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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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Technik eines Tagblattes. Es wird weit aktueller sein müssen als der ‘Vorwärts’, in Wien ist man<br />

verwöhnt. […] Um die Verbreitung ist mir nicht bange: bei etwas Glück […] haben wir am Ende<br />

des ersten Jahres 15 000 Abnehmer und sind aktiv, wenn der Fonds glücklich perdu ist.“ Am 31.<br />

Juli 1894 erschien auf Seite 1 der Nr. 61 der „Arbeiter-Zeitung“ unter der Überschrift „Arbeiter und<br />

Arbeiterinnen! Parteigenossen!“ der von Adler avisierte Aufruf. Die inhaltliche Ausgestaltung des<br />

Blattes umriss Adler in einem Appell an die Parteiorganisationen. Darin heißt es unter anderem:<br />

“Die tägliche ‚Arbeiter-Zeitung’ wird aber nicht nur ein Kampfblatt sein, sondern vor allem der<br />

wahrheitsgetreuen Berichterstattung über alles Wissenswerte dienen. Dafür wird gesorgt werden<br />

durch tüchtige Mitarbeiter in allen größeren Orten Oesterreichs wie des Auslandes […] Durch vollständige<br />

Berichte über die internationale Arbeiterbewegung und das gesamte Gebiet der Sozialpolitik,<br />

durch ausführliche Berichte über die Verhandlungen des Reichsrathes und der Landtage. <strong>Der</strong><br />

lokale Teil wird alle Gebiete des öffentlichen Lebens behandeln.“ (Zitiert nach Kunz: Die Geschichte<br />

der „Arbeiter-Zeitung“ … S. 77.)<br />

<strong>Engels</strong> war mit dieser Entwicklung sehr zufrieden. Im Vertrauen auf Adlers Fähigkeiten als Redakteur<br />

erhoffte er sich mit der täglich erscheinenden „Arbeiter-Zeitung“ auch ein Beispiel für den<br />

„Vorwärts“ (<strong>Engels</strong> an Victor Adler, 17. Juli 1894). Einen qualitativen Unterschied zwischen „Arbeiter-Zeitung“<br />

und „Vorwärts“ hatte Karl Kautsky bereits im Oktober 1893 konstatiert (Karl<br />

Kautsky an <strong>Engels</strong>, 11. Oktober 1893). Eine ähnliche Einschätzung traf Kautsky auch Franz Mehring<br />

gegenüber: Diese Zeitung „zu lesen ist ein wahres Vergnügen. Mitunter etwas derb, ja kinderhaft,<br />

aber stets schneidig, ja feurig. Aus der ‘Ar[beiter]zeitung’ spricht wirkliche Entrüstung und<br />

wirkliche Überlegenheit über den Gegner. Sie ist mir das liebste Parteiblatt“ (Karl Kautsky an Franz<br />

Mehring, 12. Mai 1894. RGASPI, Sign. f. 201, op. 1, d. 69. Fotokopie).<br />

Wegen der hohen Erwartungen, die <strong>Engels</strong> in eine von Adler geleitete Tageszeitung setzte, unterstützte<br />

er dessen Bemühungen für ein tägliches Erscheinen der „Arbeiter-Zeitung“ vielseitig und<br />

tatkräftig. Am 14. Dezember 1894 schrieb er an Adler, Louise Kautsky-Freyberger habe ihm schon<br />

im September oder Anfang Oktober mitgeteilt, dass sich ein Konsortium von Leuten gebildet habe,<br />

„die außerhalb der Partei stehen, die aber Vertrauen in Dich haben und speziell glauben, daß Du der<br />

Mann seist, der täglichen Ar[beiter]-Z[eitun]g auf die Wege auch des finanziellen Erfolg zu helfen,<br />

vorausgesetzt, daß Du die leitende Stellung erhältst. Wir sind also bereit, für die tägliche Arbeiter-<br />

Zeitung eine ansehnliche Summe, wie es heißt, bis etwa 5000 fl. Dir zu überweisen“. Adler antwortete<br />

am 17. Dezember erfreut: „Ein Betrag von 5.000 fl. ändert die Sache wesentlich zum Günstigeren,<br />

insbesondere wenn er nicht öffentlich ausgewiesen wird, den Fortgang der Sammlungen also<br />

nicht hindert. […] Ich kann also das angebotene Darlehen mit gutem Gewissen annehmen. Was die<br />

Bedingungen betrifft, so bin ich Chefredakteur, trage der Partei gegenüber die volle Verantwortung<br />

und habe die uneingeschränkte Leitung des Blattes. […] Daß Du an uns gedacht, denn ganz außerhalb<br />

Deiner Initiative ist es ja doch nicht geworden. Es ist ein ganz ungeheurer Dienst.“<br />

Ob es das von <strong>Engels</strong> erwähnte Geldgeberkonsortium wirklich gab oder ob <strong>Engels</strong> hier mit seinem<br />

eigenen Vermögen auf diskrete Weise das Vorhaben Adlers unterstützen wollte, konnte nicht<br />

geklärt werden. Auf jeden Fall hat sich <strong>Engels</strong> mit großem persönlichen Engagement dafür eingesetzt.<br />

Nach Adlers Zusage bereitete <strong>Engels</strong> den Entwurf einer Vereinbarung vor, die sechs Bedingungen<br />

für diese Anleihe beinh<strong>alte</strong>te:<br />

„1) Das Anleihen von 5000 fl. wird gemacht an die Firma: Arbeiterzeitung oder wie sonst die eingetragene<br />

Geschäftsfirma des Blattes lautet, Quittung ausgestellt von den gesetzlich dazu berechtigten<br />

Vertretern dieser Firma. Die Zahlung geschieht an Dr. Victor Adler.<br />

2) Alle auf das Anleihen bezüglichen Geschäfte, Verhandlungen, Zins- resp. Rückzahlungen werden<br />

vermittelt von Frau Louise Kautsky-Freyberger als Vertreterin der Darleiher und Dr. V. Adler<br />

als Vertreter der Arbeiterzeitung.<br />

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