Der einsame Felix Sturm - BoxSport
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<strong>Der</strong> <strong>einsame</strong><br />
<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong><br />
<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> trainiert allein auf dem Laufband in seinem großen Gym. <strong>Sturm</strong>: „Da redet mir keiner<br />
dazwischen“<br />
Im Joe Champs, einer Sportsbar<br />
am Kölner Rudolfplatz, sitzt <strong>Felix</strong><br />
<strong>Sturm</strong> (33). An seiner Seite: Manager<br />
Roland Bebak, PR-Chef Manfred<br />
Meier und Joschka Grimm, der Mann<br />
für alle Fälle. Sie werden begleitet von<br />
einem Sky-Kamerateam. <strong>Sturm</strong>s Meinung<br />
ist gefragt, denn gleich flimmert<br />
der Kampf zwischen David Haye und<br />
<strong>Der</strong>eck Chisora über den Bildschirm.<br />
Wer wird gewinnen? <strong>Sturm</strong>: „Ich rechne<br />
mit einem K.o.-Sieg von Haye in<br />
Runde sechs.“ Haye gewinnt im Duell<br />
der Bösewichte bereits in Runde fünf.<br />
Großmaul Chisora geht schwer k.o.,<br />
<strong>Sturm</strong> sieht es mit Genugtuung. Fast<br />
wäre sein Tipp zu 100 Prozent aufgegangen.<br />
<strong>Der</strong> Kampf verlief genauso,<br />
wie er es vorausgesagt hatte. Chisora<br />
marschierte nach vorn, aber Haye war<br />
der schnellere und schlauere Boxer.<br />
<strong>Der</strong> deutsche WBA-Superchampion<br />
18 <strong>BoxSport</strong><br />
Kleines Team<br />
„Gegen Geale wicht<br />
nannte auch die Fehler von Chisora<br />
in den entscheidenden Momenten:<br />
„Nachdem er angeschlagen war, hätte<br />
er mehr klammern und das Tempo<br />
rausnehmen müssen, statt weiter mitzuschlagen.“<br />
<strong>Der</strong> Abend mit dem englischen<br />
Super-Fight war eine schöne Abwechslung<br />
im ansonsten doch schweißtreibenden<br />
und tristen Alltag des Boxers.<br />
Einsam trainiert er in seinem wunderschönen<br />
Gym am Bonner Wall. Im Büro<br />
von Manager Roland Bebak, das neben<br />
dem Trainingsraum liegt, hört man<br />
die Tiger-Schreie des Champions, der<br />
mit kleinen Hanteln an den Händen<br />
vor dem Spiegel Schattenboxen veranstaltet.<br />
Warum müssen diese Schreie<br />
sein? „Sie erhöhen die Aggressivität.<br />
Das mache nicht nur ich, sondern auch<br />
viele andere Boxer so“, erklärt der wilde<br />
<strong>Felix</strong>. Früher war beim Krafttraining
– große Erfolge<br />
igster Kampf meines Lebens“<br />
der Fitnesscoach Clive Salz dabei.<br />
Dass er jetzt alleine trainieren<br />
muss, stört <strong>Sturm</strong> nicht. Im<br />
Gegenteil. Er sagt: „Da redet mir<br />
keiner dazwischen.“ Und er ist<br />
der Ansicht: „Wenn man nach<br />
22 Jahren Boxen nicht weiß, wie<br />
man gewinnt, kann auch ein<br />
Trainer nicht helfen.“<br />
Mehr als Salz wird er allerdings<br />
Fritz Sdunek vermissen,<br />
der in der entscheidenden Vorbereitungszeit<br />
im Stanglwirt<br />
bei Vitali Klitschko ist. Das ist<br />
so vereinbart, das ist nicht zu<br />
ändern. Per Videoanalyse und<br />
Telefon wollen <strong>Sturm</strong> und Sdunek<br />
das Beste aus der Situation<br />
machen. Für den Weltmeister<br />
ist entscheidend, dass der „alte<br />
Fritz“ beim wichtigsten Kampf<br />
seines Lebens in der Ecke steht.<br />
Ja, den Kampf am 1. September<br />
gegen IBF-Weltmeister<br />
Daniel Geale in der Oberhausener<br />
König-Pilsener-Arena sieht<br />
<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> als Kampf seines<br />
Lebens. „Eine Titelvereinigung<br />
