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15.01.2013 Aufrufe

Arbeitnehmer in Normalarbeitsverhältnissen“ gegeben, während „vor allem das Eintreten von Arbeitslosigkeit beim Berufsanfang oder beim Wiedereinstieg in das Berufsleben, Arbeitslosigkeit bei randständigen Positionen im Beschäftigungssystem sowie schließlich Dauer- und Mehrfacharbeitslosigkeit [...] im vorhandenen Sicherungssystem nicht oder doch nur höchst unzulänglich aufgefangen werden“, was zu „Ausgrenzungsprozessen in der Arbeitslosenversicherung“ führe. Im Ergebnis werden „Benachteiligungen am Arbeitsmarkt tendenziell reproduziert“ (Hanesch: 1995, 17). Diese Einschätzungen werden nun vor dem Hintergrund der Ausführungen des Kapitels 2.1 bewertet. Die dargestellte Kritik entzündet sich letztlich an einem finalen Mangel an materieller Absicherung, der sich in Sozialhilfebedürftigkeit oder dem Bezug von Arbeitslosengeld II äußert. 111 Dies wiederum mit sozialer Ausgrenzung gleichzusetzen, wäre nach den Ausführungen in Unterkapitel 2.1 eine unzulässige Verkürzung. Vielmehr entscheidet die Dauer des Bezugs neben weiteren, auch immateriellen Faktoren der multidimensionalen Konstellation über die Zugehörigkeit zur Gruppe der Gefährdeten oder sozial Ausgegrenzten. An dieser Stelle wird noch einmal die Kontextbezogenheit der Kategorie „soziale Ausgrenzung“ deutlich. Es geht eben nicht um einen eindimensional festgelegten Status, sondern um einen Prozess, in dem zahlreiche Facetten sich gegenseitig beeinflussen. Die Einschätzung, ob passive Arbeitsmarktpolitik soziale Ausgrenzung fördert, hängt folglich im je individuellen Kontext von der „Fallhöhe“ der jeweiligen Existenz und damit dem Erleben eines Absturzes ab, der den vertrauten Lebensstandard vernichtet und in einem Sog auch freundschaftliche oder gar familiäre Beziehungen hinab ziehen kann. Ein kontinuierliches Absenken des Versorgungsniveaus (und die wiederkehrende Drohung durch sich übertreffende Vorschläge in diesem Bereich) kann ferner zu Tendenzen eines kulturellen Ausschlusses führen, wenn der gewohnte und mehrheitsfähige Lebensstil nicht mehr finanzierbar ist. 112 Es ist sicher nicht Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, dafür zu sorgen, dass der einmal erreichte Lebensstandard auf Kosten von Versicherten oder des Steuerzahlers gehalten werden kann. Richtig ist der Ausgrenzung soll darum an dieser Stelle ebenfalls ausgeblendet werden (vgl. hierzu insbesondere auch den Sammelband von Häußermann u.a. (Hg.) (2004)). 111 Die Frage des fehlenden Zugangs zu Lohnersatzleistungen wird in Unterkapitel 2.4.3.2 behandelt. 112 Allerdings gibt es Vorbilder aus dem Ausland, die eine hohe, zuletzt 90prozentige Absicherung garantieren, dies freilich auf der anderen Seite mit einer hohen Anforderung an die Flexibilität der Arbeitnehmer erkaufen, etwa im dänischen flexicurity-Modell (vgl. Döhrn u.a.: 1998; Emmerich: 1998; Schmid/Schömann (Hg.): 1999; Stephens: 1996; Torfing: 1999). 75

freilich, dass eine als existenziell persönliche Krise erlebte Abhängigkeit von geringen staatlichen Transferleistungen das Einfalltor für einen individuellen Prozess sozialer Ausgrenzung sein kann. Die im Unterkapitel 2.3.2.1 dargestellte Problematik der falschen Anreize durch zu hohe Lohnersatzleistungen (vgl. Kraft: 1994, 21) verweist allerdings darauf, dass Lösungen weniger in einer allgemein großzügigeren Ausgestaltung dieser Leistungen liegen können, als in flexiblen, ergänzenden Unterstützungsleistungen, insbesondere auch in Form von Beratungen, die einer individuellen, biografischen Situation angepasst sind. In diesem Zusammenhang kann überdies auf Verbesserungen für einen Teil der erwerbsfähigen ehemaligen Sozialhilfeempfänger verwiesen werden, die durch die Regelungen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten sind. So entfällt die bisherige Obergrenze für die erlaubte Arbeitszeit bei gleichzeitigem Bezug von Transferleistungen. Außerdem werden Unterhaltsverpflichtungen vor allem für Scheidungskinder berücksichtigt. Für Teile der Betroffenen erhöhen sich die Leistungsansprüche, greifen höhere Freibeträge und ist der Rückgriff auf Vermögen von Familienangehörigen eingeschränkt (vgl. BMWA: 2004a; Winkel: 2004). 2.3.3.2 Rechtlich-institutionelle Ausgrenzung durch Arbeitsmarktpolitik Hier erfolgt nun entlang der drei Funktionsmangel-Kategorien „Mangelnde Responsivität“, „Organisationsineffizienzen“ und „Mangelnde Akzeptanz“ eine Analyse der Exklusionswirkungen bezogen auf die rechtlich-institutionelle Dimension sozialer Ausgrenzung. Im Bereich der Politikwahl sind Exklusionstendenzen bereits angelegt. Dies bezieht sich zunächst global auf die Bereiche der Politikwahrnehmung, und -definition, der Agenda-Gestaltung und Alternativen-Prüfung, durch die sich eine eigene Art der Ausschließung als Nicht-Wahrnehmung der Problematik der sozialen Ausgrenzung durchzieht und die sich in einer weitgehenden Nichtberücksichtigung in der politischen Agenda-Gestaltung niederschlägt. 113 Letztlich verstellen sowohl die lagergeprägte Diskussionskultur als auch die Fixierung auf die monatlichen Arbeitsmarktzahlen den Blick auf die hier interessierenden extremen Problemgruppen des Sozialstaats, die 113 Diese Behauptung kann mit dem Hinweis unterstrichen werden, die sich im Kontrast zu Großbritannien darstellt, wo eine Ministerien übergreifende „social exclusion unit“ für den Kampf gegen soziale Ausgrenzung eingerichtet ist (vgl. Kronauer: 2002, 9). Die in Zyklen wiederkehrenden Versuche der politisch Verantwortlichen, ihr eigenes Versagen über „Faulheitsdebatten“ auf die betroffene Bevölkerungsgruppe (gemeint sind allerdings in der Regel Großgruppen wie Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger) abzuwälzen (vgl. Schmid u.a.: 2001), können im Sinne Stichwehs als „Kommunikationen [...], die den Akt der Exklusion vollziehen und ihn reproduzieren“ (2002: 1) aufgefasst werden. Sie führen zu zusätzlicher Stigmatisierung und sozialer Isolation. 76

