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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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Soll sie eine populäre, halb politische, halb literarisch-künstlerische, halb wissenschaftliche Zeitschrift<br />

werden, à la ‘Nation’, dann muß sie nach Berlin. Die Politik einer Wochenschrift muß am<br />

Centrum, den Abend vor dem Druck, gemacht werden, sonst kommt sie immer zu spät. […] Wird<br />

aber die N Z so verändert, so wendet sie sich nur an einen Teil ihres bisherigen Publikums und muß<br />

sich ganz für diesen einrichten. Dann wird sie unmöglich für die Artikel die ihr bisher den größten<br />

und dauerndsten Wert gegeben, für die längeren, wissenschaftlichen, die durch 3–6 No. gehn. Dann<br />

also müßte eine vorwiegend wissenschaftliche Monatsschrift – im Nothfall selbst Vierteljahresschrift<br />

– an ihre Seite treten, die dann auch einen entsprechend geringern Abonnentenkreis hätte<br />

und diesen durch höhern Preis aufwöge, so daß sie sich doch h<strong>alte</strong>n könnte.“ (<strong>Engels</strong> an August<br />

Bebel, 3. Dezember 1892.) Diese Überlegungen ergänzte er in seinem Brief an Kautsky vom 4. Dezember<br />

1892 noch durch die weitere Variante, die „Neue Zeit“ wieder monatlich herauszugeben,<br />

aber im Umfang von je acht bis neun Bogen, so dass die Abhandlungen in einer oder zwei Nummern<br />

erscheinen könnten und genug Raum sei, um „etwas für Alle“ zu enth<strong>alte</strong>n. Prinzipiell warnte<br />

<strong>Engels</strong> vor dem Streben nach Massenabsatz auch bei wissenschaftlichen Arbeiten (<strong>Engels</strong> an August<br />

Bebel, 3. Dezember 1892; siehe auch <strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 25. Juni 1892).<br />

Die Pläne zur erneuten Reorganisation der „Neuen Zeit“ wurden jedoch zunächst fallengelassen<br />

(Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 19. Dezember 1892; <strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 26. Januar und 20. März<br />

1893). Kautsky versuchte, auch ohne einschneidende Formveränderungen das Blatt trotz der Abhandlungen<br />

etwas „zu erleichtern und mannigfaltiger zu gest<strong>alte</strong>n“, indem er den Anteil der Notizen<br />

und Rezensionen erhöhte und im Feuilleton-Teil statt der Romane kurze Erzählungen sowie naturhistorische<br />

und historische Essays veröffentlichte (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 19. Dezember 1892;<br />

siehe auch August Bebel an <strong>Engels</strong>, 5. Dezember 1892). Um neue Abonnenten zu gewinnen, wurde<br />

außerdem zu Beginn des zwölften Jahrganges „eine Probenummer in großer Auflage“ herausgegeben<br />

(Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 20. September 1893).<br />

Im Zusammenhang mit seinem Bestreben, Stuttgart zu verlassen, kam Kautsky allerdings auch in<br />

den folgenden Jahren auf seine Überlegung, die „Neue Zeit“ wieder monatlich erscheinen zu lassen,<br />

zurück: „Ich habe hier die Fühlung mit Österreich verloren, ohne die mit Deutschland zu gewinnen“,<br />

schrieb er am 25. November 1893 an <strong>Engels</strong>. Auch befürchtete er, in Stuttgart zu „versimpeln“<br />

und wollte seinen Wohnsitz nach Wien oder London verlegen (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 25.<br />

Mai 1895). Daher schlug Kautsky Ende 1893 Dietz im Hinblick auf die geplante Gründung des<br />

„Sozialdemokrat“, dem Zentral–Wochenblatt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, erneut<br />

die Rückverwandlung der Revue in eine Monatsschrift vor, was jedoch zu diesem Zeitpunkt von<br />

Dietz (und auch von <strong>Engels</strong>) als ein unnötiges Experiment abgelehnt wurde (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>,<br />

11. Oktober und 25. November 1893; <strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 4. Dezember 1893).<br />

Aufgrund des finanziellen Defizits der „Neuen Zeit“ wurde schließlich im April/Mai 1895 zwischen<br />

Bebel, Bernstein, Singer, Schippel, Kautsky und Dietz nochmals ernsthaft ihre Umgestaltung<br />

in eine vier Bogen starke Monatsschrift erwogen (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 25. Mai und 30. Juli<br />

1895), doch wiederum nicht realisiert.<br />

Anlässlich des Übergangs der „Neuen Zeit“ zur Wochenschrift sowie ihres zehnjährigen Bestehens<br />

bot sich für Kautsky die Gelegenheit, sein Verständnis vom Charakter und den Aufgaben der<br />

von ihm redigierten Zeitschrift auch öffentlich darzulegen. 95 Überblickt man davon ausgehend die<br />

Jahrgänge der Zeitschrift in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum, so lassen sich die Intentionen<br />

ihrer redaktionellen Führung durch Kautsky etwa so umreißen: Die Zeitschrift verstand sich als<br />

ein Organ des von Marx und <strong>Engels</strong> herrührenden „proletarischen, wissenschaftlichen Sozialismus“<br />

(Die Neue Zeit. Jg. 9. 1890–1891. Bd. 1. S. 2) oder „wissenschaftlich-revolutionären Sozialismus“<br />

(ebenda. Jg. 11. 1892–1893. Bd. 1. S. 10), für den Kautsky den Begriff „Marxismus“ am treffendsten<br />

fand (ebenda. S. 4) und den er als theoretische Grundlage der deutschen Sozialdemokratie be-<br />

95 An unsere Leser. In: Die Neue Zeit. Jg. 9. 1890–1891. Bd. 1. S. 1–3; Zum zehnjährigen Bestand der „Neuen Zeit“.<br />

Ebenda. Jg. 11. 1892–1893. Bd. 1. S. 1–11.<br />

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