die 7. <strong>und</strong> 8.<br />

Klassen, <strong>und</strong> unsere Idee ist es, dass einerseits die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler das Produkt ihrer Klassenkameradinnen<br />

lesen, andererseits durch die<br />

Übersetzung auch Eltern Informationen bekommen.<br />

Dass wenn die Broschüre zu Haus rumliegt, dann<br />

geschaut wird, was sind für Informationen drin, welches<br />

sind meine Ansprechpartner. Bei der Broschüre<br />

ist uns besonders wichtig, dass wir auch alternative<br />

Informationszugänge aufzeigen.<br />

Dass zum Beispiel der Bekannte im Ausländerbeirat<br />

ist, oder der Fre<strong>und</strong> der Sozialarbeiter, der Vereinspräsident;<br />

dass da auch Ansprechpersonen sind,<br />

die Informationen haben, die einem weiterhelfen<br />

<strong>und</strong> weiter informieren können. Was wichtig ist für<br />

die Mädchen <strong>und</strong> Jungs, die teilnehmen.<br />

Im Moment haben wir 30 Jugendliche, die daran<br />

mitschreiben <strong>und</strong> sich durch diese <strong>Arbeit</strong> selber intensiv<br />

mit dem Thema Ausbildung auseinandersetzen,<br />

andererseits aber auch Schlüsselqualifikationen erwerben,<br />

die dann beim Übergang Schule Beruf wichtig<br />

sind. Dass diese Mädchen heute hier sind, obwohl sie<br />

24<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Angst haben <strong>und</strong> eingeschüchtert sind, <strong>und</strong> frei sprechen,<br />

ist eine Hilfe auch, sich vorzubereiten für ein<br />

zukünftiges Vorstellungsgespräch. Dass sie sich vor<br />

einer fremden Person vorstellen müssen, oder dass<br />

sie lernen zu schreiben, auf den Punkt zu kommen, zu<br />

recherchieren. Diese Sachen bekommen diese<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungs mit, <strong>und</strong> das ist ganz wichtig.<br />

Vicky Pompizzi: Jetzt ganz konkret Eldina, welchen<br />

Artikel hast du denn geschrieben für die nächste<br />

Ausgabe?<br />

Eldina: Jetzt direkt noch eigentlich keinen. Die Praktikumberichte<br />

hat jeder für sich selbst geschrieben.<br />

Vicky Pompizzi: Wo warst du?<br />

Eldina: Bei einem Kindergarten<br />

Vicky Pompizzi: Bei einem Kindergarten?<br />

Eldina: Ja<br />

Frau Pompzzi: Sofia?<br />

Sofia: Ich war beim Allgemeinarzt.<br />

Vicky Pompizzi: Und Pia?<br />

Pia: Ich war im Kindergarten<br />

Vicky Pompizzi: Kindergarten, also eher Erzieherin,<br />

oder wollt ihr später vielleicht studieren?<br />

Alle drei: Studieren.<br />

Vicky Pompizzi: Studieren? Hohe Ziele. Ja, <strong>und</strong> das<br />

letzte, was uns vielleicht noch interessiert. Warum<br />

machen Jugendliche eigentlich etwas freiwillig<br />

neben der Schule? Vielleicht könnt ihr das noch<br />

beantworten. Warum nehmt ihr euch diese Zeit<br />

nebenher noch dazu?<br />

Sofia: Weil wir den anderen auch helfen wollen, eine<br />

Ausbildung zu finden <strong>und</strong> dass sie auch sehen, wenn<br />

wir es schaffen, können sie es auch schaffen.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Vicky Pompizzi: Ist das alles, bei euch auch so?<br />

Alle drei: Ja<br />

Vicky Pompizzi: Gut, ihr habt den Applaus gesehen<br />

oder gehört, Entschuldigung. Ich danke euch, ich<br />

danke Herrn Emir. Und jetzt machen wir noch mal<br />

eine kleine Auswechslung. Ich bitte Frau Sevda<br />

Cemaloglu zu mir. Frau Cemaloglu, Sie sind Datenbankadministratorin,<br />

hat jetzt nicht so viel mit unserem<br />

Themengebiet zu tun. Wie kommt es, dass sie<br />

sich für unsere Schulung interessiert haben.<br />

Sevda Cemaloglu: Ja das sind persönliche Gründe.<br />

Ich habe den Wunsch <strong>und</strong> bin sehr daran interessiert,<br />

dahin zu arbeiten, für uns alle eine erfolgsorientierte<br />

<strong>und</strong> erfolgreiche Zukunft zu erzielen. Also<br />

das ist so mein primäres Ziel.<br />

Vicky Pompizzi: Und machen die Multiplikatorenschulung<br />

mit. Ich darf gerade einflechten, sie hat<br />

schon zwei Wochenenden gehabt, dass heißt Frau<br />

Cemaloglu wird jetzt in der praktischen <strong>Arbeit</strong> eingesetzt<br />

werden bei uns. Was haben Sie gelernt in der<br />

Schulung?<br />

Sevda Cemaloglu: Den eigenen Einsatz. Ich sage,<br />

man hat hier sich selbst geschult, man hatte auch<br />

mal Anregungen zum Nachdenken, auch sehr aktiv<br />

zu sein, nicht jetzt einfach nur dazusitzen <strong>und</strong><br />

zuzuhören, sondern einfach mal Initiative zu ergreifen<br />

<strong>und</strong> diese Materie zu ertasten.<br />

Vicky Pompizzi: Was werden Sie denn dann machen<br />

in der praktischen <strong>Arbeit</strong>, was ist Ihr Einsatzgebiet,<br />

was denken Sie?<br />

Sevda Cemaloglu: Also letztens war ich auf einer Berufsinformationsmesse<br />

in Dietzenbach tätig. Das war eine<br />

sehr gute Erfahrung für mich. Erster Kontakt mit Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> die gesamte Problematik etwas zu begreifen,<br />

wo ich auch bemerkt habe, dass ziemliche Lücken sind.<br />

Beispiel: da wollte jetzt ein Jugendlicher Anwalt werden<br />

<strong>und</strong> wusste nicht, was studiere ich da. Das hat mich nun<br />

auch ein wenig gew<strong>und</strong>ert. Es sind viele Lücken da, das<br />

habe ich gemerkt. Und Veranstaltung auch noch zu orga-<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

nisieren <strong>und</strong> mit dem CGIL-Team vorerst mal abzuhalten.<br />

Vicky Pompizzi: Also, sie sind geschult worden,<br />

auch selbstständig <strong>und</strong> in Kooperation mit dem CGIL<br />

Bildungswerk auch Veranstaltungen zu organisieren?<br />

Trauen Sie sich das schon zu.<br />

Sevda Cemaloglu: Ja allerdings würde ich schon<br />

gern ein- bis zweimal mit den Profis zusammen sein<br />

wollen.<br />

Vicky Pompizzi: Ja, so ist es also auch gedacht. Eine<br />

Frage habe ich, glaube ich, vergessen. Jeder von uns,<br />

der politisch tätig ist, hat so ein Motiv, warum er seine<br />

<strong>Arbeit</strong> macht. Was ist jetzt das besondere, was sie<br />

den Eltern vermitteln wollen?<br />

Sevda Cemaloglu: Erstmal sich nicht zu isolieren<br />

<strong>und</strong> die Angst durch die Sprachlücken zu überwinden.<br />

Dass man nicht unbedingt perfekt sprechen<br />

muss, um mitzumachen. Das will ich hier nicht<br />

irgendwie hinten anstellen. Aber auch die kulturellen<br />

<strong>und</strong> die Mentalitäten müssen auch mit berücksichtigt<br />

werden <strong>und</strong> auch die Bildungssysteme ein bisschen<br />

näher bringen <strong>und</strong> dass es nicht damit getan<br />

ist, dass man die Kinder einfach nur in die Schule<br />

schickt. Da muss mehr Initiative kommen, auch von<br />

den Eltern.<br />

Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, welche Ziele <strong>und</strong><br />

welche Initiativen verfolgt CGIL-Bildungswerk?<br />

Lisa Fortunato: Wir haben mit der Multiplikatorenschulung<br />

mehrere Ziele, zum einen geht es uns<br />

darum, bis Ende des Projektes, das ja 2005 ausläuft,<br />

Personen, die aus den verschiedenen Communities<br />

kommen, die einerseits in der Community als Vorbild<br />

anerkannt werden, andererseits aber gut in der<br />

deutschen Gesellschaft integriert, sind soweit zu<br />

schulen <strong>und</strong> vorzubereiten, dass sie die Informationsabende,<br />

die wir noch durchführen, selbst durchführen<br />

können.<br />

Diese Personen, die wir in den Schulungen haben,<br />

das sind eben Personen wie Frau Cemaloglu, die selber<br />

eine Karriere hinter sich haben, eine erfolgreiche<br />

Schul- <strong>und</strong> Berufsbildung hinter sich haben. Wir<br />

sprechen dabei aber auch Eltern an, die einfach<br />

25


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

dabei helfen können, sich aktiv um Schule <strong>und</strong> Ausbildung<br />

kümmern wollen, <strong>und</strong> es geht uns darum,<br />

dass Personen fähig sind, einen Abend in der ganzen<br />

Moderation, in der Organisation <strong>und</strong> in der Durchführung<br />

zu halten.<br />

Die eben auch Personen einladen können in Zusammenarbeit<br />

auch mit den Schulen, mit den Kooperationspartnern<br />

<strong>und</strong> eben Plattformen organisieren können,<br />

in denen Eltern informiert werden. Was uns ganz<br />

wichtig ist, ist eben auch, dass diese Personen, die wir<br />

geschult haben, ein Zertifikat bekommen <strong>und</strong> auch<br />

dann für andere Interessenten zur Verfügung stehen.<br />

Wir bauen eine Datenbank auf <strong>und</strong> wir hoffen sehr, dass<br />

dann spätestens 2005 die Schulen zum Beispiel selber<br />

diese Datenbank abrufen <strong>und</strong> die Multiplikator/innen<br />

einladen, für sich einen Elternabend zu organisieren.<br />

Vicky Pompizzi: Frau Cemaroglu, was passiert, wenn<br />

eine Schule aus Frankfurt sie anruft <strong>und</strong> sagt, wir<br />

möchten einen Elternabend für türkische Eltern<br />

machen, helfen sie uns da. Was brauchen Sie dann<br />

noch dafür, damit das dann auch wirklich geht?<br />

Sevda Cemaloglu: Die Ausstattung <strong>und</strong> das Team,<br />

mit CGIL zusammen.<br />

Vicky Pompizzi: Mit CGIL-Bildungswerk noch am<br />

Anfang, aber dann schon allein. Also 2005 könnte es<br />

dann allein klappen?<br />

Sevda Cemaloglu: Primär jetzt erst in Zusammenarbeit<br />

mit CGIL, in Zukunft könnte ich mir aber sehr gut<br />

vorstellen, das dann auch unabhängig durchzuführen.<br />

Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, wann ist die nächste<br />

Schulung?<br />

Lisa Fortunato: Die nächste Schulung beginnt an<br />

20.11.03. Anmeldefrist ist diese Woche am Donnerstag,<br />

es sind noch einige Plätze frei. Es geht wirklich<br />

darum, dass Personen, die auf freiwilliger Basis die<br />

Unterstützung gegeben haben, wie Herr Emir erzählt<br />

hat, die Leute rufen ihn an. Dass wir diese Personen<br />

schulen, qualifizieren <strong>und</strong> auch eine Sicherheit <strong>und</strong> ein<br />

Werkzeug mitgeben, so dass einfach eine professionelle<br />

<strong>Arbeit</strong> gemacht werden kann <strong>und</strong> die auch von der<br />

26<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Gesellschaft anerkannt wird. Es sind auch wieder drei<br />

Wochenenden vorgesehen, zuerst ein Einführungswochenende<br />

zum Thema überhaupt, dann werden die<br />

Werkzeuge, eine Durchführung vermittelt <strong>und</strong> es ist<br />

dann so, dass die Teilnehmerinnen der Schulung angeleitet<br />

werden, dann einige Elternabende zu organisieren<br />

<strong>und</strong> durchzuführen. Wir begleiten sie so, dass wirklich<br />

auch eine Einführung passiert, ohne dass sie gleich<br />

ins kalte Wasser geworfen werden. Und dann nach dem<br />

Abschluss sind diese Personen bereit selber Anlässe zu<br />

organisieren. Wie Frau Cemaloglu gesagt hat, sie kam<br />

schon zum Einsatz in Dietzenbach <strong>und</strong> ich glaube, das<br />

war wirklich eine tolle <strong>und</strong> erfolgreiche Erfahrung.<br />

Sevda Cemaloglu: Auf jeden Fall, hat Spaß gemacht.<br />

Vicky Pompizzi: Nun stelle ich eine Frage an einen<br />

Herrn, der noch nicht drauf vorbereitet war. Herr<br />

Hengel, können Sie sich vorstellen mit Hilfe dieser<br />

geschulten Mulitplikator/innen auch tatsächlich zu<br />

arbeiten?<br />

Eckhardt Hengel: Selbstverständlich kann ich mir<br />

das vorstellen; <strong>und</strong> es ist sehr gut, wenn man jemanden<br />

hat, auf den man zurückgreifen kann. Ich habe<br />

das ja vorhin schon mal gesagt, ich fände es wirklich<br />

gut, wenn man für diese Elternabende z.B. oder andere<br />

Veranstaltungen jemand hat, der hier als Vermittler<br />

auftreten kann <strong>und</strong> der die Eltern an der Stelle ansprechen<br />

kann, wo sie herkommen, auf ihrer Sprache<br />

ansprechen kann. Das finde ich eine sehr gute Sache<br />

Vicky Pompizzi: Also insofern klappt es dann auch<br />

mit dem Netzwerk? Ich danke Frau Cemaloglu, bleiben<br />

Sie ruhig sitzen. Ich mache jetzt nur noch eine<br />

Zusammenfassung. Als nachhaltige Ergebnisse würden<br />

wir festhalten, Multiplikatoren setzen die <strong>Arbeit</strong><br />

fort, wenn das Projekt zu Ende ist, Jugendlich haben<br />

Nachschlagewerke erarbeitet, das „Abenteuer Ausbildung“.<br />

Informierte Eltern <strong>und</strong> Jugendliche tragen<br />

Informationen weiter <strong>und</strong> zwar aktiv durch die<br />

Elternabende, durch die Vorbilder <strong>und</strong> was uns ganz<br />

wichtig ist, sie kommen raus aus der Opferrolle, sie<br />

sind nicht mehr die problembeladenen Personen<br />

<strong>und</strong> sie kommen rein in die Situation „Migrantinnen<br />

fördern Migranten“.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

5. PIQUASSO: Implementierung interkultureller Kompetenzen in<br />

Betrieben – am Beispiel von Sicherheitsunternehmen<br />

Hans-Dieter Brauns, Koordinator der<br />

Entwicklungspartnerschaft PIQUASSO<br />

Ali Nalci, Teilnehmer in der Ausbildung<br />

„Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“,<br />

PIQUASSO<br />

Hans-Dieter Brauns, PIQUASSO, Deutsche Angestellten<br />

Akademie (DAA), Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

Manfred Spee, Personalleiter, Fa. Securitas<br />

Ali Nalci, Sprecher der Auszubildenden<br />

Wir sind ein Projekt, das im Rahmen von „EQUAL“<br />

einen Teil der großen Vielfalt dort verkörpert <strong>und</strong><br />

überregional tätig ist. Ich freue mich, auch unsere<br />

Partner aus den anderen Teilprojekten in Halle<br />

begrüßen zu dürfen, <strong>und</strong> möchte Ihnen kurz den<br />

Rahmen des Ganzen schildern. Meine kurze Einführung<br />

wird dann kontrastiert von einem Vertreter<br />

unserer kooperierenden Unternehmen, von Herrn<br />

Spee, <strong>und</strong> natürlich auch von Herrn Nalci, unserem<br />

Teilnehmersprecher, der mich dann etwas korrigieren<br />

kann, wenn ich zu euphorische Ausschweifungen<br />

gemacht habe.<br />

Wir haben uns einen ganz anderen, sehr speziellen<br />

Sektor mit speziellen Schwerpunkten für unser Projekt<br />

ausgesucht. Zum einen arbeiten wir mit Damen<br />

<strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, die sich entschieden<br />

haben, mittel- <strong>und</strong> langfristig oder auch für<br />

immer in Deutschland zu leben <strong>und</strong> hier <strong>Arbeit</strong> zu<br />

finden. Zum anderen arbeiten wir mit Erwachsenen,<br />

die Weiterbildungen absolvieren. Und wir arbeiten<br />

mit einem speziellen Sektor zusammen, mit dem<br />

Sektor der privaten Sicherheitsdienstleistungsunternehmen.<br />

Das hat verschiedene Gründe. Ein Gr<strong>und</strong><br />

ist, dass es günstig ist, sich einen Sektor herauszusuchen,<br />

wenn es um übergreifende Ziele <strong>und</strong><br />

die Implementierung von nachhaltigen Strukturen<br />

geht. Dann hat man Ansprechpartner, die auf<br />

Dauer zusammenarbeiten können, die Netzwerke<br />

entwickeln können.<br />

So war es nahe liegend, zu sagen, wir suchen uns<br />

einen Sektor, in dem wir ohnehin schon lange<br />

arbeiten. Und das war der Sektor der privaten<br />

Sicherheitsdienstleistungen. Ein anderer Gr<strong>und</strong> ist,<br />

dass es einen gewissen Charme hat, mit Sicherheitsdienstleitstern<br />

zu arbeiten, weil sie auch politisch<br />

ein Aushängeschild sind. Sie machen nicht<br />

nur Objektschutz auf dunklen Geländen, sondern<br />

sie begrüßen auch die Gäste der Stadt Frankfurt<br />

etwa auf dem Flughäfen <strong>und</strong> repräsentieren ein Stück<br />

Deutschland. Da ist es gut, wenn Personen nichtdeutscher<br />

Herkunft auch dort schon sichtbar werden,<br />

als Zeichen dafür, dass Deutschland sich öffnet<br />

<strong>und</strong> ein Einwanderungsland ist oder wird. Das waren<br />

einige der Gründe, die uns bewogen haben, in diesem<br />

Sektor zu arbeiten. Dazu kommt natürlich die<br />

Perspektive, die wir <strong>und</strong> die Unternehmen in diesem<br />

Sektor den Mitarbeitern geben können.<br />

Wir sehen, dass Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen<br />

haben. Wir haben uns nun zwei wesentliche Problemfelder<br />

herausgegriffen, da wir natürlich nicht alles<br />

machen können. Wir arbeiten mit Erwachsenen <strong>und</strong><br />

mit Leuten, die die deutsche Sprache soweit beherrschen,<br />

dass sie eine Berufsausbildung machen können.<br />

Wir sind der Meinung, dass diese Personen<br />

eine möglichst gute Ausbildung brauchen, wenn sie<br />

eine Zukunft in Deutschland haben wollen. Diese<br />

Ausbildung wollen wir anbieten <strong>und</strong> in einer Form<br />

anbieten, die zielgruppengerecht ist.<br />

Ein Schwerpunkt unserer <strong>Arbeit</strong> ist, unseren Unterricht<br />

so zu gestalten, dass Personen aus unterschiedlichsten<br />

Ländern <strong>und</strong> unterschiedlichster kultureller<br />

Herkunft zusammenarbeiten können. Wir<br />

haben im Moment 14 oder 15 verschiedene Nationen<br />

in den Lehrgängen. Sie sollen nicht nur einen<br />

Zugang zu den Anforderungen deutscher Kultur<br />

bekommen, sondern auch ihre mitgebrachten Fer-<br />

27


tigkeiten, ihre Erfahrung <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten ausbauen<br />

können, nutzbar machen können für das<br />

gemeinsame Lernen <strong>und</strong> für die spätere <strong>Arbeit</strong>. Wir<br />

