Ausgabe 11 / 2008 - BankPraktiker
Ausgabe 11 / 2008 - BankPraktiker
Ausgabe 11 / 2008 - BankPraktiker
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
führen darf. Damit findet die Verlagerung auf<br />
den offenen Stellvertreter darin ihre Grenze<br />
insoweit, als es aus der Sicht des Auslagerungsunternehmens<br />
um die Verlagerung von Entscheidungen<br />
auf den externen Dienstleister<br />
geht. Nun ist zunächst kein Kreditprozess vorstellbar,<br />
der ohne Entscheidungen abläuft. Die<br />
Entscheidungen müssen also aus der Sicht des<br />
Auslagerungsunternehmens gedanklich einem<br />
unterschiedlichen Wertmaßstab zugeordnet<br />
werden. Abzugrenzen sind die rein vorbereitenden<br />
Entscheidungen, die Vollzugshandlungen<br />
zu bereits getroffenen Entscheidungen<br />
bis hin zu Grundlagenentscheidungen. Innerhalb<br />
dieser Kategorisierung finden im Kreditvergabeprozess<br />
Entscheidungen unterschiedlicher<br />
Granularität und unterschiedlicher Risikobedeutung<br />
für das Auslagerungsunternehmen statt.<br />
1. Offene Stellvertretung<br />
Die Übertragung von Vertretungsbefugnissen<br />
auf Dritte als sog. offene Stellvertretung, ist<br />
grundsätzlich zulässig, soweit dies nicht gegen<br />
das Gesetz, den jeweiligen Gesellschaftsvertrag<br />
oder die jeweilige Satzung verstößt. Erbringt<br />
das Auslagerungsunternehmen in diesem Kontext<br />
Leistungen für das lizenzierte Institut, benötigt<br />
der Dienstleister nicht einmal eine Erlaubnis<br />
nach § 32 KWG 12 . Etwas anderes gilt, wenn<br />
das Auslagerungsunternehmen Bankleistungen<br />
i. S. von § 1 KWG erbringt, dann ist die Erlaubnis<br />
nach § 32 KWG erforderlich, nur die Anlage- und<br />
Abschlussvermittler unter der Haftung des Instituts<br />
benötigen keine KWG-Erlaubnis. Die Verlagerung<br />
von Entscheidungen über die Begründung<br />
neuer oder die Veränderung bestehender<br />
bankspezifischer Risiken auf den offenen Stellvertreter<br />
ist damit zulässig, wenn hierdurch die<br />
Fähigkeit der Geschäftsleitung zur angemessenen<br />
Risikosteuerung nicht unterlaufen wird.<br />
Bezieht man diese Vorgaben auf den Untersuchungsgegenstand<br />
der „Kreditfabrik“ kommt<br />
man zu dem Ergebnis, dass die auf das Auslagerungsunternehmen<br />
verlagerten Rechte<br />
zur Begründung oder Veränderung bankspezifischer<br />
Risiken nur als zulässig angenommen<br />
werden können, soweit der Entscheidungsspielraum<br />
des Auslagerungsunternehmens<br />
durch exakt vorher bestimmbare und nachprüfbare,<br />
objektive, Beurteilungs und Entscheidungskriterien<br />
vorgegeben ist. Diese<br />
Kriterien müssen grundsätzlich dem Vergleich<br />
mit den institutsinternen Kriterien in vergleichbaren<br />
Entscheidungsfällen genügen. Die Verfahren<br />
müssen so ausgestaltet sein, dass das Auslagerungsunternehmen<br />
faktisch keine eigene<br />
Entscheidungskompetenz für grundlegende<br />
Entscheidungen in Kernbereichen hat. Kernbereiche<br />
sind diejenigen Arbeitsschritte, in<br />
denen Grundlagenentscheidungen des Instituts<br />
zu fällen sind, wie insbesondere individuelle<br />
Kreditentscheidungen, Stundungsvereinbarungen,<br />
Geschäfts- und Risikostrategien. Die<br />
Grundlagenentscheidungen in Kernbereichen<br />
müssen durch vom Institut fest vorgegebene<br />
Kriterien und objektiv nicht vom Dienstleister<br />
beeinflussbare Tatsachen vorgegeben sein 13 .<br />
Reine Vorbereitungshandlungen, z. B. eines<br />
Kreditsekretariats, für Grundlagenentscheidungen<br />
sind damit auch auslagerungsfähig.<br />
2. Standardisierbares Mengengeschäft<br />
Als zulässiger Auslagerungstatbestand im Kreditgeschäft<br />
i. S. einer externen „Kreditfabrik“<br />
verbleibt damit letztlich als Schwerpunkt nur<br />
standardisierbares Retail-Mengengeschäft, auf<br />
der Basis von scoring-basierten Ratingverfahren,<br />
das „maschinengleich“ auf der Basis von<br />
vorher durch das Institut bestimmten Entscheidungsmustern<br />
durch den Dienstleister abgewickelt<br />
werden kann.<br />
Das grundsätzlich leicht standardisierbare<br />
Retailgeschäft bietet sich dann für ein Outsourcing<br />
an, wenn die folgenden Elemente im<br />
Wesentlichen bereits im Vorfeld der Auslagerung<br />
vorhanden sind:<br />
ß<br />
ß<br />
ß<br />
Standardisierung: Sind die einzelnen Bearbeitungs-Cluster<br />
bereits stark standardisiert,<br />
so besteht ein hoher Reifegrad für ein mögliches<br />
Outsourcing.<br />
Zentralisierung: Werden die Leistungen<br />
eines standardisierten Clusters bereits<br />
durch eine zentrale Instanz im Unternehmen<br />
gesteuert, liegt ein hoher Reifegrad vor.<br />
Werden die Leistungen eines Clusters hingegen<br />
noch von vielen dezentralen Abteilungen<br />
geführt, ist der Reifegrad der Organisation<br />
für das Outsourcing eher gering.<br />
Prozessverzahnung: Hierbei muss die Durchdringung<br />
der kernkompetenznahen Prozesse<br />
des Unternehmens durch die Leistungen<br />
des zuständigen Bereichs beurteilt werden.<br />
Je höher die individuelle Verzahnung der<br />
<strong>11</strong> / <strong>2008</strong> <strong>BankPraktiker</strong><br />
Beitrag<br />
» Als zulässiger<br />
Auslagerungstatbestand<br />
im Kreditgeschäft<br />
verbleibt<br />
als Schwerpunkt nur<br />
standardisierbares<br />
RetailMengengeRetailMengengeschäft<br />
auf Basis von<br />
scoringbasierten<br />
scoringbasierten<br />
Ratingverfahren. «<br />
12 Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25 a KWG,<br />
2. Aufl. 2004, Rdn. 580.<br />
13 Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25 a KWG,<br />
Rdn. 583.<br />
523