PDF-Dokument - Migration und Arbeit Rhein-Main
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www.equal-de.de<br />
EUROPÄISCHE UNION<br />
Europäischer Sozialfonds<br />
Gefördert durch das<br />
B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
aus Mitteln des<br />
Europäischen Sozialfonds<br />
Neue Modelle gegen<br />
Benachteiligungen am<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />
von MigrantInnen<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
3. November 2003<br />
Frankfurt am <strong>Main</strong> · Römer Plenarsaal<br />
Tagungsdokumentation
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />
von MigrantInnen<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Tagungsdokumentation<br />
3. November 2003 · Frankfurt am <strong>Main</strong> · Römer Plenarsaal<br />
1
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Inhalt<br />
2<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
1. EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Birgit Simon<br />
2. EQUAL – erste Erfahrungen aus Sicht der Nationalen Koordinierungsstelle . . . . . . . . . 6<br />
Dr. Michael Heister<br />
3. Beschäftigungschancen für MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11<br />
Corrado Di Benedetto<br />
4. „M.A.R.E.: Ausbildung als Basis für gelingende Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />
Vicky Pompizzi, Iris Rebaudo, Eckhardt Hengel, Sofia Milosavljevic, Eldina Muratovic,<br />
Pia Lutter, Metin Emir, Sevda Cemaloglu<br />
5. PIQUASSO: Implementierung interkultureller Kompetenzen in Betrieben –<br />
am Beispiel von Sicherheitsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Hans-Dieter Brauns, Manfred Spee, Ali Nalci<br />
6. <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Region Starkenburg<br />
<strong>und</strong> Partner: IntegrationsassistentIn im Bereich <strong>Migration</strong> – ein neues Berufsbild<br />
für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Alp Otman, Susanne Rupp<br />
7. Women Way of Entrepreneurship: MigrantInnen unternehmen was -<br />
Potential als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Andrea Nispel<br />
8. EXZEPT: Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –<br />
erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
Markus Weidner, Nirvana Gerdjikow, Hakan Helvaci<br />
9. Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen –<br />
Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
Dr. Matthias Schulze-Böing<br />
10. Anhang<br />
Einladung <strong>und</strong> Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
Presseerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
Teilnehmerliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Vorwort<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Im Rahmen von EQUAL sind im südhessischen Raum u.a. die Entwicklungspartnerschaften<br />
M.A.R.E., EXZEPT, PIQUASSO sowie Starkenburg & Partner <strong>und</strong> WWoE mit unterschiedlichen<br />
thematischen Schwerpunkten aktiv. Sie decken die gesamte Bandbreite der europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie mit den vier Säulen Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist,<br />
Anpassungsfähigkeit <strong>und</strong> Chancengleichheit ab.<br />
Gemeinsam ist den genannten Entwicklungspartnerschaften ihr Engagement bei der Integration<br />
von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in den <strong>Arbeit</strong>smarkt. Mit der Veranstaltung am 03.11.2003<br />
im Römer Frankfurt wollten wir ein Forum für die Präsentation der vielfältigen Handlungsansätze<br />
bieten.<br />
Um die Tagung überschaubar zu halten, wurden der Fachöffentlichkeit ausgewählte Teilprojekte<br />
der Entwicklungspartnerschaften sowie einzelne Projektbeteiligte vorgestellt. Dabei war es Ziel,<br />
sowohl die konzeptionellen Ansätze als auch deren Umsetzung <strong>und</strong> die Auswirkungen bei den<br />
Betroffenen bzw. den Beteiligten aufzuzeigen. Daher übernahmen Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />
der einzelnen Projekte wichtige Rollen bei der Präsentation <strong>und</strong> der Tagungsorganisation.<br />
Die vorliegende Tagungsdokumentation beruht auf den Redemanuskripten <strong>und</strong> den Aufzeichnungen<br />
der Veranstaltung.<br />
Wir danken den Städten Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach für ihre Initiative <strong>und</strong> die politische Unterstützung.<br />
Allen Rednerinnen <strong>und</strong> Rednern danken wir für ihre Beiträge, den Teilnehmerinnen <strong>und</strong><br />
Teilnehmern des Projektes PIQUASSO für die organisatorische Mitwirkung, Frau Gerdjikow<br />
(Lunchbox) für das Catering <strong>und</strong> nicht zuletzt Frau Deforth für die lebendige Moderation<br />
der Veranstaltung.<br />
Hans-Dieter Brauns Dr. Bernd Curtius Hilde Simon<br />
PIQUASSO EXZEPT M.A.R.E.<br />
3
Stadträtin Birgit Simon,<br />
Sozialdezernentin der Stadt<br />
Offenbach<br />
Ich freue mich, dass ich<br />
heute die Veranstaltung<br />
eröffnen darf. Es ist die<br />
erste regionale Fachtagung<br />
zur Umsetzung der europäischenGemeinschaftsinitiative<br />
hier im Frankfurter<br />
Römer <strong>und</strong> dazu möchte ich<br />
Sie herzlich begrüßen <strong>und</strong><br />
Ihnen natürlich einen spannenden<br />
<strong>und</strong> interessanten<br />
Tag wünschen.<br />
Dass ich als Sozialdezernentin der Stadt Offenbach<br />
diese Tagung hier in Frankfurt eröffne, ist schon ein<br />
Ausdruck des besonderen regionalen Netzwerkgedankens,<br />
der eine Gr<strong>und</strong>lage darstellt für die Projekte <strong>und</strong><br />
Entwicklungspartnerschaften, die sich heute präsentieren<br />
<strong>und</strong> der kritischen Diskussion stellen.<br />
Worum geht es?<br />
Die Europäische Union hat sich mit ihrer beschäftigungspolitischen<br />
Strategie <strong>und</strong> ihrer Sozialagenda das<br />
Ziel gesetzt, einen <strong>Arbeit</strong>smarkt zu schaffen, in dem<br />
Jede <strong>und</strong> Jeder Beschäftigung finden kann - gleich<br />
welcher Herkunft, welcher Nationalität oder mit welchen<br />
individuellen Handicaps. Ein <strong>Arbeit</strong>smarkt, der so<br />
weit wie irgend möglich diskriminierungsfrei ist <strong>und</strong><br />
tatsächlich Beschäftigung für alle organisiert. Es ist<br />
klar, dass dies ein langfristiges Ziel ist, vor dessen<br />
Erreichung noch viele Hürden zu überwinden sind. Mit<br />
der Gemeinschaftsinitiative „EQUAL" hat der Europäische<br />
Sozialfonds zusätzliche Chancen für innovative<br />
Projekte geschaffen, die dazu beitragen, Hindernisse<br />
auf dem Weg zu einem <strong>Arbeit</strong>smarkt für alle abzubauen.<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten sind ein wichtiger Bestandteil<br />
des <strong>Arbeit</strong>smarktes, auch <strong>und</strong> gerade in der<br />
Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, wo allein in den beiden Kernstädten<br />
Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt zwischen 25 <strong>und</strong> 30 Prozent<br />
der Bevölkerung keinen deutschen Pass haben.<br />
Viele Migrantengruppen haben jedoch besondere<br />
4<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
1. EQUAL– Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migranten<br />
Birgit Simon, Sozialdezernentin der<br />
Stadt Offenbach<br />
Schwierigkeiten, eine <strong>Arbeit</strong> oder Ausbildungsstelle zu<br />
finden. Das zeigt sich bei fast allen entsprechenden<br />
Indikatoren – sei es die stark überdurch schnittliche<br />
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit von Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländern,<br />
seien es die alarmierend hohe Quote von ausländischen<br />
Jugendlichen, die die Schule ohne jeden<br />
Abschluss verlassen oder die unterdurchschnittliche<br />
Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher.<br />
Auch beim Sozialhilfebezug sind ausländische Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger überproportional vertreten.<br />
Eine Ursache: der Strukturwandel der Wirtschaft. Einfache<br />
Industriearbeitsplätze fallen weg, neu entstehende<br />
Dienstleistungsarbeitsplätze haben sehr viel<br />
höhere Qualifikationsanforderungen. Wir sind in vielen<br />
Bereichen allerdings immer noch <strong>und</strong> immer wieder<br />
mit gravierenden Integrationsdefiziten konfrontiert.<br />
Fehlende deutsche Sprachkenntnisse, kulturelle<br />
Distanz <strong>und</strong> Entfremdung – beide können das Einfädeln<br />
in <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Beruf gravierend erschweren. Für<br />
die Kommunen verdichten sich soziale Risiken <strong>und</strong><br />
Probleme in einer Weise, die die vorhandenen Systeme<br />
zunehmend überfordert.<br />
Angesichts der akuten Finanznöte kann die Lösung<br />
nicht mehr darin bestehen, vorhandene Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Angebote einfach nur auszuweiten <strong>und</strong> ansonsten<br />
alles fortzuschreiben. Wir brauchen neue Wege <strong>und</strong><br />
Innovation, um <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik <strong>und</strong> Integrationsarbeit<br />
effektiver <strong>und</strong> effizienter zu machen. Das heißt, mit<br />
gleichen oder sogar weniger Mitteln mehr zu bewegen.<br />
Hier setzen die Projekte der Entwicklungspartnerschaften<br />
in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> an. Auf vielen verschiedenen<br />
Handlungsfeldern: Integratives Fallmanagement in<br />
den Sozial- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sämtern, Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />
von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />
über soziale Netzwerke, neue Formen der Sprachqualifizierung,<br />
betriebliche Weiterqualifizierung in der<br />
Sicherheitsbranche <strong>und</strong> Existenzgründungen. All dies<br />
sind Beispiele einer innovativen Projektlandschaft in<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, in die wir große Erwartungen setzen. Die<br />
vielen einzelnen Projekte werden – <strong>und</strong> nur dann – ihr<br />
Ziel erreicht haben, wenn es ihnen gelingt, nicht nur<br />
als Maßnahme erfolgreich zu sein, sondern die Praxis<br />
in der <strong>Arbeit</strong>sförderung, den Ämtern, Schulen <strong>und</strong><br />
Kammern durch neue Instrumente <strong>und</strong> Methoden zu<br />
verbessern <strong>und</strong> sie wirksamer zu gestalten.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
In seiner regionalpolitischen Bedeutung nicht zu unterschätzen<br />
ist, dass sich hier zum ersten Mal in dieser<br />
Breite Träger <strong>und</strong> Kommunen für konkrete gemeinsame<br />
Projekte zusammengeschlossen haben. Frankfurt,<br />
Offenbach <strong>und</strong> die Landkreise im Umland haben hier<br />
zum ersten Mal zumindest in einem Feld einen Ansatz<br />
für die regionale Integration der <strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong><br />
Sozialpolitik geschaffen. Das ist sicher nicht immer<br />
einfach. Es gibt historisch gewachsene Strukturen mit<br />
vielen eigenen Wegen, es gibt sicher auch Befindlichkeiten.<br />
Die wichtigen Impulse für die Entwicklung der<br />
Region liegen jedoch im gemeinsamen Handeln <strong>und</strong><br />
in der Integration, nicht in Rivalität <strong>und</strong> Kleinstaaterei.<br />
Das zeigt sich in der erfolgreichen Einwerbung europäischer<br />
Mittel ebenso wie in der guten Zwischenbilanz<br />
der Entwicklungspartnerschaften der „EQUAL“-<br />
Initiative in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>.<br />
Meine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in den Magistraten<br />
<strong>und</strong> Kreisausschüssen der Region <strong>und</strong> ich persönlich<br />
werden die <strong>Arbeit</strong> dieser Projekte weiterhin sehr aufmerksam<br />
verfolgen. Ihre Ziele sind ehrgeizig, aber<br />
erreichbar. Ich wünsche den Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeitern der beteiligten Träger <strong>und</strong> allen Besucherinnen<br />
<strong>und</strong> Besuchern der heutigen Fachtagung informative<br />
Vorträge, gute Diskussionen <strong>und</strong> viel praktisches<br />
„Networking" für Ihre zukünftige <strong>Arbeit</strong>.<br />
Vielen Dank.<br />
5
6<br />
Dr. Michael Heister, Leiter<br />
der Nationalen Koordinierungsstelle<br />
EQUAL/ XENOS<br />
im B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
Ich würde jetzt gerne ein<br />
wenig den Blick für<br />
„EQUAL“ weiten <strong>und</strong><br />
Dr. Michael Heister, Leiter der Nationa-<br />
dabei auch von den drei<br />
Projekten weggehen. Ich<br />
denke, dass Sie diese drei<br />
Entwicklungspartnerschaften,<br />
die zu den vielen<br />
len Koordinierungsstelle EQUAL/ XENOS<br />
im B<strong>und</strong>esministeriums für Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
guten <strong>und</strong> interessanten<br />
in Deutschland gehören,<br />
im Laufe des Tages noch<br />
kennen lernen werden. Daher möchte ich auf diese<br />
bewusst nicht eingehen, sondern drei andere vorstellen,<br />
die in ganz anderen Bereichen angesiedelt sind,<br />
damit sie ein wenig die Breite von „EQUAL“ kennen<br />
lernen.<br />
Zunächst einmal zum Hintergr<strong>und</strong> von „EQUAL“.<br />
„EQUAL“ ist ein großes arbeitsmarktpolitisches Laboratorium,<br />
in dem versucht werden soll, gegen alle<br />
möglichen Arten der Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
anzugehen. „EQUAL“ wird in allen Mitgliedsstaaten<br />
der Europäischen Union parallel durchgeführt,<br />
also nicht nur in Deutschland, <strong>und</strong> demnächst<br />
auch in den Beitrittsländern. Es ist also eine sehr breit<br />
angelegte Initiative. „EQUAL“ richtet sich an Personen,<br />
die aus Gründen, die in ihrer Person liegen, diskriminiert<br />
werden. Sei es aus Gründen der Rasse, der<br />
ethnischen Herkunft, einer Weltanschauung, aus<br />
Gründen des Geschlechts oder einer Behinderungen.<br />
Dies ist der Gr<strong>und</strong>fokus von „EQUAL“.<br />
Drei Entwicklungspartnerschaften werden sich heute<br />
vorstellen. Diese Entwicklungspartnerschaften beziehen<br />
sich entweder auf einen bestimmten geographischen<br />
Raum, bei den dreien größtenteils das<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet, oder sie beziehen sich auf einen<br />
bestimmten Sektor. Beispielsweise gibt es eine Entwicklungspartnerschaft,<br />
die sich mit der Förderung<br />
des Genossenschaftsgedankens <strong>und</strong> der Stärkung der<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
2. EQUAL – erste Erfahrungen aus Sicht der Nationalen<br />
Koordinierungsstelle<br />
genossenschaftlichen Zusammenarbeit be-schäftigt<br />
<strong>und</strong> versucht, insbesondere Langzeitarbeitslose zu<br />
integrieren. Sie arbeitet in ganz Deutschland <strong>und</strong> ist<br />
eine so genannte sektorale Entwicklungspartnerschaft.<br />
Bei „EQUAL“ sprechen wir in Deutschland von einem<br />
Finanzvolumen aus dem europäischen Sozialfonds<br />
von ca. 500 Millionen Euro. Diese 500 Millionen Euro<br />
werden verdoppelt durch Kofinanzierungsmittel, die<br />
aus nationalen Haushalten, von der B<strong>und</strong>esanstalt für<br />
<strong>Arbeit</strong>, aus Teilnehmereinkommen <strong>und</strong> anderen Quellen<br />
kommen. „EQUAL“ wird in zwei Förderr<strong>und</strong>en<br />
durchgeführt. Der Beginn der 1. Förderr<strong>und</strong>e war im<br />
Januar/Februar 2002, das Ende dieser 1. R<strong>und</strong>e wird<br />
im Juni 2005 sein. Meine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
starten morgen mit den ersten Regionalveranstaltungen<br />
für die neue Förderr<strong>und</strong>e. Die neue Förderr<strong>und</strong>e<br />
wird 2005 beginnen <strong>und</strong> wird ungefähr drei Jahre später<br />
enden.<br />
„EQUAL“ besteht in jeder Durchführungsphase aus<br />
drei Aktionen. Dies ist im Gr<strong>und</strong>e einer der neuen<br />
Punkte an „EQUAL“. Die drei Aktionen stellen sich wie<br />
folgt dar. Zunächst geht es darum, eine Entwicklungspartnerschaft<br />
aufzubauen, das heißt, Partner auf<br />
nationaler Ebene zu finden <strong>und</strong> zumindest auch einen<br />
internationalen Partner. Für diese Aufbauphase hat<br />
jede Entwicklungspartnerschaft vier bis sechs Monate<br />
Zeit. Danach geht es in ca. drei Jahren um die Realisierung<br />
der <strong>Arbeit</strong>sprogramme. Wir werden diese im<br />
Detail heute von den Entwicklungspartnerschaften<br />
vorgestellt bekommen. Parallel dazu geht es in<br />
Deutschland auch noch darum, dass man versuchen<br />
möchte, die Inhalte, die erarbeitet werden, während<br />
der <strong>Arbeit</strong> der Entwicklungspartnerschaften zu transportieren,<br />
sei es auf kommunaler Ebene, sei es in die<br />
B<strong>und</strong>espolitik, sei es in <strong>Arbeit</strong>geberverbände <strong>und</strong> Gewerkschaften.<br />
Dies ist der so genannte Bereich des<br />
<strong>Main</strong>streaming, auf den ich später noch etwas näher<br />
eingehen werde.<br />
Es geht also darum, parallel zur Projektarbeit die<br />
Ideen in die Öffentlichkeit zu transportieren. Damit<br />
haben wir in Deutschland einen etwas anderen Weg<br />
beschritten als die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten.<br />
In den meisten Mitgliedsstaaten laufen die
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Aktionen zwei <strong>und</strong> drei nacheinander. Dort wird also<br />
zunächst die Projektarbeit gemacht <strong>und</strong> dann versucht,<br />
das <strong>Main</strong>streaming in die Politik zu bringen.<br />
Das haben wir für wenig sinnvoll erachtet, weil es<br />
fraglich ist, ob man die Politik oder die Unternehmerverbände<br />
noch erreicht, wenn ein Projekt schon<br />
beendet ist. Ich denke, es funktioniert wesentlich<br />
besser, wenn das <strong>Main</strong>streaming bereits während der<br />
konkreten <strong>Arbeit</strong> gemacht wird. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
werden in Deutschland die Aktionen zwei <strong>und</strong> drei,<br />
also die Projektarbeit <strong>und</strong> das <strong>Main</strong>streaming, parallel<br />
durchgeführt.<br />
Ganz kurz vielleicht ein Überblick über die Themenbereiche<br />
von „EQUAL“. Sie sind parallel zu den Themenbereichen<br />
der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
aufgestellt worden.<br />
Der erste Themenbereich nennt sich „Beschäftigungsfähigkeit“.<br />
In diesem Bereich gibt es beispielsweise<br />
Projekte, die sich mit der Rückkehr von Frauen<br />
in den <strong>Arbeit</strong>smarkt nach einer Familienphase beschäftigen.<br />
Es gibt eine zweite Projektreihe, in der es<br />
darum geht, Rassismus <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit auf<br />
dem <strong>Arbeit</strong>smarkt zu bekämpfen.<br />
Der zweite Themenbereich bei „EQUAL“ nennt sich<br />
„Chancengleichheit“. Hier gibt es wiederum zwei<br />
unterschiedliche Bereiche, nämlich die Erleichterung<br />
der Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf <strong>und</strong> den<br />
Abbau geschäftsspezifischer Diskrepanzen auf dem<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt. Beispielsweise finden sich in diesem<br />
Themenbereich Entwicklungspartnerschaften, die es<br />
sich auf die Fahne geschrieben haben, den Zugang<br />
von Frauen zum IT-Bereich verstärkt zu fördern.<br />
Wir haben einen weiteren Themenbereich, der eine<br />
relativ zentrale Stellung bei „EQUAL“ hat. Dieser Themenbereich<br />
nennt sich „Unternehmergeist“. Im<br />
Bereich „Unternehmergeist“ gibt es zwei Facetten.<br />
Eine Facette ist die Erleichterung der Unternehmensgründung<br />
für alle. Hier wird versucht, Langzeitarbeitslosen<br />
aber auch Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten zu<br />
einem Weg in die Selbstständigkeit zu verhelfen. Die<br />
zweite Facette ist die Stärkung der Sozialwirtschaft, die<br />
ja in Deutschland mit Sicherheit noch ausbaufähig ist.<br />
Im vierten Themenbereich „Anpassungsfähigkeit“<br />
geht es hauptsächlich um Fragen des Lebenslangen<br />
Lernens <strong>und</strong> darum, die <strong>Arbeit</strong>nehmerinnen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmer<br />
kleiner <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen ständig<br />
weiterzubilden. Hinzu kommt, <strong>und</strong> dies geht ein<br />
wenig weg von der Europäischen Beschäftigungsstrategie,<br />
ist aber von der europäischen Kommission<br />
ganz bewusst bei „EQUAL“ gewollt worden, ein fünfter<br />
Themenbereich, in dem es um Maßnahmen für<br />
Asylbewerberinnen <strong>und</strong> Asylbewerber geht. Dies ist<br />
quasi der zusätzliche Themenbereich bei „EQUAL“.<br />
Spannende Fragen, bevor ich zu den ersten Ergebnissen<br />
komme: Was ist eigentlich wichtig bei „EQUAL“,<br />
also worin besteht der Unterschied von „EQUAL“ zu<br />
den vorherigen Gemeinschaftsinitiativen? Die vorherige<br />
Gemeinschaftsinitiative der Europäischen Union<br />
hieß „A-DAPT“.<br />
Ich denke, es sind vier Punkte die bei „EQUAL“ wichtig<br />
sind. Der erste Punkt ist Innovation. Bei „EQUAL“<br />
wird Wert darauf gelegt, dass versucht wird, innovative,<br />
neue Projekte zu machen, die es in dieser Form in<br />
Deutschland noch nicht gab. Das ist auch bei der Projektgenehmigung<br />
ein ganz zentraler Punkt.<br />
Der zweite wichtige Punkt bei „EQUAL“ ist die Netzwerkbildung,<br />
das heißt, die Entwicklungspartnerschaften.<br />
Ich vergleiche das immer mit dem Vorgehen<br />
in der Entwicklungshilfe, also weg vom alten Weg, wir<br />
machen ein Projekt, das Projekt ist beendet <strong>und</strong> ein<br />
neues Projekt kommt, hin zur Netzwerkbildung. Das<br />
heißt, man macht im Gr<strong>und</strong>e unterschiedliche Projekte,<br />
diese Projekte unterstützen sich gegenseitig <strong>und</strong><br />
versuchen, ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen <strong>und</strong><br />
dieses Ergebnis nachhaltig weiterzuentwickeln. Also<br />
weg von der Projektarbeit hin zur Programmarbeit, wie<br />
es in der Entwicklungshilfe heute gang <strong>und</strong> gäbe ist.<br />
Die dritte wichtige Sache bei „EQUAL“, die im Gr<strong>und</strong>e<br />
für alle europäischen Projekte gilt, ist, dass wir Transnationalität<br />
erreichen wollen. Ein Projekt oder eine<br />
Entwicklungspartnerschaft soll nicht nur auf Deutschland<br />
beschränkt sein, sondern die <strong>Arbeit</strong> muss in<br />
andere EU-Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> demnächst auch in<br />
die Beitrittsländer ausstrahlen. Das bedeutet, Sie<br />
benötigen mindestens einen transnationalen Partner.<br />
Diese Partner tauschen sich mindestens zweimal<br />
jährlich aus <strong>und</strong> schauen, was sie von den anderen<br />
lernen können. Bei „EQUAL“ ist also der europäische<br />
Gedanke sehr zentral.<br />
7
Der vierte Punkt, das ist die eigentliche Neuerung bei<br />
„EQUAL“, ist das <strong>Main</strong>streaming. Das klingt zunächst<br />
abstrakt, vor allen Dingen, wenn Sie hören, dass wir<br />
zwei <strong>Main</strong>streamingformen unterscheiden: das vertikale<br />
<strong>und</strong> das horizontale <strong>Main</strong>streaming.<br />
Beim horizontalen <strong>Main</strong>streaming geht es darum, <strong>und</strong><br />
dafür ist die heutige Veranstaltung ein sehr gutes Beispiel,<br />
die Themen zu verbreiten, die in einer Entwicklungspartnerschaft<br />
erarbeitet werden, also im Gr<strong>und</strong>e<br />
genommen für Öffentlichkeit zu sorgen. Und die<br />
Besonderheit, das i-Tüpfelchen oder die Sahnehaube<br />
auf dem Cappuccino, wenn Sie einen mit Sahne<br />
haben <strong>und</strong> keinen mit Milch, das ist das vertikale<br />
<strong>Main</strong>streaming. Es ist der Versuch, die Ideen über die<br />
Projektlandschaft hinaus nicht nur in die Öffentlichkeit<br />
zu transportieren, sondern mit diesen Projekten<br />
in der Öffentlichkeit Strukturen zu verändern, z.B. auf<br />
kommunaler Ebene.<br />
Beispielhaft ist hier die Entwicklungspartnerschaft zu<br />
nennen, die im Genossenschaftswesen aktiv ist. Sie<br />
versucht, unter anderem auch Änderungen des<br />
Genossenschaftsgesetzes <strong>und</strong> des <strong>Arbeit</strong>sförderungsrechtes<br />
zu erreichen, damit Langzeitarbeitslose leichter<br />
Genossenschaften gründen können. Sie sehen, es<br />
werden sehr ehrgeizige Ziele angestrebt.<br />
Das Festhalten am Netzwerkgedanken <strong>und</strong> der Versuch,<br />
im <strong>Main</strong>streaming die Ideen, die man entwickelt,<br />
weiter zu transportieren, das sind die eigentlichen<br />
Neuerrungen bei „EQUAL“.<br />
Für diesen Transport haben wir von der Nationalen<br />
Koordinierungsstelle <strong>und</strong> vom B<strong>und</strong>esministerium für<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> im Dezember 2002 14 Nationale<br />
Thematische Netzwerke ins Leben gerufen. In diesen<br />
Netzwerken können sich Entwicklungspartnerschaften<br />
un-tereinander austauschen, die an einem<br />
bestimmten Thema arbeiten. Ich werde Ihnen zum<br />
Schluss drei Netzwerke kurz vorstellen. Jetzt nenne<br />
ich nur mal einige Themenbereiche der Netzwerke.<br />
Ein Netzwerk heißt „Lebenslanges Lernen“, ein anderes<br />
beschäftigt sich mit dem „Unternehmergeist“, ein<br />
drittes mit „Asyl“. Ein weiteres Netzwerk beschäftigt<br />
sich mit dem Thema „Gründungsunterstützung“ <strong>und</strong><br />
wieder ein anderes mit der besonderen Problematik<br />
8<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
von „Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten“. Es existiert also<br />
eine breite Palette von Netzwerken. Um Transnationalität<br />
zu erreichen, gibt es neben diesen nationalen<br />
Netzwerken noch fünf Europäische Thematische<br />
Gruppen, auch ETGs genannt. Das sind im Gr<strong>und</strong>e<br />
Netzwerktreffen auf europäischer Ebene. Die Themen<br />
reichen von der Beschäftigungsfähigkeit bis zu Maßnahmen<br />
für Asylbewerberinnen <strong>und</strong> Asylbewerber.<br />
Wir Deutschen haben einen besonderen Fokus auf die<br />
Frage der Gründungsunterstützung gelegt. Deshalb<br />
haben wir also in der ETG „Entrepreneurship“ den Vorsitz<br />
zusammen mit dem flamischen Belgien.<br />
Jetzt haben Sie mir die schwere Frage gestellt: Wo stehen<br />
wir eigentlich bei EQUAL? Also eine erste Zwischenbilanz.<br />
Wie will man aber nach einem Jahr, in<br />
dem die Projekte erst richtig laufen, eine f<strong>und</strong>ierte<br />
Zwischenbilanz ziehen? Von daher kann ich Ihnen nur<br />
Skizzen zeigen. Und ich habe mir überlegt, dass ich<br />
Ihnen ganz kurz zwei Entwicklungspartnerschaften<br />
vorstelle <strong>und</strong> zusammenfasse, was in denen schon<br />
passiert ist. Ich nehme bewusst zwei Entwicklungspartnerschaften,<br />
die nicht aus dem <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-<br />
Gebiet kommen <strong>und</strong> die sich auch nicht unbedingt mit<br />
dem Thema Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten beschäftigen.<br />
Mit dem Thema werden Sie sich gleich noch<br />
intensiv befassen.<br />
Anschließend werde ich Ihnen anhand von drei Netzwerken<br />
zeigen, wo eigentlich die <strong>Arbeit</strong> in diesen Thematischen<br />
Netzwerken steht. Ich glaube, dann bekommen<br />
Sie einen guten Einblick in den aktuellen Stand.<br />
Als erstes habe ich mir eine Entwicklungspartnerschaft<br />
herausgesucht, die weit weg von Frankfurt am<br />
<strong>Main</strong> ist. Sie befindet sich in West-Mecklenburg <strong>und</strong><br />
ihr Thema ist die Integration von Berufsrückkehrerinnen.<br />
Die Idee dieser Entwicklungspartnerschaft ist,<br />
800 Berufsrückkehrerinnen <strong>und</strong> 200 weitere Benachteiligte<br />
wieder in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, was<br />
bei der hohen <strong>Arbeit</strong>slosenquote in West-Mecklenburg<br />
sehr schwierig ist. Also hatten die Initiatoren die<br />
Idee, ein regionales Netzwerk aufzubauen. In diesem<br />
Netzwerk arbeitet man mit drei Landkreisen, dem<br />
Unternehmensverband <strong>und</strong> dem Bauernverband<br />
zusammen. Die Zielsetzung der Entwicklungspartner-
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
schaft bei der Integration der Berufsrückkehrerinnen<br />
ist zum einen, die regionalen <strong>Arbeit</strong>smarktakteure zu<br />
vernetzen. Zum anderen sollen die individuellen Probleme<br />
der Berufsrückkehrerinnen <strong>und</strong> die Anforderungen<br />
an <strong>Arbeit</strong>splätze in der Region analysiert werden.<br />
Momentan laufen drei Maßnahmebereiche. Zum einen<br />
werden regionale Assessment Center entwickelt. Des<br />
Weiteren werden Selbstlernzentren aufgebaut, um<br />
den Berufsrückkehrerinnen zu ermöglichen mittels E-<br />
Learning Qualifikation zu erlangen. Im dritten Maßnahmebereich<br />
werden so genannte Bildungsschecks<br />
entwickelt, die bei Beteiligten der Entwicklungspartnerschaft<br />
eingelöst werden können. Das ist der<br />
momentane Projektstatus. Das Projekt ist noch im<br />
Anfangsstadium.<br />
Die zweite Entwicklungspartnerschaft heißt „Innova“.<br />
Bei „Innova“ geht es darum, die Verbreitung von<br />
Selbsthilfegenossenschaften in Deutschland zu steigern.<br />
Das Ziel ist, den Genossenschaftsgedanken als<br />
Idee für die Gründung von Benachteiligten zu fördern.<br />
Beispielsweise könnte eine Genossenschaften gegründet<br />
werden, die einen Hausmeisterservice anbietet<br />
oder Haushaltsjobs erledigt. Man hat bereits<br />
begonnen, Trainingskurse für <strong>Arbeit</strong>slose anzubieten,<br />
um sie zu befähigen, Genossenschaften zu gründen.<br />
Gleichzeitig soll mit Veranstaltungen bei <strong>Arbeit</strong>geberverbänden<br />
