INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints

INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints

tuprints.ulb.tu.darmstadt.de
von tuprints.ulb.tu.darmstadt.de Mehr von diesem Publisher
15.01.2013 Aufrufe

Nutzen bezogen auf Kosten und unmittelbare Wirkungen der Programme (Brutto- Effizienz). Die Güte einer Programmbilanzierung ist unmittelbar mit den Fragen der Evaluation, der Erfolgskontrolle und des Prozesses einer Rückkopplung und Aufnahme von Ergebnissen dieser Analysen verknüpft. Ein Fehlen dieser Bausteine oder Mängel in ihrer Umsetzung und Reichweite lassen blinde Flecken unbemerkt, die den Programmerfolg als Ganzes in Frage stellen können. Hierzu zählen nicht intendierte Folgen bei der (Beschäftigungs-) Bilanz in Form von Verdrängungs-Effekten 106 , nicht intendierten Verteilungseffekte 107 , fehlenden Produktivitätseffekte oder eine niedrige Netto-Effizienz, etwa durch Mitnahme- oder Drehtüreffekte 108, 109 . (Dietrich: 2003, 12; Dolton/Balfour: 2000). Auch Brinkmann (1994: 13) zufolge können „Förderketten [...] für eine Eingliederung hilfreich sein.“ 106 Verdrängungseffekte treten dort auf, wo gefördert Personen(-gruppen) nicht geförderte Personen(-gruppen) ersetzen. Hierbei wird zwischen direkten und indirekten Verdrängungseffekten unterschieden. Ein direkter Verdrängungseffekt ist auf der individuellen Ebene angesiedelt und liegt beispielsweise bei der Entlassung eines Arbeitnehmers zugunsten eines geförderten Arbeitnehmers oder der Bevorzugung des Geförderten bei einer Neueinstellung vor. Indirekte Verdrängungseffekte spielen sich auf betrieblicher Ebene ab, wenn Betriebe mit geförderten Arbeitnehmern aufgrund der daraus erzielten Wettbewerbsvorteile anderen Unternehmen ohne geförderte Arbeitnehmer im Wettbewerb unterliegen. Die häufig synonym verwendeten Substitutionseffekte spielen sich laut Schmid dagegen zwischen Sektoren ab und beziehen sich ausdrücklich auf „Subventionierung von nicht auf die Arbeit bezogenen Faktorkosten“. Verdrängungs- oder Substitutionseffekte können politisch intendiert sein (Schmid: 1994, 23; Schmid u.a.: 1997, 35). 107 Nicht intendierte Verteilungseffekte können beispielsweise durch eine insgesamt unzureichende Ausgestaltung der passiven Arbeitsmarktleistungen entstehen. Eine spezifischere Frage wird im Kontext der SGB II-Reform („Hartz IV“) diskutiert, die „zu merklichen Verschlechterungen bei der Anrechung niedriger Einkommen“ (vgl. Cichorek: 2005, 1) geführt hat, während durch so genannte „Zusatzjobs“ erstmals im großen Ausmaß zusätzliche und gemeinnützige Niedriglohnbereiche („1-Euro-Jobs“) bei Fortzahlung der Lohnersatzleistungen geschaffen wurden. Eine nicht intendierte Verteilungswirkung entsteht hier, wenn ohne weitere Rechtfertigung die Teilnehmer unterschiedlicher Arbeitsmarktmaßnahmen ihre zusätzlichen Einkünfte unterschiedlich angerechnet bekommen. Ein weiteres Beispiel tritt bei den so genannten Mini- oder Midijobs zutage. So sind Teilzeitbeschäftigte und Minijobber trotz Diskriminierungsverbot im Teilzeit- und Befristungsgesetz besonders stark von Niedriglöhnen betroffen. Der Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass die „Subventionierung“ der Minijobs durch Wegfall der Sozialabgaben, die eigentlich den Arbeitnehmern gilt, durch Niedriglöhne faktisch an die Arbeitgeber weitergereicht wird (vgl. Kalina/Weinkopf: 2006). 108 Mitnahmeeffekte bezeichnen beispielsweise Vorgänge, wo Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss für einen neu eingestellten Arbeitnehmer „mitnehmen“, den sie auch ohne diesen Zuschuss eingestellt hätten. In besonders schwerwiegenden Fällen folgt auf das Auslaufen der Förderung unmittelbar auch die Kündigung der geförderten Arbeitnehmer (vgl. Mosley: 2006, 33). Mitnahmeeffekte können als Prozentsatz der geförderten Personen beziffert werden, „die auch ohne politischen Eingriff das gewünschte Ziel erreicht bzw. das erwünschte Verhalten gezeigt hätten. Mitnahmeeffekte verringern die Effizienz der Maßnahmen (vgl. Schmid:1994, 23; Schmid u.a.: 1997, 34). Als Alternative zu Zuschüssen an Arbeitgeber werden deshalb Zuschüsse an Arbeitnehmer als Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung im Niedriglohnbereich diskutiert und mit positiven Eingliederungseffekten erprobt (vgl. Cichorek: 2005, 5). Hierbei besteht allerdings wiederum die Gefahr eines Lohndumpings, wobei die Zuschüsse mittelbar doch dem Arbeitgeber zugute kommen (vgl. Kalina/Weinkopf: 2006). 109 Drehtüreffekte bezeichnen den Durchlauf in und aus Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik aus und von der Arbeitslosigkeit. Diese waren lange dadurch begünstigt, dass aus der Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wiederum neue 73