sind der Meinung, dass Methoden, die die Teilnehmer<br />

in die Lage versetzen, ihre Fertigkeiten zu nutzen,<br />

für alle Beteiligten von großem Nutzen sind. Es<br />

wäre also gut, wenn es uns gelingt, entsprechende<br />

Methoden zu entwickeln, zu veröffentlichen <strong>und</strong> so<br />

darzustellen, dass sie Erfahrungswissen für nach<br />

uns arbeitende Einrichtungen werden. Das ist sicher<br />

auch etwas, was den deutschen Teilnehmern zugute<br />

kommt, denn sie sind an der Integration beteiligt.<br />

Der zweite wichtige Punkt ist die Zusammenarbeit<br />

mit den Unternehmen. Die beste Ausbildung nützt<br />

nichts, wenn man sich nicht um das spätere Umfeld<br />

kümmert, welches unsere Weiterbildungsteilnehmer<br />

aufnehmen sollen <strong>und</strong> wir nicht wissen, woraufhin<br />

wir ausbilden. Deshalb war es naheliegend, von<br />

vornherein zu sagen, wir planen ein Konzept der Weiterbildung<br />

auf unterschiedlichen Stufen, Anpassungsfortbildungen<br />

<strong>und</strong> Ausbildung mit Berufsabschluss,<br />

<strong>und</strong> wir planen das zusammen mit den<br />

Unternehmen in der Region, in der wir arbeiten.<br />

Wenn es um Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

geht, stellen sich bei einem solchen Vorhaben<br />

natürlich vorab einige Fragen, die sich inzwischen<br />

auch beantworten lassen. Nämlich: Wie sieht<br />

es aus mit der Industrie, wie offen ist sie für Migranten,<br />

welche besonderen Probleme gibt es dort? In<br />

vielen Sektoren, auch in der privaten Sicherheitsindustrie,<br />

stellen Migranten zwar einen hohen Anteil<br />

der Mitarbeiter, aber natürlich nicht auf den qualifizierten<br />

<strong>Arbeit</strong>splätzen. Da sind sie eher selten vertreten.<br />

Das zu ändern, gehört zu den Zielen von<br />

„EQUAL“. Es ist aber auch im Interesse der Unternehmen,<br />

sofern wir unterstellen, dass sie qualifiziertes<br />

Personal brauchen. Das waren die Annahmen,<br />

mit denen wir an das Projekt herangegangen sind.<br />

Wir haben im März/April dieses Jahres mit einer<br />

nach dem deutschen Berufsbildungsrecht vergleichsweise<br />

langen, 21-monatigen Umschulung<br />

begonnen. Parallel dazu finden Anpassungsfortbildungen<br />

für Personen statt, die noch nicht so weit<br />

28<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

sind, eine Berufsausbildung mit Abschluss durchstehen<br />

zu können. Wir sind jetzt mitten in der ersten<br />

Phase dieser Umschulung, die erste Zwischenprüfung<br />

wird im Frühjahr 04 stattfinden. Wir haben mit<br />

27 Personen begonnen, jetzt arbeiten noch 26 Teilnehmer<br />

in den Unternehmen, wenn ich richtig orientiert<br />

bin. Vor 14 Tagen sind unsere Teilnehmer in die<br />

betrieblichen Praktika gegangen - Vielleicht kann<br />

Herr Nalci dazu etwas sagen, die Erfahrung ist noch<br />

ziemlich frisch.<br />

Was an Erfahrungshintergr<strong>und</strong> bereits für alle vorhanden<br />

ist, ist die <strong>Arbeit</strong> in einer sehr gemischten<br />

Gruppe mit 14 Nationalitäten, die sich für das<br />

gemeinsame Lernen zusammenraufen musste. Auch<br />

dazu gibt es vielleicht noch ein paar Informationen<br />

von anserer Seite. Es gehört zu unserer <strong>Arbeit</strong> als<br />

Bildungsträger, dass wir Erfahrung sammeln, wie Bildungsarbeit<br />

mit sehr heterogenen Gruppen gestaltet<br />

werden kann, <strong>und</strong> wie sie vor allem so gestaltet werden<br />

kann, dass Teilnehmer solcher Gruppen in die<br />

Lernarbeit <strong>und</strong> später in die berufliche Tätigkeit gut<br />

integriert werden können.<br />

Der zweite Schritt, der für uns sehr wichtig war <strong>und</strong><br />

der auch schon mit einer Reihe von Veranstaltungen<br />

vorbereitet wurde, ist die <strong>Arbeit</strong> mit den Unternehmen.<br />

Natürlich haben wir diese befragt, welcher Art<br />

Leute sie brauchen. Der Spielraum ist dabei nicht<br />

groß. Man hat ein Berufsbild, man hat Anforderungen<br />

für verschiedene <strong>Arbeit</strong>sbereiche <strong>und</strong> für bestimmte<br />

Schlüsselqualifikationen.<br />

Der nächste Schritt ist, auch darauf kann man sich<br />

von der Bildungsseite her einstellen, die Unternehmen<br />

einzubeziehen, sie einzuladen, kurze Wege herzustellen,<br />

Kontakte zu knüpfen. Wichtig war <strong>und</strong> ist<br />

es uns daher, alle Mitarbeiter aus den Unternehmen,<br />

die mit unseren Teilnehmern, aber auch in anderen<br />

Zusammenhängen mit Migranten arbeiten, in Seminaren<br />

zusammenzuholen, nach ihren Anforderungen<br />

zu fragen, nach ihrem Bedarf. Wie können sie Mitarbeiter<br />

unterschiedlicher kultureller Herkunft besser<br />

integrieren, wie können sie deren Fähigkeiten nutzen,<br />

welche Probleme gibt es in der Zusammenarbeit?<br />

Das sind alles Fragen, denen wir uns u.a. zugewandt<br />

haben <strong>und</strong> weiter zuwenden werden. Dabei


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

ist natürlich klar, dass darf ich vorwegnehmen, dass<br />

es keine speziellen Fortbildungsmaßnahmen für die<br />

Integration von Migranten geben wird. Denn alle<br />

Maßnahmen zur Entwicklung bessere Kooperation<br />

in Unternehmen <strong>und</strong> zur Förderung von Kernqualifikationen,<br />

kommen natürlich auch den deutschen<br />

Mitarbeitern zugute - eine vernünftige Führung beispielsweise<br />

ist nicht etwas, was nur Migranten brauchen.<br />

Alle zwei Monate finden in diesem Rahmen<br />

jetzt Seminare, Trainings <strong>und</strong> Zusammenkünfte<br />

statt, gehen Einladungen an unsere Kooperationspartner<br />

in der Industrie, die heute zahlreich hier vertreten<br />

sind. Aber auch da möchte ich nichts vorwegnehmen.<br />

In Frankfurt arbeiten acht oder neun, überregional<br />

natürlich mehr, Kommunen unter dem Programm<br />

EQUAL zusammen, das u.a. eine bessere Integration<br />

von Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

bewirken soll. Dabei zielt diese <strong>Arbeit</strong> vor allen Dingen<br />

auch auf eine Verstetigung von erfolgreichen<br />

Maßnahmen.<br />

Wir setzen darauf, dass wir in der Industrie Partner<br />

finden, die bereit sind, sich, auch wenn dieses Projekt<br />

zu Ende ist, zusammen mit ihrem Unternehmensverband<br />

hinzustellen <strong>und</strong> zu sagen: Wir brauchen<br />

Migranten – diese Leute machen gute <strong>Arbeit</strong>.<br />

Damit stehen natürlich auch wir unter der Anforderung,<br />

diese Personen auch entsprechend vorzubereiten<br />

<strong>und</strong> zu vermitteln. Gleichzeitig setzen wir uns<br />

dafür ein, dass bei unseren K<strong>und</strong>en gemischte<br />

Teams auftreten, Leute deutlich unterschiedlicher<br />

Herkunft. Wir wollen auch nach außen demonstrieren,<br />

dass Zuwanderer in den Unternehmen gern<br />

gesehen sind <strong>und</strong> auch nutzbringend zum Vorteil<br />

aller eingesetzt werden. Es bedarf einer Menge<br />

<strong>Arbeit</strong>, denke ich, u.a. auch über die Verbände eine<br />

solche Einstellung zu verbreiten <strong>und</strong> zu verstetigen.<br />

Soweit der Zwischenbericht unseres, etwas aus dem<br />

Rahmen fallenden Projekts „Piquasso“. Sie haben<br />

sicher noch etwas aus Ihrer Sicht zu ergänzen, Herr<br />

Spee.<br />

Manfred Spee: Ich werde mich kurz fassen. Mein<br />

Name ist Manfred Spee, ich bin Personalleiter bei<br />

der Firma Securitas hier in Frankfurt, einem großen<br />

Sicherheitsdienstleister mit r<strong>und</strong> 1600 Mitarbeite-<br />

rinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern. Das Thema <strong>Migration</strong> ist ja<br />

nun ein jahrzehntealtes Thema in der Gesellschaft,<br />

aber natürlich auch im Berufsleben. Herr Di Benedetto<br />

hat das sehr eindrucksvoll dargestellt. Dem<br />

müssen wir uns als Firma auch immer wieder neu<br />

stellen. Wir haben das in den 90er Jahren gemeinsam<br />

mit der GOAB in Offenbach erfolgreich angegangen,<br />

damals hauptsächlich aus dem Beweggr<strong>und</strong>,<br />

Mitarbeiter für uns zu gewinnen, die einem bestimmten<br />

Mindestanforderungsstand genügen. Das heißt,<br />

es ging einfach um Personal. Personalknappheit war<br />

damals das Thema <strong>und</strong> da haben wir einen sehr<br />

schönen Weg gef<strong>und</strong>en, auch über spezielle<br />

Bildungsmaßnahmen, die wir innerbetrieblich umsetzen<br />

konnten.<br />

Wir hatten damals neue Dienstleistungsangebote.<br />

Es ging um die Ausbildung zum Hilfspolizisten, aber<br />

auch darüber hinaus. So ist das Thema bis heute<br />

unser Thema geblieben. Wir haben im Unternehmen<br />

etwa 20 Prozent ausländischer Mitarbeiter. Das sind<br />

prozentual gesehen genau so viele Ausländer wie es<br />

derzeit auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt gibt. Und so war das<br />

Angebot von „Piquasso“ ein sehr schönes Angebot,<br />

weil wir da einiges mehr für die Migranten tun konnten.<br />

Über die Jahre hat sich gezeigt, dass wir noch<br />

mehr Qualität brauchen. Deshalb haben wir das<br />

Angebot von Herrn Brauns sehr gerne aufgegriffen,<br />

allerdings damals noch unter anderen Bedingungen<br />

<strong>und</strong> Gegebenheiten.<br />

Es gab im Jahr 2001 den Ausbildungsberuf „Fachkraft<br />

für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“ noch nicht. Wir waren<br />

davon ausgegangen, eine berufsbegleitende Ausbildung<br />

zur Fachkraft ist das, was wir auch innerbetrieblich<br />

viel durchführten. Wir hatten damals in der<br />

Sicherheitsindustrie einen Personalkräftenotstand,<br />

kann man fast sagen. Das hat sich allerdings bis heute<br />

geändert.<br />

Wir haben jetzt nicht mehr die berufsbegleitende Ausbildung,<br />

sondern wir haben tatsächlich ein Berufsbild<br />

vorliegen, in dem Migranten ausgebildet werden. Und<br />

aus meiner Sicht müssen diese Menschen sehr hohe<br />

Anforderungen erfüllen, denn das Berufsbild verlangt<br />

von der Schulbildung her, wenn man deutsche Verhältnisse<br />

sieht, einen vernünftigen Realschulab-<br />

29


schluss. Und der andere Punkt ist, dass die Wirtschaftslandschaft<br />

sich sehr stark verändert hat. Wir<br />

sind nicht mehr in der Not, sondern wir sind erstmals<br />

in der Situation, auswählen zu können, um Stellen<br />

neu zu besetzen.<br />

Das heißt, es hat sich auch für die Mitarbeiter im<br />

Unternehmen eine ganz andere Situation ergeben.<br />

Auch bei ihnen hat sich der Gedanke durchgesetzt:<br />

Na, ich muss mal schauen, dass ich meinen <strong>Arbeit</strong>splatz<br />

behalte. Das heißt, es ist eine neue Konkurrenzsituation<br />

entstanden. Und auch von daher kann man<br />

es als Glücksfall bezeichnen, dass es dieses Projekt<br />

gibt. So können wir bestehenden Vorbehalten entgegentreten<br />

<strong>und</strong> begegnen <strong>und</strong> können sagen: Ja, wir<br />

wollen Mitarbeiter, die ein Berufsziel haben, fördern.<br />

Und da macht es für uns keinen Unterschied, ob es<br />

Deutsche oder Ausländer sind. Es geht um einen Job,<br />

der bestmöglich erbracht werden muss. Wir sind<br />

Dienstleister <strong>und</strong> sind als Dienstleister immer gefordert.<br />

Gott sei Dank, muss ich sagen, haben wir da ein<br />

Instrument gef<strong>und</strong>en, ein paar Wogen zu glätten. Ich<br />

sagte schon, wir haben einen Anteil von 20 Prozent<br />

Ausländern im Unternehmen, die sich aber auch ausbilden<br />

lassen, anders als es vielleicht anderswo sein<br />

mag, bisher allerdings nur in der berufsbegleitenden<br />

Ausbildung.<br />

Sehr positiv war, das hat mich persönlich gefreut,<br />

dass es in unserem Unternehmen keine Schwierigkeiten<br />

gab, dieses Projekt zu verkaufen oder umzusetzen.<br />

Das heißt, die Kollegen zu finden, die bereit<br />

sind, sich dort einzugliedern, an den Angeboten <strong>und</strong><br />

Seminaren teilzunehmen, die einfach das Interesse<br />

haben. Und unsere Firmenphilosophie, das kann ich<br />

mal so einwerfen, ist es, den Menschen in den Mittelpunkt<br />

zu stellen, ihm Chancen zu eröffnen, Hilfestellungen<br />

zu geben <strong>und</strong> sich einzusetzen. Nicht nur<br />

die Migranten haben den Vorteil, dass wir als Firma<br />

dafür offen sind, sondern wir haben als Firma auch<br />

Vorteile. Wir haben in der Zukunft hoffentlich qualifizierte<br />

Mitarbeiter, weil auch unsere Industrie in<br />

einer starken Veränderung ist.<br />

Die personelle Dienstleistung ist auf dem Rückmarsch.<br />

Es findet immer mehr eine Verquickung von<br />

personeller Dienstleistung <strong>und</strong> Sicherheitstechnik<br />

statt. Die Kenntnisse sind sehr hoch geworden,<br />

30<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

gerade für Migranten. Und insofern ist dieser Ausbildungsgang<br />

zur „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“<br />

auch eine Gewähr dafür, dass man Mitarbeiter<br />

bekommt, die diese Anforderungen in der Zukunft<br />

erfüllen werden. Und auch die Mitarbeiter, die schon<br />

im Unternehmen sind, als Migrant, haben sicher Vorteile<br />

davon, dass es Kollegen gibt, die besser auf<br />

ihre Situation eingehen können, die jetzt einen<br />

anderen Blickwinkel haben <strong>und</strong> vielleicht Verständnis<br />

für diese Situationen finden, in denen der<br />

Mensch mal nicht so gut funktioniert.<br />

Insgesamt geht es uns darum, Qualität zu bieten <strong>und</strong><br />

das ist in mehrfacher Hinsicht ein schöner Weg für<br />

uns, Qualität zu erreichen. Wie erfolgreich wir sein<br />

werden, ist noch eine offene Frage, denn wir haben<br />

ja parallel auch Jugendliche, die in dem gleichen<br />

Berufsbild ausgebildet werden <strong>und</strong> ihren Weg über<br />

die Berufsschule machen. Und für mich ist es spannend<br />

zu sehen, was die DAA leisten wird <strong>und</strong> was die<br />

Berufsschule leisten wird. Zusammenfassend kann<br />

man sagen, die Zukunft erfordert eine immer höhere<br />

Qualifikation auch bei uns. Deshalb ist es wichtig,<br />

dass wir die Möglichkeiten nutzen, auch Migranten<br />

zu qualifizierten Mitarbeitern auszubilden. Der Anteil<br />

der Migranten wird weiter steigen, wenn man sich<br />

die Entwicklung anschaut. Eine andere Chance<br />

haben wir nicht, wenn man mittel- <strong>und</strong> langfristig<br />

denkt. Und das sehen wir als Unternehmen auch so<br />

<strong>und</strong> deshalb bringen wir uns gern in das Thema ein.<br />

Vielleicht noch so als kleine Randbemerkung. Es ist<br />

genau zehn Jahre her, dass es in der Sicherheitsindustrie<br />

nur darum ging, welche Berufsbilder es<br />

eigentlich gibt. Es hat dann einigermaßen lange<br />

gedauert, dass wir nun endlich wieder an dem Punkt<br />

sind, an dem es um den Menschen geht.<br />

Hans-Dieter Brauns: Vielleicht, ehe ich an Herrn<br />

Nalci weitergebe, noch eine Anmerkung. Es ist<br />

durchaus nicht so, dass in den Sicherheitsunternehmen<br />

die <strong>Arbeit</strong>, die Qualifikation, die Integration von<br />

Migranten ein Highlight ist. Die Unternehmen, mit<br />

denen wir hier in Frankfurt zusammenarbeiten, sind<br />

nur ein kleiner Teil der Anbieter <strong>und</strong>, ich hebe das<br />

sehr gern hervor, es sind die Unternehmen, die auch<br />

bereit sind, in dem Feld etwas Neues zu wagen.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Nicht nur aus Eigeninteresse, denn es hat auch mit<br />

internen Schwierigkeiten zu tun. Und es gibt durchaus<br />

eine Reihe von Unternehmen, in denen sich die<br />

Vorteile noch nicht herumgesprochen haben. Daran<br />

müssen wir noch arbeiten, aber vielleicht gelingt es<br />

uns, wenn wir im nächsten Jahr eine Reihe von<br />

Damen <strong>und</strong> Herren auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt entlassen,<br />

die diese Vorteile bieten. Herr Nalci, Sie wären ja<br />

einer der ersten.<br />

Ali Nalci: Liebe Damen <strong>und</strong> Herren, ich grüße Sie<br />

von Herzen. Ali Nalci ist mein Name. Ich komme aus<br />

der Türkei. Ich bin Klassensprecher von „EQUAL“ in<br />

Frankfurt. Wir sind vom <strong>Arbeit</strong>samt gefördert worden<br />

in der Ausbildung „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong><br />

Sicherheit“. Als wir angefangen haben, waren wir 52<br />

Leute. Momentan sind wir noch 26 Leute aus 13 verschiedenen<br />

Ländern im Alter von 25 bis 53. Mit diesen<br />

Leuten klar zu kommen, ist schwer. Aber wenn<br />

man tolerant ist, geht es. Das ist jetzt so. Wir haben<br />

am 3. Februar eine zweimonatige Trainingsmaßnahme<br />

in Sprache, Pünktlichkeit, Disziplin <strong>und</strong> Interesse<br />

begonnen. Vom 28. April bis zum 27. Oktober haben<br />

wir theoretischen Unterricht in den Fächern Technik,<br />

Kommunikation, PC, Englisch <strong>und</strong> BWL gehabt. Wir<br />

sind dankbar. Die Dozenten sind wirklich sehr hilfsbereit.<br />

Am 27. Oktober haben wir ein Praktikum in<br />

verschiedenen Unternehmen angefangen. Wir sind<br />

aufgeteilt worden zu Securitas, IHS <strong>und</strong> ASA Airlines.<br />

Momentan sind wir zufrieden. Wir sind seit<br />

einer Woche da. Wir haben gute Unternehmen.<br />

Wir sind zufrieden, denn wenn wir Probleme haben,<br />

können wir mit den Leuten reden. Wir haben Teilnehmer<br />

mit Kindern, die nicht um 8.00 Uhr anfangen<br />

können. Sie haben normale <strong>Arbeit</strong>szeiten bekommen,<br />

so dass sie arbeiten, wenn die Kinder im Kindergarten<br />

sind <strong>und</strong> auch nur acht St<strong>und</strong>en am Tag.<br />

Wir haben am 3. März 2004 Zwischenprüfung. Bis<br />

zum 31. Januar 2004 dauert das Praktikum. In diesem<br />

einen Monat bis zur Zwischenprüfung werden<br />

wir so trainiert, dass wir die Prüfung bestehen können.<br />

Wir haben auch Interesse, sie zu bestehen,<br />

auch wenn wir noch nicht genügend Deutschkenntnisse<br />

haben. Wenn man den Willen hat, dann schafft<br />

man das. Nach der Zwischenprüfung haben wir wieder<br />

theoretischen Unterricht. Unsere Dozenten ach-<br />

ten darauf, dass sie uns Dinge so oft erklären bis wir<br />

sie verstehen. Und wir versuchen auch, sie zu verstehen.<br />

Auch nächstes Jahr haben wir ein dreimonatiges<br />

Praktikum. Ich hoffe, dass wir auch beim zweiten<br />

wieder einen Platz in einem Unternehmen<br />

bekommen. Das liegt auch an uns, denn nach diesen<br />

drei Monaten bekommen wir ein Zertifikat, das zeigt,<br />

wie gut wir bei der <strong>Arbeit</strong> waren. Wir machen Objektschutz,<br />