<strong>und</strong> öffentlichen Einrichtungen für den Genossenschaftsgedanken<br />
geworben werden. Das ist im<br />
Gr<strong>und</strong>e horizontales <strong>Main</strong>streaming. Und als dritten<br />
Punkt hat man die Perspektive, das Genossenschaftsgesetz<br />
zu ändern. Ich denke, auch bei „Innova“<br />
haben wir eine Entwicklungspartnerschaft, die<br />
auf einem recht guten Weg ist.<br />
Zweite Frage: Was passiert eigentlich auf der Netzwerkebene?<br />
Ich habe mir überlegt, für Sie ganz kurz<br />
drei Netzwerke herauszugreifen. Ein Netzwerk heißt<br />
„Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie“.<br />
Da geht es darum, den Umgang mit Informations- <strong>und</strong><br />
Kommunikationstechnologien in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Unternehmen zum Wohle der Beschäftigten zu<br />
fördern. Zurzeit arbeitet man daran, eine internetgestützte<br />
Datenbank zu entwickeln, in der die Entwicklungspartnerschaften<br />
Ansprechpartner für innovative<br />
Sachkompetenz im Bereich von I- <strong>und</strong> K-Lösungen<br />
einstellen können. Es geht im Gr<strong>und</strong>e darum, so eine<br />
Art „Gelbe Seiten“ für I- <strong>und</strong> K-Technologien zu produzieren.<br />
Das zweite Netzwerk, dass ich kurz beleuchten<br />
möchte, ist das Netzwerk „Gründungsunterstützung“,<br />
aus dem sie heute auch eine Entwicklungspartnerschaft<br />
hören werden. In diesem Netzwerk<br />
wird in vier <strong>Arbeit</strong>sgruppen gearbeitet. Die Themenbereiche<br />
der Gruppen sind Start-up Financing,<br />
One-Stop-Shops, das ist eine Stelle, in der Sie sich als<br />
Gründungswilliger alle Leistungen abholen können.<br />
Weitere Themen sind Kooperation <strong>und</strong> Rechtliche<br />
Rahmenbedingungen. Auch dieses Netzwerk hat ein<br />
ganz konkretes erstes Ergebnis erzielt. Hier wurde ein<br />
Modell entwickelt, das man Mikrolending nennt.<br />
Mikrolending ist die Vergabe von Kleinstkrediten an<br />
Unternehmen, also an Gründungswillige. Dieses Netzwerk<br />
hat erarbeitet, wie man das Mikrolending in<br />
Deutschland organisieren könnte.<br />
Das dritte Netzwerk heißt „Berufliche Integration von<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten“. In diesem Netzwerk<br />
hat man sich drei Themenbereiche auf die Fahne<br />
geschrieben. Ein Bereich ist die Sensibilisierung in<br />
Betrieben, der zweite Bereich ist Profilbildung, Berufsplanung,<br />
Empowerment <strong>und</strong> im dritten Themenbereich<br />
geht es um die Frage der Förderung des Lernens,<br />
auch des Lernens der deutschen Sprache.<br />
Dieses Netzwerk erarbeitet zurzeit eine große Fachtagung<br />
für nächstes Jahr. Auf dieser Tagung sollen gemeinsam<br />
mit den relevanten Akteuren in diesem Bereich<br />
Lösungen <strong>und</strong> neue Möglichkeiten erarbeitet werden.<br />
Ich denke, wenn man sich diese Ergebnisse anschaut,<br />
sind wir bei „EQUAL“ in diesem etwas mehr als einem<br />
Jahr konkreter Projektarbeit doch ein ganzes Stück<br />
vorangekommen.<br />
Zum Schluss vielleicht noch ein kleines Erlebnis. Ich<br />
war am Donnerstag auf einer Veranstaltung einer Entwicklungspartnerschaft,<br />
die sich mit den Fragen des<br />
Lebenslangen Lernens im Bereich der Logistik befasst.<br />
Auf dem Rückweg nach Bonn saßen in der S-Bahn<br />
von Eschborn nach Frankfurt vier ältere Damen <strong>und</strong><br />
unterhielten sich angeregt über ihre Freizeitgestaltung<br />
in den nächsten Wochen. Neben den vier<br />
Damen, saß ein Herr, Mitte dreißig, der sich plötzlich<br />
9
ins Gespräch einmischte. Er fragte, was die Damen so<br />
machen <strong>und</strong> fand es ganz toll, dass sie so aktiv sind.<br />
Er hatte einen mittelstarken Akzent <strong>und</strong> ich habe<br />
überlegt, aus welchem Land er wohl stammt. Die<br />
Damen unterhielten sich dann auf dem Rest der Fahrt<br />
noch ganz angeregt mit dem Herrn. Er hat erzählt, er<br />
käme aus Griechenland <strong>und</strong> würde jetzt in Frankfurt<br />
arbeiten. Zum Schluss hat er den älteren Damen noch<br />
gesagt, welchen Weg sie zu ihrem heutigen Ausflugsziel<br />
nehmen sollten. Die Damen haben sich bedankt<br />
mit dem Hinweis, den Weg schon zu kennen.<br />
Ich fand das ganz faszinierend <strong>und</strong> ich dachte, da es<br />
mich das ganze Wochenende beschäftigt hat, muss<br />
ich Ihnen das heute erzählen. Auch deshalb, weil<br />
diese Szene so eine Normalität des Umgangs zwischen<br />
unterschiedlichen Kulturen ausgestrahlt hat,<br />
wie sie eigentlich heute gang <strong>und</strong> gäbe sein müsste,<br />
aber viel zu selten ist.<br />
Und ich denke, das ist so ein bisschen die Idee, die wir<br />
auch bei „EQUAL“ haben. Eigentlich wollen wir bei<br />
„EQUAL“ gegen Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
kämpfen <strong>und</strong> dafür, dass Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />
im Gr<strong>und</strong>e einen Normalstatus auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
haben. Natürlich möchten wir, dass es überhaupt keine<br />
Diskriminierung gibt, doch die Realität ist leider oftmals<br />
noch anders. Ich denke, unser Ziel bei „EQUAL“<br />
ist es, Situationen wie diese in der S-Bahn viel mehr<br />
zur Normalität werden zu lassen <strong>und</strong> dafür stehen<br />
auch diese drei Entwicklungspartnerschaften, die<br />
sich Ihnen heute noch vorstellen werden.<br />
Dankeschön.<br />
10<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
3. Beschäftigungschancen für MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet<br />
Corrado Di Benedetto,<br />
Vorsitzender des Kreisausländerbeirates,Offenbach.<br />
Beschäftigungschancen für<br />
MigrantInnen im <strong>Rhein</strong>-<br />
<strong>Main</strong>-Gebiet, meine Damen<br />
<strong>und</strong> Herren. Das ist das<br />
Thema, das hier vorgegeben<br />
ist, <strong>und</strong> ich möchte<br />
gleich vorab anmerken,<br />
dass ich mich nicht<br />
Corrado Di Benedetto, Vorsitzender zwingend daran halten<br />
des Kreisausländerbeirates, Offenbach<br />
möchte, <strong>und</strong> bitte dafür<br />
um Verständnis. Während<br />
an den allgemeinbildenden Schulen die Bildungsbeteiligung<br />
der in Deutschland le- benden jungen Ausländer<br />
wieder steigt, durchlaufen immer weniger<br />
ausländische Jugendliche eine Lehre oder eine schulische<br />
Berufsausbildung. Angesichts der Tatsache,<br />
dass für eine leistungsfähige Wirtschaft <strong>und</strong> die Integration<br />
der Ausländer in die Gesellschaft Bildung<br />
<strong>und</strong> berufliche Qualifikation von entscheidender<br />
Bedeutung sind, müssen junge Ausländer besser in<br />
das berufliche Bildungswesen integriert werden.<br />
Insofern ist die heutige Tagung <strong>und</strong> das gesamte<br />
Vorhaben „EQUAL“, wie ich meine, eine mehr als<br />
notwendige <strong>und</strong> sehr lobenswerte Initiative, die<br />
sicherlich dazu dienen kann, neue Wege zur Bekämpfung<br />
der Diskriminierung am <strong>Arbeit</strong>smarkt aufzuzeigen<br />
<strong>und</strong> Strategien für junge Ausländer vorzustellen,<br />
um aus dieser misslichen Lage heraus zu<br />
kommen.<br />
Ich möchte hier auch die Gelegenheit nutzen, meine<br />
Damen <strong>und</strong> Herren, mich im Namen aller Ausländerbeiräte<br />
der entsprechenden Gebietskörperschaften,<br />
für die ich heute spreche, zu bedanken <strong>und</strong> den Veranstaltern<br />
<strong>und</strong> allen anderen Beteiligten Mut zuzusprechen,<br />
an dieser wichtigen Initiative weiterhin mit<br />
Eifer zu arbeiten. Denn sie verfolgt unseres Erachtens<br />
die richtigen Ansätze, die leider Gottes über Jahrzehnte<br />
hinweg in unserem Einwanderungsdeutschland,<br />
wie ich meine, in sträflicher Weise schlichtweg<br />
vernachlässigt worden sind. Mehr als lobenswert an<br />
dieser Initiative ist die eminent wichtige Einbindung<br />
von Ausländern selbst <strong>und</strong> den von ihnen gegründeten<br />
Organisationen beispielsweise CGIL. Dies ist für<br />
mich ein Zeichen dafür, dass die Veranstalter sehr<br />
wohl verstanden haben, dass Integrationsbemühungen<br />
ohne die adäquate Inklusion von Ausländern<br />
letztendlich dazu verdammt sind, ins Leere zu laufen.<br />
Die jüngste Immigrationsgeschichte Deutschlands,<br />
auf die ich später noch mal zu sprechen komme,<br />
zeigt dies meines Erachtens sehr eindeutig. Jeder<br />
zehnte Schüler in Deutschland, so berichtete das<br />
Statistische B<strong>und</strong>esamt vor wenigen Wochen, hat<br />
einen ausländischen Pass. Das sind 961.000 Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche. Darin sind die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />
die zwar einen deutschen Pass haben, aber<br />
trotzdem im gleichen Maße von den Problemen der<br />
Chancenungleichheit bzw. strukturellen Diskriminierung<br />
betroffen sind, nicht enthalten. In der Gesamtbevölkerung<br />
liegt der Ausländeranteil weiterhin bei<br />
9 Prozent, an den Gymnasien wurden 4 Prozent<br />
gezählt, an den Gesamtschulen knapp 13 <strong>und</strong> an<br />
den von uns Ausländern als inakzeptabel angesehenen<br />
Sonderschulen für Lernbehinderte leider 16<br />
Prozent im Durchschnitt. Knapp 20 Prozent der ausländischen<br />
Schüler verlassen die allgemeinbildenden<br />
Schulen ohne Abschluss, bei den deutschen<br />
sind es nur 8 Prozent. Während mehr als 26 Prozent<br />
der deutschen Schüler die Hochschul- oder Fachhochschulreife<br />
erreichen, sind es bei den ausländischen<br />
Jugendlichen gerade mal 10 bis 11 Prozent, so<br />
das statistische B<strong>und</strong>esamt.<br />
Immer weniger ausländische Jugendliche beginnen<br />
im Anschluss an den Besuch einer allgemeinbildenden<br />
Schule eine Ausbildung <strong>und</strong> schließen diese<br />
auch erfolgreich ab.<br />
Von den deutschen Schülern befanden sich im Jahre<br />
2000 fast 84 Prozent in einer beruflichen Ausbildung,<br />
von den ausländischen hingegen nur 70 Prozent.<br />
Ausländische Jugendliche mussten viel häufiger<br />
als deutsche, Einrichtungen der Berufsvorbereitung<br />
an den bereits erwähnten Sonderschulen für Lernbehinderte<br />
besuchen, auf die Ausländerbeiräte -<br />
milde ausgedrückt – nicht gerade gut zu sprechen<br />
sind. Von den r<strong>und</strong> 100.000 ausländischen Schülern,<br />
die im Jahre 2000 den Besuch einer beruflichen Schule<br />
beendet haben, konnten 35 Prozent keinen<br />
11
an den bereits erwähnten Sonderschulen für Lernbehinderte<br />
besuchen, auf die Ausländerbeiräte -<br />
milde ausgedrückt – nicht gerade gut zu sprechen<br />
sind. Von den r<strong>und</strong> 100.000 ausländischen Schülern,<br />
die im Jahre 2000 den Besuch einer beruflichen Schule<br />
beendet haben, konnten 35 Prozent keinen<br />
Abschluss erzielen. Bei den deutschen Schülern war<br />
die Quote lediglich halb so hoch. Obwohl junge Ausländer<br />
in den letzten Jahren verstärkt nach Ausbildungsplätzen<br />
in Betrieben gefragt haben, konnten sie<br />
nicht mehr Lehrverträge abschließen. Seit 1996 ist<br />
die Zahl der ausländischen Jugendlichen, b<strong>und</strong>esweit<br />
betrachtet, von 160.000 auf knapp 97.000 im Jahre<br />
2000 gesunken. Die Tendenz ist jedoch wieder steigend.<br />
Bezogen auf die Altersgruppe der 18- bis 21jährigen<br />
waren damit nur noch ein Drittel der ausländischen<br />
Heranwachsenden, gleichzeitig aber doch<br />
zwei Drittel der deutschen Jugendlichen, beschäftigt.<br />
Ich möchte es bei diesen b<strong>und</strong>esweit erhobenen<br />
Daten belassen <strong>und</strong> hinzufügen, dass wir hier auf<br />
regionaler Ebene schlechtere Zahlen vorweisen können.<br />
Das ist wohl auch der Gr<strong>und</strong>, dass verstärkt hier<br />
in der Region mit Projekten gearbeitet wird. Deutlich<br />
wird jedoch, dass es gewaltiger <strong>und</strong> systematischer<br />
gesellschaftlicher Kraftanstrengungen bedarf, die<br />
Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungssituation ausländischer<br />
Jugendlicher zu verbessern, die in der Tat von Chancenungleichheit<br />
geprägt ist.<br />
Bevor ich zum zweiten Teil meiner Ausführungen<br />
komme, möchte ich nun kurz aus einer aktuellen<br />
Studie vom Institut für <strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung<br />
der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> in Nürnberg<br />
einige Zeilen zitieren. Darin schreiben die federführenden<br />
Wissenschaftler Alexander Reinberg <strong>und</strong><br />
Markus Hummel, ich zitiere: „Wir befinden uns auf<br />
dem Weg, unseren entscheidenden Wettbewerbsvorteil<br />
aufs Spiel zu setzen, nämlich das für unseren<br />
Hochtechnologie- <strong>und</strong> Hochlohnstandort bedeutende<br />
Humankapital.“ Dieser Begriff „Humankapital“<br />
wird im übrigen unabhängig davon, vom Frankfurter<br />
Professor <strong>und</strong> Integrationsforscher Frank-Olaf Radtke<br />
schon seit langem gebraucht. Er fordert, dass das<br />
deutsche System Schule sich unvoreingenommen<br />
auf dieses Humankapital berufen soll <strong>und</strong> dementsprechend<br />
das System Schule in Deutschland umzu-<br />
12<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
gestalten ist, damit es nicht nur der deutschen Volkswirtschaft<br />
zugute kommt, sondern auch dem einzelnen<br />
benachteiligten Individuum unserer Gesellschaft<br />
die Möglichkeit gegeben wird, sich eine lebenswerte<br />
Zukunft zu gestalten. Im übrigen stellt Prof. Radtke in<br />
seinem jüngst veröffentlichten Buch „Institutionelle<br />
Diskriminierung“, die, wie ich meine, ernstzunehmende<br />
These auf, das deutsche Schulsystem selbst sei in<br />
erster Linie dafür verantwortlich, dass ausländische<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche im Vergleich zu gleichaltrigen<br />
Deutschen im Schulischen so schlecht abschneiden.<br />
Ich zitiere einen Kernsatz aus dem besagten Buch,<br />
das auch den für sich sprechenden Untertitel „Die<br />
Herstellung ethnischer Differenz in den Schulen“<br />
trägt. Der Kernsatz lautet: „Die Erklärung für mangelnden<br />
Schulerfolg von Migrantenkindern wird in der<br />
öffentlichen Diskussion überwiegend in Defiziten der<br />
betroffenen Kinder, in ihrem familiären Umfeld <strong>und</strong> in<br />
ihrer Kultur gesucht. Der Ort seiner Entstehung, ... die<br />
Schule, bleibt außer Betracht.“<br />
Wir kommen zurück zur Studie der B<strong>und</strong>esanstalt für<br />
<strong>Arbeit</strong>. Dort heißt es weiter: „Die Ursachen liegen<br />
nicht nur in der demografischen Entwicklung, sondern<br />
auch in den Qualifizierungstrends der Bevölkerung.<br />
Selbst ein deutlicher Anstieg der Geburtenraten,<br />
für den allerdings zurzeit nichts spricht, oder<br />
Zuwanderung in einer wirtschaftlich <strong>und</strong> gesellschaftlich<br />
vertretbaren Größenordnung können diesen<br />
Trend bestenfalls bremsen, nicht aber stoppen.“ So<br />
teilen diese beiden Wissenschaftler Reinberg <strong>und</strong><br />
Hummel diese Auffassung: „Die internationale Konkurrenz<br />
um die hellen Köpfe wird sich in Zukunft wohl<br />
eher noch verstärken“, prophezeien sie. Weiter heißt<br />
es darin, angesichts der schlechteren Qualifikationsstrukturen<br />
der in Deutschland lebenden Einwanderer,<br />
dem unbefriedigenden Ausbildungsniveau ihrer Kinder<br />
<strong>und</strong> hoher rechtlicher Hürden für ausländische<br />
Absolventen deutscher Hochschulen beim Zugang in<br />
den <strong>Arbeit</strong>smarkt sei eine bessere Integrationspolitik<br />
unbedingt erforderlich. Dies, meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
ist das Resumee des Instituts für <strong>Arbeit</strong>smarkt<strong>und</strong><br />
Berufsforschung der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> in<br />
Nürnberg bezüglich Integration <strong>und</strong> <strong>Migration</strong>. Die<br />
Studie wurde Mitte dieses Jahres abgeschlossen.<br />
Insofern möchte ich an dieser Stelle nochmals mit
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Nachdruck dafür werben <strong>und</strong> Sie ermutigen, Ihre<br />
Anstrengungen zur Verbesserungen der Bildungs<strong>und</strong><br />
Ausbildungssituation junger Ausländer weiter<br />
fortzuführen <strong>und</strong> zwar trotz aller negativen Signale,<br />
die zurzeit in besonderer Weise durch die eklatanten<br />
Kürzungen der hessischen Landesregierung hereingebrochen<br />
sind. Ich musste das erwähnen.<br />
Und, meine Damen <strong>und</strong> Herren, wenn wir schon<br />
beim Land sind: es ist geradezu lächerlich, die<br />
öffentliche Debatte um Zuwanderung <strong>und</strong> Integration<br />
dadurch bereichern zu wollen, dass das Erlernen<br />
der deutschen Sprache ein Garant für eine gelungene<br />
Integration sei. Dies ist für mich im Moment eher<br />
ein Zeichen dafür, dass man es mit der Integration<br />
doch nicht so ernst meint, wie es allseits propagiert<br />
wird. Und wir müssen uns alle ganz dick hinter die<br />
Ohren schreiben, dass mit dem Erlernen der deutschen<br />
Sprache allein, so determinant es auch ist,<br />
der sehr schwierige, hochkomplexe gesellschaftliche<br />
Prozess der Integration nicht zu bewältigen ist.<br />
Solange ernstzunehmende Partizipationsmöglichkeiten<br />
von ausländischen Einwohnern dadurch gekennzeichnet<br />
sind, dass es Menschen erster, zweiter <strong>und</strong><br />
dritter Kategorie gibt, solange wird auch die jetzt erst<br />
entdeckte W<strong>und</strong>erwaffe der Sprachförderung nicht<br />
viel ausrichten können. Dessen bin ich mir sicher,<br />
meine Damen <strong>und</strong> Herren.<br />
Zum zweiten Teil meiner Ausführungen sei mir<br />
gestattet, den Bogen noch etwas weiter zu spannen.<br />
Als Vertreter der politischen Gremien <strong>und</strong> der Ausländerbeiräte<br />
der Gebietskörperschaften Frankfurt,<br />
Stadt <strong>und</strong> Kreis Offenbach <strong>und</strong> <strong>Main</strong>-Taunus-Kreis<br />
werde ich mich, wie gesagt, nicht nur auf das vorgeschriebene<br />
Thema beschränken, sondern auch eine<br />
gesamtgesellschaftliche <strong>und</strong> politische Wertung<br />
über Zuwanderung <strong>und</strong> Integration abgeben. Hierzu<br />
möchte ich Ihnen aus einem „Spiegel“ vergangener<br />
Woche auszugsweise ein paar Zeilen vortragen, die<br />
ich beim Lesen als sehr amüsant empf<strong>und</strong>en habe.<br />
Der Titel unter der Rubrik Emigranten lautet: „Hier<br />
bin ich wieder wer“. Sehr ungewohnt, finde ich,<br />
nebenbei bemerkt, dass in einer deutschen Wochenzeitschrift<br />
unter der Rubrik Emigranten auf einmal<br />
nicht die Ausländer hier in Deutschland gemeint<br />
sind, sondern die Deutschen selbst, die sich auf den<br />
Weg machen, um im Ausland ein besseres Leben zu<br />
führen. Ich zitiere aus dem „Spiegel“ ein paar Sätze.<br />
Spiegel Nr. 42/2003 „Hier bin ich wieder wer“:<br />
„Immer mehr deutsche Rentner verlegen ihren<br />
Alterssitz anstatt nach Mallorca in die Türkei. Die<br />
Preise sind viel niedriger <strong>und</strong> die Einheimischen<br />
geben sich respektvoll. Zwischen 12.000 <strong>und</strong><br />
20.000 Deutsche, so schätzt die deutsche Botschaft<br />
in Ankara, leben inzwischen schon ständig in der<br />
Türkei. Die Zeitung Hürriyet schätzte die Zahl der<br />
Deutschen kürzlich sogar auf 70.000. Die Deutschen<br />
werden in Scharen kommen, wenn sich erst<br />
einmal herumgesprochen hat, dass der Türke in der<br />
Türkei ganz anders ist als der Türke vor unserer Haustür.<br />
Schließlich sieht man in Alanya beispielsweise<br />
weniger Kopftücher als in Frankfurt am <strong>Main</strong>. Die<br />
Einwanderer pflegen ihre Lebensart im deutschen<br />
Club „Die Brücke“ mit Festen, Ausflügen, Skatr<strong>und</strong>en.<br />
Zudem gibt es einen Ortsverband des Hürtürk,<br />
des freiheitlich deutsch-türkischen Fre<strong>und</strong>schaftsvereins,<br />
gegründet von türkischen Geschäftsleuten,<br />
der deutschen Mitgliedern bei Problemen <strong>und</strong> Behördengängen<br />
hilft. Wir wollen die Deutschen integrieren,<br />
damit sie sich bei uns wohl fühlen, sagt<br />
Hassan Savihaglu, seit 4 Jahren Bürgermeister von<br />
Alanya. Weil die Deutschen etwa als tierlieb gelten,<br />
werden streunende H<strong>und</strong>e nicht mehr wie früher von<br />
der Stadt vergiftet, sondern in einem Tierheim aufgepäppelt<br />
<strong>und</strong> wenn möglich an deutsche Senioren<br />
vermittelt. In der Fleischzeile grüßen auf einer Malerei<br />
über einem Stand zwei rosige Ferkel mit erhobenem<br />
Daumen. Metzger Halil Dagmasch verkauft<br />
eingeschweißte Mett- <strong>und</strong> Leberwürste <strong>und</strong> Wildschweinfleisch<br />
bei der Istanbuler Fabrik. In vielen<br />
Supermärkten wird Allman Ekmek angeboten. Das<br />
ist Schwarzbrot, meine Damen <strong>und</strong> Herren. In Willis<br />
Kneipe in der Dalmatanstraße, direkt am Meer, gibt<br />
es Mettwurst <strong>und</strong> Sauerkraut, Leipziger Allerlei <strong>und</strong><br />
Zwetschgenkuchen. Den Dauergästen bietet die<br />
deutsche Wirtin Weihnachts- Silvesterfrühstück,<br />
Karnevalsfeiern, Tanz in den Mai <strong>und</strong> Preisskat an.<br />
Der Einfluss der deutschen in Alanya ist viel größer<br />
als ihre Zahl, sagt der Journalist Achmet Algün. Die<br />
Straßen <strong>und</strong> Parks werden immer gepflegter, man<br />
13
hält seine Verabredungen ein, die Türken fangen an,<br />
Filterkaffee zu trinken <strong>und</strong> trauen sich kaum noch,<br />
einen H<strong>und</strong> zu verjagen. Immer mehr Pensionäre<br />
wollen auch in der Heimat beerdigt werden. Neben<br />
dem muslimischen hat die Stadt einen christlichen<br />
Friedhof angelegt. In Liebe zu Ana, Alanya oder „Nun<br />
bist du frei für immer in Alanya“ steht auf den Grabsteinen.<br />
50 Christen wurden hier in den vergangenen<br />
Jahren bereits beerdigt. Im Frühjahr betete bei<br />
einer Bestattung eines Deutschen auf Wunsch der<br />
Familie sogar der Mufti Mohammed Gefher ein islamisches<br />
Totengebet.<br />
Die Toleranz in der Türkei ist groß, beteuert er.<br />
Warum sollte ich nicht am Grab eines Christen<br />
beten? Die Deutschen sind hier wie in Deutschland<br />
unsere Nachbarn <strong>und</strong> vor Gott sind ja auch alle<br />
gleich. Erst vor wenigen Tagen habe er einen deutschen<br />
Pfarrer empfangen, der hier bald mit seiner<br />
<strong>Arbeit</strong> beginnen wird. Wegen der wachsenden Zahl<br />
von Christen hat sowohl die katholische als auch die<br />
evangelische Kirche Seelsorger an die türkische<br />
Riviera entsandt. Sogar eine örtliche Kirche könnte<br />
es demnächst geben. Bürgermeister Sipherolu hat<br />
kürzlich eine passende Immobilie ausgemacht. Sie<br />
thront auf dem Berg über der Stadt. In einer alten<br />
Festungsanlage wird ab November, also ab diesem<br />
Monat, eine byzantinische Kapelle aus dem 11. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
restauriert.“<br />
Ich belasse es mal dabei. Ich denke, es wird deutlich,<br />
welches meine Intention ist.<br />
Wir kommen nun von Alanya nach Deutschland<br />
zurück. Wir versetzen uns 20, 30 oder auch 40 Jahre<br />
zurück. In den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren, also in der Zeit<br />
vor den politischen Auseinandersetzungen um <strong>Migration</strong><br />
<strong>und</strong> Integration, war der migrationpolitische Diskurs<br />
einerseits auf technokratisch verengte Fragen<br />
des <strong>Arbeit</strong>smarktes <strong>und</strong> dessen Regulierung ausgerichtet.<br />
Der Anwerbestopp für <strong>Arbeit</strong>simmigranten im<br />
Jahr 1973 <strong>und</strong> das nur halbwegs erfolgreiche Rückführungsprogramm<br />
der 1982 neu ins Amt gelangten<br />
christlich-demokratischen Regierung bildeten die<br />
symbolischen Landmarken dieser Epoche. Als Protagonisten<br />
der <strong>Migration</strong>spolitik als <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik<br />
agierten gemeinschaftlich <strong>Arbeit</strong>geberverbände, Ge-<br />
14<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
werkschaften <strong>und</strong> die jeweils amtierenden Regierungen<br />
<strong>und</strong> deren Administrationen, vor allen Dingen die,<br />
die im Bereich der <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik <strong>und</strong> der<br />
Gestaltung des <strong>Arbeit</strong>smarktes Entscheidungsgewalt<br />
ausübten.<br />
Andererseits war die Debatte der 70er <strong>und</strong> 80er<br />
Jahre um <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration durch sozialpolitische<br />
<strong>und</strong> wohlfahrtsstaatliche Klischees gekennzeichnet.<br />
Hier agierten vor allem die organisierten<br />
sozialpolitischen Interessen der Mehrheitsgesellschaft,<br />
allen voran die Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> die<br />
ihnen wohl gesonnenen Sozialministerien auf B<strong>und</strong>es-<br />
<strong>und</strong> Landesebene.<br />
Dabei wurde kaum Raum gelassen, <strong>und</strong> das ist meines<br />
Erachtens das Fatale, <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration<br />
jenseits des sozialpolitischen Ghettos zu thematisieren<br />
<strong>und</strong> intellektuell zukunftsweisend auszugestalten.<br />
Im besten Fall herrscht hier ein reaktiver,<br />
meist noch stark sozial-paternalistischer Umgang<br />
mit den enormen Herausforderungen, der inzwischen,<br />
wie ich sage, real existierenden Einwanderungsgesellschaft.<br />
Den armen Ausländern muss<br />
man doch helfen, so die Devise. Das eingespielte<br />
Team von Wohlfahrtslobbyisten <strong>und</strong> staatlichen,<br />
sprich finanzierenden Institutionen, erhält diese<br />
sozialpaternalistischen Strukturen aufrecht. Das<br />
eigentliche Manko ist jedoch nicht die aus welchen<br />
Gründen auch immer, erst spätere politische Entdeckung<br />
der Themen <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Integration oder<br />
die oft erdrückende Vorherrschaft des sozialpolitischen<br />
Diskurses, sondern die nahezu vollständige<br />
Abwesenheit einer kulturpolitischen Debatte im weitesten<br />
Sinne um die Ausgestaltung der Einwanderungsgesellschaft,<br />
nicht die Ausgestaltung der Probleme<br />
der Ausländer, sondern die Probleme der<br />
Gesamtgesellschaft.<br />
Im lokalen Raum finden sich alternative Kulturzentren<br />
für Zuwanderer, so genannte multi-kulturelle Begegnungsstätten,<br />
<strong>und</strong> andere Harmlosigkeiten. So redet<br />
zum Beispiel Rainer Ohlinger vom Netzwerk <strong>Migration</strong><br />
in Europa mit kurzer Reichweite <strong>und</strong> oft noch kürzerer<br />
Lebensdauer. Eine koordinierte kulturpolitische Initiative<br />
in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht mit langer<br />
oder nur mittlerer Reichweite <strong>und</strong> dem Willen zur politischen<br />
Gestaltung, zur Meinungsführerschaft <strong>und</strong> zur
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Durchsetzung von Machtansprüchen, denn es geht<br />
letztendlich nur darum, fehlt jedoch gänzlich. Hier<br />
klafft eine eklatante Lücke <strong>und</strong> spätestens hier, meine<br />
Damen <strong>und</strong> Herren, kommen wir um die zentrale<br />
Frage der Gleichberechtigung nicht herum, wollen<br />
wir eine Demokratie modernisieren, die es wahrhaftig<br />
verdiente, das geographische Zentrum Europas<br />
schmücken zu dürfen. Integration, meine Damen<br />
<strong>und</strong> Herren, kann nur gelingen, wenn mit der Gesellschaft,<br />
insbesondere auch wegen der Zugewanderten,<br />
<strong>und</strong> der einheimischen Bevölkerung ein Konsens<br />
darüber hergestellt wird, was unter Integration<br />
zu verstehen ist <strong>und</strong> welche berechtigten Erwartungen<br />
sich daraus an die Aufnahmegesellschaft wie<br />
auch an die Zugewanderten ableiten. Die wichtigste<br />
Vorraussetzung für Integration ist meines Erachtens<br />
ein Gesellschaftsverständnis, welches Zugewanderte<br />
durch faktische rechtliche Sicherheit den Einheimischen<br />
gleichstellt <strong>und</strong> ihnen damit die Identifikation<br />
mit <strong>und</strong> die Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft<br />
ermöglicht. Integration verstehe ich nicht als eine einseitige<br />
Übernahme einer vorgef<strong>und</strong>enen Ordnung,<br />
sondern vielmehr als einen ständigen dialogischen<br />
Prozess der gegenseitigen Verständigung über die<br />
gemeinsamen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Regeln des Zusammenlebens,<br />
in den Zugewanderte wie Einheimische<br />
gleichermaßen eingeb<strong>und</strong>en sein sollten. Ich lebe<br />
seit 40 Jahren hier in Deutschland <strong>und</strong> befasse mich<br />
relativ intensiv mit dem Problem Integration <strong>und</strong><br />
nehme mir auch das Recht, sagen zu können, dass<br />
dieser dialogische Prozess in meinen Augen nicht<br />
oder noch nicht im gebotenen Maße in Gang gekommen<br />
ist, bedenkt man, dass die deutsche Immigrationsrealität<br />
bald so alt ist wie die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
selbst. Das Gr<strong>und</strong>gesetz wurde 1948 ausgerufen,<br />
1955 wurden die ersten Anwerbeverträge mit Italien<br />
verifiziert. Es sind gut 50 Jahre vergangen, meine<br />
Damen <strong>und</strong> Herren. Das ist ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Wo stehen wir heute?<br />
● Die von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit <strong>und</strong> vor allem Langzeitarbeitslosigkeit<br />
betroffenen Ausländer sind<br />
prozentual viel mehr als die Deutschen,<br />
● sie leben immer noch in schlechteren Unterkünften,<br />
