INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints
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Die Pluralisierung oder Diversifizierung der Arbeitsformen bezieht sich insbesondere<br />
auf vertragliche Konstellationen, die zunehmend auch prekäre<br />
Beschäftigungsverhältnisse umfassen. 53 Prekarität verweist dabei hauptsächlich auf<br />
Fragen der Arbeitsplatzsicherheit 54 und der Entlohnung, genauer darauf, ob mit dieser<br />
ein würdiges Leben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Familien<br />
möglich ist (vgl. Kraemer/Speidel: 2005; Niejahr: 2006). 55 Pluralisierung bedeutet auch<br />
53 Kocka (2001: 15) verweist darauf, dass das Ausmaß der diesbezüglichen Veränderungen „oft<br />
übertrieben wird“. Laut Angaben der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern<br />
und Sachsen (1998: 46) hat sich allerdings das Verhältnis von Vollzeitarbeitsplätzen zur<br />
Summe von Teilzeit-, Kurzzeit-, geringfügig oder befristet Beschäftigten zwischen 1970 und<br />
1996 alleine in Westdeutschland von 5:1 auf 2:1 verändert. Der Anteil unbefristeter<br />
Vollzeitverträge ist in Westdeutschland in diesem Zeitraum von fast 84 Prozent auf 68 Prozent<br />
aller abhängig Beschäftigten zurückgegangen, während Teilzeit-, befristete, leihweise und<br />
öffentlich subventionierte Beschäftigung in dieser Reihenfolge quantitativ zugenommen haben<br />
(Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1997, 64). Reduziert<br />
man das Sichtfenster gar auf die Normalarbeitszeit, definiert als gleichmäßige, tagsüber<br />
abzuleistende Arbeit von montags bis freitags, so hat sich zwischen 1989 und 1999 nach<br />
Angaben des Kölner ISO-Instituts eine Verringerung von 24 auf 15 Prozent an abhängig<br />
Beschäftigten ergeben, für die diese Bedingungen (noch) gelten (ISO-Informationen 10/1999,<br />
6). Das in Frankfurt ansässige Zukunftsinstitut rechnet mit einer Fortsetzung dieses Trends (vgl.<br />
Nöcker: 2006). Weeber/Eckhoff (1999: 47) verweisen aber darauf, dass bei steigender<br />
Erwerbsquote viele vormals nicht Beschäftigte in Teilzeit oder andere Arbeitsverhältnisse<br />
eintreten. Es trete ein Effekt der Verschiebung der Proportionen auf, weniger der Erosion<br />
bestehender Verhältnisse. Mit anderen Worten: Es tritt Neues hinzu, ohne dass das Alte<br />
verschwände. Damit bleibt das als unbefristete Vollzeitbeschäftigung definierte<br />
Normalarbeitsverhältnis die vorherrschende Erwerbsform, wobei der Zuwachs in der<br />
Erwerbsbeteiligung hauptsächlich in den atypischen Beschäftigungsverhältnissen stattfindet<br />
(vgl. Klauder: 2001, 3; Querschnittsgruppe Arbeit und Ökologie: 2000, 26).<br />
Oschmiansky/Schmid (2000) kommen in einer auf den Daten des Mikrozensus (Jahre 1985 bis<br />
1998) beruhenden Untersuchung zu dem ähnlichen Schluss, dass die in Frage stehende<br />
Erosion „doch sehr gebremst“ stattfindet (ebd.: 39), zuletzt zwischen 1985 und 1998 nur mit<br />
anderthalb Prozentpunkten auf zuletzt 57,8 Prozent Anteil der Normalarbeitsverhältnisse an<br />
übrigen Erwerbsformen (inklusive Selbstständigkeit, ohne Berücksichtigung subventionierter<br />
Beschäftigungsverhältnisse). Christian Scholz, Professor an der Universität Saarbrücken, sieht<br />
eine mangelnde Akzeptanz dieser Trends bei den Betroffenen als Ursache dafür, dass sie nicht<br />
in dem Maße, wie vorausgesagt, eintreffen: „Die Leute wollen es nicht“ (Nöcker: 2006). Auch<br />
der in den Medien häufiger thematisierte und an konkreten Beispielen belegte gezielte Abbau<br />
von „Normalarbeitsverhältnissen“ zugunsten von geringfügig Beschäftigten ist empirisch<br />
zumindest über die jeweiligen Einzelfälle hinaus nicht nachgewiesen (vgl. Bach u.a.: 2004a, 4;<br />
Viering: 2004b).<br />
54 Arnal u.a. (2001: 20ff.) zufolge ergibt sich für Deutschland in den 1990er Jahren folgender<br />
Trend: „Employee tenure (a measure for job stability) [...] became somewhat shorter.“ Eine<br />
vergleichende Untersuchung der OECD-Länder ergab übergreifend eher eine stabile Situation,<br />
wobei „tenure for skilled workers has tended to increase, while tenure for unskilled workes has<br />
tended to decrease, [...] tenure for female workers tends to increase, while the opposite goes<br />
true for male workers, [...] there ist a change in the industrial structure towards low-tenure<br />
industries, [...] finally [...] population ageing automatically translates into higher tenure“.<br />
55 Neueren Untersuchungen zufolge arbeiten mehr als zwanzig Prozent der abhängig<br />
Beschäftigten in Deutschland zu Stundenlöhnen unterhalb der Niedriglohnschwelle in Höhe von<br />
9,83 Euro (West), bzw. 7,15 Euro (Ost), das sind mehr als sechs Millionen Beschäftigte (vgl.<br />
Kalina/Weinkopf: 2006). Vielfach handelt es sich nicht um Lohndumping, sondern umtarifliche<br />
Niedriglöhne, etwa für Wachmänner im Veranstaltungsdienst (Stundenvergütung 4,32 Euro in<br />
Thüringen) oder Hilfsarbeiter in der rheinländischen Landwirtschaft (4,68 Euro/Stunde) (vgl.<br />
Beise: 2004; Schneider: 2004). Allerdings kann „nicht jede atypische Beschäftigung als prekär<br />
bezeichnet werden“ (Kraemer/Speidel: 20005, 378). Entsprechend den Hinweisen zur<br />
Exklusionsforschung im Unterkapitel 2.1 wäre „die ‚objektive’ Identifikation von<br />
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