ist etwas ganz Besonderes“,<br />
sagt er. „Da ist die Motivation<br />
zehnmal höher als sonst.“ Dies<br />
sieht der Kölner Boxstar so, obwohl<br />
die Atmosphäre vor dem<br />
Fight längst nicht so aufgeheizt,<br />
so vergiftet ist, wie beim Kampf<br />
gegen Sebastian Zbik. Bei der<br />
Pressekonferenz begegneten<br />
sich die beiden Kontrahenten<br />
Manager Roland<br />
Bebak mit <strong>Sturm</strong>:<br />
Schon seit vielen<br />
Jahren ballen sie<br />
gemeinsam die<br />
Fäuste<br />
höflich und sprachen sich gegenseitig<br />
Anerkennung aus.<br />
Es gab keine Hass-Tiraden wie<br />
seinerzeit vor dem Duell mit<br />
Zbik, der inzwischen Klage gegen<br />
seinen Boxstall Universum<br />
eingereicht hat, weil er immer<br />
noch auf die Kampfbörse von<br />
250.000 Euro wartet. In diesem<br />
Fall hat <strong>Sturm</strong> sogar Mitleid mit<br />
dem Erzrivalen. Er findet das<br />
Verhalten von Universum ungeheuerlich.<br />
Obwohl Daniel Geale seinen<br />
WM-Titel im Mai 2011 in Neubrandenburg<br />
gegen Sebastian<br />
Sylvester in Deutschland gewann,<br />
ist er kein Mann, der mit<br />
Schlagzeilen den Super-Fight<br />
anheizt. So herrscht noch Ruhe<br />
vor dem <strong>Sturm</strong>.<br />
Bereit für die Titelvereinigung: WBA-Superchamp <strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong><br />
und IBF-Weltmeister Daniel Geale auf der Pressekonferenz in<br />
Oberhausen<br />
PR-Manager Manfred<br />
Meier ist immer für<br />
einen ausgetüftelten<br />
Werbe-Clou gut<br />
Joschka Grimm ist im <strong>Sturm</strong>-Team der Mann für<br />
alle Fälle und trainiert auch mit den anderen<br />
Boxern des Stalls, wie hier mit Mike Keta<br />
<strong>BoxSport</strong><br />
19
Kommt er noch? Sicherlich wird der Privatsender<br />
Sat.1 in den nächsten Wochen noch ein bisschen<br />
Feuer unter dem Ring machen. Auch Manfred Meier,<br />
dem PR-Experten im <strong>Sturm</strong>-Team, wird sicherlich<br />
noch etwas einfallen. Meier, einst Unterhaltungschef<br />
der BILD-Zeitung, erklärt, warum er so gerne für <strong>Felix</strong><br />
<strong>Sturm</strong> arbeitet: „Hier geht es in erster Linie nicht<br />
um Kohle, mehr um Gefühle. Es ist herrlich, für den<br />
Besten der Welt zu arbeiten, ihm bei seinen Erfolgen<br />
zu helfen und in der Gruppe ein ‚Wir-Gefühl‘ zu finden.<br />
Frei nach dem Motto: ‚Wir sind Weltmeister‘.“<br />
Und Meier, als großer Turf-Freund bekannt, fasst es so<br />
zusammen: „Das ist, als wenn du ein Rennpferd hast,<br />
das ein großes <strong>Der</strong>by gewinnt.“<br />
Jetzt gilt es für das kleine <strong>Sturm</strong>-Team, mit dem<br />
„zweibeinigen Rennpferd“ wieder großes zu schaffen<br />
und zu gewinnen. Das Team besteht quasi aus drei<br />
Leuten: dem Manager Roland Bebak, dem PR-Chef<br />
Manfred Meier und last but not least Joschka Grimm.<br />
Er ist ein junger Mann, der Fitness-Ökonomie studiert<br />
hat. Seit sieben Jahren arbeitet er an Bebaks Seite und<br />
kann quasi alles. Er unterstützt den „<strong>einsame</strong>n“ <strong>Felix</strong><br />
beim Training, er macht das Athletiktraining der<br />
anderen Boxer im Gym, er entwirft Plakate und<br />
bearbeitet die Programmhefte. <strong>Der</strong> Joschka ist<br />
eigentlich ein kleiner Innenminister im Gym.<br />
Ein Mädchen für Alles, ein Mann für alle Fälle.<br />
Joschka hier – Joschka da. <strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> weiß ihn<br />
zu schätzen.<br />
Wenn der Meister mal etwas Abwechslung<br />
bei seiner schweißtreibenden und monotonen<br />