● sie führen immer noch zum Großteil die niederen<br />
<strong>Arbeit</strong>en aus <strong>und</strong><br />
● gehören dadurch immer noch zu den niedrigeren<br />
Einkommensschichten,<br />
● sie sind in den Führungsebenen immer noch<br />
die große Ausnahme,<br />
● sie haben immer noch die schlechteren Schulabschlüsse,<br />
obwohl hier geboren,<br />
● sie sind immer noch von ernstzunehmenden<br />
Partizipationsmöglichkeiten ausgeschlossen<br />
● die Segregrationsphänomene verstärken sich<br />
leider Gottes.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren, Sie sehen, es gibt wirklich<br />
viel zu tun. Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> wünsche der Veranstaltung noch<br />
einen guten Verlauf.<br />
15
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Vicky Pompizzi, M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk,<br />
Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
Iris Rebaudo,<br />
Referentin auf internationalen Elternabenden<br />
Lisa Fortunato, EP M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk<br />
Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
Eckhardt Hengel,<br />
Leiter der Mathildenschule, Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Sofia Milosavljevic, Schülerin der Mathildenschule<br />
Eldina Muratovic, Schülerin der Mathildenschule<br />
Pia Lutter, Schülerin der Mathildenschule<br />
Metin Emir,<br />
Mitglied der Kommunalen Ausländervertretung der<br />
Stadt Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
Sevda Cemaloglu, Datenbankadministratorin,<br />
ehrernamtliche Mulitplikatorin<br />
Vicky Pompizzi: Ja, was bedeutet Ausbildung für<br />
dich? Diese Frage <strong>und</strong> diese Thematik wollen wir<br />
Jugendlichen, aber auch ihren Eltern näher bringen,<br />
damit sie sich mehr damit beschäftigen. Zunächst<br />
möchte ich mich <strong>und</strong> unser Bildungswerk vorstellen.<br />
Mein Name ist Vicky Pompizzi, mein <strong>Arbeit</strong>geber ist<br />
CGIL– Bildungswerk. Meine Kollegin Lisa Fortunato<br />
ist mit mir Projektleiterin, <strong>und</strong> unser Vorsitzender<br />
Franco Marincola, der vorne dabei sitzt, ist mit im Projektteam<br />
dabei <strong>und</strong> schaut uns auch immer wieder<br />
auf die Finger. Unser Projekt heißt „Er-höhung der<br />
Ausbildungsbereitschaft bei jugendlichen Migrantinnen“.<br />
CGIL ist eine Migrantenorganisation wie man<br />
16<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
4. M.A.R.E.: Ausbildung als Basis für gelingende Integration<br />
Vicky Pompizzi Lisa Fortunato<br />
heute so schön sagt, also wir bestehen aus lauter<br />
Personen nichtdeutscher Herkunft, die hier in<br />
Deutschland Ausbildungs- oder Berufswege erlebt<br />
haben. Herr Di Benedetto hat schon Zahlen zur<br />
Ausbildungsbeteiligung <strong>und</strong> zum Niveau schulischer<br />
Abschlüsse angeführt. Ich beschränke mich<br />
auf zwei Zahlen zur Ausgangssituation in Hessen;<br />
<strong>und</strong> die eine ist die, dass im Sommer bekannt<br />
geworden ist, dass 10.000 Ausbildungsstellen in<br />
diesem Jahr fehlen werden. Das ist eine Zahl, die<br />
die IHK herausgegeben hat. Auf der anderen Seite<br />
sehen wir den Anteil der jugendlichen Nichtdeutschen<br />
(also ich bevorzuge immer dieses Wort,<br />
auch wenn es nicht mehr ganz stimmig ist, da viele<br />
ja die deutsche Staatsbürgerschaft haben). Emigrant<br />
hat Herr Di Benedetto so schön gesagt, ist ja<br />
auch nicht richtig, weil wir sind sesshaft.<br />
Also der Anteil der nichtdeutschen Schülerinnen in<br />
den unterschiedlichen Schul- <strong>und</strong> Bildungswegen ist<br />
umso höher, je niedriger die Qualifikationsstufe ist.<br />
Und gerade hier in den vier Gebietskörperschaften der<br />
Entwicklungspartnerschaft, das ist Stadt Frankfurt,<br />
Stadt Offenbach, Kreis Offenbach <strong>und</strong> <strong>Main</strong> Taunus<br />
Kreis, sehen wir, dass in Frankfurt der Anteil der Nichtdeutschen<br />
in der Hauptschule fast 60 % beträgt. Es<br />
wird in Offenbach etwas besser, Kreis Offenbach noch<br />
etwas besser <strong>und</strong> der <strong>Main</strong> Taunus-Kreis hat dann ca.<br />
40 % als Anteil. Also schlechte Ausgangsvoraussetzungen<br />
für nichtdeutsche jugendliche. Personen ohne<br />
abgeschlossene Berufsausbildung haben eine <strong>Arbeit</strong>slosenquote<br />
in Höhe von 22 % (Statistik aus dem Jahre<br />
2000). Die <strong>Arbeit</strong>slosenquote der Personen ohne<br />
abgeschlossene Berufsausbildung ist dreimal so hoch,<br />
wie die der Personen mit abgeschlossener Ausbildung.<br />
Ausbildung ist f<strong>und</strong>amental für berufliche Chancen.<br />
Hier gilt es anzusetzen.<br />
Jugendliche versuchen wir zu sensibilisieren, zu informieren<br />
aber auch zu ermutigen, wir versuchen Eltern<br />
über das Bildungssystem aufzuklären <strong>und</strong> zur aktiven<br />
Unterstützung ihrer Kinder zu motivieren. Wir betreiben<br />
ein wenig Politik, indem wir die Bedeutung der<br />
sprachlichen <strong>und</strong> kulturellen Kenntnisse <strong>und</strong> die<br />
Fähigkeit, sich flexibel mit neuen Situationen zurecht<br />
zu finden, als Ressource <strong>und</strong> Potenziale darstellen.<br />
Jetzt fragen sie sich sicherlich, wie machen wir das.<br />
Unsere <strong>Arbeit</strong>sfelder im Projekt sind zu unterteilen in
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
vier Bausteine. Ein erster ist das Entwicklungs- <strong>und</strong><br />
Koordinationszentrum für Aktivitäten zur Anhebung<br />
der Ausbildungsbereitschaft. Hierbei ist CGIL-Bildungswerk<br />
dann die Basis. Wir bauen ein Multiplikatorennetzwerk<br />
auf unter dem Motto Migrant/innen<br />
fördern Migrant/innen. Ich sage immer beides. Also<br />
Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen. Der dritte Baustein sind<br />
die Sensibilisierungs- <strong>und</strong> Informationsveranstaltungen<br />
für Eltern, solche für Jugendliche oder eben für<br />
die Verwaltung, für Lehrerinnen <strong>und</strong> für Jugendeinrichtungen.<br />
Und der vierte große Baustein ist die<br />
Öffentlichkeitsarbeit. CGIL Bildungswerk soll in diesem<br />
M.A.R.E.-Projekt auch die Botschaft „Ausbildung<br />
lohnt sich“ nach außen tragen. Vor allen Dingen natürlich<br />
auch an die entsprechenden Jugendlichen <strong>und</strong><br />
Eltern. Besonders beliebt als Werbeträger sind unsere<br />
T-Shirts, die die beiden Mädchen da vorn anhaben.<br />
Wir machen z.B. Fußballturniere <strong>und</strong> es gibt eine<br />
türkische Fußballmannschaft, die mit unseren Trikots<br />
<strong>und</strong> Hosen spielt, eine komplette Saison <strong>und</strong> die<br />
weitere Saison natürlich auch.<br />
Zwischenergebnis unseres Projektes ist, dass wir innerhalb<br />
eines Projektjahres durch Veranstaltungen <strong>und</strong><br />
Aktionen 2000 Personen erreicht haben, ohne die zu<br />
zählen, die Zeitung lesen sondern einfach über unsere Maßnahmen.<br />
Als Ziel hatten wir uns gesetzt, im Projektzeitraum<br />
3000 zu erreichen; wenn man sieht, dass wir<br />
noch 1, 5 Jahre vor uns haben, denke ich, können wir ganz<br />
beruhigt in die Zukunft schauen, wir werden sie erreichen.<br />
Das Projekt selber möchten wir ihnen nun in kleinen<br />
Gesprächsr<strong>und</strong>en, zu denen ich immer wieder andere<br />
Gesprächpartner bitten werde, näher bringen. Dazu<br />
bitte ich als erstes Herrn Hengel,Schul-leiter der<br />
Mathildenschule, <strong>und</strong> Iris Rebaudo als eine Betreuerin,<br />
die für uns vor Ort tätig ist, nach oben. Und natürlich<br />
meine Kollegin Elisabetta Fortunato, die mich jetzt<br />
hier als sogenannte Expertin unterstützen wird, weil ich ja<br />
hier die Moderation machen muss. Eines der Schwerpunkte<br />
unserer <strong>Arbeit</strong> ist die Information <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />
<strong>und</strong> natürlich die Einbeziehung der Eltern. Vor<br />
allen Dingen geht es uns ja um die Zweisprachigkeit<br />
<strong>und</strong> die Bikulturalität. Frau Rebaudo hat zwei Kinder<br />
<strong>und</strong> ist mit einem italienischen Muttersprachenlehrer<br />
verheiratet <strong>und</strong> insoweit mit der Materie, was das Verhältnis<br />
Eltern, Kinder <strong>und</strong> Schule anbelangt, sehr ver-<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
traut. Sie ist für uns als Betreuerin <strong>und</strong> Leiterin für<br />
diverse Projekte tätig gewesen <strong>und</strong> im EQUAL Mare<br />
unterstützt sie uns bei den muttersprachlichen<br />
Elternabenden. Frau Rebaudo, an Sie geht jetzt<br />
meine erste Frage.<br />
Was machen Sie in diesem Elternabenden, welche<br />
Erfahrungen machen Sie mit den Eltern?<br />
Iris Rebaudo: Zunächst mal ist zu den Elternabenden<br />
zu sagen, dass wir versuchen, sie in den Muttersprachen<br />
zu gestalten, dass die auch ansprechend sind für<br />
die Eltern. Sie werden leider nicht immer sehr gut frequentiert,<br />
es kommen oft nur sehr wenige Eltern. Das<br />
Problem kennen wir nun schon seit vielen Jahren <strong>und</strong><br />
versuchen dem halt entgegenzuwirken, indem wir<br />
versuchen viele persönliche Kontakte zu knüpfen<br />
zu den Eltern, die Kinder kennen zulernen <strong>und</strong> darüber<br />
hinaus dann auch konkrete Angebote für die<br />
Eltern zu machen. Also vielleicht noch ein bisschen<br />
was dazu. Ich habe fast nur mit italienischen Eltern zu<br />
tun, <strong>und</strong> ich frage mich persönlich immer wieder,<br />
warum kommen die italienischen Eltern wenig in die<br />
Schule, warum kommen sie auch selten zu internationalen<br />
Veranstaltungen oder anderen Elternabenden.<br />
Ich habe dann auch viele Italiener befragt,<br />
warum ist das so <strong>und</strong> was man daran ändern kann,<br />
<strong>und</strong> das ist nicht immer einfach zu beantworten. Ich<br />
denke, erstmal hat Herr Corrado Di Benedetto auch<br />
schon darauf hingewiesen, dass das historisch<br />
gewachsen ist <strong>und</strong> dass gerade die Italiener gegenüber<br />
Institutionen noch sehr zurückhaltend sind. Und<br />
Schule ist etwas, was leider immer noch nicht für so<br />
wichtig angesehen wird. Zum Teil ist es aber auch so,<br />
dass die Eltern sich sprachlich immer noch nicht so fit<br />
fühlen, dass sie denken, da verstehe ich nichts ich<br />
bekomme nur die Hälfte mit, oder sie müssen sich<br />
jemand mitbringen, der übersetzt. Man kann halt<br />
nicht alles mehrsprachig gestalten. Wir versuchen<br />
das zwar immer wieder mit Übersetzungen zu<br />
machen, trotzdem gelingt das leider nicht immer.<br />
Wenn man aber mal Kontakt hat zu italienischen<br />
Eltern über bestimmte Projekte <strong>und</strong> die Eltern persönlich<br />
kennt, dann hat man wirklich einen B<strong>und</strong><br />
fürs Leben geschlossen <strong>und</strong> sie kommen dann<br />
17
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
immer wieder <strong>und</strong> kommen dann immer wieder auf<br />
einen zu, wenn Probleme bestehen. Und dann kann<br />
man Sie immer an andere Institutionen überweisen.<br />
Vicky Pompizzi:<br />
Das sieht so ein<br />
bisschen auch aus<br />
wie an die Hand<br />
nehmen.....<br />
Iris Rebaudo: Richtig,<br />
das ist auch das<br />
wichtigste an der<br />
Elternarbeit, dass<br />
man immer wieder versucht sie zu sensibilisieren, dass<br />
Schule halt wichtig ist, dass eine gute Ausbildung<br />
enorm wichtig ist, <strong>und</strong> ihnen auch klarzumachen<br />
dass wenn sie hier leben, sie sich ein bißchen lösen<br />
müssen von der Idee - denn die haben Italiener sie<br />
immer noch - wir gehen ja irgendwann doch wieder<br />
nach Italien zurück. Diese Vorstellung ist leider<br />
unrealistisch, denn auch dort haben sie keine Wurzeln<br />
mehr. Viele Italiener hängen aber mit dem Herz<br />
einfach noch in Italien.<br />
Und zum Teil<br />
erlebe ich immer<br />
wieder, dass Eltern,<br />
wenn irgendwelche<br />
Probleme in der<br />
Schule auftauchen,<br />
sie dann einfach<br />
nach den Ferien<br />
nicht mehr wiederkommen<br />
<strong>und</strong> in Italien<br />
verschw<strong>und</strong>en sind. Nach drei Jahren kommen<br />
sie dann wieder, weil sie auch in Italien nicht klar<br />
gekommen sind, <strong>und</strong> dann wird das ganze doppelt<br />
schwierig.<br />
Vicky Pompizzi: Dass heißt, wenn ich sie richtig<br />
verstanden habe, müssen wir auch früh ansetzen,<br />
also in der Schulphase ist es eigentlich schon zu<br />
spät wenn wir die Eltern informieren?<br />
Iris Rebaudo: Ja, also am sinnvollsten halte ich es<br />
wirklich, schon im Jahr vor der Schule anzufangen.<br />
18<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Die Kinder einzubinden, an die Schule zu gewöhnen<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig die Eltern. In der Phase bringen die<br />
Eltern ihre Kinder noch persönlich <strong>und</strong> holen sie<br />
wieder ab, so dass man sofort persönlichen<br />
Kontakt hat. Das ganze ist, glaube ich, wenn es<br />
später ansetzt <strong>und</strong> dann in Form von Stützkursen,<br />
zwar auch wichtig, aber dann ist es eigentlich<br />
schon zu spät.<br />
Vicky Pompizzi: Herr Hengel, mit Ihnen an der<br />
Mathildenschule arbeiten wir ja schon länger, wir<br />
haben mit Ihnen einige Elternabende gestaltet. Wir<br />
war das denn vor EQUAL, wie waren da die Elternabende<br />
besucht, <strong>und</strong> wie war es jetzt, <strong>und</strong> was denken<br />
sie hat sich geändert?<br />
Eckhardt Hengel: Ja, die Elternabende an unserer<br />
Schule sind sehr<br />
unterschiedlich<br />
besucht, auch schon<br />
vorher. Wir hatten<br />
ja in den vergangenen<br />
Jahrennoch<br />
wesentlich mehr<br />
Herkunftssprachen<br />
im Unterricht,<br />
dementsprechend<br />
auch mehr muttersprachlicheLehrkräfte,<br />
die sehr oft<br />
die Rolle von Ver-<br />
Eckhard Hengel, Leiter der Mathildenschule,<br />
Offenbach<br />
mittlern gespielt<br />
haben. Die dann<br />
ihrerseits die Eltern<br />
angesprochen haben, wenn ein Elternabend ist, persönlich<br />
angerufen haben <strong>und</strong> ähnliches. Die auch die<br />
Einladungen in den Sprachen geschrieben haben,<br />
soweit dies möglich ist. Das alles tun sie auch heute<br />
noch, aber die Zahl der Lehrkräfte ist eben im<br />
Zusammenhang mit der derzeitigen Schulpolitik<br />
zurück gegangen, was wir an unserer Schule jedenfalls<br />
schmerzlich beklagen. Wir finden das nicht gut,<br />
aber wir sind natürlich auf der anderen Seite froh,<br />
wenn wir dann von anderer Seite wieder Hilfe<br />
bekommen. Es kommt in der Tat darauf an, dass die<br />
Eltern ganz persönlich angesprochen werden. Frau
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Rebaudo hat ja sehr ausführlich <strong>und</strong> sehr konkret die<br />
Hintergründe, warum Eltern nicht kommen, dargestellt.<br />
Das ist genau die Sicht, die wir auch haben,<br />
dass sie sich nicht<br />
trauen, dann der<br />
Abstand gegenüber<br />
der Institution, die<br />
Einstellung, dass Bildung<br />
ja vielleicht<br />
doch nicht so wichtig<br />
ist oder eben<br />
ähnliche Dinge. Das<br />
alles erfordert, dass<br />
man auf diese Eltern<br />
zugeht <strong>und</strong> ihnen erklärt, warum es wichtig ist zu kommen,<br />
<strong>und</strong> ihnen auch erklärt, dass es ist gar nicht so<br />
wichtig ist, wenn sie die Sprachen nicht können. Denn es<br />
wird auch jemand beim Elternabend dabei sein, der ihre<br />
Sprache spricht.<br />
Also ich denke, dass gerade bei Elternabenden, wo<br />
über das Schulsystem informiert wird, Vertreter da<br />
sind, die diese betreffenden Sprachen sprechen.<br />
Die Einladung sollte schon in dieser Sprache<br />
geschrieben sein,<br />
damit die Eltern<br />
auch verstehen,<br />
wozu sie eingeladen<br />
sind. Wir<br />
haben oft den Fall,<br />
dass die Einladungen<br />
von den Eltern<br />
teilweise gar nicht<br />
verstanden werden.<br />
Es gibt Eltern,<br />
die unterschreiben Verträge mit Bildungsinstitutionen<br />
<strong>und</strong> wissen überhaupt nicht, was sie unterschrieben<br />
haben, <strong>und</strong> so ist es eben auch mit diesem Einladungen.<br />
Also das sind sehr wichtige Dinge, wie die<br />
individuelle Ansprache.<br />
Ich denke, es gibt aber auch noch andere Punkte<br />
an denen man arbeiten muss. Ich halte es für wichtig,<br />
dass die Eltern der Schüler Deutsch lernen, <strong>und</strong><br />
wir versuchen das an unserer Schule dadurch,<br />
dass wir Deutschkurse einrichten. Vor allen die<br />
Frauen haben oft die Gelegenheit nicht, weil die<br />
Männer nicht wollen, dass sie abends zur Volks-<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
hochschule gehen. In die Schule dürfen sie gehen <strong>und</strong><br />
gleichzeitig sind sie auch frei dorthin zu gehen, weil die<br />
Kinder in der Schule sind <strong>und</strong> für kleinerer Kinder dort<br />
eine Betreuung gegeben wird. Aber diese Kurse sind<br />
nicht gesichert auf die Dauer.<br />
Das heißt, es wäre sehr wichtig, eine Sicherheit herzustellen,<br />
dass diese Kurse stattfinden können, <strong>und</strong><br />
es wäre auch wichtig, dass Ansprechpartner da sind,<br />
die diese extern dann eben gezielt informieren, dass<br />
diese Kurse stattfinden.<br />
Da kann man gar nicht genug tun, da reicht es nicht,<br />
wenn die Schule informiert, sondern auch Personen,<br />
die die Sprache der Migranten sprechen, die Eltern<br />
darauf aufmerksam machen, dass diese Kurse stattfinden.<br />
Vicky Pompizzi: Wir hoch war denn die Besucherzahl<br />
des letzten Elternabends?<br />
Eckhardt Hengel: Ja, also wenn Sie jetzt den letzten<br />
Abend nehmen, da war die Besucherzahl sehr gut.<br />
Das war ein Elternabend für türkische Eltern, <strong>und</strong> es<br />
war ungefähr die Hälfte der Eltern da. Ich weiß die<br />
Zahl nicht mehr genau, aber von ca. 130 türkischen<br />
Eltern waren ca. 65 Eltern da, <strong>und</strong> das ist natürlich<br />
seine sehr gute Zahl. Zu diesem Elternabend war<br />
ganz persönlich telefonisch noch kurz vor dem<br />
Elternabend eingeladen worden, außerdem hatte<br />
der Elternabend auch einen etwas herausgehobenen<br />
Charakter, es war der Kulturattachee des türkischen<br />
Generalkonsuls anwesend. Den kann man natürlich<br />
nicht immer dabei haben. Aber ich denke, wenn man<br />
solchen Elternabenden vielleicht einen etwas herausgehobenen<br />
Charakter anbietet, zieht das die<br />
Eltern dann auch an. Dann denke ich, kann man<br />
auch mehr Eltern dafür gewinnen zu den Elternabenden<br />
zu kommen.<br />
Vicky Pompizzi: Frau Fortunato was ist speziell an<br />
diesen Elternabenden?<br />
Lisa Fortunato: Einige Punkte wurden schon erwähnt.<br />
Dadurch dass wir als Migrantenorganisation<br />
die Migranten direkt ansprechen, entsteht eine<br />
Nähe, die einfach auf der persönlichen <strong>und</strong> gemeinsamen<br />
Erfahrung beruht, <strong>und</strong> dadurch verstehen wir<br />
19
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
auch die Problematiken <strong>und</strong> auch die Vorurteile, die<br />
diese Eltern haben können. Viele Schulen haben sich<br />
bei uns beklagt <strong>und</strong> gesagt, die ausländischen Eltern,<br />
die kommen nie zu den Elternabenden. Aber viele können<br />
kein oder nur sehr schlecht Deutsch <strong>und</strong> schämen sich<br />
<strong>und</strong> verstehen wichtige<br />
Teile des Abends<br />
nicht. Dadurch dass<br />
wir die Elternabende<br />
in der Herkunftsspracheorganisieren<br />
<strong>und</strong> Personen<br />
einladen, die wichtig<br />
sind - also der Kulturattachee<br />
wurde erwähnt,<br />
wir haben<br />
auch den italienischen Schuldirektor eingeladen, Vertreter<br />
von unseren Kooperationspartnern, EQUAL,<br />
<strong>Arbeit</strong>samt, die waren alle da -, entsteht auch eine<br />
Wichtigkeit <strong>und</strong> wir merken, die Eltern sind interessiert,<br />
Informationen zu bekommen, Informationen<br />
zum Schulsystem, zum Ausbildungssystem, das sich<br />
frappant unterscheidet vom eigenen Ausbildungssystem.<br />
Zum Beispiel Italien<br />
oder die Türkei kennen<br />
das duale Ausbildungssystem<br />
so<br />
wie es in Deutschland<br />
oder in der<br />
Schweiz durchgeführt<br />
wird nicht.<br />
Wichtig ist auch der<br />
persönliche Kontakt.<br />
Durch die Anrufe<br />
ein bis zwei Tage vor dem Elternaben werden die<br />
Eltern noch einmal persönlich angerufen, erinnert,<br />
dass der Elternabend stattfindet. Wir beziehen auch<br />
Personen ein, die wirklich einen direkten Kontakt<br />
haben zu den Eltern, z.B. die Ausländerbeiräte, der<br />
italienische Pfarrer, der auch einen großen Einfluss<br />
hat, also dadurch machen wir Werbung <strong>und</strong> die Personen<br />
fühlen sich von vielen Seiten angesprochen<br />
<strong>und</strong> kommen dann. Herr Hengel hat vom türkischen<br />
Elternabend gesprochen, ich kann die Zahlen vom<br />
italienischen Elternabend sagen: also bevor wir in<br />
EQUAL eingestiegen sind, sind 4 Eltern gekommen<br />
20<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
an einem italienischen Elternabend. Mit uns waren<br />
es mit Jugendlichen, Kindern, Eltern um die 50.<br />
Mit den Türken hatten wir auch ganz gute Erfahrungen,<br />
da hatten wir auch Elternabende außerhalb der<br />
Schule organisiert. Wir gehen dorthin, wo die Eltern<br />
sind, das sind die Vereine zum Beispiel. Die Kulturvereine<br />
oder die regionalen Vereinigungen. Als gutes Beispiel<br />
ist hier auch TELB zu nennen, der türkische Elternb<strong>und</strong>,<br />
mit dem wir einen Abend organisiert haben, zu<br />
dem 120 Personen gekommen sind.<br />
Mit Jugendlichen, Eltern, Vertretungen der deutschen<br />
Seite, aber auch der Generalkonsul war dann persönlich<br />
da. Und das sind dann Erfolge, <strong>und</strong> wir bemerken,<br />
die Eltern sind interessiert <strong>und</strong> wollen Informationen<br />
bekommen, <strong>und</strong> die geben wir dann auch.<br />
Vicky Pompizzi: Danke, also ein Merkmal ist die<br />
Zweisprachigkeit des Elternabends, ein anderes die<br />
Einbeziehung von Personen aus den Migarantenorganisationen<br />
als Vorbilder. Ich danke Ihnen. Und<br />
jetzt machen wir eine sportliche Auswechslung <strong>und</strong><br />
ich bitte Herrn Metin Emir, Eldina, Pia <strong>und</strong> Sofia zu<br />
mir. Neben den Eltern gilt natürlich unsere <strong>Arbeit</strong> vor<br />
allen auch den Jugendlichen, denn um die geht es.<br />
Ein Weg in dieser <strong>Arbeit</strong> ist die Vereinsarbeit. Herr<br />
Emir ist meiner Ansicht nach ein sogenannter Tausendsassa,<br />
ein Hans-Dampf in allen Gassen. Er ist<br />
nicht nur KAV-Mitglied, manche aus Frankfurt kennen<br />
ihn, er ist auch Mitglied in verschiedenen Vereinen,<br />
er ist Fußballbetreuer, er schiedsrichtert auch<br />
ab <strong>und</strong> zu mal ehrenamtlich <strong>und</strong> er hilft uns im<br />
EQUAL-Mare-Projekt sehr stark, also ohne ihn wäre<br />
vieles nicht möglich gewesen. Ob es mal um einen<br />
Fußballplatz geht oder um einen türkischen Übersetzer,<br />
er ist mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Stelle. Herr Emir, worin<br />
sehen Sie die wichtigste <strong>Arbeit</strong>, um Jugendliche möglichst<br />
gut auf den Ausbildungsweg vorzubereiten?<br />
Metin Emir: Zuerst einmal durch Schulsysteme. Wir<br />
haben vorhin gesprochen über Elternabende, <strong>und</strong><br />
dass ganz wenige zum Elternabend kommen. Dann<br />
ist der Verein angesagt, oder Elternvereine oder<br />
Sportvereine, dass die mehr persönliche Gespräche<br />
machen. Eltern müssen auch über Schulsysteme<br />
informiert werden <strong>und</strong> auch über Möglichkeiten oder<br />
auch Bedingungen für Berufe. Welche Berufe gibt es
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Ausbildung macht fit! Die Fußballer des türkischen Vereins TSV<br />
UMUTSPOR in M.A.R.E.-Trikots<br />
bei uns. Also gewöhnliche Berufe wie Frisöse oder<br />
Automechaniker, aber da gibt es noch etliche andere<br />
Berufe <strong>und</strong> die Eltern sind nicht informiert. Das ist<br />
das wichtige Thema <strong>und</strong> da müssen wir als Verein<br />
über dieses Thema mit Ihnen diskutieren. Und auch<br />
Hilfestellung von den Erwachsenen. Denn ohne die<br />
Hilfe von Erwachsenen sind die Jugendlichen dazu<br />
nicht in der Lage.<br />
Vicky Pompizzi: Ich denke ein Vorteil eines Vereines<br />
oder einer Person wie Herrn Emir ist, dass sie ja<br />
selber von diesen Leuten sind. Also wenn ich jetzt<br />
hingehe <strong>und</strong> sage, ich bin Vicky Pompizzi <strong>und</strong> ich<br />
erzähle ihnen jetzt mal was, dann bringt das nicht so<br />
viel wie wenn Metin Emir oder Frau Methap Eren die<br />
auch in dem Verein ist, das tut. Wenn Sie selber mit<br />
Ihren eigenen Leutensprechen, sehe ich das richtig?<br />
Metin Emir: Ja richtig. Die müssen auch etwas<br />
Respekt haben. Wenn die Vertrauen haben zu dir,<br />
dann kommen sie zu dir. Ich bekomme öfters abends<br />
Anrufe, „was machen wir“ <strong>und</strong> auch wegen der Sonderschulgeschichte.<br />
Sie kommen zu uns <strong>und</strong> rufen<br />
an, um Informationen zu bekommen. Ich gebe die<br />
dann weiter <strong>und</strong> schaue, wie ich helfen kann. Wenn<br />
ich helfen kann, dann helfe ich weiter <strong>und</strong> wenn nicht,<br />
gebe ich andere Telefonnummern <strong>und</strong> Adressen weiter<br />
oder ich mache mit Ihnen Termin <strong>und</strong> gehe selbst<br />
mit ihnen hin, wenn ich Zeit habe.<br />
Aber da fehlen den Vereinen Räumlichkeiten, so dass<br />
man einmal im Monat eine Infoveranstaltung organisieren<br />
kann mit Themen über Drogen, Schulsysteme.<br />
So was fehlt, da brauchen wir Leute <strong>und</strong> auch Vertrauen,<br />
das ist wichtig.<br />
Vicky Pompizzi: Gut, in unserer <strong>Arbeit</strong> versuchen<br />
wir das ja jetzt zusammen hinzubringen. Herr Emir,<br />
eine Sache kann ich mir natürlich jetzt nicht verkneifen<br />
zum Thema unserer Fußballmannschaft. TSV<br />
Umutspor läuft ja mit unseren Trikots auf. Heißt<br />
das jetzt, die laufen nur mit diesen Trikots oder<br />
machen die auch ein bißchen Werbung?<br />
Metin Emir: Ja gut, Werbung auch, laufen <strong>und</strong> die sind<br />
auch informiert. Ich habe einen Fall, da kam ein<br />
Jugendlicher von der B-Jugend zu mir <strong>und</strong> sagte,<br />
dass einer von der Gegenmannschaft ihn gefragt hat,<br />
was heißt „Ausbildung lohnt sich“. Er hat ihm dann<br />
alles erklärt <strong>und</strong> ihn informiert. Die sind also schon in<br />
der Lage, etwas weiterzugeben, <strong>und</strong> die wissen was<br />
wichtig ist.<br />
Vicky Pompizzi: Aber die wissen das auch, weil Sie es<br />
ihnen erklärt haben. Das ist ja schon eine Leistung.<br />
Metin Emir:<br />
Richtig. Ich bin<br />
Betreuer von der<br />
Mannschaft, wir<br />
reden mal öfters<br />
über solche Informationen.<br />
Vicky Pompizzi:<br />
Danke.<br />
Frau Fortunato.<br />
Ein anderer<br />
Zugang zu<br />
den Jugendli-<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Jugendlicher beim Bullriding auf der Berufsbildungsmesse<br />
in Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
chen sind z.B. Berufsbildungsmessen. Wie hat CGIL<br />
es erreicht, dass sich Jugendliche wirklich interessieren<br />
für den Stand? Weil einfach nur Flyer hinlegen,<br />
dass juckt ja keinen Jugendlichen.<br />
Lisa Fortunato: Ja, wir haben dieses Jahr insgesamt<br />
vier Berufsbildungsmessen besucht <strong>und</strong> wir konnten<br />
die Jugendlichen mit einem wirklich tollen Wettbewerb<br />
auch für uns gewinnen. Und zwar haben wir<br />
21
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
einen eisernen Bullen organisiert, sogenanntes Bullriding,<br />
<strong>und</strong> es ging wirklich um das Motto: Ist der Bulle zu<br />
stark, bist du zu schwach. Das heißt, du musst dich<br />
mehr um die Ausbildung kümmern. Da konnten sich die<br />
Jugendlichen auf den Bullen setzen <strong>und</strong> versuchen so<br />
lange wie möglich draufzubleiben. In Frankfurt waren<br />
dann schlussendlich in 3 Tagen über 700 Jugendliche<br />
drauf, das sind also wirklich ganz tolle Zahlen. Wir<br />
haben die Jugendlichen durch diesen Event, aber auch<br />
durch die Preise dann zu fangen versucht. Es gab unter<br />
anderem Trikots von der Eintracht Frankfurt, oder<br />
als wir die Berufsbildungsmesse in Offenbach<br />
gemacht haben, von den Offenbacher Kickers mit<br />
Originalunterschriften.<br />
Da waren die Jungs vor allem sehr scharf drauf. Ein anderer<br />
Preis war ein Tag mit dem Offenbacher Oberbürgermeister<br />
Grandke oder die Teilnahme am Triathlon in<br />
Frankfurt. Aber mit diesen Aufhängern hatten wir r<strong>und</strong><br />
50 Unternehmen der ganzen Region, die bereit waren,<br />
Schnuppertage für die Jugendlichen bereitzustellen. Und<br />
da spreche ich auch von großen Unternehmen wie<br />
Fraport oder HL, Siemens, die Städte waren dabei.<br />
Ziel war, dass wir den ausländischen Jugendlichen<br />
die Möglichkeit geben können, Unternehmen kennenzulernen,<br />
zu denen sie nicht immer einen Zugang<br />
haben, nicht nur weil es große sind oder weil sie<br />
Ausländer sind, sondern weil die Berufsbilder nicht<br />
bekannt sind, die diese Firmen anbieten, <strong>und</strong> ihnen<br />
so die Möglichkeit zu geben eine Einsicht zu bekommen<br />
in Möglichkeiten, so dass sie wirklich ihren<br />
Horizont für die Zukunft öffnen können. Wir haben<br />
die Gelegenheit dann auch erfasst <strong>und</strong> uns gesagt, die<br />
Jugendlichen gehen nicht einfach so auf den Bullen,<br />
wir wollen auch wissen, was sie denken. Und dazu<br />
mussten sie einen Fragebogen ausfüllen mit Fragen<br />
