Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
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Clara Zetkin und Victor Adler. Dabei verwendeten die Autoren teilweise Pseudonyme oder Kürzel,<br />
so zum Beispiel Alexander Helphand (Parvus, Unus, I. Ignatjeff), Nikolaj Rusanov (J.S.), Paul Lafargue<br />
(Gallus), Charles Bonnier (Bernard oder B.), Max Schippel (ms), Heinrich Cunow (H.C.)<br />
und Hugo Lindemann (C. Hugo). Im März 1895 konnte die Redaktion der „Neuen Zeit“ befriedigt<br />
konstatieren, dass „der Kreis unserer Mitarbeiter, darunter die hervorragendsten Vertreter der Sozialdemokratie<br />
aller Länder, […] in steter Erweiterung begriffen“ sei und belegte dies durch eine<br />
namentliche Aufstellung von insgesamt 91 Mitarbeitern der Revue (Die Neue Zeit. Jg. 12. 1893–<br />
1894. Bd. 2. Heftumschlag von Nr. 27).<br />
Die Umwandlung der „Neuen Zeit“ in eine Wochenschrift war auch mit gewissen Veränderungen<br />
in der inhaltlichen Gestaltung verbunden. Gegenüber der Monatsschrift nahmen insbesondere<br />
die aktuell-politischen und die sozialwissenschaftlich ausgerichteten Beiträge einen breiteren Raum<br />
ein. Das entsprach dem Anliegen der Redaktion, die „Neue Zeit“ „abwechslungsreich, leichtverständlich<br />
und anziehend“ zu gest<strong>alte</strong>n, so dass sie „nicht blos dem Theoretiker, sondern auch dem<br />
Praktiker, nicht blos dem Studirenden, sondern auch dem Mann der Arbeit, der neben der Belehrung<br />
auch Erholung sucht, willkommen sei“ (An unsere Leser. In: Die Neue Zeit. Jg. 9. 1890–1891.<br />
Bd. 1. S. 1). Die Umsetzung dieser Maxime führte jedoch zu einer Debatte über den anzustrebenden<br />
Charakter der Zeitschrift, an der sich auch <strong>Engels</strong> beteiligte. Kautsky sah sich in dieser Frage der<br />
Kritik von zwei Seiten ausgesetzt. Auf der einen Seite beanstandete Paul Lafargue, dass die ernsten<br />
und selbständigen Studien von leichter verständlichen, unterh<strong>alte</strong>nden Artikeln verdrängt würden<br />
und die wissenschaftliche Ausnahmestellung der „Neuen Zeit“ gefährdet sei (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>,<br />
25. April 1891). Von Kautsky daraufhin angesprochen, stellte <strong>Engels</strong> jedoch fest: „Ich finde<br />
die N Z viel besser als früher […] Daß eine Wochenschrift mehr Raum für actualités verwenden<br />
muß als eine Monatsschrift ist klar.“ (<strong>Engels</strong> an Karl Kautsky, 30. April 1891.) Im Zusammenhang<br />
mit dem bereits erwähnten Rückgang der Abonnentenzahl bemängelten Bebel und Dietz auf der<br />
anderen Seite, dass die „Neue Zeit“ „zu doktrinär und zu wenig aktuell“ und für die Masse der Abonnenten<br />
„zu hoch und zu unverdaulich“ sei (August Bebel an Karl Kautsky, 28. November 1892.<br />
In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S. 78; siehe auch Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 26. November 1892).<br />
Um neue Leser zu gewinnen, wurden deshalb Ende 1892/Anfang 1893 zwischen Bebel, Kautsky,<br />
Dietz und <strong>Engels</strong> verschiedene Pläne zur Reorganisation der Zeitschrift erörtert.<br />
Bebel schlug vor, die langen, über mehrere Nummern laufenden Abhandlungen, „die das Blatt<br />
dem Leser verleiden“, zu kürzen, Fortsetzungen nur noch in Ausnahmefällen zu gestatten und zudem<br />
die Romanfortsetzungen des Feuilleton-Teils durch Kunst- und Bücherkritiken zu ersetzen<br />
(August Bebel an Karl Kautsky, 28. November 1892. In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S. 78). Auch<br />
Dietz forderte die Einschränkung des theoretischen Teils, die Einführung einer Kunstrevue (allerdings<br />
nicht anstelle, sondern neben dem Romanabdruck) sowie einer Art politischen Rundschau,<br />
um den allgemeinverständlichen Charakter der Zeitschrift zu erhöhen (Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 26.<br />
November 1892).<br />
Kautsky dagegen war der Auffassung, dass die Umwandlung der „Neuen Zeit“ in eine politische<br />
Wochenschrift ein Fehler gewesen sei, denn um am aktuellen politischen Leben teilzunehmen,<br />
müsste sie in Berlin herausgegeben werden. Da er außerdem gerade die langen wissenschaftlichen<br />
Abhandlungen als den bedeutendsten und wertvollsten Teil der Revue schätzte, dagegen das Feuilleton<br />
und die aktuelle Politik zu seinen schwachen Seiten als Redakteur zählte, strebte Kautsky die<br />
Rückverwandlung des Blattes in eine Monatsschrift an. (Karl Kautsky an August Bebel, [Ende November<br />
1892]. In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S. 79–81; Karl Kautsky an Victor Adler, 19. September<br />
1892. In: Adler-Briefwechsel. S. 99.)<br />
In dieser Ansicht wurde Kautsky von <strong>Engels</strong> unterstützt, der seinen Standpunkt ihm und Bebel<br />
gegenüber Bebel umfassend darlegte: „Im Allgemeinen […] scheint mir, daß die N Z seit sie wöchentlich<br />
ist, den <strong>alte</strong>n Charakter teilweise aufgegeben hat für einen neuen, den sie nicht recht hat<br />
durchführen können. Sie ist jetzt für ein doppeltes Publikum geschrieben und kann keinem ganz<br />
gerecht werden.<br />
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