2.3.3 Exklusionswirkungen staatlicher Arbeitsmarktpolitik Welche dieser Funktionsmängel produzieren, verstärken oder verfestigen nun Exklusionstendenzen? Dieser Frage soll nachfolgend für die Dimensionen der materiellen Ausgrenzung und der rechtlich-institutionellen Ausgrenzung nachgegangen werden. 110 Dabei folgen Tendenzen materieller Ausgrenzung weitgehend aus der Ausgestaltung passiver Arbeitsmarktpolitik (2.3.3.1) und Tendenzen rechtlichinstitutioneller Ausgrenzung unter anderem aus Zugangsbeschränkungen, mangelnder Ausstattung oder Implementation der aktiven Arbeitsmarktpolitik (2.3.3.2). 2.3.3.1 Materielle Ausgrenzung durch Arbeitsmarktpolitik Die Kritik an der Ausgestaltung passiver Arbeitsmarktpolitik entzündet sich an den unter 2.3.2.1 beschriebenen Sicherungsdefiziten, die insbesondere durch die Konstruktion der Anspruchsvoraussetzungen entstehen, allerdings durch die stufenweise erfolgten Absenkungen der Lohnersatzleistungen noch verstärkt wurden (vgl. Gottschall/Dingeldey: 2000; Hanesch: 1995, 16; Heinelt: 2003, 127). In diesen Kontext wirken darüber hinaus die ständig verschärften Zumutbarkeitsregeln hinein, die im Extremfalle eine Abwärtsspirale aus immer niedriger entlohnten Tätigkeiten und daraus resultierenden abnehmenden Lohnersatzansprüchen auslösen (vgl. ebd.: 17; Gagel: 2004, XXI; Schmid: 1996, 10). Eine „weitgehende materielle Absicherung [ist] nur für die Kerngruppe der ehemals besserverdienenden, langjährig beschäftigten Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwuchsen. Dieser Mechanismus wurde seit 1998 kontinuerlich eingeschränkt und mit dem Dritten „Hartz-Gesetz“ im Jahr 2003 abgestellt (vgl. BMWA: 2003, 4; Konle-Seidl: 2005, 48). 110 In Unterkapitel 2.1 wurden folgende Dimensionen des Exklusionsbegriffs vorgestellt (vgl. Abb. 2): rechtlich-institutionelle, materielle, kulturelle, soziale und räumliche Dimension. Der Fokus liegt an dieser Stelle auf den beiden Dimensionen, in denen Arbeitsmarktpolitik direkte Wirkungen entfaltet. Bezüglich der sozialen und kulturellen Dimensionen wird hier davon ausgegangen, dass Entscheidungen der Arbeitsmarktpolitik hier nur mittelbaren Einfluss ausüben. Für die soziale Dimension kann dies beispielsweise im Kontrast zur Ausländerpolitik verdeutlicht werden, wo Arbeitsverbote für abgelehnte, aber im Land geduldete Asylbewerber diesen die Zugänge zu über die Arbeit vermittelten sozialen Kontakten direkt verwehren. Kieselbach/Beelmann (2003), die die räumliche Dimension in ihrer Untersuchung von Exklusionsrisiken bei jugendlichen Arbeitslosen integrieren, kommen bei einem Vergleich von sechs europäischen Ländern zu dem Ergebnis, dass „räumliche Exklusion die geringste Bedeutung“ unter den oben genannten Dimensionen besitzt (36). In der Diskussion des Hartz- IV-Gesetzes wurden zwar Stimmen laut, die wegen der neu definierten Angemessenheitsregeln für Wohnraum auf die Gefahren von Massenumzügen und wachsenden problematischen Quartieren in Stadtteilen mit einer hohen Dichte von Leistungsempfängern und deren Familien verweisen (vgl. Viering: 2004). Andererseits sind diese Warnungen noch ohne empirischen Befund. Farwick (2004: 305) stellt in einer Untersuchung anhand von Längsschnittdaten von Sozialhilfeempfängern aus Bremen und Bielefeld zumindest einen negativen Einfluss des Wohnquartiers auf die Dauer der Armutslage fest. Kronauer (2002: 215ff.) verweist hingegen auf die Heterogenität der vorliegenden Befunde zu Ausgrenzungswirkungen in Problemstadtteilen. So seien hier auch Solidarisierungs- und Stabilisierungstendenzen erfahrbar, weil „das Quartier [...] auch Hilfen bei der Bewältigung von Ausgrenzungsbedrohung bereitstellen kann (2002: 217; vgl auch Kronauer/Vogel: 2004, 256). Die räumliche Dimension 74