zu Ihrer Herkunft, aber auch zur Ausbildung, den Vorstellungen,<br />
die sie haben in Bezug auf Ausbildungssituation,<br />
Erwartungen, Wünsche aber auch die Realität.<br />
Und da sind jetzt insgesamt 1500 dieser Zettel<br />
zusammen gekommen, die man auch auswerten kann<br />
<strong>und</strong> auf Basis von dem kann man für nächstes Jahr<br />
auch dann neue Maßnahmen durchführen.<br />
Vicky Pompizzi: Vielen Dank, jetzt komme ich zu<br />
den Jugendlichen. Zu Euch. Eldina, Pia steht hinten<br />
22<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
B<strong>und</strong>estagspräsident Wolfgang Thierse mit Offenbacher Schülerinnen,<br />
die das Magazin Abenteuer Ausbildung erstellen.<br />
<strong>und</strong> vorne Sofia. Zu Eldina als erstes, denn eigentlich<br />
ist sie schon eine kleine Berühmtheit. Warum, was<br />
ist passiert Eldina?<br />
Eldina: Ich wurde vom hessischen R<strong>und</strong>funk einen<br />
ganzen Tag begleitet <strong>und</strong> gefilmt, als der B<strong>und</strong>estagspräsident<br />
Herr Thierse hier war. Sie hatten<br />
erfahren, dass er hier ist, <strong>und</strong> sie hatten jemand<br />
gesucht, der in der AG Wegweiser dabei ist, den sie<br />
dann den ganzen Tag begleiten können, bei dem<br />
Interview mit Herrn Thierse auch.<br />
Vicky Pompizzi: AG Wegweiser, was ist das, Frau<br />
Fortunato?<br />
Lisa Fortunato: Die AG Wegweiser ist eine <strong>Arbeit</strong>sgruppe,<br />
die in der Stadt Offenbach entstanden ist <strong>und</strong> zwar<br />
haben sich drei Schulen zusammen getan, die zusammen<br />
zwei Mal im Jahr eine Schülerzeitung produzieren werden.<br />
Vicky Pompizzi: Was ist denn das besondere für<br />
dich an der AG Wegweiser?<br />
Eldina: Ja durch diese AG lernt man Leute wie den<br />
B<strong>und</strong>estagspräsidenten Herrn Thierse oder auch<br />
Herrn Grandke kennen.<br />
Vicky Pompizzi: Da wird gelacht darüber, aber ist ja<br />
auch schön?<br />
Eldina: Solche Leute würden wir sonst nie kennenlernen.<br />
Vicky Pompizzi: Das steigert auch das Selbstbe-
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
wusstsein. Aber was ist für dich noch wichtig an der<br />
AG Wegweiser?<br />
Eldina: Ja, wir haben mit Journalisten wie Herrn<br />
Schiller zu tun <strong>und</strong> durch ihn lernen wir auch, wie<br />
einen Zeitung richtig sein soll.<br />
Vicky Pompizzi: Und was sind das für Artikel, die ihr<br />
schreibt?<br />
Eldina: Also das sind komplette Paktikumsberichte,<br />
auch Checklisten für Bewerbungen <strong>und</strong> solche<br />
Sachen.<br />
Vicky Pompizzi: Und ihr habt einen Namen, oder?<br />
Eldina: Abenteuer Ausbildung.<br />
Vicky Pompizzi: Warum?<br />
Eldina: Wir haben Abenteuer gewählt, da eine Ausbildung<br />
für die Schüler etwas Neues ist. Was sie<br />
noch nie gehabt haben, sie wissen nicht was kommt<br />
<strong>und</strong> deshalb ein Abenteuer.<br />
Vicky Pompizzi: Super, was erwartet das Projekt?<br />
Lisa Fortunato: Was erwarten die Mädchen?<br />
Vicky Pompizzi: Ok, wollen wir die Mädchen fragen,<br />
was erwartet ihr noch von der AG Wegweiser?<br />
Pia: Dass wir sehen, in welchen Berufen eine Ausbildung<br />
gemacht wird <strong>und</strong> wie so was gemacht wird.<br />
Was man alles macht <strong>und</strong> dass wir das auch alles<br />
lernen.<br />
Vicky Pompizzi: Selber?<br />
Pia: Ja<br />
Vicky Pompizzi: Gebt ihr das weiter?<br />
Eldina: Ja wir schreiben ja auch für CGIL die Broschüre,<br />
wir haben auch schon Berichte geschrieben<br />
<strong>und</strong> unsere Paktikumshefte abgegeben.<br />
Vicky Pompizzi: Und das kommt jetzt alles in dieses<br />
„Abenteuer Ausbildung“?<br />
Sofia: Ja<br />
Vicky Pompizzi: Wieviele Seiten wird die haben?<br />
Sofia: Ungefähr 16<br />
Vicky Pompizzi: Ungefähr 16 Seiten, also es ist<br />
nicht klein. Schon was großes.<br />
Pia: Ja.<br />
Vicky Pompizzi: Pia, wird dieses Abenteuer Ausbildung<br />
nur an eurer Schule dann vertrieben oder was<br />
macht ihr damit, weißt du das?<br />
Vicky Pompizzi: Nein? Wird es übersetzt? Weißt du das?<br />
Pia: Ja, das wird in verschiedenen Sprachen übersetzt,<br />
da es ja auch um Migranten geht. Dass heißt,<br />
da es ja für Migranten ist, muss es ja auch in anderen<br />
Sprachen sein <strong>und</strong> so wird das ganze dann übersetzt,<br />
dass die Migranten das dann auch lesen <strong>und</strong><br />
sich wirklich dafür interessieren.<br />
Vicky Pompizzi: Also dass es jeder verstehen kann?<br />
Pia: Ja.<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
SchülerInnen präsentieren mit dem Offenbacher Oberbürgermeister<br />
Grandke die zweite Ausgabe des Magazins „Abenteuer<br />
Ausbildung”<br />
Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, wie geht es denn da<br />
23
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
jetzt weiter? Die 16-seitige Broschüre kommt jetzt.<br />
Was wird dann damit passieren?<br />
Lisa Fortunato: Ja wir haben dieses Jahr begonnen<br />
zu produzieren, wir haben zuerst eine Pilotausgabe<br />
herausgegeben im Zusammenhang mit dem Besuch<br />
von Herrn Thierse beim CGIL-Bildungswerk <strong>und</strong> im<br />
November werden wir nun die erste Ausgabe zum<br />
Thema Betriebspraktikum herausgeben. Es sind16<br />
Seiten <strong>und</strong> die 16 Seiten sind folgendermaßen gefüllt.<br />
Einerseits haben die Mädchen <strong>und</strong> Jungs ihre<br />
Erfahrungen aus den Betriebspraktikas zusammengetragen,<br />
wir haben sie auch zu Geschäftsführern<br />
<strong>und</strong> Personalchefs geschickt, <strong>und</strong> da haben sie auch<br />
Interviews geführt <strong>und</strong> sich erk<strong>und</strong>igt, was bietet<br />
diese Firma an. Wie kann ich mich bewerben? Auf<br />
was achten Personalchefs? Wir werden auch Checklisten<br />
<strong>und</strong> Tops <strong>und</strong> Flops bei den Bewerbungen auflisten<br />
<strong>und</strong> einen Infoteil vorbereiten. Vorgesehen,<br />
wie auch gesagt wurde, ist dass die Ausgabe in drei<br />
Sprachen herausgegeben wird: Italienisch, Türkisch<br />
<strong>und</strong> Deutsch. Die Hefte werden in den Schulen der<br />
vier Gebietskörperschaften verteilt, an die 7. <strong>und</strong> 8.<br />
Klassen, <strong>und</strong> unsere Idee ist es, dass einerseits die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler das Produkt ihrer Klassenkameradinnen<br />
lesen, andererseits durch die<br />
Übersetzung auch Eltern Informationen bekommen.<br />
Dass wenn die Broschüre zu Haus rumliegt, dann<br />
geschaut wird, was sind für Informationen drin, welches<br />
sind meine Ansprechpartner. Bei der Broschüre<br />
ist uns besonders wichtig, dass wir auch alternative<br />
Informationszugänge aufzeigen.<br />
Dass zum Beispiel der Bekannte im Ausländerbeirat<br />
ist, oder der Fre<strong>und</strong> der Sozialarbeiter, der Vereinspräsident;<br />
dass da auch Ansprechpersonen sind,<br />
die Informationen haben, die einem weiterhelfen<br />
<strong>und</strong> weiter informieren können. Was wichtig ist für<br />
die Mädchen <strong>und</strong> Jungs, die teilnehmen.<br />
Im Moment haben wir 30 Jugendliche, die daran<br />
mitschreiben <strong>und</strong> sich durch diese <strong>Arbeit</strong> selber intensiv<br />
mit dem Thema Ausbildung auseinandersetzen,<br />
andererseits aber auch Schlüsselqualifikationen erwerben,<br />
die dann beim Übergang Schule Beruf wichtig<br />
sind. Dass diese Mädchen heute hier sind, obwohl sie<br />
24<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Angst haben <strong>und</strong> eingeschüchtert sind, <strong>und</strong> frei sprechen,<br />
ist eine Hilfe auch, sich vorzubereiten für ein<br />
zukünftiges Vorstellungsgespräch. Dass sie sich vor<br />
einer fremden Person vorstellen müssen, oder dass<br />
sie lernen zu schreiben, auf den Punkt zu kommen, zu<br />
recherchieren. Diese Sachen bekommen diese<br />
Mädchen <strong>und</strong> Jungs mit, <strong>und</strong> das ist ganz wichtig.<br />
Vicky Pompizzi: Jetzt ganz konkret Eldina, welchen<br />
Artikel hast du denn geschrieben für die nächste<br />
Ausgabe?<br />
Eldina: Jetzt direkt noch eigentlich keinen. Die Praktikumberichte<br />
hat jeder für sich selbst geschrieben.<br />
Vicky Pompizzi: Wo warst du?<br />
Eldina: Bei einem Kindergarten<br />
Vicky Pompizzi: Bei einem Kindergarten?<br />
Eldina: Ja<br />
Frau Pompzzi: Sofia?<br />
Sofia: Ich war beim Allgemeinarzt.<br />
Vicky Pompizzi: Und Pia?<br />
Pia: Ich war im Kindergarten<br />
Vicky Pompizzi: Kindergarten, also eher Erzieherin,<br />
oder wollt ihr später vielleicht studieren?<br />
Alle drei: Studieren.<br />
Vicky Pompizzi: Studieren? Hohe Ziele. Ja, <strong>und</strong> das<br />
letzte, was uns vielleicht noch interessiert. Warum<br />
machen Jugendliche eigentlich etwas freiwillig<br />
neben der Schule? Vielleicht könnt ihr das noch<br />
beantworten. Warum nehmt ihr euch diese Zeit<br />
nebenher noch dazu?<br />
Sofia: Weil wir den anderen auch helfen wollen, eine<br />
Ausbildung zu finden <strong>und</strong> dass sie auch sehen, wenn<br />
wir es schaffen, können sie es auch schaffen.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Vicky Pompizzi: Ist das alles, bei euch auch so?<br />
Alle drei: Ja<br />
Vicky Pompizzi: Gut, ihr habt den Applaus gesehen<br />
oder gehört, Entschuldigung. Ich danke euch, ich<br />
danke Herrn Emir. Und jetzt machen wir noch mal<br />
eine kleine Auswechslung. Ich bitte Frau Sevda<br />
Cemaloglu zu mir. Frau Cemaloglu, Sie sind Datenbankadministratorin,<br />
hat jetzt nicht so viel mit unserem<br />
Themengebiet zu tun. Wie kommt es, dass sie<br />
sich für unsere Schulung interessiert haben.<br />
Sevda Cemaloglu: Ja das sind persönliche Gründe.<br />
Ich habe den Wunsch <strong>und</strong> bin sehr daran interessiert,<br />
dahin zu arbeiten, für uns alle eine erfolgsorientierte<br />
<strong>und</strong> erfolgreiche Zukunft zu erzielen. Also<br />
das ist so mein primäres Ziel.<br />
Vicky Pompizzi: Und machen die Multiplikatorenschulung<br />
mit. Ich darf gerade einflechten, sie hat<br />
schon zwei Wochenenden gehabt, dass heißt Frau<br />
Cemaloglu wird jetzt in der praktischen <strong>Arbeit</strong> eingesetzt<br />
werden bei uns. Was haben Sie gelernt in der<br />
Schulung?<br />
Sevda Cemaloglu: Den eigenen Einsatz. Ich sage,<br />
man hat hier sich selbst geschult, man hatte auch<br />
mal Anregungen zum Nachdenken, auch sehr aktiv<br />
zu sein, nicht jetzt einfach nur dazusitzen <strong>und</strong><br />
zuzuhören, sondern einfach mal Initiative zu ergreifen<br />
<strong>und</strong> diese Materie zu ertasten.<br />
Vicky Pompizzi: Was werden Sie denn dann machen<br />
in der praktischen <strong>Arbeit</strong>, was ist Ihr Einsatzgebiet,<br />
was denken Sie?<br />
Sevda Cemaloglu: Also letztens war ich auf einer Berufsinformationsmesse<br />
in Dietzenbach tätig. Das war eine<br />
sehr gute Erfahrung für mich. Erster Kontakt mit Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> die gesamte Problematik etwas zu begreifen,<br />
wo ich auch bemerkt habe, dass ziemliche Lücken sind.<br />
Beispiel: da wollte jetzt ein Jugendlicher Anwalt werden<br />
<strong>und</strong> wusste nicht, was studiere ich da. Das hat mich nun<br />
auch ein wenig gew<strong>und</strong>ert. Es sind viele Lücken da, das<br />
habe ich gemerkt. Und Veranstaltung auch noch zu orga-<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
nisieren <strong>und</strong> mit dem CGIL-Team vorerst mal abzuhalten.<br />
Vicky Pompizzi: Also, sie sind geschult worden,<br />
auch selbstständig <strong>und</strong> in Kooperation mit dem CGIL<br />
Bildungswerk auch Veranstaltungen zu organisieren?<br />
Trauen Sie sich das schon zu.<br />
Sevda Cemaloglu: Ja allerdings würde ich schon<br />
gern ein- bis zweimal mit den Profis zusammen sein<br />
wollen.<br />
Vicky Pompizzi: Ja, so ist es also auch gedacht. Eine<br />
Frage habe ich, glaube ich, vergessen. Jeder von uns,<br />
der politisch tätig ist, hat so ein Motiv, warum er seine<br />
<strong>Arbeit</strong> macht. Was ist jetzt das besondere, was sie<br />
den Eltern vermitteln wollen?<br />
Sevda Cemaloglu: Erstmal sich nicht zu isolieren<br />
<strong>und</strong> die Angst durch die Sprachlücken zu überwinden.<br />
Dass man nicht unbedingt perfekt sprechen<br />
muss, um mitzumachen. Das will ich hier nicht<br />
irgendwie hinten anstellen. Aber auch die kulturellen<br />
<strong>und</strong> die Mentalitäten müssen auch mit berücksichtigt<br />
werden <strong>und</strong> auch die Bildungssysteme ein bisschen<br />
näher bringen <strong>und</strong> dass es nicht damit getan<br />
ist, dass man die Kinder einfach nur in die Schule<br />
schickt. Da muss mehr Initiative kommen, auch von<br />
den Eltern.<br />
Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, welche Ziele <strong>und</strong><br />
welche Initiativen verfolgt CGIL-Bildungswerk?<br />
Lisa Fortunato: Wir haben mit der Multiplikatorenschulung<br />
mehrere Ziele, zum einen geht es uns<br />
darum, bis Ende des Projektes, das ja 2005 ausläuft,<br />
Personen, die aus den verschiedenen Communities<br />
kommen, die einerseits in der Community als Vorbild<br />
anerkannt werden, andererseits aber gut in der<br />
deutschen Gesellschaft integriert, sind soweit zu<br />
schulen <strong>und</strong> vorzubereiten, dass sie die Informationsabende,<br />
die wir noch durchführen, selbst durchführen<br />
können.<br />
Diese Personen, die wir in den Schulungen haben,<br />
das sind eben Personen wie Frau Cemaloglu, die selber<br />
eine Karriere hinter sich haben, eine erfolgreiche<br />
Schul- <strong>und</strong> Berufsbildung hinter sich haben. Wir<br />
sprechen dabei aber auch Eltern an, die einfach<br />
25
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
dabei helfen können, sich aktiv um Schule <strong>und</strong> Ausbildung<br />
kümmern wollen, <strong>und</strong> es geht uns darum,<br />
dass Personen fähig sind, einen Abend in der ganzen<br />
Moderation, in der Organisation <strong>und</strong> in der Durchführung<br />
zu halten.<br />
Die eben auch Personen einladen können in Zusammenarbeit<br />
auch mit den Schulen, mit den Kooperationspartnern<br />
<strong>und</strong> eben Plattformen organisieren können,<br />
in denen Eltern informiert werden. Was uns ganz<br />
wichtig ist, ist eben auch, dass diese Personen, die wir<br />
geschult haben, ein Zertifikat bekommen <strong>und</strong> auch<br />
dann für andere Interessenten zur Verfügung stehen.<br />
Wir bauen eine Datenbank auf <strong>und</strong> wir hoffen sehr, dass<br />
dann spätestens 2005 die Schulen zum Beispiel selber<br />
diese Datenbank abrufen <strong>und</strong> die Multiplikator/innen<br />
einladen, für sich einen Elternabend zu organisieren.<br />
Vicky Pompizzi: Frau Cemaroglu, was passiert, wenn<br />
eine Schule aus Frankfurt sie anruft <strong>und</strong> sagt, wir<br />
möchten einen Elternabend für türkische Eltern<br />
machen, helfen sie uns da. Was brauchen Sie dann<br />
noch dafür, damit das dann auch wirklich geht?<br />
Sevda Cemaloglu: Die Ausstattung <strong>und</strong> das Team,<br />
mit CGIL zusammen.<br />
Vicky Pompizzi: Mit CGIL-Bildungswerk noch am<br />
Anfang, aber dann schon allein. Also 2005 könnte es<br />
dann allein klappen?<br />
Sevda Cemaloglu: Primär jetzt erst in Zusammenarbeit<br />
mit CGIL, in Zukunft könnte ich mir aber sehr gut<br />
vorstellen, das dann auch unabhängig durchzuführen.<br />
Vicky Pompizzi: Frau Fortunato, wann ist die nächste<br />
Schulung?<br />
Lisa Fortunato: Die nächste Schulung beginnt an<br />
20.11.03. Anmeldefrist ist diese Woche am Donnerstag,<br />
es sind noch einige Plätze frei. Es geht wirklich<br />
darum, dass Personen, die auf freiwilliger Basis die<br />
Unterstützung gegeben haben, wie Herr Emir erzählt<br />
hat, die Leute rufen ihn an. Dass wir diese Personen<br />
schulen, qualifizieren <strong>und</strong> auch eine Sicherheit <strong>und</strong> ein<br />
Werkzeug mitgeben, so dass einfach eine professionelle<br />
<strong>Arbeit</strong> gemacht werden kann <strong>und</strong> die auch von der<br />
26<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Gesellschaft anerkannt wird. Es sind auch wieder drei<br />
Wochenenden vorgesehen, zuerst ein Einführungswochenende<br />
zum Thema überhaupt, dann werden die<br />
Werkzeuge, eine Durchführung vermittelt <strong>und</strong> es ist<br />
dann so, dass die Teilnehmerinnen der Schulung angeleitet<br />
werden, dann einige Elternabende zu organisieren<br />
<strong>und</strong> durchzuführen. Wir begleiten sie so, dass wirklich<br />
auch eine Einführung passiert, ohne dass sie gleich<br />
ins kalte Wasser geworfen werden. Und dann nach dem<br />
Abschluss sind diese Personen bereit selber Anlässe zu<br />
organisieren. Wie Frau Cemaloglu gesagt hat, sie kam<br />
schon zum Einsatz in Dietzenbach <strong>und</strong> ich glaube, das<br />
war wirklich eine tolle <strong>und</strong> erfolgreiche Erfahrung.<br />
Sevda Cemaloglu: Auf jeden Fall, hat Spaß gemacht.<br />
Vicky Pompizzi: Nun stelle ich eine Frage an einen<br />
Herrn, der noch nicht drauf vorbereitet war. Herr<br />
Hengel, können Sie sich vorstellen mit Hilfe dieser<br />
geschulten Mulitplikator/innen auch tatsächlich zu<br />
arbeiten?<br />
Eckhardt Hengel: Selbstverständlich kann ich mir<br />
das vorstellen; <strong>und</strong> es ist sehr gut, wenn man jemanden<br />
hat, auf den man zurückgreifen kann. Ich habe<br />
das ja vorhin schon mal gesagt, ich fände es wirklich<br />
gut, wenn man für diese Elternabende z.B. oder andere<br />
Veranstaltungen jemand hat, der hier als Vermittler<br />
auftreten kann <strong>und</strong> der die Eltern an der Stelle ansprechen<br />
kann, wo sie herkommen, auf ihrer Sprache<br />
ansprechen kann. Das finde ich eine sehr gute Sache<br />
Vicky Pompizzi: Also insofern klappt es dann auch<br />
mit dem Netzwerk? Ich danke Frau Cemaloglu, bleiben<br />
Sie ruhig sitzen. Ich mache jetzt nur noch eine<br />
Zusammenfassung. Als nachhaltige Ergebnisse würden<br />
wir festhalten, Multiplikatoren setzen die <strong>Arbeit</strong><br />
fort, wenn das Projekt zu Ende ist, Jugendlich haben<br />
Nachschlagewerke erarbeitet, das „Abenteuer Ausbildung“.<br />
Informierte Eltern <strong>und</strong> Jugendliche tragen<br />
Informationen weiter <strong>und</strong> zwar aktiv durch die<br />
Elternabende, durch die Vorbilder <strong>und</strong> was uns ganz<br />
wichtig ist, sie kommen raus aus der Opferrolle, sie<br />
sind nicht mehr die problembeladenen Personen<br />
<strong>und</strong> sie kommen rein in die Situation „Migrantinnen<br />
fördern Migranten“.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
5. PIQUASSO: Implementierung interkultureller Kompetenzen in<br />
Betrieben – am Beispiel von Sicherheitsunternehmen<br />
Hans-Dieter Brauns, Koordinator der<br />
Entwicklungspartnerschaft PIQUASSO<br />
Ali Nalci, Teilnehmer in der Ausbildung<br />
„Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“,<br />
PIQUASSO<br />
Hans-Dieter Brauns, PIQUASSO, Deutsche Angestellten<br />
Akademie (DAA), Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
Manfred Spee, Personalleiter, Fa. Securitas<br />
Ali Nalci, Sprecher der Auszubildenden<br />
Wir sind ein Projekt, das im Rahmen von „EQUAL“<br />
einen Teil der großen Vielfalt dort verkörpert <strong>und</strong><br />
überregional tätig ist. Ich freue mich, auch unsere<br />
Partner aus den anderen Teilprojekten in Halle<br />
begrüßen zu dürfen, <strong>und</strong> möchte Ihnen kurz den<br />
Rahmen des Ganzen schildern. Meine kurze Einführung<br />
wird dann kontrastiert von einem Vertreter<br />
unserer kooperierenden Unternehmen, von Herrn<br />
Spee, <strong>und</strong> natürlich auch von Herrn Nalci, unserem<br />
Teilnehmersprecher, der mich dann etwas korrigieren<br />
kann, wenn ich zu euphorische Ausschweifungen<br />
gemacht habe.<br />
Wir haben uns einen ganz anderen, sehr speziellen<br />
Sektor mit speziellen Schwerpunkten für unser Projekt<br />
ausgesucht. Zum einen arbeiten wir mit Damen<br />
<strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, die sich entschieden<br />
haben, mittel- <strong>und</strong> langfristig oder auch für<br />
immer in Deutschland zu leben <strong>und</strong> hier <strong>Arbeit</strong> zu<br />
finden. Zum anderen arbeiten wir mit Erwachsenen,<br />
die Weiterbildungen absolvieren. Und wir arbeiten<br />
mit einem speziellen Sektor zusammen, mit dem<br />
Sektor der privaten Sicherheitsdienstleistungsunternehmen.<br />
Das hat verschiedene Gründe. Ein Gr<strong>und</strong><br />
ist, dass es günstig ist, sich einen Sektor herauszusuchen,<br />
wenn es um übergreifende Ziele <strong>und</strong><br />
die Implementierung von nachhaltigen Strukturen<br />
geht. Dann hat man Ansprechpartner, die auf<br />
Dauer zusammenarbeiten können, die Netzwerke<br />
entwickeln können.<br />
So war es nahe liegend, zu sagen, wir suchen uns<br />
einen Sektor, in dem wir ohnehin schon lange<br />
arbeiten. Und das war der Sektor der privaten<br />
Sicherheitsdienstleistungen. Ein anderer Gr<strong>und</strong> ist,<br />
dass es einen gewissen Charme hat, mit Sicherheitsdienstleitstern<br />
zu arbeiten, weil sie auch politisch<br />
ein Aushängeschild sind. Sie machen nicht<br />
nur Objektschutz auf dunklen Geländen, sondern<br />
sie begrüßen auch die Gäste der Stadt Frankfurt<br />
etwa auf dem Flughäfen <strong>und</strong> repräsentieren ein Stück<br />
Deutschland. Da ist es gut, wenn Personen nichtdeutscher<br />
Herkunft auch dort schon sichtbar werden,<br />
als Zeichen dafür, dass Deutschland sich öffnet<br />
<strong>und</strong> ein Einwanderungsland ist oder wird. Das waren<br />
einige der Gründe, die uns bewogen haben, in diesem<br />
Sektor zu arbeiten. Dazu kommt natürlich die<br />
Perspektive, die wir <strong>und</strong> die Unternehmen in diesem<br />
Sektor den Mitarbeitern geben können.<br />
Wir sehen, dass Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen<br />
haben. Wir haben uns nun zwei wesentliche Problemfelder<br />
herausgegriffen, da wir natürlich nicht alles<br />
machen können. Wir arbeiten mit Erwachsenen <strong>und</strong><br />
mit Leuten, die die deutsche Sprache soweit beherrschen,<br />
dass sie eine Berufsausbildung machen können.<br />
Wir sind der Meinung, dass diese Personen<br />
eine möglichst gute Ausbildung brauchen, wenn sie<br />
eine Zukunft in Deutschland haben wollen. Diese<br />
Ausbildung wollen wir anbieten <strong>und</strong> in einer Form<br />
anbieten, die zielgruppengerecht ist.<br />
Ein Schwerpunkt unserer <strong>Arbeit</strong> ist, unseren Unterricht<br />
so zu gestalten, dass Personen aus unterschiedlichsten<br />
Ländern <strong>und</strong> unterschiedlichster kultureller<br />
Herkunft zusammenarbeiten können. Wir<br />
haben im Moment 14 oder 15 verschiedene Nationen<br />
in den Lehrgängen. Sie sollen nicht nur einen<br />
Zugang zu den Anforderungen deutscher Kultur<br />
bekommen, sondern auch ihre mitgebrachten Fer-<br />
27
tigkeiten, ihre Erfahrung <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten ausbauen<br />
können, nutzbar machen können für das<br />
gemeinsame Lernen <strong>und</strong> für die spätere <strong>Arbeit</strong>. Wir<br />
sind der Meinung, dass Methoden, die die Teilnehmer<br />
in die Lage versetzen, ihre Fertigkeiten zu nutzen,<br />
für alle Beteiligten von großem Nutzen sind. Es<br />
wäre also gut, wenn es uns gelingt, entsprechende<br />
Methoden zu entwickeln, zu veröffentlichen <strong>und</strong> so<br />
darzustellen, dass sie Erfahrungswissen für nach<br />
uns arbeitende Einrichtungen werden. Das ist sicher<br />
auch etwas, was den deutschen Teilnehmern zugute<br />
kommt, denn sie sind an der Integration beteiligt.<br />
Der zweite wichtige Punkt ist die Zusammenarbeit<br />
mit den Unternehmen. Die beste Ausbildung nützt<br />
nichts, wenn man sich nicht um das spätere Umfeld<br />
kümmert, welches unsere Weiterbildungsteilnehmer<br />
aufnehmen sollen <strong>und</strong> wir nicht wissen, woraufhin<br />
wir ausbilden. Deshalb war es naheliegend, von<br />
vornherein zu sagen, wir planen ein Konzept der Weiterbildung<br />
auf unterschiedlichen Stufen, Anpassungsfortbildungen<br />
<strong>und</strong> Ausbildung mit Berufsabschluss,<br />
<strong>und</strong> wir planen das zusammen mit den<br />
Unternehmen in der Region, in der wir arbeiten.<br />
Wenn es um Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
geht, stellen sich bei einem solchen Vorhaben<br />
natürlich vorab einige Fragen, die sich inzwischen<br />
auch beantworten lassen. Nämlich: Wie sieht<br />
es aus mit der Industrie, wie offen ist sie für Migranten,<br />
welche besonderen Probleme gibt es dort? In<br />
vielen Sektoren, auch in der privaten Sicherheitsindustrie,<br />
stellen Migranten zwar einen hohen Anteil<br />
der Mitarbeiter, aber natürlich nicht auf den qualifizierten<br />
<strong>Arbeit</strong>splätzen. Da sind sie eher selten vertreten.<br />
Das zu ändern, gehört zu den Zielen von<br />
„EQUAL“. Es ist aber auch im Interesse der Unternehmen,<br />
sofern wir unterstellen, dass sie qualifiziertes<br />
Personal brauchen. Das waren die Annahmen,<br />
mit denen wir an das Projekt herangegangen sind.<br />
Wir haben im März/April dieses Jahres mit einer<br />
nach dem deutschen Berufsbildungsrecht vergleichsweise<br />
langen, 21-monatigen Umschulung<br />
begonnen. Parallel dazu finden Anpassungsfortbildungen<br />
für Personen statt, die noch nicht so weit<br />
28<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
sind, eine Berufsausbildung mit Abschluss durchstehen<br />
zu können. Wir sind jetzt mitten in der ersten<br />
Phase dieser Umschulung, die erste Zwischenprüfung<br />
wird im Frühjahr 04 stattfinden. Wir haben mit<br />
27 Personen begonnen, jetzt arbeiten noch 26 Teilnehmer<br />
in den Unternehmen, wenn ich richtig orientiert<br />
bin. Vor 14 Tagen sind unsere Teilnehmer in die<br />
betrieblichen Praktika gegangen - Vielleicht kann<br />
Herr Nalci dazu etwas sagen, die Erfahrung ist noch<br />
ziemlich frisch.<br />
Was an Erfahrungshintergr<strong>und</strong> bereits für alle vorhanden<br />
ist, ist die <strong>Arbeit</strong> in einer sehr gemischten<br />
Gruppe mit 14 Nationalitäten, die sich für das<br />
gemeinsame Lernen zusammenraufen musste. Auch<br />
dazu gibt es vielleicht noch ein paar Informationen<br />
von anserer Seite. Es gehört zu unserer <strong>Arbeit</strong> als<br />
Bildungsträger, dass wir Erfahrung sammeln, wie Bildungsarbeit<br />
mit sehr heterogenen Gruppen gestaltet<br />
werden kann, <strong>und</strong> wie sie vor allem so gestaltet werden<br />
kann, dass Teilnehmer solcher Gruppen in die<br />
Lernarbeit <strong>und</strong> später in die berufliche Tätigkeit gut<br />
integriert werden können.<br />
Der zweite Schritt, der für uns sehr wichtig war <strong>und</strong><br />
der auch schon mit einer Reihe von Veranstaltungen<br />
vorbereitet wurde, ist die <strong>Arbeit</strong> mit den Unternehmen.<br />
Natürlich haben wir diese befragt, welcher Art<br />
Leute sie brauchen. Der Spielraum ist dabei nicht<br />
groß. Man hat ein Berufsbild, man hat Anforderungen<br />
für verschiedene <strong>Arbeit</strong>sbereiche <strong>und</strong> für bestimmte<br />
Schlüsselqualifikationen.<br />
Der nächste Schritt ist, auch darauf kann man sich<br />
von der Bildungsseite her einstellen, die Unternehmen<br />
einzubeziehen, sie einzuladen, kurze Wege herzustellen,<br />
Kontakte zu knüpfen. Wichtig war <strong>und</strong> ist<br />
es uns daher, alle Mitarbeiter aus den Unternehmen,<br />
die mit unseren Teilnehmern, aber auch in anderen<br />
Zusammenhängen mit Migranten arbeiten, in Seminaren<br />
zusammenzuholen, nach ihren Anforderungen<br />
zu fragen, nach ihrem Bedarf. Wie können sie Mitarbeiter<br />
unterschiedlicher kultureller Herkunft besser<br />
integrieren, wie können sie deren Fähigkeiten nutzen,<br />
welche Probleme gibt es in der Zusammenarbeit?<br />
Das sind alles Fragen, denen wir uns u.a. zugewandt<br />
haben <strong>und</strong> weiter zuwenden werden. Dabei
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
ist natürlich klar, dass darf ich vorwegnehmen, dass<br />
es keine speziellen Fortbildungsmaßnahmen für die<br />
Integration von Migranten geben wird. Denn alle<br />
Maßnahmen zur Entwicklung bessere Kooperation<br />
in Unternehmen <strong>und</strong> zur Förderung von Kernqualifikationen,<br />
kommen natürlich auch den deutschen<br />
Mitarbeitern zugute - eine vernünftige Führung beispielsweise<br />
ist nicht etwas, was nur Migranten brauchen.<br />
Alle zwei Monate finden in diesem Rahmen<br />
jetzt Seminare, Trainings <strong>und</strong> Zusammenkünfte<br />
statt, gehen Einladungen an unsere Kooperationspartner<br />
in der Industrie, die heute zahlreich hier vertreten<br />
sind. Aber auch da möchte ich nichts vorwegnehmen.<br />
In Frankfurt arbeiten acht oder neun, überregional<br />
natürlich mehr, Kommunen unter dem Programm<br />
EQUAL zusammen, das u.a. eine bessere Integration<br />
von Damen <strong>und</strong> Herren mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
bewirken soll. Dabei zielt diese <strong>Arbeit</strong> vor allen Dingen<br />
auch auf eine Verstetigung von erfolgreichen<br />
Maßnahmen.<br />
Wir setzen darauf, dass wir in der Industrie Partner<br />
finden, die bereit sind, sich, auch wenn dieses Projekt<br />
zu Ende ist, zusammen mit ihrem Unternehmensverband<br />
hinzustellen <strong>und</strong> zu sagen: Wir brauchen<br />
Migranten – diese Leute machen gute <strong>Arbeit</strong>.<br />
Damit stehen natürlich auch wir unter der Anforderung,<br />
diese Personen auch entsprechend vorzubereiten<br />
