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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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April und an Wilhelm Liebknecht, 10. Mai 1883) sowie seine Haltung zu verschiedenen von <strong>Engels</strong><br />

kritisierten Erscheinungen in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion während des Sozialistengesetzes,<br />

wie etwa in der Dampfersubventionsfrage (zum Beispiel <strong>Engels</strong> an Laura Lafargue, 16./17<br />

April 1885, an Eduard Bernstein, 15. Mai 1885, an Paul Lafargue, 19. Mai 1885 und an August<br />

Bebel, 22.–24. Juni 1885), waren weitere Glieder in einer Kette von Unzulänglichkeiten, die <strong>Engels</strong><br />

bei Liebknecht gegeben sah. Zeitnah zu Liebknechts Übernahme der Chefredaktion am „Vorwärts“<br />

hatte sich <strong>Engels</strong>’ Haltung diesem gegenüber schließlich im Zusammenhang mit dessen Verh<strong>alte</strong>n<br />

in Vorbereitung auf die beiden Sozialistenkongresse in Paris 1889 (siehe Erl. 376.12) weiter verfestigt.<br />

(<strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 21. Mai 1889, an Wilhelm Liebknecht, 17. August und 3. Oktober<br />

1889.) Ursachen für diese „vielen Differenzen“ mit Liebknecht (<strong>Engels</strong> an Eduard Bernstein, 9.<br />

August 1882) sah <strong>Engels</strong> unter anderem in dessen „Sucht, dem Mangel unsrer Theorie abzuhelfen,<br />

auf jeden Philistereinwand eine Antwort zu haben […]; und daneben, auch theoretisch möglichst<br />

unabhängig von uns zu sein, was ihm bei seinem totalen Mangel aller Theorie von jeher weit besser<br />

gelungen ist, als er selbst weiß.“ (<strong>Engels</strong> an Marx, 28. Mai 1876.) Zudem war für <strong>Engels</strong> Liebknechts<br />

gutgemeintes Bestreben „’jebildete’ Leute“ und „Leute in bürgerlichen Stellungen“ an die<br />

Partei zu binden, ein Grund für dessen aus <strong>Engels</strong> Sicht übertriebenen Hang zum Vermitteln. (<strong>Engels</strong><br />

an August Bebel, 10./11. Mai 1883 beziehungsweise 22.–24. Juni 1885.) Trotz dieser jahrelangen<br />

Kritik sah <strong>Engels</strong> durchaus die „vielen werthvollen Eigenschaften“ von Liebknecht (<strong>Engels</strong> an<br />

August Bebel, 10./11. Mai 1883), und er war überzeugt, dass dieser „im entscheidenden Moment<br />

sicher auf dem rechten Fleck sein“ würde (<strong>Engels</strong> an August Bebel, 17. November 1885). Außerdem<br />

zeigte <strong>Engels</strong> für Liebknechts Lage am „Vorwärts“ insoweit Verständnis, als er anlässlich der<br />

Debatte über dessen Gehalt auf dem Parteitag der SPD von 1892 einräumte: „Abhängig zu sein,<br />

selbst von einer Arbeiterpartei, ist ein hartes Los. Und auch abgesehn von der Geldfrage, ist es eine<br />

unfruchtbare Stellung für jeden, der Initiative hat, Redakteur eines der Partei gehörigen Blatts zu<br />

sein. Darüber waren Marx und ich von jeher einig, daß wir nie eine solche Stellung annehmen, nur<br />

ein auch von der Partei selbst pekuinär unabhängiges Blatt haben könnten.“ (<strong>Engels</strong> an August Bebel,<br />

19. November 1892) Alles in allem stellte <strong>Engels</strong> jedoch Liebknechts Fähigkeit, mit der Entwicklung<br />

der sozialistischen Bewegung Schritt zu h<strong>alte</strong>n, immer stärker in Frage. 105<br />

Angesichts dieser verfestigten Vorbeh<strong>alte</strong> gegenüber Liebknecht versuchte <strong>Engels</strong>, wie bereits<br />

die oben angeführten Belege zeigen, vor allem über Bebel, Einfluss auf den „Vorwärts“ und dessen<br />

Chefredakteur zu nehmen. Dabei beließ er es jedoch nicht nur bei den kritischen Hinweisen, sondern<br />

er bestärkte Bebel auch, ganz gezielt in den Personalbestand der Zeitung einzugreifen. Als<br />

1891 im Parteivorstand der SPD die Frage diskutiert wurde, wer zukünftig die Leitartikel für den<br />

„Vorwärts“ schreiben sollte, unterstützte er Bebels Bestreben, Bruno Geiser, den Schwiegersohn<br />

Liebknechts, und Wilhelm Blos von dieser Aufgabe zu entbinden. Auf einen Brief Bebels vom 29.<br />

September 1891 bezugnehmend, schrieb <strong>Engels</strong>: „Den Geiser müßt Ihr unter allen Umständen vom<br />

Vorw[ärts] fernh<strong>alte</strong>n […] Auch Blos ist ein Angstmeier und dazu langweilig. – Was den sechsten<br />

Leitartikel durch L[ie]bk[necht] angeht, so wird Euch der wenig Kummer machen, ich wette nach 3<br />

Wochen geht ihm der Leitartikel-Wind aus.“ (<strong>Engels</strong> an August Bebel, 29. September – 1. Oktober<br />

1891.)<br />

Auch zu den Plänen, die Redaktion des „Vorwärts“ ab 1. Januar 1892 durch einen ausgewiesenen<br />

Mann zu verstärken, äußerte sich <strong>Engels</strong> gegenüber Bebel. Zunächst tröstete er ihn, als sich die<br />

Besetzung der Stelle durch Carl Hirsch zerschlug: „Ich mochte nichts sagen, als die Sache einmal<br />

arrangirt, aber ich habe hier gleich gesagt das würde nicht gut gehn. H[irsch] ist nicht nur eigensinnig<br />

sondern auch grundlos verbittert weil er glaubt, die Red[aktion] des [Züricher]<br />

S[ozial]D[emokrat] sei ihm ungebührlich entzogen worden.“ (<strong>Engels</strong> an Bebel, 1. Dezember 1891;<br />

105 Zum Beispiel <strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 13. Juni und 28. September 1891, an Friedrich Adolph Sorge, 18. Juni<br />

1892; zur Rolle Liebknechts in der deutschen Sozialdemokratie seit etwa 1890 siehe auch Raymond Dominick:<br />

Wilhelm Liebknecht and the founding of the German Social Democratic Party. Chapel Hill 1982. S. 348–405.<br />

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