Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
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3.24) musste sich die „Neue Zeit“ als allgemeine sozialpolitische Bildungszeitschrift ausgeben und<br />
erhielt daher den Untertitel „Revue des geistigen und öffentlichen Lebens“. 93<br />
Unmittelbar nachdem das Sozialistengesetz und die mit ihm verbundenen Pressebeschränkungen<br />
am 30. September 1890 außer Kraft getreten waren, erschien die Revue wöchentlich in etwas verkleinertem<br />
Format (8º), in einem Umfang von zwei Bogen (32 Seiten) und zum Preis von 20 Pfennig<br />
pro Heft. Aufgrund dieser Veränderungen begann der neunte und jeder weitere Jahrgang nun<br />
jeweils mit dem ersten Oktoberheft. Die beiden gebundenen Halbbände eines Jahrganges umfassten<br />
von nun an den Zeitraum von Oktober bis März und von April bis September.<br />
<strong>Der</strong> Vertrieb der Zeitschrift erfolgte über Buchhandlungen und Kolporteure, über Abonnements<br />
bei der Post sowie über Direktbezug vom Verlag als Kreuzbandversand.<br />
Mit ihrer Umwandlung in ein Wochenblatt gewann die „Neue Zeit“ zunächst eine große Zahl<br />
neuer Abonnenten. Viele Leser des bisherigen illegalen Zentralorgans der deutschen Sozialdemokratie,<br />
des „Sozialdemokrat“ (Zürich/London), der mit der Aufhebung des Sozialistengesetzes sein<br />
Erscheinen eingestellt hatte, bezogen nun die „Neue Zeit“, darunter zahlreiche ausländische Abonnenten.<br />
Während die Monatsschrift zuletzt etwa 2500 Abonnenten besaß (siehe Protokoll über die<br />
Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands … 1890. S. 35),<br />
konnte Kautsky schon am 21. Dezember 1890 <strong>Engels</strong> mitteilen: „Von der N Z erwarteten wir ein<br />
Steigen der Auflage auf 6000. Statt dessen hat sie schon 10 000 erreicht und die Auflage wächst<br />
immer noch.“ (Siehe auch Karl Kautsky an Victor Adler, 29. November 1890. In: Adler-<br />
Briefwechsel. S. 65.) Allerdings war bereits im März 1891 ein starker Rückgang der Auflagenhöhe<br />
zu verzeichnen (August Bebel an Karl Kautsky, 26. März 1891. In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S.<br />
76). Auch in seinem Brief an <strong>Engels</strong> vom 6. April 1892 musste Kautsky konstatieren, dass die<br />
„Neue Zeit“ zwar in weitere Kreise als früher dringe, doch die Mehrzahl der Leser „Bourgeois“<br />
seien. Die Verbreitung der Zeitschrift innerhalb der Partei habe dagegen aufgrund des Notstandes<br />
der Arbeiter und der Konkurrenz des seit Januar 1892 in Berlin herausgegebenen „Sozialpolitischen<br />
Centralblattes“ von Heinrich Braun nachgelassen (siehe auch Karl Kautsky an Victor Adler, 19.<br />
September und 15. Oktober 1892. In: Adler-Briefwechsel. S. 98–101 und 105–111; August Bebel<br />
an Karl Kautsky, 28. November 1892. In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S. 78/79). Ein weiterer<br />
Grund für den Rückgang lag nach Kautsky in dem wöchentlichen Erscheinen der Zeitschrift. „Die<br />
Arbeiter sagen einfach: Das ist uns zu viel, jede Woche ein solches Blatt. Das können wir nicht lesen.<br />
Und dieselbe Klage habe ich sogar aus bürgerlichen Kreisen gehört. Die Leser finden nicht die<br />
Zeit, dem Erscheinen der N Z mit dem Lesen nachzukommen“, schrieb er am 19. Dezember 1892<br />
an <strong>Engels</strong>. Nach einem zeitweiligen Aufschwung, der zu etwa 7000 Abonnenten Ende des Jahres<br />
1894 führte 94 , befand sich die „Neue Zeit“ schließlich im Juli 1895 mit rund 5000 Mark im Defizit<br />
(August Bebel an Karl Kautsky, 17. Juli 1895. In: Bebel-Kautsky-Briefwechsel. S. 92). Exakte Zahlenangaben<br />
liegen jedoch erst wieder für das Jahr 1896 vor, in dem sich die Auflagenhöhe auf 4000<br />
Exemplare belief (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Par-<br />
93 Zur Gründung der Zeitschrift und den Jahren bis 1890 siehe Brigitte Rieck: Die Gründung der „Neuen Zeit“ und<br />
ihre Entwicklung von 1883 bis 1890. In: Jahrbuch für Geschichte. Bd. 10. Berlin 1974. S. 253–294; dieselbe: <strong>Der</strong><br />
Beitrag der „Neuen Zeit“ zur Ausarbeitung eines revolutionären Parteiprogramms der deutschen Sozialdemokratie<br />
(1886–1891). In: Revolutionäres Parteiprogramm – Revolutionäre Arbeitereinheit. Berlin 1975. S. 382–420; Ingrid<br />
Gilcher-Holtey: Das Mandat des Intellektuellen. Karl Kautsky und die Sozialdemokratie. Berlin 1986. S. 30– 58;<br />
Uwe de la Motte: Einige Aspekte zur Rolle der „Neuen Zeit“ im Durchsetzungsprozeß des Marxismus in der zweiten<br />
Hälfte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. In: Beiträge zur Marx-<strong>Engels</strong>-Forschung. H. 23. Berlin 1987. S.<br />
167–176; Till Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein und Karl Kautsky. Entstehung und Wandlung des sozialdemokratischen<br />
Parteimarxismus im Spiegel ihrer Korrespondenz 1879 bis 1932. Köln, Weimar, Wien 1992. S. 20–<br />
60.<br />
94 Karl Kautsky an <strong>Engels</strong>, 19. Mai 1893; Till Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein und Karl Kautsky. Entstehung<br />
und Wandlung des sozialdemokratischen Parteimarxismus im Spiegel ihrer Korrespondenz 1879 bis 1932. Köln,<br />
Weimar, Wien 1992. S. 285.<br />
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