<strong>und</strong> zu vermitteln. Gleichzeitig setzen wir uns<br />
dafür ein, dass bei unseren K<strong>und</strong>en gemischte<br />
Teams auftreten, Leute deutlich unterschiedlicher<br />
Herkunft. Wir wollen auch nach außen demonstrieren,<br />
dass Zuwanderer in den Unternehmen gern<br />
gesehen sind <strong>und</strong> auch nutzbringend zum Vorteil<br />
aller eingesetzt werden. Es bedarf einer Menge<br />
<strong>Arbeit</strong>, denke ich, u.a. auch über die Verbände eine<br />
solche Einstellung zu verbreiten <strong>und</strong> zu verstetigen.<br />
Soweit der Zwischenbericht unseres, etwas aus dem<br />
Rahmen fallenden Projekts „Piquasso“. Sie haben<br />
sicher noch etwas aus Ihrer Sicht zu ergänzen, Herr<br />
Spee.<br />
Manfred Spee: Ich werde mich kurz fassen. Mein<br />
Name ist Manfred Spee, ich bin Personalleiter bei<br />
der Firma Securitas hier in Frankfurt, einem großen<br />
Sicherheitsdienstleister mit r<strong>und</strong> 1600 Mitarbeite-<br />
rinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern. Das Thema <strong>Migration</strong> ist ja<br />
nun ein jahrzehntealtes Thema in der Gesellschaft,<br />
aber natürlich auch im Berufsleben. Herr Di Benedetto<br />
hat das sehr eindrucksvoll dargestellt. Dem<br />
müssen wir uns als Firma auch immer wieder neu<br />
stellen. Wir haben das in den 90er Jahren gemeinsam<br />
mit der GOAB in Offenbach erfolgreich angegangen,<br />
damals hauptsächlich aus dem Beweggr<strong>und</strong>,<br />
Mitarbeiter für uns zu gewinnen, die einem bestimmten<br />
Mindestanforderungsstand genügen. Das heißt,<br />
es ging einfach um Personal. Personalknappheit war<br />
damals das Thema <strong>und</strong> da haben wir einen sehr<br />
schönen Weg gef<strong>und</strong>en, auch über spezielle<br />
Bildungsmaßnahmen, die wir innerbetrieblich umsetzen<br />
konnten.<br />
Wir hatten damals neue Dienstleistungsangebote.<br />
Es ging um die Ausbildung zum Hilfspolizisten, aber<br />
auch darüber hinaus. So ist das Thema bis heute<br />
unser Thema geblieben. Wir haben im Unternehmen<br />
etwa 20 Prozent ausländischer Mitarbeiter. Das sind<br />
prozentual gesehen genau so viele Ausländer wie es<br />
derzeit auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt gibt. Und so war das<br />
Angebot von „Piquasso“ ein sehr schönes Angebot,<br />
weil wir da einiges mehr für die Migranten tun konnten.<br />
Über die Jahre hat sich gezeigt, dass wir noch<br />
mehr Qualität brauchen. Deshalb haben wir das<br />
Angebot von Herrn Brauns sehr gerne aufgegriffen,<br />
allerdings damals noch unter anderen Bedingungen<br />
<strong>und</strong> Gegebenheiten.<br />
Es gab im Jahr 2001 den Ausbildungsberuf „Fachkraft<br />
für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“ noch nicht. Wir waren<br />
davon ausgegangen, eine berufsbegleitende Ausbildung<br />
zur Fachkraft ist das, was wir auch innerbetrieblich<br />
viel durchführten. Wir hatten damals in der<br />
Sicherheitsindustrie einen Personalkräftenotstand,<br />
kann man fast sagen. Das hat sich allerdings bis heute<br />
geändert.<br />
Wir haben jetzt nicht mehr die berufsbegleitende Ausbildung,<br />
sondern wir haben tatsächlich ein Berufsbild<br />
vorliegen, in dem Migranten ausgebildet werden. Und<br />
aus meiner Sicht müssen diese Menschen sehr hohe<br />
Anforderungen erfüllen, denn das Berufsbild verlangt<br />
von der Schulbildung her, wenn man deutsche Verhältnisse<br />
sieht, einen vernünftigen Realschulab-<br />
29
schluss. Und der andere Punkt ist, dass die Wirtschaftslandschaft<br />
sich sehr stark verändert hat. Wir<br />
sind nicht mehr in der Not, sondern wir sind erstmals<br />
in der Situation, auswählen zu können, um Stellen<br />
neu zu besetzen.<br />
Das heißt, es hat sich auch für die Mitarbeiter im<br />
Unternehmen eine ganz andere Situation ergeben.<br />
Auch bei ihnen hat sich der Gedanke durchgesetzt:<br />
Na, ich muss mal schauen, dass ich meinen <strong>Arbeit</strong>splatz<br />
behalte. Das heißt, es ist eine neue Konkurrenzsituation<br />
entstanden. Und auch von daher kann man<br />
es als Glücksfall bezeichnen, dass es dieses Projekt<br />
gibt. So können wir bestehenden Vorbehalten entgegentreten<br />
<strong>und</strong> begegnen <strong>und</strong> können sagen: Ja, wir<br />
wollen Mitarbeiter, die ein Berufsziel haben, fördern.<br />
Und da macht es für uns keinen Unterschied, ob es<br />
Deutsche oder Ausländer sind. Es geht um einen Job,<br />
der bestmöglich erbracht werden muss. Wir sind<br />
Dienstleister <strong>und</strong> sind als Dienstleister immer gefordert.<br />
Gott sei Dank, muss ich sagen, haben wir da ein<br />
Instrument gef<strong>und</strong>en, ein paar Wogen zu glätten. Ich<br />
sagte schon, wir haben einen Anteil von 20 Prozent<br />
Ausländern im Unternehmen, die sich aber auch ausbilden<br />
lassen, anders als es vielleicht anderswo sein<br />
mag, bisher allerdings nur in der berufsbegleitenden<br />
Ausbildung.<br />
Sehr positiv war, das hat mich persönlich gefreut,<br />
dass es in unserem Unternehmen keine Schwierigkeiten<br />
gab, dieses Projekt zu verkaufen oder umzusetzen.<br />
Das heißt, die Kollegen zu finden, die bereit<br />
sind, sich dort einzugliedern, an den Angeboten <strong>und</strong><br />
Seminaren teilzunehmen, die einfach das Interesse<br />
haben. Und unsere Firmenphilosophie, das kann ich<br />
mal so einwerfen, ist es, den Menschen in den Mittelpunkt<br />
zu stellen, ihm Chancen zu eröffnen, Hilfestellungen<br />
zu geben <strong>und</strong> sich einzusetzen. Nicht nur<br />
die Migranten haben den Vorteil, dass wir als Firma<br />
dafür offen sind, sondern wir haben als Firma auch<br />
Vorteile. Wir haben in der Zukunft hoffentlich qualifizierte<br />
Mitarbeiter, weil auch unsere Industrie in<br />
einer starken Veränderung ist.<br />
Die personelle Dienstleistung ist auf dem Rückmarsch.<br />
Es findet immer mehr eine Verquickung von<br />
personeller Dienstleistung <strong>und</strong> Sicherheitstechnik<br />
statt. Die Kenntnisse sind sehr hoch geworden,<br />
30<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
gerade für Migranten. Und insofern ist dieser Ausbildungsgang<br />
zur „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“<br />
auch eine Gewähr dafür, dass man Mitarbeiter<br />
bekommt, die diese Anforderungen in der Zukunft<br />
erfüllen werden. Und auch die Mitarbeiter, die schon<br />
im Unternehmen sind, als Migrant, haben sicher Vorteile<br />
davon, dass es Kollegen gibt, die besser auf<br />
ihre Situation eingehen können, die jetzt einen<br />
anderen Blickwinkel haben <strong>und</strong> vielleicht Verständnis<br />
für diese Situationen finden, in denen der<br />
Mensch mal nicht so gut funktioniert.<br />
Insgesamt geht es uns darum, Qualität zu bieten <strong>und</strong><br />
das ist in mehrfacher Hinsicht ein schöner Weg für<br />
uns, Qualität zu erreichen. Wie erfolgreich wir sein<br />
werden, ist noch eine offene Frage, denn wir haben<br />
ja parallel auch Jugendliche, die in dem gleichen<br />
Berufsbild ausgebildet werden <strong>und</strong> ihren Weg über<br />
die Berufsschule machen. Und für mich ist es spannend<br />
zu sehen, was die DAA leisten wird <strong>und</strong> was die<br />
Berufsschule leisten wird. Zusammenfassend kann<br />
man sagen, die Zukunft erfordert eine immer höhere<br />
Qualifikation auch bei uns. Deshalb ist es wichtig,<br />
dass wir die Möglichkeiten nutzen, auch Migranten<br />
zu qualifizierten Mitarbeitern auszubilden. Der Anteil<br />
der Migranten wird weiter steigen, wenn man sich<br />
die Entwicklung anschaut. Eine andere Chance<br />
haben wir nicht, wenn man mittel- <strong>und</strong> langfristig<br />
denkt. Und das sehen wir als Unternehmen auch so<br />
<strong>und</strong> deshalb bringen wir uns gern in das Thema ein.<br />
Vielleicht noch so als kleine Randbemerkung. Es ist<br />
genau zehn Jahre her, dass es in der Sicherheitsindustrie<br />
nur darum ging, welche Berufsbilder es<br />
eigentlich gibt. Es hat dann einigermaßen lange<br />
gedauert, dass wir nun endlich wieder an dem Punkt<br />
sind, an dem es um den Menschen geht.<br />
Hans-Dieter Brauns: Vielleicht, ehe ich an Herrn<br />
Nalci weitergebe, noch eine Anmerkung. Es ist<br />
durchaus nicht so, dass in den Sicherheitsunternehmen<br />
die <strong>Arbeit</strong>, die Qualifikation, die Integration von<br />
Migranten ein Highlight ist. Die Unternehmen, mit<br />
denen wir hier in Frankfurt zusammenarbeiten, sind<br />
nur ein kleiner Teil der Anbieter <strong>und</strong>, ich hebe das<br />
sehr gern hervor, es sind die Unternehmen, die auch<br />
bereit sind, in dem Feld etwas Neues zu wagen.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Nicht nur aus Eigeninteresse, denn es hat auch mit<br />
internen Schwierigkeiten zu tun. Und es gibt durchaus<br />
eine Reihe von Unternehmen, in denen sich die<br />
Vorteile noch nicht herumgesprochen haben. Daran<br />
müssen wir noch arbeiten, aber vielleicht gelingt es<br />
uns, wenn wir im nächsten Jahr eine Reihe von<br />
Damen <strong>und</strong> Herren auf den <strong>Arbeit</strong>smarkt entlassen,<br />
die diese Vorteile bieten. Herr Nalci, Sie wären ja<br />
einer der ersten.<br />
Ali Nalci: Liebe Damen <strong>und</strong> Herren, ich grüße Sie<br />
von Herzen. Ali Nalci ist mein Name. Ich komme aus<br />
der Türkei. Ich bin Klassensprecher von „EQUAL“ in<br />
Frankfurt. Wir sind vom <strong>Arbeit</strong>samt gefördert worden<br />
in der Ausbildung „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong><br />
Sicherheit“. Als wir angefangen haben, waren wir 52<br />
Leute. Momentan sind wir noch 26 Leute aus 13 verschiedenen<br />
Ländern im Alter von 25 bis 53. Mit diesen<br />
Leuten klar zu kommen, ist schwer. Aber wenn<br />
man tolerant ist, geht es. Das ist jetzt so. Wir haben<br />
am 3. Februar eine zweimonatige Trainingsmaßnahme<br />
in Sprache, Pünktlichkeit, Disziplin <strong>und</strong> Interesse<br />
begonnen. Vom 28. April bis zum 27. Oktober haben<br />
wir theoretischen Unterricht in den Fächern Technik,<br />
Kommunikation, PC, Englisch <strong>und</strong> BWL gehabt. Wir<br />
sind dankbar. Die Dozenten sind wirklich sehr hilfsbereit.<br />
Am 27. Oktober haben wir ein Praktikum in<br />
verschiedenen Unternehmen angefangen. Wir sind<br />
aufgeteilt worden zu Securitas, IHS <strong>und</strong> ASA Airlines.<br />
Momentan sind wir zufrieden. Wir sind seit<br />
einer Woche da. Wir haben gute Unternehmen.<br />
Wir sind zufrieden, denn wenn wir Probleme haben,<br />
können wir mit den Leuten reden. Wir haben Teilnehmer<br />
mit Kindern, die nicht um 8.00 Uhr anfangen<br />
können. Sie haben normale <strong>Arbeit</strong>szeiten bekommen,<br />
so dass sie arbeiten, wenn die Kinder im Kindergarten<br />
sind <strong>und</strong> auch nur acht St<strong>und</strong>en am Tag.<br />
Wir haben am 3. März 2004 Zwischenprüfung. Bis<br />
zum 31. Januar 2004 dauert das Praktikum. In diesem<br />
einen Monat bis zur Zwischenprüfung werden<br />
wir so trainiert, dass wir die Prüfung bestehen können.<br />
Wir haben auch Interesse, sie zu bestehen,<br />
auch wenn wir noch nicht genügend Deutschkenntnisse<br />
haben. Wenn man den Willen hat, dann schafft<br />
man das. Nach der Zwischenprüfung haben wir wieder<br />
theoretischen Unterricht. Unsere Dozenten ach-<br />
ten darauf, dass sie uns Dinge so oft erklären bis wir<br />
sie verstehen. Und wir versuchen auch, sie zu verstehen.<br />
Auch nächstes Jahr haben wir ein dreimonatiges<br />
Praktikum. Ich hoffe, dass wir auch beim zweiten<br />
wieder einen Platz in einem Unternehmen<br />
bekommen. Das liegt auch an uns, denn nach diesen<br />
drei Monaten bekommen wir ein Zertifikat, das zeigt,<br />
wie gut wir bei der <strong>Arbeit</strong> waren. Wir machen Objektschutz,<br />
Personenkontrolle, alles Mögliche.<br />
Wir haben Schulende am 31. Januar 2005. Wir sind also<br />
die erste „Fachkraft für Schutz <strong>und</strong> Sicherheit“ auf dem<br />
Markt. Wir wissen noch nicht, was uns im Januar 2005<br />
erwartet. Viele von uns machen sich Sorgen, ob sie<br />
wirklich <strong>Arbeit</strong> bekommen, weil sie schon alt sind. Viele<br />
Unternehmen wollen natürlich junge <strong>und</strong> dynamische<br />
Mitarbeiter haben. Das ist das, was ich Ihnen erzählen<br />
kann. Ich sage noch einmal, wir sind mit der DAA <strong>und</strong><br />
den Unternehmern sehr zufrieden.<br />
Hans-Dieter Brauns: Gut, wir sind mit dieser Ausbildung<br />
unter einem erheblichen Druck. Wir bilden die<br />
ersten im neuen Berufsbild aus. Es sind Migranten, die<br />
sich dem stellen müssen. Wir sind dabei soweit, auch<br />
extern Netzwerke zu bilden, mit unseren Dozenten, den<br />
Unternehmen, den Betreuern <strong>und</strong> den Teilnehmern.<br />
Von den Teilnehmern erwarten wir selbstverständlich,<br />
dass sie sich aktiv in allen Funktionen an der Gestaltung<br />
des Projektes beteiligen.<br />
Das bedeutet noch eine Menge <strong>Arbeit</strong>. Wir haben noch<br />
ein Jahr Zeit <strong>und</strong> ich hoffe, dass wir in den Abschlussveranstaltungen<br />
die entsprechenden Erfolge vermelden<br />
können. Aber bis dahin müssen wir noch etwas<br />
warten. Ich danke Ihnen.<br />
Moderation: Ein paar Minuten sind uns geblieben.<br />
Das heißt, wenn nun wirklich Interessierte mit Fragen<br />
da sind werden die drei Redner sie gern beantworten.<br />
Teilnehmer: Ihr Projekt heißt ja „Implementierung<br />
interkultureller Kompetenzen im Betrieb“. Wir haben<br />
jetzt einen Vortrag über die Fachausbildung gehört,<br />
aber wie steht es denn mit den interkulturellen Kompetenzen?<br />
Es reicht, denke ich, nicht Ausländer im<br />
Feld interkulturelle Kompetenzen auszubilden <strong>und</strong><br />
31
Ihnen Pünktlichkeit <strong>und</strong> Disziplin beizubringen. Es<br />
geht vielleicht auch darum, deutsche Beschäftigte<br />
auszubilden, damit sie Toleranz <strong>und</strong> Respekt erlernen<br />
<strong>und</strong> ein wenig ihren Horizont erweitern. Haben<br />
Sie daran schon mal gedacht? Das hat auch mit den<br />
Umstellungsschwierigkeiten in den Betrieben zu tun.<br />
Hans-Dieter Brauns: Ja, natürlich haben wir daran<br />
gedacht. Ich hatte es auch schon angedeutet, allerdings<br />
nicht ausgeführt. Wir arbeiten an Seminarreihen<br />
mit den Betreuern, die in den Unternehmen mit unseren<br />
Teilnehmern zusammen arbeiten. Das Ziel ist<br />
natürlich, auch auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Führungsebene<br />
Personalentwicklung anzubieten, Horizonte<br />
zu erweitern, andere Umgangsformen zu ermöglichen.<br />
Es ist allerdings nicht so, dass wir in den<br />
Unternehmen, mit denen wir arbeiten, mit einem völlig<br />
neuen Ansinnen kommen. Im Gegenteil, die meisten<br />
Mitarbeiter sind bereits mit gemischten Teams<br />
konfrontiert. Sie mussten sich schon Gedanken<br />
machen, wie sie damit umgehen. Von daher sind<br />
unsere Angebote auch nachgefragt.<br />
Zum generellen Ziel interkulturelle Kommunikation.<br />
Ich würde es nicht so hochtrabend nennen. Es ist ja<br />
nur ein Stichwort. Ich denke, wenn Bereichsleiter,<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in der Lage sind, in <strong>Arbeit</strong>szusammenhängen<br />
<strong>und</strong> darüber hinaus in Teams<br />
zu arbeiten <strong>und</strong> aufeinander zuzugehen, stellt sich<br />
die Frage der Herkunft <strong>und</strong> Kultur erst in zweiter<br />
Linie. Denn die Schwierigkeiten, die man haben<br />
kann, muss man ohnehin im Gespräch klären, wenn<br />
man denn das Gespräch wagt. Aber wenn man das<br />
Gespräch mit deutschen Kollegen schon nicht wagt,<br />
dann ist das natürlich bei Sprachschwierigkeiten<br />
erst recht schwer. Insofern sehen wir nicht, dass wir<br />
die Unternehmen für Migranten öffnen müssen.<br />
Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass sich alle<br />
Beteiligten über Probleme verständigen. Das sind<br />
natürlich übliche Führungsprobleme in Unternehmen,<br />
also ganz normale Fragen in der Organisation<br />
der <strong>Arbeit</strong>, die sich hin <strong>und</strong> wieder ergeben <strong>und</strong><br />
bearbeitet werden müssen. Und da sehen wir die<br />
Schwierigkeit von Integrationsarbeit. Im Endeffekt<br />
sollen die 20 oder 30 Prozent Migranten in den<br />
Unternehmen ganz normale Mitarbeiter sein, die<br />
32<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
entsprechend ihrer Fähigkeiten <strong>und</strong> ihrer Ausbildung<br />
eingesetzt werden wie alle anderen auch. Es geht<br />
nicht darum, für die Migranten einen Sonderstatus<br />
zu schaffen. Sie sollen ganz normale Mitarbeiter mit<br />
gleichen Chancen sein. Das ist das Ziel, an dem wir<br />
im Moment sehr gut mit den Kollegen aus den Unternehmen<br />
zusammenarbeiten.<br />
Zu den Methoden. Da sind zum einen Seminare <strong>und</strong><br />
zum anderen die Ausbildung selbst. Hier sorgen wir<br />
dafür, dass an unsere Teilnehmer die gleichen Anforderungen<br />
gestellt werden wie an andere. Sie müssen<br />
in Gespräche hineingehen, sie müssen sich über<br />
ihre <strong>Arbeit</strong>sweise <strong>und</strong> Herkunft austauschen, sie<br />
müssen lernen, ihre Fähigkeiten in ihre gemeinsame<br />
<strong>Arbeit</strong> einzubringen. Das gilt aber auch für<br />
jeden deutschen Auszubildenden, nur mit etwas<br />
weniger Schwierigkeiten.<br />
Moderation: Herr Brauns, eine Frage haben wir noch.<br />
Teilnehmer: Kurze Frage, Herr Brauns, Herr Spee.<br />
Vielleicht können Sie sie auch beide beantworten.<br />
Ich habe noch wenig über die Entwicklungspartnerschaft<br />
gehört, also über die Art der Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Träger, die kooperieren. Das ist das erste,<br />
was ich gerne noch erfahren würde.<br />
Das zweite ist, wo sehen Sie das <strong>Main</strong>streaming-<br />
Potential? Was ich wahrgenommen habe, ist eine<br />
Maßnahme, die sehr gut <strong>und</strong> erfolgreich läuft, bei<br />
der es eine Kooperation mit den Unternehmen gibt.<br />
Wenn es „EQUAL“ nicht mehr gibt, was ist dann der<br />
Mehrwert, für das Unternehmen, für die Zielgruppe<br />
<strong>und</strong> für die Landschaft in diesem Industriezweig?<br />
Hans-Dieter Brauns: An der Entwicklungspartnerschaft<br />
sind nicht nur Unternehmen beteiligt, sondern<br />
auch der <strong>Arbeit</strong>geberverband, das Institut, das<br />
in Deutschland für die Berufsausbildung zuständig<br />
ist, die Gewerkschaften, das B<strong>und</strong>esamt für <strong>Migration</strong><br />
<strong>und</strong> Flüchtlinge <strong>und</strong> natürlich die regionalen<br />
Kooperationspartner, das heißt die <strong>Arbeit</strong>sämter, die<br />
Landesarbeitsämter <strong>und</strong> die regionalen <strong>Arbeit</strong>sämter<br />
sowie die Landeskammern. Jedes Vierteljahr<br />
berichten wir den Stiftungen <strong>und</strong> Verbänden über<br />
den Stand der Dinge. Dann können sie sagen, ob sie
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
die Entwicklungspartnerschaft weiterführen wollen.<br />
Wenn ja, können sie jetzt schon dafür sorgen, dass<br />
nachhaltige Strukturen geschaffen werden.<br />
Zum <strong>Main</strong>streaming. Bei der Zusammensetzung<br />
dieser Entwicklungspartnerschaft ist das vertikale<br />
<strong>Main</strong>-streaming schon mit angelegt. Wenn wir gute<br />
<strong>Arbeit</strong> leisten, die weitergetragen werden kann, sind<br />
die Partner, die das unterstützen, bereits von Anfang<br />
an mit dabei. So ist das Projekt angelegt.<br />
Manfred Spee: Aus Firmensicht kann ich noch<br />
ergänzen, dass es ein Vorteil ist, dass ich in einem<br />
Konzern arbeite <strong>und</strong> auch an der Personalentwicklung<br />
des Konzerns mitarbeite. So kann ich über<br />
gesamt Deutschland als Kommunikator wirken <strong>und</strong><br />
hoffentlich von Erfolgen berichten <strong>und</strong> kann dieses<br />
Modell auch in andere Regionen hineintragen. Zum<br />
Nutzen des Unternehmens.<br />
Moderation: Gibt es noch eine Anmerkung?<br />
Teilnehmer: Herr Brauns, ich glaube, dass der<br />
zuvor Fragende meinte, man müsse beide Richtungen<br />
interkulturell schulen. Ich bin Gast aus Augsburg<br />
<strong>und</strong> wir haben ein Existenzgründerbüro für<br />
Migranten. Das läuft hervorragend, aber wir haben<br />
erkannt, dass wir nicht nur die Migranten interkulturell<br />
schulen müssen, sondern wir schulen auch<br />
die Landratsämter <strong>und</strong> andere. Das ist sehr wichtig<br />
<strong>und</strong> ich habe die Frage so verstanden.<br />
Ich wollte noch eine kurze Frage anbringen. Wo<br />
sehen Sie die innovativen Elemente des Projekts?<br />
Wo sehen Sie etwas Besonderes?<br />
Hans-Dieter Brauns: Innovativ ist sicher, dass wir die<br />
Unternehmen wesentlich stärker in die Ausbildung<br />
einbinden <strong>und</strong> dass wir uns auf einen Sektor konzentrieren,<br />
in dem die entsprechenden Verbände, die<br />
größeren Unternehmen <strong>und</strong> die Behörden auf B<strong>und</strong>esebene<br />
mit eingeb<strong>und</strong>en sind. Das ginge schlecht,<br />
wenn man über viele Branchen <strong>und</strong> Sektoren ausbildet.<br />
Ich denke, das Besondere ist, <strong>und</strong> das sehen Sie<br />
ja auch an der Zusammensetzung des Teilnehmerkreises<br />
heute, das wir sehr eng mit den Unternehmen<br />
<strong>und</strong> deren Vertretern zusammenarbeiten.<br />
33
Alp Otman, Stadt Darmstadt<br />
Susanne Rupp, Kreisausschuss Groß-Gerau<br />
Ich möchte Ihnen kurz unsere regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
„Integration von Migranten in der Region<br />
Starkenburg <strong>und</strong> Partner“ vorstellen. In unserer<br />
Entwicklungspartnerschaft arbeiten die Gebietskörperschaften<br />
der Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner mit<br />
den regionalen <strong>Arbeit</strong>smarktakteuren – <strong>Arbeit</strong>samt,<br />
DGB, Südhessischer Unternehmerverband, IHK, Handwerkskammer<br />
<strong>und</strong> mit freien Trägern – zusammen.<br />
Starkenburg ist die Region südlich von Frankfurt, also<br />
die Stadt Darmstadt, der Kreis Groß-Gerau, der Kreis<br />
Darmstadt-Dieburg, der Kreis Bergstraße <strong>und</strong> der<br />
Odenwaldkreis. Wir führen unsere Projekte gemeinsam<br />
mit den angrenzenden Landkreise Neckar-Odenwald-Kreis<br />
<strong>und</strong> <strong>Rhein</strong>-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg<br />
sowie der Stadt Worms in <strong>Rhein</strong>land-Pfalz durch.<br />
Das gemeinsame dieser Städte <strong>und</strong> Landkreise ist,<br />
das sie zwischen den Ballungsgebieten <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Rhein</strong>-Neckar angesiedelt sind.<br />
Wir, die Entwicklungspartnerschaft „Starkenburg <strong>und</strong><br />
Partner“, suchen gemeinsam nach Lösungen, um<br />
Migranten besser in den regionalen <strong>Arbeit</strong>smarkt zu<br />
integrieren. Dabei sehen wir die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />
als wichtigen Beitrag zur sozialen Integration. Auf<br />
der Basis unseres Ziel haben sich <strong>Arbeit</strong>smarktakteure<br />
(neben den Gebeitskörperschaften das <strong>Arbeit</strong>samt,<br />
DGB, Handwerkskammer, IHK, Unternehmerverband<br />
Südhessen), Bildungsträger, Vertretungen der Migranten<br />
<strong>und</strong> die Frauen- <strong>und</strong> Gleichstellungsbeauftragte<br />
der Region zusammengeschlossen. Wir entwickelten<br />
Projekte zur Verbesserung der <strong>Arbeit</strong>smarkt-<br />
integration.<br />
Die Ziele unserer Projekte sind, mehr Migranten in den<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, die regionalen Akteure<br />
der Migranten-Communities zu einer intensiveren<br />
Zusammenarbeit zu bewegen, die <strong>Arbeit</strong>smarktinstrumente<br />
für die Zielgruppe Migranten weiterzuentwickeln<br />
<strong>und</strong> das Integrationspotential in der Region<br />
durch unsere Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte zu stärken.<br />
34<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
6. <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der<br />
Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner: IntegrationsassistentIn im Bereich<br />
<strong>Migration</strong> – ein neues Berufsbild für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />
Damit unsere Projekte,Innovationen<br />
<strong>und</strong> Verbesserungen<br />
keine Eintagsfliegen<br />
werden,<br />
beschlossen wir,<br />
unsere Teilprojekte<br />
an bestehende Institutionen<br />
an zu<br />
schließen <strong>und</strong> diese<br />
weiter zu optimieren.<br />
Dabei setzen<br />
wir auf drei<br />
Ebenen an, die<br />
Alp Otmann,Stadt Darmstadt<br />
sich wiederum auf<br />
fünf inhaltliche Schwerpunkte verteilen. Die erste<br />
Ebene verbessert die Methoden <strong>und</strong> Instrumente<br />
der Erwachsenen- <strong>und</strong> Jugendlichenförderung. Hierzu<br />
gehören unsere Qualifizierungsmöglichkeiten für<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten im IT- <strong>und</strong> Handwerksbereich<br />
sowie unsere Projekte, die Migranten jugendliche<br />
in der Phase der Berufsfindung unterstützen. Zur<br />
zweiten Ebene gehören unsere Projekte, mit denen<br />
wir die Strukturen im Bereich der Sprachkompetenz<br />
optimieren. Mit diesen Projekten wollen wir erreichen,<br />
dass das Angebot für Sprachkurse, die Diagnose<br />
der deutschen Sprachkenntnisse bei Migranten<br />
<strong>und</strong> Migrantinnen <strong>und</strong> die Vermittlung in Sprachkurse<br />
für alle Beteiligten zufriedenstellender wird. Und auf<br />
der dritten Ebene fördern wir die Vernetzung <strong>und</strong> die<br />
Teilhabe der Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten. Dabei stärken<br />
wir die Eigenressourcen von Migranten-Communities<br />
zur Integration. Hier setzt das Projekt zur Entwicklung<br />
des neuen Berufsbildes des Integrationsassistenten<br />
an, das Ihnen Herr Otman jetzt<br />
vorstellen wird.<br />
Alp Otman: Meine Damen <strong>und</strong> Herren, gleich am<br />
Anfang drei Thesen zur Integration. Die erste These<br />
klingt zunächst trivial. Wir wissen, dass die Integration<br />
ein Prozess mit vielen Dimensionen ist, <strong>und</strong> die<br />
erste Dimension ist die strukturelle Ebene, d.h. die<br />
gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen<br />
Systemen, insbesondere an <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Bildung. Bei
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
dieser Definition ist aber die Richtung eine andere, als<br />
wenn Politiker sagen, ihr müsst euch integrieren. Das<br />
ist eine Formulierung, die es den Migranten erlaubt,<br />
eine positive Forderung zu stellen <strong>und</strong> somit zu bewirken,<br />
dass sie sich mit diesem Ziel identifizieren. Die<br />
zweite These ist schon ein bisschen ungewöhnlicher.<br />
Wir wissen alle, dass über die interkulturelle Öffnung<br />
der Verwaltung <strong>und</strong> der Betriebe sehr viel geschrieben<br />
wird. Aber es gibt auch die andere Seite, die<br />
Migranten-Communities, die sich in einem wechselseitigen<br />
Prozess öffnen. Und die dritte These folgt<br />
gleich daraus. Damit die Öffnung nicht nur sporadisch<br />
<strong>und</strong> zufällig von Ort zu Ort erfolgt, sondern systematisch<br />
<strong>und</strong> flächendeckend, ist es wichtig, dass gerade<br />
an den Schnittstellen zwischen den zwei Systemen,<br />
d.h. den Institutionen der Mehrheitengesellschaft <strong>und</strong><br />
den politischen, pädagogischen <strong>und</strong> sozialen Institutionen<br />
<strong>und</strong> Migranten-Communities, die Reibungsverluste<br />
minimiert werden. Das erfordert eine systematische<br />
Unterstützung durch bestimmte, dafür<br />
ausgebildete Kräfte, darunter unbedingt auch durch<br />
solche mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />
Nun gibt es natürlich bereits seit Jahrzehnten Fachkräfte,<br />
die in diesem Bereich tätig sind. Das sind die<br />
diplomierten Fachkräfte der sozialen <strong>Arbeit</strong>, die Lehrkräfte,<br />
die Berater. Doch unsere These ist, das diese<br />
Kräfte nicht ausreichen <strong>und</strong> wir eine um ein Vielfaches<br />
höhere Anzahl von Assistenzkräften brauchen,<br />
um die Öffnungsprozesse der Migranten-Communities<br />
adäquat zu begleiten. Diese Assistenzkräfte nennen<br />
wir Integrationsassistenten <strong>und</strong> das wäre ein<br />
neues Berufsbild. Es ist ein Beruf unterhalb der Ebene<br />
der diplomierten Fachkräfte der sozialen <strong>Arbeit</strong>, das<br />
heißt unterhalb eines Fachhochschul- oder Universitätsabschlusses.<br />
Die Integrationsassistenten ersetzen<br />
natürlich die Fachkräfte nicht, sondern stehen<br />
Ihnen zur Seite. Sie arbeiten mit Ihnen zusammen <strong>und</strong><br />
helfen ihnen, die Öffnungsprozesse der Commmunities<br />
zu unterstützen <strong>und</strong> die Kommunikationsschwierigkeiten<br />
zwischen den Institutionen <strong>und</strong> den Eltern,<br />
den Vereinen <strong>und</strong> Communities aus dem Weg zu räumen<br />
oder auch bei Konflikten entweder präventiv<br />
oder als Feuerwehr einzugreifen.<br />
Wo können diese Integrationsassistenten tätig sein?<br />
Wir haben uns bei unserem Teilprojekt bewusst auf<br />
einen Schwerpunkt konzentriert, die <strong>Arbeit</strong> mit Kindern<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen. Es ist auch denkbar, <strong>und</strong> das<br />
möchten wir später bei der Institutionalisierung aufnehmen,<br />
einen weiteren Schwerpunkt im Ges<strong>und</strong>heitsbereich<br />
<strong>und</strong>/oder in der <strong>Arbeit</strong> mit Seniorinnen<br />