Arbeit braucht, dann kommt Ehefrau Jasmin,<br />
Mitinhaberin der <strong>Sturm</strong>-Boxpromotion, mal vorbei<br />
mit dem inzwischen fast dreijährigen Söhnchen<br />
Mahir. Dann lässt sich der Papa vom Sohnemann mal<br />
schnell k.o. schlagen. Aber dass Mahir mal Boxer wird,<br />
das will <strong>Sturm</strong> nicht: „Bis er versteht, was ich mache,<br />
habe ich längst aufgehört.“ Wann soll das sein? „Ich<br />
habe jetzt 41 Kämpfe. 50 wäre die ideale Zahl.“ Das<br />
wären also noch neun heiße Duelle. „Fünf sind noch<br />
vertraglich mit Sat.1 vereinbart“, sagt Manager Bebak,<br />
der mit seinem Team an einer Aufstockung des<br />
<strong>Sturm</strong>-Boxstalls bastelt. „Noch in diesem Jahr ist eine<br />
Veranstaltung ohne unsere Nummer eins, also ohne<br />
<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong>, geplant.“<br />
Die „Westdeutsche Zeitung“ vergleicht den Alleingang<br />
und Aufstieg von <strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> nach der Trennung<br />
von Universum 2009 mit den Klitschko-Brüdern, die<br />
bereits 2004 den Hamburger Boxstall verlassen haben.<br />
Titel des Artikels: „<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> im Sog der Klitschkos –<br />
er geht den gleichen Weg wie die ukrainischen Brüder:<br />
allein gegen den Rest der Boxszene“.<br />
Hans Reski<br />
20<strong>BoxSport</strong><br />
Jetzt kommt Mahir!<br />
Wenn <strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> Abwechslung vom harten Trainingsalltag hat, kommt<br />
Sohn Mahir vorbei und steigt mit dem Papa in den Ring. Dann wird der<br />
ehrgeizige Superchampion plötzlich ganz zahm. Nicht selten kommt es<br />
vor, dass Mahir Anlauf nimmt und Vater <strong>Felix</strong> „k.o. schlägt“. Dann findet<br />
sich der Weltmeister ausnahmsweise mal im Ringstaub wieder<br />
<strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong>s Rückhalt: Ehefrau Jasmin
Daniel Geale:<br />
Ein Wolf im Schafspelz<br />
Australier hat in seinem Kampfrekord nur eine Niederlage<br />
Wolf im Schafspelz? Bei der Pressekonferenz in<br />
Oberhausen wirkte es fast so, als wollte sich Daniel<br />
Geale hinter seinem Gürtel verstecken<br />
Daniel Geale wirkt<br />
schüchtern, als er das<br />
Podest zur Pressekonferenz<br />
in der König-Pilsener-Arena<br />
in Oberhausen betritt.<br />
<strong>Der</strong> 31 Jahre alte IBF-Weltmeister<br />
im Mittelgewicht blickt<br />
scheu durch die Runde von<br />
Journalisten und Fotografen,<br />
den Kopf leicht gesenkt. Den rot<br />
schillernden Gürtel seines Verbandes<br />
legt er demütig vor sich<br />
ab, anstatt ihn – wie bei Weltmeistern<br />
seines Sports üblich –<br />
prunkvoll vor sich aufzustellen.<br />
Geale, in Tasmanien geborener<br />
Australier, macht den Eindruck<br />
eines ängstlichen Kängurus, das<br />
sich im Revier des tasmanischen<br />
Teufels verlaufen hat und sich so<br />
leise und unbemerkt wie möglich<br />
umherschleicht, um den<br />
Klauen des Raubtieres zu entgehen.<br />
Auf diese Schüchternheit<br />
angesprochen, ist davon jedoch<br />
nichts mehr zu spüren. Da wirkt<br />
Geale vielmehr wie ein Wolf im<br />
Schafspelz: „Was zählt, ist im<br />
Ring. Und im Ring ist alles anders.“<br />
Dass er im Ring alles andere<br />
als ängstlich ist, hat Geale am<br />
7. Mai 2011 in Neubrandenburg<br />
Was in ihm steckt, bewies Geale bei seinem Kampf gegen Sebastian Sylvester am 7. Mai in Neubrandenburg, als er<br />
sich den IBF-Titel holte<br />
bewiesen. Seit diesem Tag ist<br />