Personenkontrolle, alles Mögliche.<br />

Wir haben Schulende am 31. Januar 2005. Wir sind also<br />

die erste „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“ auf dem<br />

Markt. Wir wissen noch nicht, was uns im Januar 2005<br />

erwartet. Viele von uns machen sich Sorgen, ob sie<br />

wirklich <strong>Arbeit</strong> bekommen, weil sie schon alt sind. Viele<br />

Unternehmen wollen natürlich junge <strong>und</strong> dynamische<br />

Mitarbeiter haben. Das ist das, was ich Ihnen erzählen<br />

kann. Ich sage noch einmal, wir sind mit der DAA <strong>und</strong><br />

den Unternehmern sehr zufrieden.<br />

Hans-Dieter Brauns: Gut, wir sind mit dieser Ausbildung<br />

unter einem erheblichen Druck. Wir bilden die<br />

ersten im neuen Berufsbild aus. Es sind Migranten, die<br />

sich dem stellen müssen. Wir sind dabei soweit, auch<br />

extern Netzwerke zu bilden, mit unseren Dozenten, den<br />

Unternehmen, den Betreuern <strong>und</strong> den Teilnehmern.<br />

Von den Teilnehmern erwarten wir selbstverständlich,<br />

dass sie sich aktiv in allen Funktionen an der Gestaltung<br />

des Projektes beteiligen.<br />

Das bedeutet noch eine Menge <strong>Arbeit</strong>. Wir haben noch<br />

ein Jahr Zeit <strong>und</strong> ich hoffe, dass wir in den Abschlussveranstaltungen<br />

die entsprechenden Erfolge vermelden<br />

können. Aber bis dahin müssen wir noch etwas<br />

warten. Ich danke Ihnen.<br />

Moderation: Ein paar Minuten sind uns geblieben.<br />

Das heißt, wenn nun wirklich Interessierte mit Fragen<br />

da sind werden die drei Redner sie gern beantworten.<br />

Teilnehmer: Ihr Projekt heißt ja „Implementierung<br />

interkultureller Kompetenzen im Betrieb“. Wir haben<br />

jetzt einen Vortrag über die Fachausbildung gehört,<br />

aber wie steht es denn mit den interkulturellen Kompetenzen?<br />

Es reicht, denke ich, nicht Ausländer im<br />

Feld interkulturelle Kompetenzen auszubilden <strong>und</strong><br />

31


Ihnen Pünktlichkeit <strong>und</strong> Disziplin beizubringen. Es<br />

geht vielleicht auch darum, deutsche Beschäftigte<br />

auszubilden, damit sie Toleranz <strong>und</strong> Respekt erlernen<br />

<strong>und</strong> ein wenig ihren Horizont erweitern. Haben<br />

Sie daran schon mal gedacht? Das hat auch mit den<br />

Umstellungsschwierigkeiten in den Betrieben zu tun.<br />

Hans-Dieter Brauns: Ja, natürlich haben wir daran<br />

gedacht. Ich hatte es auch schon angedeutet, allerdings<br />

nicht ausgeführt. Wir arbeiten an Seminarreihen<br />

mit den Betreuern, die in den Unternehmen mit unseren<br />

Teilnehmern zusammen arbeiten. Das Ziel ist<br />

natürlich, auch auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Führungsebene<br />

Personalentwicklung anzubieten, Horizonte<br />

zu erweitern, andere Umgangsformen zu ermöglichen.<br />

Es ist allerdings nicht so, dass wir in den<br />

Unternehmen, mit denen wir arbeiten, mit einem völlig<br />

neuen Ansinnen kommen. Im Gegenteil, die meisten<br />

Mitarbeiter sind bereits mit gemischten Teams<br />

konfrontiert. Sie mussten sich schon Gedanken<br />

machen, wie sie damit umgehen. Von daher sind<br />

unsere Angebote auch nachgefragt.<br />

Zum generellen Ziel interkulturelle Kommunikation.<br />

Ich würde es nicht so hochtrabend nennen. Es ist ja<br />

nur ein Stichwort. Ich denke, wenn Bereichsleiter,<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in der Lage sind, in <strong>Arbeit</strong>szusammenhängen<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus in Teams<br />

zu arbeiten <strong>und</strong> aufeinander zuzugehen, stellt sich<br />

die Frage der Herkunft <strong>und</strong> Kultur erst in zweiter<br />

Linie. Denn die Schwierigkeiten, die man haben<br />

kann, muss man ohnehin im Gespräch klären, wenn<br />

man denn das Gespräch wagt. Aber wenn man das<br />

Gespräch mit deutschen Kollegen schon nicht wagt,<br />

dann ist das natürlich bei Sprachschwierigkeiten<br />

erst recht schwer. Insofern sehen wir nicht, dass wir<br />

die Unternehmen für Migranten öffnen müssen.<br />

Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass sich alle<br />

Beteiligten über Probleme verständigen. Das sind<br />

natürlich übliche Führungsprobleme in Unternehmen,<br />

also ganz normale Fragen in der Organisation<br />

der <strong>Arbeit</strong>, die sich hin <strong>und</strong> wieder ergeben <strong>und</strong><br />

bearbeitet werden müssen. Und da sehen wir die<br />

Schwierigkeit von Integrationsarbeit. Im Endeffekt<br />

sollen die 20 oder 30 Prozent Migranten in den<br />

Unternehmen ganz normale Mitarbeiter sein, die<br />

32<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

entsprechend ihrer Fähigkeiten <strong>und</strong> ihrer Ausbildung<br />

eingesetzt werden wie alle anderen auch. Es geht<br />

nicht darum, für die Migranten einen Sonderstatus<br />

zu schaffen. Sie sollen ganz normale Mitarbeiter mit<br />

gleichen Chancen sein. Das ist das Ziel, an dem wir<br />

im Moment sehr gut mit den Kollegen aus den Unternehmen<br />

zusammenarbeiten.<br />

Zu den Methoden. Da sind zum einen Seminare <strong>und</strong><br />

zum anderen die Ausbildung selbst. Hier sorgen wir<br />

dafür, dass an unsere Teilnehmer die gleichen Anforderungen<br />

gestellt werden wie an andere. Sie müssen<br />

in Gespräche hineingehen, sie müssen sich über<br />

ihre <strong>Arbeit</strong>sweise <strong>und</strong> Herkunft austauschen, sie<br />

müssen lernen, ihre Fähigkeiten in ihre gemeinsame<br />

<strong>Arbeit</strong> einzubringen. Das gilt aber auch für<br />

jeden deutschen Auszubildenden, nur mit etwas<br />

weniger Schwierigkeiten.<br />

Moderation: Herr Brauns, eine Frage haben wir noch.<br />

Teilnehmer: Kurze Frage, Herr Brauns, Herr Spee.<br />

Vielleicht können Sie sie auch beide beantworten.<br />

Ich habe noch wenig über die Entwicklungspartnerschaft<br />

gehört, also über die Art der Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Träger, die kooperieren. Das ist das erste,<br />

was ich gerne noch erfahren würde.<br />

Das zweite ist, wo sehen Sie das <strong>Main</strong>streaming-<br />

Potential? Was ich wahrgenommen habe, ist eine<br />

Maßnahme, die sehr gut <strong>und</strong> erfolgreich läuft, bei<br />

der es eine Kooperation mit den Unternehmen gibt.<br />

Wenn es „EQUAL“ nicht mehr gibt, was ist dann der<br />

Mehrwert, für das Unternehmen, für die Zielgruppe<br />

<strong>und</strong> für die Landschaft in diesem Industriezweig?<br />

Hans-Dieter Brauns: An der Entwicklungspartnerschaft<br />

sind nicht nur Unternehmen beteiligt, sondern<br />

auch der <strong>Arbeit</strong>geberverband, das Institut, das<br />

in Deutschland für die Berufsausbildung zuständig<br />

ist, die Gewerkschaften, das B<strong>und</strong>esamt für <strong>Migration</strong><br />

<strong>und</strong> Flüchtlinge <strong>und</strong> natürlich die regionalen<br />

Kooperationspartner, das heißt die <strong>Arbeit</strong>sämter, die<br />

Landesarbeitsämter <strong>und</strong> die regionalen <strong>Arbeit</strong>sämter<br />

sowie die Landeskammern. Jedes Vierteljahr<br />

berichten wir den Stiftungen <strong>und</strong> Verbänden über<br />

den Stand der Dinge. Dann können sie sagen, ob sie


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

die Entwicklungspartnerschaft weiterführen wollen.<br />

Wenn ja, können sie jetzt schon dafür sorgen, dass<br />

nachhaltige Strukturen geschaffen werden.<br />

Zum <strong>Main</strong>streaming. Bei der Zusammensetzung<br />

dieser Entwicklungspartnerschaft ist das vertikale<br />

<strong>Main</strong>-streaming schon mit angelegt. Wenn wir gute<br />

<strong>Arbeit</strong> leisten, die weitergetragen werden kann, sind<br />

die Partner, die das unterstützen, bereits von Anfang<br />

an mit dabei. So ist das Projekt angelegt.<br />

Manfred Spee: Aus Firmensicht kann ich noch<br />

ergänzen, dass es ein Vorteil ist, dass ich in einem<br />

Konzern arbeite <strong>und</strong> auch an der Personalentwicklung<br />

des Konzerns mitarbeite. So kann ich über<br />

gesamt Deutschland als Kommunikator wirken <strong>und</strong><br />

hoffentlich von Erfolgen berichten <strong>und</strong> kann dieses<br />

Modell auch in andere Regionen hineintragen. Zum<br />

Nutzen des Unternehmens.<br />

Moderation: Gibt es noch eine Anmerkung?<br />

Teilnehmer: Herr Brauns, ich glaube, dass der<br />

zuvor Fragende meinte, man müsse beide Richtungen<br />

interkulturell schulen. Ich bin Gast aus Augsburg<br />

<strong>und</strong> wir haben ein Existenzgründerbüro für<br />

Migranten. Das läuft hervorragend, aber wir haben<br />

erkannt, dass wir nicht nur die Migranten interkulturell<br />

schulen müssen, sondern wir schulen auch<br />

die Landratsämter <strong>und</strong> andere. Das ist sehr wichtig<br />

<strong>und</strong> ich habe die Frage so verstanden.<br />

Ich wollte noch eine kurze Frage anbringen. Wo<br />

sehen Sie die innovativen Elemente des Projekts?<br />

Wo sehen Sie etwas Besonderes?<br />

Hans-Dieter Brauns: Innovativ ist sicher, dass wir die<br />

Unternehmen wesentlich stärker in die Ausbildung<br />

einbinden <strong>und</strong> dass wir uns auf einen Sektor konzentrieren,<br />

in dem die entsprechenden Verbände, die<br />

größeren Unternehmen <strong>und</strong> die Behörden auf B<strong>und</strong>esebene<br />

mit eingeb<strong>und</strong>en sind. Das ginge schlecht,<br />

wenn man über viele Branchen <strong>und</strong> Sektoren ausbildet.<br />

Ich denke, das Besondere ist, <strong>und</strong> das sehen Sie<br />

ja auch an der Zusammensetzung des Teilnehmerkreises<br />

heute, das wir sehr eng mit den Unternehmen<br />

<strong>und</strong> deren Vertretern zusammenarbeiten.<br />

33


Alp Otman, Stadt Darmstadt<br />

Susanne Rupp, Kreisausschuss Groß-Gerau<br />

Ich möchte Ihnen kurz unsere regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

„Integration von Migranten in der Region<br />

Starkenburg <strong>und</strong> Partner“ vorstellen. In unserer<br />

Entwicklungspartnerschaft arbeiten die Gebietskörperschaften<br />

der Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner mit<br />

den regionalen <strong>Arbeit</strong>smarktakteuren – <strong>Arbeit</strong>samt,<br />

DGB, Südhessischer Unternehmerverband, IHK, Handwerkskammer<br />

<strong>und</strong> mit freien Trägern – zusammen.<br />

Starkenburg ist die Region südlich von Frankfurt, also<br />

die Stadt Darmstadt, der Kreis Groß-Gerau, der Kreis<br />

Darmstadt-Dieburg, der Kreis Bergstraße <strong>und</strong> der<br />

Odenwaldkreis. Wir führen unsere Projekte gemeinsam<br />

mit den angrenzenden Landkreise Neckar-Odenwald-Kreis<br />

<strong>und</strong> <strong>Rhein</strong>-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg<br />

sowie der Stadt Worms in <strong>Rhein</strong>land-Pfalz durch.<br />

Das gemeinsame dieser Städte <strong>und</strong> Landkreise ist,<br />

das sie zwischen den Ballungsgebieten <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Rhein</strong>-Neckar angesiedelt sind.<br />

Wir, die Entwicklungspartnerschaft „Starkenburg <strong>und</strong><br />

Partner“, suchen gemeinsam nach Lösungen, um<br />

Migranten besser in den regionalen <strong>Arbeit</strong>smarkt zu<br />

integrieren. Dabei sehen wir die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />

als wichtigen Beitrag zur sozialen Integration. Auf<br />

der Basis unseres Ziel haben sich <strong>Arbeit</strong>smarktakteure<br />

(neben den Gebeitskörperschaften das <strong>Arbeit</strong>samt,<br />

DGB, Handwerkskammer, IHK, Unternehmerverband<br />

Südhessen), Bildungsträger, Vertretungen der Migranten<br />

<strong>und</strong> die Frauen- <strong>und</strong> Gleichstellungsbeauftragte<br />

der Region zusammengeschlossen. Wir entwickelten<br />

Projekte zur Verbesserung der <strong>Arbeit</strong>smarkt-<br />

integration.<br />

Die Ziele unserer Projekte sind, mehr Migranten in den<br />

<strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, die regionalen Akteure<br />

der Migranten-Communities zu einer intensiveren<br />

Zusammenarbeit zu bewegen, die <strong>Arbeit</strong>smarktinstrumente<br />

für die Zielgruppe Migranten weiterzuentwickeln<br />

<strong>und</strong> das Integrationspotential in der Region<br />

durch unsere Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte zu stärken.<br />

34<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

6. <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der<br />

Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner: IntegrationsassistentIn im Bereich<br />

<strong>Migration</strong> – ein neues Berufsbild für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />

Damit unsere Projekte,Innovationen<br />

<strong>und</strong> Verbesserungen<br />

keine Eintagsfliegen<br />

werden,<br />

beschlossen wir,<br />

unsere Teilprojekte<br />

an bestehende Institutionen<br />

an zu<br />

schließen <strong>und</strong> diese<br />

weiter zu optimieren.<br />

Dabei setzen<br />

wir auf drei<br />

Ebenen an, die<br />

Alp Otmann,Stadt Darmstadt<br />

sich wiederum auf<br />

fünf inhaltliche Schwerpunkte verteilen. Die erste<br />

Ebene verbessert die Methoden <strong>und</strong> Instrumente<br />

der Erwachsenen- <strong>und</strong> Jugendlichenförderung. Hierzu<br />

gehören unsere Qualifizierungsmöglichkeiten für<br />

Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten im IT- <strong>und</strong> Handwerksbereich<br />

sowie unsere Projekte, die Migranten jugendliche<br />

in der Phase der Berufsfindung unterstützen. Zur<br />

zweiten Ebene gehören unsere Projekte, mit denen<br />

wir die Strukturen im Bereich der Sprachkompetenz<br />

optimieren. Mit diesen Projekten wollen wir erreichen,<br />

dass das Angebot für Sprachkurse, die Diagnose<br />

der deutschen Sprachkenntnisse bei Migranten<br />

<strong>und</strong> Migrantinnen <strong>und</strong> die Vermittlung in Sprachkurse<br />

für alle Beteiligten zufriedenstellender wird. Und auf<br />

der dritten Ebene fördern wir die Vernetzung <strong>und</strong> die<br />

Teilhabe der Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten. Dabei stärken<br />

wir die Eigenressourcen von Migranten-Communities<br />

zur Integration. Hier setzt das Projekt zur Entwicklung<br />

des neuen Berufsbildes des Integrationsassistenten<br />

an, das Ihnen Herr Otman jetzt<br />

vorstellen wird.<br />

Alp Otman: Meine Damen <strong>und</strong> Herren, gleich am<br />

Anfang drei Thesen zur Integration. Die erste These<br />

klingt zunächst trivial. Wir wissen, dass die Integration<br />

ein Prozess mit vielen Dimensionen ist, <strong>und</strong> die<br />

erste Dimension ist die strukturelle Ebene, d.h. die<br />

gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen<br />

Systemen, insbesondere an <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Bildung. Bei


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

dieser Definition ist aber die Richtung eine andere, als<br />

wenn Politiker sagen, ihr müsst euch integrieren. Das<br />

ist eine Formulierung, die es den Migranten erlaubt,<br />

eine positive Forderung zu stellen <strong>und</strong> somit zu bewirken,<br />

dass sie sich mit diesem Ziel identifizieren. Die<br />

zweite These ist schon ein bisschen ungewöhnlicher.<br />

Wir wissen alle, dass über die interkulturelle Öffnung<br />

der Verwaltung <strong>und</strong> der Betriebe sehr viel geschrieben<br />

wird. Aber es gibt auch die andere Seite, die<br />

Migranten-Communities, die sich in einem wechselseitigen<br />

Prozess öffnen. Und die dritte These folgt<br />

gleich daraus. Damit die Öffnung nicht nur sporadisch<br />

<strong>und</strong> zufällig von Ort zu Ort erfolgt, sondern systematisch<br />

<strong>und</strong> flächendeckend, ist es wichtig, dass gerade<br />

an den Schnittstellen zwischen den zwei Systemen,<br />

d.h. den Institutionen der Mehrheitengesellschaft <strong>und</strong><br />

den politischen, pädagogischen <strong>und</strong> sozialen Institutionen<br />

<strong>und</strong> Migranten-Communities, die Reibungsverluste<br />

minimiert werden. Das erfordert eine systematische<br />

Unterstützung durch bestimmte, dafür<br />

ausgebildete Kräfte, darunter unbedingt auch durch<br />

solche mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />

Nun gibt es natürlich bereits seit Jahrzehnten Fachkräfte,<br />

die in diesem Bereich tätig sind. Das sind die<br />

diplomierten Fachkräfte der sozialen <strong>Arbeit</strong>, die Lehrkräfte,<br />

die Berater. Doch unsere These ist, das diese<br />

Kräfte nicht ausreichen <strong>und</strong> wir eine um ein Vielfaches<br />

höhere Anzahl von Assistenzkräften brauchen,<br />

um die Öffnungsprozesse der Migranten-Communities<br />

adäquat zu begleiten. Diese Assistenzkräfte nennen<br />

wir Integrationsassistenten <strong>und</strong> das wäre ein<br />

neues Berufsbild. Es ist ein Beruf unterhalb der Ebene<br />

der diplomierten Fachkräfte der sozialen <strong>Arbeit</strong>, das<br />

heißt unterhalb eines Fachhochschul- oder Universitätsabschlusses.<br />

Die Integrationsassistenten ersetzen<br />

natürlich die Fachkräfte nicht, sondern stehen<br />

Ihnen zur Seite. Sie arbeiten mit Ihnen zusammen <strong>und</strong><br />

helfen ihnen, die Öffnungsprozesse der Commmunities<br />

zu unterstützen <strong>und</strong> die Kommunikationsschwierigkeiten<br />

zwischen den Institutionen <strong>und</strong> den Eltern,<br />

den Vereinen <strong>und</strong> Communities aus dem Weg zu räumen<br />

oder auch bei Konflikten entweder präventiv<br />

oder als Feuerwehr einzugreifen.<br />

Wo können diese Integrationsassistenten tätig sein?<br />

Wir haben uns bei unserem Teilprojekt bewusst auf<br />

einen Schwerpunkt konzentriert, die <strong>Arbeit</strong> mit Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen. Es ist auch denkbar, <strong>und</strong> das<br />

möchten wir später bei der Institutionalisierung aufnehmen,<br />

einen weiteren Schwerpunkt im Ges<strong>und</strong>heitsbereich<br />

<strong>und</strong>/oder in der <strong>Arbeit</strong> mit Seniorinnen<br />

<strong>und</strong> Senioren zu legen. Wir konzentrieren uns<br />

zunächst auf die <strong>Arbeit</strong> mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Die Aufgaben der Assistenzkräfte im Bereich Integration<br />

sind vielfältig. Dazu zählen Herstellung einer Vertrauensbasis,<br />

Informationsvermittlung, Kommunikation,<br />

Kooperation, Vernetzung. Das heißt, es geht nicht<br />

nur darum, zu dolmetschen oder zu „kulturdolmetschen“,<br />

sondern diese Assistenzkräfte brauchen eine<br />

solide Qualifikation. Natürlich kann es, weil sie Assistenzkräfte<br />

sind, nur um die Gr<strong>und</strong>kenntnisse gehen.<br />

Es kann nur um die Einführung in Methoden gehen,<br />

aber auf jeden Fall ist so eine Qualifikation von Nöten.<br />

Wie wird der Bedarf bis jetzt gedeckt? Im Laufe der<br />

Jahrzehnte der <strong>Migration</strong> hat sich der Bedarf vielfältig<br />

bemerkbar gemacht. Er wird jedoch entweder ignoriert,<br />

<strong>und</strong> die Fachkräfte sagen „Wir behandeln Einheimische<br />

<strong>und</strong> Migranten gleich“, so dass es nicht<br />

Region<br />

Starkenburg<br />

35


notwendig ist, besondere Kräfte herbeizuholen. Oder<br />

man stellt – eher als Ausnahmefall – jemanden mit<br />

Diplom ein, der einen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> hat, z.B.<br />

einen Sozialarbeiter aus der Türkei <strong>und</strong> aus Marokko.<br />

Dabei wird aber diese Fachkraft unter ihrer Qualifikation<br />

eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit ist, unqualifizierte<br />

ehrenamtliche Kräfte zu suchen, z.B. den<br />

Lebensmittelhändler um die Ecke oder die Kinder, die<br />

zur Stelle sind, wenn es um Konflikte mit den Eltern<br />

geht. Das sind jedoch keine befriedigenden Lösungen.<br />

In unserem Teilprojekt gibt es eine Qualifizierungsmaßnahme<br />

mit dem Schwerpunkt „<strong>Arbeit</strong> mit Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen“, die über zwei Semester geht. Dieser<br />