<strong>und</strong> Senioren zu legen. Wir konzentrieren uns<br />
zunächst auf die <strong>Arbeit</strong> mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
Die Aufgaben der Assistenzkräfte im Bereich Integration<br />
sind vielfältig. Dazu zählen Herstellung einer Vertrauensbasis,<br />
Informationsvermittlung, Kommunikation,<br />
Kooperation, Vernetzung. Das heißt, es geht nicht<br />
nur darum, zu dolmetschen oder zu „kulturdolmetschen“,<br />
sondern diese Assistenzkräfte brauchen eine<br />
solide Qualifikation. Natürlich kann es, weil sie Assistenzkräfte<br />
sind, nur um die Gr<strong>und</strong>kenntnisse gehen.<br />
Es kann nur um die Einführung in Methoden gehen,<br />
aber auf jeden Fall ist so eine Qualifikation von Nöten.<br />
Wie wird der Bedarf bis jetzt gedeckt? Im Laufe der<br />
Jahrzehnte der <strong>Migration</strong> hat sich der Bedarf vielfältig<br />
bemerkbar gemacht. Er wird jedoch entweder ignoriert,<br />
<strong>und</strong> die Fachkräfte sagen „Wir behandeln Einheimische<br />
<strong>und</strong> Migranten gleich“, so dass es nicht<br />
Region<br />
Starkenburg<br />
35
notwendig ist, besondere Kräfte herbeizuholen. Oder<br />
man stellt – eher als Ausnahmefall – jemanden mit<br />
Diplom ein, der einen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> hat, z.B.<br />
einen Sozialarbeiter aus der Türkei <strong>und</strong> aus Marokko.<br />
Dabei wird aber diese Fachkraft unter ihrer Qualifikation<br />
eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit ist, unqualifizierte<br />
ehrenamtliche Kräfte zu suchen, z.B. den<br />
Lebensmittelhändler um die Ecke oder die Kinder, die<br />
zur Stelle sind, wenn es um Konflikte mit den Eltern<br />
geht. Das sind jedoch keine befriedigenden Lösungen.<br />
In unserem Teilprojekt gibt es eine Qualifizierungsmaßnahme<br />
mit dem Schwerpunkt „<strong>Arbeit</strong> mit Kindern<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen“, die über zwei Semester geht. Dieser<br />
Schwerpunkt ist im Aufbausemester besonders<br />
ausgeprägt, <strong>und</strong> da geht es hauptsächlich um die Einführung<br />
in die Praxis der möglichen <strong>Arbeit</strong>sfelder. Im<br />
Gr<strong>und</strong>semester geht es eher um Gr<strong>und</strong>lagenkenntnisse,<br />
die Theorieanteile. Es ist auch eine sehr hohe<br />
Zahl von Deutschst<strong>und</strong>en vorgesehen. Es gibt im Vorlauf<br />
einen Deutsch Intensivkurs, es gibt Deutsch als<br />
Fachsprache <strong>und</strong> in beiden Semestern einen Begleitkurs<br />
in Deutsch. Wichtig ist, dass so genannte migrationspezifische<br />
Fächer relativ gering in der St<strong>und</strong>enzahl<br />
erscheinen. Es gibt auch kein selbständiges Fach<br />
„Interkulturelle Kompetenz“, aber Sie müssen natürlich<br />
bedenken, dass zum Beispiel die Praxisreflexion<br />
mit insgesamt über fünfzig St<strong>und</strong>en den <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> die Lebenserfahrung der Teilnehmer<br />
reflektiert <strong>und</strong> auch im Fach soziale Kompetenz vieles<br />
nicht nur gelernt, sondern auch – unter Reflexion der<br />
Herkunftsdifferenzen der Teilnehmenden – trainiert<br />
wird.<br />
Vielleicht noch zu den Voraussetzungen. Die Teilnehmer<br />
müssen einen Realschulabschluss haben oder<br />
einen Abschluss, der dem Realschulabschluss entspricht.<br />
In der Realität haben viele Qualifikationen aus<br />
dem Herkunftsland, die darüber hinausgehen. Die<br />
Teilnehmer müssen Berufserfahrung haben, insbesondere<br />
im Bereich soziale <strong>Arbeit</strong>, <strong>und</strong> sie müssen<br />
Erfahrung im Bereich Vereinstätigkeit oder ehrenamtliche<br />
<strong>Arbeit</strong> haben. Real sieht es folgendermaßen aus.<br />
Wir haben 22 Teilnehmer aus 13 Herkunftsländern.<br />
Darunter sind auch Hausfrauen, aber auch ein Kultusminister<br />
<strong>und</strong> ein Staatssekretär. Es gibt Künstler,<br />
einen Pianisten, einen Maler, aber die größte Gruppe<br />
36<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
sind Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer sowie ehemalige Sozialarbeiter,<br />
also Leute, die einschlägige Qualifikationen<br />
<strong>und</strong> viel Berufserfahrung aus den jeweiligen Ländern<br />
mitbringen.<br />
Wie können sie später eingesetzt werden? Das sind<br />
hypothetische Modelle. Wichtig ist zum einen, dass<br />
sie arbeitsfeldübergreifend eingesetzt werden können.<br />
Das bedeutet, in der Kommune, im Landkreis<br />
oder im Tätigkeitsgebiet eines freien Trägers können<br />
sie an vielen Orten eingesetzt werden, je nachdem wo<br />
gerade Bedarf besteht. Die zweite Variante ist, sie einrichtungs-<br />
<strong>und</strong> arbeitsfeldbezogen einzusetzen, z.B. in<br />
einem Jugendzentrum oder in einer Kindertagesstätte.<br />
Eine dritte Möglichkeit ist, sie stadtteilbezogen<br />
einzusetzen. Beispielsweise eignen sich solche Integrationsassistenten<br />
hervorragend für Projekte aus<br />
dem Programm „Soziale Stadt“, bei dem es, wie wir<br />
alle wissen, sehr große Schwierigkeiten gibt, die<br />
Migranten zu einer Beteiligung bei der Stadtentwicklung<br />
zu motivieren. Schließlich gibt es die Möglichkeit<br />
des einzelfallbezogenen Einsatzes.<br />
Noch mal zusammenfassend. Der wichtige Punkt ist,<br />
dass die Integrationsassistenten nicht nur ihren <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> ihre Lebens- <strong>und</strong> Berufserfahrung<br />
aus den Herkunftsländern mitbringen, sondern<br />
dass sie eine qualifizierte Weiterbildung<br />
bekommen. Wir gewährleisten dies in Zusammenarbeit<br />
mit der Fachhochschule Darmstadt. Sechs Professoren<br />
<strong>und</strong> neun Lehrbeauftragte aus der Praxis<br />
übernehmen bei dieser Weiterqualifizierung eine Aufgabe.<br />
Neben 650 St<strong>und</strong>en Fach- <strong>und</strong> Deutschunterricht<br />
müssen 350 St<strong>und</strong>en Praktikum von den Teilnehmern<br />
absolviert werden. Zum Schluss wird eine<br />
Hausarbeit geschrieben <strong>und</strong> bewertet, <strong>und</strong> es findet<br />
ein Abschlusskolloquium statt. Unser mittelfristiges<br />
Ziel ist es, dieser Maßnahme zu einer b<strong>und</strong>es- oder<br />
landesweiten Anerkennung zu verhelfen, das Zertifikat<br />
entsprechend anerkennen zu lassen, damit eine<br />
Institutionalisierung erfolgen kann.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
7. Women Way of Entrepreneurship: MigrantInnen unternehmen<br />
was - Potential als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin<br />
Andrea Nispel, Sozialwissenschaftlerin,<br />
Frankfurt<br />
a.M.<br />
Guten Tag meine Damen<br />
<strong>und</strong> Herren! Bevor ich<br />
beginne, möchte ich mich<br />
zunächst recht herzlich bei<br />
den Veranstaltenden für<br />
die Einladung bedanken.<br />
Meine Name ist Andrea<br />
Nispel, ich bin freiberuflicheSozialwissenschaftlerin<br />
<strong>und</strong> Beraterin <strong>und</strong> als<br />
Andrea Nispel<br />
solche u.a. auch Kooperantin<br />
der Frauenbetriebe – Qualifikation für die berufliche<br />
Selbständigkeit e.V. In den letzten Jahren habe<br />
ich gemeinsam mit den Frauenbetrieben drei Studien<br />
zu Existenzgründerinnen durchgeführt. Auf Ergebnisse<br />
aus einer dieser Studien werde ich im Laufe meines<br />
Vortrages noch eingehen.<br />
Die Frauenbetriebe sind einer der operativen Partner<br />
der Entwicklungspartnerschaft “Women Way of Entrepreneurship”.<br />
WWOE ist ein b<strong>und</strong>esweiter Zusammenschluss<br />
vielfältiger ExpertInnen aus Unternehmen,<br />
Hochschulen, Verwaltungen, Ministerien, Kommunen,<br />
Finanzierungs- <strong>und</strong> Beratungseinrichtungen. Insgesamt<br />
16 aktive Partnerorganisationen führen Projekte<br />
durch; dabei handelt es sich um Gründerinnenzentren,<br />
Weiterbildungsträger, Unternehmensberatungen, Universitäten,<br />
Fachhochschulen,Lobbyorganisationen u.a.<br />
Hier in Frankfurt sind die Frauenbetriebe e.V. einer der<br />
operativen Partner. Zu den strategischen Partnern<br />
gehören u.a. das B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen <strong>und</strong> Jugend sowie die Deutsche Ausgleichsbank,<br />
heute KfW-Mittelstandsbank.<br />
Die Ziele von WWOE lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />
Es geht um die Sichtbarmachung der beruflichen<br />
Selbständigkeit von Frauen <strong>und</strong> ihrer volkswirtschaftlichen<br />
Bedeutung. Damit zielt diese EP auf eine<br />
gesellschaftliche Anerkennung <strong>und</strong> Förderung des<br />
“Women Way of Entrepreneurship”, also der Spezifika<br />
weiblichen Unternehmertums. Es sollen aus den zahlreichen<br />
Erfahrungen in den Bereichen Beratung, Training<br />
<strong>und</strong> Coaching ‚Best Practice’ herausgearbeitet<br />
<strong>und</strong> zu Qualitätsstandards formuliert werden.<br />
Die Frauenbetriebe haben im Rahmen dieser EP WWOE<br />
den Auftrag übernommen, ein „<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming”<br />
dieser Entwicklungspartnerschaft zu initiieren.<br />
Ich unterstützte sie dabei mit meiner Kooperation.<br />
Damit wollen wir darauf hin wirken, dass alle Aktivitäten<br />
der EP im Querschnitt auch unter dem Blickwinkel<br />
“Einwanderungsgesellschaft” betrachtet werden.<br />
Im folgenden stelle ich nicht diese Entwicklungspartnerschaft<br />
<strong>und</strong> ihre Aktivitäten im allgemeinen vor, sondern<br />
Daten, Zahlen <strong>und</strong> Fakten zu Unternehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>. Dies ist<br />
ein Beitrag zu Sichtbarmachung der Potenziale von<br />
zugewanderten Frauen <strong>und</strong> ihren Töchtern: hier als<br />
Gründerinnen, Unternehmerinnen <strong>und</strong> zum Teil als<br />
<strong>Arbeit</strong>sgeberinnen.<br />
In diesem Vortrag beziehe ich mich auf Forschungsergebnisse<br />
des sog. Gründungsmonitors der Deutschen<br />
Ausgleichsbank (Die Mittelstandsbank – Förderinitiative<br />
KfW <strong>und</strong> DtA) sowie auf Zahlen aus der Förderbilanz<br />
der Jahre 1990 bis 2002 – im Hinblick auf die Förderung<br />
ausländischer Existenzgründer durch die DtA. 1<br />
Weiter nehme ich Ergebnisse aus einer Studie des<br />
Instituts für Mittelstandsforschung in Mannheim (IfM)<br />
hinzu, auch einem operativen Partner der EP WWOE. 2<br />
Im Anschluss daran zitiere ich Ihnen aus einer Studie,<br />
die ich selber im Kooperation mit der Uni Frankfurt<br />
<strong>und</strong> den Frauenbetrieben für das Frankfurter <strong>Arbeit</strong>samt<br />
erstellen konnte. 3<br />
Nun aber zur beruflichen Selbständigkeit von Zugewanderten<br />
in Deutschland, insbesondere zu der von<br />
Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>. Zur Zeit haben in<br />
Deutschland 8,4% der Selbständigen keinen deutschen<br />
Pass. Der Anteil von Menschen mit einem anderen als<br />
dem deutschen Pass an der Wohnbevölkerung beträgt<br />
ca. 9% im Durchschnitt über das ganze B<strong>und</strong>esgebiet.<br />
1) Vgl. Dr. Nicole Lehnert, Marc Täuber – DtA – Deutsche Ausgleichsbank. Die Mittelstandsbank: Wirtschaftsdynamik durch Existenzgründungen von Migranten. Analysen auf Basis der<br />
DtA-Förderdaten <strong>und</strong> des DtA-Gründermonitors. Berlin 2003.<br />
2) Vgl. René Leicht, Markus Leiß, Ralf Philipp, Robert Strohmeyer: Ausländische Selbständige in Baden Württemberg. Veröffentlichung des Instituts für Mittelstandsforschung,<br />
Universität Mannheim. Grüne Reihe Nr. 43. Mannheim 2001.<br />
3) Andrea Nispel: Evaluation von aus Mitteln der B<strong>und</strong>esanstalt für <strong>Arbeit</strong> geförderten Existenzgründungen arbeitsloser Frauen in Frankfurt/M. Die Wirksamkeit des sozio-ökonomischen<br />
Beratungsansatzes innerhalb der Coaching-Maßnahmen nach §10 SGB III. Wissenschaftliche Beratung: Universität Frankfurt, fachliche Beratung: Frauenbetriebe e.V. Frankfurt/M. 2001.<br />
4) Leicht et al. 2001: S. 6.<br />
37
Natürlich gibt es markante regionale Unterschiede, so<br />
haben mindest ein Drittel der FrankfurterInnen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>,<br />
unter den Jüngeren ist dieser Anteil<br />
noch wesentlich höher.<br />
Forschungsergebnisse des IfM verweisen darauf, dass<br />
der Anteil von eingebürgerten Personen unter den Selbständigen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> sehr hoch ist. 4<br />
Würde die Statistiken also nicht die im Pass festgehaltene<br />
Nationalität sondern die Muttersprachen bzw.<br />
andere auf <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> hindeutende Fakten<br />
aufnehmen, so wäre der Anteil von Selbständigen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> höher.<br />
Das Gleiche gilt auch für die Selbständigenquote.<br />
Diese sagt aus, wie groß der Anteil der Selbständigen<br />
an allen Erwerbstätigen ist. Bei den Deutschen beträgt<br />
sie 10%, bei den Zugewanderten ohne deutschen Pass<br />
8,4%. Interessant ist, dass diese Selbständigenquote<br />
von 1992 bis 2001 bei den Zugewanderten um 23,6%<br />
gestiegen ist, bei den Deutschen hingegen um nur<br />
17%. Dies deutet auf eine höhere Dynamik des Gründungsgeschehens<br />
bei MigrantInnen hin.<br />
In Deutschland betrug der Frauenanteil an den Unternehmerinnen<br />
1999 für Frauen ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
27,5% <strong>und</strong> für ihr zugewanderten Kolleginnen<br />
24,4% an allen Selbständigen. Auch hier kann nachgewiesen<br />
werden, dass die Dynamik des weiblichen<br />
Unternehmerinnentums etwas höher ist, nämlich<br />
gemessen an der größeren Steigerung der Selbständigenquote<br />
bei Frauen – im Vergleich zu Männern –<br />
<strong>und</strong> auch der Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> im<br />
Vergleich zu ihren deutschen Kolleginnen sowie den<br />
männlichen Kollegen in ihren Communities .<br />
Bei den von der DtA geförderten UnternehmerInnen<br />
(im Zeitraum 1990 bis 2002) ist der Frauenanteil<br />
unter den deutschen 26% <strong>und</strong> unter den Zugewanderten<br />
22,8%. Allerdings variiert dieser ganz erheblich<br />
nach einzelnen Staatsangehörigkeiten. Die folgende<br />
Tabelle 1 zeigt sieben Nationalitäten, in denen der<br />
Frauenanteil unter den EmpfängerInnen von DtA-Förderung<br />
deutlich über dem Durchschnitt von 22,8%<br />
liegt. Insbesondere fallen die Frauen aus Polen <strong>und</strong><br />
der Russischen Förderation auf, die die Hälfte der<br />
GründerInnen mit dem gleichen Pass ausmachen.<br />
38<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Tabelle 1: Durch die DtA 1990 bis 2002 geförderte<br />
Gründerinnen nach Nationalitäten (Quelle: DtA-<br />
Fördertaten (1990-2002) – Ausschnitt)<br />
Jetzt fahre ich fort mit einigen Ergebnissen aus dem<br />
DtA-Gründungsmonitor, der mit einer bevölkerungsrepäsentativen<br />
Stichprobe arbeitet. Für diese Studie<br />
werden über 40.000 Menschen telefonisch befragt,<br />
<strong>und</strong> zwar danach, ob sie im letzten Jahren eine berufliche<br />
Selbständigkeit begründet haben oder ob sie beabsichtigen,<br />
das im nächsten halben Jahr zu tun. Hier<br />
werden die Personen nicht nach ihrem Pass gefragt.<br />
Statt dessen sollen sie sich selbst einer Nationalität<br />
zuordnen. Möglicherweise werden hier auch ein paar<br />
Eingebürgerte oder InhaberInnen von zwei Pässen<br />
einen <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> zu erkennen geben,<br />
obwohl sie gleichzeitig auch deutsche StaatsbürgerInnen<br />
sind.<br />
Die folgende Abbildung 1 gibt Aufschluss über die Gründungsquoten<br />
bzw. die Zahl derer, die eine Gründung planen.<br />
Hier tauchen die MigrantInnen zwei Mal auf, was<br />
sich wie folgt erklärt: Unter den genau 40.190 Befragten<br />
gaben nur 6% an, MigrantInnen zu sein. Da ihr Anteil an<br />
der Wohnbevölkerung 9% beträgt, wurde bei der Berechnung<br />
der gelben, mittleren Säulen (“MigrantInnen alternativ”)<br />
davon ausgegangen, dass die fehlenden 3%<br />
weder gegründet, noch eine Gründung im nächsten halben<br />
Jahr geplant hätten. Der Gründungsmonitor spricht<br />
hier von der “Minimalquote”. Die Zahlen in der Rubrik<br />
“MigrantInnen” (rote Säule, rechts) nennen den Anteil<br />
der Gründerinnen <strong>und</strong> Planerinnen innerhalb der<br />
tatsächlich Befragten, wobei hier MigrantInnen nur<br />
6% der gesamten Stichprobe ausmachen.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Abb. 1: Gründungsquoten 2002, differenziert<br />
nach nationaler Herkunft (Quelle: DtA-Gründungsmonitor<br />
2002)<br />
Unter den deutschen Befragten (grüne Säulen links)<br />
gaben 2,1% an, im letzten Jahr eine berufliche Selbständigkeit<br />
begründet zu haben. Bei den MigrantInnen<br />
war die Quote mehr als doppelt so hoch, nämlich<br />
5,4%. Und in der Minimalquote (gelbe Säule, Mitte)<br />
waren es immerhin noch 3,4%. Die Differenz zwischen<br />
Deutschen <strong>und</strong> Zugewanderten wird noch größer,<br />
wenn wir die Personen betrachten, die eine Gründung<br />
für das nächste halbe Jahr planen. Bei den Deutschen<br />
sind das 2,5% der Stichprobe, bei den MigrantInnen<br />
6,7% (Minimalquote: 4,2%).<br />
Diese Zahlen legen nahe, dass das Gründungspotenzial<br />
von Personen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> deutlich<br />
höher einzuschätzen ist als das der Deutschen.<br />
Der Gründungsmonitor führt ein halbes Jahr später<br />
eine zweite Befragung durch. Die folgende Abbildung<br />
2 zeigt Ihnen, was denn nun aus den GründungsplanerInnen<br />
geworden ist:<br />
Abb. 2: Verwirklichung der Gründungsplanung<br />
(Quelle: DtA-Gründungsmonitor 2002, Follow-Up-Befragung,<br />
N = 300, 262 Deutsche, 38 MigrantInnen)<br />
Auch hier finden wir erhebliche Unterschiede zwischen<br />
Personen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />
Während unter den Deutschen, die eine Gründung für<br />
das nächste halbe Jahr planten, fast ein Drittel (31%)<br />
diese auch realisiert haben, waren es von den Zugewanderten<br />
hingegen nur ein gutes Zehntel (11%). Die<br />
Differenz wird geringer in der Gruppe derer, die sich<br />
bei der Follow-Up-Befragung gerade in der Gründungsphase<br />
befanden (Deutsche 21%, MigrantInnen<br />
18%). 31% der Deutschen <strong>und</strong> 42% der MigrantInnen<br />
gaben an, die Gründung verschoben zu haben. Die<br />
Gründungsabsicht ganz aufgegeben haben 16% der<br />
Deutschen <strong>und</strong> 29% der Zugewanderten.<br />
Der Gründungsmonitor fragte auch nach, warum die<br />
Gründungsabsichten nicht realisiert oder verschoben<br />
wurden. Bei den MigrantInnen ist der Anteil derer, die<br />
finanzielle Mittel benötigten, aber Schwierigkeiten mit<br />
der Finanzierung hatten, mit 22% um acht Prozentpunkte<br />
höher als bei den Deutschen (14%). Hier fragt<br />
sich, ob MigrantInnen bei ihren Hausbanken eine<br />
größere Zurückhaltung gegenüber ihren Unternehmensideen-<br />
<strong>und</strong> Businesskonzepten vorfinden, vielleicht<br />
besonders dann, wenn ihre Ideen von denen<br />
eines männlichen deutschen Durchschnittsgründers<br />
abweichen. Von Gründerinnen wird oft beschrieben,<br />
dass vor allem bei vergleichsweise niedrigen Krediten<br />
sowie innovativen Gründungsideen wenig unterstützende<br />
Erfahrungen mit Banken gemacht werden. Als<br />
weitere wichtige Punkte für ein Aufschieben oder Auf-<br />
39
geben der Gründungsabsichten wurde von den<br />
MigrantInnen deutliche häufiger genannt: “Sozialer<br />
Abstieg beim Scheitern” <strong>und</strong> “fehlende Branchenkenntnisse”.<br />
Nun kommen wir zu den Frauenanteilen, zu denen der<br />
Gründungsmonitor sowohl für die GründerInnen als<br />
auch für die PlanerInnen Aussagen trifft. Diese werden<br />
in der folgenden Abbildung 3 dargestellt.<br />
Abbildung 3: Frauenanteile bei GründerInnen <strong>und</strong><br />
GründungsplanerInnen 2002 (Quelle: DtA Gründungsmonitor<br />
2002, Gründer N= 918, 122 MigrantInnen,<br />
PlanerInnen N = 1.102, 151 MigrantInnen)<br />
Bemerkenswert ist, dass der Frauenanteil in der Gruppe<br />
derer, die eine Gründung im nächsten halben Jahr<br />
geplant haben, bei den Personen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
fast gleich hoch ist (37% bzw. 36% bei<br />
MigrantInnen, vgl. die beiden rechten Säulenpaare).<br />
Bei den Befragten, die im letzten Jahr eine berufliche<br />
Selbständigkeit begründet haben, liegt der Frauenanteil<br />
unter den Deutschen mit 37% deutlich über dem<br />
der GründerInnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, nämlich<br />
24%. Hier können spezifische Hürden für Unternehmerinnen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angenommen<br />
werden. Dazu gehören wahrscheinlich die erschwerten<br />
Zugänge zu Finanzierungen, ein Problem, das bei<br />
Frauen noch häufiger anzutreffen sein dürfte als bei<br />
Männern. Auch mangelnde Informationen über Fördermöglichkeiten<br />
im finanziellen, aber auch beraterischen<br />
Bereich können für den besonders niedrigen<br />
Realisierungsgrad der Gründungen bei den Migrantin-<br />
40<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
nen mit verantwortlich gemacht werden. Es sei aber<br />
an dieser Stelle an die eingangs zitierten Zahlen aus<br />
den DtA-Förderdaten von 1990 bis 2002 erinnert,<br />
nach denen der Frauenanteil bei einigen Nationalitäten<br />
erheblich vom Durchschnitt nach oben abweicht.<br />
So bei den DtA-geförderten GründerInnen aus Polen<br />
(51% Frauenanteil), aus der Russischen Förderation<br />
(50%), aus Jugoslawien (33%) <strong>und</strong> Kroatien (32%). Der<br />
Anteil der Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> betrug<br />
hier im Durchschnitt 23%, der in der Gruppe der<br />
Antragstellenden ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> 26%.<br />
Nun komme ich zu einem weiteren interessanten<br />
Bef<strong>und</strong> des DtA-Gründungsmonitors. Die GründerInnen<br />
wurden auch danach befragt, wie viele Personen<br />
ihre Betriebe beschäftigen. Das Ergebnis ist, dass die<br />
Gründungen von MigrantInnen merklich beschäftigungswirksamer<br />
waren, als die der Deutschen. Die<br />
Abbildung 4 zeigt uns im ersten Säulenpaar Betriebe,<br />
die entweder eine Person, also den Gründer oder die<br />
Gründerin beschäftigen. Unter den Gründungen von<br />
Deutschen entfallen auf diese Ein-Mann- oder Ein-Frau-<br />
Betriebe ein gutes Viertel (26%), bei den MigrantInnen<br />
jedoch nur 16%. Zwei bis 10 Personen beschäftigen<br />
52% der Deutschen, aber 54% der MigrantInnen. Eine<br />
Betriebsgröße von 11 – 50 Personen erreichen 23% der<br />
Gründungen von MigrantInnen (unter den Deutschen<br />
nur 15%). 8% der Unternehmen von MigrantInnen<br />
beschäftigen über 50 Personen (Deutsche 7%).<br />
Im Schnitt ging aus einer Gründung eines oder einer<br />
Deutschen ein Beschäftigungseffekt von zwei Personen<br />
hervor, bei den GründerInnen mit Migrantionshintergr<strong>und</strong><br />
waren es fünf Personen. In diesem Kontext ist<br />
noch interessant, dass laut Gründungsmonitor der<br />
Anteil von Nebenerwerbsgründungen bei MigrantInnen<br />
mit 55% aller Gründungen etwas niedriger lag als bei<br />
den Deutschen (58%). Und sowohl vom Gründungsmonitor<br />
als auch von der Studie des IfM wird darauf hingewiesen,<br />
dass die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen<br />
unter MigrantInnen nicht nur nicht höher,<br />
sondern sogar geringfügig niedriger ist als in den deutschen<br />
Betrieben.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Abbildung 4: Beschäftigungseffekte der Gründungen<br />
im ersten Jahr<br />
(Quelle: DtA-Gründungsmonitor 2002)<br />
Im folgenden beziehe ich mich auf Ergebnisse aus dem<br />
eingangs schon angesprochenen eigenen Forschungsprojekt.<br />
Dieses war vom <strong>Arbeit</strong>samt Frankfurt in Auftrag<br />
gegeben <strong>und</strong> wurde von mir in Kooperation mit den Frauenbetrieben<br />
<strong>und</strong> der Uni Frankfurt/M. von 1999 bis<br />
2001 durchgeführt. Befragt habe ich Überbrückungsgeld-<br />
Empfängerinnen, die zwischen 1998 <strong>und</strong> Mitte<br />
2000 mit diesem <strong>Arbeit</strong>smarktinstrument im Bereich<br />
des <strong>Arbeit</strong>samtes Frankfurt gefördert worden waren.<br />
Der Fragebogen wurde von 198 Frauen zurückgesandt,<br />
was einer erfreulichen Rücklaufquote von 30% entsprach.<br />
Von den Antwortenden hatten 16 Frauen (8%)<br />
eine andere Muttersprache als Deutsch <strong>und</strong> überwiegend<br />
auch eine im Ausland absolvierte schulische <strong>und</strong><br />
berufliche Ausbildung. Da diese Stichprobe sehr klein ist,<br />
erhebe ich keinen Anspruch auf Repräsentativität. Bei<br />
diesen Ergebnissen handelt es sich um einzelne Fälle,<br />
die aber als Anregungen für die Gründungsforschung<br />
dienen mögen. Mit Ausnahme der hier zitierten Studien<br />
der DtA <strong>und</strong> des Instituts für Mittelstandsforschung in<br />
Mannheim wird dort bislang die Einwanderungsrealität<br />
kaum wahrgenommen.<br />
In meiner Studie hatten die Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
vergleichbar hohe schulische <strong>und</strong> berufliche<br />
Abschlüsse wie ihre deutschen Kolleginnen: etwa<br />
die Hälfte waren Akademikerinnen. Im Schnitt waren die<br />
Migrantinnen etwas älter, der Anteil der Alleinerziehenden<br />
war höher <strong>und</strong> sie waren vor der Gründung etwas<br />
länger arbeitslos gemeldet. Ihre Verteilung auf die Bran-<br />
chen war – trotz der kleinen Stichprobe – etwas breiter,<br />
sie firmierten häufiger im Handel <strong>und</strong> etwas seltener in<br />
Freien Berufen <strong>und</strong> als Dienstleisterinnen. Die deutschen<br />
Überbrückungsgeld-Empfängerinnen gaben häufiger sog.<br />
intrinsische Motive für die Entscheidung zur beruflichen<br />
Selbständigkeit an, z.B. die Hoffnung auf mehr Entfaltungsmöglichkeiten<br />
ihrer Kreativität <strong>und</strong> mehr Selbstbestimmung<br />
im <strong>Arbeit</strong>salltag. Von den Migrantinnen<br />
war der Gr<strong>und</strong> “Ich wollte meine <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />
beenden” deutlich häufiger als von den deutschen<br />
Frauen genannt worden.<br />
Ein Hauptfokus der Untersuchung lag auf der Erforschung<br />
von Erfahrungen mit Beratung. Hier zeigte sich,<br />
dass Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> mehr<br />
Beratung nachsuchten als ihre deutschen Kolleginnen,<br />
sowohl im informellen Fre<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Bekanntenkreis,<br />
als auch bei professionellen Beraterinnen. Da der positive<br />
Einfluss von Beratung auf Unternehmenserfolge als<br />
belegt gelten kann, ist dieses intensivere Suchen nach<br />
fachmännischem <strong>und</strong> auch fre<strong>und</strong>schaftlichem Rat positiv<br />
zu bewerten. Jedoch zeigte sich, dass die Frauen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> von den existierenden Beratungsangeboten<br />
sowie von finanzieller Beratungsförderung<br />
signifikant schlechter informiert waren.<br />
Ebenfalls wurde deutlich, dass die in meiner Untersuchung<br />
befragten Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
ihre schriftlichen Gründungskonzepte weniger<br />
detailliert ausgearbeitet hatten als die deutschen Kolleginnen.<br />
Das muss als ein Problem gewertet werden, da<br />
die hohe Bedeutung des guten Businessplans für den<br />
Erfolg von GründerInnen nachgewiesen wurde. Mit anderen<br />
bereits zitierten Ergebnissen übereinstimmend zeigte<br />
sich auch in meiner Stichprobe, dass die Migrantinnen<br />
etwas weniger Gründungskapital einsetzten als die Überbrückungsgeld-Empfängerinnen<br />
ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>.<br />
Zum Schluss will ich ein kleines Fazit aus den hier dargestellten<br />
Ergebnissen ziehen. Ich halte es für erwiesen,<br />
dass das volkswirtschaftliche Potenzial von Migrantinnen<br />
ganz allgemein unterschätzt wird, insbesondere<br />
aber ihr Potenzial als Gründerinnen, Unternehmerinnen<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>geberinnen. Betrachtet man die Aussagen<br />
zum erschwerten Zugang zu Gründungskapital <strong>und</strong><br />
–beratung, so kann angenommen werden, dass die Institutionen<br />
zur Förderung von Existenzgründungen einen<br />
“blinden Fleck” beim Thema Einwanderungsland haben.<br />
41
Es braucht deshalb meiner Meinung nach ein‚ <strong>Migration</strong><br />
<strong>Main</strong>streaming’ der Gründungsförderung. Abschließend<br />
plädiere ich für eine zunehmende Sichtbarmachung<br />
der Potenziale von Migrantinnen in allen<br />
Bereichen unserer Gesellschaft. Ihre Leistungen als<br />
Gründerinnen, Unternehmerinnen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>geberinnen<br />
sind dabei ganz besonders hervorzuheben.<br />
Im Anschluss an den Vortrag gab es Gelegenheit für<br />
Nachfragen <strong>und</strong> Diskussion. Die erste Frage aus dem<br />
Publikum bezog sich auf den Begriff ‚<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming’:<br />
Was hat man sich darunter vorzustellen?<br />
Welche Anforderungen würden sich an die Qualität<br />
von Gründungsförderung stellen, wenn ein „<strong>Migration</strong><br />
<strong>Main</strong>streaming” implementiert würde?<br />
Als Vortragende antwortete ich darauf, dass ich den<br />
Begriff ‚<strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming’ bislang in Anführungszeichen<br />
schreibe, da ich mich innerhalb des Diskurses<br />
auf der Suche nach einem möglichst passenden Begriff<br />
befinde. Eine Alternative wäre möglicherweise ‚Diversity<br />
<strong>Main</strong>streaming’, wobei es da um die Sichtbarmachung<br />