2.3.3 Exklusionswirkungen staatlicher Arbeitsmarktpolitik<br />

Welche dieser Funktionsmängel produzieren, verstärken oder verfestigen nun<br />

Exklusionstendenzen? Dieser Frage soll nachfolgend für die Dimensionen der<br />

materiellen Ausgrenzung und der rechtlich-institutionellen Ausgrenzung nachgegangen<br />

werden. 110 Dabei folgen Tendenzen materieller Ausgrenzung weitgehend aus der<br />

Ausgestaltung passiver Arbeitsmarktpolitik (2.3.3.1) und Tendenzen rechtlichinstitutioneller<br />

Ausgrenzung unter anderem aus Zugangsbeschränkungen, mangelnder<br />

Ausstattung oder Implementation der aktiven Arbeitsmarktpolitik (2.3.3.2).<br />

2.3.3.1 Materielle Ausgrenzung durch Arbeitsmarktpolitik<br />

Die Kritik an der Ausgestaltung passiver Arbeitsmarktpolitik entzündet sich an den<br />

unter 2.3.2.1 beschriebenen Sicherungsdefiziten, die insbesondere durch die<br />

Konstruktion der Anspruchsvoraussetzungen entstehen, allerdings durch die<br />

stufenweise erfolgten Absenkungen der Lohnersatzleistungen noch verstärkt wurden<br />

(vgl. Gottschall/Dingeldey: 2000; Hanesch: 1995, 16; Heinelt: 2003, 127). In diesen<br />

Kontext wirken darüber hinaus die ständig verschärften Zumutbarkeitsregeln hinein, die<br />

im Extremfalle eine Abwärtsspirale aus immer niedriger entlohnten Tätigkeiten und<br />

daraus resultierenden abnehmenden Lohnersatzansprüchen auslösen (vgl. ebd.: 17;<br />

Gagel: 2004, XXI; Schmid: 1996, 10). Eine „weitgehende materielle Absicherung [ist]<br />

nur für die Kerngruppe der ehemals besserverdienenden, langjährig beschäftigten<br />

Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwuchsen. Dieser Mechanismus wurde seit 1998 kontinuerlich<br />

eingeschränkt und mit dem Dritten „Hartz-Gesetz“ im Jahr 2003 abgestellt (vgl. BMWA: 2003, 4;<br />

Konle-Seidl: 2005, 48).<br />

110 In Unterkapitel 2.1 wurden folgende Dimensionen des Exklusionsbegriffs vorgestellt (vgl.<br />

Abb. 2): rechtlich-institutionelle, materielle, kulturelle, soziale und räumliche Dimension. Der<br />

Fokus liegt an dieser Stelle auf den beiden Dimensionen, in denen Arbeitsmarktpolitik direkte<br />

Wirkungen entfaltet. Bezüglich der sozialen und kulturellen Dimensionen wird hier davon<br />

ausgegangen, dass Entscheidungen der Arbeitsmarktpolitik hier nur mittelbaren Einfluss<br />

ausüben. Für die soziale Dimension kann dies beispielsweise im Kontrast zur Ausländerpolitik<br />

verdeutlicht werden, wo Arbeitsverbote für abgelehnte, aber im Land geduldete Asylbewerber<br />

diesen die Zugänge zu über die Arbeit vermittelten sozialen Kontakten direkt verwehren.<br />

Kieselbach/Beelmann (2003), die die räumliche Dimension in ihrer Untersuchung von<br />

Exklusionsrisiken bei jugendlichen Arbeitslosen integrieren, kommen bei einem Vergleich von<br />

sechs europäischen Ländern zu dem Ergebnis, dass „räumliche Exklusion die geringste<br />

Bedeutung“ unter den oben genannten Dimensionen besitzt (36). In der Diskussion des Hartz-<br />

IV-Gesetzes wurden zwar Stimmen laut, die wegen der neu definierten Angemessenheitsregeln<br />

für Wohnraum auf die Gefahren von Massenumzügen und wachsenden problematischen<br />

Quartieren in Stadtteilen mit einer hohen Dichte von Leistungsempfängern und deren Familien<br />

verweisen (vgl. Viering: 2004). Andererseits sind diese Warnungen noch ohne empirischen<br />

Befund. Farwick (2004: 305) stellt in einer Untersuchung anhand von Längsschnittdaten von<br />

Sozialhilfeempfängern aus Bremen und Bielefeld zumindest einen negativen Einfluss des<br />

Wohnquartiers auf die Dauer der Armutslage fest. Kronauer (2002: 215ff.) verweist hingegen<br />

auf die Heterogenität der vorliegenden Befunde zu Ausgrenzungswirkungen in<br />

Problemstadtteilen. So seien hier auch Solidarisierungs- und Stabilisierungstendenzen<br />

erfahrbar, weil „das Quartier [...] auch Hilfen bei der Bewältigung von Ausgrenzungsbedrohung<br />

bereitstellen kann (2002: 217; vgl auch Kronauer/Vogel: 2004, 256). Die räumliche Dimension<br />

74

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!