Schwerpunkt ist im Aufbausemester besonders<br />

ausgeprägt, <strong>und</strong> da geht es hauptsächlich um die Einführung<br />

in die Praxis der möglichen <strong>Arbeit</strong>sfelder. Im<br />

Gr<strong>und</strong>semester geht es eher um Gr<strong>und</strong>lagenkenntnisse,<br />

die Theorieanteile. Es ist auch eine sehr hohe<br />

Zahl von Deutschst<strong>und</strong>en vorgesehen. Es gibt im Vorlauf<br />

einen Deutsch Intensivkurs, es gibt Deutsch als<br />

Fachsprache <strong>und</strong> in beiden Semestern einen Begleitkurs<br />

in Deutsch. Wichtig ist, dass so genannte migrationspezifische<br />

Fächer relativ gering in der St<strong>und</strong>enzahl<br />

erscheinen. Es gibt auch kein selbständiges Fach<br />

„Interkulturelle Kompetenz“, aber Sie müssen natürlich<br />

bedenken, dass zum Beispiel die Praxisreflexion<br />

mit insgesamt über fünfzig St<strong>und</strong>en den <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> die Lebenserfahrung der Teilnehmer<br />

reflektiert <strong>und</strong> auch im Fach soziale Kompetenz vieles<br />

nicht nur gelernt, sondern auch – unter Reflexion der<br />

Herkunftsdifferenzen der Teilnehmenden – trainiert<br />

wird.<br />

Vielleicht noch zu den Voraussetzungen. Die Teilnehmer<br />

müssen einen Realschulabschluss haben oder<br />

einen Abschluss, der dem Realschulabschluss entspricht.<br />

In der Realität haben viele Qualifikationen aus<br />

dem Herkunftsland, die darüber hinausgehen. Die<br />

Teilnehmer müssen Berufserfahrung haben, insbesondere<br />

im Bereich soziale <strong>Arbeit</strong>, <strong>und</strong> sie müssen<br />

Erfahrung im Bereich Vereinstätigkeit oder ehrenamtliche<br />

<strong>Arbeit</strong> haben. Real sieht es folgendermaßen aus.<br />

Wir haben 22 Teilnehmer aus 13 Herkunftsländern.<br />

Darunter sind auch Hausfrauen, aber auch ein Kultusminister<br />

<strong>und</strong> ein Staatssekretär. Es gibt Künstler,<br />

einen Pianisten, einen Maler, aber die größte Gruppe<br />

36<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

sind Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer sowie ehemalige Sozialarbeiter,<br />

also Leute, die einschlägige Qualifikationen<br />

<strong>und</strong> viel Berufserfahrung aus den jeweiligen Ländern<br />

mitbringen.<br />

Wie können sie später eingesetzt werden? Das sind<br />

hypothetische Modelle. Wichtig ist zum einen, dass<br />

sie arbeitsfeldübergreifend eingesetzt werden können.<br />

Das bedeutet, in der Kommune, im Landkreis<br />

oder im Tätigkeitsgebiet eines freien Trägers können<br />

sie an vielen Orten eingesetzt werden, je nachdem wo<br />

gerade Bedarf besteht. Die zweite Variante ist, sie einrichtungs-<br />

<strong>und</strong> arbeitsfeldbezogen einzusetzen, z.B. in<br />

einem Jugendzentrum oder in einer Kindertagesstätte.<br />

Eine dritte Möglichkeit ist, sie stadtteilbezogen<br />

einzusetzen. Beispielsweise eignen sich solche Integrationsassistenten<br />

hervorragend für Projekte aus<br />

dem Programm „Soziale Stadt“, bei dem es, wie wir<br />

alle wissen, sehr große Schwierigkeiten gibt, die<br />

Migranten zu einer Beteiligung bei der Stadtentwicklung<br />

zu motivieren. Schließlich gibt es die Möglichkeit<br />

des einzelfallbezogenen Einsatzes.<br />

Noch mal zusammenfassend. Der wichtige Punkt ist,<br />

dass die Integrationsassistenten nicht nur ihren <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> ihre Lebens- <strong>und</strong> Berufserfahrung<br />

aus den Herkunftsländern mitbringen, sondern<br />

dass sie eine qualifizierte Weiterbildung<br />

bekommen. Wir gewährleisten dies in Zusammenarbeit<br />

mit der Fachhochschule Darmstadt. Sechs Professoren<br />

<strong>und</strong> neun Lehrbeauftragte aus der Praxis<br />

übernehmen bei dieser Weiterqualifizierung eine Aufgabe.<br />

Neben 650 St<strong>und</strong>en Fach- <strong>und</strong> Deutschunterricht<br />

müssen 350 St<strong>und</strong>en Praktikum von den Teilnehmern<br />

absolviert werden. Zum Schluss wird eine<br />

Hausarbeit geschrieben <strong>und</strong> bewertet, <strong>und</strong> es findet<br />

ein Abschlusskolloquium statt. Unser mittelfristiges<br />

Ziel ist es, dieser Maßnahme zu einer b<strong>und</strong>es- oder<br />

landesweiten Anerkennung zu verhelfen, das Zertifikat<br />

entsprechend anerkennen zu lassen, damit eine<br />

Institutionalisierung erfolgen kann.<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

7. Women Way of Entrepreneurship: MigrantInnen unternehmen<br />

was - Potential als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin<br />

Andrea Nispel, Sozialwissenschaftlerin,<br />

Frankfurt<br />

a.M.<br />

Guten Tag meine Damen<br />

<strong>und</strong> Herren! Bevor ich<br />

beginne, möchte ich mich<br />

zunächst recht herzlich bei<br />

den Veranstaltenden für<br />

die Einladung bedanken.<br />

Meine Name ist Andrea<br />

Nispel, ich bin freiberuflicheSozialwissenschaftlerin<br />

<strong>und</strong> Beraterin <strong>und</strong> als<br />

Andrea Nispel<br />

solche u.a. auch Kooperantin<br />

der Frauenbetriebe – Qualifikation für die berufliche<br />

Selbständigkeit e.V. In den letzten Jahren habe<br />

ich gemeinsam mit den Frauenbetrieben drei Studien<br />

zu Existenzgründerinnen durchgeführt. Auf Ergebnisse<br />

aus einer dieser Studien werde ich im Laufe meines<br />

Vortrages noch eingehen.<br />

Die Frauenbetriebe sind einer der operativen Partner<br />

der Entwicklungspartnerschaft “Women Way of Entrepreneurship”.<br />

WWOE ist ein b<strong>und</strong>esweiter Zusammenschluss<br />

vielfältiger ExpertInnen aus Unternehmen,<br />

Hochschulen, Verwaltungen, Ministerien, Kommunen,<br />

Finanzierungs- <strong>und</strong> Beratungseinrichtungen. Insgesamt<br />

16 aktive Partnerorganisationen führen Projekte<br />

durch; dabei handelt es sich um Gründerinnenzentren,<br />

Weiterbildungsträger, Unternehmensberatungen, Universitäten,<br />

Fachhochschulen,Lobbyorganisationen u.a.<br />

Hier in Frankfurt sind die Frauenbetriebe e.V. einer der<br />

operativen Partner. Zu den strategischen Partnern<br />

gehören u.a. das B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend sowie die Deutsche Ausgleichsbank,<br />

heute KfW-Mittelstandsbank.<br />

Die Ziele von WWOE lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />

Es geht um die Sichtbarmachung der beruflichen<br />

Selbständigkeit von Frauen <strong>und</strong> ihrer volkswirtschaftlichen<br />

Bedeutung. Damit zielt diese EP auf eine<br />

gesellschaftliche Anerkennung <strong>und</strong> Förderung des<br />

“Women Way of Entrepreneurship”, also der Spezifika<br />

weiblichen Unternehmertums. Es sollen aus den zahlreichen<br />

Erfahrungen in den Bereichen Beratung, Training<br />

<strong>und</strong> Coaching ‚Best Practice’ herausgearbeitet<br />

<strong>und</strong> zu Qualitätsstandards formuliert werden.<br />

Die Frauenbetriebe haben im Rahmen dieser EP WWOE<br />

den Auftrag übernommen, ein „<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming”<br />

dieser Entwicklungspartnerschaft zu initiieren.<br />

Ich unterstützte sie dabei mit meiner Kooperation.<br />

Damit wollen wir darauf hin wirken, dass alle Aktivitäten<br />

der EP im Querschnitt auch unter dem Blickwinkel<br />

“Einwanderungsgesellschaft” betrachtet werden.<br />

Im folgenden stelle ich nicht diese Entwicklungspartnerschaft<br />

<strong>und</strong> ihre Aktivitäten im allgemeinen vor, sondern<br />

Daten, Zahlen <strong>und</strong> Fakten zu Unternehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>. Dies ist<br />

ein Beitrag zu Sichtbarmachung der Potenziale von<br />

zugewanderten Frauen <strong>und</strong> ihren Töchtern: hier als<br />

Gründerinnen, Unternehmerinnen <strong>und</strong> zum Teil als<br />

<strong>Arbeit</strong>sgeberinnen.<br />

In diesem Vortrag beziehe ich mich auf Forschungsergebnisse<br />

des sog. Gründungsmonitors der Deutschen<br />

Ausgleichsbank (Die Mittelstandsbank – Förderinitiative<br />

KfW <strong>und</strong> DtA) sowie auf Zahlen aus der Förderbilanz<br />

der Jahre 1990 bis 2002 – im Hinblick auf die Förderung<br />

ausländischer Existenzgründer durch die DtA. 1<br />

Weiter nehme ich Ergebnisse aus einer Studie des<br />

Instituts für Mittelstandsforschung in Mannheim (IfM)<br />

hinzu, auch einem operativen Partner der EP WWOE. 2<br />

Im Anschluss daran zitiere ich Ihnen aus einer Studie,<br />

die ich selber im Kooperation mit der Uni Frankfurt<br />

<strong>und</strong> den Frauenbetrieben für das Frankfurter <strong>Arbeit</strong>samt<br />

erstellen konnte. 3<br />

Nun aber zur beruflichen Selbständigkeit von Zugewanderten<br />

in Deutschland, insbesondere zu der von<br />

Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>. Zur Zeit haben in<br />

Deutschland 8,4% der Selbständigen keinen deutschen<br />

Pass. Der Anteil von Menschen mit einem anderen als<br />

dem deutschen Pass an der Wohnbevölkerung beträgt<br />

ca. 9% im Durchschnitt über das ganze B<strong>und</strong>esgebiet.<br />

1) Vgl. Dr. Nicole Lehnert, Marc Täuber – DtA – Deutsche Ausgleichsbank. Die Mittelstandsbank: Wirtschaftsdynamik durch Existenzgründungen von Migranten. Analysen auf Basis der<br />

DtA-Förderdaten <strong>und</strong> des DtA-Gründermonitors. Berlin 2003.<br />

2) Vgl. René Leicht, Markus Leiß, Ralf Philipp, Robert Strohmeyer: Ausländische Selbständige in Baden Württemberg. Veröffentlichung des Instituts für Mittelstandsforschung,<br />

Universität Mannheim. Grüne Reihe Nr. 43. Mannheim 2001.<br />

3) Andrea Nispel: Evaluation von aus Mitteln der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> geförderten Existenzgründungen arbeitsloser Frauen in Frankfurt/M. Die Wirksamkeit des sozio-ökonomischen<br />

Beratungsansatzes innerhalb der Coaching-Maßnahmen nach §10 SGB III. Wissenschaftliche Beratung: Universität Frankfurt, fachliche Beratung: Frauenbetriebe e.V. Frankfurt/M. 2001.<br />

4) Leicht et al. 2001: S. 6.<br />

37


Natürlich gibt es markante regionale Unterschiede, so<br />

haben mindest ein Drittel der FrankfurterInnen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>,<br />

unter den Jüngeren ist dieser Anteil<br />

noch wesentlich höher.<br />

Forschungsergebnisse des IfM verweisen darauf, dass<br />

der Anteil von eingebürgerten Personen unter den Selbständigen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> sehr hoch ist. 4<br />

Würde die Statistiken also nicht die im Pass festgehaltene<br />

Nationalität sondern die Muttersprachen bzw.<br />

andere auf <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> hindeutende Fakten<br />

aufnehmen, so wäre der Anteil von Selbständigen mit<br />

<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> höher.<br />

Das Gleiche gilt auch für die Selbständigenquote.<br />

Diese sagt aus, wie groß der Anteil der Selbständigen<br />

an allen Erwerbstätigen ist. Bei den Deutschen beträgt<br />

sie 10%, bei den Zugewanderten ohne deutschen Pass<br />

8,4%. Interessant ist, dass diese Selbständigenquote<br />

von 1992 bis 2001 bei den Zugewanderten um 23,6%<br />

gestiegen ist, bei den Deutschen hingegen um nur<br />

17%. Dies deutet auf eine höhere Dynamik des Gründungsgeschehens<br />

bei MigrantInnen hin.<br />

In Deutschland betrug der Frauenanteil an den Unternehmerinnen<br />

1999 für Frauen ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

27,5% <strong>und</strong> für ihr zugewanderten Kolleginnen<br />

24,4% an allen Selbständigen. Auch hier kann nachgewiesen<br />

werden, dass die Dynamik des weiblichen<br />

Unternehmerinnentums etwas höher ist, nämlich<br />

gemessen an der größeren Steigerung der Selbständigenquote<br />

bei Frauen – im Vergleich zu Männern –<br />

<strong>und</strong> auch der Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> im<br />

Vergleich zu ihren deutschen Kolleginnen sowie den<br />

männlichen Kollegen in ihren Communities .<br />

Bei den von der DtA geförderten UnternehmerInnen<br />

(im Zeitraum 1990 bis 2002) ist der Frauenanteil<br />

unter den deutschen 26% <strong>und</strong> unter den Zugewanderten<br />

22,8%. Allerdings variiert dieser ganz erheblich<br />

nach einzelnen Staatsangehörigkeiten. Die folgende<br />

Tabelle 1 zeigt sieben Nationalitäten, in denen der<br />

Frauenanteil unter den EmpfängerInnen von DtA-Förderung<br />

deutlich über dem Durchschnitt von 22,8%<br />

liegt. Insbesondere fallen die Frauen aus Polen <strong>und</strong><br />

der Russischen Förderation auf, die die Hälfte der<br />

GründerInnen mit dem gleichen Pass ausmachen.<br />

38<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Tabelle 1: Durch die DtA 1990 bis 2002 geförderte<br />

Gründerinnen nach Nationalitäten (Quelle: DtA-<br />

Fördertaten (1990-2002) – Ausschnitt)<br />

Jetzt fahre ich fort mit einigen Ergebnissen aus dem<br />

DtA-Gründungsmonitor, der mit einer bevölkerungsrepäsentativen<br />

Stichprobe arbeitet. Für diese Studie<br />

werden über 40.000 Menschen telefonisch befragt,<br />

<strong>und</strong> zwar danach, ob sie im letzten Jahren eine berufliche<br />

Selbständigkeit begründet haben oder ob sie beabsichtigen,<br />

das im nächsten halben Jahr zu tun. Hier<br />

werden die Personen nicht nach ihrem Pass gefragt.<br />

Statt dessen sollen sie sich selbst einer Nationalität<br />

zuordnen. Möglicherweise werden hier auch ein paar<br />

Eingebürgerte oder InhaberInnen von zwei Pässen<br />

einen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> zu erkennen geben,<br />

obwohl sie gleichzeitig auch deutsche StaatsbürgerInnen<br />

sind.<br />

Die folgende Abbildung 1 gibt Aufschluss über die Gründungsquoten<br />

bzw. die Zahl derer, die eine Gründung planen.<br />

Hier tauchen die MigrantInnen zwei Mal auf, was<br />

sich wie folgt erklärt: Unter den genau 40.190 Befragten<br />

gaben nur 6% an, MigrantInnen zu sein. Da ihr Anteil an<br />

der Wohnbevölkerung 9% beträgt, wurde bei der Berechnung<br />

der gelben, mittleren Säulen (“MigrantInnen alternativ”)<br />

davon ausgegangen, dass die fehlenden 3%<br />

weder gegründet, noch eine Gründung im nächsten halben<br />

Jahr geplant hätten. Der Gründungsmonitor spricht<br />

hier von der “Minimalquote”. Die Zahlen in der Rubrik<br />

“MigrantInnen” (rote Säule, rechts) nennen den Anteil<br />

der Gründerinnen <strong>und</strong> Planerinnen innerhalb der<br />

tatsächlich Befragten, wobei hier MigrantInnen nur<br />

6% der gesamten Stichprobe ausmachen.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Abb. 1: Gründungsquoten 2002, differenziert<br />

nach nationaler Herkunft (Quelle: DtA-Gründungsmonitor<br />

2002)<br />

Unter den deutschen Befragten (grüne Säulen links)<br />

gaben 2,1% an, im letzten Jahr eine berufliche Selbständigkeit<br />

begründet zu haben. Bei den MigrantInnen<br />

war die Quote mehr als doppelt so hoch, nämlich<br />

5,4%. Und in der Minimalquote (gelbe Säule, Mitte)<br />

waren es immerhin noch 3,4%. Die Differenz zwischen<br />

Deutschen <strong>und</strong> Zugewanderten wird noch größer,<br />

wenn wir die Personen betrachten, die eine Gründung<br />

für das nächste halbe Jahr planen. Bei den Deutschen<br />

sind das 2,5% der Stichprobe, bei den MigrantInnen<br />

6,7% (Minimalquote: 4,2%).<br />

Diese Zahlen legen nahe, dass das Gründungspotenzial<br />

von Personen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> deutlich<br />

höher einzuschätzen ist als das der Deutschen.<br />

Der Gründungsmonitor führt ein halbes Jahr später<br />

eine zweite Befragung durch. Die folgende Abbildung<br />

2 zeigt Ihnen, was denn nun aus den GründungsplanerInnen<br />

geworden ist:<br />

Abb. 2: Verwirklichung der Gründungsplanung<br />

(Quelle: DtA-Gründungsmonitor 2002, Follow-Up-Befragung,<br />

N = 300, 262 Deutsche, 38 MigrantInnen)<br />

Auch hier finden wir erhebliche Unterschiede zwischen<br />

Personen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />

Während unter den Deutschen, die eine Gründung für<br />

das nächste halbe Jahr planten, fast ein Drittel (31%)<br />

diese auch realisiert haben, waren es von den Zugewanderten<br />

hingegen nur ein gutes Zehntel (11%). Die<br />

Differenz wird geringer in der Gruppe derer, die sich<br />

bei der Follow-Up-Befragung gerade in der Gründungsphase<br />

befanden (Deutsche 21%, MigrantInnen<br />

18%). 31% der Deutschen <strong>und</strong> 42% der MigrantInnen<br />

gaben an, die Gründung verschoben zu haben. Die<br />

Gründungsabsicht ganz aufgegeben haben 16% der<br />

Deutschen <strong>und</strong> 29% der Zugewanderten.<br />

Der Gründungsmonitor fragte auch nach, warum die<br />

Gründungsabsichten nicht realisiert oder verschoben<br />

wurden. Bei den MigrantInnen ist der Anteil derer, die<br />

finanzielle Mittel benötigten, aber Schwierigkeiten mit<br />

der Finanzierung hatten, mit 22% um acht Prozentpunkte<br />

höher als bei den Deutschen (14%). Hier fragt<br />

sich, ob MigrantInnen bei ihren Hausbanken eine<br />

größere Zurückhaltung gegenüber ihren Unternehmensideen-<br />

<strong>und</strong> Businesskonzepten vorfinden, vielleicht<br />

besonders dann, wenn ihre Ideen von denen<br />

eines männlichen deutschen Durchschnittsgründers<br />

abweichen. Von Gründerinnen wird oft beschrieben,<br />

dass vor allem bei vergleichsweise niedrigen Krediten<br />

sowie innovativen Gründungsideen wenig unterstützende<br />

Erfahrungen mit Banken gemacht werden. Als<br />

weitere wichtige Punkte für ein Aufschieben oder Auf-<br />

39


geben der Gründungsabsichten wurde von den<br />

MigrantInnen deutliche häufiger genannt: “Sozialer<br />

Abstieg beim Scheitern” <strong>und</strong> “fehlende Branchenkenntnisse”.<br />