<strong>und</strong> Wertschätzung der Potenziale von Vielfalt geht <strong>und</strong><br />
nicht allein Personen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angesprochen<br />
sind. Wenn ich von <strong>Migration</strong> <strong>Main</strong>streaming<br />
spreche, dann verbinde ich damit die Vorstellung, dass<br />
alle in der Gründungsförderung tätigen ProtagonistInnen<br />
– vom Berater einer Überbrückungsgeld-Empfängerin<br />
über die MitarbeiterInnen in den Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern<br />
bis zur Entscheiderinnen in der Wirtschaftsförderung<br />
oder der Bank alle in ihren jeweiligen<br />
Tätigkeits- <strong>und</strong> Einflussbereichen das Faktum<br />
Einwanderungsland angemessen berücksichtigen.<br />
Das würde bedeuten, dass das Thema Einwanderungsrealität<br />
allen diesen Personen vertraut ist, sie darüber<br />
umfassend informiert sind <strong>und</strong> sie ihre eigenen persönlichen<br />
Einstellungen zu Minderheitenangehörigen reflektiert,<br />
überprüft <strong>und</strong> ggf. ausdifferenziert haben. Weiter<br />
müssten die Strukturen der Institutionen, in denen diese<br />
Personen arbeiten, es zulassen, dass die Einwanderungsrealität<br />
von ihren MitarbeiterInnen so berücksichtigt<br />
werden kann, dass Gründungswillige <strong>und</strong> UnternehmerInnen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> eine qualitativ<br />
genauso hochwertige Beratung <strong>und</strong> Förderung erfahren,<br />
wie Mehrheitenangehörige auch. Ihr Beratungs<strong>und</strong><br />
Förderungsbedarf wird sich dabei in den meisten<br />
42<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Punkten mit denen von Deutschen decken. Aber<br />
natürlich wird es da auch Differenzen geben. Diese<br />
betreffen z.B. die juristischen Besonderheiten, die nur<br />
für nicht-deutsche Staatsangehörige gelten <strong>und</strong> nur von<br />
diesen berücksichtigt werden müssen. Wünschenswert<br />
wäre, dass alle in der Gründungsförderung tätigen BeraterInnen<br />
<strong>und</strong> EntscheiderInnen in ihrem speziellen Themengebiet<br />
über die allgemeinen <strong>und</strong> spezifischen Beratungsbedarfe<br />
von Gründerinnen mit <strong>Migration</strong>shinter<br />
gr<strong>und</strong> umfassend informiert <strong>und</strong> auf deren Beratungsanfragen<br />
entsprechend vorbereitet sind.<br />
Zwei weitere Beiträge aus dem Publikum bezogen sich<br />
auf die außerordentlichen Schwierigkeiten bei der Finanzierung<br />
von Gründungsideen von MigrantInnen. Es sprachen<br />
zwei Berater aus Institutionen, die GründerInnen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> fördern.<br />
Übereinstimmend schilderten sie, wie Gründungswillige<br />
auch bei der Akquise von kleinen Krediten <strong>und</strong> auch mit<br />
guten, schriftlich ausgearbeiteten Konzepten keine Bewilligungen<br />
ihrer Kreditanfragen bei Banken erreicht hätten.<br />
Auch dann nicht, wenn sie die Unterstützung der<br />
beratenden Institutionen nachweisen konnten.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
8. EXZEPT: Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit –<br />
erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen<br />
Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand der<br />
KIZ Zentrale für Existenzgründung AG,<br />
Offenbach<br />
Hakan Helvaci, Coach für MigrantInnen,<br />
KIZ Zentrale für Existenzgründung,<br />
Offenbach<br />
Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand, KIZ Zentrale<br />
für Existenzgründung AG, Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Nirvana Gerdjikow, Gründerin, Lunchbox,<br />
Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Hakan Helvaci, Coach, KIZ Zentrale für<br />
Existenzgründung AG, Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Markus Weidner: Zu vorgerückter St<strong>und</strong>e ein herzliches<br />
Willkommen von mir. Ich bin Markus Weidner,<br />
Vorstand der KIZ Zentrale für Existenzgründung AG. KIZ<br />
ist Initiator der Entwicklungspartnerschaft „EXZEPT“.<br />
Wir sind so ein bisschen Exoten, weil unser Thema in<br />
der Entwicklungspartnerschaft nicht allein „Migranten“<br />
ist, sondern wir sind aus dem EQUAL-Bereich 2c<br />
„Stärkung des Unternehmergeistes“. Aber natürlich<br />
Nirvana Gerdjikow, Gründerin Lunchbox<br />
Offenbach<br />
ist die Stärkung von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten bei<br />
uns ein ganz wichtiger Faktor. Deshalb hole ich etwas<br />
weiter aus, damit Sie das Folgende ein Stück weit einordnen<br />
können.<br />
Unser Thema ist „Erleichterung von Existenzgründung<br />
durch mehr Akzeptanz“. Akzeptanz gliedert sich dabei<br />
in vier Bereiche. Zum einen die „Akzeptanz in Politik<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft“. Es wurde vorhin in einem exzellenten<br />
Beispiel von dem Kollegen aus Augsburg angesprochen.<br />
Es gibt im Bankensektor große Widerstände<br />
institutioneller Art.<br />
Das Kreditwesengesetz verhindert häufig, dass die<br />
Leute mit Geld bedient werden, damit sie starten<br />
können. Das ist im Moment ein großes Hindernis.<br />
Wenn Sie den letzten Finanztest gelesen haben, wissen<br />
Sie, dass die Kammern bei der Beratung von Existenzgründern,<br />
dazu zählen auch Gründungen von<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten, sehr schlecht abgeschnitten<br />
haben. Von mangelhaft bis ausreichend im<br />
besten Fall. Das sind institutionelle Barrieren, an<br />
denen wir arbeiten.<br />
Es gibt ein zweites Feld, für das wir von KIZ zuständig<br />
sind. Das ist das Themenfeld „Regionale Verankerung“,<br />
d.h. die Zusammenarbeit von Regionen. Unser Ziel ist<br />
es, ein Referenzmodell für eine zentrale Anlaufstelle für<br />
Gründerinnen <strong>und</strong> Gründer zu entwickeln <strong>und</strong> dieses<br />
Referenzmodell an Pilotstandorten umzusetzen. Die<br />
Modellentwicklung wurde Anfang 2003 abgeschlos-<br />
43
sen, wir haben dazu 40 Institutionen aus ganz<br />
Deutschland analysiert, drei Pilotumsetzungen laufen<br />
in den One Stop Shops, das ist „EQUAL“-Deutsch, in<br />
Offenbach, in Tauberbischofsheim <strong>und</strong> in Starkenburg.<br />
In diesen One Stop Shops müssen wir sehr stark<br />
berücksichtigen, was Frau Nispel gesagt hat, dass die<br />
Leute zwar gleich behandelt werden, aber mit einer<br />
besonderen Berücksichtigung des Herkunftslandes.<br />
Das dritte Themenfeld ist „Akzeptanz in den Zielgruppen“.<br />
Wir haben gesehen, dass die Gründungsberatung<br />
nicht in dem Maße in Anspruch genommen wird<br />
wie sie angeboten wird. Das bedeutet, das bestehende<br />
Angebot wird von den Gründerinnen oft nicht<br />
akzeptiert. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie<br />
wir Migrantinnen erreichen, wie wir Frauen erreichen,<br />
wie die Angebote gestrickt sein müssen, damit<br />
sie angenommen werden. Das machen unsere Kollegen<br />
aus Hamburg, Enigma.<br />
Das letzte große Themenfeld, das wir gemeinsam mit<br />
der GLS Gemeinschaftsbank bearbeiten, ist „Akzeptanz<br />
im Finanzmarkt“. Das ist der Bereich, wo es sehr<br />
schwer ist, Ergebnisse herbeizuführen, weil die Strukturen<br />
doch sehr verkrustet sind.<br />
Trotz aller Bemühungen, die die DTA <strong>und</strong> die KFW Mittelstandsbank<br />
unternehmen, findet Existenzgründungsfinanzierung<br />
bei Kleingründungen, die höchstens<br />
5000 Euro brauchen, von Bankseite faktisch<br />
nicht mehr statt. Hier sind wir bemüht, alternative<br />
Lösungen zu finden. Auch muss ich den Kollegen aus<br />
Augsburg zitieren: Jawohl, wir werden im thematischen<br />
Netzwerk Lösungen finden, aber es ist ein sehr<br />
mühsames Geschäft.<br />
44<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Jetzt noch zu unseren Partnern <strong>und</strong> Finanziers.<br />
EQUAL <strong>und</strong> das BMWA kennen Sie. Das Hessische<br />
Wirtschaftsministerium fördert die One Stop Shops in<br />
Hessen, die Deutsche Bank Stiftung Alfred Herrhausen<br />
unterstützt im Themenfeld „Akzeptanz in Politik<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft“ sehr stark. Und auch die <strong>Arbeit</strong>sämter<br />
in Offenbach <strong>und</strong> in Hamburg sind Co-Finanziers.<br />
Danke an diese Institutionen!<br />
Wer ist KIZ? Wir wurden 1998 gegründet mit Sitz in<br />
Offenbach. Wir haben mittlerweile 13 Mitarbeiter, 6<br />
Standorte <strong>und</strong> ca. 30 freie Mitarbeiter. Wir haben das<br />
Regionalgeschäft, also den Betrieb der One Stop<br />
Shops <strong>und</strong> verschiedene Projekte. Laut den Hochrechnungen<br />
aus den letzten Quartalszahlen aus 2003<br />
werden wir in 2004 etwa 2600 K<strong>und</strong>en betreuen <strong>und</strong><br />
ca.1000 Trainingstage durchführen.<br />
Kommen wir zum Projekt „Auf geht’s“. Das Projekt<br />
läuft schon längere Zeit. Warum ist es ein multikulturelles<br />
Projekt? Etwa ein Drittel der Jugendlichen im<br />
Raum Offenbach sind Ausländer. Ich habe neuere Zahlen,<br />
nach denen wir jetzt knapp unter 40 Prozent liegen.<br />
Ausländische Unternehmer beschäftigen zur Zeit<br />
fast 780.000 <strong>Arbeit</strong>nehmer mit steigender Tendenz.<br />
Wir, die Initiatoren, das sind die Stadt Offenbach, das<br />
<strong>Arbeit</strong>samt Offenbach, die Deutsche Bank Stiftung<br />
Alfred Herrhausen <strong>und</strong> das KIZ, erhoffen uns einen sehr<br />
hohen Multiplikatoreffekt, weil wir davon ausgehen,<br />
dass Migranten, die sich selbstständig machen, in<br />
erster Linie andere Migranten einstellen. Darüber hinaus<br />
gibt es bei Migranten kulturell oft eine Verbindung<br />
zur Selbstständigkeit. Die Selbstständigenquote in<br />
Südeuropa ist viel höher als bei uns in Deutschland.<br />
Was sieht die besondere Situation junger Migranten<br />
bei der Gründung aus? Zuerst einmal haben sie ihre<br />
ganz normalen Gründungsschwierigkeiten, die jeder<br />
Gründer hat. Aber es kommen noch einige Dinge<br />
dazu:<br />
● Die Migranten haben weniger Erfahrung <strong>und</strong><br />
Kontakte in die Wirtschaft. Häufig besteht bei<br />
ihnen die Gefahr der Unstetigkeit wegen vieler<br />
guter Gelegenheiten. Das heißt, sie denken<br />
leicht, das könnte ich machen <strong>und</strong> nachdem ich<br />
das eine Woche probiert habe, probiere ich mal
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
die andere Idee. Die ist auch vielversprechend.<br />
Das ist eine große Gefahr speziell bei jungen<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />
● Darüber hinaus haben sie ein höheres Feedback<br />
bedürfnis. Das ist allgemein bei jungen Men<br />
schen so. Sie können nicht auf so viel Erfahrung<br />
zurückgreifen. Sie machen einen Schritt <strong>und</strong><br />
müssen hören, ob der richtig ist <strong>und</strong> beim zweiten<br />
Schritt ist es genauso, weil sie sich selbst<br />
dieses Feedback nicht geben können.<br />
● Als letzter Punkt ist das geringe Eigenkapital zu<br />
nennen, sofern Kapital überhaupt vorhanden ist.<br />
Ein Kollege hat einmal gesagt, in der Regel ist<br />
das Eigenkapital negativ. Ein anderer hat es ganz<br />
plastisch formuliert <strong>und</strong> sagte, in der Regel sind<br />
die Schufa-Listen länger als die Lebensläufe. Und<br />
das ist durchaus ein Problem, das wir berücksichtigen<br />
müssen.<br />
Wie haben wir das alles berücksichtigt? Wir haben ein<br />
ganz intensives Gründertraining aufgebaut, in dem<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse vermittelt werden. Wir<br />
haben Netzwerke aufgebaut, wir bieten Coachings <strong>und</strong><br />
Gründerforen. Es gibt eine räumliche Bindung, die insbesondere<br />
für das Feedback wichtig ist. Die Unternehmensgründung<br />
wird vor Ort mit uns in Offenbach<br />
durchgezogen. Das ganze Angebot ist zusammengefasst<br />
im Projekt „Auf geht’s“. Wie sieht das nun aus?<br />
Also: Alter bis 29, Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>, Sonderfokus<br />
auf Migranten. Es ist das Ziel, Migranten zu fördern,<br />
aber wir haben früh entschieden, dass wir kein reines<br />
Migrantenprojekt wollen. Es sollen nicht nur ausländische<br />
Mitbürger dabei sein, sondern wir haben Deutsche<br />
<strong>und</strong> Migranten, von Akademikern bis zu Angelernten<br />
alle dabei. Es war sehr wichtig, diese Heterogenität<br />
hineinzubringen.<br />
Kommen wir als nächstes zum Phasenmodell. Wir hatten<br />
in der ersten Staffel des „Auf geht’s“-Projekts für<br />
die Anwerbung der Teilnehmer Unterstützung von<br />
Radio FFH. Das ist jetzt schon eine Zeit lang her. Wir<br />
haben aber gemerkt, dass das Einzige, was wirklich<br />
funktioniert, ist, die Leute Auge in Auge in einer Ver-<br />
anstaltung sitzen zu haben <strong>und</strong> ihnen zu sagen, so<br />
sieht das Projekt aus, nutzt die Chance, ihr könnt<br />
dabei sein. Heute in 14 Tagen startet die nächste Staffel<br />
des Projekts. Dafür haben wir 22 Info-Veranstaltungen<br />
mit 450 Teilnehmern durchgeführt. Aktuell haben<br />
wir 120 Bewerbungen für das Projekt. Mit diesen 120<br />
werden wir nicht arbeiten können. Wir wollen sie auf<br />
80 reduzieren. Ursprünglich waren nur 60 geplant.<br />
Was wird in der ersten Phase gemacht? Es ist eine<br />
Motivationswoche <strong>und</strong> wir führen Interviews, Gruppenarbeiten<br />
<strong>und</strong> Einzelgespräche durch. Die Leute<br />
sollen Ihre Idee finden, aber wir werten moch keine<br />
Geschäftsidee. Wir schauen uns die Personen an,<br />
beobachten, wie sie in der Gruppe agieren, wie zielstrebig<br />
sie sind. Wir lassen z.B. Collagen anfertigen.<br />
Wir fragen, wer sind deine K<strong>und</strong>en, wer sind deine<br />
Mitarbeiter, wie arbeitest du, wie sieht dein Privatleben<br />
aus, passt die Selbstständigkeit da rein? Und da<br />
kann man schon erkennen, ob das Hirngespinste sind<br />
oder ob es echte Ideen werden.<br />
Die Idee an sich ist Thema der Phase zwei. Hier gibt<br />
es acht Wochen Intensivtraining <strong>und</strong> Beratung. Die<br />
Teilnehmer erarbeiten ihren Businessplan <strong>und</strong> können<br />
am Ende sagen, ob die Idee funktioniert <strong>und</strong> sich trägt<br />
oder nicht. Es ist für uns auch ein gutes Ergebnis,<br />
wenn die Leute sagen, so wie es aussieht, ist meine<br />
Idee nicht umsetzbar. Wir legen ganz großen Wert<br />
darauf, dass die Teilnehmer auf dem Papier sehen, ob<br />
sich die Idee trägt <strong>und</strong> nicht erst, wenn sie schon<br />
ein Jahr am Markt waren <strong>und</strong> eventuell Schulden<br />
angehäuft haben. Sie müssen im Vorfeld planen, alles<br />
aufschreiben <strong>und</strong> dann nach acht Wochen sagen: Ja,<br />
ich mache es, oder, Nein, ich mache es nicht. Wenn<br />
45
sie sich selbstständig machen wollen, heißt das nicht<br />
automatisch, dass sie weiter im Projekt bleiben können.<br />
Denn anschließend geht es in die Phase drei <strong>und</strong><br />
dort nehmen nur noch 15 Gründer teil. Die Gründer<br />
der Phase drei werden zehn Monate lang betreut. Sie<br />
bekommen Coachings, einen Platz im Inkubator, das ist<br />
ein komplett eingerichtetes Großraumbüro, finanzielle<br />
Unterstützung analog zum Überbrückungsgeld <strong>und</strong> das<br />
so genannte „Auf geht´s“- Darlehen. Das ist ein Darlehen,<br />
das wir mit der Deutsche Bank Stiftung Alfred Herrhausen<br />
<strong>und</strong> der Sparkasse Offenbach aufgelegt<br />
haben, so dass die Bewilligung im Rahmen des Projekts<br />
stattfindet. Dabei übernimmt die Deutsche<br />
Bank Stiftung Alfred Herrhausen das komplette Risiko.<br />
Ergänzend dazu gibt es ein Tutorennetzwerk mit ehrenamtlichen<br />
Betreuern. Zu diesem Netzwerk gehören<br />
u.a. Herr Trageser von der Deutschen Bank, der Gründungsberater<br />
der IHK, von der Sparkasse die Dame,<br />
die die Kredite bearbeitet <strong>und</strong> der Abteilungsleiter für<br />
Kredit, Herr Mayer, der Geschäftsführer einer Textilmaschinenfabrik<br />
in Offenbach <strong>und</strong> die Vorsitzende<br />
der Unternehmerfrauen. Also ein sehr breit gefächertes<br />
Unterstützerspektrum. Was machen die Tutoren?<br />
Sie vermitteln Kontakte <strong>und</strong> geben Feed-back. In den<br />
Markt hineinzukommen, ist für junge Gründer extrem<br />
schwer. Deshalb sind Kontakte das A <strong>und</strong> O. Dafür<br />
sind die Tutoren da <strong>und</strong> unterstützen die Leute mit Rat<br />
<strong>und</strong> Tat. Die neueste Errungenschaft, die in die nächste<br />
Staffel einfließt, ist das Gründernetzwerk. Es ist<br />
ein Netzwerk von Gründern aus den alten Projekten<br />
<strong>und</strong> den aktuellen Projekten.<br />
46<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Wie haben wir das Thema Gründungen von Migranten<br />
strukturell berücksichtigt? Wir haben am Anfang<br />
„Deutsch für Migranten“ angeboten. Da war kein Bedarf<br />
da. Die Leute sind nicht hingegangen. Wir haben den<br />
gleichen Kurs dann umbenannt in „Geschäftskorrespondenz“<br />
<strong>und</strong> da war auf einmal der Bedarf da. Inhaltlich<br />
war es genau das gleiche, aber unter dem Titel<br />
„Deutsch für Migranten“ fand es keine Akzeptanz. In<br />
der zweiten Staffel haben wir dann einfach das normale<br />
Programm angepasst. Wir haben nicht Besonderheiten<br />
für Migranten, aber wir haben einen besondern<br />
Fokus. Wenn wir sehen, dass jemand in sich gekehrt<br />
ist, gehen wir auf ihn zu <strong>und</strong> versuchen im Gespräch<br />
herauszufinden, wie wir ihn unterstützen können.<br />
Ein ganz wichtiger Punkt ist auch das Schreiben des<br />
Businessplans. Wenn ich als Coach die fünfte St<strong>und</strong>e<br />
mit jemandem zusammensitze, der gebrochen<br />
Deutsch spricht <strong>und</strong> versuche, die Marktpotentiale<br />
mit ihm zu besprechen, dann kann ich das halt mal<br />
schnell runtertippen. Aber das ist fern von dem, was<br />
sinnvoll ist. Wir erwarten nicht, dass der Businessplan<br />
in feinstem Deutsch geschrieben ist, aber wir erwarten,<br />
dass die Leute sich den Plan selbst überlegen.<br />
Es geht nicht, dass der Coach den Businessplan<br />
schreibt. Auch später müssen sie Briefe schreiben<br />
<strong>und</strong> dann müssen sie sich in ihrem Umfeld jemanden<br />
organisieren, der das macht. Wir animieren die Leute<br />
dazu, eigene Lösungen zu finden.<br />
Zu den Zahlen des Projekts. Die Quote der Migranten<br />
liegt in etwa bei 40 Prozent. Darüber sind wir sehr<br />
froh, denn, ich hatte es angesprochen, ein Drittel der<br />
jugendlichen <strong>Arbeit</strong>slosen in Offenbach sind Migranten.<br />
Mit unserer direkten Ansprache können wir die<br />
Leute also gut aktivieren.<br />
Gut, vielleicht so noch etwas zum Anfassen, einige<br />
Gründerbeispiele aus Offenbach.<br />
● Frau Zantiotis ist eine Gründerin, die auch<br />
Anfang des Jahres beim ZDF zu sehen war.<br />
Frau Zantiotis hatte die Idee, eine Hummerbar zu<br />
eröffnen. Sie war noch nicht gestartet. Während<br />
dieses Fernsehberichtes wurde sie von ihrem<br />
Chef, bei dem sie als Aushilfe gekellnert hat,<br />
angesprochen. Er sagte, „das ist eine schöne
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
● Ein anderes Beispiel. Massimiliano Kreyer, ein<br />
Italiener, hat die Firma Massimo Productions<br />
gegründet <strong>und</strong> gerade seine zweite CD auf den<br />
Markt gebracht. Jetzt ist er dabei, neue Räume<br />
zu suchen.<br />
Ja, meine Damen <strong>und</strong> Herren, das sind die Dinge, die wir<br />
in Offenbach im Rahmen des Projekts „Auf geht´s“ machen.<br />
Ich übergebe jetzt an meinen Kollegen Herrn<br />
Helvaci als Coach speziell für Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten.<br />
Hakan Helvaci: Hallo, ich heiße Hakan Helvaci <strong>und</strong><br />
komme aus der Türkei. Ich habe an der Universität Freiburg<br />
Volkswirtschaftslehre studiert. Ich bin Unternehmensberater,<br />
habe meine eigene Firma <strong>und</strong> arbeite<br />
gleichzeitig bei der KIZ Zentrale für Existenzgründung AG<br />
als freier Berater. Ich betreue in erster Linie ausländische<br />
Mitbürger <strong>und</strong> Gründer bei der Konzepterstellung.<br />
Meine Erkenntnisse über ausländische Existenzgründer<br />
sind folgende: Ausländische Existenzgründer sind risikofreudiger<br />
bei Gründungen. Sie gründen ihr Unternehmen,<br />
auch wenn einige Voraussetzungen nicht erfüllt<br />
sind, z.B. wenn keine Kreditzusage vorliegt. Und wenn der<br />
Kredit nicht bewilligt wird, dann wird die ganze Sache privat<br />
finanziert. Dann nehmen Familienangehörige Kredite<br />
auf. Wenn ich ausländische Existenzgründer frage, ob sie<br />
mit ihrem Konzept Erfolg haben werden, sagen sie: Was<br />
habe ich zu verlieren? Ich kann das mal probieren <strong>und</strong><br />
mit großer Wahrscheinlichkeit wird es hinhauen.<br />
Eine andere Besonderheit von Ausländern ist, dass<br />
sie Spaß an der Improvisation haben <strong>und</strong> sehr flexibel<br />
sind. Manchmal eröffnen sie Geschäfte weit weg von<br />
ihrem Wohnort, doch das ist egal. Wenn Personal<br />
fehlt, ist das auch kein Problem. Dann hilft ein Familienangehöriger.<br />
Sie machen sich keine Gedanken.<br />
Noch etwas ist mir bei der <strong>Arbeit</strong> mit ausländischen<br />
Existenzgründern aufgefallen. Die Teilnehmer, die ich<br />
betreue, erarbeiten das Unternehmenskonzept anhand<br />
eines Leitfadens. Aber manchmal wird der Leitfaden<br />
von ausländischen Existenzgründern abgelehnt.<br />
Sie sagen, dass sie ihre Vorstellungen <strong>und</strong> die Planung<br />
im Kopf haben, <strong>und</strong> verstehen nicht, warum sie einen<br />
Businessplan über einen Zeitraum von drei Jahren brauchen.<br />
Nicht alle sind so, aber einige Gründer ausländischer<br />
Herkunft glauben, dass sie mit ihren eigenen Vorstellungen<br />
effizienter Erfolge erzielen können als mit<br />
dem Leitfaden <strong>und</strong> dem Konzept.<br />
Darüber hinaus habe ich bemerkt, dass Ausländer<br />
emotionaler sind als Deutsche. Sie treffen Entscheidungen<br />
eher aus dem Bauch heraus. Wenn sie ein<br />
Geschäft eröffnen möchten, machen sie keine Marktforschung,<br />
um zu wissen, wie viele mögliche K<strong>und</strong>en es<br />
es gibt <strong>und</strong> wer die Konkurrenz ist. Das ist in erster<br />
Linie egal. Sie sagen, wenn ein anderer es geschafft<br />
hat, dann schaffe ich das auch. Damit haben einige<br />
Leute auch Erfolg, sie denken nicht so intensiv. Einmal<br />
war ich bei der Bank <strong>und</strong> wir haben mit einem Berater<br />
gesprochen <strong>und</strong> er hat gesagt, wissen sie, warum ihre<br />
Leute noch mehr Erfolg haben als die Deutschen? Sie<br />
lesen das Kleingedruckte nicht <strong>und</strong> sie sind eher bereit,<br />
ein Risiko einzugehen <strong>und</strong> dann haben sie auch Erfolg.<br />
Was mir auch auffiel, ist, dass am Anfang einige Gesetze<br />
nicht akzeptiert werden. Wenn ich den Gründern<br />
sage, wenn sie ein Unternehmen gründen, müssen sie<br />
monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen ab-geben,<br />
dann fragen sie mich, ob man das nicht umgehen kann.<br />
Man muss ihnen die Gesetze genau erklären. Dann<br />
akzeptieren sie sie auch.<br />
Bei meinen Sitzungen erlebe ich manchmal, dass Gründer<br />
mit der Erwartung kommen, dass ich als Coach ihr<br />
Unternehmenskonzept für sie erstelle. Und ich habe<br />
einige erlebt, die gesagt haben: Sie sind meine einzige<br />
Hoffnung. Ich habe alles im Kopf, aber ich kann es nicht<br />
auf das Papier bringen. Dann erkläre ich ihnen, dass ich<br />
sie unterstützen <strong>und</strong> ihnen den Weg weisen kann, dass<br />
aber die Idee von ihnen kommen muss. Es gibt einfach<br />
47
eine monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben,<br />
dann fragen sie mich, ob man das nicht umgehen<br />
kann. Man muss ihnen die Gesetze genau erklären.<br />
Dann akzeptieren sie sie auch.<br />
Bei meinen Sitzungen erlebe ich manchmal, dass Gründer<br />
mit der Erwartung kommen, dass ich als Coach ihr<br />
Unternehmenskonzept für sie erstelle. Und ich habe<br />
einige erlebt, die gesagt haben: Sie sind meine einzige<br />
Hoffnung. Ich habe alles im Kopf, aber ich kann es nicht<br />
auf das Papier bringen. Dann erkläre ich ihnen, dass ich<br />
sie unterstützen <strong>und</strong> ihnen den Weg weisen kann, dass<br />
aber die Idee von ihnen kommen muss. Es gibt einfach<br />
Regeln, die eingehalten werden müssen. Diese Schwierigkeiten<br />
der ausländischen Gründer sind auf Sprachprobleme,<br />
ein geringeres Bildungsniveau <strong>und</strong> fehlende<br />
Kenntnisse zurückzuführen.<br />
Um ausländischen Gründern helfen zu können, müs-<br />
sten die Angebote auch von ausländischen Coaches<br />
angeboten werden, denn ein nicht-deutschsprachiger<br />
Coach kennt die Mentalität <strong>und</strong> die Kultur seiner Bevölkerungsgruppe.<br />
Er kann eine Brücke zwischen den Kulturen<br />
sein <strong>und</strong> bei den Sitzungen auf Motive näher eingehen.<br />
Auch bei uns ist es so. Wir schütteln erst die<br />
Hände, dann geht es los. Man muss dem Gegenüber<br />
auch das Gefühl geben, dass er etwas wert ist, dass er<br />
ein Konzept erstellen kann. Wenn die Mentalitätsunterschiede<br />
nicht da sind, fallen auch einige Barrieren weg.<br />
Es baut sich ein Vertrauensverhältnis auf <strong>und</strong> wir können<br />
über alles offen <strong>und</strong> ehrlich reden. Dann sage ich<br />
zum Beispiel, ihr müsst das Konzept nicht im perfekten<br />
Deutsch schreiben. Das wichtigste ist, was ihr denkt<br />
<strong>und</strong> die Idee.<br />
48<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Manchmal habe ich gemerkt, dass die Ausländer<br />
Angst haben, Fragen zu stellen. Sie denken, wenn ich<br />
jetzt frage, dann wird er eine andere Vorstellung von<br />
mir haben oder er denkt, die Frage ist dumm. Aber<br />
wenn ihnen jemand aus der gleichen Kultur gegenübersitzt,<br />
dann sagen sie auch einige andere Sachen<br />
<strong>und</strong> nach meiner Meinung kommen dann sehr gute<br />
Ergebnisse heraus. Deshalb ist es wichtig, dass Coaching<br />
auch von ausländischen Beratern durchgeführt wird.<br />
Nirvana Gerdjikow: Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
mein Name ist Nirvana Gerdjikow. Ich bin 25 Jahre alt<br />
<strong>und</strong> seit März dieses Jahres selbstständig.<br />
Ich komme aus einer gastronomischen Familie, die<br />
aus der Türkei stammt. Da ich mich früher für die<br />
Gastronomie weniger interessiert habe, absolvierte<br />
ich eine kaufmännische Ausbildung. Nach meiner<br />
Ausbildung wurde ich übernommen <strong>und</strong> zwei Jahre<br />
danach gekündigt. Nach einem Job bei einer Zeitarbeitsfirma<br />
habe ich in einer Catering-Firma in Frankfurt<br />
angefangen. Dieser Job hat mir sehr viel Spaß<br />
gemacht, aber leider wurde diese Firma aufgelöst <strong>und</strong><br />
ich war zum zweiten Mal arbeitslos.<br />
Ich habe mich beim <strong>Arbeit</strong>samt gemeldet <strong>und</strong> von<br />
meiner Idee zur Selbstständigkeit gesprochen. Das<br />
<strong>Arbeit</strong>samt hat mich zum KIZ geschickt. Ich habe die-<br />
ses Beratungsgespräch wahrgenommen. Mir wurde<br />
das „Auf geht’s“-Projekt empfohlen, an dem ich dann<br />
teilgenommen habe. Dieses Projekt hat mir durch<br />
finanzielle Hilfe <strong>und</strong> durch Trainingsmaßnahmen sehr<br />
viel gebracht. Besonders die Hilfe zur Konzepterstel-
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
lung <strong>und</strong> das Verkaufstraining waren wichtige Ausbildungsinhalte<br />
für mich persönlich. Während des Projekts<br />
habe ich mein Konzept <strong>und</strong> meine Idee fertig<br />
gestellt. Die Idee war die „Lunchbox“, eine Sandwichbar<br />
mit Straßenverkauf direkt in Offenbach City.<br />
Zurzeit befinde ich mich in der dritten Phase dieses<br />
Projekts, das diesen Monat endet. Am Anfang der<br />
dritten Phase, im März 2003, habe ich mich selbstständig<br />
gemacht. Leider hatte ich Probleme, geeignete<br />
Räumlichkeiten zu finden. Nachdem ich einen Veranstaltungsraum<br />
mit Gastronomie-Küche <strong>und</strong> Lager<br />
gef<strong>und</strong>en hatte, habe ich meine Idee <strong>und</strong> mein<br />
Konzept erstmal auf Auslieferung <strong>und</strong> Catering beschränkt.<br />
Meinen Traum von der Sandwichbar habe ich<br />
aber noch als Ziel vor Augen. Mittlerweile zähle ich in<br />
Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt ca. 100 K<strong>und</strong>en. Dazu gehören<br />
Werbeagenturen, Mediafirmen, Call Center <strong>und</strong> Banken,<br />
also Firmen im Dienstleistungsbereich. Besonders Firmen,<br />
die in Industriegebieten oder etwas abgelegen von<br />
der Innenstadt liegen, nehmen meinen Service in<br />
Anspruch. Die K<strong>und</strong>en bestellen telefonisch von der<br />
Mittagskarte <strong>und</strong> bekommen ihr Essen direkt an den<br />
Schreibtisch geliefert. Zusätzlich bieten wir Catering<br />
für Veranstaltungen, Firmenfeiern, Workshops oder<br />
Meetings an. Darüber hinaus bieten wir unseren<br />
K<strong>und</strong>en einen Veranstaltungsraum an.<br />
Zur Entwicklung: Im Moment entwickelt sich das<br />
Catering besser als die „Lunchbox“, unser Lieferservice<br />
mittags. Das Geschäft insgesamt ist rentabel <strong>und</strong><br />
trägt sich gerade so, aber die Wachstumschancen<br />
sind sehr gut. Die Resonanz am Markt ist sehr positiv<br />
<strong>und</strong> viele K<strong>und</strong>en kommen durch Empfehlungen zu<br />
mir. Ich bin aber noch stark bei der Akquise.<br />
So viel zu mir. Sollten Sie Interesse an unserem Service<br />
haben, können Sie sich gerne Karten vom Büfett mitnehmen.<br />
Vielen Dank. Auf Wiedersehen.<br />
49
