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Der alte Engels - Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

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sie noch nicht vollständig beherrscht. Wer aber wie Sie wissenschaftlichen Trieb hat, wird dabei<br />

auch sein Unterscheidungsvermögen bewahren & die geschickte, blendende, aber für den Augenblick<br />

berechnete & nur mit den nächst-handlichen Hülfsquellen zu Stand gebrachte Arbeit nicht auf<br />

denselben Rang stellen mit der mühsam vollendeten & äußerlich vielleicht weit weniger glänzenden<br />

wissenschaftlichen Leistung.“<br />

Die eingangs nur nach äußerlichen Kennzeichen vorgenommene Gruppierung der Arbeiten lässt<br />

bereits auch die enorme inhaltliche Vielfalt des Bandes anklingen. Deshalb erscheinen ein paar Anregungen<br />

am Platze, die eine gewisse Übersicht über die inhaltliche Konstitution des Bandes anbieten.<br />

Dabei soll durchaus auch der gedankliche Hintergrund erkennbar werden, vor dem – bei aller<br />

Konzentration auf die absolut zuverlässige Darbietung und zurückh<strong>alte</strong>nde Kommentierung der<br />

Texte – die editorische Tätigkeit erfolgte. Außerdem können auf diese Weise einige Informationen<br />

vermittelt werden, die in die Apparatteile „Entstehung und Überlieferung“ zu mehreren Artikeln des<br />

Bandes hineinreichen und so diese Apparatteile von Wiederholungen entlasten.<br />

Die Jahre 1891–1895 können noch in jenen historischen Zeitabschnitt eingeordnet werden, der<br />

durch den industriellen Kapitalismus der freien Konkurrenz geprägt wurde. Dominanz monopolistischer<br />

Strukturen in Produktion und Zirkulation, Entschärfung eines Teils der Widersprüche in den<br />

entwickelten Ländern nicht zuletzt im Zusammenhang mit einer neuen Stufe des Kolonialismus,<br />

merkliche Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und wachsende Einsicht der herrschenden<br />

Eliten in die Zweckmäßigkeit einer Integration der selbstbewussten Arbeiterorganisationen in das<br />

soziale und politische Gefüge der kapitalistischen Verhältnisse bestimmten erst einige Jahre später<br />

mehr und mehr die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Insofern gilt es festzuh<strong>alte</strong>n, dass das<br />

Schaffen von <strong>Engels</strong> auch in seinen letzten Lebensjahren wie sein Gesamtschaffen noch entscheidend<br />

durch die historische Epoche geprägt wurde, die mit der industriellen Revolution und den<br />

Ideen und politischen Ergebnissen der Französischen Revolution 1789 eingeleitet worden war, eine<br />

Epoche, die ein beachtliches Maß an politischer und persönlicher Freiheit gebracht hatte, das aber<br />

an bleibender und teilweise wachsender sozialer Ungleichheit seine Grenzen fand. Mit seinen<br />

Schriften reagierte <strong>Engels</strong> auch auf Veränderungen, die sich zu seinen Lebzeiten im Rahmen dieser<br />

Epoche vollzogen. Dies trifft auf die erste Hälfte der 1890er Jahre ebenfalls zu, die in die Endphase<br />

einer langjährigen Periode verlangsamten ökonomischen Wachstums fällt, die als „Große Depression“<br />

in die Geschichtsschreibung eingegangen ist. Damit im Zusammenhang setzten in den entwickelten<br />

Industrieländern verstärkt Bestrebungen ein, von zentralen Positionen des liberalen Wirtschaftsprinzips<br />

zugunsten einer staatlichen Schutzzoll- und Subventionspolitik abzurücken. Zur<br />

Spezifik dieser Jahre gehört, dass sich die soeben als vorwiegend zukünftige Tendenzen umrissenen<br />

gesellschaftlichen Veränderungen bereits deutlicher als in den vorausgegangenen Schaffensperioden<br />

von <strong>Engels</strong> abzuzeichnen begannen.<br />

Im Rahmen dieser einsetzenden vielschichtigen und in den einzelnen Ländern unterschiedlich<br />

verlaufenden Veränderungen, denen hier nicht weiter nachgegangen werden kann 32 , erzielten die<br />

32 Für Überblicke aus unterschiedlichen Sichtweisen, für deren Verdeutlichung oder gar Austarierung hier nicht der<br />

Platz ist, siehe unter anderem: Imperialismus. Hrsg. von Hans-Ulrich Wehler. Köln, Berlin 1970; Handbuch der europäischen<br />

Geschichte. Hrsg. von Theodor Schieder. Bd. 6. Stuttgart 1981; Heinrich August Winkler (Hrsg.): Organisierter<br />

Kapitalismus. Voraussetzungen und Anfänge. Göttingen 1974; Hartmut Kaelbe: Auf dem Weg zu einer<br />

europäischen Gesellschaft. Eine Sozialgeschichte Westeuropas 1880–1980. München 1987; Eric J. Hobsbawm:<br />

Das imperiale Zeit<strong>alte</strong>r 1875–1914. Frankfurt/M., New York 1989; Gustav Schmidt: <strong>Der</strong> europäische Imperialismus.<br />

München 1989; Lothar Gall: Europa auf dem Weg in die Moderne 1850–1890. München 1997; Gregor<br />

Schöllgen: Das Zeit<strong>alte</strong>r des Imperialismus. München 2000; Jürgen Fisch: Europa zwischen Wachstum und<br />

Gleichheit 1850–1914. Stuttgart 2002. Für die deutschen Verhältnisse, die <strong>Engels</strong> besonders interessiert beobachtete<br />

und seinen Analysen und Prognosen zugrunde legte, siehe vor allem die Arbeiten von Gerhard A. Ritter und seinen<br />

Schülern. Forschungsergebnisse aus diesem Kreise sind zugänglich über die Sammelbände Gerhard A. Ritter:<br />

Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Ideen in Deutschland. München 1996; Jürgen Kocka, Hans-Jürgen Puhle,<br />

Klaus Tennfelde (Hrsg.): Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. München [u.a.] 1994. Siehe aber<br />

auch für die deutschen Verhältnisse die Arbeiten solcher Autoren wie Werner Conze, Georg Fülberth und Jürgen<br />

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