Nun kommen wir zu den Frauenanteilen, zu denen der<br />

Gründungsmonitor sowohl für die GründerInnen als<br />

auch für die PlanerInnen Aussagen trifft. Diese werden<br />

in der folgenden Abbildung 3 dargestellt.<br />

Abbildung 3: Frauenanteile bei GründerInnen <strong>und</strong><br />

GründungsplanerInnen 2002 (Quelle: DtA Gründungsmonitor<br />

2002, Gründer N= 918, 122 MigrantInnen,<br />

PlanerInnen N = 1.102, 151 MigrantInnen)<br />

Bemerkenswert ist, dass der Frauenanteil in der Gruppe<br />

derer, die eine Gründung im nächsten halben Jahr<br />

geplant haben, bei den Personen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

fast gleich hoch ist (37% bzw. 36% bei<br />

MigrantInnen, vgl. die beiden rechten Säulenpaare).<br />

Bei den Befragten, die im letzten Jahr eine berufliche<br />

Selbständigkeit begründet haben, liegt der Frauenanteil<br />

unter den Deutschen mit 37% deutlich über dem<br />

der GründerInnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, nämlich<br />

24%. Hier können spezifische Hürden für Unternehmerinnen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angenommen<br />

werden. Dazu gehören wahrscheinlich die erschwerten<br />

Zugänge zu Finanzierungen, ein Problem, das bei<br />

Frauen noch häufiger anzutreffen sein dürfte als bei<br />

Männern. Auch mangelnde Informationen über Fördermöglichkeiten<br />

im finanziellen, aber auch beraterischen<br />

Bereich können für den besonders niedrigen<br />

Realisierungsgrad der Gründungen bei den Migrantin-<br />

40<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

nen mit verantwortlich gemacht werden. Es sei aber<br />

an dieser Stelle an die eingangs zitierten Zahlen aus<br />

den DtA-Förderdaten von 1990 bis 2002 erinnert,<br />

nach denen der Frauenanteil bei einigen Nationalitäten<br />

erheblich vom Durchschnitt nach oben abweicht.<br />

So bei den DtA-geförderten GründerInnen aus Polen<br />

(51% Frauenanteil), aus der Russischen Förderation<br />

(50%), aus Jugoslawien (33%) <strong>und</strong> Kroatien (32%). Der<br />

Anteil der Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> betrug<br />

hier im Durchschnitt 23%, der in der Gruppe der<br />

Antragstellenden ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> 26%.<br />

Nun komme ich zu einem weiteren interessanten<br />

Bef<strong>und</strong> des DtA-Gründungsmonitors. Die GründerInnen<br />

wurden auch danach befragt, wie viele Personen<br />

ihre Betriebe beschäftigen. Das Ergebnis ist, dass die<br />

Gründungen von MigrantInnen merklich beschäftigungswirksamer<br />

waren, als die der Deutschen. Die<br />

Abbildung 4 zeigt uns im ersten Säulenpaar Betriebe,<br />

die entweder eine Person, also den Gründer oder die<br />

Gründerin beschäftigen. Unter den Gründungen von<br />

Deutschen entfallen auf diese Ein-Mann- oder Ein-Frau-<br />

Betriebe ein gutes Viertel (26%), bei den MigrantInnen<br />

jedoch nur 16%. Zwei bis 10 Personen beschäftigen<br />

52% der Deutschen, aber 54% der MigrantInnen. Eine<br />

Betriebsgröße von 11 – 50 Personen erreichen 23% der<br />

Gründungen von MigrantInnen (unter den Deutschen<br />

nur 15%). 8% der Unternehmen von MigrantInnen<br />

beschäftigen über 50 Personen (Deutsche 7%).<br />

Im Schnitt ging aus einer Gründung eines oder einer<br />

Deutschen ein Beschäftigungseffekt von zwei Personen<br />

hervor, bei den GründerInnen mit Migrantionshintergr<strong>und</strong><br />

waren es fünf Personen. In diesem Kontext ist<br />

noch interessant, dass laut Gründungsmonitor der<br />

Anteil von Nebenerwerbsgründungen bei MigrantInnen<br />

mit 55% aller Gründungen etwas niedriger lag als bei<br />

den Deutschen (58%). Und sowohl vom Gründungsmonitor<br />

als auch von der Studie des IfM wird darauf hingewiesen,<br />

dass die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen<br />

unter MigrantInnen nicht nur nicht höher,<br />

sondern sogar geringfügig niedriger ist als in den deutschen<br />

Betrieben.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Abbildung 4: Beschäftigungseffekte der Gründungen<br />

im ersten Jahr<br />

(Quelle: DtA-Gründungsmonitor 2002)<br />

Im folgenden beziehe ich mich auf Ergebnisse aus dem<br />

eingangs schon angesprochenen eigenen Forschungsprojekt.<br />

Dieses war vom <strong>Arbeit</strong>samt Frankfurt in Auftrag<br />

gegeben <strong>und</strong> wurde von mir in Kooperation mit den Frauenbetrieben<br />

<strong>und</strong> der Uni Frankfurt/M. von 1999 bis<br />

2001 durchgeführt. Befragt habe ich Überbrückungsgeld-<br />

Empfängerinnen, die zwischen 1998 <strong>und</strong> Mitte<br />

2000 mit diesem <strong>Arbeit</strong>smarktinstrument im Bereich<br />

des <strong>Arbeit</strong>samtes Frankfurt gefördert worden waren.<br />

Der Fragebogen wurde von 198 Frauen zurückgesandt,<br />

was einer erfreulichen Rücklaufquote von 30% entsprach.<br />

Von den Antwortenden hatten 16 Frauen (8%)<br />

eine andere Muttersprache als Deutsch <strong>und</strong> überwiegend<br />

auch eine im Ausland absolvierte schulische <strong>und</strong><br />

berufliche Ausbildung. Da diese Stichprobe sehr klein ist,<br />

erhebe ich keinen Anspruch auf Repräsentativität. Bei<br />

diesen Ergebnissen handelt es sich um einzelne Fälle,<br />

die aber als Anregungen für die Gründungsforschung<br />

dienen mögen. Mit Ausnahme der hier zitierten Studien<br />

der DtA <strong>und</strong> des Instituts für Mittelstandsforschung in<br />

Mannheim wird dort bislang die Einwanderungsrealität<br />

kaum wahrgenommen.<br />

In meiner Studie hatten die Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

vergleichbar hohe schulische <strong>und</strong> berufliche<br />

Abschlüsse wie ihre deutschen Kolleginnen: etwa<br />

die Hälfte waren Akademikerinnen. Im Schnitt waren die<br />

Migrantinnen etwas älter, der Anteil der Alleinerziehenden<br />

war höher <strong>und</strong> sie waren vor der Gründung etwas<br />

länger arbeitslos gemeldet. Ihre Verteilung auf die Bran-<br />

chen war – trotz der kleinen Stichprobe – etwas breiter,<br />

sie firmierten häufiger im Handel <strong>und</strong> etwas seltener in<br />

Freien Berufen <strong>und</strong> als Dienstleisterinnen. Die deutschen<br />

Überbrückungsgeld-Empfängerinnen gaben häufiger sog.<br />

intrinsische Motive für die Entscheidung zur beruflichen<br />

Selbständigkeit an, z.B. die Hoffnung auf mehr Entfaltungsmöglichkeiten<br />

ihrer Kreativität <strong>und</strong> mehr Selbstbestimmung<br />

im <strong>Arbeit</strong>salltag. Von den Migrantinnen<br />

war der Gr<strong>und</strong> “Ich wollte meine <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

beenden” deutlich häufiger als von den deutschen<br />

Frauen genannt worden.<br />

Ein Hauptfokus der Untersuchung lag auf der Erforschung<br />

von Erfahrungen mit Beratung. Hier zeigte sich,<br />

dass Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> mehr<br />

Beratung nachsuchten als ihre deutschen Kolleginnen,<br />

sowohl im informellen Fre<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Bekanntenkreis,<br />

als auch bei professionellen Beraterinnen. Da der positive<br />

Einfluss von Beratung auf Unternehmenserfolge als<br />

belegt gelten kann, ist dieses intensivere Suchen nach<br />

fachmännischem <strong>und</strong> auch fre<strong>und</strong>schaftlichem Rat positiv<br />

zu bewerten. Jedoch zeigte sich, dass die Frauen mit<br />

<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> von den existierenden Beratungsangeboten<br />

sowie von finanzieller Beratungsförderung<br />

signifikant schlechter informiert waren.<br />

Ebenfalls wurde deutlich, dass die in meiner Untersuchung<br />

befragten Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

ihre schriftlichen Gründungskonzepte weniger<br />

detailliert ausgearbeitet hatten als die deutschen Kolleginnen.<br />

Das muss als ein Problem gewertet werden, da<br />

die hohe Bedeutung des guten Businessplans für den<br />

Erfolg von GründerInnen nachgewiesen wurde. Mit anderen<br />

bereits zitierten Ergebnissen übereinstimmend zeigte<br />

sich auch in meiner Stichprobe, dass die Migrantinnen<br />

etwas weniger Gründungskapital einsetzten als die Überbrückungsgeld-Empfängerinnen<br />

ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />

Zum Schluss will ich ein kleines Fazit aus den hier dargestellten<br />

Ergebnissen ziehen. Ich halte es für erwiesen,<br />

dass das volkswirtschaftliche Potenzial von Migrantinnen<br />

ganz allgemein unterschätzt wird, insbesondere<br />

aber ihr Potenzial als Gründerinnen, Unternehmerinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>geberinnen. Betrachtet man die Aussagen<br />

zum erschwerten Zugang zu Gründungskapital <strong>und</strong><br />

–beratung, so kann angenommen werden, dass die Institutionen<br />

zur Förderung von Existenzgründungen einen<br />

“blinden Fleck” beim Thema Einwanderungsland haben.<br />

41


Es braucht deshalb meiner Meinung nach ein‚ <strong>Migration</strong><br />

<strong>Main</strong>streaming’ der Gründungsförderung. Abschließend<br />

plädiere ich für eine zunehmende Sichtbarmachung<br />

der Potenziale von Migrantinnen in allen<br />

Bereichen unserer Gesellschaft. Ihre Leistungen als<br />

Gründerinnen, Unternehmerinnen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>geberinnen<br />

sind dabei ganz besonders hervorzuheben.<br />

Im Anschluss an den Vortrag gab es Gelegenheit für<br />

Nachfragen <strong>und</strong> Diskussion. Die erste Frage aus dem<br />

Publikum bezog sich auf den Begriff ‚<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming’:<br />

Was hat man sich darunter vorzustellen?<br />

Welche Anforderungen würden sich an die Qualität<br />

von Gründungsförderung stellen, wenn ein „<strong>Migration</strong><br />

<strong>Main</strong>streaming” implementiert würde?<br />

Als Vortragende antwortete ich darauf, dass ich den<br />

Begriff ‚<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming’ bislang in Anführungszeichen<br />

schreibe, da ich mich innerhalb des Diskurses<br />

auf der Suche nach einem möglichst passenden Begriff<br />

befinde. Eine Alternative wäre möglicherweise ‚Diversity<br />

<strong>Main</strong>streaming’, wobei es da um die Sichtbarmachung<br />

<strong>und</strong> Wertschätzung der Potenziale von Vielfalt geht <strong>und</strong><br />

nicht allein Personen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angesprochen<br />

sind. Wenn ich von <strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming<br />

spreche, dann verbinde ich damit die Vorstellung, dass<br />

alle in der Gründungsförderung tätigen ProtagonistInnen<br />

– vom Berater einer Überbrückungsgeld-Empfängerin<br />

über die MitarbeiterInnen in den Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern<br />

bis zur Entscheiderinnen in der Wirtschaftsförderung<br />

oder der Bank alle in ihren jeweiligen<br />

Tätigkeits- <strong>und</strong> Einflussbereichen das Faktum<br />

Einwanderungsland angemessen berücksichtigen.<br />

Das würde bedeuten, dass das Thema Einwanderungsrealität<br />

allen diesen Personen vertraut ist, sie darüber<br />

umfassend informiert sind <strong>und</strong> sie ihre eigenen persönlichen<br />

Einstellungen zu Minderheitenangehörigen reflektiert,<br />

überprüft <strong>und</strong> ggf. ausdifferenziert haben. Weiter<br />

müssten die Strukturen der Institutionen, in denen diese<br />

Personen arbeiten, es zulassen, dass die Einwanderungsrealität<br />

von ihren MitarbeiterInnen so berücksichtigt<br />

werden kann, dass Gründungswillige <strong>und</strong> UnternehmerInnen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> eine qualitativ<br />

genauso hochwertige Beratung <strong>und</strong> Förderung erfahren,<br />

wie Mehrheitenangehörige auch. Ihr Beratungs<strong>und</strong><br />

Förderungsbedarf wird sich dabei in den meisten<br />

42<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Punkten mit denen von Deutschen decken. Aber<br />

natürlich wird es da auch Differenzen geben. Diese<br />

betreffen z.B. die juristischen Besonderheiten, die nur<br />

für nicht-deutsche Staatsangehörige gelten <strong>und</strong> nur von<br />

diesen berücksichtigt werden müssen. Wünschenswert<br />

wäre, dass alle in der Gründungsförderung tätigen BeraterInnen<br />

<strong>und</strong> EntscheiderInnen in ihrem speziellen Themengebiet<br />

über die allgemeinen <strong>und</strong> spezifischen Beratungsbedarfe<br />

von Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shinter<br />

gr<strong>und</strong> umfassend informiert <strong>und</strong> auf deren Beratungsanfragen<br />

entsprechend vorbereitet sind.<br />

Zwei weitere Beiträge aus dem Publikum bezogen sich<br />

auf die außerordentlichen Schwierigkeiten bei der Finanzierung<br />

von Gründungsideen von MigrantInnen. Es sprachen<br />

zwei Berater aus Institutionen, die GründerInnen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> fördern.<br />

Übereinstimmend schilderten sie, wie Gründungswillige<br />

auch bei der Akquise von kleinen Krediten <strong>und</strong> auch mit<br />

guten, schriftlich ausgearbeiteten Konzepten keine Bewilligungen<br />

ihrer Kreditanfragen bei Banken erreicht hätten.<br />

Auch dann nicht, wenn sie die Unterstützung der<br />

beratenden Institutionen nachweisen konnten.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

8. EXZEPT: Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –<br />

erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen<br />

Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand der<br />

KIZ Zentrale für Existenzgründung AG,<br />

Offenbach<br />

Hakan Helvaci, Coach für MigrantInnen,<br />

KIZ Zentrale für Existenzgründung,<br />

Offenbach<br />

Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand, KIZ Zentrale<br />

für Existenzgründung AG, Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Nirvana Gerdjikow, Gründerin, Lunchbox,<br />

Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Hakan Helvaci, Coach, KIZ Zentrale für<br />

Existenzgründung AG, Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Markus Weidner: Zu vorgerückter St<strong>und</strong>e ein herzliches<br />

Willkommen von mir. Ich bin Markus Weidner,<br />

Vorstand der KIZ Zentrale für Existenzgründung AG. KIZ<br />

ist Initiator der Entwicklungspartnerschaft „EXZEPT“.<br />

Wir sind so ein bisschen Exoten, weil unser Thema in<br />

der Entwicklungspartnerschaft nicht allein „Migranten“<br />

ist, sondern wir sind aus dem EQUAL-Bereich 2c<br />

„Stärkung des Unternehmergeistes“. Aber natürlich<br />

Nirvana Gerdjikow, Gründerin Lunchbox<br />

Offenbach<br />

ist die Stärkung von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten bei<br />

uns ein ganz wichtiger Faktor. Deshalb hole ich etwas<br />

weiter aus, damit Sie das Folgende ein Stück weit einordnen<br />

können.<br />

Unser Thema ist „Erleichterung von Existenzgründung<br />

durch mehr Akzeptanz“. Akzeptanz gliedert sich dabei<br />

in vier Bereiche. Zum einen die „Akzeptanz in Politik<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft“. Es wurde vorhin in einem exzellenten<br />

Beispiel von dem Kollegen aus Augsburg angesprochen.<br />

Es gibt im Bankensektor große Widerstände<br />

institutioneller Art.<br />

Das Kreditwesengesetz verhindert häufig, dass die<br />

Leute mit Geld bedient werden, damit sie starten<br />

können. Das ist im Moment ein großes Hindernis.<br />

Wenn Sie den letzten Finanztest gelesen haben, wissen<br />

Sie, dass die Kammern bei der Beratung von Existenzgründern,<br />

dazu zählen auch Gründungen von<br />

Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten, sehr schlecht abgeschnitten<br />

haben. Von mangelhaft bis ausreichend im<br />

besten Fall. Das sind institutionelle Barrieren, an<br />

denen wir arbeiten.<br />

Es gibt ein zweites Feld, für das wir von KIZ zuständig<br />

sind. Das ist das Themenfeld „Regionale Verankerung“,<br />

d.h. die Zusammenarbeit von Regionen. Unser Ziel ist<br />

es, ein Referenzmodell für eine zentrale Anlaufstelle für<br />

Gründerinnen <strong>und</strong> Gründer zu entwickeln <strong>und</strong> dieses<br />

