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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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auf liegt, die „Brauchbarkeit“ einer so verstandenen materialistischen Geschichtsauffassung für die<br />

historische Erkenntnis zu demonstrieren. <strong>Engels</strong> versuchte, dem englischen Leser den historischen<br />

Materialismus nahe zu bringen, indem er ihn zum Materialismus und Agnostizismus in England in<br />

Beziehung setzte, mit seiner Hilfe die religiösen Tendenzen in der Geschichte der englischen Mittelklasse<br />

erklärte und auf seiner Grundlage die Situation und die von ihm erwartete Perspektive der<br />

englischen Arbeiterbewegung skizzierte. Damit stellte die „Introduction …“ zugleich eine Anwendung<br />

der theoretischen und methodologischen Positionen des historischen Materialismus dar, wie<br />

<strong>Engels</strong> sie in der Schrift „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ dargelegt<br />

hatte, für deren englische Übersetzung (S. 404–433) er diese Einleitung schrieb. Inwieweit<br />

die „Introduction …“ auf diese Weise im Vergleich mit seiner Schrift „Ludwig Feuerbach …“ und<br />

den oben genannten Briefen einen spezifischen Platz bei der Umsetzung des ihnen gemeinsam<br />

zugrunde liegenden Anliegens behauptete, wird im Apparatteil Entstehung und Überlieferung im<br />

einzelnen dargestellt. <strong>Der</strong> Umstand, dass <strong>Engels</strong> in der „Introduction …“ den Begriff „historical<br />

materialism“ (S. 111.34 und 116.38) erstmals öffentlich verwendete, ist dabei nur ein Gesichtspunkt.<br />

Dieses Vertiefen in die materialistische Geschichtsauffassung ließ <strong>Engels</strong> noch klarer sehen,<br />

dass die materiellen Tatbestände allein noch keine Garantie für die Durchsetzung der seiner Meinung<br />

nach in ihnen angelegten Tendenzen der gesellschaftlichen Entwicklung beziehungsweise<br />

dafür boten, dass sich von den möglichen Tendenzen die „gewünschte“ durchsetzen würde. Die<br />

vergleichende Betrachtung der großen bürgerlichen Revolutionen bestärkte ihn in dieser Auffassung.<br />

In ihrem Rahmen formulierte er in der „Introduction …“ mit aller Vorsicht drei allgemeine<br />

Charakteristika (Entwicklungsgesetze) bürgerlicher Revolutionen, aus denen sich für <strong>Engels</strong> ebenfalls<br />

Konsequenzen für die proletarische Revolution ergaben, die leicht nachvollziehbar sind: 1. In<br />

der bürgerlichen Revolution liefern die Bauern die Armee zum Schlagen, und gerade sie würden<br />

durch die ökonomischen Folgen des Sieges am sichersten ruiniert (S. 119.2–5). 2. Auf Grund der<br />

Unentschlossenheit der Bourgeoisie benötige die bürgerliche Revolution, um überhaupt die von<br />

<strong>Engels</strong> ausgemachten objektiven Aufgaben erfüllen zu können, entschiedene Vorstöße der jeweiligen<br />

radikal-demokratischen Kräfte, die über die eigentlichen Aufgaben der bürgerlichen Revolution<br />

hinausgehen (S. 119.10–14). 3. Die Bourgeoisie sei nicht in der Lage, ihre Macht über längere Zeit<br />

in ausschließlicher Weise zu behaupten, da sie einerseits in unterschiedlichem Maße die <strong>alte</strong> Feudalaristokratie<br />

an der Machtausübung beteiligen und andererseits ihre Herrschaft bestimmten Interessen<br />

der nachdrängenden Arbeiterklasse anpassen müsse (S. 124.7–10).<br />

Über die „Introduction …“ hinaus enthält der Band eine Reihe von Arbeiten, in denen, zwar weniger<br />

ausdrücklich, aber dennoch hinreichend deutlich, die Demonstration beziehungsweise Hervorhebung<br />

der Effizienz einer solchen historisch materialistischen Betrachtungsweise geschichtlicher,<br />

einschließlich zeitgeschichtlicher Prozesse in Bezug auf den jeweiligen empirischen Gegenstand<br />

als das eigentliche Anliegen in den Vordergrund treten. Mit ihnen beteiligte <strong>Engels</strong> sich<br />

zugleich an der Lösung einer ihm vorschwebenden Aufgabe, die er am 5. August 1890 gegenüber<br />

Conrad Schmidt folgendermaßen bestimmt hatte: „Unsere Geschichtsauffassung aber ist vor allem<br />

eine Anleitung beim Studium, kein Hebel der Konstruktion à la Hegelianerthum. Die ganze Geschichte<br />

muß neu studirt werden, die Daseinsbedingungen der verschiednen Gesellschaftsformationen<br />

müssen im Einzelnen untersucht werden ehe man versucht die politischen, privatrechtlichen,<br />

ästhetischen, philosophischen, religiösen etc. Anschauungsweisen, die ihnen entsprechen, aus ihnen<br />

abzuleiten.“ Zu diesen Arbeiten gehören die Darstellung zur Urgeschichte, besonders zur Entwicklung<br />

der Familie (S. 30–40 und 189–192), die als Ergänzung des 1884 erschienenen Buches „<strong>Der</strong><br />

Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ 50 , dem grundlegenden Werk von <strong>Engels</strong><br />

zu diesen Fragen, anzusehen sind, sowie die umfangreiche Artikelserie „Zur Geschichte des Urchristentums“<br />

und deren französische Übersetzung – wie die Urgeschichte ein Gegenstand, mit dem<br />

<strong>Engels</strong> sich zeit seines Lebens beschäftigte.<br />

50 MEGA 2 I/29. S. [7]–114.<br />

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