Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
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figer Abwesenheit, die aus dessen parlamentarischer und agitatorischer Arbeit resultierte, die Zeitung<br />
redigieren. Die Tätigkeit Schoenlanks am „Vorwärts“ währte bis zum Herbst 1893. Sie wurde<br />
allerdings durch eine langwierige Krankheit zwischen Mai 1892 und Februar 1893 um mehr als<br />
sieben Monate unterbrochen. (Ebenda. S. 51.) Schoenlanks Nachfolger wurde Adolf Braun, der die<br />
Stelle des politischen Redakteurs bereits vom 1. Dezember 1890 bis zum 31. Mai 1891 inne hatte<br />
und diese nun bis ins Jahr 1898 hinein ausübte. 101 Oft war die Redaktion des „Vorwärts“ unterbesetzt.<br />
Parlamentarische und agitatorische Verpflichtungen sowie Inhaftierungen der Redakteure<br />
waren dafür die häufigsten Gründe.<br />
Einfluss auf die redaktionelle Tätigkeit in den ersten Jahren nach Gründung des Zentralorgans<br />
hatte auch Ignaz Auer. Er wurde vom Parteivorstand verpflichtet, täglich abends in die Redaktion<br />
zu gehen, um Veröffentlichungen, die der Parteivorstand für wichtig hielt, zu veranlassen und<br />
zugleich das gesamte fertiggestellte Manuskript der nächsten Ausgabe durchzusehen und so zu redigieren,<br />
dass dem Staatsanwalt keine Angriffspunkte geboten wurden. (Bäuerle: Das sozialdemokratische<br />
Zentralorgan … S. 277.) Diese bis 1894 andauernde parteioffizielle Aufsicht beklagte<br />
Liebknecht in einem Brief an Max Quark vom 3. Mai 1893. (Nach ebenda.) Schließlich hatte auch<br />
die 1891 von Berliner Wahlkreisen gebildete Presskommission Einfluss auf die Ausrichtung des<br />
Blattes. Ursprünglich nur für die Kontrolle über den lokalen Teil der Zeitung gedacht (Protokoll<br />
über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands … 1891. S.<br />
92), beanspruchte sie in der Folgezeit auch ein Mitspracherecht bei der gesamten Gestaltung der<br />
Zeitung. (Bäuerle: Das sozialdemokratische Zentralorgan … S. 284.)<br />
Obwohl der „Vorwärts“ legal erschien und als offizielles Zentralorgan in der Postliste des Deutschen<br />
Reiches registriert war, war die Redaktion ständig den Überwachungs- und Zensurpraktiken<br />
der Politischen Polizei ausgesetzt. Dies schloss die Beschlagnahme einzelner Nummern ein, so zum<br />
Beispiel die Nr. 32 vom 7. Februar 1891 und Nr. 102 vom 3. Mai 1891. 102<br />
Die hauptamtlichen Tätigkeit am „Vorwärts“ wurde recht gut bezahlt. Liebknecht als Chefredakteur<br />
erhielt 7200 Mark, der zweite Redakteur 5000 Mark, die anderen Redakteure 3300, 3000 und<br />
2400 Mark jährlich. Außerdem beschäftigte die Zeitung einige weitere ständiger Mitarbeiter, hauptsächlich<br />
auswärtige, sowie Mitarbeiter, die zeitweilig Leitartikel lieferten, im Ganzen sechs, die<br />
monatlich feste Bezüge von 25 bis 150 Mark hatten. (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages<br />
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands … 1892. S. 92–94.) Aus der Anzahl ihrer<br />
Artikel kann man schlussfolgern, dass zu diesen sechs Mitarbeitern Victor Adler, Eduard Bernstein,<br />
Jules Guesde, Petr Lavrov (Semen Petroff) und Nikolaj Rusanov (Iwan Sergejewski) sowie später<br />
Georgij Plechanov gehörten. Da diese Mitarbeiter oft auf ihre Unterschrift verzichteten, kann in<br />
diesen Fällen nur aus dem Inhalt auf die Autorschaft geschlossen werden. Darüber hinaus publizierten<br />
wie in der „Neuen Zeit“ und in der Regel mit den gleichen Pseudonymen und Kürzeln andere<br />
führende Vertreter der internationalen Arbeiterbewegung gelegentlich im „Vorwärts“. Im Laufe der<br />
Jahre 1891 bis 1895 waren dies unter anderem Charles Bonnier, Karl Bürkli, Leo Frankel (L.F.),<br />
Pablo Iglesias (X.), Antonio Labriola, Paul Lafargue, Franz Mehring, Ion Nadejde und Christian<br />
Rakovski.<br />
Nachdem Paul Singer das vorhandene finanzielle Defizit des „Berliner Volksblattes“ von<br />
rund 17 000 Mark aus seinem Privatvermögen beglichen hatte (Protokoll über die Verhandlungen<br />
des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands … 1892. S. 92), gehörte der „Vorwärts“<br />
zu den Blättern der deutschen Sozialdemokratie, die ständig einen finanziellen Überschuss<br />
erzielten. Dies resultierte jedoch ausschließlich aus den Einnahmen vom Inseratenteil. Demgegenüber<br />
gelang es der SPD nicht, die Auflagenhöhe des Blattes entscheidend zu steigern. Nach den<br />
101 Peter Fasel: Dr. Adolf Braun (1862–1929). Grundriß zu einer politischen Biographie. Diss. Würzburg 1990. S. 21<br />
und 26–35.<br />
102 Landesarchiv Berlin. Verzeichnis der in Berlin erscheinenden politischen Zeitungen und Zeitschriften. A<br />
Pr.Br.Rep.030. Nr. 14412, Bl. 428.<br />
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