Referenzmodell an Pilotstandorten umzusetzen. Die<br />

Modellentwicklung wurde Anfang 2003 abgeschlos-<br />

43


sen, wir haben dazu 40 Institutionen aus ganz<br />

Deutschland analysiert, drei Pilotumsetzungen laufen<br />

in den One Stop Shops, das ist „EQUAL“-Deutsch, in<br />

Offenbach, in Tauberbischofsheim <strong>und</strong> in Starkenburg.<br />

In diesen One Stop Shops müssen wir sehr stark<br />

berücksichtigen, was Frau Nispel gesagt hat, dass die<br />

Leute zwar gleich behandelt werden, aber mit einer<br />

besonderen Berücksichtigung des Herkunftslandes.<br />

Das dritte Themenfeld ist „Akzeptanz in den Zielgruppen“.<br />

Wir haben gesehen, dass die Gründungsberatung<br />

nicht in dem Maße in Anspruch genommen wird<br />

wie sie angeboten wird. Das bedeutet, das bestehende<br />

Angebot wird von den Gründerinnen oft nicht<br />

akzeptiert. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie<br />

wir Migrantinnen erreichen, wie wir Frauen erreichen,<br />

wie die Angebote gestrickt sein müssen, damit<br />

sie angenommen werden. Das machen unsere Kollegen<br />

aus Hamburg, Enigma.<br />

Das letzte große Themenfeld, das wir gemeinsam mit<br />

der GLS Gemeinschaftsbank bearbeiten, ist „Akzeptanz<br />

im Finanzmarkt“. Das ist der Bereich, wo es sehr<br />

schwer ist, Ergebnisse herbeizuführen, weil die Strukturen<br />

doch sehr verkrustet sind.<br />

Trotz aller Bemühungen, die die DTA <strong>und</strong> die KFW Mittelstandsbank<br />

unternehmen, findet Existenzgründungsfinanzierung<br />

bei Kleingründungen, die höchstens<br />

5000 Euro brauchen, von Bankseite faktisch<br />

nicht mehr statt. Hier sind wir bemüht, alternative<br />

Lösungen zu finden. Auch muss ich den Kollegen aus<br />

Augsburg zitieren: Jawohl, wir werden im thematischen<br />

Netzwerk Lösungen finden, aber es ist ein sehr<br />

mühsames Geschäft.<br />

44<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Jetzt noch zu unseren Partnern <strong>und</strong> Finanziers.<br />

EQUAL <strong>und</strong> das BMWA kennen Sie. Das Hessische<br />

Wirtschaftsministerium fördert die One Stop Shops in<br />

Hessen, die Deutsche Bank Stiftung Alfred Herrhausen<br />

unterstützt im Themenfeld „Akzeptanz in Politik<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft“ sehr stark. Und auch die <strong>Arbeit</strong>sämter<br />

in Offenbach <strong>und</strong> in Hamburg sind Co-Finanziers.<br />

Danke an diese Institutionen!<br />

Wer ist KIZ? Wir wurden 1998 gegründet mit Sitz in<br />

Offenbach. Wir haben mittlerweile 13 Mitarbeiter, 6<br />

Standorte <strong>und</strong> ca. 30 freie Mitarbeiter. Wir haben das<br />

Regionalgeschäft, also den Betrieb der One Stop<br />

Shops <strong>und</strong> verschiedene Projekte. Laut den Hochrechnungen<br />

aus den letzten Quartalszahlen aus 2003<br />

werden wir in 2004 etwa 2600 K<strong>und</strong>en betreuen <strong>und</strong><br />

ca.1000 Trainingstage durchführen.<br />

Kommen wir zum Projekt „Auf geht’s“. Das Projekt<br />

läuft schon längere Zeit. Warum ist es ein multikulturelles<br />

Projekt? Etwa ein Drittel der Jugendlichen im<br />

Raum Offenbach sind Ausländer. Ich habe neuere Zahlen,<br />

nach denen wir jetzt knapp unter 40 Prozent liegen.<br />

Ausländische Unternehmer beschäftigen zur Zeit<br />

fast 780.000 <strong>Arbeit</strong>nehmer mit steigender Tendenz.<br />

Wir, die Initiatoren, das sind die Stadt Offenbach, das<br />

<strong>Arbeit</strong>samt Offenbach, die Deutsche Bank Stiftung<br />

Alfred Herrhausen <strong>und</strong> das KIZ, erhoffen uns einen sehr<br />

hohen Multiplikatoreffekt, weil wir davon ausgehen,<br />

dass Migranten, die sich selbstständig machen, in<br />

erster Linie andere Migranten einstellen. Darüber hinaus<br />

gibt es bei Migranten kulturell oft eine Verbindung<br />

zur Selbstständigkeit. Die Selbstständigenquote in<br />

Südeuropa ist viel höher als bei uns in Deutschland.<br />

Was sieht die besondere Situation junger Migranten<br />

bei der Gründung aus? Zuerst einmal haben sie ihre<br />

ganz normalen Gründungsschwierigkeiten, die jeder<br />

Gründer hat. Aber es kommen noch einige Dinge<br />

dazu:<br />

● Die Migranten haben weniger Erfahrung <strong>und</strong><br />

Kontakte in die Wirtschaft. Häufig besteht bei<br />

ihnen die Gefahr der Unstetigkeit wegen vieler<br />

guter Gelegenheiten. Das heißt, sie denken<br />

leicht, das könnte ich machen <strong>und</strong> nachdem ich<br />

das eine Woche probiert habe, probiere ich mal


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

die andere Idee. Die ist auch vielversprechend.<br />

Das ist eine große Gefahr speziell bei jungen<br />

Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />

● Darüber hinaus haben sie ein höheres Feedback<br />

bedürfnis. Das ist allgemein bei jungen Men<br />

schen so. Sie können nicht auf so viel Erfahrung<br />

zurückgreifen. Sie machen einen Schritt <strong>und</strong><br />

müssen hören, ob der richtig ist <strong>und</strong> beim zweiten<br />

Schritt ist es genauso, weil sie sich selbst<br />

dieses Feedback nicht geben können.<br />

● Als letzter Punkt ist das geringe Eigenkapital zu<br />

nennen, sofern Kapital überhaupt vorhanden ist.<br />

Ein Kollege hat einmal gesagt, in der Regel ist<br />

das Eigenkapital negativ. Ein anderer hat es ganz<br />

plastisch formuliert <strong>und</strong> sagte, in der Regel sind<br />

die Schufa-Listen länger als die Lebensläufe. Und<br />

das ist durchaus ein Problem, das wir berücksichtigen<br />

müssen.<br />

Wie haben wir das alles berücksichtigt? Wir haben ein<br />

ganz intensives Gründertraining aufgebaut, in dem<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse vermittelt werden. Wir<br />

haben Netzwerke aufgebaut, wir bieten Coachings <strong>und</strong><br />

Gründerforen. Es gibt eine räumliche Bindung, die insbesondere<br />

für das Feedback wichtig ist. Die Unternehmensgründung<br />

wird vor Ort mit uns in Offenbach<br />

durchgezogen. Das ganze Angebot ist zusammengefasst<br />

im Projekt „Auf geht’s“. Wie sieht das nun aus?<br />

Also: Alter bis 29, Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, Sonderfokus<br />

auf Migranten. Es ist das Ziel, Migranten zu fördern,<br />

aber wir haben früh entschieden, dass wir kein reines<br />

Migrantenprojekt wollen. Es sollen nicht nur ausländische<br />

Mitbürger dabei sein, sondern wir haben Deutsche<br />

<strong>und</strong> Migranten, von Akademikern bis zu Angelernten<br />

alle dabei. Es war sehr wichtig, diese Heterogenität<br />

hineinzubringen.<br />

Kommen wir als nächstes zum Phasenmodell. Wir hatten<br />

in der ersten Staffel des „Auf geht’s“-Projekts für<br />

die Anwerbung der Teilnehmer Unterstützung von<br />

Radio FFH. Das ist jetzt schon eine Zeit lang her. Wir<br />

haben aber gemerkt, dass das Einzige, was wirklich<br />

funktioniert, ist, die Leute Auge in Auge in einer Ver-<br />

anstaltung sitzen zu haben <strong>und</strong> ihnen zu sagen, so<br />

sieht das Projekt aus, nutzt die Chance, ihr könnt<br />

dabei sein. Heute in 14 Tagen startet die nächste Staffel<br />

des Projekts. Dafür haben wir 22 Info-Veranstaltungen<br />

mit 450 Teilnehmern durchgeführt. Aktuell haben<br />

wir 120 Bewerbungen für das Projekt. Mit diesen 120<br />

werden wir nicht arbeiten können. Wir wollen sie auf<br />

80 reduzieren. Ursprünglich waren nur 60 geplant.<br />

Was wird in der ersten Phase gemacht? Es ist eine<br />

Motivationswoche <strong>und</strong> wir führen Interviews, Gruppenarbeiten<br />

<strong>und</strong> Einzelgespräche durch. Die Leute<br />

sollen Ihre Idee finden, aber wir werten moch keine<br />

Geschäftsidee. Wir schauen uns die Personen an,<br />

beobachten, wie sie in der Gruppe agieren, wie zielstrebig<br />

sie sind. Wir lassen z.B. Collagen anfertigen.<br />

Wir fragen, wer sind deine K<strong>und</strong>en, wer sind deine<br />

Mitarbeiter, wie arbeitest du, wie sieht dein Privatleben<br />

aus, passt die Selbstständigkeit da rein? Und da<br />

kann man schon erkennen, ob das Hirngespinste sind<br />

oder ob es echte Ideen werden.<br />

Die Idee an sich ist Thema der Phase zwei. Hier gibt<br />

es acht Wochen Intensivtraining <strong>und</strong> Beratung. Die<br />

Teilnehmer erarbeiten ihren Businessplan <strong>und</strong> können<br />

am Ende sagen, ob die Idee funktioniert <strong>und</strong> sich trägt<br />

oder nicht. Es ist für uns auch ein gutes Ergebnis,<br />

wenn die Leute sagen, so wie es aussieht, ist meine<br />

Idee nicht umsetzbar. Wir legen ganz großen Wert<br />

darauf, dass die Teilnehmer auf dem Papier sehen, ob<br />

sich die Idee trägt <strong>und</strong> nicht erst, wenn sie schon<br />

ein Jahr am Markt waren <strong>und</strong> eventuell Schulden<br />

angehäuft haben. Sie müssen im Vorfeld planen, alles<br />

aufschreiben <strong>und</strong> dann nach acht Wochen sagen: Ja,<br />

ich mache es, oder, Nein, ich mache es nicht. Wenn<br />

45


sie sich selbstständig machen wollen, heißt das nicht<br />

automatisch, dass sie weiter im Projekt bleiben können.<br />

Denn anschließend geht es in die Phase drei <strong>und</strong><br />

dort nehmen nur noch 15 Gründer teil. Die Gründer<br />

der Phase drei werden zehn Monate lang betreut. Sie<br />

bekommen Coachings, einen Platz im Inkubator, das ist<br />

ein komplett eingerichtetes Großraumbüro, finanzielle<br />

Unterstützung analog zum Überbrückungsgeld <strong>und</strong> das<br />

so genannte „Auf geht´s“- Darlehen. Das ist ein Darlehen,<br />

das wir mit der Deutsche Bank Stiftung Alfred Herrhausen<br />

<strong>und</strong> der Sparkasse Offenbach aufgelegt<br />

haben, so dass die Bewilligung im Rahmen des Projekts<br />

stattfindet. Dabei übernimmt die Deutsche<br />

Bank Stiftung Alfred Herrhausen das komplette Risiko.<br />

Ergänzend dazu gibt es ein Tutorennetzwerk mit ehrenamtlichen<br />

Betreuern. Zu diesem Netzwerk gehören<br />

u.a. Herr Trageser von der Deutschen Bank, der Gründungsberater<br />

der IHK, von der Sparkasse die Dame,<br />

die die Kredite bearbeitet <strong>und</strong> der Abteilungsleiter für<br />

Kredit, Herr Mayer, der Geschäftsführer einer Textilmaschinenfabrik<br />

in Offenbach <strong>und</strong> die Vorsitzende<br />

der Unternehmerfrauen. Also ein sehr breit gefächertes<br />

Unterstützerspektrum. Was machen die Tutoren?<br />

Sie vermitteln Kontakte <strong>und</strong> geben Feed-back. In den<br />

Markt hineinzukommen, ist für junge Gründer extrem<br />

schwer. Deshalb sind Kontakte das A <strong>und</strong> O. Dafür<br />

sind die Tutoren da <strong>und</strong> unterstützen die Leute mit Rat<br />

<strong>und</strong> Tat. Die neueste Errungenschaft, die in die nächste<br />

Staffel einfließt, ist das Gründernetzwerk. Es ist<br />

ein Netzwerk von Gründern aus den alten Projekten<br />

<strong>und</strong> den aktuellen Projekten.<br />

46<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Wie haben wir das Thema Gründungen von Migranten<br />

strukturell berücksichtigt? Wir haben am Anfang<br />

„Deutsch für Migranten“ angeboten. Da war kein Bedarf<br />

da. Die Leute sind nicht hingegangen. Wir haben den<br />

gleichen Kurs dann umbenannt in „Geschäftskorrespondenz“<br />

<strong>und</strong> da war auf einmal der Bedarf da. Inhaltlich<br />

war es genau das gleiche, aber unter dem Titel<br />

„Deutsch für Migranten“ fand es keine Akzeptanz. In<br />

der zweiten Staffel haben wir dann einfach das normale<br />

Programm angepasst. Wir haben nicht Besonderheiten<br />

für Migranten, aber wir haben einen besondern<br />

Fokus. Wenn wir sehen, dass jemand in sich gekehrt<br />

ist, gehen wir auf ihn zu <strong>und</strong> versuchen im Gespräch<br />

herauszufinden, wie wir ihn unterstützen können.<br />

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch das Schreiben des<br />

Businessplans. Wenn ich als Coach die fünfte St<strong>und</strong>e<br />

mit jemandem zusammensitze, der gebrochen<br />

Deutsch spricht <strong>und</strong> versuche, die Marktpotentiale<br />

mit ihm zu besprechen, dann kann ich das halt mal<br />

schnell runtertippen. Aber das ist fern von dem, was<br />

sinnvoll ist. Wir erwarten nicht, dass der Businessplan<br />

in feinstem Deutsch geschrieben ist, aber wir erwarten,<br />

dass die Leute sich den Plan selbst überlegen.<br />

Es geht nicht, dass der Coach den Businessplan<br />

schreibt. Auch später müssen sie Briefe schreiben<br />

<strong>und</strong> dann müssen sie sich in ihrem Umfeld jemanden<br />

organisieren, der das macht. Wir animieren die Leute<br />

dazu, eigene Lösungen zu finden.<br />

Zu den Zahlen des Projekts. Die Quote der Migranten<br />

liegt in etwa bei 40 Prozent. Darüber sind wir sehr<br />

froh, denn, ich hatte es angesprochen, ein Drittel der<br />

jugendlichen <strong>Arbeit</strong>slosen in Offenbach sind Migranten.<br />

Mit unserer direkten Ansprache können wir die<br />

Leute also gut aktivieren.<br />

Gut, vielleicht so noch etwas zum Anfassen, einige<br />

Gründerbeispiele aus Offenbach.<br />

● Frau Zantiotis ist eine Gründerin, die auch<br />

Anfang des Jahres beim ZDF zu sehen war.<br />

Frau Zantiotis hatte die Idee, eine Hummerbar zu<br />

eröffnen. Sie war noch nicht gestartet. Während<br />

dieses Fernsehberichtes wurde sie von ihrem<br />

Chef, bei dem sie als Aushilfe gekellnert hat,<br />

angesprochen. Er sagte, „das ist eine schöne


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

● Ein anderes Beispiel. Massimiliano Kreyer, ein<br />

Italiener, hat die Firma Massimo Productions<br />

gegründet <strong>und</strong> gerade seine zweite CD auf den<br />

Markt gebracht. Jetzt ist er dabei, neue Räume<br />

zu suchen.<br />

Ja, meine Damen <strong>und</strong> Herren, das sind die Dinge, die wir<br />

in Offenbach im Rahmen des Projekts „Auf geht´s“ machen.<br />

Ich übergebe jetzt an meinen Kollegen Herrn<br />

Helvaci als Coach speziell für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />

Hakan Helvaci: Hallo, ich heiße Hakan Helvaci <strong>und</strong><br />

komme aus der Türkei. Ich habe an der Universität Freiburg<br />

Volkswirtschaftslehre studiert. Ich bin Unternehmensberater,<br />

habe meine eigene Firma <strong>und</strong> arbeite<br />

gleichzeitig bei der KIZ Zentrale für Existenzgründung AG<br />

als freier Berater. Ich betreue in erster Linie ausländische<br />

Mitbürger <strong>und</strong> Gründer bei der Konzepterstellung.<br />

Meine Erkenntnisse über ausländische Existenzgründer<br />

sind folgende: Ausländische Existenzgründer sind risikofreudiger<br />

bei Gründungen. Sie gründen ihr Unternehmen,<br />

auch wenn einige Voraussetzungen nicht erfüllt<br />

sind, z.B. wenn keine Kreditzusage vorliegt. Und wenn der<br />

Kredit nicht bewilligt wird, dann wird die ganze Sache privat<br />

finanziert. Dann nehmen Familienangehörige Kredite<br />

auf. Wenn ich ausländische Existenzgründer frage, ob sie<br />

mit ihrem Konzept Erfolg haben werden, sagen sie: Was<br />

habe ich zu verlieren? Ich kann das mal probieren <strong>und</strong><br />

mit großer Wahrscheinlichkeit wird es hinhauen.<br />

Eine andere Besonderheit von Ausländern ist, dass<br />

sie Spaß an der Improvisation haben <strong>und</strong> sehr flexibel<br />

sind. Manchmal eröffnen sie Geschäfte weit weg von<br />

ihrem Wohnort, doch das ist egal. Wenn Personal<br />

fehlt, ist das auch kein Problem. Dann hilft ein Familienangehöriger.<br />

Sie machen sich keine Gedanken.<br />

Noch etwas ist mir bei der <strong>Arbeit</strong> mit ausländischen<br />

Existenzgründern aufgefallen. Die Teilnehmer, die ich<br />

betreue, erarbeiten das Unternehmenskonzept anhand<br />

eines Leitfadens. Aber manchmal wird der Leitfaden<br />

von ausländischen Existenzgründern abgelehnt.<br />

Sie sagen, dass sie ihre Vorstellungen <strong>und</strong> die Planung<br />

im Kopf haben, <strong>und</strong> verstehen nicht, warum sie einen<br />

Businessplan über einen Zeitraum von drei Jahren brauchen.<br />

Nicht alle sind so, aber einige Gründer ausländischer<br />

Herkunft glauben, dass sie mit ihren eigenen Vorstellungen<br />

effizienter Erfolge erzielen können als mit<br />

dem Leitfaden <strong>und</strong> dem Konzept.<br />

Darüber hinaus habe ich bemerkt, dass Ausländer<br />

emotionaler sind als Deutsche. Sie treffen Entscheidungen<br />

eher aus dem Bauch heraus. Wenn sie ein<br />

Geschäft eröffnen möchten, machen sie keine Marktforschung,<br />

um zu wissen, wie viele mögliche K<strong>und</strong>en es<br />

es gibt <strong>und</strong> wer die Konkurrenz ist. Das ist in erster<br />

Linie egal. Sie sagen, wenn ein anderer es geschafft<br />

hat, dann schaffe ich das auch. Damit haben einige<br />

Leute auch Erfolg, sie denken nicht so intensiv. Einmal<br />

war ich bei der Bank <strong>und</strong> wir haben mit einem Berater<br />

gesprochen <strong>und</strong> er hat gesagt, wissen sie, warum ihre<br />

Leute noch mehr Erfolg haben als die Deutschen? Sie<br />

lesen das Kleingedruckte nicht <strong>und</strong> sie sind eher bereit,<br />

ein Risiko einzugehen <strong>und</strong> dann haben sie auch Erfolg.<br />

Was mir auch auffiel, ist, dass am Anfang einige Gesetze<br />

nicht akzeptiert werden. Wenn ich den Gründern<br />

sage, wenn sie ein Unternehmen gründen, müssen sie<br />

monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen ab-geben,<br />

dann fragen sie mich, ob man das nicht umgehen kann.<br />

Man muss ihnen die Gesetze genau erklären. Dann<br />

akzeptieren sie sie auch.<br />

Bei meinen Sitzungen erlebe ich manchmal, dass Gründer<br />

mit der Erwartung kommen, dass ich als Coach ihr<br />

Unternehmenskonzept für sie erstelle. Und ich habe<br />

einige erlebt, die gesagt haben: Sie sind meine einzige<br />

Hoffnung. Ich habe alles im Kopf, aber ich kann es nicht<br />

auf das Papier bringen. Dann erkläre ich ihnen, dass ich<br />

sie unterstützen <strong>und</strong> ihnen den Weg weisen kann, dass<br />

aber die Idee von ihnen kommen muss. Es gibt einfach<br />

47


eine monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben,<br />

dann fragen sie mich, ob man das nicht umgehen<br />

kann. Man muss ihnen die Gesetze genau erklären.<br />

Dann akzeptieren sie sie auch.<br />

Bei meinen Sitzungen erlebe ich manchmal, dass Gründer<br />

mit der Erwartung kommen, dass ich als Coach ihr<br />

Unternehmenskonzept für sie erstelle. Und ich habe<br />

einige erlebt, die gesagt haben: Sie sind meine einzige<br />

Hoffnung. Ich habe alles im Kopf, aber ich kann es nicht<br />

auf das Papier bringen. Dann erkläre ich ihnen, dass ich<br />

sie unterstützen <strong>und</strong> ihnen den Weg weisen kann, dass<br />

aber die Idee von ihnen kommen muss. Es gibt einfach<br />

Regeln, die eingehalten werden müssen. Diese Schwierigkeiten<br />

der ausländischen Gründer sind auf Sprachprobleme,<br />

ein geringeres Bildungsniveau <strong>und</strong> fehlende<br />

Kenntnisse zurückzuführen.<br />

Um ausländischen Gründern helfen zu können, müs-<br />

sten die Angebote auch von ausländischen Coaches<br />

angeboten werden, denn ein nicht-deutschsprachiger<br />

Coach kennt die Mentalität <strong>und</strong> die Kultur seiner Bevölkerungsgruppe.<br />

