Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1848 bis 1850’“ zusammen und unterzog sie zugleich einer erneuten Überprüfung. Die Vorstellungen,<br />
die <strong>Engels</strong> in dieser „Einleitung“ zum politischen Kampf der damals agierenden sozialistischen<br />
Parteien vortrug, machte er als Konsequenzen dreier gedanklicher Prämissen kenntlich: der Anerkennung<br />
der materialistischen Geschichtsauffassung in ihren Möglichkeiten und Grenzen, ihrer<br />
Anwendung auf die europäische Geschichte, besonders die der industriellen Entwicklung seit 1848,<br />
und der auf dieser Grundlage von <strong>Engels</strong> gewonnenen neuen Einsicht in den seiner Überzeugung<br />
nach welthistorischen Zusammenhang von bürgerlicher und sozialistischer Revolution, wie sie oben<br />
bereits als eine übergreifende gedankliche Klammer für die Arbeiten des vorliegenden Bandes gekennzeichnet<br />
wurde. Die nunmehr von <strong>Engels</strong> als evolutionär aufgefasste Entwicklungsphase des<br />
Kapitalismus war für die Arbeiterbewegung mit einer Reihe neuer Bedingungen ihres Wirkens verbunden.<br />
Auf folgende wies <strong>Engels</strong> in der „Einleitung“ hin:<br />
- die Unmöglichkeit von Minoritätsrevolutionen – auch wenn sie im Interesse der Mehrheit<br />
durchgeführt werden (S. 336.11–337.38 und 347.26–32);<br />
- den Abschluss der Nationenbildung bei den „großen Nationen“ (S. 339.16–23);<br />
- eine rasche friedliche industrielle Entwicklung (S. 337.38–338.10 und 339.3–5), die vorübergehend<br />
auch durch eine gewisse friedensfördernde Wirkung der modernen Militärtechnik in den<br />
vorausgegangenen Jahren begünstigt wurde (S. 340.1–9);<br />
- die sozialen Belastungen für die Volksmassen durch die verstärkte Rüstung (S. 340.9–11);<br />
- die Verlagerung des Schwergewichts der sozialistischen Bewegung nach Deutschland und damit<br />
größere internationale Ausstrahlung der Vorzüge der deutschen Sozialdemokratie 64 (S. 340.18–<br />
342.24, 347.36–40 und 348.33–35);<br />
- hemmende Momente im erwarteten zügigen Proletarisierungsprozess der Mittelschichten (S.<br />
344.25–28).<br />
Mit Blick auf diese von ihm ausgemachten Bedingungen versuchte <strong>Engels</strong>, die Erfahrungen, die<br />
ihm insbesondere der Entwicklungsweg der deutschen Sozialdemokratie vermittelt hatte, theoretisch<br />
zu verarbeiten und zu untersetzen, um so eine neue Sicht auf Fragen zu befördern, die mit den<br />
Mitteln und Wegen der angestrebten politischen Machtergreifung durch die Arbeiterklasse und ihre<br />
Parteien zusammenhingen. Dieses neue Herangehen sah er in einer schrittweisen Erringung von<br />
Positionen mittels Inanspruchnahme der demokratischen Einrichtungen, die den Herrschenden abgerungen<br />
worden waren und demzufolge keinesfalls mehr nur als flexiblere Sicherungsmechanismen<br />
für deren Macht und Einfluss aufzufassen waren. Als Kern dieser neuen „Kampfesweise“ betrachtete<br />
<strong>Engels</strong> die Nutzung des allgemeinen Wahlrechts in seiner mehrdimensionalen Bedeutung<br />
für die Sozialdemokratie (siehe S. 341.9–342.12). Demgegenüber hielt er die Kampfesweise des<br />
Barrikadenkampfes aus einer Reihe von Gründen für ver<strong>alte</strong>t; eine gewisse Rolle könne dieser nur<br />
im Verlaufe einer Umwälzung spielen, in der bereits bis dahin ein politisches Kräfteverhältnis zugunsten<br />
der Revolutionäre bestehe. Mit den neuen objektiven Bedingungen, unter denen nach <strong>Engels</strong><br />
die sozialistische Arbeiterbewegung wirkte, traten für ihn auch zwei subjektive Voraussetzungen<br />
stärker in den Vordergrund: Die Volksmassen müssten vor der Revolution gewonnen werden<br />
und in ihr bewusst mittun (S. 347.26–32). Die Massen zu dieser Haltung zu führen sah <strong>Engels</strong> als<br />
die entscheidende Aufgabe der Sozialdemokratie in diesen Jahren an.<br />
In der „Einleitung zu Marx’ ‚Klassenkämpfen in Frankreich 1848 bis 1850’“ plädierte <strong>Engels</strong> also<br />
für einen demokratischen, friedlichen Weg der politischen Machtergreifung der Arbeiterklasse<br />
durch Nutzung und Ausweitung der demokratischen Instrumentarien des bürgerlichen Staates und<br />
Gewinnung der Mehrheit des Volkes. Er stellte aber in Rechnung, dass die damals herrschenden<br />
Klassen dem nicht tatenlos zusehen und selbst die demokratische Gesetzlichkeit brechen könnten.<br />
Für diesen Fall trat er auch für die Anwendung revolutionärer Gewaltmittel ein. Seine Überlegungen<br />
richtete <strong>Engels</strong> zwar an die deutsche Sozialdemokratie, und einige konkrete Aussagen bezogen<br />
64 Siehe dazu Ergänzung der Vorbemerkung von 1870 zu „<strong>Der</strong> deutsche Bauernkrieg“. In: MEGA 2 I/24. S. 382/383.<br />
24