Dr. Matthias Schulze-<br />
Böing, Leiter des Amtes<br />
für <strong>Arbeit</strong>sförderung,<br />
Statistik <strong>und</strong> Europaangelegenheiten<br />
der Stadt<br />
Offenbach<br />
Heute wurden eine Reihe<br />
von Themen angesprochen.<br />
Ich könnte sicher<br />
viel hinzufügen <strong>und</strong> auch<br />
einiges kritisch entgegenhalten.<br />
Aber ich möchte<br />
lieber ein paar „Lessons<br />
Learned“ aus meiner<br />
Sicht ansprechen.<br />
Kommen wir mal zur Frage, warum die Kommunen<br />
sich mit dieser Sache so intensiv auseinandersetzen.<br />
Zumindest bei einigen Entwicklungspartnerschaften<br />
haben sie eine starke Leistung gezeigt. Und kommen<br />
wir auch zu der Frage, welche Benefits, welche Mehrwerte<br />
die Kommunen daraus ziehen können.<br />
Wenn man sich die Problematik gerade im Hinblick<br />
auf <strong>Migration</strong>spolitik oder auf <strong>Arbeit</strong>smarktpolitik<br />
anschaut, erkennt man, dass die Kommunen ebenso<br />
wie andere staatliche Institutionen <strong>und</strong> auch die<br />
<strong>Arbeit</strong>sämter überfordert sind, wenn sie allein auf<br />
sich gestellt diese Probleme lösen wollen. Es geht<br />
nur partnerschaftlich. Das wird noch zu wenig systematisch<br />
reflektiert als eine Qualifikationsanforderung<br />
an das <strong>Arbeit</strong>en in Behörden <strong>und</strong> dann auch an<br />
das <strong>Arbeit</strong>en bei all denen, die mit diesen Stellen<br />
zusammenarbeiten.<br />
Es gibt einen Anglizismus, der sich schwer übersetzen<br />
lässt: Good Governance. Damit ist gemeint, dass<br />
eine gute erfolgreiche Verwaltung nicht mehr allein<br />
dadurch gekennzeichnet ist, dass eine Instanz für<br />
sich gut arbeitet, sondern dass sie auch imstande ist,<br />
in Netzwerken zu arbeiten. Sie muss in der Lage sein,<br />
Netzwerke aufzubauen <strong>und</strong> zu pflegen, Partnerschaften<br />
aufzubauen <strong>und</strong> zu pflegen, sie zu evaluieren<br />
<strong>und</strong> damit einen weit über den eigenen Organisationsablauf<br />
reichenden <strong>Arbeit</strong>szusammenhang<br />
zu schaffen, der auf gemeinsame Ziele fokussiert ist.<br />
50<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
9. Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen –<br />
Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene<br />
Dr. Matthias Schulze-Böing, Leiter des<br />
Amtes für <strong>Arbeit</strong>sförderung, Statistik<br />
<strong>und</strong> Europaangelegenheiten, Offenbach<br />
Es geht nicht darum, das „Netzwerken“ als Selbstzweck<br />
hochzujubeln, sondern Netzwerke auf Ziele<br />
auszurichten <strong>und</strong> produktiv zu gestalten. Netzwerkpolitik<br />
wird damit zu einer Führungsaufgabe in Kommunalverwaltungen.<br />
Das geht nicht nur diese etwas<br />
an, sondern alle Partner, die aktuell <strong>und</strong> potentiell<br />
mit solchen Strukturen arbeiten. Und hier ist dieser<br />
„EQUAL“-Ansatz zumindest für unsere Region ein<br />
guter Impuls gewesen, denn er hat Kräfte <strong>und</strong> Träger<br />
zusammengebracht, die sich vorher nur sporadisch<br />
kannten <strong>und</strong> wenig miteinander kooperiert haben.<br />
„EQUAL“ hat Kooperationszusammenhänge geschaffen,<br />
die neu <strong>und</strong> sicher nicht immer einfach waren.<br />
Nicht alle Kommunen verstehen sich nämlich seit<br />
jeher so gut wie Offenbach <strong>und</strong> Frankfurt (regionale<br />
Insider werden die leichte Ironie dieser Äußerung<br />
erkennen; hier wie andernorts ist große räumliche<br />
Nähe mit ebenso großen Vorbehalten gegeneinander<br />
verb<strong>und</strong>en).<br />
Partnerschaft erfordert Lernprozesse. Das gilt auch<br />
für alle anderen Beteiligten, für Träger, die im normalen<br />
Geschäft vielleicht im Wettbewerb zueinander<br />
stehen, die auch eher gewöhnt sind, sich gegeneinander<br />
anstatt miteinander zu profilieren. Das ist die<br />
Herausforderung.<br />
Noch sind wir nicht an dem Punkt, zu sagen, wir<br />
haben diese <strong>Arbeit</strong> geleistet, wir sind auf dem Level,<br />
das wir uns vorgenommen haben. Wir sind vielmehr<br />
noch auf dem Weg. Die Projekte, die wir heute hier<br />
kennen lernen konnten, zeigen, dass der „Netzwerkmehrwert“<br />
unserer Initiative der Mühen wert ist.<br />
Dieses Bemühen um den Mehrwert der Kooperation<br />
ist die besondere Qualität <strong>und</strong> das „EQUAL“-typische<br />
an den vielen einzelnen Maßnahmen unseres Projektverb<strong>und</strong>es.<br />
Wir müssen uns das eventuell noch<br />
bewusster machen <strong>und</strong> deutlicher rüberbringen.<br />
Bezogen auf Migranten haben diese Projekte gezeigt,<br />
dass hier schon ein ganz beachtlicher Stand von<br />
Know-how <strong>und</strong> Kompetenz in der Region erreicht<br />
wurde <strong>und</strong> dass wir stolz auf das sein können, was im<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet in diesem Bereich erreicht wurde.<br />
Wir haben uns als Motto unserer Entwicklungspartnerschaft<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> „Vielfalt als Potenzi-
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
al“ auf die Fahne geschrieben. Die Projekte zeigen in<br />
der Tat, dass dieses Potenzial real vorhanden ist.<br />
Aber Migranten sind oft auch mit großen Problemen<br />
konfrontiert. Diese Probleme verhindern Integration<br />
<strong>und</strong> sind – nicht zuletzt – soziale Kostentreiber für<br />
die Region. Deshalb muss daran gearbeitet werden.<br />
Ich erlaube mir, ein wenig zu springen.<br />
Ich will zu einem zweiten Punkt kommen, der mir<br />
wichtig ist, der heute den Anfang gebildet hat <strong>und</strong> der<br />
auch am Ende noch ein bißchen betont werden sollte.<br />
Wir haben diese Veranstaltung hier als regionale<br />
Initiative gemacht <strong>und</strong> die Entwicklungspartnerschaften,<br />
die hier zusammengekommen sind, haben<br />
alle eine starke regionale Ausrichtung auf <strong>Rhein</strong>-<br />
<strong>Main</strong>. Nicht auf Offenbach, nicht auf Frankfurt, nicht<br />
auf den <strong>Main</strong>-Taunus-Kreis, sondern regional auf<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>.<br />
Die „große“ Regionalpolitik ist in vieler Hinsicht noch<br />
nicht so weit, so wie wir ganz selbstverständlich über<br />
Grenzen hinweg zu sagen: „Wir lösen ein Problem<br />
gemeinsam. Du kannst das, wir können das, lass uns<br />
die Stärken kombinieren <strong>und</strong> das gemeinsam verkaufen,<br />
gemeinsam Interessen wecken.“ Ich glaube, da<br />
sind wir als „EQUAL“-Projekt <strong>und</strong> Entwick-lungspartnerschaft<br />
ein Stück weit „regionale Avantgarde“. Wir<br />
sind noch nicht am Ziel, aber die Richtung stimmt<br />
auch hinsichtlich des regionalen Mehrwerts unserer<br />
Aktivitäten.<br />
Wir haben von Herrn Dr. Heister noch einmal die Globalziele<br />
des Programms „EQUAL“ <strong>und</strong> die Erwartungen<br />
an die Projekte erläutert bekommen. Es geht<br />
nicht nur darum, einzelne Maßnahmen erfolgreich<br />
abzuarbeiten. Es geht auch darum, Innovationen zu<br />
produzieren, die übertragbar sind. Wir dürfen nicht<br />
denselben Fehler machen, den es in anderen Bereichen<br />
gibt, nämlich den Transfer vom akademischen<br />
Labor in den Prozessverlauf nicht hinzubekommen.<br />
Wir müssen jetzt aus dem „EQUAL“-Labor das <strong>Main</strong>streaming<br />
in die Praxis, bei Trägern, Behörden, Verwaltungen<br />
hinbekommen. Wir müssen sicherlich<br />
auch immer wieder unsere Ziele schärfen, Zielbildung<br />
betreiben.<br />
Wir haben die globalen Ziele. Die haben wir auch hier<br />
in der Region. Die müssen wir runterbrechen in Projektziele<br />
<strong>und</strong> wir müssen ganz gezielt sehen, was der<br />
Innovationsmehrwert ist, was das <strong>Main</strong>streampoten-<br />
tial ist <strong>und</strong> wie wir auch die Entwicklungsarbeiten als<br />
lernende Systeme integrieren können. Wir müssen<br />
enge Rückkopplungsschleifen haben <strong>und</strong> eine Evaluation<br />
durchführen, um das Potenzial zu heben <strong>und</strong><br />
im Jahr 2005 dort anzukommen, wo wir ankommen<br />
wollen.<br />
Was ist noch zu tun? Wir müssen verstärkt auf das<br />
<strong>Main</strong>streaming-Potenzial schauen. Hier braucht man<br />
einen kritischen Blick auf das Verhältnis der Projekte<br />
zu ihren jeweiligen organisatorischen Umgebungen,<br />
ob das Ämter, Sozialämter, <strong>Arbeit</strong>sämter oder Kammern<br />
sind. Wir müssen sehr genau aufpassen, dass<br />
das, was in den Projekten realisiert worden ist,<br />
tatsächlich auch den Weg dorthin findet. Wir müssen<br />
vermeiden, dass sie als eine exotische Blüte in den<br />
Rathaus Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Annalen abgeheftet werden nach dem Motto: „Das<br />
war mal interessant <strong>und</strong> da hatte man mal etwas<br />
Geld aus Brüssel. Geld ist nicht mehr da, also ist leider<br />
das Projekt auch gestorben.“<br />
Unter <strong>Main</strong>streaming verstehen wir, jetzt schon<br />
Modelle zu entwickeln, wie das, was jetzt unter<br />
Laborbedingungen funktioniert, unter realen Produktionsbedingungen<br />
funktionieren kann, unter einer<br />
auch langfristig verfügbaren Finanzierungskulisse<br />
<strong>und</strong> mit den Akteuren, die für den „Regelbetrieb“ von<br />
Leistungen zuständig sind.<br />
Zum Thema „Lernendes System“: Ich glaube, es gibt<br />
51
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
in der Träger- <strong>und</strong> Projektelandschaft eine gewisse<br />
Abwehr gegen Reflexion, einfach, weil man die eigene<br />
Praxis ungern in Frage stellt. Das kann ich sehr gut<br />
nachvollziehen <strong>und</strong> bin selbst sicher nicht frei davon.<br />
Aber ich glaube zu einer „EQUAL“-Kultur gehört<br />
auch, genau das zu etablieren, sozusagen die systematische<br />
Infragestellung zu stärken <strong>und</strong> das bis zum<br />
Ende der Projekte <strong>und</strong> Entwicklungspartnerschaften<br />
beizubehalten. Dafür sind die Kontakte zwischen<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis, zwischen Beratung <strong>und</strong><br />
Praxis, die wir ja in fast allen Partnerschaften fest<br />
etabliert haben, ein ganz wichtiges Hilfsmittel.<br />
„EQUAL“ eröffnet Freiräume, um Neues auszuprobieren<br />
<strong>und</strong> Bestehendes in Frage zu stellen. Diese<br />
sollte man offenisv nutzen.<br />
Unsere Initiativen <strong>und</strong> Entwicklungspartnerschaften<br />
sind nicht nur instrumentell zur Sicherung von ein<br />
paar Brüsseler Euromillionen aufgebaut worden, sondern<br />
sie können, wohlverstanden, einen kleinen Beitrag<br />
leisten zur Zukunftssicherung <strong>und</strong> zur sozialen<br />
Gestaltung der Region. Wenn die Region <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
auch weiterhin vernünftig aufgestellt sein will, wenn<br />
sie ein soziales Gesicht haben will, wenn sie auch im<br />
europäischen Maßstab als Region gelten will, die die<br />
Herausforderung von <strong>Migration</strong> erfolgreich bewältigt,<br />
dann müssen sich – bei steigender finanzieller Mittelknappheit<br />
– die Aktivitäten wesentlich stärker als<br />
bisher vernetzen <strong>und</strong> damit Synergiepotenziale<br />
erschlossen werden.<br />
Ein letzter Punkt: Es ist ein Feedback von den Gästen<br />
unserer Tagung, dass wir die Kommunikationsarbeit<br />
weiter auf hohem Niveau halten müssen. Veranstaltungen<br />
wie diese sind wichtig <strong>und</strong> wir sollten uns<br />
überlegen, ob wir sie vielleicht aus einer anderen<br />
Perspektive an anderer Stelle wiederholen. Aber<br />
auch unabhängig davon müssen die Partnerschaft<br />
<strong>und</strong> Projekte offensiv kommunizieren, auf Projektebene,<br />
auf der Ebene der Entwicklungspartnerschaften,<br />
auf der Ebene regionaler Politik.<br />
Das waren meine ganz persönlichen Anmerkungen zur<br />
heutigen Konferenz. Ich fand die Projektbeispiele sehr<br />
spannend. Ich muss noch sagen, dass es kleine Ausschnitte<br />
aus viel breiter angelegten Entwicklungspartnerschaften<br />
waren. Wir würden zehn solcher Konferenzen<br />
brauchen, um all das zu präsentieren, was dort<br />
geleistet wird. Wir sollten Wege finden, das zu vermit-<br />
52<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
teln, es in die politische, in die Fachöffentlichkeit <strong>und</strong> in<br />
unsere Klientelöffentlichkeit hineinzutragen.
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
10. Anhang<br />
Die aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte<br />
Gemeinschaftsinitiative EQUAL zielt darauf ab, neue<br />
Wege zur Bekämpfung von Diskriminierung <strong>und</strong> Ungleichheiten<br />
jeglicher Art am <strong>Arbeit</strong>smarkt zu erproben. Dazu<br />
schließen sich relevante <strong>Arbeit</strong>smarktakteure in Entwicklungspartnerschaften<br />
zusammen, vereinbaren gemeinsame<br />
Ziele, verfolgen diese arbeitsteilig <strong>und</strong> nutzen dabei<br />
gemeinsam ihr Know-how <strong>und</strong> ihre Ressourcen.<br />
Mit einer gemeinsamen Veranstaltung zeigen wir an ausgewählten<br />
Beispielen auf, welche neuen Ideen zur<br />
Bekämpfung der Benachteiligung von MigrantInnen am<br />
ab 09.00 Check-in<br />
Anmeldung <strong>und</strong> Möglichkeit zum Kaffeetrinken<br />
9.30 Begrüßung <strong>und</strong> Eröffnung der Veranstaltung<br />
Stadträtin Birgit Simon, Sozialdezernentin der<br />
Stadt Offenbach am <strong>Main</strong><br />
9.45 EQUAL – erste Erfahrungen aus der Sicht der<br />
Nationalen Koordinierungsstelle<br />
Dr. Michael Heister, Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle<br />
EQUAL/Xenos im B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
10.15 EQUAL in Hessen<br />
Monika Wenzel, Hessisches Ministerium für Wirtschaft,<br />
Verkehr <strong>und</strong> Landesentwicklung<br />
10.30 Beschäftigungschancen für MigrantInnen im<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet<br />
Corrado Di Benedetto, Vorsitzender des Kreisausländerbeirates<br />
Offenbach<br />
10.45 Pause<br />
11.00 M.A.R.E.<br />
Ausbildung als Basis für gelingende Integration -<br />
Migranten fördern Migranten<br />
Vicky Pompizzi, M.A.R.E., CGIL-Bildungswerk,<br />
Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
Iris Rebaudo, Referentin auf internationalen Elternabenden<br />
Eckhardt Hengel, Leiter der Mathildenschule,<br />
Offenbach am <strong>Main</strong><br />
12.00 PIQUASSO<br />
Implementierung interkultureller Kompetenzen in<br />
Betrieben – am Beispiel von Sicherheitsunternehmen<br />
Hans-Dieter Brauns, PIQUASSO, DAA, Frankfurt am <strong>Main</strong>,<br />
Manfred Spee Personalleiter Fa. Securitas<br />
Sprecher der Auszubildenden<br />
E I N L A D U N G<br />
M.A.R.E. PIQUASSO EXZEPT<br />
P R O G R A M M<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt im Rahmen von EQUAL in Südhessen<br />
umgesetzt werden. Dabei geht es um die Förderung der<br />
Ausbildungsbeteiligung junger Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten,<br />
die berufliche Weiterbildung, die Entwicklung neuer<br />
Berufsbilder <strong>und</strong> die Existenzgründung. Wir richten das<br />
Augenmerk darauf, wie Netzwerkbildung, Kooperation<br />
mit Unternehmen, Ressourcenorientierung <strong>und</strong> Einbeziehung<br />
der Zielgruppen diesen Prozess befördern.<br />
Lernen Sie diese Projekte kennen <strong>und</strong> diskutieren Sie mit<br />
Projektakteuren <strong>und</strong> Betroffenen!<br />
13.00 Imbiss<br />
14.00 <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von Migrantinnen <strong>und</strong><br />
Migranten in der Region Starkenburg <strong>und</strong> Partner<br />
IntegrationsassistentIn im Bereich <strong>Migration</strong> -<br />
ein neues Berufsbild für Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen<br />
Alp Otman (Stadt Darmstadt)<br />
Susanne Rupp (Kreisausschuss Groß-Gerau)<br />
14.30 Women Way of Entrepreneurship<br />
Migrantinnen unternehmen was:<br />
Potenzial als Gründerin <strong>und</strong> Unternehmerin<br />
Andrea Nispel, Sozialwissenschaftlerin,<br />
Frankfurt am <strong>Main</strong><br />
15.00 Kaffeepause<br />
15.15 EXZEPT<br />
Existenzgründung als Alternative zur <strong>Arbeit</strong>slosigkeit —<br />
erfolgreiche Förderansätze für MigrantInnen<br />
Markus Weidner, EXZEPT, Vorstand KIZ Zentrale<br />
für Existenzgründung, Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Nirvana Gerdjikow, Gründerin, Lunchbox, Offenbach am <strong>Main</strong><br />
Hakan Helvaci, Coach, Zentrale für Existenzgründung,<br />
Offenbach am <strong>Main</strong><br />
16.15 Wirtschafts- <strong>und</strong> Beschäftigungsförderung für MigrantInnen<br />
— Elemente guter Praxis auf regionaler Ebene<br />
Dr. Matthias Schulze-Böing, Stadt Offenbach am <strong>Main</strong><br />
17.00 Ende der Veranstaltung<br />
Moderation: Miriam Deforth<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
53
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Presseerklärung<br />
Tagung: „EQUAL – Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration<br />
von MigrantInnen“ am 03. November 2003 im<br />
Frankfurter Römer<br />
„Impulse für die <strong>Arbeit</strong>smarktintegration von MigrantInnen"<br />
wollte eine gemeinsame Tagung von vier<br />
Entwicklungspartnerschaften der Europäischen Gemeinschaftsinitiative<br />
„EQUAL" am Montag im Frankfurter<br />
Römer geben. Alle vier Partnerschaften werden<br />
zusammen mit r<strong>und</strong> 6,8 Millionen Euro von der<br />
EU gefördert <strong>und</strong> arbeiten im <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Gebiet. Es<br />
handelt sich dabei um Zusammenschlüsse von insgesamt<br />
mehr als 50 privaten Trägern <strong>und</strong> Kommunen.<br />
Die Städte Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach sind dabei<br />
ebenso engagiert wie die <strong>Arbeit</strong>sämter der Region,<br />
Kammern <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen. „M.A.R.E.",<br />
„Exzept" <strong>und</strong> „Piquasso" sind die Kurztitel dieser<br />
Netzwerke, die mit verschiedenen Schwerpunkten<br />
<strong>und</strong> einer Vielzahl von Teilprojekten neue Wege in<br />
der Beschäftigungsförderung erproben.<br />
Über 80 Besucher aus Hessen <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esgebiet<br />
folgten der Einladung der Initiativen.<br />
Birgit Simon (Grüne/Bündnis 90), Sozialdezernentin<br />
der Stadt Offenbach, betonte in ihrer Eröffnungsrede,<br />
dass diese Initiativen ein zentrales sozial- <strong>und</strong><br />
arbeitsmarktpolitisches Problem der <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-<br />
Region aufgegriffen hätten: „Wir brauchen auch in<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> einen <strong>Arbeit</strong>smarkt, der für alle offen<br />
<strong>und</strong> frei von Diskriminierungen ist. Die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />
<strong>und</strong> Sozialhilfeabhängigkeit von Migranten ist<br />
gegenwärtig besonders hoch. Deshalb brauchen wir<br />
wirksame Konzepte für deren Integration in <strong>Arbeit</strong>."<br />
Simon hob besonders den regionalen Handlungsansatz<br />
hervor: „Auch im Bereich der Sozialpolitik muss<br />
die Region verstärkt gemeinsam handeln. Mit diesen<br />
Pilotprojekten machen wir einen Einstieg in diese<br />
Richtung. Die Stadt Offenbach ist bereit, dabei ihr<br />
Know-how <strong>und</strong> Innovationspotential einzubringen."<br />
Die Tagung im Römer diente, wie Bernd Curtius,<br />
der Geschäftsführer der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Exzept" mit Sitz in Offenbach, erläuterte, dazu, „beispielhafte<br />
<strong>und</strong> innovative Projekte" vorzustellen,<br />
eine Zwischenbilanz der überwiegend auf vier bis<br />
54<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
fünf Jahre angelegten Projekte zu ziehen <strong>und</strong> den Kontakt<br />
mit Politik <strong>und</strong> Fachöffentlichkeit zu vertiefen.<br />
Der in Frankfurt ansässige italienische Bildungsträger<br />
„CGIL-Bildungswerk" ist in der Entwicklungspartnerschaft<br />
„<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>"<br />
(M.A.R.E.) verantwortlich für die Förderung der Ausbildungsbereitschaft<br />
von jungen Migranten. Er ließ<br />
verschiedene Akteure, die im Rahmen des Projekts<br />
das Thema Ausbildung propagieren, zu Wort kommen.<br />
So berichteten Eckhardt Hengel, Leiter der<br />
Mathildenschule in Offenbach <strong>und</strong> eine Referentin<br />
von positiven Erfahrungen mit neu konzipierten<br />
Elternabenden, an denen Eltern unter Beteiligung<br />
von Vertrauenspersonen ihrer Gemeinschaft in der<br />
Muttersprache über das deutsche Ausbildungssystem<br />
informiert werden. Diese Vertrauenspersonen<br />
werden im Rahmen des Projekts eigens für ihre Aufgabe<br />
geschult. Einer dieser Multiplikatoren, Sevda<br />
Cemaloglou, begründete den besonderen Ansatz:<br />
„Es ist wichtig, dass Jugendliche Vorbilder haben,<br />
mit denen sie sich identifizieren können <strong>und</strong> die die<br />
Bedeutung von Ausbildung für ihre Lebensplanung<br />
deutlich machen." Metin Emir, ein Fußballtrainer, hat<br />
sich ebenfalls für das Projekt engagiert. „Sport ist<br />
ein wichtiges Transportmittel für Botschaften. Wir<br />
setzen die Fußballbegeisterung ein, um für Ausbildung<br />
zu werben." Aber auch Schüler sind aktiv beteiligt.<br />
Gemeinsam mit CGIL produzierten sie an verschiedenen<br />
Schulen das Magazin „Abenteuer Ausbildung",<br />
in dem ausländische Schüler <strong>und</strong> Eltern<br />
gezielt angesprochen <strong>und</strong> informiert werden.<br />
Das Projekt „PIQUASSO" qualifiziert Migranten, die<br />
in Sicherheitsdiensten beschäftigt sind, für höherwertige<br />
Tätigkeiten <strong>und</strong> bereitet Unternehmen gezielt<br />
auf die Personalführung in multikulturellen<br />
Teams vor. Manfred Spee, Personalleiter des Sicherheitsunternehmens<br />
Securitas, berichtete auf der<br />
Tagung von ersten Erfahrungen <strong>und</strong> lobte die Initiative<br />
als wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung<br />
seiner Branche.<br />
Die Entwicklungspartnerschaft „EXZEPT" fördert Existenzgründungen<br />
von Migranten. Markus Weidner,<br />
Geschäftsführer der b<strong>und</strong>esweit agierenden KIZ AG
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
aus Offenbach, stellte heraus, dass die Gründung<br />
eines eigenen Unternehmens gerade für arbeitslose<br />
Migranten eine gute Möglichkeit sein kann, sich in<br />
Beschäftigung zu integrieren <strong>und</strong> ihre wirtschaftliche<br />
Situation nachhaltig zu verbessern. Wichtig<br />
seien dabei allerdings ein gutes Beratungskonzept<br />
<strong>und</strong> ein auf die speziellen Belange von ausländischen<br />
Gründern abgestelltes Förderkonzept. Dazu<br />
gehören auch so genannte "Tutoren", ehrenamtlich<br />
für das Projekt tätige erfolgreiche Unternehmer, die<br />
ihr Erfahrungswissen an die Gründer weiter geben.<br />
Die Gründerin Nirvana Gerdjikow, eine junge Frau<br />
türkisch-bulgarischer Herkunft, stellte auf der<br />
Tagung dar, wie sie im Rahmen des EU-Projekts ein<br />
Catering-Unternehmen aufgebaut hat, das, wie sie<br />
berichtet, jetzt fast ein Jahr erfolgreich arbeitet.<br />
Die Entwicklungspartnerschaft der Region Starkenburg<br />
stellte mit dem Integrationsassistenten ein<br />
neues Berufsbild für Migranten vor.<br />
Michael Heister, Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle<br />
EQUAL im B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>, würdigte die <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong>-Projekte<br />
als gute Beispiele für die Umsetzung des von der<br />
B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> der Europäischen Union angestrebten<br />
Innovationsgedankens. Die Initiative „EQUAL"<br />
sei ein wichtiger Baustein in der europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie.<br />
Corrado Di Benedetto, Vorsitzender des Kreisausländerbeirates<br />
Offenbach, lobte die Projekte der<br />
Entwicklungspartnerschaften <strong>und</strong> die aktive Einbeziehung<br />
von Migranten <strong>und</strong> der von ihnen gegründeten<br />
Organisationen in die Planung <strong>und</strong> Umsetzung<br />
derartiger Initiativen.<br />
Matthias Schulze-Böing, Leiter des Amtes für<br />
<strong>Arbeit</strong>sförderung der Stadt Offenbach <strong>und</strong> einer der<br />
Initiatoren dieser regionalen Initiative, betonte das<br />
Interesse der Städte <strong>und</strong> Landkreise an der nachhaltigen<br />
Wirkung der Modellprojekte: „Mit der regionalen<br />
Vernetzung haben wir in <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong> einen großen<br />
Schritt voran getan. Gerade angesichts der finanziellen<br />
Probleme in B<strong>und</strong>, Land <strong>und</strong> Kommunen ist es<br />
wichtig, neue <strong>und</strong> effizientere Wege in der <strong>Arbeit</strong>s-<br />
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
marktpolitik zu finden. Der Erfolgsmaßstab aller Projekte<br />
wird es sein, inwieweit sie die Praxis in den<br />
Kommunen auch über die Projektlaufzeit hinaus verbessern."<br />
Eine hohe Priorität habe das <strong>Main</strong>streaming<br />
der Projektergebnisse: „Wir wollen keinen<br />
Aktionismus, sondern nachhaltigen Erfolg."<br />
55
<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Main</strong><br />
Regionale Entwicklungspartnerschaft<br />
Teilnehmerliste<br />
Nezik Acba, Institut für Einheit in Vielfalt<br />
Ulrike Antonowicz, <strong>Arbeit</strong>samt Offenbach<br />
Tobia Bassanelli, Centro Italiano webgiornale<br />
Sigrid Becker-Feils, berami e.V.<br />
Alfred Bender, Stadt Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt<br />
Sandra Braun, Caritasverband Offenbach e.V.<br />
Peter Braune, IHK Frankfurt<br />
Hans-Dieter Brauns, DAA<br />
Georg Brugger, AIP Augsburg<br />
Sevda Cemaloglu<br />
Dr. Bernd Curtius, EXZEPT GmbH Offenbach<br />
Marie de los Rios,<br />
CDU-Fraktion im Magistrat Frankfurt<br />
Corrado Di Benedetto, Ausländerbeirat Kreis Offenbach<br />
Gabriele Buchwald, Forum-Nord e.V., Sprendlingen<br />
Miriam Deforth, Hessischer R<strong>und</strong>funk<br />
Ulrike Dimpl, AMKA, Stadt Frankfurt<br />
Kai Eicker-Wolf, DGB Hessen<br />
Lutz Eggeling, Berlin-Brandenburgische Auslandsges.<br />
Martin Ehrhardt, AWO<br />
Bettina Eichhorn, Stadt Frankfurt<br />
Metin Emir, Türkischer Eltern B<strong>und</strong><br />
Uwe Eppendorfer, Landkreis Darmstadt-Dieburg<br />
Mehtap Eren, Türkischer Elternb<strong>und</strong><br />
Selver Erol, Integrationsbüro, Landkreis Offenbach<br />
Hüsamettin Erylmaz, Polizeipräsidium Südosthessen<br />
Lisa Fortunato, CGIL<br />
Birgit Frese, Berufsbildungszentrum VHS Solingen<br />
Monika Fuchs, Selbsthilfe im Taunus<br />
Nirvana Gerdjikow, Lunchbox Offenbach<br />
Marie-Luise Groth, Bachschule<br />
Dr. Michael Heister, BMWA<br />
Hakan Helvaci, KIZ Zentrale für Existenzgründung<br />
Eckhart Hengel, Mathildenschule<br />
Martin Hildebrandt, BDWS B<strong>und</strong>esverband Deutscher<br />
Wach- <strong>und</strong> Sicherheitsunternehmen e.V.<br />
Gisela Hoffmann, IEV<br />
Frank Jander, BiBB B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung<br />
Thomas Jünemann, Deutsche Bank 24 AG<br />
Lutz Klein, Stadt Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt<br />
Claudia Knobel, Universität Frankfurt<br />
Dr. Maria Kontos, Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
Gudrun Korbus, Werkstatt Frankfurt<br />
Rabia Kourime, AWO-Sozialdienst<br />
Rainer Kremer, BFS Bildungszentrum Frankfurt<br />
Renate Kummetat, Schulamt Stadt <strong>und</strong><br />
Kreis Offenbach<br />
56<br />
Tagungsdokumentation<br />
Innovative Projekte in Südhessen stellen sich vor<br />
Christine Lissel-Oberdieck,<br />
Hessisches Ministerium für Wirtschaft Ref. IV 9<br />
Angelika Luckus, ZAUG<br />
Pia Lutter, Mathildenschule<br />
Franco Marincola, CGIL Bildungswerk<br />
Uwe Mensinger, SECURITAS<br />
Sofia Milosavljvic, Mathildenschule<br />
Eva Müller-Straube, GOAB<br />
Eldina Muratovic, Mathildenschule<br />
Romano Negriolli, Consolato d' Italia<br />
Andrea Nispel, Women Way of Entrepreneurship<br />
Alp Otmann, Stadt Darmstadt<br />
Ute Pfister, Internationaler B<strong>und</strong><br />
Annerose Poleschner, Berlin-Brandenburgische<br />
Auslandsgesellschaft<br />
Vicky Pompizzi, CGIL Bildungswerk<br />
Iris Rebaudo, Referentin auf internationalen Elternabenden<br />
Gudrun Reinhart, GOAB GmbH<br />
Susanne Rupp, Kreisausschuss Groß-Gerau<br />
Prof. Dr. Alfons Schmid, Universität Frankfurt<br />
Karin Scholl, Integrationsbüro<br />
Dr. Mathias Schulze-Böing, Stadt Offenbach,<br />
Amt für <strong>Arbeit</strong>sförderung<br />
Dr. Wolfgang Sieber, Rege MbH<br />
Birgit Simon, Stadt Offenbach, Sozialdezernat<br />
Hilde Simon, GOAB, EP MARE<br />
Sotoudi Mokhtar, Existenzgründungsinitiative<br />
Hannover<br />
Manfred Spee, SECURITAS GmbH<br />
Sicherheitsdienste<br />
Petra Szablewski<br />
Andrea Taha, KMG GmbH<br />
Dirk Tippelt, IHS Industrie- <strong>und</strong> Handelsschutz GmbH<br />
Marina Tornow, Kreis Offenbach<br />
Karl Trageser, Deutsche Bank AG<br />
Karin Vorbeck-Peters, GOAB<br />
Martina Vötig, ASA GmbH Flughafen<br />
Rosina Walter, berami<br />
Markus Weidner, KIZ Zentrale für Existenzgründung Offenbach<br />
Julia Wilke-Henrich, Landesarbeitsgemeinschaft Soziale<br />
Brennpunkte Hessen e.V.<br />
Ellen Wilkens, Landeshauptstadt Wiesbaden<br />
Matthias Winderle, b.i.g., Schule Sicherheit GmbH, Aus<strong>und</strong><br />
Weiterbildungszentrum<br />
Iris Wolters, AWO<br />
Turgut Yüksel, SPD-Fraktion im Römer