Er kann eine Brücke zwischen den Kulturen<br />

sein <strong>und</strong> bei den Sitzungen auf Motive näher eingehen.<br />

Auch bei uns ist es so. Wir schütteln erst die<br />

Hände, dann geht es los. Man muss dem Gegenüber<br />

auch das Gefühl geben, dass er etwas wert ist, dass er<br />

ein Konzept erstellen kann. Wenn die Mentalitätsunterschiede<br />

nicht da sind, fallen auch einige Barrieren weg.<br />

Es baut sich ein Vertrauensverhältnis auf <strong>und</strong> wir können<br />

über alles offen <strong>und</strong> ehrlich reden. Dann sage ich<br />

zum Beispiel, ihr müsst das Konzept nicht im perfekten<br />

Deutsch schreiben. Das wichtigste ist, was ihr denkt<br />

<strong>und</strong> die Idee.<br />

48<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Manchmal habe ich gemerkt, dass die Ausländer<br />

Angst haben, Fragen zu stellen. Sie denken, wenn ich<br />

jetzt frage, dann wird er eine andere Vorstellung von<br />

mir haben oder er denkt, die Frage ist dumm. Aber<br />

wenn ihnen jemand aus der gleichen Kultur gegenübersitzt,<br />

dann sagen sie auch einige andere Sachen<br />

<strong>und</strong> nach meiner Meinung kommen dann sehr gute<br />

Ergebnisse heraus. Deshalb ist es wichtig, dass Coaching<br />

auch von ausländischen Beratern durchgeführt wird.<br />

Nirvana Gerdjikow: Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

mein Name ist Nirvana Gerdjikow. Ich bin 25 Jahre alt<br />

<strong>und</strong> seit März dieses Jahres selbstständig.<br />

Ich komme aus einer gastronomischen Familie, die<br />

aus der Türkei stammt. Da ich mich früher für die<br />

Gastronomie weniger interessiert habe, absolvierte<br />

ich eine kaufmännische Ausbildung. Nach meiner<br />

Ausbildung wurde ich übernommen <strong>und</strong> zwei Jahre<br />

danach gekündigt. Nach einem Job bei einer Zeitarbeitsfirma<br />

habe ich in einer Catering-Firma in Frankfurt<br />

angefangen. Dieser Job hat mir sehr viel Spaß<br />

gemacht, aber leider wurde diese Firma aufgelöst <strong>und</strong><br />

ich war zum zweiten Mal arbeitslos.<br />

Ich habe mich beim <strong>Arbeit</strong>samt gemeldet <strong>und</strong> von<br />

meiner Idee zur Selbstständigkeit gesprochen. Das<br />

<strong>Arbeit</strong>samt hat mich zum KIZ geschickt. Ich habe die-<br />

ses Beratungsgespräch wahrgenommen. Mir wurde<br />

das „Auf geht’s“-Projekt empfohlen, an dem ich dann<br />

teilgenommen habe. Dieses Projekt hat mir durch<br />

finanzielle Hilfe <strong>und</strong> durch Trainingsmaßnahmen sehr<br />

viel gebracht. Besonders die Hilfe zur Konzepterstel-


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

lung <strong>und</strong> das Verkaufstraining waren wichtige Ausbildungsinhalte<br />

für mich persönlich. Während des Projekts<br />

habe ich mein Konzept <strong>und</strong> meine Idee fertig<br />

gestellt. Die Idee war die „Lunchbox“, eine Sandwichbar<br />

mit Straßenverkauf direkt in Offenbach City.<br />

Zurzeit befinde ich mich in der dritten Phase dieses<br />

Projekts, das diesen Monat endet. Am Anfang der<br />

dritten Phase, im März 2003, habe ich mich selbstständig<br />

gemacht. Leider hatte ich Probleme, geeignete<br />

Räumlichkeiten zu finden. Nachdem ich einen Veranstaltungsraum<br />

mit Gastronomie-Küche <strong>und</strong> Lager<br />

gef<strong>und</strong>en hatte, habe ich meine Idee <strong>und</strong> mein<br />

Konzept erstmal auf Auslieferung <strong>und</strong> Catering beschränkt.<br />

Meinen Traum von der Sandwichbar habe ich<br />

aber noch als Ziel vor Augen. Mittlerweile zähle ich in<br />

Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt ca. 100 K<strong>und</strong>en. Dazu gehören<br />

Werbeagenturen, Mediafirmen, Call Center <strong>und</strong> Banken,<br />

also Firmen im Dienstleistungsbereich. Besonders Firmen,<br />

die in Industriegebieten oder etwas abgelegen von<br />

der Innenstadt liegen, nehmen meinen Service in<br />

Anspruch. Die K<strong>und</strong>en bestellen telefonisch von der<br />

Mittagskarte <strong>und</strong> bekommen ihr Essen direkt an den<br />

Schreibtisch geliefert. Zusätzlich bieten wir Catering<br />

für Veranstaltungen, Firmenfeiern, Workshops oder<br />

Meetings an. Darüber hinaus bieten wir unseren<br />

K<strong>und</strong>en einen Veranstaltungsraum an.<br />

Zur Entwicklung: Im Moment entwickelt sich das<br />

Catering besser als die „Lunchbox“, unser Lieferservice<br />

mittags. Das Geschäft insgesamt ist rentabel <strong>und</strong><br />

trägt sich gerade so, aber die Wachstumschancen<br />

sind sehr gut. Die Resonanz am Markt ist sehr positiv<br />

<strong>und</strong> viele K<strong>und</strong>en kommen durch Empfehlungen zu<br />

mir. Ich bin aber noch stark bei der Akquise.<br />

So viel zu mir. Sollten Sie Interesse an unserem Service<br />

haben, können Sie sich gerne Karten vom Büfett mitnehmen.<br />

Vielen Dank. Auf Wiedersehen.<br />

49


Dr. Matthias Schulze-<br />

Böing, Leiter des Amtes<br />

für <strong>Arbeit</strong>sförderung,<br />

Statistik <strong>und</strong> Europaangelegenheiten<br />

der Stadt<br />

Offenbach<br />

Heute wurden eine Reihe<br />

von Themen angesprochen.<br />

Ich könnte sicher<br />

viel hinzufügen <strong>und</strong> auch<br />

einiges kritisch entgegenhalten.<br />

Aber ich möchte<br />

lieber ein paar „Lessons<br />

Learned“ aus meiner<br />

Sicht ansprechen.<br />

Kommen wir mal zur Frage, warum die Kommunen<br />

sich mit dieser Sache so intensiv auseinandersetzen.<br />

Zumindest bei einigen Entwicklungspartnerschaften<br />

haben sie eine starke Leistung gezeigt. Und kommen<br />

wir auch zu der Frage, welche Benefits, welche Mehrwerte<br />

die Kommunen daraus ziehen können.<br />

Wenn man sich die Problematik gerade im Hinblick<br />

auf <strong>Migration</strong>spolitik oder auf <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik<br />

anschaut, erkennt man, dass die Kommunen ebenso<br />

wie andere staatliche Institutionen <strong>und</strong> auch die<br />

<strong>Arbeit</strong>sämter überfordert sind, wenn sie allein auf<br />

sich gestellt diese Probleme lösen wollen. Es geht<br />

nur partnerschaftlich. Das wird noch zu wenig systematisch<br />

reflektiert als eine Qualifikationsanforderung<br />

an das <strong>Arbeit</strong>en in Behörden <strong>und</strong> dann auch an<br />

das <strong>Arbeit</strong>en bei all denen, die mit diesen Stellen<br />

zusammenarbeiten.<br />

Es gibt einen Anglizismus, der sich schwer übersetzen<br />

lässt: Good Governance. Damit ist gemeint, dass<br />

eine gute erfolgreiche Verwaltung nicht mehr allein<br />

dadurch gekennzeichnet ist, dass eine Instanz für<br />

sich gut arbeitet, sondern dass sie auch imstande ist,<br />

in Netzwerken zu arbeiten. Sie muss in der Lage sein,<br />

Netzwerke aufzubauen <strong>und</strong> zu pflegen, Partnerschaften<br />

aufzubauen <strong>und</strong> zu pflegen, sie zu evaluieren<br />

<strong>und</strong> damit einen weit über den eigenen Organisationsablauf<br />

reichenden <strong>Arbeit</strong>szusammenhang<br />

zu schaffen, der auf gemeinsame Ziele fokussiert ist.<br />

50<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

9. Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen –<br />

Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene<br />

Dr. Matthias Schulze-Böing, Leiter des<br />

Amtes für <strong>Arbeit</strong>sförderung, Statistik<br />

<strong>und</strong> Europaangelegenheiten, Offenbach<br />

Es geht nicht darum, das „Netzwerken“ als Selbstzweck<br />

hochzujubeln, sondern Netzwerke auf Ziele<br />

auszurichten <strong>und</strong> produktiv zu gestalten. Netzwerkpolitik<br />

wird damit zu einer Führungsaufgabe in Kommunalverwaltungen.<br />

Das geht nicht nur diese etwas<br />

an, sondern alle Partner, die aktuell <strong>und</strong> potentiell<br />

mit solchen Strukturen arbeiten. Und hier ist dieser<br />

„EQUAL“-Ansatz zumindest für unsere Region ein<br />

guter Impuls gewesen, denn er hat Kräfte <strong>und</strong> Träger<br />

zusammengebracht, die sich vorher nur sporadisch<br />

kannten <strong>und</strong> wenig miteinander kooperiert haben.<br />

„EQUAL“ hat Kooperationszusammenhänge geschaffen,<br />

die neu <strong>und</strong> sicher nicht immer einfach waren.<br />

Nicht alle Kommunen verstehen sich nämlich seit<br />

jeher so gut wie Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt (regionale<br />

Insider werden die leichte Ironie dieser Äußerung<br />

erkennen; hier wie andernorts ist große räumliche<br />

Nähe mit ebenso großen Vorbehalten gegeneinander<br />

verb<strong>und</strong>en).<br />

Partnerschaft erfordert Lernprozesse. Das gilt auch<br />

für alle anderen Beteiligten, für Träger, die im normalen<br />

Geschäft vielleicht im Wettbewerb zueinander<br />

stehen, die auch eher gewöhnt sind, sich gegeneinander<br />

anstatt miteinander zu profilieren. Das ist die<br />

Herausforderung.<br />

Noch sind wir nicht an dem Punkt, zu sagen, wir<br />

haben diese <strong>Arbeit</strong> geleistet, wir sind auf dem Level,<br />

das wir uns vorgenommen haben. Wir sind vielmehr<br />

noch auf dem Weg. Die Projekte, die wir heute hier<br />

kennen lernen konnten, zeigen, dass der „Netzwerkmehrwert“<br />

unserer Initiative der Mühen wert ist.<br />

Dieses Bemühen um den Mehrwert der Kooperation<br />

ist die besondere Qualität <strong>und</strong> das „EQUAL“-typische<br />

an den vielen einzelnen Maßnahmen unseres Projektverb<strong>und</strong>es.<br />

Wir müssen uns das eventuell noch<br />

bewusster machen <strong>und</strong> deutlicher rüberbringen.<br />

Bezogen auf Migranten haben diese Projekte gezeigt,<br />

dass hier schon ein ganz beachtlicher Stand von<br />

Know-how <strong>und</strong> Kompetenz in der Region erreicht<br />

wurde <strong>und</strong> dass wir stolz auf das sein können, was im<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet in diesem Bereich erreicht wurde.<br />

Wir haben uns als Motto unserer Entwicklungspartnerschaft<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> „Vielfalt als Potenzi-


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

al“ auf die Fahne geschrieben. Die Projekte zeigen in<br />

der Tat, dass dieses Potenzial real vorhanden ist.<br />

Aber Migranten sind oft auch mit großen Problemen<br />

konfrontiert. Diese Probleme verhindern Integration<br />

<strong>und</strong> sind – nicht zuletzt – soziale Kostentreiber für<br />

die Region. Deshalb muss daran gearbeitet werden.<br />

Ich erlaube mir, ein wenig zu springen.<br />

Ich will zu einem zweiten Punkt kommen, der mir<br />

wichtig ist, der heute den Anfang gebildet hat <strong>und</strong> der<br />

auch am Ende noch ein bißchen betont werden sollte.<br />

Wir haben diese Veranstaltung hier als regionale<br />

Initiative gemacht <strong>und</strong> die Entwicklungspartnerschaften,<br />

die hier zusammengekommen sind, haben<br />

alle eine starke regionale Ausrichtung auf <strong>Rhein</strong>-<br />

<strong>Main</strong>. Nicht auf Offenbach, nicht auf Frankfurt, nicht<br />

auf den <strong>Main</strong>-Taunus-Kreis, sondern regional auf<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>.<br />

Die „große“ Regionalpolitik ist in vieler Hinsicht noch<br />

nicht so weit, so wie wir ganz selbstverständlich über<br />

Grenzen hinweg zu sagen: „Wir lösen ein Problem<br />

gemeinsam. Du kannst das, wir können das, lass uns<br />

die Stärken kombinieren <strong>und</strong> das gemeinsam verkaufen,<br />

gemeinsam Interessen wecken.“ Ich glaube, da<br />

sind wir als „EQUAL“-Projekt <strong>und</strong> Entwick-lungspartnerschaft<br />

ein Stück weit „regionale Avantgarde“. Wir<br />

sind noch nicht am Ziel, aber die Richtung stimmt<br />

auch hinsichtlich des regionalen Mehrwerts unserer<br />

Aktivitäten.<br />

Wir haben von Herrn Dr. Heister noch einmal die Globalziele<br />

des Programms „EQUAL“ <strong>und</strong> die Erwartungen<br />

an die Projekte erläutert bekommen. Es geht<br />

nicht nur darum, einzelne Maßnahmen erfolgreich<br />

abzuarbeiten. Es geht auch darum, Innovationen zu<br />

produzieren, die übertragbar sind. Wir dürfen nicht<br />

denselben Fehler machen, den es in anderen Bereichen<br />

gibt, nämlich den Transfer vom akademischen<br />

Labor in den Prozessverlauf nicht hinzubekommen.<br />

Wir müssen jetzt aus dem „EQUAL“-Labor das <strong>Main</strong>streaming<br />

in die Praxis, bei Trägern, Behörden, Verwaltungen<br />

hinbekommen. Wir müssen sicherlich<br />

auch immer wieder unsere Ziele schärfen, Zielbildung<br />

betreiben.<br />

Wir haben die globalen Ziele. Die haben wir auch hier<br />

in der Region. Die müssen wir runterbrechen in Projektziele<br />

<strong>und</strong> wir müssen ganz gezielt sehen, was der<br />

Innovationsmehrwert ist, was das <strong>Main</strong>streampoten-<br />

tial ist <strong>und</strong> wie wir auch die Entwicklungsarbeiten als<br />

lernende Systeme integrieren können. Wir müssen<br />

enge Rückkopplungsschleifen haben <strong>und</strong> eine Evaluation<br />

durchführen, um das Potenzial zu heben <strong>und</strong><br />

im Jahr 2005 dort anzukommen, wo wir ankommen<br />

wollen.<br />

Was ist noch zu tun? Wir müssen verstärkt auf das<br />

<strong>Main</strong>streaming-Potenzial schauen. Hier braucht man<br />

einen kritischen Blick auf das Verhältnis der Projekte<br />

zu ihren jeweiligen organisatorischen Umgebungen,<br />

ob das Ämter, Sozialämter, <strong>Arbeit</strong>sämter oder Kammern<br />

sind. Wir müssen sehr genau aufpassen, dass<br />

das, was in den Projekten realisiert worden ist,<br />

tatsächlich auch den Weg dorthin findet. Wir müssen<br />

vermeiden, dass sie als eine exotische Blüte in den<br />

Rathaus Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Annalen abgeheftet werden nach dem Motto: „Das<br />

war mal interessant <strong>und</strong> da hatte man mal etwas<br />

Geld aus Brüssel. Geld ist nicht mehr da, also ist leider<br />

das Projekt auch gestorben.“<br />

Unter <strong>Main</strong>streaming verstehen wir, jetzt schon<br />

Modelle zu entwickeln, wie das, was jetzt unter<br />

Laborbedingungen funktioniert, unter realen Produktionsbedingungen<br />

funktionieren kann, unter einer<br />

auch langfristig verfügbaren Finanzierungskulisse<br />

<strong>und</strong> mit den Akteuren, die für den „Regelbetrieb“ von<br />

Leistungen zuständig sind.<br />

Zum Thema „Lernendes System“: Ich glaube, es gibt<br />

51


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

in der Träger- <strong>und</strong> Projektelandschaft eine gewisse<br />

Abwehr gegen Reflexion, einfach, weil man die eigene<br />

Praxis ungern in Frage stellt. Das kann ich sehr gut<br />

nachvollziehen <strong>und</strong> bin selbst sicher nicht frei davon.<br />

Aber ich glaube zu einer „EQUAL“-Kultur gehört<br />

auch, genau das zu etablieren, sozusagen die systematische<br />

Infragestellung zu stärken <strong>und</strong> das bis zum<br />

Ende der Projekte <strong>und</strong> Entwicklungspartnerschaften<br />

beizubehalten. Dafür sind die Kontakte zwischen<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis, zwischen Beratung <strong>und</strong><br />

Praxis, die wir ja in fast allen Partnerschaften fest<br />

etabliert haben, ein ganz wichtiges Hilfsmittel.<br />

„EQUAL“ eröffnet Freiräume, um Neues auszuprobieren<br />

<strong>und</strong> Bestehendes in Frage zu stellen. Diese<br />

sollte man offenisv nutzen.<br />

Unsere Initiativen <strong>und</strong> Entwicklungspartnerschaften<br />

sind nicht nur instrumentell zur Sicherung von ein<br />

paar Brüsseler Euromillionen aufgebaut worden, sondern<br />

sie können, wohlverstanden, einen kleinen Beitrag<br />

leisten zur Zukunftssicherung <strong>und</strong> zur sozialen<br />

Gestaltung der Region. Wenn die Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

auch weiterhin vernünftig aufgestellt sein will, wenn<br />

sie ein soziales Gesicht haben will, wenn sie auch im<br />

europäischen Maßstab als Region gelten will, die die<br />

Herausforderung von <strong>Migration</strong> erfolgreich bewältigt,<br />

dann müssen sich – bei steigender finanzieller Mittelknappheit<br />

– die Aktivitäten wesentlich stärker als<br />

bisher vernetzen <strong>und</strong> damit Synergiepotenziale<br />

erschlossen werden.<br />

Ein letzter Punkt: Es ist ein Feedback von den Gästen<br />

unserer Tagung, dass wir die Kommunikationsarbeit<br />

weiter auf hohem Niveau halten müssen. Veranstaltungen<br />

wie diese sind wichtig <strong>und</strong> wir sollten uns<br />

überlegen, ob wir sie vielleicht aus einer anderen<br />

Perspektive an anderer Stelle wiederholen. Aber<br />

auch unabhängig davon müssen die Partnerschaft<br />

<strong>und</strong> Projekte offensiv kommunizieren, auf Projektebene,<br />

auf der Ebene der Entwicklungspartnerschaften,<br />

auf der Ebene regionaler Politik.<br />

Das waren meine ganz persönlichen Anmerkungen zur<br />

heutigen Konferenz. Ich fand die Projektbeispiele sehr<br />

spannend. Ich muss noch sagen, dass es kleine Ausschnitte<br />

aus viel breiter angelegten Entwicklungspartnerschaften<br />

waren. Wir würden zehn solcher Konferenzen<br />

brauchen, um all das zu präsentieren, was dort<br />

geleistet wird. Wir sollten Wege finden, das zu vermit-<br />

52<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

teln, es in die politische, in die Fachöffentlichkeit <strong>und</strong> in<br />

unsere Klientelöffentlichkeit hineinzutragen.