der an Nummer drei der Welt<br />
geführte Australier Champion<br />
des Verbandes IBF – durch einen<br />
knappen Punktsieg über<br />
Ex-Sauerland-Boxer Sebastian<br />
Sylvester. Seitdem hat er zwei<br />
Titelverteidigungen gemacht,<br />
die er beide durch klare Punktsiege<br />
gewann. Sein Kampfrekord<br />
liegt bei 27 Siegen (15 durch<br />
K.o.) und einer Niederlage in 28<br />
Kämpfen.<br />
„Ich denke, es spricht für<br />
meine Stärke, dass ich den IBF-<br />
Titel auf einer Veranstaltung des<br />
amtierenden Champions gewonnen<br />
habe“, so Geale über seinen<br />
Erfolg gegen Sylvester. „Warum<br />
sollte mir dies also auch nicht<br />
gegen <strong>Felix</strong> <strong>Sturm</strong> gelingen?“<br />
Da der Kampf gegen den Superchampion<br />
ungleich schwerer<br />
wird, fügt er hinzu: „Ich habe<br />
zwar <strong>Felix</strong>‘ letzte Kämpfe nicht<br />
gesehen. Aber er ist ein ganz,<br />
ganz starker Boxer. Für mich<br />
ist er neben Martinez der beste<br />
Mann im Mittelgewicht. Technisch<br />
macht ihm keiner was<br />
vor.“ Also doch Känguru gegen<br />
tasmanischen Teufel? „Ich weiß<br />
genau, wie ich mich vorbereiten<br />
muss“, sagt Geale. „Auch <strong>Felix</strong><br />
hat seine Schwächen. Ich bekomme<br />
mit dieser Titelvereinigung<br />
eine Riesenchance und die<br />
will ich nutzen.“<br />
Auf die abwertenden Kommentare<br />
vieler Experten, er sei<br />
der schwächste der vier amtierendenMittelgewichtsweltmeister,<br />
reagiert Geale sachlich:<br />
„Auf dem Niveau, auf dem wir<br />
uns bewegen, gibt es keine Unterschiede.<br />
Jeder der vier großen<br />
Verbände führt in den Top 5<br />
sehr, sehr gute Boxer. Davon zu<br />
sprechen, dass mein IBF-Gürtel<br />
weniger wert ist, als ein Gürtel in<br />
den anderen großen Organisationen,<br />
halte ich für Blödsinn.“<br />
Den Gürtel eines weniger<br />
anerkannten Boxverbandes<br />
konnte Daniel Geale schon einmal<br />
gewinnen. Im Juni 2008 gewann<br />
er den Titel der IBO gegen<br />
Geard Ajetovic, einen 31 Jahre<br />
alten Mittelgewichtler, der heute<br />
im Vorprogramm drittklassiger<br />
Boxveranstaltungen auftritt.<br />
Bereits im Mai 2009 verlor er<br />
den Gürtel nach einer Punktniederlage<br />
gegen Anthony Mundine<br />
– bis heute Geales einzige<br />
Niederlage.<br />
Für Geale, der als Amateur<br />
viermal die Kontinental- und<br />
fünfmal die Landesmeisterschaften<br />
gewann und an den<br />
Olympischen Spielen 2000 in<br />
Melbourne teilnahm, ist der<br />
Kampf in Oberhausen eine<br />
Riesenchance. „Ich bin <strong>Felix</strong><br />
<strong>Sturm</strong> und meinem Management<br />
dankbar, dass der Kampf<br />
möglich gemacht wurde“, so<br />
der 31-Jährige. „Wenn ich gewinne<br />
und mit einem zweiten<br />
WM-Gürtel nach Australien zurückkehre,<br />
habe ich Großes für<br />
mein Land geleistet.“ Für den<br />
„Kampf seines Lebens“ bereitet<br />
sich Geale mit Trainer Graham<br />
Shaw in Australien vor, um dann<br />
eine Woche vor dem Fight nach<br />
Deutschland zu fliegen. „Um<br />
dem Jetlack noch rechtzeitig zu<br />
entgehen“, so der Australier, der<br />
allerdings gerne nach Deutschland<br />
kommt. „Es ist wirklich<br />
schön hier und die Frauen sind<br />
sehr hübsch“, sagt er mit einem<br />
Schmunzeln. „Doch die beste<br />
Vorbereitung bekomme ich nun<br />
einmal zu Hause.“ Zu Hause in<br />
Australien, der Heimat des tasmanischen<br />
Teufels.<br />
Gino Casale<br />
<strong>BoxSport</strong><br />
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