freilich, dass eine als existenziell persönliche Krise erlebte Abhängigkeit von geringen<br />

staatlichen Transferleistungen das Einfalltor für einen individuellen Prozess sozialer<br />

Ausgrenzung sein kann. Die im Unterkapitel 2.3.2.1 dargestellte Problematik der<br />

falschen Anreize durch zu hohe Lohnersatzleistungen (vgl. Kraft: 1994, 21) verweist<br />

allerdings darauf, dass Lösungen weniger in einer allgemein großzügigeren<br />

Ausgestaltung dieser Leistungen liegen können, als in flexiblen, ergänzenden<br />

Unterstützungsleistungen, insbesondere auch in Form von Beratungen, die einer<br />

individuellen, biografischen Situation angepasst sind.<br />

In diesem Zusammenhang kann überdies auf Verbesserungen für einen Teil der<br />

erwerbsfähigen ehemaligen Sozialhilfeempfänger verwiesen werden, die durch die<br />

Regelungen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum<br />

1. Januar 2005 in Kraft getreten sind. So entfällt die bisherige Obergrenze für die<br />

erlaubte Arbeitszeit bei gleichzeitigem Bezug von Transferleistungen. Außerdem<br />

werden Unterhaltsverpflichtungen vor allem für Scheidungskinder berücksichtigt. Für<br />

Teile der Betroffenen erhöhen sich die Leistungsansprüche, greifen höhere Freibeträge<br />

und ist der Rückgriff auf Vermögen von Familienangehörigen eingeschränkt (vgl.<br />

BMWA: 2004a; Winkel: 2004).<br />

2.3.3.2 Rechtlich-institutionelle Ausgrenzung durch Arbeitsmarktpolitik<br />

Hier erfolgt nun entlang der drei Funktionsmangel-Kategorien „Mangelnde<br />

Responsivität“, „Organisationsineffizienzen“ und „Mangelnde Akzeptanz“ eine Analyse<br />

der Exklusionswirkungen bezogen auf die rechtlich-institutionelle Dimension sozialer<br />

Ausgrenzung.<br />

Im Bereich der Politikwahl sind Exklusionstendenzen bereits angelegt. Dies bezieht<br />

sich zunächst global auf die Bereiche der Politikwahrnehmung, und -definition, der<br />

Agenda-Gestaltung und Alternativen-Prüfung, durch die sich eine eigene Art der<br />

Ausschließung als Nicht-Wahrnehmung der Problematik der sozialen Ausgrenzung<br />

durchzieht und die sich in einer weitgehenden Nichtberücksichtigung in der politischen<br />

Agenda-Gestaltung niederschlägt. 113 Letztlich verstellen sowohl die lagergeprägte<br />

Diskussionskultur als auch die Fixierung auf die monatlichen Arbeitsmarktzahlen den<br />

Blick auf die hier interessierenden extremen Problemgruppen des Sozialstaats, die<br />

113 Diese Behauptung kann mit dem Hinweis unterstrichen werden, die sich im Kontrast zu<br />

Großbritannien darstellt, wo eine Ministerien übergreifende „social exclusion unit“ für den Kampf<br />

gegen soziale Ausgrenzung eingerichtet ist (vgl. Kronauer: 2002, 9). Die in Zyklen<br />

wiederkehrenden Versuche der politisch Verantwortlichen, ihr eigenes Versagen über<br />

„Faulheitsdebatten“ auf die betroffene Bevölkerungsgruppe (gemeint sind allerdings in der<br />

Regel Großgruppen wie Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger) abzuwälzen (vgl. Schmid u.a.:<br />

2001), können im Sinne Stichwehs als „Kommunikationen [...], die den Akt der Exklusion<br />

vollziehen und ihn reproduzieren“ (2002: 1) aufgefasst werden. Sie führen zu zusätzlicher<br />

Stigmatisierung und sozialer Isolation.<br />

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