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

10. Anhang<br />

Die aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte<br />

Gemeinschaftsinitiative EQUAL zielt darauf ab, neue<br />

Wege zur Bekämpfung von Diskriminierung <strong>und</strong> Ungleichheiten<br />

jeglicher Art am <strong>Arbeit</strong>smarkt zu erproben. Dazu<br />

schließen sich relevante <strong>Arbeit</strong>smarktakteure in Entwicklungspartnerschaften<br />

zusammen, vereinbaren gemeinsame<br />

Ziele, verfolgen diese arbeitsteilig <strong>und</strong> nutzen dabei<br />

gemeinsam ihr Know-how <strong>und</strong> ihre Ressourcen.<br />

Mit einer gemeinsamen Veranstaltung zeigen wir an ausgewählten<br />

Beispielen auf, welche neuen Ideen zur<br />

Bekämpfung der Benachteiligung von MigrantInnen am<br />

ab 09.00 Check-in<br />

Anmeldung <strong>und</strong> Möglichkeit zum Kaffeetrinken<br />

9.30 Begrüßung <strong>und</strong> Eröffnung der Veranstaltung<br />

Stadträtin Birgit Simon, Sozialdezernentin der<br />

Stadt Offenbach am <strong>Main</strong><br />

9.45 EQUAL – erste Erfahrungen aus der Sicht der<br />

Nationalen Koordinierungsstelle<br />

Dr. Michael Heister, Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle<br />

EQUAL/Xenos im B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

10.15 EQUAL in Hessen<br />

Monika Wenzel, Hessisches Ministerium für Wirtschaft,<br />

Verkehr <strong>und</strong> Landesentwicklung<br />

10.30 Beschäftigungschancen für MigrantInnen im<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet<br />

Corrado Di Benedetto, Vorsitzender des Kreisausländerbeirates<br />

Offenbach<br />

10.45 Pause<br />

11.00 M.A.R.E.<br />

Ausbildung als Basis für gelingende Integration -<br />

Migranten fördern Migranten<br />

Vicky Pompizzi, M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk,<br />

Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

Iris Rebaudo, Referentin auf internationalen Elternabenden<br />

Eckhardt Hengel, Leiter der Mathildenschule,<br />

Offenbach am <strong>Main</strong><br />

12.00 PIQUASSO<br />

Implementierung interkultureller Kompetenzen in<br />

Betrieben – am Beispiel von Sicherheitsunternehmen<br />

Hans-Dieter Brauns, PIQUASSO, DAA, Frankfurt am <strong>Main</strong>,<br />

Manfred Spee Personalleiter Fa. Securitas<br />

Sprecher der Auszubildenden<br />

E I N L A D U N G<br />

M.A.R.E. PIQUASSO EXZEPT<br />

P R O G R A M M<br />

<strong>Arbeit</strong>smarkt im Rahmen von EQUAL in Südhessen<br />

umgesetzt werden. Dabei geht es um die Förderung der<br />

Ausbildungsbeteiligung junger Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten,<br />

die berufliche Weiterbildung, die Entwicklung neuer<br />

Berufsbilder <strong>und</strong> die Existenzgründung. Wir richten das<br />

Augenmerk darauf, wie Netzwerkbildung, Kooperation<br />

mit Unternehmen, Ressourcenorientierung <strong>und</strong> Einbeziehung<br />

der Zielgruppen diesen Prozess befördern.<br />

Lernen Sie diese Projekte kennen <strong>und</strong> diskutieren Sie mit<br />

Projektakteuren <strong>und</strong> Betroffenen!<br />

13.00 Imbiss<br />

14.00 <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong><br />

Migranten in der Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner<br />

IntegrationsassistentIn im Bereich <strong>Migration</strong> -<br />

ein neues Berufsbild für Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen<br />

Alp Otman (Stadt Darmstadt)<br />

Susanne Rupp (Kreisausschuss Groß-Gerau)<br />

14.30 Women Way of Entrepreneurship<br />

Migrantinnen unternehmen was:<br />

Potenzial als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin<br />

Andrea Nispel, Sozialwissenschaftlerin,<br />

Frankfurt am <strong>Main</strong><br />

15.00 Kaffeepause<br />

15.15 EXZEPT<br />

Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit —<br />

erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen<br />

Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand KIZ Zentrale<br />

für Existenzgründung, Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Nirvana Gerdjikow, Gründerin, Lunchbox, Offenbach am <strong>Main</strong><br />

Hakan Helvaci, Coach, Zentrale für Existenzgründung,<br />

Offenbach am <strong>Main</strong><br />

16.15 Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen<br />

— Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene<br />

Dr. Matthias Schulze-Böing, Stadt Offenbach am <strong>Main</strong><br />

17.00 Ende der Veranstaltung<br />

Moderation: Miriam Deforth<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

53


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Presseerklärung<br />

Tagung: „EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />

von MigrantInnen“ am 03. November 2003 im<br />

Frankfurter Römer<br />

„Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von MigrantInnen"<br />

wollte eine gemeinsame Tagung von vier<br />

Entwicklungspartnerschaften der Europäischen Gemeinschaftsinitiative<br />

„EQUAL" am Montag im Frankfurter<br />

Römer geben. Alle vier Partnerschaften werden<br />

zusammen mit r<strong>und</strong> 6,8 Millionen Euro von der<br />

EU gefördert <strong>und</strong> arbeiten im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet. Es<br />

handelt sich dabei um Zusammenschlüsse von insgesamt<br />

mehr als 50 privaten Trägern <strong>und</strong> Kommunen.<br />

Die Städte Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach sind dabei<br />

ebenso engagiert wie die <strong>Arbeit</strong>sämter der Region,<br />

Kammern <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen. „M.A.R.E.",<br />

„Exzept" <strong>und</strong> „Piquasso" sind die Kurztitel dieser<br />

Netzwerke, die mit verschiedenen Schwerpunkten<br />

<strong>und</strong> einer Vielzahl von Teilprojekten neue Wege in<br />

der Beschäftigungsförderung erproben.<br />

Über 80 Besucher aus Hessen <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esgebiet<br />

folgten der Einladung der Initiativen.<br />

Birgit Simon (Grüne/Bündnis 90), Sozialdezernentin<br />

der Stadt Offenbach, betonte in ihrer Eröffnungsrede,<br />

dass diese Initiativen ein zentrales sozial- <strong>und</strong><br />

arbeitsmarktpolitisches Problem der <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-<br />

Region aufgegriffen hätten: „Wir brauchen auch in<br />

<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> einen <strong>Arbeit</strong>smarkt, der für alle offen<br />

<strong>und</strong> frei von Diskriminierungen ist. Die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

<strong>und</strong> Sozialhilfeabhängigkeit von Migranten ist<br />

gegenwärtig besonders hoch. Deshalb brauchen wir<br />

wirksame Konzepte für deren Integration in <strong>Arbeit</strong>."<br />

Simon hob besonders den regionalen Handlungsansatz<br />

hervor: „Auch im Bereich der Sozialpolitik muss<br />

die Region verstärkt gemeinsam handeln. Mit diesen<br />

Pilotprojekten machen wir einen Einstieg in diese<br />

Richtung. Die Stadt Offenbach ist bereit, dabei ihr<br />

Know-how <strong>und</strong> Innovationspotential einzubringen."<br />

Die Tagung im Römer diente, wie Bernd Curtius,<br />

der Geschäftsführer der Entwicklungspartnerschaft<br />

„Exzept" mit Sitz in Offenbach, erläuterte, dazu, „beispielhafte<br />

<strong>und</strong> innovative Projekte" vorzustellen,<br />

eine Zwischenbilanz der überwiegend auf vier bis<br />

54<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

fünf Jahre angelegten Projekte zu ziehen <strong>und</strong> den Kontakt<br />

mit Politik <strong>und</strong> Fachöffentlichkeit zu vertiefen.<br />

Der in Frankfurt ansässige italienische Bildungsträger<br />

„CGIL-Bildungswerk" ist in der Entwicklungspartnerschaft<br />

„<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>"<br />

(M.A.R.E.) verantwortlich für die Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />

von jungen Migranten. Er ließ<br />

verschiedene Akteure, die im Rahmen des Projekts<br />

das Thema Ausbildung propagieren, zu Wort kommen.<br />

So berichteten Eckhardt Hengel, Leiter der<br />

Mathildenschule in Offenbach <strong>und</strong> eine Referentin<br />

von positiven Erfahrungen mit neu konzipierten<br />

Elternabenden, an denen Eltern unter Beteiligung<br />

von Vertrauenspersonen ihrer Gemeinschaft in der<br />

Muttersprache über das deutsche Ausbildungssystem<br />

informiert werden. Diese Vertrauenspersonen<br />

werden im Rahmen des Projekts eigens für ihre Aufgabe<br />

geschult. Einer dieser Multiplikatoren, Sevda<br />

Cemaloglou, begründete den besonderen Ansatz:<br />

„Es ist wichtig, dass Jugendliche Vorbilder haben,<br />

mit denen sie sich identifizieren können <strong>und</strong> die die<br />

Bedeutung von Ausbildung für ihre Lebensplanung<br />

deutlich machen." Metin Emir, ein Fußballtrainer, hat<br />

sich ebenfalls für das Projekt engagiert. „Sport ist<br />

ein wichtiges Transportmittel für Botschaften. Wir<br />

setzen die Fußballbegeisterung ein, um für Ausbildung<br />

zu werben." Aber auch Schüler sind aktiv beteiligt.<br />

Gemeinsam mit CGIL produzierten sie an verschiedenen<br />

Schulen das Magazin „Abenteuer Ausbildung",<br />

in dem ausländische Schüler <strong>und</strong> Eltern<br />

gezielt angesprochen <strong>und</strong> informiert werden.<br />

Das Projekt „PIQUASSO" qualifiziert Migranten, die<br />

in Sicherheitsdiensten beschäftigt sind, für höherwertige<br />

Tätigkeiten <strong>und</strong> bereitet Unternehmen gezielt<br />

auf die Personalführung in multikulturellen<br />

Teams vor. Manfred Spee, Personalleiter des Sicherheitsunternehmens<br />

Securitas, berichtete auf der<br />

Tagung von ersten Erfahrungen <strong>und</strong> lobte die Initiative<br />

als wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung<br />

seiner Branche.<br />

Die Entwicklungspartnerschaft „EXZEPT" fördert Existenzgründungen<br />

von Migranten. Markus Weidner,<br />

Geschäftsführer der b<strong>und</strong>esweit agierenden KIZ AG


Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

aus Offenbach, stellte heraus, dass die Gründung<br />

eines eigenen Unternehmens gerade für arbeitslose<br />

Migranten eine gute Möglichkeit sein kann, sich in<br />

Beschäftigung zu integrieren <strong>und</strong> ihre wirtschaftliche<br />

Situation nachhaltig zu verbessern. Wichtig<br />

seien dabei allerdings ein gutes Beratungskonzept<br />

<strong>und</strong> ein auf die speziellen Belange von ausländischen<br />

Gründern abgestelltes Förderkonzept. Dazu<br />

gehören auch so genannte "Tutoren", ehrenamtlich<br />

für das Projekt tätige erfolgreiche Unternehmer, die<br />

ihr Erfahrungswissen an die Gründer weiter geben.<br />

Die Gründerin Nirvana Gerdjikow, eine junge Frau<br />

türkisch-bulgarischer Herkunft, stellte auf der<br />

Tagung dar, wie sie im Rahmen des EU-Projekts ein<br />

Catering-Unternehmen aufgebaut hat, das, wie sie<br />

berichtet, jetzt fast ein Jahr erfolgreich arbeitet.<br />

Die Entwicklungspartnerschaft der Region Starkenburg<br />

stellte mit dem Integrationsassistenten ein<br />

neues Berufsbild für Migranten vor.<br />

Michael Heister, Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle<br />

EQUAL im B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>, würdigte die <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Projekte<br />

als gute Beispiele für die Umsetzung des von der<br />

B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> der Europäischen Union angestrebten<br />

Innovationsgedankens. Die Initiative „EQUAL"<br />

sei ein wichtiger Baustein in der europäischen<br />

Beschäftigungsstrategie.<br />

Corrado Di Benedetto, Vorsitzender des Kreisausländerbeirates<br />

Offenbach, lobte die Projekte der<br />

Entwicklungspartnerschaften <strong>und</strong> die aktive Einbeziehung<br />

von Migranten <strong>und</strong> der von ihnen gegründeten<br />

Organisationen in die Planung <strong>und</strong> Umsetzung<br />

derartiger Initiativen.<br />

Matthias Schulze-Böing, Leiter des Amtes für<br />

<strong>Arbeit</strong>sförderung der Stadt Offenbach <strong>und</strong> einer der<br />

Initiatoren dieser regionalen Initiative, betonte das<br />

Interesse der Städte <strong>und</strong> Landkreise an der nachhaltigen<br />

Wirkung der Modellprojekte: „Mit der regionalen<br />

Vernetzung haben wir in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> einen großen<br />

Schritt voran getan. Gerade angesichts der finanziellen<br />

Probleme in B<strong>und</strong>, Land <strong>und</strong> Kommunen ist es<br />

wichtig, neue <strong>und</strong> effizientere Wege in der <strong>Arbeit</strong>s-<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

marktpolitik zu finden. Der Erfolgsmaßstab aller Projekte<br />

wird es sein, inwieweit sie die Praxis in den<br />

Kommunen auch über die Projektlaufzeit hinaus verbessern."<br />

Eine hohe Priorität habe das <strong>Main</strong>streaming<br />

der Projektergebnisse: „Wir wollen keinen<br />

Aktionismus, sondern nachhaltigen Erfolg."<br />

55


<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />

Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />

Teilnehmerliste<br />

Nezik Acba, Institut für Einheit in Vielfalt<br />

Ulrike Antonowicz, <strong>Arbeit</strong>samt Offenbach<br />

Tobia Bassanelli, Centro Italiano webgiornale<br />

Sigrid Becker-Feils, berami e.V.<br />

Alfred Bender, Stadt Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt<br />

Sandra Braun, Caritasverband Offenbach e.V.<br />

Peter Braune, IHK Frankfurt<br />

Hans-Dieter Brauns, DAA<br />

Georg Brugger, AIP Augsburg<br />

Sevda Cemaloglu<br />

Dr. Bernd Curtius, EXZEPT GmbH Offenbach<br />

Marie de los Rios,<br />

CDU-Fraktion im Magistrat Frankfurt<br />

Corrado Di Benedetto, Ausländerbeirat Kreis Offenbach<br />

Gabriele Buchwald, Forum-Nord e.V., Sprendlingen<br />

Miriam Deforth, Hessischer R<strong>und</strong>funk<br />

Ulrike Dimpl, AMKA, Stadt Frankfurt<br />

Kai Eicker-Wolf, DGB Hessen<br />

Lutz Eggeling, Berlin-Brandenburgische Auslandsges.<br />

Martin Ehrhardt, AWO<br />

Bettina Eichhorn, Stadt Frankfurt<br />

Metin Emir, Türkischer Eltern B<strong>und</strong><br />

Uwe Eppendorfer, Landkreis Darmstadt-Dieburg<br />

Mehtap Eren, Türkischer Elternb<strong>und</strong><br />

Selver Erol, Integrationsbüro, Landkreis Offenbach<br />

Hüsamettin Erylmaz, Polizeipräsidium Südosthessen<br />

Lisa Fortunato, CGIL<br />

Birgit Frese, Berufsbildungszentrum VHS Solingen<br />

Monika Fuchs, Selbsthilfe im Taunus<br />

Nirvana Gerdjikow, Lunchbox Offenbach<br />

Marie-Luise Groth, Bachschule<br />

Dr. Michael Heister, BMWA<br />

Hakan Helvaci, KIZ Zentrale für Existenzgründung<br />

Eckhart Hengel, Mathildenschule<br />

Martin Hildebrandt, BDWS B<strong>und</strong>esverband Deutscher<br />

Wach- <strong>und</strong> Sicherheitsunternehmen e.V.<br />

Gisela Hoffmann, IEV<br />

Frank Jander, BiBB B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung<br />

Thomas Jünemann, Deutsche Bank 24 AG<br />

Lutz Klein, Stadt Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt<br />

Claudia Knobel, Universität Frankfurt<br />

Dr. Maria Kontos, Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Gudrun Korbus, Werkstatt Frankfurt<br />

Rabia Kourime, AWO-Sozialdienst<br />

Rainer Kremer, BFS Bildungszentrum Frankfurt<br />

Renate Kummetat, Schulamt Stadt <strong>und</strong><br />

Kreis Offenbach<br />

56<br />

Tagungsdokumentation<br />

Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />

Christine Lissel-Oberdieck,<br />

Hessisches Ministerium für Wirtschaft Ref. IV 9<br />

Angelika Luckus, ZAUG<br />

Pia Lutter, Mathildenschule<br />

Franco Marincola, CGIL Bildungswerk<br />

Uwe Mensinger, SECURITAS<br />

Sofia Milosavljvic, Mathildenschule<br />

Eva Müller-Straube, GOAB<br />

Eldina Muratovic, Mathildenschule<br />

Romano Negriolli, Consolato d' Italia<br />

Andrea Nispel, Women Way of Entrepreneurship<br />

Alp Otmann, Stadt Darmstadt<br />

Ute Pfister, Internationaler B<strong>und</strong><br />

Annerose Poleschner, Berlin-Brandenburgische<br />

Auslandsgesellschaft<br />

Vicky Pompizzi, CGIL Bildungswerk<br />

Iris Rebaudo, Referentin auf internationalen Elternabenden<br />

Gudrun Reinhart, GOAB GmbH<br />

Susanne Rupp, Kreisausschuss Groß-Gerau<br />

Prof. Dr. Alfons Schmid, Universität Frankfurt<br />

Karin Scholl, Integrationsbüro<br />

Dr. Mathias Schulze-Böing, Stadt Offenbach,<br />

Amt für <strong>Arbeit</strong>sförderung<br />

Dr. Wolfgang Sieber, Rege MbH<br />

Birgit Simon, Stadt Offenbach, Sozialdezernat<br />

Hilde Simon, GOAB, EP MARE<br />

Sotoudi Mokhtar, Existenzgründungsinitiative<br />

Hannover<br />

Manfred Spee, SECURITAS GmbH<br />

Sicherheitsdienste<br />

Petra Szablewski<br />

Andrea Taha, KMG GmbH<br />

Dirk Tippelt, IHS Industrie- <strong>und</strong> Handelsschutz GmbH<br />

Marina Tornow, Kreis Offenbach<br />

Karl Trageser, Deutsche Bank AG<br />

Karin Vorbeck-Peters, GOAB<br />

Martina Vötig, ASA GmbH Flughafen<br />

Rosina Walter, berami<br />

Markus Weidner, KIZ Zentrale für Existenzgründung Offenbach<br />

Julia Wilke-Henrich, Landesarbeitsgemeinschaft Soziale<br />

Brennpunkte Hessen e.V.<br />

Ellen Wilkens, Landeshauptstadt Wiesbaden<br />

Matthias Winderle, b.i.g., Schule Sicherheit GmbH, Aus<strong>und</strong><br />

Weiterbildungszentrum<br />

Iris Wolters, AWO<br />

Turgut Yüksel, SPD-Fraktion im Römer

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