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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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Auch das „Preface to the English Edition (1892) of ‚The Condition of the Working-Class in England<br />

in 1844’“ und seine ergänzte deutsche Übersetzung bieten hinreichend Ansatzpunkte, um sie in<br />

den hier ausgewählten Sinnzusammenhang einzuordnen. Seine materialistische Geschichtsauffassung<br />

anwendend, versuchte <strong>Engels</strong> hier, den Nachweis zu führen, dass die seit 1844 eingetretenen<br />

ökonomischen und sozialen Veränderungen dafür sprächen, dass der Sozialismus in der Theorie<br />

und in der Praxis auch um Großbritannien keinen Bogen machen werde. Das politische Erwachen<br />

der unorganisierten Arbeiter des Londoner East End seit 1886 und die davon ausgehende Gründung<br />

sogenannter neuer Trade Unions waren für <strong>Engels</strong> erste Anzeichen einer Bestätigung seiner Auffassung.<br />

Hinsichtlich dieser von <strong>Engels</strong> gezogenen politischen Konsequenz treffen sich dieser historische<br />

Abriss im „Preface …“ und die von anderen Gesichtspunkten ausgehende „Introduction …“.<br />

In einigen Arbeiten des Bandes unternahm <strong>Engels</strong> das, was er als besondere Fähigkeit von Marx<br />

hervorhob, nämlich „ein Stück Zeitgeschichte vermittelst der materialistischen Auffassungsweise<br />

aus der gegebnen ökonomischen Lage zu erklären“ (S. 330.1–3). Dabei war er sich darüber im klaren,<br />

dass man bei der Beurteilung von Ereignissen und Ereignisreihen aus der Tagesgeschichte nie<br />

im Stande sein wird, „bis auf die letzten ökonomischen Ursachen zurückzugehn“ (S. 330.13–14), da<br />

einem zu diesem Zeitpunkt das dafür notwendige empirische ökonomische Material nicht zur Verfügung<br />

stehe. Bestimmte Momente der Demonstration solcher „Versuche“ weisen neben Teilen der<br />

schon erwähnten Arbeiten das „Vorwort zur zweiten polnischen Ausgabe (1892) vom ‚Manifest der<br />

Kommunistischen Partei’“, die kurzen „Bemerkungen zur englischen politischen Literatur und zum<br />

Einfluß des Kapitalexports auf den Krisenzyklus“ und der Artikel „Die amerikanische Präsidentenwahl“<br />

auf. Gerade aber auf dem dabei von <strong>Engels</strong> betretenen Terrain sind sachliche Einseitigkeiten<br />

und Irrtümer nicht zu übersehen, wie besonders seine weit überzogenen Erwartungen zeigen, die er<br />

an die fortschreitende Zurückdrängung des britischen Industrie- und Handelsmonopols knüpfte. (S.<br />

86.11–21.) 56<br />

In den genannten Arbeiten tritt <strong>Engels</strong>’ Absicht, die materialistische Geschichtsauffassung vor<br />

ökonomistischen Vereinfachungen und Fehlinterpretationen zu bewahren und sie so in der internationalen<br />

Arbeiterbewegung zu verankern, klar zu Tage. Inwieweit er damit, zusammen mit den bereits<br />

erwähnten „Altersbriefen“ Marx’ Intentionen traf beziehungsweise diese adäquat verdeutlichte<br />

oder gar verfeinerte und erst recht, welche Bedeutung diese Theorie von der Geschichte für eine<br />

moderne Historiographie hat, kann hier nicht erörtert werden. 57<br />

<strong>Engels</strong>’ Einsichten in die seit Marx’ Arbeit am „Kapital“ weiterentwickelten ökonomischen Verhältnisse<br />

und seine durch verschiedene Kritiken und Fehldeutungen geforderten Erläuterungen der<br />

von ihm und Marx vertretenen materialistischen Geschichtsauffassung beeinflussten, neben schon<br />

im anderen Zusammenhang genannten neuen Wirkungsbedingungen der sozialistischen Bewegung,<br />

selbstredend auch seine Vorstellungen zur politischen Theorie und besonders zur politischen Praxis<br />

der sozialistischen Parteien. Die neugewonnenen ökonomischen und geschichtstheoretischen Einsichten<br />

ließen ihn immer deutlicher sehen, dass es keinen automatischen Zusammenbruch der kapitalistischen<br />

Verhältnisse geben würde. Demzufolge gruppierten sich die politischen Überlegungen<br />

von <strong>Engels</strong> vorrangig um die Revolutionstheorie. Dem sind die Arbeiten zuzuordnen, in denen <strong>Engels</strong><br />

im starken Maße Fragen des Staats, des Zusammenhangs von Demokratie, Frieden und Sozialismus<br />

sowie der Politik sozialistischer Parteien gegenüber potentiellen Bündnispartnern behandelte.<br />

Naturgemäß waren besonders diese Arbeiten sehr eng mit der Entwicklung der nationalen und<br />

internationalen Arbeiterbewegung sowie mit den von ihr ausgehenden Anforderungen an <strong>Engels</strong> zu<br />

ihrer Unterstützung verbunden. Besonders enge Beziehungen besaß <strong>Engels</strong> zur deutschen Sozial-<br />

56 Siehe auch <strong>Engels</strong> an Victor Adler, 30. August 1892. Bereits 1881 hatte <strong>Engels</strong> prophezeit: „That monopoly once<br />

destroyed, the British working class will be compelled to take in hand its own interests, its own salvation, and to<br />

make an end of the wages system. (The French Commercial Treaty. In: MEGA 2 I/25. S. 263.25–27.)<br />

57 Siehe dazu zum Beispiel die Erörterung verschiedener Aspekte dieser Frage in dem Sammelband „<strong>Engels</strong> after<br />

Marx“, ed. by Manfred B. Steger and Terrell Carver. Manchester 1999.<br />

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