wie gerade diese Gesetze zeigten, seine Schuldigkeit täte. Diese Briefstelle nutzte Turati, wie schon erwähnt, ohne <strong>Engels</strong>’ Einverständnis für die öffentliche Rechtfertigung seiner Haltung in dieser Angelegenheit. Über die bisher angedeuteten verschiedenen Wege des Einflusses von <strong>Engels</strong> auf die „Critica Sociale“ hinaus leistete er seinen Beitrag zur Profilierung der Zeitschrift vor allem als Autor der eingangs aufgeführten Artikel. Da es sich dabei mit Ausnahme der herausgestellten Schreiben um Übernahmen von editorischen Unternehmungen des Auslands handelte, waren diese Arbeiten in der Regel nicht direkt auf die Probleme der sozialistischen Bewegung Italiens ausgerichtet, wie sie aus jeweils gegebenen Umständen heraus in der „Critica Sociale“ reflektiert wurden. Trotzdem lassen sich die in der Zeitschrift publizierten Schriften von <strong>Engels</strong> bestimmten Schwerpunkten zuordnen, die das Bild der Zeitschrift bis 1895 mitprägten und von denen aus alle Beteiligten auf die Auswahl der Arbeiten von <strong>Engels</strong> Einfluss nahmen. Ein Hauptanliegen, das führende italienische Sozialisten wie Turati auch mit der „Critica Sociale“ verfolgten, war der Aufbau einer Partei, die sich an der deutschen Sozialdemokratie und deren Selbstverständnis orientierte. 114 Vor allem mit dem Artikel „Le Socialisme en Allemagne“, der daraus entstandenen Kontroverse mit Giovanni Bovio, den veröffentlichten Teilen aus den Einleitungen zur englischen und deutschen Neuauflage seines Buches „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ von 1892 und das Interview im „Daily Chronicle“ bot <strong>Engels</strong> für diesen Schwerpunkt der Zeitschrift dem italienischen Leser aussagekräftige Informationen. Diese Texte enth<strong>alte</strong>n eine Auffassung vom Wirken einer sozialistischen Partei, die von der Rolle eines letztlich ökonomisch begründeten Klassenkampfs in der Geschichte ausgeht, eine besondere „Mission“ des Proletariats zur Aufhebung der Klassen begründet, die unbedingte Eigenständigkeit der Arbeiterpartei betont, deren Ziel – die Eroberung der politischen Macht zum Zwecke der Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel – proklamiert und im vielschichtigen Ausnutzen des allgemeinen Wahlrechts durch die Partei ein entscheidendes Instrumentarium zur Erreichung dieses Zieles sieht. Besonders aufschlussreich für die Intentionen, mit denen die Redaktion der Zeitschrift die Arbeiten von <strong>Engels</strong> für ihr Anliegen einsetzte, sind die für den Abdruck ausgewählten Teile aus den beiden Einleitungen von „Die Lage der arbeitenden Klassen in England“ (siehe S. 755/756 und 875). Eng verbunden mit diesem ersten Komplex war ein zweiter, der Fragen der politischen Taktik, insbesondere des Bündnisses der italienischen sozialistischen Partei mit anderen demokratischen Kräften betraf. Da solche Fragen besonders eng an die jeweiligen konkreten nationalen gesellschaftlichen Verhältnisse gebunden waren, erklärt sich, dass die von <strong>Engels</strong> direkt für die „Critica Sociale“ geschriebenen Beiträge vor allem Bezug zu diesem Schwerpunkt in der Zeitschrift besaßen. Als sich Leonida Bissolati Bergamáschi in dem Artikel „Quale è nostra lotta?“ in der „Critica Sociale“ vom 16. Februar 1895, S. 53–57, sehr ausführlich zu dieser Problematik äußerte, nahm er allerdings keinerlei Bezug auf diese Veröffentlichungen von <strong>Engels</strong>. Ein spezifisches Problem, das damals auch für Italien relevant war und die Stellung der Sozialisten zu den schutzzöllnerischen und freihändlerischen Fraktionen der herrschenden politischen Parteien betraf, behandelte <strong>Engels</strong> in „Protezionismo e libero scambio“. Wie bereits erwähnt, verzichtete die Redaktion der „Critica Sociale“ bei einem weiteren Aspekt dieses Schwerpunkts – dem Verhältnis der Sozialisten zu den Bauern - auf die Veröffentlichung der einschlägigen Arbeit von <strong>Engels</strong>. Naturgemäß bot die „Critica Sociale“ stets Raum für Diskussionen über Gültigkeit und Grenzen der Theorien von Marx. Ohne auch hier direkter Bestandteil mehr oder weniger fest umrissener Debatten zu sein, bildeten zwei Arbeiten von <strong>Engels</strong> doch immerhin in gewisser Hinsicht frühe Bezugspunkte für nachfolgende Diskussionen in der Zeitschrift. Das betraf das Vorwort zu „Lohnarbeit und Kapital“ im Hinblick auf die bereits erwähnte Auseinandersetzung um das Wertgesetz von 114 Siehe Ernesto Ragionieri: Socialdemocrazia tedesca e Socialisti italiani … A.a.O.; Katharina Keller: Modell SPD? Italienische Sozialisten und deutsche Sozialdemokratie bis zum Ersten Weltkrieg. Bonn 1994. 68
1892 und 1894/1895 sowie die Schrift „Über den historischen Materialismus“, ein Gegenstand, der allerdings erst unmittelbar nach <strong>Engels</strong>’ Tod umfassend in der Zeitschrift diskutiert wurde. Schließlich sei angemerkt, dass <strong>Engels</strong> auch zur internationalen Verbreitung der „Critica Sociale“, insbesondere der Nummern beitrug, in denen Arbeiten von ihm enth<strong>alte</strong>n waren. Näheres dazu findet sich ebenfalls in den entsprechenden Apparateteilen „Entstehung und Überlieferung“. 69